Liebe Landsleute, liebe Freunde Südtirols!
In der nachstehenden Dokumentation zeigen wir, wie in Südtirol das Gedenken an die ebenso tragischen wie wichtigen Ereignisse der „Feuernacht“ des Jahres 1961 stattgefunden hat.
In der Feuernacht hat sich die Verzweiflung einer Volksgruppe entladen, die Jahrzehnte lang staatlicher Unterdrückung ausgesetzt gewesen war und die den eigenen Untergang vor Augen hatte. Mit dem Schlag der „Feuernacht“ wollten der tief religiöse Frangarter Sepp Kerschbaumer und seine Mitverschworenen die Weltöffentlichkeit auf das Unrecht aufmerksam machen.
Tragischer Weise kam damals der bei dem Straßendienst ANAS beschäftigte Italiener Giovanni Postal ums Leben, als er bei der Salurner Klause eine an einem Baum angebrachte nicht detonierte Sprengladung entschärfen wollte und diese dabei detonierte. Mit der Fällung des Baumes hätte eine symbolische Grenzschranke an der Sprachgrenze dargestellt werden sollen.
Bevor die Gedenkveranstaltungen für die Feuernacht begannen, haben Reinhard Gaiser, Ehrenhauptmann der Schützenkompanie Sepp Kerschbaumer in Eppan sowie ich bei seinem Marterle mit dem Abbrennen einer Kerze und der Niederlegung eines Blumengesteckes auch seines tragischen Todes gedacht.
Zum Gedenken an den von einem italienischen Agenten ermordeten Freiheitskämpfer Luis Amplatz hat der Künstler Hannes Tribus ein Portrait von ihm als Ölgemälde erstellt, welches der Südtiroler Heimatbund nun auf einer Postkarte wiedergegeben hat.
Mit Tiroler Gruß!
Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)
Öffentlicher Dank an die Freiheitskämpfer
Am 8. Juni 2021 traten Vertreter der Landtagsfraktion „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF), darunter Dr. Eva Klotz, die Tochter des verstorbenen Freiheitskämpfers Georg Klotz, mit großen Buchstaben vor den Südtiroler Landtag. In ihrer Presseerklärung hieß es dazu:
„Die Freiheitskämpfer der 60er Jahre haben ihre Gesundheit und ihr ganzes Leben dafür geopfert, dass wir Süd-Tiroler unsere Volksgruppenrechte erlangten. Ohne die Feuernacht, mit der die Weltöffentlichkeit auf das Süd-Tirol-Problem aufmerksam gemacht wurde, hätte Italien die Autonomieverhandlungen weiter verzögert und die Italianisierung ungehindert fortgeführt. Es ist uns daher ein besonderes Anliegen, den Süd-Tiroler Freiheitskämpfern vor dem Landtag auch offiziell für ihren Einsatz zu danken, so die Landtagsabgeordneten Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle. Das, was die Süd-Tiroler Freiheitskämpfer für unsere Heimat und unser Volk geleistet haben, ist keine Selbstverständlichkeit, ihnen gebührt dafür unser Dank und unsere Anerkennung!
Umso verwerflicher ist es daher, dass jene Freiheitskämpfer, die sich durch ihre Flucht nach Österreich vor Folter, Kerker und gezielter Ermordung retten konnten, noch immer im Exil leben müssen und nicht zu ihren Familien nach Süd-Tirol zurückkehren dürfen. Es ist höchst an der Zeit, endlich einen Schlussstrich unter dieses leidvolle Kapitel zu ziehen und dafür Sorge zu tragen, dass diese Helden unserer Heimat endlich heimkehren dürfen.“
Mit Plakaten und großen Buchstaben vor dem faschistischen „Siegesdenkmal“ in Bozen erinnerte die „Süd-Tiroler Freiheit“ an die Feuernacht.
Die Gedenkfeier in Bruneck
Am 11.Juni 2021 fand, veranstaltet von dem Bezirk Pustertal des Südtiroler Schützenbundes, auf dem Rathausplatz in Bruneck eine würdige Feier statt, zu der an die 400 Teilnehmer gekommen waren, um der Feuernacht zu gedenken die sich zum 60. Mal jährte.
