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Am 25. September 2022 ging eine von der italienischen Politikerin Giorgia Meloni und ihrer Partei „Fratelli d’Italia“ angeführte nationalistische Parteien-Allianz („Fratelli d’Italia“, „Lega“, Forza Italia“ und „Noi Moderati“) mit 43,9 % der Stimmen für die Abgeordnetenkammer (112 Sitze von 200 Sitzen) und 44 % der Stimmen für den Senat (235 Sitze von 400 Sitzen) als Sieger aus den Parlamentswahlen hervor.
Das Bündnis konnte diesen Erfolg einfahren, weil es berechtigte Forderungen der Bürger wie Eindämmung der Zuwanderung aus dem orientalischen und afrikanischen Raum vertreten und Italiens christliche Wurzeln gepriesen hatte.
Giorgia Meloni wird also demnächst als Premierministerin Italiens eine mit Gesinnungsgenossen bestückte Regierung bilden.
Für Südtirol bedeutet dieser Wahlsieg jedoch kaum Gutes – und dies liegt in der Persönlichkeit der Frau Meloni begründet.
Der Werdegang der Frau Giorgia Meloni
Sie wuchs als Tochter einer Sizilianerin und eines Sarden in Rom auf und trat im Alter von 15 Jahren der „Fronte della Gioventù“ („Jugendfront“) bei, der Jugendorganisation des neofaschistischen „Movimento Sociale Italiano“ (MSI). Später betätigte sie sich in der „Alleanza Nazionale“ (AN), einer Nachfolgepartei des neofaschistischen MSI. 2006 wurde sie auf der Liste dieser Partei in die Abgeordnetenkammer in Rom gewählt.
Im Dezember 2012 gründete Meloni zusammen mit dem ebenfalls aus der neofaschistischen Bewegung MSI kommenden Ignazio La Russa die Partei „Fratelli d’Italia“ („Brüder Italiens“). Im März 2014 wurde sie zur Vorsitzenden gewählt. Ihr Partner La Russa sollte 2020 dann übrigens vorschlagen, den faschistischen Gruß „saluto romano“ wieder öffentlich zu erlauben. („Dolomiten“ vom 30. September 2022)
Politische Positionierungen der Frau Meloni
Nach der Wahl tauchte im Internet ein Video über ein Interview auf, welches Meloni einem französischen Fernsehsender gegeben hatte. In diesem Video konnte man Folgendes von ihr hören:
„Ich denke, dass Mussolini ein guter Politiker war. Alles, was er gemacht hat, hat er für Italien gemacht. Es gab keine anderen Politiker wie ihn in den letzten 50 Jahren.“
Autonomie – „im Gesamtspektrum der nationalen Einheit“
Am 21. September 2022 veröffentlichten „Dolomiten“ eine Stellungnahme, die Giorgia Meloni der Tageszeitung hatte zukommen lassen. In Bezug auf die Autonomie gab sie unverbindliche Sprechblasen von sich wie: „Starke Autonomie in einem starken Staat“.
Die Autonomie dürfe nicht nur für muttersprachliche Gruppen gelten, sondern „sie hat den Vorteil, ein ganzes Gebiet aufzuwerten.“
Die Autonomie müsse „im Gesamtspektrum der nationalen Einheit“ stehen. Sie brauche übrigens „innerhalb eines staatlichen Gefüges nicht geschützt zu werden, weil niemand sie angreift.“
Es gebe allerdings „Bereiche von strategischem nationalen Interesse … bei denen es angebracht ist, der Zentralregierung die Führung zu überlassen und die Regionen mit anderen Aufgaben zu betreuen.“
Politische Beobachter befürchten, dass sich hinter dem ganzen Geschwafel die Absicht verbirgt, die derzeitige Autonomie mit ihren Schutzbestimmungen für die Volksgruppen in eine „Territorial-Autonomie“ für die „Region Trentino-Alto Adige“ umzuwandeln, in welcher die Südtiroler wieder wie einst einer italienischen Mehrheit ausgeliefert wären.
Unbotmäßige Südtiroler über den Brenner nach Österreich schicken
Wie die Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ in einer Presseaussendung mitteilte, werde nun eine Frau Ministerpräsidentin, „die jene Südtiroler, die sich nicht zu Italien bekennen wollen, über den Brenner schicken will.“ (Meldung in „Unser Tirol.com“ vom 26. September 2022)
Eine Strafanzeige gegen Meloni
Am 22. August 2022 berichtete das Internetportal „Unser Tirol.com“ mit, dass die Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) und die aus Südtirol stammende FPÖ-Landtagskandidatin Gudrun Kofler (die in der Folge in den Nordtiroler Landtag gewählt wurde) gemeinsam „eine Anzeige gegen die Vorsitzende von Fratelli d’Italia, Giorgia Meloni, bei der Bozner Staatsanwaltschaft hinterlegen.
