Vor Kurzem stellte der ehemalige Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer BA MA auf einer Pressekonferenz in Bozen und auf einer Veranstaltung in Gries-Bozen sein neues Buch vor. Es ist ein Geschichtswerk, an welchem der Verfasser, der Südtirol zu seiner zweiten Heimat neben Oberösterreich erkoren hat, mehr als zwei Jahre lang gearbeitet hat. Neubauer, welcher selbst Mitglied der Schützenkompanie Gries ist, hat aus Archiven bislang unbekannte Dokumente zu Tage gefördert und prächtige Bilder zur Geschichte der Tiroler Landesverteidigung insgesamt beigestellt.
Auf der Pressekonferenz in Bozen erklärte Werner Neubauer ausführlich sein neues Werk.
Diese neue Geschichtswerk schildert anhand der Geschichte der Grieser Kompanie die Entstehung und das Werden der Tiroler Wehrhaftigkeit und Landesverteidigung insgesamt. Es ragt in seiner Bedeutung damit weit über den lokalen Rahmen von Gries hinaus und ist eine Fundgrube des Wissens für Jeden, der sich mit der Tiroler Geschichte befasst.
600 Jahre Grieser Wehrhaftigkeit als Teil der Tiroler Landesverteidigung
Autor: Werner Neubauer
Format: 26 x 23,5 cm
Seiten: 530
Effekt-Verlag Neumarkt/Südtirol
30.00 €
Hier gelangt man auf die Bestellseite des Effekt-Verlages:
https://www.effekt.it/produkt/600-jahre-grieser-wehrhaftigkeit-als-teil-der-tiroler-landesverteidigung/
Buchbesprechung von Dr. Franz Pahl
Dr. Franz Arthur Pahl, von Beruf Lehrer, war von 1976 bis 1979 Landesjugendsekretär der Südtiroler Volkspartei (SVP). Von 1983 bis 2008 war er Abgeordneter im Südtiroler Landtag und im Regionalrat Trentino-Südtirol. Er hatte einige Jahre lang die Ämter des Vizepräsidenten der Regionalregierung und des Präsidenten des Regionalrats inne.
Journalistisch war Dr. Franz Pahl als Herausgeber der Wochenzeitung „Der Tiroler“ und des „Südtiroljournals“ sowie als Redakteur bei „Radio Südtirol“ tätig. Er hat auch eine Reihe von politischen Beiträgen in der Tageszeitung „Dolomiten“ veröffentlicht. Er folgt stets einer klaren volkstumspolitischen Linie, die er klar und deutlich vertritt. Er hat über Neubauers neuestes Werk nachstehende Buchbesprechung verfasst.
600 Jahre Grieser Wehrhaftigkeit als Teil der Tiroler Landesverteidigung
Ein Beitrag von Dr. Franz Pahl
Der Kunstwissenschaftler und Autor Werner Neubauer BA MA, Nationalratsabgeordneter a. D., ist der langjährige Südtirolsprecher der FPÖ und ein besonders treuer Freund und Kenner Südtirols.
Mit seinem Werk „600 Jahre Grieser Wehrhaftigkeit als Teil der Tiroler Landesverteidigung“ hat er eine Tirolensie von besonderer Bedeutung geschaffen.
Tirol im Blickpunkt
Im Mittelpunkt steht die Grieser Schützenkompanie mit ihrer großen Tradition. Im Tiroler Gedenkjahr 1984 gab sie sich den Namen Josef Eisenstecken, genannt der „Badlwirt“, der einer der bedeutenden Offiziere Andreas Hofers war. Der Verfasser bettet die Geschichte der Grieser Schützen in die gesamte Tiroler Geschichte und in die Geschichte Südtirols seit 1919 ein, als die Südtirolfrage als politische Frage entstand, die bis heute keine wirkliche Lösung gefunden hat.
Grieser Schützen nahmen an allen Verteidigungskriegen teil
Viele Einzelaussagen verdeutlichen das Selbstverständnis der Grieser Schützen, die stellvertretend für viele andere Schützenkompanien stehen, die in der Freiheits- und Verteidigungsgeschichte Tirols eine bedeutende Rolle spielten.
Der Verfasser geht chronologisch vor. Herausragende historische Ereignisse, bei denen sich die Tiroler Schützen bewährten, sind die großen Bedrohungen der Tiroler Freiheit 1703 durch die Bayern, in den Franzosenkriegen von 1796-97, von 1809, 1848, 1866 und schließlich 1915, als Italien gegen Österreich in den Krieg eintrat.
