Dass italienische Geheimdienste seit jeher auch in „schmutzige Kriegsführung“ verwickelt waren, einschließlich der Fälschung und Verdrehung von Tatsachen, ist in einer Vielzahl von Publikationen belegt worden.
Ein wissenschaftlich untermauertes Werk räumt mit italienischer Zweckpropaganda auf
Nun ist im EFFEKT-Verlag in Neumarkt/Südtirol ein Buch erschienen, dessen Verfasser, der Historiker und Militärsachverständige Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner anhand von wissenschaftlichen Untersuchungen und Durchführung von Sprengversuchen durch gerichtlich beeidete Sachverständige aufdeckt, dass einige angebliche „Terrorakte“ des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) der Jahre 1966 und 1967 in Wahrheit getürkt waren. Es dürfte sich bei den italienischen toten Militärpersonen um Opfer tragischer Unfälle gehandelt haben, die nachträglich zu Opfern von „Anschlägen“ erklärt wurden.
Die drei „merkwürdigen Vorfälle“ der „Bombenjahre“ in Südtirol – die Explosionen im Pfitscherjoch-Haus, in der Kaserne der Guardia di Finanza auf der Steinalm nahe dem Brenner sowie auf der Porzescharte zwischen Osttirol und Belluno – stellen einen traurigen „Höhepunkt“ des Südtirol-Konfliktes in den 1960er Jahren mit insgesamt acht Todesopfern unter den italienischen Sicherheitskräften dar.
Trotz berechtigten Zweifeln am präsentierten Ablauf dieser „Vorfälle“, beharrt das „offizielle“ Italien bis heute auf der Schuld von insgesamt elf Aktivisten des „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) aus Südtirol und Österreich.
Eine intensive wissenschaftliche Befassung mit den drei Vorfällen zeigt hingegen deutlich den politischen Hintergrund dieser „offiziellen“ Schuldzuweisung. Diese wissenschaftliche Befassung betrifft einerseits die Analyse der sicherheitsdienstlichen- und Gerichtsakten zu den „merkwürdigen Vorfällen“ und andererseits die fachlichen Beurteilungen durch Sachverständige für Sprengtechnik, die zudem durch Sprengversuche überprüft wurden. In dem Buch finden sich die gutachtlichen Stellungnahmen dieser Sachverständigen.
Hubert Speckner:
„Pfitscherjoch, Steinalm, Porzescharte – Die drei „merkwürdigen Vorfälle“ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre in den Jahren 1966 und 1967“
EFFEKT-Verlag in Neumarkt/Südtirol
Umfang: 284 Seiten, Preis ab Verlag: ab EURO 25,00
Hier geht es zur Internet-Seite des EFFEKT-Verlages:
https://effekt-shop.it/shop/buecher/pfitscherjoch-steinalm-porzescharte/
Über diese Enthüllungen hat der Historiker Prof. Dr. Dr h.c. Reinhard Olt nachstehenden Beitrag zur Verfügung gestellt, den wir dankend veröffentlichen:
Gewichtige Erträge der historischen Forschung:
Unabweisliche Nachweise für die Unschuld von Freiheitskämpfern an aufsehenerregenden Vorfällen des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre
Von Prof. Dr. Dr h.c. Reinhard Olt
Es gehört zu den wissenschaftlichen Sternstunden, wenn es sich ergibt, dass die historische Forschung hervorbringt, was ihre ureigene Aufgabe und Zweckbestimmung sein sollte, nämlich neue Einblicke auf Handlungen und Einsichten in Geschehnisse zu eröffnen, für die bis dato gemeinhin galt, es seien alle Tatbestände und Zusammenhänge bereits klar gewesen und in der Geschichtsschreibung quasi amtlich oder unverrückbar dargestellt worden. Nicht selten spielt dabei die Entdeckung und akribische Analyse bisher unbekannter oder gar ignorierter Archivalien die entscheidende Rolle.
