Der am 22. Februar 1932 geborene Sepp Mitterhofer vom Unterhasler-Hof in Meran Obermais hat uns am 21. November 2021 nach kurzer schwerer Krankheit drei Monate vor seinem 90. Geburtstag für immer verlassen.
Teilnahme am Freiheitskampf – Folter und Haft
Er hatte als junger Bursche nach dem Zweiten Weltkrieg die Fortführung der faschistischen Unterdrückungspolitik in Italien durch das angeblich nun demokratische Italien erleben müssen.
Er war dem von Sepp Kerschbaumer gegründeten „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) beigetreten und hatte sich an den nicht gegen Menschen gerichteten demonstrativen Anschlägen beteiligt, welche die Weltöffentlichkeit auf das Unrecht aufmerksam machten. Seinen Idealismus bezahlte Sepp Mitterhofer nach der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961 mit Verhaftung und Folter. In einem aus dem Gefängnis an den Landeshauptmann Dr. Magnago gerichteten Brief hat er das Unfassbare geschildert, das er erleben musste. Daraus einige Auszüge:
„Im Ganzen musste ich zwei Tage und drei Nächte strammstehen ohne etwas zu Essen, Trinken und zu Schlafen. … Mit Fußtritten wurde ich an den Füßen und am Hintern bearbeitet und auf den Zehen herumgetreten…. Am meisten geschlagen wurde mir ins Gesicht, dass ich so verschwollen wurde, dass ich später nicht mehr den Mund aufbrachte zum Essen. Die Arme wurden mir am Rücken hochgerissen, dass ich laut aufschrie vor Schmerz. Einmal musste ich mich halbnackt ausziehen, dann wurde ich so lange mit Fausthieben bearbeitet bis ich bewusstlos zusammenbrach…. Öfters musste ich stundenlang vor brennende Scheinwerfer stehen und hineinschauen bis mir der Schweiß herunter rann und die Augen furchtbar schmerzten. Man zog mich an den Ohren und riss mir Haare büschelweiße vom Kopf. … Der Rücken musste glatt an der Mauer angehen, kaum, dass ich mich rührte oder mit den Zehenspitzen etwas herausrutschte, so schlug mich ein Carabiniere der vor mir stand, mit dem Gewehrkolben auf die Zehen oder auf den Körper.“
Im Mailänder Prozess wurde Sepp Mitterhofer zu 12 Jahren verurteilt, von denen er 8 Jahre im Kerker verbüßen musste. Weder Folter noch Haft konnten ihn brechen.
Weiterführung des Kampfes mit politischen Mitteln
Als er entlassen wurde, führte er den Kampf für die Freiheit und Einheit Tirols mit politischen Mitteln weiter. Er übernahm die Obmannschaft in dem von seinem Kameraden Hans Stieler geführten „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), an dessen Gründung er zusammen mit anderen ehemaligen politischen Häftlingen beteiligt gewesen war. Das satzungsmäßige Ziel des SHB ist
„die Durchsetzung des seit 1919 verwehrten Selbstbestimmungsrechtes, das die Entscheidung über die Wiedervereinigung des geteilten Tirol bis zur Salurner Klause zum Gegenstand hat.“
Erfolgreicher Einsatz für die ehemaligen politischen Häftlinge
In den kommenden Jahrzehnten setzte er sich erfolgreich für die ehemaligen politischen Häftlinge ein. Mit Hilfe des Rechtsanwaltes und Abgeordneten Dr. Karl Zeller und anderer Personen des öffentlichen Lebens konnte dank seines Einsatzes 1995 die Löschung der Hypotheken des Staates Italien auf die Besitztümer ehemaliger politischer Häftlinge und die Wiedererlangung der bürgerlichen Rechte erreicht werden.
Zu deren politischer Rehabilitierung trug auch eine von Sepp Mitterhofer zusammen mit Günther Obwegs 2000 veröffentlichte Dokumentation mit Zeitzeugenberichten und Dokumenten aus dem Südtiroler Freiheitskampf bei.
Mitgestaltung des Landesfestzuges von 2009 in Innsbruck
Auf politischem Gebiet blieb Sepp Mitterhofer ebenfalls unermüdlich tätig. Es war maßgeblich auch seiner Mitwirkung zu verdanken, dass 2009 der zum Gedenken an den Freiheitskampf von 1809 in Innsbruck veranstaltete Landesfestzug gegen den anfänglichen Widerstand der Nordtiroler Landesregierung nicht zu einer belanglosen Trachtenmodenschau verkam, sondern zu einem mächtigen Bekenntnis zur Tiroler Landeseinheit unter der Devise „Los von Rom!“ wurde.
Unermüdlicher Einsatz für die Landeseinheit
Unter der SHB-Obmannschaft Sepp Mitterhofers sind zahlreiche Publikationen, darunter auch sensationelle Meinungsumfragen in Nord- und Südtirol erschienen und es wurden wichtige politische Initiativen ergriffen. Unter anderem sprach Sepp Mitterhofer im Österreich-Konvent des Österreichischen Parlamentes über das Selbstbestimmungsrecht und das Streben nach der Tiroler Landeseinheit. Der FPÖ-Südtirol-Sprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer überreichte ihm bei dieser Gelegenheit in Anwesenheit des SVP-Abgeordneten Dr. Franz Pahl eine Ehrenurkunde als Dank für seinen unermüdlichen Einsatz.
Auf vielen Veranstaltungen und Diskussionen, auch im Fernsehen, erinnert unser Sepp die Öffentlichkeit immer wieder daran, dass der Verbleib bei Italien kein unabänderliches Schicksal ist, sondern dass wir alle aufgerufen sind, in unserer Geschichte ein neues Kapitel aufzuschlagen und Rom Ade zu sagen.
