Josef Speckbacher mit einem Steckbrief aus dem Jahre 1813 (Bildkomposition: SID)
Ein historischer Bericht von Georg Dattenböck anläßlich des Todestages von Josef Speckbacher am 28. März.
Steckbrief gegen Josef Speckbacher aus dem Jahre 1813:
„Der berüchtigte Insurgentenchef Speckbacher, der schon im Jahre 1809 zu dem Unglück des Landes so viel beigetragen, wagt einen neuerlichen Versuch, das Volk zu einem Aufstand zu bewegen, um den Oesterreichern in der Eroberung des Landes zuvorzukommen.
Welche furchtbaren Folgen ein Versuch dieser Art haben müßte, kann keinem Verständigen entgehen. Nicht nur die gerechte Strafe des Aufruhrs gegen den rechtmäßigen König und Herrn, sondern auch, wenn im Laufe des Krieges österreichische Truppen wirklich Tirol in Besitz nehmen sollten, die wohlverdiente, strenge Ahndung Oesterreichs über einen so frevelhaften Versuch müßten unvermeidlich das ganze Land mit dem Schuldigen treffen! –
Wackre Bürger, redliche Landleute! Ich rechne auf euch, daß ihr Aufforderungen dieser Art mit gerechtem Abscheu zurückweisen werdet, aber ich fordere euch zugleich auf, gegen die Uebelgesinnten, zum Umsturz der Ordnung in jedem Augenblicke Bereiteten, Plünderungslustigen, mit der höchsten Aufmerksamkeit zu wachen.
Vor allem aber ist die Ergreifung eines Mannes höchst wünschenswert, der verwegen genug seinen ehrgeizigen Absichten das Glück des ganzen Landes aufzuopfern versucht. Ich fordere daher alle Rechtschaffenen auf, sich dieses verworfenen Rebellen-Chefs zu bemächtigen, und sichre jedem der ihn todt oder lebendig einliefert die Prämie von Ein tausend Dukaten zu.
Innsbruck den 12ten September 1813.
Der General-Commissär des Innkreises Freyherr von Lerchenfeld.“
Dr. Eva Klotz, ehemals Abgeordnete zum Südtiroler Landtag und Tochter des Schützenmajors Jörg Klotz aus St. Leonhard im Passeier, schrieb 2008 einleitend in der von Prof. Nerio de Carlo verfassten Broschüre „Andreas Hofer in der Deutschen Literatur“:
„Tradition ist nicht nur Vergangenheit. Sie ist eine Dimension der Gegenwart, von deren Berücksichtigung oder Ablehnung die Stärke der eigenen Person, der eigenen Freiheit und der eigenen Lebensgestaltung abhängen. Die Tradition lebt, wenn sie von einer Generation der nächsten überliefert wird. Wenn diese Überlieferung unterbrochen wird, verliert man mit der Tradition auch die Identität. In unserer Zeit wird die Kunst des Erzählens vernachlässigt. Wenn die Eltern nicht mehr erzählen, finden die Kinder auf viele Fragen keine Antwort mehr. Das entfremdet ein Volk seiner eigenen Geschichte, zerstört den Gemeinschaftssinn und trübt den Blick für die Zukunft“.
Aus diesen von Frau Klotz genannten Gründen sei hier die Lebensgeschichte eines Tiroler Patrioten wieder in Erinnerung gerufen, der in einer politisch/militärisch überaus explosiven Zeit, weit über sich hinauswuchs und zu einem vom Volk anerkannten, militärischen Führer der Aufständischen und zum totalen Schrecken aller französischen Generäle und Truppen in Tirol wurde!
Josef Speckbachers Herkunft
Speckbacher wurde am 13.6.1767 in Gnadenwald (erwähnt 1313 als „gemain auf dem Wald“) geboren. „Die eigentliche Geburtsstätte des Helden ist urkundlich das Gut Nr. 16, genannt der Unterspöck im äußeren Gnadenwalde, anderthalb Stunden von Hall entfernt.
Sein Vater war Bau- und Brennholz-Lieferant für das Personal des Salzberges zu Hall. Schon Speckbacher’s Großvater soll sich bei der feindlichen Invasion im Jahre 1703 ausgezeichnet haben und dieser Umstand soll in dem Enkel das Verlangen, in gleicher Weise sich hervorzutun, geweckt haben.
