Golowitschs „Südtirol – Opfer politischer Erpressung“ vorgestellt

Unter diesem Titel veröffentlichte das Internet-Nachrichtenportal „unser Tirol 24“ am 12. Februar 2020 einen Bericht über die Buchvorstellung des Historikers Dr. Helmut Golowitsch über sein neues zeitgeschichtliches Werk „SÜDTIROL – OPFER POLITISCHER ERPRESSUNG“. 

Mit einem Vorwort von SVP-Landesrat a.D. Dr. Bruno Hosp!

Die Präsentation hatte am 8. Februar 2020 auf Einladung des Andreas-Hofer-Bundes Tirol und des Südtiroler Heimatbundes unter der Schirmherrschaft von AHBT-Ehrenobmann Ing. Winfried Matuella im Hotel Sailer in Innsbruck stattgefunden.

Bild links: Der AHB-Obmann Alois Wechselberger begrüßte die Anwesenden. Links von ihm hier im Bild (v.l.n.r.): Dr. Eva Klotz, Zeitzeugin, Tochter des legendären Freiheitskämpfers Georg Klotz, ehem. Gemeinderätin in Bozen und Landtagsabgeordnete; Dr. Bruno Hosp, Zeitzeuge, ehem. Landeskommandant des „Südtiroler Schützenbundes“, Bürgermeister von Ritten, SVP-Landessekretär, Landesrat und Vizepräsident der „Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen“; Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) und Mitveranstalter dieser Buchpräsentation. Bild rechts: Aus der Bundesrepublik Deutschland war der Bundesvorsitzende des deutschen Andreas-Hofer-Bundes e.V., Hermann Unterkircher, gekommen und begrüßte ebenfalls die Gäste.

Nachstehend nun der Bericht von „unser Tirol 24“:

 „Man muss die italienische Mentalität kennen, wenn man mit Italien verhandeln will! Gibt man zu schnell nach, glauben die italienischen Verhandlungspartner, sie wären übers Ohr gehauen worden und fordern weitere Zugeständnisse.“ Dr. Helmut Golowitsch ließ bei der Vorstellung seines jüngsten Werkes „Südtirol – Opfer politischer Erpressung“ im Hotel Sailer in Innsbruck keinen Zweifel: Österreich ließ sich in Sachen Südtirol oft über den Tisch ziehen. Und im Angesicht der unverbrüchlichen Freundschaft zwischen der ÖVP und der einstigen Democrazia Cristiana (DC) nahm man dies viel zu oft sogar gerne in Kauf.

Der Autor bei der Buchpräsentation

Eine besondere Rolle in den unrühmlichen Südtirol-Verhandlungen nach dem Zweiten Weltkrieg spielte der aus Wien stammende Kartonagenfabrikant Rudolf Moser. Ansässig im kärntnerischen Sachsenburg, war der einstige Gauführer der Ostmärkischen Sturmscharen zum Vertrauensmann der ÖVP avanciert. Er war es, der unter anderem dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi bereits frühzeitig signalisierte: Die österreichische Forderung nach Rückgabe Südtirols sei nicht ernst zu nehmen – mit einer wie auch immer gearteten Autonomie könne man die Verhandlungspartner zufriedenstellen. Golowitsch beweist mit seinem Buch unter anderem, dass die die Übergabe der 155.000 Südtiroler Unterschriften für die Rückkehr Südtirols zu Österreich an Bundeskanzler Leopold Figl lediglich eine gut inszenierte PR-Aktion war.

Dass die Würfel diesbezüglich bereits gefallen waren, belegt Golowitsch anhand der Auswertung einer Reihe von hochbrisanten Unterlagen, die dem Autor durch Zufall in die Hände gefallen waren. Sie stammen aus dem direkten privaten Nachlass des damaligen Unterhändlers Rudolph Moser und geben einen tiefen Einblick in die diplomatischen Vorgänge der damaligen Zeit.

Golowitsch betonte, dass nicht alle ÖVP-Politiker Südtirol verraten hätten. Aber auch die nachmalige Regierung Josef Klaus spielte in Sachen Südtirol eine denkbar unrühmliche Rolle. Das Südtirol-Problem sollte so schnell als möglich vom Tisch. Italien hatte spätestens 1969 von Österreich nachhaltige Maßnahmen gegen die Südtiroler Freiheitskämpfer gefordert – unter anderem eine Änderung der österreichischen Rechtsordnung, Vorbeugehaft gegen Südtirolaktivisten und das Verbot weiterer Pro-Südtirol-Kundgebungen.

