Ein weiterer Schritt zur Refaschistisierung Südtirols
Am 17. Oktober 2019 beschloss der Südtiroler Landtag ein Landesgesetz mit „Bestimmungen zur Erfüllung der Verpflichtungen der Autonomen Provinz Bozen, die sich aus der Zugehörigkeit Italiens zur Europäischen Union ergeben“
Dieses sogenannte „Europagesetz des Landes 2019“ wurde in der Folge von den italienischen Politikern in Rom und Bozen heftig kritisiert. Es gab eine italienweite Polemik, weil die deutsche Bezeichnung „Südtirol“ in der italienischen Übersetzung mit „provincia di Bolzano“ wiedergegeben und nicht der von dem Faschisten Tolomei eingeführte Name „Alto Adige“ verwendet worden war.
Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher ging sofort in die Knie und vergatterte seine Mannschaft im Landtag dazu, am 29. November 2019 in einer neuerlichen Abstimmung folgende Änderung am Text vorzunehmen:
Es gab aus der SVP-Fraktion keinen Widerspruch gegen die eilfertige Erfüllung der Wünsche Roms. Friedlich wie die Lämmer folgten die wohldotierten Abgeordneten ihrem italophilen Hirten und holten zusammen mit den Abgeordneten der italienischen Parteien und des „Team K“ und der Grünen den faschistischen Begriff des „Alto Adige“ als offizielle italienische Bezeichnung für Südtirol in ein Landesgesetz zurück.
Die negative Langzeit-Auswirkung
Man könnte nun meinen, es handle sich hier um keine allzu bedeutende Angelegenheit. Dem ist leider nicht so. Bislang hatten die deutschen und ladinischen Repräsentanten Südtirols stets öffentlich den von den Faschisten aufgezwungenen Namen „Alto Adige“ abgelehnt, weil dieser vor allem dazu dient, das Tirol-Bewusstsein zu verleugnen und zu verdrängen.
Mit der Zustimmung der Aufnahme dieses faschistischen Kampfbegriffes in den offiziellen Text eines Landesgesetzes untergräbt die SVP unter ihrem derzeitigen Rom-hörigen Landeshauptmann Kompatscher diese Linie.
Wann immer in Zukunft Südtiroler sich gegen den Namen „Alto Adige“ und die damit repräsentierte „altoatesinische“ Geisteshaltung aussprechen, wird ihnen von italienisch-nationalistischer Seite höhnisch entgegnet werden, dass ihr eigener Landtag diesen Begriff akzeptiert hat.
Widerspruch und Minderheitenbericht
Heftigen Widerspruch und 2 Gegenstimmen gab es nur von den beiden Abgeordneten der „Süd-Tiroler Freiheit“, Myriam Atz Tammerle und Sven Knoll.
In ihrem Minderheitenbericht hielten die Abgeordneten der „Süd-Tiroler Freiheit“ fest:
„Es geht … nicht darum, den italienischen Landesnamen zu streichen, sondern nur darum, den rechtlich korrekten italienischen Landesnamen für Süd-Tirol in Gesetzestexten zu verwenden. Dieser lautet nicht „Alto Adige“, sondern „Provincia di Bolzano“. Der Begriff Alto Adige existiert rechtlich nur für die Institution der Region „Trentino-Alto Adige“ nicht aber für das Land Süd-Tirol, das in italienischer Sprache offiziell nur „Provincia di Bolzano“ heißt. Ein Blick auf die Fassade des Landtages genügt, um dies zu beweisen, denn auch der Landtag heißt auf Italienisch nicht „Consiglio dell‘Alto Adige“, sondern „Consiglio provinciale di Bolzano“.
Doch Landeshauptmann Kompatscher entschied sich, sich auf die Seite der italienischen Neofaschisten und Nationalisten zu stellen und führt auf Provinzebene für Süd-Tirol flächendeckend „Alto Adige“ ein.“
Nicht erklärliche Haltung der Südtiroler Freiheitlichen
Es gab zwei Stimmenthaltungen, wahrscheinlich von den Freiheitlichen Abgeordneten.