Brisante Verschlussakten
Der Militärhistoriker Hubert Speckner stieß im Rahmen seiner Forschungen auf äußerst brisante Verschlussakten im Österreichischen Staatsarchiv. Als er sie erschloss, erschien insbesondere ein von italienischer Seite als blutigstes Attentat Südtiroler Widerstandskämpfer der 1960er Jahre gebrandmarkter Vorfall, den Rom als Hebel benutzte, um Wiens angestrebte EG-Assoziation zu unterlaufen, in einem gänzlich anderen Licht. Denn Speckner erkannte alsbald, dass die auch von der österreichischen Regierung gehorsam akzeptierten italienischen Beschuldigungen gegen die der Tat bezichtigten und in Österreich in Haft genommenen Personen, Erhard Hartung, Peter Kienesberger und Egon Kufner, äußerst zweifelhaft waren.
Die Aktivisten des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS) sollen italienischer Behauptung zufolge den Mast einer Überlandleitung gesprengt und eine Sprengvorrichtung im unmittelbar benachbarten Gelände angebracht haben, bei deren Detonation vier italienische Militärangehörige getötet und einer schwer verletzt worden seien.
Die BAS-Leute waren später in einem Prozess in Florenz in Abwesenheit zu hohen (Kufner) bis lebenslangen Haftstrafen (Hartung, Kienesberger) verurteilt, in Österreich hingegen freigesprochen worden, woraufhin nach staatsanwaltschaftlichem Einspruch Bundespräsident Kirchschläger zur hellen Empörung Roms die Einstellung des Verfahrens verfügte.
Speckner hatte im Jahr 2013 in seiner umfangreichen Studie „Zwischen Porze und Roßkarspitz …‘ Der ,Vorfall‘ vom 25. Juni 1967 in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“ (Wien 2013) aufgrund zahlreicher Aktenstücke den Nachweis führen können, dass sich besagtes Geschehen an der Porzescharte keinesfalls so abgespielt haben konnte, wie es von Italien offiziell dargestellt wurde. Es gab und gibt begründete Verdachtsmomente, dass die italienischen Militärangehörigen überhaupt nicht auf der Porzescharte zu Tode gekommen sein dürften, sondern auf einem in der Nähe befindlichen italienischen Manövergelände für Verminungsübungen und Sprengungen. Es zeigten sich gewichtige Indizien, die dafür sprechen, dass das Geschehen auf der Porzescharte einschließlich der nachträglichen Schaffung eines künstlichen „Tatortes“ mit hoher Wahrscheinlichkeit dem italienischen Militärgeheimdienst zuzuschreiben sein dürfte.
Bereits in seiner 2016 erschienenen aufsehenerregenden Studie „Von der ‚Feuernacht‘ zur ,Porzescharte‘…. Das ,Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“ (Wien 2016) hatte Speckner mehr als 50 Fälle untersucht, welche sich im Rahmen des brisanten Südtirol-Konflikts zwischen Dezember 1955 bis März 1970 zugetragen hatten.
Seine darin luzide aufbereitete und minutiös ausgebreitete Aufarbeitung der Geschehnisse machte deutlich, wie weit und gravierend die offiziellen italienischen Darstellungen von der Aktenlage des von im Staatsarchiv aufgefundenen sicherheitsdienstlichen Bestandes abwichen. Zudem ergänzte er seine Befunde aus den Primärquellen der österreichischen Staatspolizei (StaPo) mit den in zahlreichen Gesprächen mit den Freiheitskämpfern des BAS gewonnenen Aussagen. Die von Speckner erschlossenen sicherheitsdienstlichen Akten erbrachten in vielen dieser Fälle neue Erkenntnisse und Ergebnisse.
Expertisen anerkannter Fachleute
Schließlich stellt Speckner im Zusammenwirken mit fundierten Expertisen amtlich anerkannter Fachleute in seinem soeben im Verlag effekt! (Neumarkt a.d. Etsch) erschienenen Buch mit dem Titel „Pfitscherjoch Steinalm Porzescharte – Die drei ,merkwürdigen Vorfälle‘ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre 1966 und 1967“ in rationaler und wissenschaftlich begründeter Weise jene echoreichsten, blutigsten Fälle wieder vom Kopf auf die Füße und führt damit deren amtliche italienische Darstellungen ad absurdum.