Als der Vater unseres Speckbacher starb, war er 76 Jahre alt und hinterließ 8 Kinder am Leben. Sieben Jahre später folgte die Mutter dem Gatten ins Grab, und das ansehnliche Vermögen, welches vorhanden war, wurde für die zurückgelassenen, noch unmündigen Waisen von Vormündern ehrlich verwaltet.
Josef wuchs körperlich mächtig heran. Er liebte besonders die Jagd, und scheute vor keiner Gefahr zurück, auch nicht in Kämpfen mit Jägern und Wildschützen.
Um ihn von dieser Beschäftigung, bei welcher durch seine Waghalsigkeit selbst sein Leben bedroht war, einigermaßen abzuziehen, gelang es seinen Verwandten und älteren Brüdern, ihn in eine feste Anstellung beim Bergbau zu bringen.
Im Jahre 1794 verheiratete sich Speckbacher mit Maria Schmiederer von Rinn, einem braven Mädchen, das ein schönes Anwesen besaß. Von diesem Besitzthum rührt die ihm geschichtlich gewordene Bezeichnung: „Der Mann von Rinn“. Er erwarb sich bald allgemeine Achtung und wurde auch zum Mitgliede des Gerichts-Ausschusses gewählt. (Constantin von Wurzbach: Speckbacher, Joseph. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich; 36.Theil, Wien 1878, S. 119–130)
Im Zuge der bairischen Besiedelung und Landnahme im 5./6. Jahrhundert gehörte Hall zum Inntalgau. Die Vogteigewalt der späteren Grafschaft Tirol wurde von den Bischöfen von Brixen an die Grafen v. Andechs verliehen, die ihren Stammsitz am Ammersee in Oberbayern hatten, jedoch von Amras aus in Tirol herrschten. Die erste urkundliche Erwähnung der Andechser erfolgte 1070, 1248 starben sie aus. Albert III. (*1180, †1253), der letzte aus dem Geschlecht der Tiroler Grafen, Vogt v. Trient und ab 1210 auch von Brixen, erwarb den Tiroler Besitz der Andechser und der Grafen v. Eppan und vereinigte die Grafschaften im Gebirge zum Land Tirol. 1254 wurde dieses als „dominium“ oder „comecia Tyrolis“ bezeichnet. Durch die Ehe seiner Tochter Adelheid mit Meinhard III. v. Görz (Meinhard I. v. Tirol) ging das Erbe der Tiroler Grafen an die Görzer Grafen über. 1363 trat Margarethe Maultasch das Land Tirol an die Habsburger ab.
Als einfacher Schütze in dem Kampf um Spinges
Bereits beim Kampf um Springes war Josef Speckbacher 1797 als einfacher Schütze beteiligt gewesen. Springes liegt in der Gemeinde Mühlbach, am Übergang vom Puster- in das Eisacktal auf 1105 m Höhe.
Unter dem Kommando des Generals Joubert waren im März 1797 französische Truppen über Trient und Bozen bis Brixen marschiert.
Am 2. April 1797 hatten österreichische Truppen, zusammen mit dem Tiroler Landsturm, die Franzosen angegriffen.
Es hatte sich der heroische Kampf um Springes entwickelt, bei dem sich besonders die Tiroler Landstürmer aus den Gerichten Sonnenburg und Rettenberg auszeichneten. Unter diesen auch Josef Speckbacher, der als einfacher Schütze unter dem Befehl von Major Dr. Philipp von Wörndle mitkämpfte. Die Tiroler hatten die ihnen zugeteilte Munition sehr rasch verschossen. Mit dem von Philipp von Wörndle ausgegebenen Losungswort: „Schlagen, schlagen!“ stürmten die Tiroler mit ihren primitiven Schlag- und Stichwaffen und mit umgedrehten Gewehren, auf die bestens ausgerüsteten französischen Truppen los.