Da dies alles eng mit der italienischen Zustimmung für einen österreichischen Beitritt zur EWG verknüpft war, waren im Besonderen die Regierung Klaus und darin Staatssekretär Franz Hetzenauer (ÖVP) bemüht, diesen Forderungen uneingeschränkt und auf Kosten Südtirols nachzukommen. Wie sehr man vor einer Aufdeckung dieser schmutzigen Vorgangsweise auf österreichischer Seite und dem damit aufkommenden Druck aus der Bevölkerung Angst hatte, legt Golowitsch in seinem Werk ebenso dar.

Die Zeitzeugen am Podium bestätigten mit ihren persönlichen Erfahrungen die Erkenntnisse Golowitschs. Unter anderen bereicherten Oberst Dr. Hubert Speckner und der Südtirolaktivist Egon Kufner mit ihren Ausführungen zum Fall Porzescharte den Abend. Langjährigen Protagonisten spannten den Bogen indes bis in die heutige Zeit, darunter Eva Klotz, Bruno Hosp und Franz Pahl. Letzterer meinte abschließend: Die SVP hat in entscheidenden Phasen der Südtiroler Geschichte nicht nur, aber doch auch versagt.

Dr. Golowitschs Werk „Südtirol – Opfer politischer Erpressung“ wurde durch den ehemaligen Österreich-Korrespondenten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) und heutigen Historiker und Publizisten Prof. Dr. Reinhard Olt rezensiert.

Soweit der Bericht von „Unser Tirol“.

Die Einführungsrede von Prof. Dr. Reinhard Olt

Die Einführungsrede hatte Prof. Dr. Reinhard Olt, ehemaliger Österreich-Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und heutiger Historiker und Publizist, gehalten. Er sagte unter anderem:

„Ob unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich die Chance für das in vielfachen eindrücklichen Willensbekundungen der Bevölkerung zum Ausdruck gebrachte Verlangen nach Wiedervereinigung des 1918/19 geteilten Tirols bestand, ist umstritten. Allem Anschein nach fügte sich der österreichische Außenminister Karl Gruber 1946 in Paris (Abkommen vom 5. September) ebenso seinem italienischen Gegenüber Alcide De Gasperi wie den drängenden Siegermächten. Es waren jedoch nicht allein die damaligen Unzulänglichkeiten, die  schließlich ein anderes als das von den (Süd-)Tirolern erhoffte Ergebnis zeitigten. Die abgeschlossene, aus drei voluminösen Bänden bestehende Dokumentation Helmut Golowitschs zeigt, dass auch hinter den Kulissen Akteure emsig und weitgehend inkognito am Geschehen beteiligt waren.

Alle Bücher sind im Stocker-Verlag erhältlich.

So übte der Kärntner Unternehmer Rudolf Moser, enger Freund Kanzler Leopold Figls, einen  fatalen Einfluss aus. Der absolut diskret agierende Moser eignete sich mit seinen vielfältigen Italien-Beziehungen nach 1945 geradezu ideal für die Aufnahme, Pflege und Aufrechterhaltung einer trotz Südtirol-Unbill dennoch äußerst belastbaren Verbindung zwischen ÖVP und Democrazia Cristiana (DC), die sich weltanschaulich ohnedies nahestanden. Dazu passte, dass er sich der Rolle des (partei)politischen Postillons und verdeckt arbeitenden Unterhändlers mit geradezu missionarischem Eifer hingab. Während nämlich die österreichische Bundesregierung offiziell – besonders Kanzler Figl – die Selbstbestimmungslösung mittels Volksabstimmung verlangte, was Außenminister Gruber gegenüber den Siegermächten und dem Vertreter Italiens in Paris bis dahin einigermaßen aufrecht erhalten hatte, wurde Rom auf der Ebene parteipolitischer Beziehungen via Moser vertraulich darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich Wien gegebenenfalls auch mit einer Autonomielösung anstelle eines Plebiszits einverstanden erklären könne.

