Dokumentation: Tirol als Kernland deutscher Kultur

Tirol Regenbogen

Blick über das Etschtal

Das verbissene Bemühen italienischer Regierungskreise und Parteien, die von dem Faschisten Ettore Tolomei erfundenen italienischen Orts- und Flurnamen womöglich in vollem Umfang als amtlich gültige Bezeichnungen beizubehalten, veranlasste den „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), auf seiner Internetseite nachstehenden Beitrag zu veröffentlichen, den der SID hiermit dankend übernimmt:

Tirol – eine Wiege deutscher Kultur

von Hans Fingeller

Aquila Tirolensis
Der „Aquila Tirolensis“, eine aus dem Jahre 1620 stammende und von Matthias Burglechner angefertigte Karte Tirols in der Form des Tiroler Adlers.

Ein Rückblick in die Besiedlungsgeschichte

In mehreren Orten Tirols sind Gräberfunde aus der Völkerwanderungszeit gemacht worden, welche die germanische Landnahme jener Zeit belegen. In diese Periode der Geschichte des mittleren Inntals weist ein schönes Fundstück aus der Zeit des ausgehenden 6. Jahrhunderts, welches bei Aushubarbeiten im Bereich der alten Weerberger Kirche 1959 freigelegt wurde.

SchmuicknadelEs handelt sich um eine 15 cm lange bronzene Schmucknadel, deren oberes Endes einen Vogel darstellt (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum).

germanische Fibel In Naturns wurde eine germanische Fibel aus dem 7. Jahrhundert gefunden. Zahlreiche weitere Grabungsfunde aus germanischer Zeit ließen sich als Zeugen der geschichtlichen Entwicklung hier noch anführen.

Ab dem ausgehenden 5. Jahrhundert nach Christi hatte der Tiroler Raum die Landnahme durch die germanischen Völkerschaften der Ostgoten, der Langobarden, Alemannen und Bajuwaren erlebt, welche eine dünne rätoromanische Bevölkerungsschicht vorfanden, sich an deren Seite niederließen und durch große Rodungen neuen Siedlungsraum schufen.

(Aus „Tiroler Schützenzeitung“, Festausgabe 1984)
Bis in hohe Berglagen wurde in Jahrhunderte währender Arbeit vieler Generationen eine einzigartige Kulturlandschaft geschaffen

Die Rätoromanen wurden nicht vertrieben oder ausgerottet. Sie verschmolzen allmählich mit den Germanen und nahmen deren Sprache an. Im Gadertal, im Grödental, in Buchenstein und im Fassa- und Fleimstal erhielten sich geschlossene ladinische Siedlungsgebiete, in denen die ladinische Kultur und Sprache bewahrt wurde.

In der gesamten Tiroler Geschichte wurde seitens der deutschen Mehrheit nie der Versuch gemacht, die Ladiner mit Zwang ihres Volkstums zu berauben.

Die ersten Italiener wanderten erst im 13. und 14. Jahrhundert in die Stadt Trient und in das übrige spätere Welschtirol ein. Die spätere Italianisierung erfolgt im Süden zunächst im 15.Jahrhundert unter der Herrschaft der Venezianer, die 100 Jahre lang Arch (Arco), Reif (Riva) am Gardasee und das Lagertal (Etschtal) einschließlich Rovreit (Rovereto) beherrschen.

(Aus: Bernhard Wurzer: „Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien“, Bozen 1983)

Ab der Zeit der Reformation berief der Bischof von Trient keine deutschen Priester mehr. Dadurch sollte die Einschleppung des protestantischen Virus vermieden werden. Um die Reinheit des katholischen Glaubens zu erhalten, wurden italienische Priester, die nicht Deutsch verstanden, eingestellt. Diese predigten natürlich nur in italienischer Sprache.
Nun ermahnten katholische Geistliche das Landvolk von der Kanzel herab, nicht „barbarisch“, nämlich deutsch, sondern italienisch zu sprechen.