Der Fall Pfitscherjoch
So im Falle eines todbringenden Ereignisses am Pfitscherjoch, das sich am 23. Mai 1966 ereignet hatte. Die ehemalige hölzerne und später durch einen Steinanbau erweiterte ehemalige Schutzhütte am Pfitscherjoch diente als Stützpunkt für die italienische Finanzwache (Guardia di Finanza) sowie für Carabinieri und Alpini-Soldaten. Dort war infolge einer Explosion ein Angehöriger der Finanzwache ums Leben gekommen. Laut der „offiziellen“ italienischen Version des Geschehens habe dieser während des Patrouillengangs die Tür zum Schutzhaus geöffnet, worauf eine Sprengladung von ungefähr 50 kg Sprengstoff explodiert sei.
Wie bei ähnlich gelagerten Vorfällen in den 1960er Jahren „wussten“ italienische Medien wie Politik sofort, dass die „gewaltige“, das Gebäude nahezu völlig zerstörende Explosion von „terroristi“ verursacht worden sei. Tatsächlich wurde aber nur der leichte Holzhütten-Teil zerstört, der Steinbau blieb stehen. Noch heute hält das Museum der Finanzer-Truppe in seiner offiziellen Darstellung fest: „der Anschlag, der auch den Einsturz der Kaserne zur Folge hatte, entpuppte sich als Werk der Südtiroler Separatistenorganisation Befreiungsausschuss Südtirol (BAS)“, welche „die gewaltige Ladung wenige Tage zuvor installiert“ habe. Und alsbald wurden die vier „Puschtra Buibm“ („Pusterer Buben“) Siegfried Steger, Josef Forer, Heinrich Oberleiter und Heinrich Oberlechner als Täter beschuldigt.
Der Beurteilung mehrerer damaliger Sprengsachverständiger – darunter eines Experten des Entschärfungsdienstes des österreichischen Innenministeriums – zufolge weist die Aufnahme des Getöteten ebenso wie die Fotos von der zerstörten Holzhütte ursächlich auf eine Gasexplosion in der Küche der Schutzhütte hin, währenddessen sich das Opfer in der Toilette direkt neben dem Explosionsherd aufgehalten haben dürfte. Auch das auf den offiziellen Tatortfotos der Guardia di Finanza zu erkennende eingesackte Dach der Hütte widerspreche mit aller Deutlichkeit der Verwendung von Sprengstoff, noch dazu in der erwähnten Menge von 50 kg: diesfalls wäre das Dach, anstatt in sich zusammenzusacken, vielmehr in Trümmern in die Luft geflogen.
Die von Speckners aus den von ihm entdeckten und erstmals ausgewerteten Archivalien ermittelten Ergebnisse, wonach sich der Pfitscherjoch-Vorfall „also kaum so zugetragen haben konnte wie von offizieller italienischer Seite dargestellt“, ist von unlängst vorgenommenen, mit modernen naturwissenschaftlich-sprengtechnischen Instrumentarien fußenden umfangreichen Untersuchungen durch Experten erhärtet worden. Ihre Expertisen kommen der Wahrheit des Geschehens zweifelsfrei am nächsten und dürfen somit als bewiesen gelten. So allein schon durch die Fallbeurteilung des gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Sprengtechnik, Mag. Max Ruspeckhofer, der in seinem Beitrag „COLD CASE PFITSCHERJOCH – Wie ein Unfall zu einem Anschlag wurde“ kurz und bündig feststellt: „Wenn man alle diese Dinge in Betracht zieht, bleibt eigentlich nur mehr eine einzige Schlussfolgerung übrig: Es handelte sich bei diesem Ereignis nicht um ein Attentat, bei dem bewusst der Tod von Menschen in Kauf genommen wurde, sondern um einen tragischen Unfall“.