Damals als sich Südtirol auf einem Todesmarsch befand, wie es Kanonikus Michael Gamper formuliert hatte, wurden in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni, in ganz Südtirol an die 40 Strommasten gesprengt oder schwer beschädigt. Im Pustertal war die Gruppe der „Puschtra Buibm“ aktiv gewesen. Sie mussten nach Österreich flüchten und erhielten in einem Abwesenheitsprozess, von dem sie nur aus der Zeitung erführen, langjährige Haftstrafen. In einer Videobotschaft berichteten die drei noch lebenden Buibm Sepp Forer, Heinrich Oberleiter und Siegfried Steger über ihren Einsatz in den Sechziger Jahren.
Die ehemalige SVP-Landesrätin Martha Stocker hielt eine Gedenkrede und trat für die Begnadigung der immer zwangsweise aus der Heimat verbannten „Puschtra Buibm“ ein, ebenso wie der Bürgermeister Roland Grießmair, welcher die Grußworte der Stadtgemeinde Bruneck überbracht hatte.
Beleuchtete Strommasten
Der Südtiroler Schützenbund ließ im ganzen Land gut sichtbare Strommasten rot beleuchten und gab dazu bekannt: „Damit möchten wir Schützen Dank und Anerkennung für jene Männer und Frauen zum Ausdruck bringen, die für die Freiheit unseres Landes so große Opfer gebracht haben. Nicht zuletzt wurde durch die Feuernacht und den darauffolgenden Ereignissen der Großteil des heutigen Wohlstandes überhaupt erst ermöglicht.
Die rote Beleuchtung soll aber auch an die Polizeigewalt erinnern, der damals unser Volk ausgesetzt war. Durch die Polizeigewalt gab es Verletzte und Tote. Bis heute hat sich das offizielle Italien noch nie für diese Schandtaten entschuldigt. Die stille Beleuchtung steht für die demokratische Diskussion und die gewaltfreie Umsetzung unseres Strebens nach mehr Freiheit und Unabhängigkeit.“
Das Gedenken in Frangart
Am 12. Juni 2021 veranstaltete der „Südtiroler Schützenbund“ in Zusammenarbeit mit dem „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), einer von ehemaligen politischen Häftlingen und Freiheitskämpfern gegründeten Vereinigung, die für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt, in Frangart eine Gedenkfeier.
Frangart ist der Heimatort des von den Carabinieri 1961 verhafteten und schwer gefolterten Gründers des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS), Sepp Kerschbaumer. Dieser war in der Folge in italienischer Haft zu Tode gekommen.
Vor dem Kerschbaumer Gedenkstein versammelten sich mehr als 200 Schützen aus Südtirol, aber auch aus Welschtirol. Zahlreiche Zivilisten, darunter sehr viele Jugendliche, waren ebenfalls gekommen.
Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“, begrüßte alle Anwesenden und sagte: „Heute gedenken wir der beispiellosen Frauen und Männer, die ihr Leben selbstlos in den Dienst der Heimat stellten und für den Erhalt der Tiroler Volksgruppe in ihrer Eigenart ihre Freiheit, Gesundheit und sogar das Leben hingaben.
Es ist heute allgemein anerkannt, dass diese Politik der rücksichtslosen Überfremdung nur durch die Südtirol-Aktivisten gestoppt werden konnte. … Südtirol muss wieder auf den Weg der Sicherung der deutsch- und ladinisch- sprachigen Volksgruppe gebracht werden. Wir müssen uns wieder auf unser Tiroler Wurzeln und die positiven Werte unserer Identität, unseres Brauchtums und unserer Traditionen besinnen.
100 Jahre Zwangsehe mit Italien sind genug. Sie waren schwer genug zu ertragen. Schluss damit!“
Im Rahmen der Feier übergab Roland Lang den Schützen das von Hannes Tribus gemalte Portrait des Freiheitskämpfers Luis Amplatz.
Anschließend folgte ein Wortgottesdienst, der von Diakon Hermann Pirpamer gehalten wurde.
Die Historikerin und Leiterin des „Haus der Tiroler Geschichte“ in Bozen, Frau Dr. Margareth Lun sprach anschließend über „Die Frauen und Kinder der Freiheitskämpfer“. Sie berichtete über ihre Begegnungen mit Freiheitskämpfern und deren Frauen bzw. Witwen sowie über Gespräche mit Mitbürgern über den Freiheitskampf.