Eine Nachfrage des SID bei den Südtiroler Freiheitlichen, weshalb sie sich nicht gegen diese Gesetzesänderung gestemmt hätten, blieb leider unbeantwortet.
Geschichtliche Dokumentation:
Die nachstehende noch vor der Beschlussfassung durch den Landtag verfasste historische Abhandlung hat dankenswerter Weise ein Sprachwissenschaftler und ehemaliger Toponomast des Landes Südtirol zur Verfügung gestellt.
(Zwischentitel, Bilder und Bildtexte durch die Red. des SID beigestellt)
„Südtirol“ – „Alto Adige“ – „Sudtirolo“.
von Dr. Cristian Kollmann
Historische, linguistische und namenpolitische Überlegungen
Mit dem Frieden von Pressburg im Jahr 1805 wurde die Gefürstete Grafschaft Tirol, die seit 1363 zu Österreich gehört hatte, an das neu gegründete Königreich Bayern abgetreten. Kurze Zeit später, im Jahr 1810, wurde das Gebiet des ehemaligen Tirols dreigeteilt: Ein nördlicher Teil verblieb bei Bayern, ein südlicher Teil kam zu Italien und ein östlicher Teil kam zu den Illyrischen Provinzen. Die Grenzlinie zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil verlief auf der Höhe nördlich von Gargazon und südlich von Kollmann. Der südliche Teil hieß auf Französisch „Département Haut-Adige“, auf Italienisch „Dipartimento dell’Alto Adige“ und auf Deutsch „Oberetsch-Department“ und umfasste große Teile Welschtirols und den Süden Deutschsüdtirols. Verwaltungseinheiten nach Flüssen zu benennen, entsprach dabei der napoleonischen Gepflogenheit. Der nördliche Abschnitt des geteilten Gebiets hieß dagegen „Südbayern“. Tirol existierte nicht mehr, allerdings nur vorübergehend.
Ettore Tolomei und das Argument der „natürlichen Grenze“
Mit dem Wiener Kongress im Jahr 1814 wurde Tirol als Ganzes wiederhergestellt und kehrte zurück zu Österreich. Doch bereits ab den 1840er Jahren kamen die italienischen Irredentisten ins Spiel. Immer lautstarker forderten sie eine neue Grenzziehung zwischen Italien und Österreich, und zwar entlang des Alpenhauptkammes. Bei diesem handelte es sich gemäß der irredentistischen Naturgrenztheorie um eine natürliche Grenze, die daher ebenso zu einer Völkergrenze, zu einer Staatsgrenze erhoben werden sollte. Mit diesem Ziel gründete im Jahr 1890 der italienische Nationalist und spätere Faschist Ettore Tolomei die irredentistische Zeitschrift „La nazione italiana“. De facto handelte es sich dabei um eine Propagandazeitschrift, in der Tolomei die Forderung der Irredentisten nach der Brennergrenze offensiver als alle seine Vorgänger anging. Was sich für Tolomeis Gebietsansprüche besonders eignete, waren italienisch klingende geografische Namen, von denen nichts an Tirol erinnern durfte. So prägte Tolomei im Jahr 1890 für den im Einzugsgebiet der Etsch befindlichen deutschen und ladinischen Teil Tirols den Begriff „Alto Trentino“. Diesen propagierte er einige Jahre, doch 1906 ersetzte er ihn durch „Alto Adige“, als er in Florenz das „Istituto di studi per l’Alto Adige“ und die gleichnamige propagandistische Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“ gründete. Bemerkung am Rande: Sowohl das Institut als auch die Zeitschrift existieren bis heute und betätigen sich als Sprachrohr der geistigen Erben Tolomeis – darunter finden sich zahlreiche Mitglieder der „Accademia della Crusca“ – die die faschistische Toponomastik Südtirols, angefangen bei „Alto Adige“, bis heute mit pseudowissenschaftlichen Argumenten verharmlosen und verteidigen. Doch kehren wir zurück ins Jahr 1906: Mit dem Begriff „Alto Adige“ machte sich Tolomei den ursprünglich napoleonischen Begriff zu Eigen, der über 90 Jahre davor nur vier Jahre lang existiert und ein ganz anderes Gebiet bezeichnet hatte. Für Tolomei war „Alto Adige“ nicht nur ein Name, sondern auch Programm.
