Das angebliche „Gemetzel“ und „Blutbad“ auf der Porze-Scharte

Die Aufrechterhaltung einer staatlichen Lüge

Wie jedes Jahr veranstaltete die „Nationale Alpini-Vereinigung“ („Associazione Nazionale Alpini“ – ANA) auf der Porze-Scharte („Passo di Cima Vallone“) eine Gedenkveranstaltung auf der Porzescharte in der Provinz Belluno nahe der italienischen Staatsgrenze zu Österreich. Wie die staatliche italienische Propaganda seit Jahrzehnten behauptet, hätten dort österreichische „terroristi“ am 25. Juni 1967 mithilfe von Tretminen ein Gemetzel („eccidio“) und Blutbad („strage“) angerichtet, bei dem 4 italienische Soldaten umgekommen seien.

Links: Ankündigung der diesjährigen Alpini-Gedenkveranstaltung auf der Porze-Scharte. Rechts: Eine der vielen italienischen Publikationen, in denen das Geschehen von 1967 als „Blutbad auf der Porze“ („La Strage di Cima Vallona“) dargestellt wird.
Links: Ankündigung der diesjährigen Alpini-Gedenkveranstaltung auf der Porze-Scharte. Rechts: Eine der vielen italienischen Publikationen, in denen das Geschehen von 1967 als „Blutbad auf der Porze“ („La Strage di Cima Vallona“) dargestellt wird.

Es war um eine Erpressung Österreichs gegangen

Italien hatte damals das angebliche durch österreichische „Terroristen“ angerichtete „Gemetzel“ zum Anlass genommen, ein Veto gegen den Beitritt Österreichs zur „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (EWG) einzulegen. Rom hatte gefordert, dass die österreichische Bundesregierung Italien helfen sollte, die „terroristi“ mit aller Härte zu verfolgen. Die italienische Regierung hatte behauptet, dass auch weitere Vorkommnisse, bei denen Italiener zu Tode gekommen waren, den „terroristi“ zuzuschreiben seien. Wien war willig eingeknickt und hatte sich allen italienischen Forderungen gebeugt.

Ein österreichischer Militärhistoriker deckte ein Lügengebäude auf

Der österreichische Militärhistoriker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner, Lehrer an der Österreichischen Landesverteidigungsakademie, hatte bereits 2013 in der Dokumentation „Zwischen Porze und Roßkarspitz …“ anhand sicherheitsdienstlicher und persönlicher „Tatort“-Begehungen nachgewiesen, dass ein angeblicher Anschlag österreichischer Täter auf der Porzescharte mit vier italienischen Opfern am 25. Juni 1967 so nicht stattgefunden haben konnte, wie es die offiziellen italienischen Darstellungen schilderten. Zudem konnten die von Italien beschuldigten und in der Folge in Abwesenheit verurteilten Österreicher Speckners Untersuchungen zufolge auf keinen Fall die „Täter“ gewesen sein.

Am 28. November 2016 stellte der österreichische Militärhistoriker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner von der Österreichischen Landesverteidigungsakademie einem interessierten Fachpublikum in Wien ein neues Buch brisanten Inhalts vor: „Von der Feuernacht zur Porzescharte“ mit dem Untertitel „Das ‚Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“.

Speckner hatte Zugang zu allen relevanten und Jahrzehnte lang geheimen sicherheitsdienstlichen Unterlagen der Republik, welche sich mit Anschlägen in Südtirol während der Zeit des Freiheitskampfes befassten.

Das Ergebnis der Aktenauswertung ist sensationell: Bei einer Reihe von Anschlägen, welche gezielt auch Zivilbevölkerung in Gefahr gebracht hatten oder hätten bringen können, hatten offenbar italienische „Dienste“ ihre Hand mit im Spiel gehabt. Hier war es darum gegangen, die „terroristi altoatesini“ als gewissenlose und verruchte Täter darzustellen, welche auf die Vernichtung von Menschenleben abzielten.