Der Ehrenlandeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Elmar Thaler, fragte in seiner Gedenkrede „Brennt das Feuer in uns noch?“ und fuhr dann fort: „Seit ich denken kann beschäftigt mich die Frage was unsere Freiheitskämpfer den letztendlich angetrieben hat, diesen schon damals ungleichen Kampf David gegen Goliath zu riskieren. Einerseits scheint es ja verständlich. Nach zwei verwehrten Selbstbestimmungen 1919 und 1946, in einer Situation, in der die eigenen Leute haben auswandern müssen, weil sie keine Arbeit und keine Wohnung bekommen haben, und nachdem die eigenen Heimat vom Staat mit Italienern geflutet worden war – da wird das Feuer freilich gelodert haben.
Andererseits, um dieses Feuer sprichwörtlich in Energie zu verwandeln, braucht es dann doch noch ein wenig mehr. Kerschbaumer selbst hat es einmal in einem Flugblatt geschrieben: „Wir dürfen nicht auf fremde Hilfe hoffen, wenn wir nicht alles getan haben, was in unserer eigenen Kraft liegt.“
Es sei, sagte Thaler, „viel zu selten … ein offizielles Wort des Dankes gekommen, für jene die sich in ganz Tirol, in Österreich und in Deutschland für Südtirol eingesetzt haben und beispielsweise auch heute noch nicht nach Südtirol einreisen dürfen.
Mir läuft es jedes Mal eiskalt über den Rücken wenn ich nur daran denke – und ich habe höchste Hochachtung und Bewunderung vor jedem, der in jener schweren Zeit nicht einfach abgewartet hat, sondern mutig zur Tat geschritten ist und ein hohes Risiko auf sich genommen hat. Nicht nur des persönlichen Scheiterns, sondern auch das Risiko, damit nicht genügend Durchschlagskraft zu haben. Euch dafür zu tadeln ist leicht; deshalb versuchen sich so viele darin.“
Thaler schloss seine Rede mit folgenden Worten: „Die Männer, die vor über 60 Jahren ihr Leben für die Heimat gaben, sie haben einen hohen Preis bezahlt. Und damit sie ihn nicht umsonst bezahlt haben, sollten wir einstehen, wofür sie ihr Leben gaben. Für die Freiheit unserer Heimat. So wie es andere Völker in Europa uns versucht haben vorzumachen, hingefallen sind und wieder aufstehen.
Wir dürfen nicht auf fremde Hilfe hoffen, wenn wir nicht alles getan haben, was in unserer eigenen Kraft liegt – mit diesem Bewusstsein gehen wir hinaus, entzünden morgen Bergfeuer und zugleich auch wieder die Feuer in unserem Herzen. Die Worte von Sepp Kerschbaumer sollen uns Vermächtnis bleiben.“
Die Gedenkfeier fand ihren Abschluss mit einer Heldenehrung und Kranzniederlegung. Die Ehrenkompanie „Sepp Kerschbaumer“ aus Eppan feuerte eine Ehrensalve ab und dann stimmte die Musikkapelle Frangart das Lied vom „Guten Kameraden“ und die Landeshymne an.
Skurrilitäten
Natürlich durfte bei dem Gedenken an „60 Jahre Feuernacht“ eine zu erwarten gewesene Begleitmusik nicht fehlen.
Das Bozner italienische Nationalistenblatt „Alto Adige“ berichtete mit großer Schlagzeile , dass in „Frangarto“ der „Heimatbund“ dem „Zusammenleben eine Ohrfeige“ verpasst hätte.
Eine ähnliche Meinung wurde von unbekannter Hand auf einem in Welschtirol (Trentino) in italienischer Sprache gehaltenen Plakat des Südtiroler und Welschtiroler Schützenbundes und des Heimatbundes angebracht.