Um 1500 stellte sich die Besiedlung des Tiroler Raumes einschließlich Welschtirols so dar:

(Aus: Wilhelm Romeder: „Die ehemalige Ausdehnung des Deutschtums in den italienisch-sprachigen Bezirken Tirols“, Sonderabdruck aus dem Tiroler Volksbundkalender, Innsbruck 1908)

In den Städten wurde unter dem Einfluss des Humanismus und der Renaissance Italienisch zur Sprache der Gebildeten. In den Taufbüchern wurden zunehmend die deutschen und ladinischen Namen italianisiert.

An Stelle der deutschen und ladinischen Ortsnamen wurden im damaligen „Südtirol“, worunter man das „Welschtirol“ unterhalb der Salurner Klause verstand, nun auch zunehmend italianisierte Formen verwendet.

In der napoleonischen Zeit von 1805 bis 1814 wurde Welschtirol mit Trient an das italienische Königreich angeschlossen. Hand in Hand damit ging ein Massenzuzug verarmter Italiener aus dem Süden in diese reiche nördliche Provinz. Auch nach der Wiedervereinigung Tirols sollte dieser auf sozialen Verhältnissen beruhende Zuzug aus dem Süden anhalten.

Links: Der junge Johann Wolfgang von Goethe auf einem Portrait, welches während seiner Italienreise gemalt wurde. Rechts: Die Burg von Rovereto im unteren Etschtal, südlich von Trient. Erst hier erlebte Goethe den Übergang vom deutschen zum italienischen Sprachgebrauch.

1829 veröffentlichte Johann Wolfgang von Goethe das Tagebuch seiner Italienreise von 1786. Erst in Rovereto, bereits südlich von Trient, stellte er den Übergang vom deutschen zum italienischen Sprachgebrauch fest. Er berichtete: „Hier bin ich nun in Rovereto, wo die Sprache sich abschneidet; obenherein schwankt es noch immer vom Deutschen zum Italienischen. Nun hatte ich zum erstenmal stockwelschen Postillon, der Wirt spricht kein Deutsch, und ich muß nun meine Sprachkünste versuchen.“

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat dann an die Stelle der ursprünglichen gegenreformatorischen Bestrebungen ein erwachender italienischer Nationalismus. Dieser äußerte sich in Welschtirol in zielgerichteten, teilweise auch vom italienischen Klerus unterstützten Maßnahmen der Italianisierung.

Von der Tiroler Freiheit

Zur Kulturgeschichte Tirols gehört auch die Entwicklung der Tiroler Freiheitsrechte. Um 1230 bauten die Grafen von Vintschgau oberhalb von Meran das Schloss Tirol und nannten sich ab nun Grafen von Tirol.

Schloss Tirol oberhalb von Meran

Als Meinhard II. die Grafschaften an Etsch, Eisack, Rienz und Inn vereinigte, ließ er die Zustimmung der Volksvertretungen in diesen Grafschaften einholen. So wurde Tirol durch Selbstbestimmung geeinigt.

Die Gemeindefreiheit blieb in Tirol erhalten. Zahllose Rechtsurkunden aus dem 13. Jahrhundert bezeugen, daß die Tiroler Talschaften ihre Angelegenheiten auf jährlichen Bauernversammlungen selbst ordneten. Den Rechten der Grundherrschaft traten hier frühzeitig Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden zur Seite.

In Tirol war es zudem frühzeitig zur Ablösung der Frondienste auf den landesfürstlichen Burgen und Meierhöfen gekommen, sodass die Leibeigenschaft so selten geworden war, daß im 15. Jahrhundert die Reste der landesfürstlichen Eigenleute mit einem Federstrich entlassen werden konnten. Zudem bildete sich ein ausgezeichnetes erbliches bäuerliches Besitzrecht heraus. Auch dieses ist ein wesentliches Element der Tiroler Freiheit.

1254 wurde erstmals die „Herrschaft des Grafen von Tirol“ erwähnt, die nun vom Inntal bis zum Gardasee und vom Unterengaddin bis an die Kärntner Grenze reichte.

Von 1271 datiert die urkundliche Erwähnung der „Grafschaft und Herrschaft Tirol“. Der Name der Stammburg oberhalb von Meran und das Zeichen der Grafen von Tirol, der rote Adler, waren zu Namen und Wappen des Landes geworden, welches von Rudolf von Habsburg zur reichsunmittelbaren „gefürsteten Grafschaft“ erhoben wurde.