Im Jahre 2011 übergab Sepp Mitterhofer die Obmannschaft im „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) an Roland Lang und wirkte weiterhin hilfreich mit, auch bei der Gestaltung der Dokumentarausstellung in Bozen über den Freiheitskampf.
Am 25. November 2021 fand unter zahlreicher Beteiligung der Bevölkerung und vor allem seiner Schützenkameraden die Verabschiedung auf dem Friedhof von Untermais statt.
Frau Dr. Eva Klotz, die ehemalige Landtagsabgeordnete und Tochter des verstorbenen Freiheitskämpfers Georg Klotz, sprach auch im Namen des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) berührende Worte:
„Liebe Trauerfamilie, werte Trauergemeinschaft!
‚Die Schwachen kämpfen nicht. Die Starken kämpfen vielleicht eine Stunde lang. Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese sind unentbehrlich!‘ Diese Aussage stammt nicht von einem Kriegstreiber, sondern vom bekannten deutschen Schriftsteller Bertold Brecht.
Sepp hatte seinen verstorbenen Kameraden bei einer Rede im Friedhof von St. Pauls versprochen, sich für das gemeinsame Ziel „Los von Rom“ einzusetzen, solange er lebe und die Kraft dazu habe.
Das hat Sepp getan, unermüdlich und unerschütterlich. Sein ganzes Leben war geprägt von dieser Verbindlichkeit. Treue und Gewissen waren für ihn nicht delegierbar!
Sein ganzes politisches Wollen und Handeln war durchdrungen von der Liebe zur Heimat. Folgendem Leitspruch ist er in vorbildlicher Weise bis zur letzten Konsequenz treu geblieben: ‚Wer seine Heimat liebt, beweist es einzig durch die Opfer, die er für diese zu bringen bereit ist!‘ Der Opfer hat Sepp große und unzählige gebracht!
Die Ehrerweisung und Würdigung seiner Lebensleistung durch das offizielle Tirol ist ihm versagt geblieben. Das schmälert aber nicht den Wert und die Bedeutung seiner Lebensleistung, sondern offenbart viel Kleinmut und so manche Erbärmlichkeit diesseits und jenseits der Unrechtsgrenze!
Sepp war und bleibt darüber erhaben!
Die heutige Ehrerweisung hier möge den Angehörigen Trost und Kraftquell sein. Die Verneigung Tausender aus dem Volk wird sicher nicht das Letzte gewesen sein für diesen großen Sohn des Landes Tirol!
Pfiati, Sepp!“
Der aus Südtirol stammende Hermann Unterkircher, Obmann der „Andreas Hofer-Bundes“ in Deutschland und Vizeobmann des „Andreas Hofer-Bundes Tirol“, nahm „in tiefer Trauer Abschied von einem großen Freund, Patrioten und großen Tiroler.“
Er habe Mitterhofer bei den Tagungen der Gruppe für die Selbstbestimmung, welche dieser im Waltherhaus in Bozen leitete, als stetigen Warner vor der fortschreitenden Italienisierung seiner Heimat Südtirol und als bescheidenen, immer freundlichen und aufopferungsvollen Kämpfer für seine Heimat erfahren.
„Möge er ruhen in Frieden im Himmel über Tirol und es sei ihm auch im Tode versichert, dass wir für seine Ziele in seinem Sinne weiterarbeiten werden.“
Für die Schützen sprach der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes Renato Desdorides:
„Lieber Sepp!
Du warst ein mutiges Vorbild für viele Mitbürger, Freunde und Schützenkameraden
Du warst ein geradliniger Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes. Du warst ein unbeugsamer Kämpfer für die Freiheit unseres Landes. Wir tragen mit dir – lieber Sepp – heute ein Stück Tirol zu Grabe, ein Stück Tirol – für das du und viele Mitstreiter unerschrocken gekämpft haben, ein Stück von dem Tirol zu Grabe – von dem wir alle geträumt und dafür gekämpft haben.“
Er schloss mit den Worten: „Deine gesetzten Ziele konnten nicht alle erreicht werden, aber sei versichert, lieber Sepp, wir werden dein Wirken für die Heimat immer in Ehren halten und deinen lebenslangen Einsatz für die Selbstbestimmung stets würdigen und wachhalten.
Und als Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes kann ich dir versichern: Noch ist nicht alles verloren – wir geben nicht auf – dein Einsatz für Tirol wird unvergessen bleiben.“
Die Enkelin Maria Bradlwarter verlas einen sehr ans Herz gehenden Lebenslauf ihres Großvaters.
Darin hieß es zum Schluss:
„Ohne Zweifel kann man sagen, dass Opa sein Leben der Wiedervereinigung Tirols verschrieben hat und dies immer ehrenamtlich und uneigennützig! Dafür gebührt ihm Respekt und Anerkennung. Er ist immer seiner Linie treu geblieben und hat seinen Standpunkt auch in schwierigen Situationen unbeirrt vertreten.“
Aus Österreich war auch der frühere Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer in Vertretung des erkrankten jetzigen FPÖ-Südtirolsprechers Peter Wurm aus Österreich gekommen, um Sepp Mitterhofer die letzte Ehre zu erweisen.
Auch der Südtirol-Sprecher der ÖVP, Hermann Gahr, war bei der Beerdigung zugegen.
Der Abschied von dem unermüdlichen Kämpfer und treuen Freund Sepp Mitterhofer war ergreifend. Wir gedenken des Verstorbenen in Trauer.
Über ihn und sein Lebenswerk ist eine ausführlichere Publikation in Vorbereitung, die wir der Öffentlichkeit vorstellen werden.
Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)