Der handschriftliche Kommentar lautete auf Deutsch: „Die Akte des Terrorismus sind zu verdammen! Die Feuernacht? = Zur Kristallnacht !!!!! (Anm.: Die Nacht, in der in der NS-Zeit Juden grausam verfolgt wurden) Schützen = Nazi schämt euch!!!“
In der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ erklärte der aus Norddeutschland zu uns herab gekommene Historiker Dr. Rolf Steiniger in einem großen Artikel den Lesern, dass sie die Autonomie nicht wegen, sondern trotz der kontraproduktiven Feuernacht bekommen hätten. Dr. Steininger genießt das Wohlwollen der hohen Politik und darf an der landeseigenen „Freien Universität“ in Bozen lehren. Wenn man seiner Argumentation folgt, dann war Rom offenbar von bestem Willen erfüllt, den Südtirolern eine gute Autonomie zu geben und hat dies auch trotz der Feuernacht aus lauter Edelmut getan. Wie wunderschön!
Schade ist nur, dass der damalige Landeshauptmann und Parteiobmann der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) Dr. Silvius Magnago als Südtiroler Chefunterhändler und „Vater der Autonomie“ die Dinge völlig kurzsichtig anders gesehen hat:
Ohne diese Taten keine „19er Kommission“
„Ich gebe auch zu: Wenn diese Taten nicht passiert wären, hätte es keine 19er Kommission gegeben.“ (Magnago am 30. August 1994 in einer „Club 2“-Diskussion im ORF über das Entstehen der vom italienischen Innenminister Scelba ins Leben gerufenen „19er Kommission“, welche sich mit der Ausarbeitung des 2. Autonomiestatutes befasste.)
Bedeutender Beitrag zur Erlangung der Autonomie
„Die Anschlage von damals und die darauffolgenden Prozesse gehören, genau, wie vieles andere, zur Nachkriegsgeschichte Südtirols und stellen einen bedeutenden Beitrag zu dieser Geschichte und zur Erreichung einer besseren Autonomie für Südtirol dar.“ (Dr. Silvius Magnago im Südtiroler SVP-Parteiorgan „Volksbote“ am 8. April 1976.
Traurig, dass Staaten sich erst rühren, nachdem Gewalt angewendet wurde
„Die Einsetzung der 19er-Kommission ist sicher unter dem Eindruck des damals Geschehenen erfolgt; es ist nur traurig, feststellen zu müssen, wie so oft auf dieser Welt, Staaten sich erst dann rühren, nachdem Gewalt angewendet wurde, anstatt dass diese zeitgerecht und in Ausübung ihrer demokratischen Befugnisse und Pflichten zum Rechten sehen.“ (Dr. Silvius Magnago. am 24. März 1976 auf der Landesversammlung der SVP in Meran. Quelle: ,,30 Jahre Pariser Vertrag“, herausgegeben von der Parteileitung der Südtiroler Volkspartei (SVP)
Attentate gaben wesentlichen Anstoß zu ernsthaften Verhandlungen
„Die Attentate der Feuernacht haben einen wesentlichen Anstoß zu ernsthaften Verhandlungen gegeben.“ (Dr. Silvius Magnago am 24. März 1976 auf der Landesversammlung der SVP in Meran. Quelle: FF-Illustrierte Nr. 23, 2011)
Die 19er Kommission wurde aufgrund der Anschläge gegründet
„Diese Kommission wurde nicht infolge der Proteste Österreichs oder unseres Zutuns gegründet, sondern weil Gewalttaten in Südtirol passiert sind.“ (Magnago im Interview mit der Tageszeitung „KURIER“ vom 6. 12. 1990)
Anschläge haben zu Verhandlungen und zu dem neuen Autonomiestatut geführt
„Und dann kam es zur Feuernacht. Ich muss hier ganz klar sagen, dass diese Sprengstoffanschläge zu friedlichen Verhandlungen geführt haben und letztendlich zum neuen Autonomiestatut. Hätte es diese Anschläge nicht gegeben, wäre keine 19er Kommission gebildet worden, die die Aufgabe bekommen hat, sich mit der ganzen Autonomieproblematik, sagen wir, zu befassen und der Regierung neue Vorschläge zu unterbreiten.“ (Magnago im Interview in „Dolomiten“ vom 7. August 1991)
Schade, dass Dr. Magnago nicht mehr lebt. Sonst hätte er sich diese falschen Ansichten von Dr. Steiniger korrigieren lassen können.