Das Landlibell von Kaiser Maximilian von 1511
Die Geschichte der Grieser Schützen beginnt schon vor dem Landlibell von 1511 von Kaiser Maximilian. Dieses Gesetz über die Tiroler Wehrordnung regelte umfassend die Rolle des Landesaufgebotes, das auf Freiwilligkeit beruhte.
Die Entstehung des Grieser Schützenwesen reicht aber bereits in das Jahr 1420 zurück. Sie stellten sich auf die Seite des Landesherrn, des Herzogs Friedrich IV, der den widerspenstigen Adel bekämpfte und darum auch die Burg Greifenstein oberhalb von Siebeneich belagerte. Die Entstehungsgeschichte ist wenig belegt. Besonders unter dem Faschismus gingen Dokumente verloren. Die Tiroler Gerichte, heute würde man sagen Bezirke, führten die Schützenregister.
In der Schlacht von Calliano und im bairisch-pfälzischen Erbfolgekrieg 1504 waren Grieser Schützen Teil der Tiroler Streitmacht bei der Belagerung von Kufstein, das damals noch zu Bayern gehörte. Dieser Krieg schrieb österreichische Geschichte. Das Habsburgerreich vergrößerte sich um Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel. In der Schlacht von Calliano am 10. August 1487 während des Krieges Kaiser Maximilians gegen die Dogenrepublik Venedig zeichneten sich die Grieser Schützen besonders aus. Der Krieg brachte Tirol eine Gebietserweiterung mit Ala, Avio und Brentonico.
Bereits 1636 wurde das Landesdefensionwerk, die Ordnung der Landesverteidigung, der Zeit angepasst. Die demokratischen Gepflogenheiten blieben aber bestehen. In den Jahren der ersten Abwehr der Franzosen diente Josef Eisenstecken als Soldat und kehrte 1802 in die Heimat zurück. Ab 1802 trafen sich beim „Badlwirt“ die Tiroler Patrioten zu politischen Gesprächen. Sie nahmen langsam konspirative Gestalt an, denn Österreich trat im Pressburger Frieden von 1805 Tirol an Bayern ab.
Josef Eisenstecken – Ein Held in den Freiheitskriegen
Major Josef Eisenstecken wurde im Kreis um Andreas Hofer zu einem bedeutenden Befehlshaber der Tiroler Streitmacht gegen die bayrisch-französischen Bataillone. Der kaiserliche Intendant Hormayr erkannte in Eisenstecken einen begabten Offizier und ernannte ihn zu seinem Adjutanten. In der Berg-Isel-Schlacht vom 25. bis zum 29. Mai 1809 führte Eisenstecken ein starkes Tiroler Kontingent von 5.000 Mann in den Kampf. Seiner Führung war ein guter Teil des Sieges zu verdanken.
Im Oktober 1809 wurde Eisenstecken zum Kommandanten für das südliche Tirol ernannt. Damit unterstanden ihm auch die Grieser Schützen. Bei Lavis gerieten sie in einen Hinterhalt. 40 Grieser Schützen verloren bei diesem heldenhaften Kampf ihr Leben. Dem Verfasser ist es gelungen, die Namen zu einem größeren Teil aufzulisten.
1810 floh Eisenstecken nach Wien. Willkürliche Verhaftungen und zahlreiche Erschießungen von gefangenen Tiroler Offizieren und auch einfachen Kämpfern ließ es mehr als geraten erscheinen, sich der Gefahr durch die Flucht nach Österreich zu entziehen. Eisenstecken blieb aber mit Hormayr in Verbindung und stieß damit auch zum Kreis von Erzherzog Johann, dem Freund der Tiroler von Anfang an, der versuchte, eine österreichische Kriegserklärung gegen Napoleon herbeizuführen.
Nach der Niederlage Napoleons in Russland und noch vor der weiteren Niederlage Napoleons in der Drei-Kaiser-Schlacht von Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 begann die Befreiung Tirols. Eisenstecken nahm daran als „Obrist Wachtmeister“ (alte Form von Major) teil und organisierte die Verteidiger von Welschtirol bis Lienz. Von dort aus drang er bis Toblach und Welsberg vor. Am 4. Oktober zog er in Bruneck ein. Am 10. Oktober kam er nach Bozen. Am 31. Oktober 1813 war Tirol von den Franzosen befreit. Napoleon war es nach der verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig nicht mehr möglich, frische Truppen nach Tirol zu entsenden.
Grieser Schützen hielten die Wacht an der Südfront
1848, als sich Österreich im Krieg gegen das Königreich Piemont befand, standen die Grieser Schützen erneut im Einsatz zur Verteidigung der Südgrenze. Als jedoch Feldmarschall Radetzky in der Schlacht von Custozza am 25. Juli 1848 siegte, bestand für Tirol keine Gefahr mehr.