In anderen Fällen ließ sich eine provokatorische Steuerung im Hintergrund erkennen. Speckner dokumentiert auch Anschläge, die von italienischen Neofaschisten verübt worden waren und bei denen versucht worden war, sie Österreichern in die Schuhe zu schieben.

Speckners Enthüllungen bewirkten und bewirken kein Eingeständnis Roms

Wie Oberst Mag. Speckner anhand österreichischer und italienischer Akten und örtlicher Begehungen nachwies, spricht alles dafür, dass auf der Porze-Scharte offenbar eine geheimdienstliche Aktion stattgefunden hatte, bei der ein künstlicher „Tatort“ geschaffen worden war.

Es bleibt somit der damals schon von Zeitzeugen geäußerte Verdacht bestehen, dass eine italienische Geheimdienstmanipulation vorlag, wonach Opfer einer italienischen militärischen Verminungsübung der Öffentlichkeit als Opfer blutrünstiger  „Südtirol-Terroristen“ präsentiert wurden. Der damalige, parteiunabhängige österreichische Justizminister Univ.-Prof. Dr. Heinz Klecatzky nannte 2010 als Verursacher des Vorfalls eine „ inneritalienische Manipulation“. Der renommierte Präsident der Belluneser Anwaltskammer, Dott. Peppino Zangrando, kam nach jahrelangen Recherchen ebenfalls zum Ergebnis, dass der Vorfall auf der Porzescharte sich so nicht zugetragen haben kann, wie von Italien offiziell dargestellt wird.

Keine italienische Regierung war bis heute bereit, dies einzugestehen, obwohl mittlerweile Speckners Forschungsergebnisse auch in italienischer Übersetzung als Buch vorliegen.

Die Zerstörung eines Lügengebäudes

Im November 2022 legte der Historiker und Militärsachverständige Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner ein neues sensationelles Werk vor:

Hubert Speckner:
„Pfitscherjoch, Steinalm, Porzescharte – Die drei „merkwürdigen Vorfälle“ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre in den Jahren 1966 und 1967“

EFFEKT-Verlag in Neumarkt/Südtirol
Umfang: 284 Seiten, Preis ab Verlag: ab EURO 25,00
Hier geht es zur Internet-Seite des EFFEKT-Verlages:
https://effekt-shop.it/shop/buecher/pfitscherjoch-steinalm-porzescharte/

Anhand von wissenschaftlichen Untersuchungen und Durchführung von Sprengversuchen wurde durch gerichtlich beeidete Sachverständige bestätigt, dass einige angebliche „Terrorakte“ des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) der Jahre 1966 und 1967 in Wahrheit getürkt waren. Es dürfte sich bei den italienischen toten Militärpersonen um Opfer tragischer Unfälle gehandelt haben, die nachträglich zu Opfern von „Anschlägen“ erklärt wurden.

Auch in Bezug auf das angebliche Geschehen auf der Porze-Scharte waren die Ergebnisse der Untersuchungen und Sprengversuche eindeutig: Die italienischen Darstellungen stimmen nicht.

Den Forschungsergebnissen zufolge dürften die toten italienischen Soldaten auf der Porze-Scharte vermutlich vielmehr Opfer einer missglückten Verminungsübung auf einem nahe gelegenen militärischen Übungsgelände geworden sein. Nachträglich seien sie dann offenbar zu „Opfern“ der Südtiroler Freiheitskämpfer umfunktioniert worden. Zu diesem Zweck wurde offenbar ein künstlicher „Tatort“ geschaffen.

Die Buchvorstellung in Wien – ein „Lügengebäude“ und „die Stimme der Wahrheit“

Am 9. Mai 2023 wurde das neue Buch im Cafe Landtmann in Wien einem interessierten Publikum vorgestellt. Der ehemalige Südtiroler Landtagsabgeordnete und Regionalratspräsident Dr. Franz Pahl („Südtiroler Volkspartei“ – SVP) führte zu dem neuen Werk unter anderem aus:

„Der Militärhistoriker Dr. Hubert Speckner hat mit seinem Werk drei besonders auffällige Anschläge der Jahre 1966/67 in den Blick genommen, es sind die Anschläge auf dem Pfitscherjoch, der Steinalm und auf der Porzescharte. Sie sind deshalb von Bedeutung, weil  das nationalistische Italien jener Zeit – und unverändert bis heute, wenn auch kaum noch nachdrücklich, – die Anschläge mit italienischen Opfern als Tat der so genannten „Südtiroler Terroristen“ darstellte.