Dieses widersprüchliche politische Gebaren sollte sich, wie Golowitsch zeigt, bis in die für das österreichisch-italienische Verhältnis äußerst schwierigen 1960er Jahre fortsetzen, unter der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus ihren Kulminationspunkt erreichen  und darüber hinaus gleichsam eine politische Konstante bilden, der in aller Regel die beanspruchte Schutz(macht)funktion Österreichs für Südtirol untergeordnet worden ist. Allen damals führenden ÖVP-Granden stand Moser als emsig bemühtes, lautlos wirkendes Faktotum zur Seite. Sein Engagement ging so weit, dass er sich nicht scheute, daran mitzuwirken, hinter dem Rücken des damaligen Außenministers Bruno Kreisky (SPÖ) sozusagen „christdemokratische Geheimdiplomatie“ zu betreiben. Während des gesamten Zeitraums, für die Golowitschs Dokumentation steht, agierten ÖVP-Kanzler und ÖVP-Parteiführung unter gänzlichem Umgehen der dem südlichen Landesteil naturgemäß zugetanen Tiroler ÖVP. Der legendäre Landeshauptmann Eduard Wallnöfer zog deshalb ernsthaft eine „Unabhängige Tiroler Volkspartei“ nach CSU-Muster in Bayern in Erwägung.

Ging es Golowitsch in Band 1 („Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“) darum, aufzuzeigen wie es Rom gewissermaßen unter Mithilfe aus Wien ermöglicht wurde, die betrügerische Scheinautonomie von 1948 zu verfügen und wie das „demokratische Italien“ unter Führung der DC skrupellos die faschistische Politik der Entnationalisierung der Südtiroler fortsetzte, so steht in den Bänden 2 ( „Südtirol – Opfer geheimer Parteipolitik“)  und 3 („Südtirol – Opfer politischer Erpressung“ ) das geheime Zusammenspiel zwischen ÖVP und DC sozusagen en Detail im Mittelpunkt. Dies insbesondere während der für den hauptsächlich vom „Befreiungsausschuß Südtirol“ (BAS) mit anderen als „nur“ politischen Mitteln von Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre und gelegentlich darüber hinaus getragenen Freiheitskampf. Hierin zeigt Golowitsch Punkt für Punkt die – ja, man muss es in aller Deutlichkeit  vermerken – Ergebenheitspolitik der ÖVP(-geführten respektive Allein-)Regierung(en) gegenüber Italien anhand getroffener geheimer Absprachen zwischen ÖVP- und DC-Politikern auf.

Dies zeigte sich insbesondere zufolge des sogenannten „Porzescharten-Attentats“, bei dem angeblich vier italienische Militärs zu Tode gekommen sein sollen. Aufgrund überzeugender Archivstudien und Analysen des (Militär-)Historikers Hubert Speckner sowie dreier Gutachten öffentlich bestellter und vereidigter Spreng(mittel)sachverständiger besteht indes heute kein ernstzunehmender Zweifel mehr daran, dass die offizielle Geschehensdarstellung für dieses „Attentat, das keines war“, wie ich es stets nenne, als Konstrukt italienischer Dienste gelten muss. Golowitsch breitet Speckners Erkenntnisse in seiner eingängigen Dokumentation noch einmal minutiös und detailreich vor uns aus.

Was folgt aus all dem? Der BAS hat 1967 auf der Porzescharte kein Attentat verübt. Die dafür verantwortlich gemachten Personen (Prof. Dr. med. Erhard Hartung, Egon Kufner sowie der bereits verstorbene Peter Kienesberger) sind in dieser Sache zu Unrecht verfolgt und von Italien zu gewissenlosen Terroristen gestempelt worden. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Geschehen, das sich offenkundig anders denn offiziell dargestellt abspielte, wäre es an der Zeit, das florentinische Schandurteil aus der Welt zu schaffen, mit denen sie gänzlich wahrheits- und rechtswidrig für eine offenkundig nicht begangene Tat verurteilt und damit zu blutrünstigen Mördern gestempelt worden sind. Es versteht sich daher eigentlich von selbst, dass die trotz Freispruchs (in Österreich) nach wie vor mit dem Makel der Täterschaft behafteten und in ihrer persönlichen (Reise-)Freiheit eingeschränkten Personen endlich offiziell und überdies öffentlich vernehmlich zu rehabilitieren sind.