Über die Magd Katharina Lanz (*1771 in St.Vigl, †1854), die als „Mädchen von Springes“ in die Geschichte einging, wird berichtet:
„Man sah hier unter anderen eine Bauernmagd aus Spinges, die mit zusammengegürtetem Unterkleide und fliegenden Haaren auf der Friedhofsmauer stehend die anstürmenden Feinde mit ihrer kräftig geführten Heugabel hinunterstieß.“
Andreas (Anderl) Speckbacher
Am 26. Februar 1798 wurde Josef Speckbacher der Sohn Andreas geboren. Der Bub erbte das feurige Wesen des Vaters: Am 29. Mai 1809, im größten Kartätschenfeuer der Franzosen bei der Innbrücke in Hall, erlebte Speckbacher, als Anführer der Bauernstreitmacht, einen gewaltigen Schreck. Im wildesten Kampfgetümmel sah er plötzlich seinen damals elfjährigen Buben neben sich, der es zu Hause nicht mehr aushielt und mitkämpfen wollte. Der Vater brachte den Sohn aus der Kampfzone und befahl ihm, daheim bei der Mutter zu bleiben und ihr im Hauswesen zu helfen.
Als Speckbacher am 22. September 1809 in seiner Befehlsstelle in St. Johann im Bärenwirt einen Kriegsrat abhielt, sah er durch das Fenster hinter einer Unterinntaler Kompanie einen bewaffneten Knaben: wiederum war es sein Sohn! Die Mutter hatte den Buben auf eine entlegene Alm geschickt, doch der Junge brannte durch und schloss sich einer Schützenkompanie an.
Man steckte den Buben in einen Schützenanzug und, da er barfuß war, erhielt er Schuhe und dazu einen Hut mit der dazugehörenden Schützenfeder.
Der Vater, schwankend zwischen Zorn und Freude, nahm seinen Jungen zu sich und dieser mußte ab nun all die Gefahren und großen Beschwerden der Märsche und wilden Gefechte an Vaters Seite bestehen.
In der Schlacht von Mellek am 17.10.1809 wurde Andreas von bayrischen Soldaten gefangen. Seinem Vater gelang die Flucht, obwohl er durch Kolbenstöße in die Nieren schwer verletzt wurde. Andreas wurde vom bayrischen König stark gefördert: er wurde in eine Schule gesteckt, lernte Latein, Italienisch und Französisch, hatte auch Musikunterricht und war siebenmal der Erste seiner Klasse. Nach sieben Jahren wurde er nach Hause entlassen.
Nur 36 Jahre alt, starb Andreas Speckbacher am 25.3.1834 als Jenbacher k.k. Bergwerks- und Hüttenverwalter und wurde am Friedhof in Hall beerdigt. Aus seiner Ehe mit Aloisia Mayr stammten die Töchter Luise (†1893) und Emilie (†1912).
Die „Innsbrucker Nachrichten“ berichteten am 20. September 1913:
Der Todesmut der Tiroler
In allen überlieferten Berichten wurde das todesmutige Verhalten der aufständischen Tiroler hervorgehoben. Man muss nicht sehr tief graben, um die Ursache für die schweren Wunden in der Tiroler Seele und für deren Verhalten im Kampf mit den Besatzern zu finden: Es war die völlige Missachtung der menschlichen Würde, die sich in der bewussten Verletzung der religiösen Bräuche und Gefühle, der Missachtung von Jahrhunderte alten Freiheiten und Traditionen, sowie der sehr brutalen Behandlung durch die Eroberer äußerte.
Als ein anschauliches Beispiel unter vielen, sei hier ein Bericht des Aufstandsplaners und Zeitzeugen, Freiherr Josef von Hormayr, wiedergegeben. Hormayr berichtete über das schriftlich niedergelegte Entsetzen des bayerischen Generalleutnants Fürst Karl Philipp von Wrede, (*1767, †1838) über das keine Grenzen mehr kennende Rauben, Morden, Sengen und Brennen seiner eigenen Soldaten.
In einem Tagesbefehl an seine Soldaten, ausgegeben in seinem Tiroler Hauptquartier in Ellmau am 12. Mai 1809, schrieb sich der Generalleutnant Wrede seine totale Fassungslosigkeit von seiner Seele:
„Ich habe heute und gestern, wo ich Ursache hatte, über so manche tapfere That der Division zufrieden zu sein, Grausamkeiten, Mordthaten, Plünderungen, Mordbrennereien sehen müssen, die das Innerste meiner Seele angriffen und mir jeden frohen Augenblick, den ich bisher über die Thaten der Division hatte, verbittern.
