War es ein erfundener Mordanschlag? Südtirol-Freiheitskämpfer als Opfer einer Geheimdienst-Manipulation?
Das Ereignis: Am 25. Juni 1967 kamen an der Grenze zwischen Osttirol und Italien vier italienische Soldaten ums Leben, die angeblich von Tretminen tödlich verletzt worden waren, die von Unbekannten bei einem vorher gesprengten Stromleitungsmasten auf der Porzescharte – italienisch: „Cima Vallona“ – versteckt worden waren.
In Südtirol kursierte damals das Gerücht, dass die angeblich auf der Porzescharte zu Tode Gekommenen in Wahrheit bei einer Minen-Sprengausbildung im Bereich des Kreuzberges ums Leben gekommen seien. Einwohner wollten dort Detonationen gehört und dann den hektischen Abtransport mittels Hubschrauber mitbekommen haben. Niemand hatte allerdings gewagt, damit in die Medien und an die Öffentlichkeit zu gehen.
Die italienischen Behörden beschuldigten umgehend Mitglieder des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) der Täterschaft und erreichten, dass die willfährigen österreichischen Behörden die österreichischen Staatsbürger Peter Kienesberger, Egon Kufner und Dr. Erhard Hartung inhaftierten und unter Anklage stellten. Die Bundesregierung Dr. Klaus war damals an einem guten Einvernehmen mit Rom interessiert, um die Aufhebung des italienischen Vetos gegen einen EWG-Beitritt Österreichs zu erreichen.
Zum Glück gab und gibt es in der Republik Österreich aber ein Justizsystem mit unabhängigen Geschworenengerichten. Ein solches rehabilitierte aufgrund der vorgelegten Aktenlage und Sachbeweise die Angeklagten und sprach sie frei. In Italien wurden sie allerdings in einem menschenrechtswidrigen Abwesenheitsprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Dies war möglich, weil die italienische Justiz nach wie vor die alte faschistische Strafprozessordnung anwenden konnte, welche die Verurteilung Abwesender legitimierte, die sich nicht verteidigen konnten.
Trotz vieler Bemühungen konnte Italien allerdings in der Folge eine Auslieferung nicht erreichen. Der Skandal wäre zu groß gewesen.
Von vielen Zeitgenossen wurde das Geschehen auf der Porzescharte in Zusammenhang mit Manipulationen des italienischen Geheimdienstes gebracht. Es blieb aber von Geheimnissen umhüllt.
Erstes Licht in das Dunkel
Dies änderte sich, als der österreichische Militärhistoriker Mag. Dr. Oberst Hubert Speckner von der österreichischen Landesverteidigungsakademie im Jahre 2013 eine umfangreiche Studie veröffentlichte, die sich auf österreichische sicherheitsdienstliche Akten, aber auch auf die ihm vorliegenden italienischen „Tatort“-Unterlagen einschließlich Foto-Dokumentationen stützte.
Der namhafte Historiker Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Gehler von der Universität Hildesheim bescheinigte in einem Vorwort zu Speckners Arbeit, „dass schon zeitgenössische Beobachter zum Ergebnis kamen, dass es bei diesem „Attentat“ nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann und die offizielle italienische Lesart der Ereignisse so einfach nicht stimmen kann.“
Auch wenn „definitives und letztgültiges Beweismaterial für eine gezielte italienische Manipulation“ noch nicht vorliege, „ist die Fülle der von ihm ermittelten Befunde so erdrückend, dass trotz gegenteilige italienischer Behauptungen eine Beteiligung italienischer Stellen angenommen werden kann.“
Das Echo in den Medien
Das Echo in den Medien war für das offizielle Italien nicht besonders erfreulich, wie nachstehende Ausschnitte zeigen:
„Die Presse“, 17. August 2013:
„Salzburger Nachrichten“, 1. August 2013:
„Tiroler Tageszeitung“, 1. August 2013:
„Osttiroler Bote“, 21. November 2013:
„Neue Südtiroler Tageszeitung“, 26. Juli 2013:
Heldenmythos aus politischen Gründen
Die italienische Seite hat den Vorwurf der Schaffung eines künstlichen „Tatortes“ auf der Porzescharte und damit verbundene weitere Manipulationen stets mit Entrüstung zurückgewiesen und auf österreichische Presse-Meldungen mit Empörung reagiert.