Eine letztvergewissernde Expertise durch den gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Sprengwesen, Prof. Dr. Ing. Harald Hasler wurde zudem durch dessen ballistische Berechnungen in Bezug auf das Verhalten von Personen bei Explosionen auf Grundlage der international anerkannten Basisliteratur TNO Green Book (Methods for the determination of possible damage to people and objects resulting from releases of hazardous materials) komplettiert. Diese Expertise untermauert nicht nur Ruspeckhofers Befund, sondern stellt die amtliche italienische Darstellung gänzlich in Abrede. Vielmehr steht für ihn zweifelsfrei fest, dass „aufgrund der festgestellten technischen Tatsachen und Sachverhalte zweifelsfrei klar [ist], dass sich der aktenkundig beschriebene Vorfall am 23. Mai 1966 am Pfitscherjoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so NICHT ereignet haben kann. Alle Indizien sprechen eindeutig für eine Gasexplosion. Sachverhaltsdarstellungen, Fachbeurteilungen und entscheidende Schlussfolgerungen aus den vorliegenden Akten sind in keinster Weise nachvollziehbar, mangelhaft und unterliegen keinen fachlich fundierten und objektiv ermittelten gerichtsverwertbaren Erkenntnissen.“
Der Fall Steinalm
Analog dazu ergaben sich für Speckner wie für die beigezogenen Sachverständigen in der „Causa Steinalm“ ähnlich geartete Ergebnisse. Knapp fünf Monate nach dem Geschehen rund um das Pfitscherjoch-Haus waren zufolge einer Explosion in einem kasernierten Stützpunkt der Guardia di Finanza (Finanzwache) auf der Steinalm nahe dem Brennerpass zwei Finanzwache-Soldaten ums Leben gekommen, ein Schwerverletzter starb wenige Tage später. Bis heute werden in Italien drei BAS-Aktivisten, darunter der legendäre Freiheitskämpfer und Schützenmajor Georg („Jörg“) Klotz, des „blutrünstigen Anschlags“ bezichtigt und politisch sowie justizamtlich der Tat beschuldigt. Die Grundschulleherin Rosa Klotz, die Ehefrau von Georg Klotz, war daraufhin verhaftet und für 14 Monate eingekerkert worden. Ihre sechs minderjährigen Kinder waren Verwandten und Nachbarn überstellt worden.
Wenngleich damals schon mehrere Gutachten von Sachverständigen die Explosion einer Gasflasche sowie die Detonation einer Kiste mit Handgranaten in deren unmittelbarer Nähe, als ursächlich für den Tod der Finanzer sowie die Zerstörung des Stützpunktes ansahen, blieb und bleibt Rom geradezu doktrinär bei seiner Hergangsversion und der Täterbeschuldigung und wies, wie stets bei derartigen Vorfällen, Wien eine „Mitschuld“ zu, da die österreichischen Behörden zu wenig gegen den Terrorismus unternommen hätten.
Dass diese offizielle römische Schuldzuschreibung zu verwerfen ist, zeigt eigentlich allein schon Speckners Durchleuchtung des damaligen Vorfalls. Zudem untermauert die eigens durchgeführte neue wissenschaftlich begründete Begutachtung durch den Sachverständigen Hasler seine aktenmäßig erschlossenen historischen Ergebnisse. Hasler stellt nämlich aufgrund seiner umfangreichen Befunde, einer forensischen, kriminaltechnischen Analyse sowie der Bewertung der angeführten einzelnen Sachverhalte unumwunden fest, „dass sich der aktenkundig beschriebene Vorfall am 9. September 1966 auf der Steinalm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so NICHT ereignet haben konnte“. Infolgedessen verwirft er die dem damaligen Gerichtsverfahren und Urteil zugrundlegenden Ergebnisse italienischer Gutachter, indem er konstatiert, sie unterlägen „keinen fachlich fundierten und objektiv ermittelten gerichtsverwertbaren Schlussfolgerungen“.
Der Fall Porzescharte
Schließlich der an Tragik und Verwerflichkeit des amtlichen Wirkens italienischer Politik wohl kaum zu übertreffende „Fall Porzescharte“.