Wahr ist es, Soldaten! Wir haben heute und gestern gegen rebellische, durch das Haus Oesterreich und dessen kraftlose Versprechungen irre geführte Unterthanen unseres allgeliebten Königs gekämpft: aber wer hat euch das Recht eingeräumt, selbst die Unbewaffneten zu morden, die Häuser und Hütten zu plündern und Feuer in Häusern und Dörfern anzulegen??
Soldaten! Ich frage euch, wie tief sind heute und gestern eure Gefühle von Menschlichkeit gesunken? Blicket zurück auf den Weg von Lofer hierher, auf die Brandstätten, auf die geplünderten Dörfer, auf jene Leichen, die ohne Waffen in der Hand gemordet worden sind.
Euer General, dessen einziger Stolz und Glückseligkeit es war, wann eure moralischen Handlungen, euere Disciplin eueren militairischen Thaten gleichblieben, spricht mit Thränen in den Augen zu euch und sagt euch, daß eure Gefühle von Menschlichkeit in Grausamkeit ausgeartet sind.
Ich fordere euch auf, von heute an wieder das zu sein, was ihr sein sollet und müsset, Soldaten und Menschen. Ich schmeichle mir, die Mehrheit unter euch wird meiner Stimme folgen; sollten gegen Erwarten Unwürdige unter euch sein, die von heute an noch einen Unbewaffneten morden, die Häuser plündern und anzünden, so bin ich gezwungen, Beispiele zu geben, die solchen schändlichen Handlungen angemessen sind. Einen solchen Plünderer, Mörder oder Brenner todt schießen zu lassen, würde zu ehrenvoll für ihn sein; ich erkläre daher, daß der Erste, der noch eine solche schimpfliche Handlung begeht, am ersten Baume aufgehangen wird.
Ich befehle, daß gegenwärtiger Tagesbefehl heute und morgen dreimal bei der gesammten Mannschaft verlesen werden soll, ebenso, daß morgen früh um 3 Uhr die beiden Herren Brigadiers, das Artilleriecommando und das dritte Chevauxlegers-Regimentscommando alle Tornister, Mantelsäcke und Wägen, ebenso die Marquetenderwägen visitieren lassen sollen und daß ohne Unterschied alles geraubte Gut der Mannschaft abgenommen, dem hiesigen Pfarrer zur Übersendung nach St. Johann und Rückerstattung an die Eigenthümer gegen Schein übergeben werden soll. Der Herr Regiments-, Bataillons- oder Batterie-Commandant, von welchem noch ein Mann auf dem Marsche austritt und betreten wird, daß er in ein Haus gehet, oder den Biwak bei Tage oder bei Nacht verläßt, wird acht Tage lang durch Profosen zu Fuß auf dem Marsche geführt und wenn es zum zweiten Mal geschieht, seiner Majestät dem König gemeldet werden.
Wrede, Generallieutenant“.
(In: Josef Hormayr: „Das Land Tyrol und der Tyrolerkrieg von 1809. Zweiter Theil. Geschichte Andreas Hofer’s Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyroler im Kriege von 1809“, 2. Auflage; Leipzig 1845, S. 112ff)
Die Tiroler wehrten sich in schier übermenschlichem Wagemut. Im Distrikt von Hall war Josef Speckbacher die Seele des Aufstandes. Ein Erlebnis- und Augenzeuge von 1809 berichtete über Speckbacher‘s Wesen:
„Bei Gefechten ihn anordnen oder befehlen zu sehen, war in der That etwas Ungewöhnliches (…) In einer Minute war er hier und dort, allüberall; er hatte dann etwas Unnennbares, Unheimliches, ja Dämonisches, jeder Zoll wahrhaftiger Krieger, jeder Nerv ein Mann der That.“ (Zitiert aus: Kaufmännische Zeitschrift“, Wien, 1. Januar 1882)
In einer wertvollen, äußerst akribisch verfassten Diplomarbeit unter dem Titel: „Tote Tiroler“ (Universität Innsbruck 2009) mit vielen Tabellen und erforschten Namen der Gefallenen, dokumentierte Peter Andorfer die Zahl der im Jahre 1809 gefallenen deutschsprachigen Tiroler mit etwa 1.367. (https://totetiroler.acdh.oeaw.ac.at/static/webpage/pdf/Andorfer_Totetiroler_2009.pdf)
Vier solcher Standeslisten, auf denen die unter Josef Speckbacher kämpfenden Tulfer Schützen angeführt sind, werden im Pfarrarchiv Tulfes aufbewahrt. (Quelle: „Heimatkundliche Beiträge des Museums- und Kulturvereines St. Johann in Tirol“, Nr. 14, Herbst 2009)