Die Zenoburg oberhalb von Meran auf einer alten Postkarte
Bild links: Der Tiroler Adler, den Meinhard II. in der Schlosskapelle der Zenoburg bei Meran anbringen ließ. Bild rechts: Der Tiroler Adler in einem Fresko auf Schloss
Der Tiroler Adler auf der ältesten Schützenfahne Tirols, der aus dem 15. Jahrhundert stammenden Fahne des Aufgebots der Schwazer Bergknappen

1293 erließ Meinhard II. in Anwesenheit der Edlen, der Grundherren, Dienstmannen, Bürger und Bauern eine Gerichtsordnung für die Grafschaft Bozen, welche die erste schriftliche Äußerung der Vertretung des Gesamtvolkes darstellte.

Als 1335 der Herzog und Graf Heinrich starb und seine Tochter Margarete (genannt Margarete Maultasch) das Erbe antrat, standen ihr die Landstände zur Seite. Es wurde zwischen ihr und „allen Landleuten, Edlen und Unedlen gemeiniglich jeden Standes einmütig und aus freiem Willen“ ein Vertrag geschlossen, in dem sie sich gegenseitig Hilfe zur Aufrechterhaltung der räumlichen Unversehrtheit des Landes versprachen.

1342 heiratete Margarete den Markgrafen Ludwig von Brandenburg, der nun Landesfürst wurde. Er versprach im „Großen Tiroler Freiheitsbrief“, dass ohne Zustimmung der Stände keine neuen Steuern erhoben und keine neuen Gesetze zu erlassen würden.

Dieser Freiheitsbrief richtet sich an das gesamte Volk in Tirol, an alle „Edelleute, alle Gotteshäuser, alle Städte, Dörfer und Märkte und alle Leute, edel und unedel, reich und arm, wie sie geheißen und wo sie gesessen sind in der Grafschaft Tirol.“

Dieser Freiheitsbrief ist die älteste Tiroler Landesverfassung.

Mit dem Freiheitsbrief wurde das gesamte Volk in Tirol zum Träger der politischen Rechte und Freiheiten erklärt und seine Gesetzgebungsgewalt und seine Mitbestimmung an der Regierung wurden damit verankert.

Die Täler und Gerichte waren in der Folge auf den Landesversammlungen vertreten und übten ihre Rechte durch gewählte Boten aus, die durch Vollmachtbriefe beglaubigt waren.

1363 übertrug Margarete Maultasch mit Zustimmung der Landstände die Grafschaft Tirol an Herzog Rudolf von Österreich, nachdem ihr Gemahl und ihr kaum zwanzigjähriger Sohn gestorben waren..

Rudolf IV., genannt „der Stifter“, bestätigte die Freiheitsrechte der Tiroler. 1404 erließ Herzog Leopold IV. von Österreich eine Landesverordnung für Tirol, in welcher er die Tiroler Freiheiten bestätigte und die Stellung des 4. Standes, der Bauern, weiter stärkte. Die Bauern und die Grundherren wurden vor dem landesfürstlichen Gericht gleichgestellt, den Grundherren wurde die Ausbildung einer obrigkeitlichen Gewalt verwehrt.

Dadurch und durch ihre Rechte in der Landstandschaft hatten die Bauern in Tirol eine Stellung erlangt wie in keinem anderen deutschen Land.

1406 gaben die Herzöge Leopold IV. und Friedrich IV. von Österreich Tirol eine neue Landesordnung, welche die Freiheiten von 1342 bestätigte und erweiterte. Es durfte kein Landesangehöriger seinem ordentlichen Richter entzogen werden     und selbst der Landesfürst durfte in den Gang von Gerichtsverhandlungen nicht eingreifen, weder zum Vorteil noch zum Nachteil einer Person.

1483 – Tiroler Boden macht frei: Die Regierung des Erzherzogs Siegmund erklärte, daß Tirol ein gefürstetes freies Land sei, in welchem jeder Einwanderer frei werde, auch wenn er früher leibeigen gewesen war.

