Bild: Der bei vielen Südtirolern als Gefolgsmann italienischer Interessen geltende Landeshauptmann Arno Kompatscher wirbt im Wahlkampf auch um italienische Stimmen: „Gemeinsam dem Morgen entgegen. Arno Kompatscher“ (Plakat aus dem Wahlkampf von 2018)
Absturz der konturlos gewordenen SVP bei den Landtagswahlen im Oktober 2023
Ergebnisse der deutschen Parteien
In den Landtagswahlen vom Oktober 2023 hatten der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher und seine „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) ein verheerendes Ergebnis eingefahren. Die volkstumspolitisch völlig konturlos gewordene SVP stürzte um 7,5 Prozent auf 34,4 Prozent der Wählerstimmen ab und erlangte 13 Sitze im Landtag.
Viele Südtiroler erklären diesen Absturz damit, dass LH Kompatscher im Lande zunehmend als treuer Diener Roms und nicht mehr als Diener seiner Heimat angesehen werde.
Die volkstumspolitisch, in Autonomiefragen und in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht klar positionierte „Südtiroler Freiheit“ (STF) legte mit 4,7 Prozent auf 10,7 Prozent zu und gewann 4 Sitze im Landtag.
Das deutsche „Team K“ mit dem Spitzenkandidaten Paul Köllensperger errang immerhin 11,1 Prozent der Stimmen und 4 Landtagssitze.
Die Liste „Südtirol mit Widmann“ kam auf 3,4 Prozent der Stimmen und errang 1 Landtagssitz.
Die deutsche Liste „JWA“ mit dem Spitzenkandidaten Jürgen Wirth Anderlan kam auf 5,9 Prozent der Stimmen und errang auf Anhieb 2 Sitze.
Die Südtiroler „Freiheitlichen“ erhielten 4,9 Prozent der Stimmen und verteidigten ihre bisherigen 2 Landtagssitze.
Ergebnisse der italienischen Parteien und der „Grünen“
Auf der italienischen Seite gewann die neofaschistische Partei „Fratelli d’Italia“ („Brüder Italiens“ an Stimmen und Sitzen.
Das italienische Wahlbündnis „Lega-Uniti per l’Alto Adige“ errang nur 3,2 Prozent der Stimmen (1 Landtagssitz) und die kleine italienische Bürgerliste „La Civica“ kam auf 2,7 Prozent (1 Landtagssitz). Die Liste „Vita“ erhielt 2,6 Prozent der Stimmen und 1 Landtagssitz. Die „Partito Democratico“ (PD) errang 3,5 Prozent der Stimmen und 1 Landtagssitz. Die Partei „grüne verdi verc“ erreichte 8,7 Prozent der Stimmenn und erlangte 3 Sitze im Landtag.
Eine Rom gefällige Koalition der Wahlverlierer
Landeshauptmann Kompatscher hätte unschwer eine Regierungskoalition bilden können, ohne Neofaschisten und Autonomiefeinde einbeziehen zu müssen. Offenbar kam es ihm aber darauf an, die volkstumspolitischen Kräfte auszugrenzen und eine Koalition zu bilden, welche der in Rom als Ministerpräsidentin regierenden „Fratelli“-Vorsitzenden Giorgia Meloni angenehm ist.
Am Abend des 16. Jänner 2024 einigte sich Arno Kompatscher daher mit den Vertretern der „Fratelli d’Italia“, der „Lega-Uniti“, der Bürgerliste „La Civica“ und der deutschen Südtiroler „Freiheitlichen“ auf die Bildung einer aus 11 Personen einschließlich des Landeshauptmannes bestehenden Landesregierung, der 2 Italiener der Parteien „Fratelli d’Italia“ und „Lega-Uniti“ angehören würden.
Der Form halber wurde ein 54 Seiten umfassendes Koalitionsabkommen unterzeichnet, welches überwiegend aus wohlklingenden Phrasen und allgemein gehaltenen Absichtserklärungen besteht, aus denen sich wenig Verpflichtungen zu konkretem Handeln erwachsen.