Für Italien konnte und durfte es nicht anders sein, denn es wäre politisch undenkbar gewesen, irgendwelche Zweifel an dieser These zuzulassen. Die Zweifler an der italienischen Version wurden schnell als Terroristenfreunde gebrandmarkt. …

Dr. Franz Pahl bei seiner Ansprache
Dr. Franz Pahl bei seiner Ansprache

 Der Militärhistoriker Dr. Speckner ließ nicht beeindrucken und begann Nachforschungen. Es kam zutage, dass es sich bei den italienischen Darstellungen nicht um Wahrheit, sondern um ein Lügengebäude handelt.

Schließlich wurden an Ort und Stelle von kompetenter Seite Erhebungen angestellt und der Ablauf nachgestellt. Die italienische Propaganda ist als solche entlarvt. Auffallend in diesem Zusammenhang, dass Italien es diesmal vorzog, alles mit Schweigen zu übergehen, um nicht etwa durch Proteste in unangenehme Diskussionen um die Beweislage verwickelt zu werden.

Zwar ist den meisten der gegenwärtigen italienischen Politiker die Zeit der Attentate in Südtirol nur noch sehr ungefähr und nur in der Weise des angeblichen „Südtirolterrorismus“ geläufig. Dennoch gibt es bei der so genannten Carabinieriwaffe, also den Einheiten der Militärpolizei, die in Italien kapillar Ordnungsfunktionen bis ins letzte Dorf innehaben, noch immer eine Erinnerung und ein Bewusstsein dafür, dass man trotz aller äußeren Ruhe achtsam bleiben müsse. Aber auch von dieser Seite gibt es wohlkalkuliertes Schweigen. Wo immer ein Buch mit südtirolpolitischer Brisanz mit Bezug auf die Sechzigerjahre erscheint, landen Nachrichten davon sofort auf den Schreibtischen von Bozen und Rom. Die italienischen Konsulate und die Botschaft wirken mit Eifer mit.

Würde Italien nicht wohlbedacht alles einfach übergehen, würde das eine arge Erschütterung hervorrufen. Wenn es darauf ankommt, sind sich alle italienischen Parteien bei den nationalen Prioritäten einig, zwar unterschiedlich im Ton, aber der Nationalismus tritt schnell wieder hervor.

Der Autor Dr. Speckner hat eine breite Bresche in die italienische Falschdarstellung geschlagen. Die Bücher sind veröffentlicht, die Fakten erläutert und fachkundig belegt.

Diesen Werken und dem Bemühen und der Mitwirkung aller, die in ihrem Handeln und in ihrer Haltung als Österreicher südtirolpolitisches Bewusstsein beweisen, ist es zu verdanken, dass die Stimme für die Wahrheit nicht verstummt. Sie hat Langzeitwirkung.“

Die in Italien in Abwesenheit verurteilten Österreicher sind unschuldig

Die von Italien beschuldigten und in einem menschenrechtswidrigen Abwesenheitsverfahren 1972 in Florenz verurteilten Österreicher Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung, Peter Kienesberger und Egon Kufner können demnach keine „Täter“ in dem tatsächlich manipulierten Geschehen auf der Porze-Scharte sein.

Die Genannten wurden übrigens in Österreich vor Gericht gestellt und in einem ordentlichen Verfahren in Anwesenheit (und nicht menschenrechtswidrig in Abwesenheit wie in Italien), eingehend einvernommen und 1971 freigesprochen.)

Die Angeklagten (v.l.n.r.) Egon Kufner, Univ.-Prof. Dr. Hartung und Peter Kienesberger wurden in Österreich freigesprochen.
Die Angeklagten (v.l.n.r.) Egon Kufner, Univ.-Prof. Dr. Hartung und Peter Kienesberger wurden in Österreich freigesprochen.