Steinlawinen als eine Waffe der Tiroler
Die Tiroler wehrten sich mit allen Mitteln und ließen sogar vorbereitete Steinlawinen auf die Besatzer niedergehen, wie der Historiker Meinrad Pizzinini berichtet:
„Schützen und Landsturmaufgebote unter der Führung von Joachim Haspinger, dem ‚Pater Rotbart‘, Josef Speckbacher und Peter Mayr hatten sich das Gelände zunutze gemacht und Steinlawinen vorbereitet, die auf die Soldaten niederbrausten. … Nicht nur die zielsicheren Stutzen taten ihre Wirkung, die von den Hängen herabdonnernden Steinlawinen verbreiteten besondere Schrecken und begruben viele Feinde unter sich.“ (Meinrad Pizzinini: „Andreas Hofer“, Wien 1984, S. 137 und S. 139)
Ein berühmter bayerischer Historiker rühmte Josef Speckbacher
Der 1897 durch den Prinzregent Luitpold mit dem Ritterkreuz des „Verdienstordens der Bayerischen Krone“ ausgezeichnete bayerische Historiker Karl Theodor Ritter von Heigel, Mitglied in der Abteilung für Wissenschaft des Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst, sowie korrespondierendes Mitglied in der Preußischen Akademie der Wissenschaften und Ehrenbürger der Stadt München, schrieb in der „Allgemeine Deutsche Biographie“ über Josef Speckbacher eine berührende Lebensgeschichte, die hier in Auszügen zitiert werden soll:
„Josef Speckbacher war sein Leben lang ein Draufgänger, er zeichnete sich durch Schlauheit und einen ans Tollkühne grenzenden Mut aus. Er wurde als ein Feuergeist, Feuerkopf, als tollkühner Unfried, Insurgent, Halunke, kühner Recke, unerschrockener Haudegen, Räuberhauptmann, Rebellenchef und als Held von Rinn bezeichnet.
Speckbacher hatte ausdruckvolle Gesichtszüge, ein ungemein scharfes Auge, eine hohe Gestalt, festen Körperbau und ungewöhnliche Muskelkraft. Auch seine Geisteseigenschaften erhoben ihn über Andere. Er vereinigte Scharfsinn und Kühnheit in seinen Plänen, volle Beharrlichkeit und unaufhaltsame Energie, oft Verwegenheit in der Ausführung, Muth und List in Noth und Gefahr. Immer thatkräftig und rasch entschlossen, schwankte er selten in der Wahl der Mittel. Dem Hause Oesterreich mit Leib und Seele zugethan, voll feuriger Liebe zu den heimathlichen Bergen, im Innthal überall gekannt und geachtet, war Niemand bereiter, der Volksbewaffnung sich anzuschließen, und Niemand geeigneter, eine wichtige Rolle dabei zu übernehmen.“
Vom österreichischen Feldmarschall Chasteler, schrieb Heigel, „ist schriftlich bezeugt, daß Joseph S. bei Beginn der Erhebung treffliche Dienste leistete, indem er allenthalben die Landsleute zu den Waffen rief und heimlich organisirte, die baierischen Munitionsvorräthe ausspähte und deren Aufhebung einleitete und nach Eröffnung der Feindseligkeiten mit seinen Rinnern und Tulfesern immer an den gefährlichsten Punkten scharmuzirte; auch wird von Chasteler mit Recht als Hauptverdienst Speckbacher’s hervorgehoben, daß er bei jeder Gelegenheit seine Landsleute zu Gehorsam und Achtung gegenüber den österreichischen Civil- und Militärbehörden anhielt.
Bei den Kämpfen am Berg Isel (29. Mai) befehligte ‚Herr Spöck‘, wie ihn Andreas Hofer in seinen Briefen titulirte, die erste Colonne, welche als äußerster rechter Flügel gegen Hall und Volders vorging und die Brücken, welche an beiden Punkten über den Inn führten, nach heißem Streit eroberte und sprengte. Nach dem Abzug der Baiern folgte ihnen S. bis Kufstein, doch blieben alle Bemühungen, auch diese Bergveste zur Uebergabe zu zwingen, erfolglos. Als nach Bekanntwerden des am 12. Juli zu Znaim abgeschlossenen Waffenstillstands die österreichischen Truppen Tirol räumten, schickte sich auch S. an, das Land zu verlassen; er fuhr mit einigen Officieren vom Corps Buol durchs Pusterthal.