In einer Auflistung von (nach heutigen Erkenntnissen angeblichen) Terroranschlägen, die einer Wien übermittelten diplomatischen „Verbalnote“ des römischen Außenministeriums vom 18. Juli 1967 beigeheftet ist, wird das Geschehen auf der Porzescharte am 25. Juni 1967 wie folgt „klar und eindeutig“ beschrieben: „Sprengung des Mastes einer Hochspannungsleitung durch eine mit Uhrwerk versehene Sprengvorrichtung. Während des Lokalaugenscheins tritt der Alpini-Soldat Armando Piva auf eine Tretmine und verursacht eine Explosion. Infolge der schweren Verletzungen stirbt der Soldat kurz darauf im Zivilkrankenhaus von Innichen. Gegen 15 Uhr desselben Tages gerät eine Feuerwerker-Truppe nach Säuberung des um den Hochspannungsmast gelegenen Geländes in eine weitere Minenfalle. Die Explosion verursacht den Tod des Karabinierihauptmanns Francesco GENTILE, des Fallschirmjägerleutnants Mario DI Legge und des Fallschirmjäger-Unteroffiziers Olivo TOZZI [sic!, der richtige Name ist DORDI], sowie schwere Verletzung des Fallschirmjäger-Feldwebels Marcello FAGNANI. Am Tatort wurde ein Gerät mit der Aufschrift B.A.S. aufgefunden.“
Schon von Anfang an hatten sich jedoch äußerst auffällige Widersprüche gezeigt. Bereits am 26. Juli, also einen Tage nach den ersten italienischen Meldungen, die österreichische Stellen übermittelt worden waren, ließ sich der Osttiroler Bezirkshauptmann Dr. Doblander mit einem Hubschrauber an den Ort des Geschehens bringen. Das Ergebnis seines Erkundungsfluges meldete die Sicherheitsdirektion für Tirol an das österreichische Innenministerium: „Der Bezirkshauptmann schließt, mit 100 %-iger Sicherheit‘ aus, dass in der Nähe dieses Mastes eine andere Explosion erfolgt ist. Es konnten weder Fußspuren noch Blutspuren noch irgendwie andere Spuren festgestellt werden, die darauf hindeuten würden, dass sich hier mehrere Menschen befunden haben. Der italienische Grenztrupp soll aber aus 25 Personen bestanden haben. Die Anwesenheit dieser 25 Personen in der Nähe dieses Mastes hält der Bezirkshauptmann auf Grund der Bodenlage und -beschaffenheit für ausgeschlossen.“
Dieser Bericht deckte sich mit dem Inhalt eines Aktenvermerk der Tiroler Sicherheitsdirektion aufgrund von Angaben der Österreichischen Verbundgesellschaft, wonach zwei deren Monteure aus dem Standort Lienz in Begleitung eines Gendarmeriebeamten am 27. Juni auf der Porzescharte zur Schadensbegutachtung an der Leitung von Lienz nach Pelos waren. In besagtem Aktenvermerk wurde daraufhin festgehalten: „Im näheren Bereich des Mastes auch auf italienischem Gebiet konnte außer einem Zettel, italienisch beschriftet, einigen Drähten, keine Spuren gefunden werden, die auf Minenexplosionen und vor allem auf das Verunglücken von Menschen schließen lassen. Es wäre anzunehmen, dass in solchen Fällen Verbandreste, Blutspuren oder ähnliches wahrnehmbar gewesen wäre. Außer einem weit entfernten Posten in der meist besetzten Kaverne aus dem 1. Weltkrieg waren im gesamten Bereich weder Grenzschutzorgane, Militär noch Arbeiter zu bemerken.“
Der „blutigste Terrorakt“
Fest steht, dass die alsbald für „den blutigsten Terrorakt“ verantwortlich gemachten und in Innsbruck in Untersuchungshaft genommenen Aktivisten des Südtiroler Freiheitskampfs Erhard Hartung (Arzt), Peter Kienesberger (Elektriker) und Egon Kufner (Soldat) in der betreffenden Nacht im Juni 1967 gemeinsam in der Nähe des Geschehens waren. Sie waren am 24. nach Einbruch der Dunkelheit – um vom Alpini-Stützpunkt Forcella Dignas aus nicht gesehen zu werden –, in Richtung Porzescharte aufgestiegen, um, wie sie stets beteuerten, dort einen verwundeten Südtiroler BAS-Mann zu übernehmen.
Kienesberger hatte eine geheim übermittelte schriftliche Mitteilung aus Südtirol erhalten, wonach ein verwundeter Südtiroler auf der Porzescharte abgeholt und nach Österreich in medizinische Behandlung gebracht werden sollte. Deshalb war auch der junge Arzt Dr. Hartung mitgekommen, um eine Versorgung auf dem Transport zu gewährleisten. Allerdings hatte in dem Schreiben das sonst verwendete Code-Wort gefehlt, weswegen Kienesberger schon von Anfang an misstrauisch gewesen war.