Bis heute werden die Toten des 25. Juni 1967 als Opfer der „terroristi“ bezeichnet und bei offiziellen Feiern wird ihrer in diesem Sinne gedacht. So geschah es auch auf einer offiziellen Feier in diesem Jahr.
Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von Südtiroler ehemaligen politischen Häftlingen gegründete Vereinigung hat dies zum Anlass genommen, mit einer Presseaussendung auf die damit verbundene Problematik hinzuweisen. Der SHB-Obmann Roland Lang warnt dabei vor den üblichen vorschnellen italienischen Schuldzuweisungen.
Nachstehend die Presseaussendung des SHB:
Ja zum Gedenken an die Toten des „Reparto Speciale“ – Warnung vor Schuldzuweisungen
Am Samstag, den 15. Oktober 2016 hat in Leifers eine Gedenkveranstaltung für die Toten des vor 50 Jahren in der Leiferer Kaserne gegründeten „Reparto Speciale“ stattgefunden. Diese Einheit bestand aus Guerrilla-Kämpfern und Sabotage-Spezialisten für „nicht konventionelle Kampfführung … Der Reparto wurde unter Geheimhaltung organisiert: Seine Aufstellung und seine Tätigkeiten wurden der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben“, so SHB- Obmann Roland Lang.
Diesen Sachverhalt schildert der Fallschirmjäger-General Simone Baschiera in seinem 2006 erschienenen Buch „ Sul filo della memoria: Alto Adige – Südtirol 1966 – 1971. Il Battaglione Sabotatori Paracadutisti nel Reparto Speciale“.
Wie Baschiera berichtet, besaßen die als Minenleger und Fallschirmspringer ausgebildeten Männer des „Reparto Speciale“ einen „professionellen background nichtkonventioneller Kriegsführung und des Guerrilla-Krieges und eine spezielle Ausbildung in Bezug auf Explosivstoffe und detonierende Minenfallen“
Warnung vor vorschnellen Schuldzuweisungen
Der Südtiroler Heimatbund (SHB) begrüßt das Gedenken an die am 25. Juni 1967 angeblich auf der Porzescharte zu Tode gekommenen „Sabotatori“ des „Reparto Speciale“. Auch sie waren Opfer einer jahrzehntelangen verfehlten italienischen Staatspolitik.
Der „Südtiroler Heimatbund“ warnt aber vor Schuldzuweisungen an die Südtiroler Freiheitskämpfer. Bereits damals hatten erhebliche Zweifel daran bestanden, dass die Männer des „Reparto Speciale“ überhaupt auf der Porzescharte zu Tode gekommen seien. Unter der einheimischen Bevölkerung hieß es, dass die Verunglückten Opfer einer verunglückten Minen-Sprengausbildung gewesen seien und dass man aus politischen Gründen nachträglich einen „Tatort“ auf der Porzescharte konstruiert hätte. Im Jahr 2013 hat eine in Buchform erschienene Studie des an der Landesverteidigungsakademie (LVA) Wien tätigen Militärhistorikers Oberst Dr. Hubert Speckner mit dem Namen „Zwischen Porze und Roßkarspitz … Der ,Vorfall‘ vom 25. Juni 1967 in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“ belegt, dass die von italienischer Seite beschuldigten Österreicher Kienesberger, Dr. Hartung und Kufner nicht die Täter gewesen sein konnten. Auch die Zweifel an dem „Tatort“ waren aufgrund amtlicher österreichischer und italienischer Dokumente nicht beseitigt, sondern verstärkt worden.
Neue Enthüllungen stehen bevor – man darf gespannt sein!
Wie man nun aus Wien hört, teilt SHB-Obmann Roland Lang mit, soll noch in diesem Jahr eine neue Fachstudie zu diesem Thema mit wahrscheinlich Aufsehen erregenden Ergebnissen vorgestellt werden. An dieser Untersuchung haben Militärs, Alpinisten und Sprengsachverständige mitgewirkt. Man darf auf die Präsentation gespannt sein, erklärt der Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang, abschließend.