Der Faschismus führt den Namen “Alto Adige” ein und verbietet den Namen “Tirol”
Die Annexion Tirols südlich des Brenners und westlich von Arnbach durch Italien nach dem Ersten Weltkrieg sowie das Aufkommen des Faschismus markierte eine Sternstunde für Tolomeis „Alto Adige“. Der Begriff passte bestens ins Konzept der faschistischen Politik der Entnationalisierung der Südtiroler, zumal er nach Süden weist und jeden Bezug zu Tirol leugnet.
Am 12. März 1923 beschloss der Großrat des Faschismus „Maßnahmen für das Hochetsch zum Zwecke einer geordneten, schnellen und wirksamen Assimilierung und Italianisierung“. In Durchführung dieser Maßnahmen wurden mit einem Dekret aus dem Jahr 1923 die Namen „Süd-Tirol“, „Deutschsüdtirol“, „Tirol“ und Ableitungen verboten. Für einzig zulässig erklärt wurden im Italienischen die Bezeichnungen „Alto Adige“ und die Ableitung „Atesino“ sowie im Deutschen die Rückübersetzungen „Oberetsch“ und die Ableitung „Etschländer“.
Die Festschreibung des faschistischen Diktats nach 1945 in der Bezeichnung für die aufgezwungene gemeinsame Region mit dem Trentino
Mit dem ersten Autonomiestatut von 1948 entstand die Region „Trentino-Alto Adige“, zu Deutsch „Trentino-Tiroler Etschland“. Diese wurde mit dem zweiten Autonomiestatut von 1972 auf Deutsch in „Trentino-Südtirol“ umbenannt, auf Italienisch hieß sie weiterhin „Trentino-Alto Adige“. Seit der italienischen Verfassungsreform von 2001 heißt die Region im Italienischen „Trentino-Alto Adige/Südtirol“. Der genaue Wortlaut: „La Regione Trentino-Alto Adige/Südtirol è costituita dalle Province autonome di Trento e di Bolzano.“ „Alto Adige/Südtirol“ gilt also nur im Zusammenhang mit der Region, nicht mit der Provinz!
Nun könnte man argumentieren, dass sich die Kurzbezeichnungen der Provinzen automatisch aus der Teilbezeichnung „Alto Adige/Südtirol“ der Region ergeben und dass „Alto Adige“ und „Südtirol“ sich gegenseitig entsprechen. Dass dies nicht zwangsläufig so ist, zeigt die offizielle Bezeichnung „Trentino-Tiroler Etschland“, die zwischen 1948 und 1972 für die Region galt. Der deutsche Begriff „Südtirol“ fand, trotz dessen Unzulässigkeit auf institutioneller Ebene selbst mit dem Inkrafttreten des 1. Autonomiestatuts, als Bezeichnung für die Provinz immer wieder Verwendung von offizieller politischer Seite.
1958: Bemühungen der Südtiroler Volkspartei um völlige Abschaffung der Bezeichnung „Alto Adige“
Den besten Beweis dafür liefert der „Südtiroler Entwurf eines Autonomiestatuts für die Region Südtirol-Tirolo del Sud“, der von den drei Südtiroler SVP-Parlamentariern Toni Ebner, Otto von Guggenberg und Karl Tinzl am 4. Februar 1958 im italienischen Parlament eingebracht wurde.