Die Gruppe brach das Vorhaben dann ab aufgrund einer Wahrnehmung nur kurz sichtbarer Lichter in der Höhe. Kienesberger war zu dem Schluss gekommen, dass die Gruppe in eine italienische Falle gelockt werden sollte.
Buchautor Speckner arbeitete heraus, dass Kienesbergers Wahrnehmung, in dieser Nacht nicht allein dort gewesen zu sein, der Wirklichkeit entsprochen haben dürfte.
Vehement stellten Hartung und Kufner, die beiden noch Lebenden – Kienesberger verstarb 2015 – das von italienischer Seite unterstellte Ziel und Delikt der gezielten Tötung von Angehörigen der italienischen Sicherheitskräfte mittels Minen stets in Abrede. Die in Italien in Abwesenheit verurteilten, in Österreich hingegen freigesprochenen beiden lebenden Aktivisten beteuern in aller Klarheit, mit dem Tod der vier italienischen Soldaten am 25. Juni 1967 nicht das Geringste zu tun zu haben. Dies wird in den österreichischen Gerichtsverfahren von einem damals von den Verteidigern initiierten Gutachten sowie von den in Speckners Buch vorgelegten jüngsten Sachverständigen- Expertisen untermauert.
Nach italienischer Darstellung der Ereignisse um den 25. Juni 1967, welche unter Druck, dem sich Wien nicht widersetzte, vom politischen Österreich und dessen Sicherheits- sowie partiell auch Justizorganen letztlich übernommen worden war, soll die Gruppe Kienesberger in der Zeit von nur einer halben Stunde den Strommast direkt an der Grenze doppelt vermint und zwei perfekt getarnte Sprengfallen derart optimal verlegt haben, dass sie ihr mörderisches Ziel erreicht hätten. Diese Durchführung in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit ist nach Erkenntnis von Sachverständigen bereits ein Ding der Unmöglichkeit.
Wie sich in Speckners vorliegendem Buch zeigt, missachtet die italienische Darstellung die sicherheitsdienstliche Aktenlage sowie die sprengtechnischen und naturwissenschaftlichen Bedingungen des Geschehensablaufs auf der Porzescharte. Diese werden in den darin enthaltenen gutachterlichen Stellungnahmen der Sprengsachverständigen Ruspeckhofer und Hasler ausführlich erörtert. So resümiert der Sprengsachverständige Max Ruspeckhofer die von ihm angestellten umfänglichen sprengtechnischen Analysen und fasst deren Ergebnisse unumwunden in der aussagekräftigen Feststellung „ein Attentat das keines war“ zusammen.
Der Sprengsachverständige Harald Hasler stellte nach vier Jahren umfangreicher wissenschaftlicher Feldversuche Rekonstruktionen zu dem Vorfall und den beschriebenen Sachverhalten im Detail zusammen.
In forensischen Untersuchungen wurden die aufgrund der vorhandenen Akten sich ergebenden Sachverhalte mit modernsten, aus naturwissenschaftlich-sprengtechnischen Erkenntnissen gewonnenen Methoden auf Plausibilität sowie Reproduzierbarkeit hin überprüft und bewertet sowie schließlich den offiziellen aktenkundigen Darstellungen gegenübergestellt. Der Gutachter stellte zusammenfassend fest: „Aufgrund der sehr umfangreichen Befundaufnahme, der Feldversuche/Rekonstruktionen sowie Detailanalysen der einzelnen Sachverhalte zu den aktenkundigen Angaben der Ereignisse vom 25. Juni 1967 auf der Porzescharte kann […]mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass sich die Ereignisse so NICHT ereignet haben können. Die dokumentierten Ereignisse sind nicht im Ansatz reproduzierbar, absolut unerklärbar und nicht im Ansatz nachvollziehbar. […] Praktische Feldversuche bei denen die Sprengung vom 25.06.1967 mehrmals mit ballistischer Gelatine, humanoiden Dummies und Indikatoren nach den Aktenangaben wissenschaftlich hinterfragt und nachgestellt wurden“, belegten dies „eindeutig und zweifelsfrei“.