Doch mehrere aus der FPÖ-Nationalratsfraktion heraus an den damaligen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sowie den vormaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer gerichtete Versuche erwiesen sich als ergebnislos. Fischer verwies die „Betroffenen“, deren Taten – seien sie bewiesen oder unbewiesen; seien sie begangen oder nichtbegangen; seien sie von BAS-Aktivisten verübt oder diesen durch italienische Manipulationen unterschoben worden – bereits ein halbes Jahrhundert und länger zurückliegen, darauf, sie sollten doch bitteschön Gnadengesuche einreichen. Mit Verlaub – das ist Chuzpe, wie mein jüdischer Freund, der Hitoriker Michael Wolffsohn sagen würde. Die zu Unrecht  beschuldigten und zudem menschenrechtswidrig – wie österreichische und deutsche Höchstgerichte feststellten – in Florenz Verurteilten der „Causa Porzescharte“ wären doch von allen guten Geistern verlassen, so sie um Gnade bettelten für eine Tat, die sie nicht begangen haben. Dass indes maßgebliche Organe der Republik Österreich, die sich damals schon hasenfüßig und Italien gegenüber unterwürfig verhielten, auch mehr als 50 Jahre danach noch ihrer Fürsorgepflicht für zwei ihrer jahrelang politisch und justitiell verfolgten Staatsbürger (offenkundig) nicht nachkommen (wollen), darf man mit Fug und Recht eine Schande nennen.

Unschöne  Vorgehensweisen stehen im Zentrum von Helmut Golowitschs Dokumentation zur Südtiroler Zeitgeschichte, welche  den Maximen von Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet ist. Seine Tatsachenschilderung und Beschreibung der Zusammenhänge in einer quellengesättigten, dreibändigen historisch-politischen Darstellung führt zu einer notwendigen vertieften, korrigierenden Sicht auf die österreichische  Südtirolpolitik, der weite Verbreitung zu wünschen ist.“

Die Podiumsdiskussion

Dr. Franz Pahl

In der Podiumsdiskussion erklärte der Zeitzeuge, ehemalige SVP-Landesjugendsekretär, Landtags- und Regionalratsabgeordneter und  Präsident des Regionalrats Trentino-Südtirol, Dr. Franz Pahl, Folgendes:

„Der Autor Dr. Helmut Golowitsch hat mit seinem Werk „Südtirol, Opfer politischer Erpressung“ erneut ein außerordentlich tiefschürfendes Werk wissenschaftlicher Unbestechlichkeit vorgelegt. Wieder ist es sein großes Verdienst, für die Erforschung der Südtirolpolitik in ihrem Zusammenhang mit der österreichischen Staatspolitik, viele bisher in der Forschung nicht bekannte Dokumente auszuwerten, die andere Historiker, oft aus ideologischen Vorbehalten oder akademischer Ängstlichkeit, außer Acht ließen oder gar nicht sehen wollten, obwohl sehr viele davon im Tiroler Landesarchiv und im österreichischen Staatsarchiv zur Verfügung stünden.

Der Autor zeichnet detailliert nach, wie sich der nationalistisch-faschistische Geist in der italienischen Nachkriegspolitik gegenüber Südtirol weiter austobte und in einer Repression ohnegleichen fortsetzte. Mit gutem Grund macht er deutlich, wie fatal sich die österreichische Haltung der unterwürfigen Nachgiebigkeit zu Lasten der Südtiroler auswirkte.

Auf der italienischen Seite blieb die Grundlage des faschistischen Denkens trotz offizieller Ablehnung des Faschismus lebendig. Das „Manifesto della Razza“, das Rassemanifest des Faschismus, das namhafte italienische Wissenschaftler unterzeichneten, blieb als Denkvorstellung erhalten. Im Manifest war die „razza italiana“, die „italienische Rasse“ als eigenständige Rasse mit „edlen Merkmalen“ innerhalb der „europäischen Rassen“ hervorgehoben worden. Auf dem „Boden des heiligen Vaterlandes“ Italien duldete dieses Denken keine Minderheit, die nicht bereit war, sich an die „italienische Rasse“ anzupassen. Darum wurden die Südtiroler bekämpft und sollten durch Überfremdung in die Ecke gedrängt und langfristig als Minderheit assimiliert werden.