Zu der Überzeugung der Sprengsachverständigen war auch Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner gelangt, wie er bei der Buchpräsentation in einem Interview mit dem Südtiroler Internetportal UT24 erklärte:

„Ich hatte mich ja schon vor Jahren für mein damaliges Buch „Von der Feuernacht zur Porzescharte“ damit beschäftigt und weiter daran geforscht. Nun gibt es neue Erkenntnisse durch Sachverständige, die ich unter die Leute bringen möchte, weil es einfach wichtig ist, öffentlich zu machen, dass das alles so, wie es dargestellt wird, nicht gewesen sein kann. Die Akten geben etwas völlig anderes her und die neuen Erkenntnisse ein sehr interessantes Bild, vor allem durch jene der Sachverständigen Ruspeckhofer und Hasler.

Oberst Dr. Mag. Hubert Speckner zusammen mit den Sprengsachverständigen Harald Hasler und Max Ruspeckhofer.
Oberst Dr. Mag. Hubert Speckner zusammen mit den Sprengsachverständigen Harald Hasler und Max Ruspeckhofer.Porzescharte, Steinalm und Pfitscher Joch

Ich war selbst mehrmals auf der Porzescharte, am Pfitscherjoch und auf der Steinalm. …

In der offiziellen Darstellung stimmt von vorne bis hinten nichts, sie KANN so gar nicht stimmen, wie die Sachverständigen dargestellt haben. Leichen liegen falsch, Daten über Sprengungen, die so technisch gar nicht passiert sein können, usw.

Die Taten wurden ja bekanntlich dem BAS angedichtet, der es aber nach diesen Darstellungen gar nicht gewesen sein kann. Sachverständige vor Ort haben dies nun bestätigt. So zum Beispiel Dr. Hasler, der diese Fälle nachgesprengt und mit Dummys nachgestellt hat.

Nun stellt sich die Frage: Wer war es dann? Das könnten wir erst beantworten, wenn Italien seine Archive öffnet, was es aber meiner Befürchtung nach nicht so schnell tun wird. Italien ist Meister darin, Dinge zu verschleiern und auszusitzen, um sich nicht damit zu beschäftigen.“

Bis heute ist keine offizielle Rehabilitation der damals zu Unrecht Beschuldigten erfolgt

Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung (stehend) bei seiner Wortmeldung im Österreichischen Parlament in Wien
Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung (stehend) bei seiner Wortmeldung im Österreichischen Parlament in Wien

Einen Tag vor der Veranstaltung im Cafe Landtmann in Wien hatte Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung im Österreichischen Parlament in Wien am 8. Mai 2023 den Parlamentsdirektor und die Südtirol-Sprecher der Parlamentsklubs getroffen und ihnen gegenüber erklärt:

„Ich erlaube mir, als auch persönlich davon betroffener Tiroler, den Wunsch all jener Personen vorzutragen, die von Österreich ob ihres politischen Südtirol-Engagements während der 1960er Jahre juristisch verfolgt und bis zu mehreren Jahren in Untersuchungshaft gesperrt worden waren oder die, um einer weiteren Freiheitsberaubung zu entgehen, als Flüchtlinge im Ausland im politischen Asyl leben mussten, ohne jemals in Österreich rechtskräftig verurteilt zu werden. Unser, ohne größere Schwierigkeiten oder Kosten zu erfüllender Wunsch ist einzig und allein eine öffentliche Rehabilitierung durch unser Vaterland Österreich. Innigst ersuche ich Sie, dafür tätig zu werden.“

Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung wies auch noch darauf hin, dass es den Betroffenen hier nicht um finanzielle Wiedergutmachung gehe. Für diese Wortmeldung erhielt er viel Applaus.

Man wird jedoch sehen, ob sich tatsächlich etwas an der bisherigen opportunistischen Haltung der österreichischen Regierung in Wien ändern wird. Bisher hatte man dort immer sorgfältig darauf Wert gelegt, die italienischen „Freunde“ in Rom ja nicht zu verärgern.

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