Speckners mit bisher unbekannten sowie mit aus dem Wirken der Gutachter entstandenen Illustrationen ausgestattete Buch schließt mit einem anlassbezogenen pointierten Überblick über jene überaus beachtenswerten geheimdienstlichen Aktivitäten in Italien, welche vor allem im Zusammenhang mit der Südtirol-Problematik von Belang und Substanz sind.
Ehre und Unehre
Abschließend ist festzuhalten, dass der Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit des einschlägig ausgewiesenen Autors das Hauptverdienst zukommt, in gründlichen Forschungsarbeiten den Nachweis erbracht zu haben, dass die behaupteten „Anschläge“ von 1966 und 1967 auf dem Pfitscherjoch, der Steinalm und der Porzescharte keineswegs unter die Verantwortung der Freiheitskämpfer des BAS rubriziert werden dürfen. Die damaligen Geschehnisse seien wahrscheinlich als Folge von Unfällen zu verbuchen und deren Instrumentalisierung als „Terrorakte“ seien den von höchsten Stellen, Amtsträgern und Politikern des Staates angeordneten oder gebilligten Umtrieben italienischer Geheimdienste zuzuordnen.
Es gereicht Italien ebenso wie einer gewissen Spezies der Historiker- und Politologenzunft wenig zur Ehre, dass es trotz Widersprüchlichkeiten und nachgewiesener Unrichtigkeiten unnachgiebig die Absicht zu verfolgen scheint, an den überholten italienischen Darstellungen festzuhalten.
Und allen in die Südtirol-Frage involvierten Amts- und Funktionsträgern in Politik, Justiz, Wissenschaft und Medien Österreichs und Tirols als Ganzes ist leider der Vorwurf nicht zu ersparen, angesichts aller neuen Erkenntnisse, die sie aufrütteln müssten, vor diesem untragbaren Zustand die Augen zu verschließen.
Dem SID zugegangene Stellungnahme von Prof. Dr. med. Erhard Hartung:
Meine seit 1967 aktenkundigen Feststellungen, dass ich nichts mit dem angeblichen Attentat auf der Porzescharte zu tun habe, sind nun bewiesen. Die Herausgabe des von Dr. Speckner und anderen Autoren verfassten Buches „Pfitscherjochhaus, Steinalm, Porzescharte“ ist für die in Italien in Abwesenheit zu Unrecht Verurteilten und somit auch für mich ein Geschenk Gottes. Die Verfasser weisen aufgrund durchgeführter wissenschaftlicher Versuche fundiert nach, dass wir nicht für die im Titel genannten angeblichen „Anschläge“ verantwortlich sein können, denen nach italienischen Behauptungen insgesamt acht italienische Soldaten zum Opfer gefallen sein sollen. Hier wird deutlich, dass Italien den Tod dieser vermutlich bei sprengtechnischen Militärübungen verunglückten Soldaten den Südtiroler Freiheitskämpfern zur Diffamierung und juristischen Verfolgung unterschoben hat.
Durch die nach neusten Untersuchungen erworbenen Kenntnisse wird bewiesen, dass diesbezügliche -sowohl in Österreich als auch in Italien- erfolgten Inhaftierungen von Südtiroler Freiheitskämpfern und die gegen sie erhobenen Gerichtsverfahren ungerechtfertigt waren und wider besseres Wissen erfolgten.
Zur Erinnerung möchte ich darauf hinweisen, dass Mitangeklagte und ich durch erpresste Aussagen der österreichischen Staatsbürger Schafferer und Humer, die 1967 von den Carabinieri schwer gefoltert wurden, unter Verdacht gesetzt wurden, an der Porzescharte Sprengfallen eingerichtet zu haben. Diese unwahren Behauptungen wurden 1967 in gesetzeswidriger Weise in Zürich österreichischen Staatspolizisten übermittelt. Deshalb wurden wir in Österreich inhaftiert und gerichtlich verfolgt, obwohl bekannt war, dass diese Aussagen durch Folter erzwungen worden waren.