Durch das Tiroler Landlibell des Kaisers Maximilian I. von 1511, welches auf der Landesordnung von 1406 fußte, wurde die Landesverteidigung auf eine allgemeine gesetzliche Grundlage gestellt. Es regelte die Landesverteidigung durch den Landsturm. Die Tiroler hatten das Recht, Waffen zu tragen und mussten ihre Heimat nur innerhalb der Landesgrenzen verteidigen.

Das Landlibell von 1511

Die Tiroler Freiheit und Wehrhaftigkeit hat somit sehr alte Wurzeln. Sie hat durch die Jahrhunderte das Land geschützt. Die Jahre 1796/97 und 1809 sollten durch den Opfermut der freien Tiroler das Bewusstsein kommender Generationen mit Wucht prägen.

Plakat aus dem Jahre 1909, als man in Tirol das hundertjährige Gedenken an den Freiheitskampf von 1809 beging.

Auch wenn im Jahre 1915 die alte Wehrverfassung nicht mehr bestand, so äußerte sich auch hier in der höchsten Not des Landes der Freiheitswille der Tiroler ein weiteres Mal auf eindrucksvolle Weise. Als Italien unter Bruch des Bündnisses angriff und nach Tirol eindringen wollte, eilten die für den regulären Kriegsdienst zu jungen und die zu alten Tiroler Standschützen zu den Waffen.

Innsbrucker Standschützen
Postkarte der Bozener Standschützen: Der Sohn nimmt Abschied von seinem Vater.

Die Standschützen hielten ihre Stellungen bis zum letzten Tage und wehrten den Feind ab. Dann brach die alte und ruhmreiche Monarchie aus innerer Erschöpfung zusammen und das Land war dem Feind preisgegeben.

Auch die Welschtiroler hatten alles für die Heimat gegeben. Etwa 11.500 von ihnen hatten ihr Leben für Tirol und Österreich geopfert.

Feldpostkarte des Welschtiroler Standschützen Giacomo Depaul von der Standschützen-Kompanie Campitello

Es ist bezeichnend, dass sowohl das deutsch-ladinische Südtirol wie auch Welschtirol, das heutige Trentino, ohne Volksabstimmung zu Italien geschlagen wurde, da man in Rom einen für Italien negativen Wahlausgang gefürchtet hatte.

Der Widerstandsgeist, welcher die Landesverteidiger beseelt hatte, ging aber auch während der drückenden Faschistenzeit nicht verloren. Heute sind die Schützenkompanien des Südtiroler Schützenbundes die Bewahrer dieser Tradition und sie sind Garanten dafür, daß der Freiheitsgedanke im südlichen Tirol nicht verloren geht.

Das „Deutschtum“ als kulturelle Klammer des heutigen Südtirols

Wenn wir den Begriff des „Deutschtums“ als die gemeinsame kulturelle Klammer definieren, die das gesamte, aus verschiedenen germanischen Stämmen und Teilen vorgermanischer keltischer, illyrischer, rätoromanischer und slawischer Bevölkerung entstandene deutsche Volk umschließt, dann können wir feststellen, daß Tirol und vor allem der Raum des heutigen Südtirols – des Landes zwischen Brenner und Salurner Klause – eine bedeutende Wiege dieser Kultur war.

Das Innicher Evangeliar

Besonders augenfällig wird dies, wenn wir die frühe deutsche Literatur im deutschtiroler und ehemals auch erheblich germanisch mitgeprägten welschtiroler Raum betrachten.

Bereits im 8. und 9. Jahrhundert, also vor der Zeit Karls des Großen, herrschte im langobardisch-bayerischen Kulturkreis ein reges Geistesleben, von welchem unermessliche Wirkungen für den gesamten deutschen Sprachraum ausgingen. Die frühe klösterliche Kulturarbeit brachte vor allem Werke in lateinischer Sprache hervor, wie das etwa um 800 entstandene Innicher Evangeliar.

Ein dem aus Meran stammenden und am langobardischen Hof in Pavia in den Künsten und Wissenschaften ausgebildeten Freisinger Bischofs Arbeo zugeschriebenes herausragendes Werk steht am Beginn jeglicher deutscher Literatur. Es handelt sich um das Mitte des 8. Jahrhunderts entstandene erste deutsche Buch, den „Abrogans“. Es handelt sich um ein althochdeutsch-lateinisches Wörterbuch, welches 3.670 volkssprachliche Wörter umfasst. Damit wurde dem deutschen Volk der Weg zur Schriftsprache und zur Entwicklung einer eigenständigen Literatur gebahnt.