Von dem aus insgesamt 13 Kapiteln bestehenden Gesetzentwurf hervorzuheben ist der diesbezügliche Bericht. Punkt a) lautet nämlich: „Die Provinz Bozen wird zur autonomen Region mit Sonderstatut erhoben – das heißt natürlich jenes Gebiet, das heute die Provinz Bozen umfasst –, und zwar mit dem historischen und der Sprache der Mehrheit der Bevölkerung dieses Gebietes entsprechenden Namen unter Abschaffung der Bezeichnung ‚Alto Adige‘ napoleonischer Erfindung, womit endlich die Erinnerung an das faschistische Verbot, den Namen ‚Südtirol‘ zu gebrauchen, ausgemerzt wird.“
Aus dem Gesetzentwurf und insbesondere aus dem Bericht geht klar hervor, dass sich die Südtiroler Volkspartei für die Abschaffung des Begriffs „Alto Adige“ und die offizielle Einführung von „Südtirol“ – „Tirolo del Sud“ aussprach. Es sei an dieser Stelle erneut daran erinnert, dass der deutsche Name „Südtirol“ im Jahr 1958 in der Tat noch verboten war – von „Tirolo del Sud“ oder „Sudtirolo“ ganz zu schweigen. Erst zugelassen war „Südtirol“ mit dem Inkrafttreten des 2. Autonomiestatuts im Jahr 1972, und zwar als Teilbezeichnung für die Region, die bis dahin auf Deutsch „Trentino-Tiroler Etschland“ hieß – zu sehr hätte das Element „Süd“ an die Teilung Tirols erinnert.
Damaliges Eintreten der SVP und des österreichischen Außenminister Dr. Bruno Kreisky für die Bezeichnung „Südtirol“ – Italiener propagierten „Alto Adige“
Dennoch: Trotz des Verbots von „Südtirol“ ließen sich ranghohe Vertreter der Südtiroler Volkspartei nicht davon abbringen, den deutschen Namen „Südtirol“ bereits vor 1972 zu gebrauchen und für dessen amtliche Einführung zu kämpfen, ebenso für die Abschaffung von „Alto Adige“. All dies erinnert sehr stark an die nun wieder aufgeflammte „Alto Adige-Sudtirolo“-Diskussion. Was dabei jedoch verwundert: Früher waren es die Väter der Südtirol-Autonomie, die sich gegen die faschistische Toponomastik stark machte. Heute ist es die Süd-Tiroler Freiheit. Die SVP will die Süd-Tiroler Freiheit heute deswegen als Provokateure diskreditieren, also als etwas, was sie früher offensichtlich selbst einmal war.
Der heutigen Logik der Südtiroler Volkspartei zufolge müsste es dann auch eine Provokation gewesen sein, wenn der einstige österreichische Außenminister Bruno Kreisky – trotz des offiziellen Verbots des Namens „Südtirol“ – im Jahr 1960, als das Südtirolproblem vor die UNO kam, durchwegs von „Südtirol“, im Englischen von „South Tirol“, und nicht von „Tiroler Etschland“, sprach.
Auch der Titel des Südtirolpakets, das im Jahr 1969 zwischen dem italienischen Außenminister Aldo Moro und dem österreichischen Außenminister Kurt Waldheim geschnürt wurde, führt in der deutschen Version den Begriff „Südtirol“. Der Titel lautet nämlich „Maßnahmen zugunsten der Bevölkerung Südtirols“. Als unglücklich zu bewerten ist dagegen die italienische Version des Titels, der da lautete: „Misure a favore delle popolazioni altoatesine“ – unglücklich deswegen, weil mit „Bevölkerung Südtirols“ und mit „popolazioni altoatesine“ nicht dieselben Inhalte transferiert werden, denn der Begriff für „Bevölkerung“ erscheint im Deutschen im Singular und im Italienischen im Plural, und mit „altoatesine“ wird der Minderheitenschutz offensichtlich konterkariert. Dass es zwar der Name „Südtirol“ in den Titel des Südtirolpakets schaffte, ist zweifellos als große Errungenschaft zu werten – dass jedoch aus der italienischen Sprachperspektive „Tirolo del Sud“ oder „Sudtirolo“ nach wie vor nicht gewünscht war, zeigt, dass Italien immer noch nicht bereit war, vom Standpunkt der Entnationalisierung Südtirols und der Südtiroler gänzlich abzurücken. Nur so und nicht anders lässt sich erklären, warum auch die Delegierten der italienischen Regierung vor der UNO durchwegs den Begriff „Alto Adige“ verwendeten bzw. regelrecht propagierten.