Selbstverständlich fehlen in diesem „Regierungsprogramm“ Bekenntnisse zur Schutzmachtrolle Österreichs, zu dem Recht auf Selbstbestimmung und zu dem Recht auf doppelte Staatsbürgerschaft. Es fehlen Zielvorgaben und Terminsetzungen.
Ursprung und Wesen des Kompatscher Koalitionspartners „Fratelli d’Italia“
Vorläufer der Partei „Fratelli d’Italia“ war die neofaschistische Partei „Movimento Sociale Italiano“ (MSI), welche ihren Namen in Anlehnung an die faschistische „Repubblica Sociale Italiana“ von Benito Mussolini gewählt hatte.
Deren Nachfolger war die „Alleanza Nazionale“ (AN), aus der 2014 wiederum die Partei „Fratelli d’Italia“ entstand. Diese nahm die grün-weiß-rote Flamme („fiamma tricolore“), einst Symbol des MSI und der AN, in ihr Logo auf. Diese Flamme züngelt über einem schwarzen Strich, der nach Überzeugung von Fratelli-Anhängern den Sarg des Diktators Benito Mussolini symbolisieren soll.
Als die Parteichefin Giorgia Meloni 2022 aufgefordert wurde, auf diese Flamme im Parteilogo zu verzichten, weigerte sie sich mit den Worten: „Wir sind stolz darauf.“[
Am 21. Dezember 2023 nahm der STF-Landtagsabgeordnete Sven Knoll in einer Presseaussendung Stellung zu „Fratelli“-Äußerungen.
Er schrieb: „Der designierte Landesrat von Fratelli d’Italia, Marco Galateo, lässt in Medieninterviews schon einmal durchklingen, welche autonomiefeindliche Position die neue Landesregierung einnehmen wird. Laut seinen Aussagen muss der Proporz aufgeweicht werden, die faschistische Ortsnamengebung findet er super und die Süd-Tiroler Freiheitskämpfer bezeichnete er als Terroristen.
Das sind also die neuen ‚Autonomiefreunde‘ von Arno Kompatscher, die er und die SVP in die Landesregierung holen,“ schrieb Sven Knoll weiter. „Das Schweigen der SVP und der Freiheitlichen zu diesen ungeheuerlichen Aussagen von Fratelli d’Italia ist beschämend.“ (Quelle: Internetseite der „Süd-Tiroler Freiheit“)
Die Legalisierung des Faschistengrußes
Am 7. Jänner 2024 grüßten in Rom auf einer Versammlung hunderte Neofaschisten mit dem von Benito Mussolini eingeführten „Saluto Romano“ und grölten wie in der alten Faschistenzeit: „Presente!“ („anwesend).
Wenige Tage später zeigte ein Urteil des italienischen Kassationsgerichtshofes, wiesehr sich der politische Wird in Italien bereits gedreht hat. Dieser oberste Gerichtshof hob eine seinerzeitige Verurteilung von Neofaschisten auf, welche den „Saluto Romano“ gezeigt hatten. Der Kassationsgerichtshof begründete sein Urteil damit, dass der Faschistengruß nur dann strafbar sei, „wenn er mit der konkreten Gefahr einer Reorganisation der aufgelösten faschistischen Partei verbunden ist.“
Mit diesem unglaublichen Urteil wurde eine gesetzliche Bestimmung aus dem Jahre 1952 völlig ausgehebelt, welche den Faschistengruß grundsätzlich und ohne relativierende Einschränkungen unter Strafe gestellt hatte. (Siehe: „Dolomiten“ vom 19. und vom 23. Jänner 2024)
Protest gegen diese Freigabe des Faschistengrußes kam in Südtirol von der „Süd-Tiroler Freiheit“. Der Landeshauptmann Arno Kompatscher hüllte sich in Schweigen. Natürlich schwieg in Rom auch die Ministerpräsidentin und „Fratelli“-Vorsitzende Giorgia Meloni zu diesen Vorkommnissen. Man kann sich nun unschwer vorstellen, welche Rolle die „Fratelli“ in Hinkunft in Bezug auf die Südtiroler Autonomie spielen werden.