Das faschistische Rassenmanifest wurde unter der Schlagzeile „Il fascismo e i problemi della razza” („Der Faschismus und die Probleme der Rasse”) im „Il Giornale d’Italia” vom 14 Juli 1938 veröffentlicht.

Dieses Staatsziel ist in allen politischen Handlungen sichtbar. Polizeigewalt, administrative Zwangsmaßnahmen, volle Refaschstisierung in der Verwaltung durch die Wiedereinsetzung der faschistischen Beamten war nur die konsequente Folge. Wer sich dagegen offen wehrte, in den Sechzigerjahren ab der „Feuernacht“ – vereinzelt gab es Aktionen schon vorher -war als „Terrorist“ ein Staatsfeind, den man nach Belieben foltern und nach den Gepflogenheiten des „Codice Rocco“ (faschistisches Strafgesetzbuch) in Schauprozessen aburteilen konnte.

Von vorneherein war der „Pariser Vertrag“ mit seiner Autonomieverpflichtung nur ein lästiges Hindernis, dessen man sich 1948 mit einer Scheinautonomie in der Großregion „Trentino-Tiroler Etschland“ bei wenigen Kompetenzen für den Südtiroler Landtag zu entledigen versuchte.

Das alles wäre nicht so leicht möglich gewesen, wenn nicht der Staat Österreich dieser Politik durch Nachgeben, Verzicht und Anbiederung entgegengekommen wäre.

In der österreichischen Politik ragt nur die Person des Sozialisten Bruno Kreisky hervor, der als Außenminister in der Regierung Klaus eine entschiedene Haltung einnahm und das Südtirolproblem gegen den Willen von Klaus vor die Vereinten Nationen brachte.

Der SVP-Politiker Dr. Franz Pahl bescheinigt dem ehemaligen österreichischen Außenminister Dr. Bruno Kreisky – zu Recht – eine herausragende Gestalt in der österreichischen Südtirol-Politik gewesen zu sein.

In der ÖVP wurde von allem Anfang eine grundlegend andere Politik vertreten. Der anfänglichen Forderung nach Rückkehr Südtirols zu Österreich folgte schon unter Bundeskanzler Figl der heimliche Verzicht auf Südtirol, und Klaus setzte diese Politik noch dezidierter fort. Mit Hilfe seines Vertrauten Moser, der sich mit der DC gemein machte, wurde Südtirol und die Tiroler Landesregierung hintergangen, ausgespielt und betrogen.

Diese Haltung der Bundes-ÖVP beschränkte sich nicht auf eine einzelne kurze Epoche, sie ist vielmehr ein bedenkliches Charakteristikum, eine Denklinie, die die ÖVP ab 1946 beherrschte. Diese Linie wurde nie selbstkritisch durchleuchtet und setzt sich bis heute fort.

Das erfuhren die Südtiroler, als nach dem kurzen Intermezzo der ÖVP-FPÖ-Koalition 2017-19 die Bereitschaft zur Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Südtiroler sofort von der politischen Agenda verschwand, als die Koalition mit den Grünen geschlossen wurde. Die ÖVP ließ den Punkt einfach fallen, obwohl es ja leicht gewesen wäre, diese Frage nicht an die Koalition zu binden, sondern sie als koalitionsfreies Anliegen weiterzuverfolgen. Doch Kanzler Kurz hatte bereits auf die erste Kritik des nationalistischen Präsidenten des Europaparlaments, des Italieners Antonio Tajani, bei einem beschwichtigenden Besuch versichert, Österreich werde dieses Anliegen natürlich nur in Absprache mit Italien Gesetz werden lassen. Tajani war kein Vertreter der italienischen Regierung und hatte darum ohnehin kein Recht, sich in die österreichische Souveränität einzumischen. Was Kurz einräumte, war im Klartext ein Bruch der Vereinbarung im Koalitionsprogramm. Innenminister Kickl hätte das Anliegen trotzdem durchgesetzt, wenn nicht andere Ereignisse die Koalition 2019 beendet hätten. Doch auch die gegenwärtige SVP-Führung unternahm und unternimmt nur wenig, um das Anliegen, das sie 2012 auf dem Landesparteitag reklamierte, offensiv zu vertreten.