Autonomiestatut von 1972: Nur „Südtirol“ und „Provincia di Bolzano“ in Zusammenhang mit der Provinz
Das Ergebnis des Südtirolpakets ist bekannt: Das 2. Autonomiestatut für Südtirol, das 1972 in Kraft trat. Es ist zweifellos das Verdienst der Südtiroler Volkspartei, denn diese vermochte es immerhin zu erreichen, dass der Begriff „Alto Adige“ und die Ableitung „altoatesino“ im Zusammenhang mit der Provinz an keiner Stelle Erwähnung finden. Sehr wohl dagegen indes ist von „Südtirol“ und der Ableitung „Südtiroler“ die Rede. So heißt es in der deutschen Version „Landeshauptmann von Südtirol“, „Landesausschuss von Südtirol“ und „Südtiroler Landtag“, in der italienischen dagegen „Presidente della Provincia di Bolzano“, „Giunta provinciale di Bolzano“ und „Consiglio provinciale di Bolzano“. Die italienische Bezeichnung „Sudtirolo“ und die Ableitung „sudtirolese“ ist hingegen in keiner italienischen Rechtsquelle festgeschrieben. Genau dies gilt es, endlich in Angriff zu nehmen!
Schlussfolgerung
Fakt war und ist: „Alto Adige“ ist im Grunde nur eine Etikette und kein angemessener Begriff für Südtirol. Bis heute erfüllt „Alto Adige“ den Zweck, aus italienischer Sicht einen Tiroler Landesteil auf italienischem Staatsgebiet in Abrede zu stellen. Das inhaltlich korrekte Äquivalent zu „Südtirol“ kann im Italienischen daher nur „Tirolo Meridionale“, „Tirolo del Sud“ oder „Sudtirolo“ sein.
Werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte. Was hat es mit „Tirolo Meridionale“, „Tirolo del Sud“ und „Sudtirolo“ aus historischer Sicht auf sich? Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass der Begriff „Südtirol“ oder „Süd-Tirol“ vor der Teilung Tirols kaum eine politisch-administrative Komponente hatte, sondern allgemein das südliche Tirol beschrieb. Die Merkmale für das südliche Tirol waren dabei entweder die Italianität (demnach deckungsgleich mit „Welschtirol“ / „Tirolo Italiano“), klimatische oder geografische Besonderheiten (meist das Gebiet von Franzensfeste abwärts) oder, seltener, die Südseite des Alpenhauptkammes, wobei in diesem Fall meist auch der im Einzugsgebiet der Drau befindliche Teil Tirols (politischer Bezirk Lienz) dazu gehörte. Entsprechend lautete das italienische Äquivalent für „Südtirol“ ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts überwiegend „Tirolo Meridionale“, beispielsweise 1722 in einer Reisebeschreibung „Viaggi per Europa“.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts begegnen die chronologisch jüngeren Bildungen mit „Sud“. Beispielsweise 1843 „Tirolo del sud“ in der „Gazzetta di Firenze“,
1874 „Sud-Tirolo“ im „Annuario della Società Alpina del Trentino“,
1894 „Sud Tirolo“ in „La Civiltà Cattolica“,
1898 „Sudtirolo“ in der „Gazzetta Ufficiale del Regno d’Italia“, also in einem Dokument, das offizieller nicht sein könnte.
Die zusammengeschriebene Variante „Sudtirolo“ hat sich im italienischen Sprachgebrauch indes als inhaltlich korrektes Äquivalent zu „Südtirol“ durchgesetzt – entsprechend gilt auch die Ableitung „sudtirolese“. Im maßgeblichen zweisprachig deutsch-italienischen / italienisch-deutschen Wörterbuch von Sansoni ist „Sud-Tirolo“ bzw. „Sudtirolo“ seit den 1970er Jahren verzeichnet.
Eine fundierte Forderung
Die Forderung, die Namen „Südtirol“ und „Sudtirolo“ als Kurzbezeichnung für die Provinz Bozen offiziell einzuführen, ist somit nicht neu und lässt sich auf eine solide historische Basis stellen, ebenso die Forderung nach der Meidung und somit Nicht-Einführung des irredentistischen und manipulativen Begriffes „Alto Adige“.