Als der 1. Weltkrieg begann, blieb Italien zunächst neutral. Den Seitenwechsel zu den Entente-Mächten in Geheimverhandlungen in London ahnte man schon Wochen vor der formellen italienischen Kriegserklärung im Mai 1915. Die Grieser Schützen trafen schon am 21. Mai 1915 in der deutschen Sprachinsel Vielgereut ein. Bis zum Durchbruch 1917 kämpften sie an der Südfront.
Die Grieser Schützen im Faschismus
Die Zeitgeschichte mit dem Beginn des Faschismus in Italien und den Auswirkungen auf Südtirol sind in mehreren Kapiteln geschildert. In den Nachkriegsjahren konnte das Südtiroler Schützenwesen neu entstehen. Die Zeit nach der „Feuernacht“ vom 12. auf den 13. Juni 1961, in der die Attentatswelle gegen faschistische Staatssymbole und Hochspannungsleitungen losbrach, werden besonders unter der Rücksicht auf die staatliche Repression, die blinde Verfolgung, Hetze, Folterungen, Morde und Schauprozesse geschildert.
Wiedergründung der Grieser Schützen
Der Verfasser stellt die Grieser Schützen in den Rahmen der Tiroler Wehrgeschichte. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es keine bewaffnete Landesverteidigung mehr. Der Faschismus mit seinem schlechten Gewissen und seiner Angst vor jeder Freiheitsregung verbot jede bewaffnete Einheit. Bald verbot er das Schützenwesen und löste seine Formationen auf. Erst am 3. Jänner 1959 gelang der Grieser Schützenkompanie endgültig die Wiedergründung, gerade noch rechtzeitig wenige Jahre vor der Südtiroler „Feuernacht“, nach der die staatliche Repression unter Innenminister Scelba die Verbote seines Vorgängers Segni noch verstärkte.
Dank an den Verfasser
Das Werk ist bestens recherchiert. Der Verfasser forschte in den Archiven in Wien, Innsbruck und Bozen. Er hat Dokumente gefunden und aufgearbeitet, die bis heute kein anderer Forscher für die Tiroler Geschichte in den Blick genommen hat. Das Wiener Staatsarchiv, dessen Bestand alle Zeitläufte überstanden hat, war eine unerschöpfliche Fundgrube. Vier Jahrhunderte sind die Grieser Schützen als Teil des Landesaufgebotes zur Verteidigung Tirols ins Feld gerückt und haben sich als Landesverteidiger verdient gemacht.
Dem Verfasser Neubauer ist zu danken für dieses exemplarische Werk mit seiner klaren historischen Darstellung des Tiroler Verteidigungsverständnisses, das seinesgleichen im europäischen Mittelalter sucht. Das Landlibell ist eine europäische Einzigartigkeit auf demokratischer Grundlage, wie man heute oft sagt. Der Begriff „Demokratie“ war damals sprachlich noch nicht geboren. In der Sache war er aber schon im Tiroler Selbstverständnis vorhanden. Die Schweizer Eidgenossenschaft hatte sich in der Schlacht von Sempach am 9. Juli 1386 dem habsburgischen Ritterheer entgegengestellt. Das Ende der habsburgischen Herrschaft nahte. Die Schweiz entstand nach und nach als demokratisches Staatswesen. Tirol und die Eidgenossenschaft wurden aber nicht zu Freunden. Sie sind aber europäische Beispiele des wehrhaften Freiheitswillens.
Dem Verfasser Werner Neubauer BA MA ist ein herausragendes Werk über die Tiroler Landesverteidigung mit besonderer Berücksichtigung der Grieser Schützen zu danken. Der Verfasser ist Kunsthistoriker, doch ebenso fundierter Historiker mit reicher politischer Erfahrung als ehemaliger Abgeordneter zum Nationalrat und Südtirolsprecher seiner Partei, der FPÖ. Es war sein Verdienst, dass das Koalitionsprogramm der ÖVP-FPÖ-Regierung 2017 die Verpflichtung einging, den Südtirolern die Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft anzubieten. Es kam nicht mehr dazu, weil die Koalition wegen der politischen Turbulenzen nach einem illegal aufgenommenen und fingierten Interview von Parteiobmann Strache in Ibiza zerbrach. Eine beispiellose linke Medienhetze, die sich moralisch aufplusterte, sorgte für das Zerbrechen der Regierung. Damit konnte Innenminister Kickl sein Vorhaben eines Gesetzes zur Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler nicht mehr in Angriff nehmen.
Werner Neubauer ist ein Beispiel eines engagierten Politikers und Fachmannes mit besonderen Verdiensten für Südtirol als Teil des österreichischen Vaterlandes.