Das angebliche „Herzensanliegen Südtirol“, das so oft im Munde geführt wird, war in der Geschichte der ÖVP-Staatspolitik, wenn es darauf ankam, meist eine politische Lebenslüge.

Doch auch die SVP war unter dem ersten Obmann Erich Amonn von gleichem Geist des Nachgebens, der Anpassung und feigen Aufgabe der Grundziele der Südtirolpolitik gekennzeichnet. Amonn unterzeichnete eine Vereinbarung mit dem Präfekten De Angelis, worin er sich für die SVP zur Kooperation mit dem CLN, dem „Comitato de Liberazione Nazionale“, gefügig bereiterklärte. Das führte zum Verzicht auf eine ernsthafte Forderungspolitik. Der damalige SVP-Obmann Erich Amonn und noch mehr sein Generalsekretär Raffeiner kritisierten sogar rückhaltlos jeden Protest gegen die italienische Südtirolpolitik, verhinderten Protestkundgebungen und suchten alle Kräfte, die eine offensive Südtirolpolitik wollten, zu sabotieren. Das gelang nicht durchgehend. Parteisekretär Toni Ebner und der aus Dachau heimgekehrte Organisationsleiter der SVP, Friedl Volgger, widersetzten sich, konnten sich aber aufgrund ihrer untergeordneten Ämter nicht durchsetzen.

Italienische „Nachkriegspartisanen“ in Bozen.

Als sich unter den Augen der amerikanischen Besatzungsmacht die Nachkriegspartisanen, die es zuvor in Südtirols unter der deutschen Besatzung gar nicht gegeben hatte, als blindwütige Rächer  auf Südtirol stürzten (Brigade Val Cordevole), in über fünfzig Südtiroler Dörfer raubend, gewalttägig und sogar mordend einbrachen, blieb der Protest der SVP aus. Sogar als der Wolkensteiner Bürgermeister Adols Senoner und weitere vier Grödner, der Lehrer Engelbert Ploner, Gabriel Rifesser, Kosman Demetz und Josef Pitscheider, verschleppt, gefoltert und im Walde von Pescul auf bellunesischer Seite ermordet wurden, gab es ebenso wenig einen harten, offenen Protest. Bis heute wird, wohl aus einem unterschwellig schlechten Gewissen heraus, nirgendwo in Südtirol jener unschuldigen Opfer der postfaschistischen Terrors gedacht, obwohl die SVP jährlich Andreas Hofers gedenkt, des Tiroler Helden, der den Italienern nicht wehtut und längst Geschichte ist.

Es gab zuvor auch schon Opfer des Nationalsozialismus, an die wiederum nur sehr selektiv erinnert wird. Josef Noldin und Angela Nicoletti und das Opfer des nationalsozialistischen Terrors, Josef Mayr-Nusser, sind in der Erinnerung geblieben, andere Opfer, wie die Südtiroler Wehrmachtssoldaten Markus Dapunt und Alois Alfreider (beide Ladiner), die standrechtlich erschossen wurden, werden als Opfer ausgeblendet. Die bedenklichen Lücken in der politischen Erinnerungskultur zeigen eine Linie der politisch-moralischen Schwäche auf, die nie bewusst gemacht und darum auch nie korrigiert wurde. Die Opfer jener Ereignisse haben keine Denkmäler, nicht einmal Erinnerungstafeln, und keinen Platz im südtirolhistorischen Gedenken der SVP und damit auch nicht in der Bevölkerung.

Doch der SVP-Obmann Amonn war Bozner Kaufmann mit geschäftlichen Interessen, und angesichts der italienischen Praxis willkürlicher Schließungen deutscher Unternehmen setzte er seine Familieninteressen über seine politischen Grundverpflichtungen. Die eigenen Interessen hätte er ruhig verfolgen dürfen, sie aber nicht mit dem Amt des Obmannes der SVP verquicken und das Amt damit auszuhöhlen. Die jüngste Biografie der Historiker Hans Heiss und Stefan Lechner über Amonn lassen seine Haltung zwar durchaus erkennbar werden, verteidigen sie aber indirekt. Die politische Haltung Amonns wird nicht hinreichend kritisch durchleuchtet. Amonn trat, wie auch Heiss anführt, sogar ganz vehement gegen jede Politik der Lostrennung Südtirols von Italien auf. Wer dies wolle, habe „keinen Platz“ in der SVP. Besser konnte man die nationalistischen Interessen Italiens gar nicht vertreten.