Warnung
Vor einer gesetzlich festgelegten Gleichsetzung von „Südtirol“ und „Alto Adige“ muss eindringlich gewarnt werden, denn die bis heute der Entnationalisierung und Manipulation der Südtiroler dienende Etikette „Alto Adige“ würde dadurch von offizieller Südtiroler Seite ideologisch relativiert – eine Maßnahme, bei der die Väter der Südtirol-Autonomie sofort alarmiert gewesen wären. Zudem – und dies ist nicht minder bedenklich – würde die offizielle Einführung von „Alto Adige“ und der Ableitung „altoatesini“ auf Landesebene nicht nur de iure, sondern auch de facto einem Verbot von „Sudtirolo“ und „sudtirolesi“ gleichkommen. Dies ist insofern besonders gefährlich, als von den Gesetzestexten immer nur die italienische Version maßgeblich ist, und dann aus italienischer Sicht die „sudtirolesi“ definitiv verschwunden wären. Italien könnte langfristig argumentieren, dass das, was es im Italienischen nicht gibt, auch keines Schutzes bedarf! Hinzukommt letztlich die historische Dimension: Wenn in Gesetzestexten von „Südtirol“ und den „Südtirolern“ beispielsweise aus der Zeit der Habsburger Monarchie, des Faschismus oder im Zusammenhang mit dem Ringen um die Autonomie die Rede ist, wären die Übersetzungen „Alto Adige“ und „altoatesini“ schier gänzlich unpässlich, da nicht nur gegenwarts-, sondern auch geschichtsverzerrend und somit insgesamt sinnentstellend!
Nachstehend zur Veranschaulichung drei Beispiele:
- Die Südtiroler Orts- und Familiennamen, die aus wissenschaftlicher Sicht die tolomeisch-faschistischen, also „altoatesinischen“ Orts- und Familiennamen keineswegs inkludieren, können im Italienischen nur die „toponimi sudtirolesi“ oder „cognomi sudtirolesi“ sein.
- Die „Südtiroler Optanten“ oder die „Südtiroler Dableiber“, welche es zu entnationalisieren galt, können ins Italienische in beiden Fällen nur mit „sudtirolesi“ übersetzt werden, denn besonders in diesem Zusammenhang ist der Begriff „Alto Adige“, „altoatesini“ eindeutig faschistisch und nationalsozialistisch konnotiert; Letzteres deswegen, weil es auch für das nationalsozialistische Regime – im Sinne der Staatsräson mit dem faschistischen Schwesterregime – nur ein „Alto Adige“ und kein „Südtirol“ gab.
- Mit den Südtiroler Studenten, die in Österreich mit den österreichischen Studenten gleichgestellt sind, können im Italienischen unmöglich di „studenti altoatesini“ gemeint sein, da mit diesem Begriff der Bezug zu Österreich nicht gegeben ist.
Weitere Beispiele für Fehlübersetzungen ließen sich beliebig beibringen. Allesamt legen sie dar, dass „Südtirol“, „sudtirolese“ und „Alto Adige“, „altoatesino“ geschichts- und ideologiebedingt inhaltlich keine Äquivalente sein können. Dies zeigt zuletzt auch der Name der Südtiroler Volkspartei. Oder will sich die Südtiroler Volkspartei in letzter Konsequenz im Italienischen künftig tatsächlich als die Vertretung der „altoatesini“ präsentieren?
Forderung nach einer einenden Landesbezeichnung
Was Südtirol braucht, ist eine Landesbezeichnung, die nicht für unterschiedliche Konzepte steht, nicht spaltet, sondern eint. Es gibt nur ein Südtirol, ein Sudtirolo, ein South Tyrol, und es gilt, dieses Konzept als inklusiv und nicht ausgrenzend aufzufassen und zu vermitteln. Wenn Südtirol für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen als Landesteil Tirols repräsentieren will, muss es seinen authentischen Landesnamen verteidigen und Bemühungen unternehmen, dass er respektiert wird und dass sich tatsächlich auch alle Bevölkerungsgruppen mit diesem Namen identifizieren können – auch jene, die bis heute im „Alto Adige“ verharren.
Anmerkung der Redaktion des SID: Das Verhalten des Landeshauptmannes Kompatscher und der SVP-Fraktion im Landtag waren in dieser Frage ein leider bedeutender Schritt in die falsche Richtung!