Die Videos von Giorgia Meloni, in denen diese den faschistischen Diktator Benito Mussolini als guten Politiker bezeichnet und die Südtiroler über den Brenner verjagen möchte, wenn sie sich nicht als Italiener fühlen wollen, sind eine ‚ungeheuerliche Entgleisung‘ und dies ist der Beweggrund für die Anzeige gegen Meloni, teilen die STF und Kofler mit.“
Ein „Offener Brief“: Warnung vor einer „Wölfin im Schafspelz“
Am 16. September 2022 sandten die ehemalige Landtagsabgeordnete Dr. Eva Klotz (Tochter des Freiheitskämpfers Georg Klotz), ihre Nichte und FPÖ-Landtagskandidatin Gudrun Kofler, die Landtagsabgeordneten Sven Knoll und Miriam Atz-Tammerle, der Obmann des Südtiroler Heimatbunds (SHB) Roland Lang und der ehemalige FPÖ-Südtirol-Sprecher Werner Neubauer einen „Offenen Brief“ an wichtige politische Persönlichkeiten aus.
Nachstehend die wesentliche Passagen des „offenen Briefes“:
Eine seltsame und eigenmächtige Gratulation
Während die Aussicht darauf, es in Bälde es mit einer Frau Meloni als Ministerpräsidentin zu tun zu haben, in Südtirol auf keine Begeisterung stieß und ganz im Gegenteil Befürchtungen und Ängste für die Zukunft geäußert und auch in den Medien publiziert wurden, kam aus Brüssel eine seltsame Botschaft.
Der FPÖ-EU-Abgeordnete Harald Vilimsky, von dem man sonst die ganzen Jahre lang nur wenig hörte, sah sich plötzlich veranlasst, per „Originaltext Service“ nachstehende Gratulation der Frau Meloni und der Öffentlichkeit zu übergeben:
Wie aus Wien verlautet, war diese Erklärung mit der Parteispitze in Wien nicht abgestimmt, sondern wurde eigenmächtig abgegeben.
Vor allem die Erklärung Vilimsky’s, dass die italienische „patriotische Allianz“ einen „wichtigen Partner“ darstelle, stößt in der FPÖ auf Widerspruch, denn der FPÖ-Bundesparteitag von 2009 hatte eindeutig und klar Folgendes beschlossen:
„Der Bundesparteitag stellt fest, dass eine Zusammenarbeit jedwelcher Art der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und ihrer Mandatare im internationalen und damit auch im europäischen Rahmen nur mit demokratischen Parteien, Vereinigungen und Personen geben kann, welche das bestehende Autonomiestatut der Südtiroler unangetastet respektieren und die sich zu dem Selbstbestimmungsrecht der Völker bekennen und in diesem Rahmen auch das Recht der Südtiroler anerkennen, jederzeit frei über ihre staatliche Zugehörigkeit entscheiden zu dürfen.“
Und in Punkt 9 des 2011 beschlossenen FPÖ-Parteiprogrammes heißt es ganz klar:
„Österreich ist Anwalt der deutschen und ladinischen Südtiroler und vertritt die Interessen für alle Altösterreicher deutscher Muttersprache aus dem Bereich der ehemaligen k.u.k. Monarchie. Wir streben die Einheit Tirols an und bekennen uns zum Selbstbestimmungsrecht Südtirols und zur Unterstützung der Heimatvertriebenen-Verbände.“
Widerspruch aus Südtirol gegen „Einzelmeinungen“
In Südtirol wurde rasch erkannt, dass die Äußerungen Vilimsky’s nicht die offizielle Position der FPÖ bezeichneten. Die FPÖ war seit Jahrzehnten immer als Wächter über die Interessen Südtirols tätig gewesen und vor allem der FPÖ-Nationalratsabgeordnete und Südtirol-Sprecher Werner Neubauer hatte immer wieder die Bundesregierung in Wien in die Schutzmacht-Pflicht genommen, wenn Südtiroler Rechte durch Rom verletzt wurden.
Der Landtagsabgeordnete Sven Knoll (STF) erklärte am 30. September in der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“, dass solche „Jubelgesänge“ wie jener des EU-Abg. Vilimsky deplatziert seien. Es handle sich aber um Einzelmeinungen. Er erlebe das auch bei Vertretern anderer Parteien, „dass sie nichts über die Alltagspolitik in Südtirol wissen.“