Kompatscher wieder Landeshauptmann – herbe Kritik
„Diese Landesregierung ist zum Scheitern verurteilt!“
Auf einer Pressekonferenz vor der Angelobung des Landeshauptmannes nahm die „Süd-Tiroler Freiheit“ am 17. Jänner 2024 Stellung zur neuen Landesregierung. Sie warf der SVP Betrug am Wähler vor, da sie das Wahlergebnis ignoriere und an einer Koalition der Wahlverlierer bastele, nur um selbst an der Macht zu bleiben.
Dafür sei Kompatscher sogar bereit, Faschisten und Autonomiefeinde in die Regierung zu holen. Der Fraktionsobmann Landtagsabgeordneter Sven Knoll kritisierte, dass essenzielle Fragen zur Wiederherstellung der Autonomie, wie kriminelle Ausländer abgeschoben werden sollen oder wie das Leben wieder leistbar gemacht werden soll, im Regierungsprogramm nicht beantwortet werden.
Konkrete Schritte zur Stärkung der autonomen Rechte der Südtiroler Bevölkerung fehlten im Koalitionsprogramm, darunter die Stärkung der Muttersprache, die Wahrung des Proporzes, die Begnadigung der im Exil lebendenden Freiheitskämpfer sowie die dringend notwendige Umsetzung der Ergebnisse des Autonomie-Konvents. Besonders enttäuschend sei das Schweigen zum Selbstbestimmungsrecht, das eigentlich auch in den Statuten der SVP verankert sei.
Arno Kompatscher beschädige mit dieser Koalition die politische Glaubwürdigkeit Südtirols und werde zunehmend zum Autonomiegefährder. Er mache die Entwicklungen in Südtirol vom Wohlwollen Roms abhängig und sei sogar bereit, die Autonomie immer weiter auszuhöhlen. (Siehe: „Unser Tirol24“ vom 17. Jänner 2024)
Kopfwäsche im Landtag
Am 18. Jänner 2024 wurde Arno Kompatscher mit 19 Ja- und 16 Nein-Stimmen wieder zum Landeshauptmann gewählt. Vor seiner Wahl musste sich Kompatscher herbe Kritik seitens der Opposition anhören
Paul Köllensperger („Team K“) erklärte, dass es der SVP nur um die Machterhaltung gehe. Hier wurden nur die Beziehungen nach Rom zählen. Wer aber mit dem Teufel paktiere, müsse seine Seele verkaufen. Kompatscher habe sich von Rom erpressen lassen.
Bernhard Zimmerhofer („Süd-Tiroler Freiheit“) erklärte, dass über Kompatschers Ankündigung, mithilfe von Ultranationalisten die Autonomie ausbauen zu wollen, in Südtirol „die Hühner lachen“. Sein Parteikollege Hannes Rabensteiner („Süd-Tiroler Freiheit“) nahm Stellung gegen einen Landeshauptmann, der sich von Rom erpressen lasse, der die Italianisierung zulasse, die Zuwanderung fördere, keinerlei volkstumspolitische Akzente setze und nur an Posten und Ämter denke.
„Keine weitere Legislatur unter Kompatscher verkraftbar“
Am 21. Jänner 2024 gab die Landtagsabgeordnete der „Süd-Tiroler Freiheit“, Myriam Atz-Tammerle dem Internet-Portal „Unser Tirol24“ ein Interview.
Frage: Frau Atz-Tammerle, fünf weitere Jahre Landeshauptmann Arno Kompatscher. Was erwartet Südtirol Ihrer Meinung nach in den kommenden fünf Jahren?
Antwort: „Mit der Italianisierung Südtirols wird es noch schlimmer. Auch mit der Fremdbestimmung Roms wird es schlimmer werden. Rom bestimmt und Südtirol gehorcht unter diesem Landeshauptmann wohlwollend. Als Volksvertreterin teile ich die Meinung vieler Südtiroler, dass das Land keine weitere Legislaturperiode unter Kompatscher verkraften kann.“
Frage: Wie gedenkt die Süd-Tiroler Freiheit in den kommenden fünf Jahren mit dieser Landesregierung zusammenzuarbeiten?
Antwort: „Überhaupt nicht. Wir schließen uns Altlandeshauptmann Luis Durnwalder an, der folgendes gesagt hat: „Wir können aufgrund unserer historischen Erfahrungen mit dem Faschismus niemals mit einer Bewegung marschieren, in der eine Partei vertreten ist, die aus dem MSI hervorgegangen ist.“
Scharfe Kritik eines erfahrenen Südtirol-Sprechers:
Der ehemalige langjährige Südtirol-Sprecher der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ), Werner Neubauer, hat zur aktuellen Situation in Südtirol eine Stellungnahme abgegeben, aus der wir gerne zitieren:
Landeshauptmann Arno Kompatscher öffnet die Büchse der Pandora!
Faschistische Parteien und Autonomiefeinde Südtirols in der künftigen Regierung
Mit dieser 5-Parteien-Koalition, inkl. 3 italienischer Parteien, bestehend aus Faschisten und Autonomiefeinden, hat LH Kompatscher das Land Südtirol an Italien verkauft und somit die Büchse der Pandora geöffnet. Dem schlechtesten italienischen Wahlergebnis aus dem Vorjahr folgen – entgegen dem Wählerwillen – 2 italienische Landesräte und andere Posten und Ämter für Italiener.
Dies alles auch im Widerspruch zum Autonomiestatut und einem Gutachten des Südtiroler Verfassungsamtes, aus dem eindeutig hervorgeht, dass den italienischen -Wahlwerbern nur ein (1) Landesrat zustehen würde.
Kompatscher, der ja eigentlich nach zwei Legislaturperioden aus der Politik aussteigen wollte, ließ sich also – wie einstens der österreichische Minister Gruber von Degasperi – schandhaft über den Tisch ziehen.
Rom siegt über Südtirol
Grundlage dafür waren offenkundig die infamen Machtworte und Einflussnahme in Südtirol durch Regionen-Minister Roberto Calderoli („Lega“) sowie der „Fratelli d’Italia“ und deren Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, denen sich der Landeshauptmann letztendlich zu beugen hatte. Der Landeshauptmann hat es nun mit der Vorstellung dieser Regierungsmannschaft etwas geschafft, was er so eigentlich immer zu vermeiden suchte: Die Aufwertung rechtsextremer, faschistischer, autonomiefeindlicher Parteien!
Es ist auch fatal anzunehmen, Kompatscher hätte diesen Schritt unternehmen müssen, um Autonomierechte mit Stand von 1992 von Rom nach Südtirol zurückholen zu können.
Es darf an eine Resolution des Schützenbundes aus dem Mai 1992 erinnert werden, aus der zu entnehmen ist, dass bereits im Jahr 1992 die Einschränkung der Autonomie durch Italien gegeben war. Es kann also nur darum gehen, selbstbewusst und selbstbestimmt im Sinne des Gutachten des Prof. Hallers und seiner Feststellungen zur Autonomie, einen befriedigenden Autonomie-Zustand für 2024 herzustellen!
Es ist zu begrüßen, dass nicht alle Parteien des Südtiroler Landtages in eine Art Lähmung vor dieser unerfreulichen Situation verfallen, sondern die rechtliche Frage einer Zusammensetzung der künftigen Landesregierung vor Gericht bringen werden.
Darüber muss sich die Zivilgesellschaft Südtirols, vor allem der Schützenbund, hinkünftig die Frage stellen, in welcher Form mit Faschisten und Autonomiefeinden überhaupt zusammengearbeitet werden kann bzw. soll.
Werner Neubauer BA MA
Abgeordneter zum Nationalrat a.D.
Ehemaliger Südtirol Sprecher der FPÖ