Die erste Seite der in der Stiftsbibliothek in St. Gallen (cod. 911) in der Schweiz aufbewahrten Ausgabe des „Abrogans“.

Ein anderer Zweig der Literatur, die Heldendichtung, sollte Jahrhunderte lang die deutsche Literatur befruchten. Die Heldenlieder der Langobarden, Franken und Ostgoten wurden von den Bayern übernommen und weiter erzählt und gesungen.

Das älteste auf uns gekommene althochdeutsche Heldenlied, das aus dem Sagenkreis um Dietrich von Bern stammende Hildebrandslied, ist nach dem Urteil der Sprachforscher im langobardischen Gebiet südlich des Brenner, entstanden und fand in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts seinen Weg in das bairische Gebiet.

Die erste Seite des Hildebrandlieds (Universitätsbibliothek Kassel)

Aus Südtirol stammen mehrere Handschriften des Nibelungenliedes, die bekannteste ist die aus Schloss Obermontani im Vinschgau.

Ein Blatt aus der von Schloss Obermontani im Vinschgau stammenden Niederschrift des Nibelungenliedes

Es ist vor allem der Sagenkreis um Dietrich von Bern – König Theoderich von Verona – der in den Sagen und Heldenliedern seinen Niederschlag gefunden hat und der die heranwachsende Jugend im ganzen deutschen Kulturraum bis in unsere Tage hinein in Bann gezogen hatte, bevor diese Heldendichtung durch die Erzeugnisse des Walt Disney-Imperiums und ähnlicher Unterhaltungsindustrien abgelöst wurde.

In die deutschen Heldenlieder fand auch das Kulturgut der Rätoromanen, der späteren Ladiner, Eingang. Die Epen von König Laurin und seinem Zaubergarten sowie die Sagen und Legenden von verwunschenen Frauen, Zwergen, Riesen und ihren in kristallenen Berghöhlen verborgenen Schätzen gehören dazu.

Eine der wertvollsten Niederschriften ist das Ambraser Heldenbuch, eine aus dem 12. Jahrhundert stammende handschriftliche Sammlung mittelalterlicher Heldenepen und höfischer Texte. Benannt ist es nach seinem früheren Aufbewahrungsort, Schloss Ambras bei Innsbruck. Heute befindet es sich in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.

Aus dem Ambraser Heldenbuch

Der Zöllner Hans Ried in Bozen hatte im Aufträge Kaiser Maximilians I. am Anfang des 16. Jahrhunderts die im Volke noch erzählten Heldenlieder und eine beträchtliche Anzahl anderer Epen und Minnedichtungen niedergeschrieben. Das Ambraser Heldenbuch ist „eines der größten und kostbarsten Denkmäler der deutschen Literatur geworden; denn es enthält als Kernstück die älteste Aufzeichnung des nach dem Nibelungenliede bedeutendsten alten deutschen Heldenepos: das Gudrunepos.“ So urteilte die Südtiroler Tagezeitung „Dolomiten“ in einem kulturgeschichtlichen Beitrag am 20. Jänner 1954.

Unter südtirolischen Minnesängern ist vor allem Herr Walther von der Vogelweide zu nennen, dessen tirolische Abkunft zwar nicht verbürgt ist, der jedoch in Tirol gelebt und gedichtet hat.

Walter von der Vogelweide

Links: Bild des Minnesängers Walther von der Vogelweide aus der Manessischen Handschrift (Universitätsbibliothek Heidelberg)  Rechts: Der Tiroler Minnesäng er Leutold von Säben in einer Miniatur der „Manessischen Liederhandschrift“

Einen wesentlichen Beitrag zur frühesten deutschen Geschichtsschreibung hat der langobardische Gelehrte Paulus Diaconus geleistet, der in seiner im 8. Jahrhundert verfassten „Historia gentis Langobardorum“ nicht nur geschichtliche Daten festhielt, sondern auch den Schatz der langobardischen Sagen und volkstümlichen Überlieferungen rettete und an die Nachwelt weitergab.