Auch in der SVP-Politik herrschte weitgehend eine Denklinie vor, die nicht annähernd ihre demokratischen Protestmittel ausschöpfte. Verständlicherweise konnte sich die SVP nur legaler Mittel bedienen und musste angesichts italienischer Drohungen auch den „Terrorismus“, der ein Freiheitskampf war, verurteilen. Als aber die Nachrichten von den Folterungen der Häftlinge nicht nur durchsickerten, sondern der Parteiführung unter Magnago auch offiziell durch Häftlingsbriefe bekanntgemacht wurden, gab es kein zweites Sigmundskron, keine einzige öffentliche Protestkundgebung, keinen Versuch, mit allen legalen Mitteln zu protestieren. Das war ein großes moralisches und politisches Versagen der SVP.

Nicht anders in Österreich unter der Alleinregierung Klaus. Deren Konsulate nahmen ihre Schutzpflicht nicht wahr und verhielten sich anbiedernd. Menschenrechte waren Nebensache, wenn sie durch Italien verletzt wurden.

Bis heute sind diese verhängnisvollen Denkstrukturen nie beim Namen genannt, in den betroffenen Parteien selbst nie offen durchleuchtet, und, seltsamerweise, auch nicht von der sonst so moralisch-eifrigen veröffentlichten Meinung durchleuchtet worden. Es gibt einzelne Historiker, die Teile der politischen Nachkriegsgeschichte Südtirols, die immer SVP- und österreichische Staatsgeschichte ist, durchleuchtet haben. Stellvertretend sei der Name des Historikers Michael Gehler genannt.

Doch der Autor Helmut Golowitsch erweist sich erneut als unerschrockener Erforscher der unbequemen historischen Wahrheit, ungeachtet des sich zu oft anpassenden akademischen Meinungsbildes. Sein großes Verdienst, auch die bittersten Vorkommnisse der Südtirolgeschichte zu beleuchten, die immer wirksamen, anbiedernden Denkstrukturen in Parteien zu erhellen, ist Merkmal seiner Forschungen. Dafür mögen ihm unsere und die kommenden Generationen dankbar sein.“

Georg Dattenböck

Der Herausgeber des „Südtirol Informationsdienstes“ (SID), Georg Dattenböck, berichtete im Anschluss an den Vortrag des Buchautors, wie er vergeblich versucht hatte, bezahlte Werbung für das Buch in bedeutenden österreichischen Tageszeitungen unterzubringen.

Er war auf eine Mauer des Schweigens und Verschweigens gestoßen, die offenbar von oben her von politischer Seite verordnet worden war. Eine bedeutende österreichische Tageszeitung hatte bereits das Inserat akzeptiert, dann jedoch die Annahme auf direkte Weisung des Chefredakteurs widerrufen. Andere Zeitungen hatten einfach nicht geantwortet. In der Folge sei es jedoch gelungen in „alternativen Medien“ im Internet diese Schweigespirale zu durchbrechen. Hier dankte Dattenböck vor allem dem Historiker und Publizisten Prof. Dr. Reinhard Olt.

Dr. Bruno Hosp

Der ehemalige Abgeordnete zum Südtiroler Landtag und Regionalratsabgeordnete, Landeskommandant des „Südtiroler Schützenbundes“, Bürgermeister von Ritten, SVP-Landessekretär, Landesrat und Vizepräsident der „Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen“, Dr. Bruno Hosp, berichtet in einem Vorwort zu dem vorliegenden Dokumentarwerk unter anderem, wie er als junger Student die nach Österreich geflüchteten Freiheitskämpfer Luis Amplatz und Georg Klotz unterstützte und deren Behandlung durch die österreichischen Behörden kennenlernen musste. In der Diskussion stellte die Bedeutung des vorliegenden beweiskräftigen Originalmaterials heraus und verwies auch auf seinen eigenen zeitgeschichtlichen Beitrag in dem Buch.