Da, bei St. Nepomuck unfern Bruneck, kam das Gefährt des Weges, in welchem Hofer von Lienz zurückkehrte, wo er die officielle Botschaft des Waffenstillstands erfahren hatte. Kaum gewahrte er seinen Freund S. in solcher Gesellschaft, so rief er ihm zu: ‚Seppel, auch Du willst mich im Stich lassen? Sie führen Dich in die Schand’!‘ Der Vorwurf schnitt S. in die Seele; ohne sich weiter um die Oesterreicher zu bekümmern, ohne auch nur nach seinem Hut zu greifen, sprang er aus dem Wagen und kehrte mit Hofer wieder um.
In den folgenden Kämpfen mit Marschall Lefevbre zeigte er insbesondere bei Vertheidigung des Stilfserjochs neben persönlichem Muth auch eine natürliche taktische Begabung, die sogar die geschulten, kriegserfahrenen Officiere der französischen Armee in Erstaunen setzte. Dagegen scheint auch die für den Bauernaufstand so verderblich gewordene Ausdehnung des Kampfes auf baierisches Gebiet hauptsächlich auf Speckbacher’s und Haspinger’s Einfluß zurückzuführen zu sein. …
Am 16. August leitete S. den Angriff auf Lofer, dann streifte er bis Reichenhall und Berchtesgaden. In einem öffentlichen Aufruf mahnte ‚Joseph S., erster Postencommandant‘, die Bewohner des Salzkammerguts, sich den Tirolern anzuschließen; falls sie sich weigern würden, könne er‚ in seinem ferneren Kriegsplan keine Neutralität geben, und die Tiroler würden dann in diesem Fall die Gegenden auf ihrem Kriegszug mit Feuer und Schwert verwüsten.‘
Namentlich in diesen Tagen bewährte sich S. als ein Mann von seltener Thatkraft, Unerschrockenheit und Ausdauer, wie ihn Rückert besang: ‚Der Speckbacher! Der Speckbacher! Wenn der die Schützen rief! Der Tag und Nacht, und Nacht und Tag dem Feinde auf dem Rücken lag, und selbst des Nachts nicht schlief!‘
Speckbacher und Haspinger gaben sich der ausschweifenden Hoffnung hin, sie könnten auch die Kärthner und Steirer für sich gewinnen und dann jählings aus den Bergen hervorbrechend, die französische Armee an der Donau im Rücken angreifen. Als aber im October französische und baierische Truppen auf drei Linien zugleich durch Inn-, Puster- und Etschthal in Tirol eindrangen, konnten auch die wagehalsigsten Anstrengungen Speckbacher’s und anderer Anführer die überlegene Macht nicht mehr aufhalten.
Am 17. October erlitt S. bei Melegg unweit Unken, wahrscheinlich infolge eigener Unvorsichtigkeit, eine furchtbare Niederlage. Er selbst entrann nur mit Mühe der Gefangenschaft; schon hatten baierische Soldaten ihn zu Boden gestreckt und durch Stöße mit den Gewehrkolben fürchterlich zugerichtet, da raffte er sich nochmals auf und entkam, mit seiner Büchse wie ein Wahnsinniger um sich schlagend, auf das steile Gebirge. Sein Sohn Anderl aber und mehrere Hundert Genossen wurden gefangen genommen.
Mit dem Tag von Melegg waren die Abtheilungen Speckbacher’s und Firler’s, die zu den besten des Landsturms gezählt hatten, theils vernichtet, theis zersprengt; die Tiroler hatten noch im ganzen Kriege keine so entscheidende Niederlage erlitten. Trotzdem ließ sich S. nicht abschrecken, er sammelte neuen Anhang und nochmals wurde das Innthal der Schauplatz kühner Thaten der Landesvertheidiger.