Eine Seite aus der „Historia gentis Langobardorum“

In Südtirol finden wir auch einen frühen Beginn deutschen Theaterwesens, wie die im Kloster Neustift aufgefundenen und aus dem Jahre 1391 datierenden Handschriften des Osterspieles, des Fronleichnamspieles und der Himmelfahrt Mariens sowie die überlieferten Passionsspiele und Fastnachtsspiele – als Vorläufer der weltlichen Komödien – beweisen.

Allein die Betrachtung der frühen deutschen Literatur zeigt uns, daß vor allem das südliche Tirol ein Kernland deutscher Kultur und nicht eine unbedeutende Randprovinz ist, deren Verlust als unbedeutend abgetan werden könnte.

Frühe Kunstdenkmäler

Im Vinschgau finden sich wertvolle Kunstdenkmäler , die noch aus der Zeit der Zugehörigkeit zum Frankenreich (ab dem 6. Jh.) stammen. Die nachfolgende Periode des frühen bairischen Christentums ist durch eine Reihe von Kirchen vertreten, deren Architektur als Stil angelsächsischer Mission gilt (auch die Kirchenpatrone weisen in das frühe Mittelalter). Zu nennen sind hier die Prokuluskirche in Naturns (um 770 errichtet), die Stefanskirchen in Obermontani und Marienberg sowie die Kirche des hl. Sisinius von Laas.

Die Prokuluskirche in Naturns
Die in der Prokuluskirche befindlichen Fresken dürften um 800 unter dem Einfluss der irischen Buchmalerei entstanden sein. Dieses Bild zeigt die Flucht des Hl. Prokulus aus Verona.

Die Kirche des hl. Prokulus (Bischof von Konstantinopel) stellt ein besonderes Kleinod dar: Die Innenarchitektur zeigt sich noch unverändert mit kleinen rechteckigen Fenstern, gewölbtem Chor, einem Rundbogen und einer flachen Decke aus Holz. Beachtenswert ist der Freskenschmuck. Die Kirche besitzt die ältesten Wandgemälde des deutschen Kulturbodens. Sie wurden 1912 entdeckt und zehn Jahre später von Malschichten späteren Datums frei gelegt.

Herausragende Beispiele für karolingische Malerei (um 800) finden wir in den ausdrucksstarken Stifterfiguren in St. Benedikt in Mals im Vinschgau. Diese Kirche ist eine der ältesten bis heute erhaltenen Kirchen Europas aus dem 8. Jh. n. Chr..

Das Kirchlein St. Benedikt bei Mals im Vinschgau
Links: Ein fränkischer Grundherr in karlingischer Hoftracht. Rechts: Eine der beiden Stifterfiguren.

Sie birgt in ihrem Inneren karolingische Wandmalereien, die zu den ältesten Fresken Westeuropas zählen und stellt damit ein karolingisches Gesamtkunstwerk dar. Einzigartig ist die Darstellung eines fränkischen Grundherrn jener Zeit in karolingischer Hoftracht, welcher ein mit Bändern umwickeltes Schwert in seinen Händen hält. Das Bildnis dürfte das einzige bisher bekannte Monumentalgemälde eines fränkischen Edelmannes sein.

Auf dem am Eingang zum Sarntal gelegenen Schloss Runkelstein bei Bozen finden sich herrliche Fresken, die wie ein Bilderbuch Einblick in das höfische Leben des Mittelalters geben.

Fresken auf Schloss Runkelstein

Alle diese Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der reichen Fülle kultureller Überlieferungen Tirols von der Zeit der Völkerwanderung an bis in das hohe Mittelalter.

Sie zeigen, dass Tirol eine der ältesten Wiegen deutscher Kultur darstellt und dass Südtirol ein Herzstück dieser Kulturlandschaft ist.

Vor dem Hintergrund dieser viele Jahrhunderte langen kulturellen Entwicklung entlarvt sich das Projekt des Faschisten Tolomei, das Land mit erfundenen italienischen Namen zu überziehen, als lächerliche Posse, die Verachtung verdient und nicht akzeptiert werden kann.

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