Dieses Bild zeigt den damaligen Studenten Bruno Hosp, wie er seinen Freund Georg Klotz im österreichischen Exil besuchte.

Dr. Eva Klotz

Die Tochter des legendären Freiheitskämpfers Georg Klotz und ehemalige Gemeinderätin in Bozen sowie Südtiroler Landtagsabgeordnete Dr. Eva Klotz, berichtete als Zeitzeugin, wie sie bei Besuchen in Österreich das Elend ihres Vaters im Exil und dessen Behandlung durch die Behörden hatte sehen müssen.

Roland Lang

Der Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), Roland Lang, stellte als Mitveranstalter der Buchpräsentation die Bedeutung dieser Dokumentation heraus. Die künftige Geschichtsschreibung werde an diesen dokumentarisch untermauerten Forschungsergebnissen nicht vorbei gehen können. Daher sei diese Arbeit so wertvoll und er müsse als Südtiroler dem Autor hierfür danken.

Egon Kufner

Der ehemalige Freiheitskämpfer und betroffene Zeitzeuge Egon Kufner berichtete über die menschenrechtswidrigen Haftbedingungen, denen er als Untersuchungshäftling im „Porzescharte“-Prozess in Österreich hilflos ausgeliefert war. Er schilderte dann die Unterschlagung von Beweismitteln in dem durch das Innenministerium und andere Rechtsverletzungen. Letztendlich wurden er und seine Mitangeklagten in einem wiederholten Verfahren dann endgültig freigesprochen, weil Sachverständigengutachten bewiesen hatten, dass sie nicht als „Täter“ in Frage kamen.

Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung

Im Publikum saß Universitätsprofessor Dr. Erhard Hartung, der von zahlreichen Besuchern auf seine Erlebnisse angesprochen wurde. Er war ebenso wie Egon Kufner im „Porzescharte“-Prozess in Österreich den geschilderten Rechtsverletzungen ausgeliefert gewesen. Auch er wurde im wiederholten Prozess in Österreich dann rechtsgültig freigesprochen und durch die späteren Untersuchungen des Historikers Oberst. Mag. Dr. Speckner und die Gutachten der Sprengsachverständigen nochmals vollständig rehabilitiert, weil auch er aufgrund der materiellen Sachlage als „Täter“ auszuschließen war.

Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner

Bereits am 2013 hatte der österreichische Historiker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner einem interessierten Fachpublikum in Wien ein neues Buch brisanten Inhalts vorgestellt.

In der Dokumentation „Zwischen Porze und Roßkarspitz …“ hatte Speckner anhand bislang verborgener sicherheitsdienstlicher österreichischer Archivalien und mithilfe persönlicher „Tatort“-Begehungen und der Beiziehung von Sprengsachverständigen und anhand von deren Gutachten nachweisen können, dass ein angeblicher Anschlag österreichischer Täter auf der Porzescharte mit vier italienischen Opfern am 25. Juni 1967 nicht so stattgefunden haben konnte, wie es die offiziellen italienischen Darstellungen behaupteten.

Zudem konnten die von Italien beschuldigten und in der Folge in Italien in Abwesenheit verurteilten Österreicher Speckners Untersuchungen zufolge auf keinen Fall die „Täter“ gewesen sein. Alles sprach vielmehr für ein Konstrukt italienischer Geheimdienste.

Speckners mittlerweile durch Sprengsachverständige bestätigten Erkenntnisse bilden eine wesentliche Grundlage für die Dokumentation des Autors Dr. Golowitsch und werden in dessen Werk nochmals akribisch dem Leser unterbreitet.

In der Podiumsdiskussion nahm Dr. Speckner nur bescheiden und sehr kurz zu seinen eigenen Verdiensten Stellung. Andere Diskussionsteilnehmer und auch der Buchautor Dr. Golowitsch unterstrichen jedoch die Bedeutung seiner Forschungsergebnisse und dankten ihm dafür.

Bestellung des Buches

Das Helmut Golowitschs Werk „Südtirol – Opfer politischer Erpressung“ kann im gutem Buchhandel und über den Stocker-Verlag bezogen werden.

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