In Italien wurden wir unter Anwendung der alten faschistischen Strafprozessordnung in Abwesenheit mit bis zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt, jedoch in derselben Angelegenheit von ordentlichen österreichischen Gerichten in Anwesenheit und nach gründlichen Einvernahmen und Untersuchungen freigesprochen. Sowohl österreichische als auch deutsche Gerichte erkannten unabhängig voneinander, dass die italienischen Abwesenheitsurteile menschenrechtswidrig waren, da sie gegen die europäischen Rechtsnormen verstießen. Eine Zustellung von Ladung, Anklageschrift und Urteil war nicht erfolgt! Dass in Italien gegen mich ein Prozess geführt worden war, habe ich nur aus Medienberichten erfahren.
Die in dem nun vorliegenden Dokumentarwerk geschilderten Sprengversuche und Sachverständigengutachten haben „das Lügengebäude der italienischen Geheimdienste … zum Einsturz gebracht“, wie der ehemalige Südtiroler Landesrat Dr. Bruno Hosp (SVP) in seinem Vorwort feststellt.
Der ehemalige SVP-Regionalratspräsident und Landtagsabgeordnete Dr. Dr. h.c. Franz Pahl kommt in seinem Vorwort zu dem gleichen Schluss. Speckner habe in seinem Werk aufklärend „Tatsachen gegen das Lügennetz“ der italienischen Geheimdienste gesetzt. Die „Anschläge“ auf Pfitscherjoch, Steinalm und Porzescharte seien „das beschämende Werk der italienischen Geheimdienste und ihrer Helfer.“
Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Dank sagen möchte ich aber den Sachverständigen und Verfassern dieser Dokumentation.
Prof. Dr. med. Erhard Hartung
Während seiner Untersuchungshaft schrieb Dr. Erhard Hartung aus dem Gefängnis an seinen Vetter Klaus in Deutschland. In dem Brief hieß es unter anderem:
„Innsbruck, 28.11.68.
Lieber Klaus!
Für Deine zahlreichen Briefe, Gedanken – besonders aber, dass Du Dir die Mühe gegeben hast, Mama und mich zu besuchen, habe meinen aufrichtigen Dank. Ich habe mich sehr gefreut Dich gesund und wohlauf zu sehen. Für Mama wirst Du auch eine Stütze gewesen sein – ich glaube, Mendi wird durch meine Inhaftierung mehr mitgenommen als ich selbst. Und gerade dieser Gedanke macht es einem schwerer.
Nun bin ich schon fast fünf Monate hier – ganz alleine und nur von mir selbst lebend – d.h. von meinem Geist, von meiner Phantasie. … Und trotzdem ist das Leben hier wie unter einer Käseglocke, wo Dir jeden Moment die Luft auszugehen droht – dennoch habe ich die Kraft auch das durchzustehen, denn es muss weitergehen. Ein vor Gott reines Gewissen ist mir die größte Beruhigung und lässt mich keinen Prozess fürchten. So sehe ich in der kommenden Verhandlung kein Damoklesschwert, sondern Tage, in denen mir im Zuge der Wahrheitsfindung Gerechtigkeit widerfahren wird.
Es hat mich gefreut zu sehen, dass die ganze Familie geschlossen zu mir steht und dass mich keiner meiner Freunde verlassen hat, im Gegenteil auch sie sind alle von meiner Unschuld überzeugt. Zu Weihnachten habe ich sehr schöne Post von vielen Gelehrten und Dichtern aus allen deutschen Landen bekommen. Sie alle sprechen mir Mut zu und freuen sich über meine aufrechte Haltung und Wertverbundenheit.“
Schlussbemerkung
In Speckners Buch ist nun wissenschaftlich nahgewiesen, dass für den Tod von acht italienischen Soldaten, das sind knapp über 50% aller während der 1960er Jahre in Südtirol „gefallenen“ Italiener, der BAS mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
Mit den anderen, während dieser Zeit „gefallenen“ Italienern, verhält es sich ähnlich: In keinem einzigen Fall konnte von der italienischen Justiz oder dem Militär objektiv nachgewiesen werden, dass der BAS deren Tod verursacht hat. Bis heute ist ein guter Teil der diesbezüglichen behördlichen Akte in Italien unter Verschluss und selbst für die Wissenschaft nicht zugänglich. Das wird wohl seine guten Gründe haben.