Doch auf die Dauer ließ sich gegen die erdrückende Uebermacht nicht ankämpfen; Verwirrung und Schrecken verbreiteten sich im Lande, und Eintracht fehlte gerade da, wo sie am nothwendigsten gewesen wäre, im Kriegsrath der Bauern. Von Mühlthal aus erließ S. am 5. November ‚an alle Gemeinden und treuen Tiroler‘ einen Aufruf, der Hofer’s Entschluß, den Brenner zu behaupten, bekannt gab, alle Tiroler zur Unterstützung mahnte und die Säumigen mit Confiscirung ihrer Habe, Ausschließung vom Gottesdienst, sogar mit Landesverweisung bedrohte. Doch solche Worte fanden nicht mehr den begeisterten Anklang, wie in der ‚Gnadenzeit‘ der unerhörten Erfolge. Kirchthurm-Interessen machten sich geltend, Hofer’s Plan wurde verworfen, der Landsturm vertheilte sich zur Vertheidigung der einzelnen Thäler.
Als endlich am Abschluß des Friedens, wodurch das Wiener Cabinet die Tiroler preisgab, nicht mehr zu zweifeln war und sich bei Prüfung der Lage jedem als Gewißheit aufdrängen mußte, daß die Fortführung des Kampfes nur den Ruin des Landes nach sich ziehen werde, beschloß auch S. sich von der Bewegung zurückzuziehen. Während er bei seiner Frau in einer Sennhütte zu Stallsinns verweilte, kam an ihn ein Brief des baierischen Generals Siebein, wodurch ihn dieser in Kenntniß setzte, daß
König Max Joseph den als Gefangenen nach München geschleppten Anderl aufs freundlichste aufgenommen habe und auf seine Kosten im kgl. Erziehungsinstitut studiren lasse; mit dieser erfreulichen Nachricht war die Aufforderung verbunden, S. möge sich unterwerfen und auch seine Landsleute bestimmen, daß sie die gefallene Entscheidung und den Frieden respectirten.
Zu gleicher Zeit kam aber auch Anzeige von Hofer, daß er den Kampf fortzusetzen gedenke, und S. griff wieder zur Büchse. Um nicht als Abtrünniger zu erscheinen, setzte er, wie Rapp naiv beklagt – es war doch nur die Aussicht auf Erfolg, nicht der Charakter der Bewegung verändert – ‚sein wahnsinniges, revolutionäres Treiben fort‘. Ein neuer Aufruf blieb aber fast gänzlich wirkungslos. Noch ein zweites Mal erbat und erhielt er einen Sicherheitspaß; als er aber trotzdem fortfuhr, das Landvolk aufzuwiegeln, wurde ein Steckbrief gegen ihn erlassen und demjenigen, der ihn todt oder lebendig einbrächte, eine namhafte Belohnung zugesichert.
Nun mußte er in der Flucht auf unwegsame Berge Rettung suchen. Nach entsetzlichen Strapazen gelangte er zu seinem Hof in Rinn; hier brachte er, im Düngerhaufen versteckt, in beständiger Furcht vor Entdeckung und Gefangennehmung zwei Monate zu; dann erst wagte er die Flucht nach Steiermark fortzusetzen. Er kam glücklich nach Wien, wo ihm Kaiser Franz ein Gnadengehalt von tausend Gulden auswarf.
In Wien lernte ihn der Berliner Diplomat Bartholdy kennen; aus diesen Beziehungen erklärt sich, daß S. in dem 1814 erschienenen Buch Bartholdy’s ‚Der Krieg der Tiroler Landsleute im Jahre 1809‘ unverhältnißmäßig bedeutsam in den Vordergrund der Ereignisse gerückt ist.
Hormayr macht sich deshalb über den Geschichtsschreiber, der sich von dem schlauen Tiroler ‚einseifen‘ ließ, weidlich lustig; andrerseits steht ebenso fest, daß der eifersüchtige Hormayr in seinen Schriften über den Tiroler Aufstand die Wirksamkeit Speckbachers wie auch die Andreas Hofers allzu gering anschlägt.
‚Der kecke, verschlagene Rinner Gebirgsschütze‘ sagt Josef Egger, ‚repräsentirte mit dem gutmüthigen, frommen Sandwirth ebenso treffend das tirolische Bauernthum, wie Achill und Odysseus das griechische Heroenthum.‘
Ein von S. in Scene gesetztes und von Kaiser Franz unterstütztes Unternehmen, in Ungarn eine Colonie von ausgewanderten Tirolern und Vorarlbergern anzulegen, endete mit entschiedenem Mißerfolg. Schon der Platz, den S. und Thalguter aussuchten, war in keiner Weise zur Ansiedlung geeignet und ebenso wenig waren die Colonisten von ‚Königsgnad‘ der Aufgabe gewachsen. Als 1813 nach dem Uebertritt Oesterreichs zu den Verbündeten eine neue Volkserhebung in Tirol geplant wurde, begab sich auch S. mit den kaiserlichen Truppen in seine Heimath und leistete bei den Kämpfen mit den Franzosen gute Dienste. (…)
Nachdem er am 17. Oktober 1809 bei Unken und Mellek geschlagen wurde, flüchtete Speckbacher nach Wien, wo er von Kaiser Franz persönlich belobigt und mit einer Medaille ausgezeichnet wurde. Dort wurde er auch im Mai 1810 damit beauftragt die geflüchteten Tiroler in Südungarn anzusiedeln und war so an der Gründung des Dorfes Tirol im heute rumänischen Teil des Banats beteiligt.
Speckbacher hielt sich bis 1814 in Wien auf und wohnte in dieser Zeit bei seinem Kampfgefährten Jacob Troggler. Erst als 1814 Tirol wieder mit Österreich vereinigt wurde, konnte Speckbacher sicher nach Hall zurückkehren, wo er als k.k. Major seinen Ruhestand verbrachte.“ („Allgemeine Deutsche Biographie“, Band 35, Leipzig 1893, S. 78–81)
Früher Tod und Grablegung in Hall und dann in Innsbruck
Im Alter von nur 53 Jahren, am 28. März 1820, starb Josef Speckbacher in Hall an Nierenversagen. „Die Verwundung von Melleck hatte jedoch seine Gesundheit so stark erschüttert, daß Speckbacher das Gut in Rinn verkaufen mußte und sich in Hall ansiedelte, wo er vermutlich an den Folgen seiner Verletzung starb“, schrieb der Historiker Richard Schober. (In:„Speckbacher Josef, Landesverteidiger und Bauer“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1830. Bd.13, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2010)
Unter der Teilnahme vieler tausender Tiroler, darunter auch vieler Mitkämpfer von 1809, wurde Speckbacher am 30. März 1820 in Hall zu Grabe getragen. Zu seinen Ehren zogen mehrere Schützenkompanien vor seinem Sarg auf. In der Kirche St. Nikolaus in Hall findet sich die Grabinschrift mit folgendem Text:
„Im Kampfe wild doch menschlich auch im Frieden still und den Gesetzen treu war er als Krieger, Unterthan, und Mensch der Ehre wie der Liebe werth. Joseph Speckbacher, Tiroler Landesschützen Mayor, geboren zu Gnadenwald am 13. Juli 1767, gestorben zu Hall am 28. März 1820, am 28. Juni. 1858 wurden die Gebeine nach Innsbruck in die Hofkirche übertragen.“
Der Vertraute von Andreas Hofer, Kapuzinerpater Joachim Haspinger, genannt „Pater Rotbart“, starb am 12. Jänner 1858 in Salzburg. Am 27. Jänner wurde ein feierliches Requiem in der Innsbrucker Hofkirche zu seinen Ehren abgehalten und am 26. Februar ordnete der Kaiser die Überführung von Haspinger an die Seite von Andreas Hofer in die Hofkirche an, wo Haspinger dann am 16.3.1858 beigesetzt wurde.
Es war sicherlich kein Zufall, dass im gleichen Jahr 1858 durch ein Handschreiben vom 20. April von Kaiser Franz Josef I. die Anordnung für die Überführung der Gebeine von Speckbacher von Hall in die Innsbrucker Hofkirche getroffen wurde. Seither ruhen seine sterblichen Reste neben denen von Andreas Hofer und Pater Haspinger. Seit 1935 ruht hier ebenso der von Wien überführte Ausgräber des Sandwirts in Mantua, Leutnant Georg Hauger.
Der Gedenkstein in der Hofkirche enthält die Inschrift: „Josef Speckbacher k.k. Landesschützenmajor, geb. im Gnadenwalde 13. Juli 1767, gest. zu Hall 28. März 1820. Unter den getreuen Kämpfern des Jahres 1809 hervorragend durch seine rastlose Tapferkeit.“
Die „Bozner Zeitung“ Nr. 53 vom Samstag, 3. Juli 1858 berichtete über die endgültige Grablegung: