Bild: Siedlungen der Langobarden in Norditalien
von Georg Dattenböck
Der römische Historiker Tacitus verfasste eine ethnographische Beschreibung von Germanien in der Zeit des zweiten Konsulats des Kaisers Trajan, am Höhepunkt römischer Macht.
Unter den vielen nördlich lebenden Stämmen erwähnte Tacitus auch kurz die Langobarden:
„Dagegen macht die Langobarden die geringe Zahl berühmt: inmitten zahlreicher, sehr starker Stämme sind sie nicht durch Gefügigkeit, sondern durch Kampf und Wagemut geschützt“ [„Germania“, 40. Kap.; Stuttgart 1971].
Ein langobardischer Adeliger und Mönch aus dem Kloster Monte Cassino namens Paulus Diakonus schrieb, nach Verfasseransicht im 10. Jahrhundert, mit großer persönlicher Anteilnahme, einen Teil der Geschichte seines Volkes, bricht jedoch mitten in der Erzählung ab, weil er möglicherweise starb.
[Paulus Diakonus: „Historia Langobardorum“, übersetzt von Otto Abel, Essen/Stuttgart 1986.
Zur Geschichte der Langobarden empfehlenswerte Literatur: Wolfgang Haubrich: „Langobardisch-fränkische Ortsnamen in Oberitalien: Zu den toponymischen Typen Stuttgart, Gamundio und Herstall / Wardstall“ in: „Namenkundliche Informationen NI“ 109/110, S. 269-290, 2017;
Walter Pohl/Peter Erhart: „Die Langobarden. Herrschaft und Identität. Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse“ Bd. 329 – Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, Wien 2005; „Die Langobarden“: Katalog zur Ausstellung im Rheinischen Landes-Museum Bonn 2008-2009;
Winfried Menghin: „Die Langobarden – Archäologie und Geschichte; Stuttgart 1985; ders.: „Gotische und langobardische Funde aus Italien“; Nürnberg 1993;
Jörg Jarnut: „Geschichte der Langobarden“; Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1982].
Über die nebelhaft-mythischen Ursprünge berichtete P. Diaconus: „Es gibt nämlich eine Insel, die Skadan [Skandinavien] genannt wird, das heißt im Norden, und da wohnen viele Völker. Unter diesen war ein kleines Volk, das man Winniler nannte (…). Es erhoben sich nun gegen sie die Herzöge der Wandalen, nämlich Ambri und Assi mit ihrem Volk und sprachen zu den Winnilern: ‚Entweder zahlt uns Zins oder rüstet euch zum Streit und streitet mit uns. (…)“
Die Winniler siegten und „seit der Zeit wurden die Winniler Langobarden genannt. Und danach brachen die Langobarden auf und kamen nach Golaida und hierauf besaßen sie Aldonus, Anthaib und Bainaib und Burgundaib“ [Literatur dazu: Birger Nerman: „Die Herkunft und die frühesten Auswanderungen der Germanen“, Stockholm 1924; Horst Kelling: „Parum, Kreis Hagenow. Ein Langobardenfriedhof des 1. Jahrhunderts. Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburgs“, Bd. 5, Schwerin 1986; Dr. Gerhard Körner: „Die südelbischen Langobarden zur Völkerwanderungszeit; Bd. 4, Hildesheim/Leipzig 1938; Ralf Bosch: „Die Langobarden. Von der Unterelbe nach Italien“. Katalog zur Ausstellung 1988, Neumünster 1988].
Im Kontext mit archäologischen Erkenntnissen ist anzunehmen, daß die Langobarden von der unteren Elbe (Bardengau?) durch die Siedlungsgebiete der im Osten zurückgebliebenen Reste der Burgunder und dann weiter nach Böhmen/Mähren zogen (im südmährischen Kyjov – deutsch Gaya -, südöstl. von Brünn, wurden über 240 langobardische Gräber gefunden).
Von dort aus besetzten sie 489 unter Führung ihres Königs Godeoc das Rugierland (heutiges Wald- und Weinviertel nördlich der Donau), nachdem zuvor (487) der römisch-germanische Heermeister Odoaker die Rugier unter ihrem König Fewa geschlagen hatte.
Unter Führung von König Tato, dem Enkel von Godeoc, zogen sie in das Marchfeld östlich von Wien und besiegten 510 in Pannonien die Heruler unter deren König Rodulf:
„Und es stritt Tato mit Rodulf, dem König der Heruler, und tötete ihn und trug seinen Banner und seinen Helm davon. Nach ihm hatten die Heruler keinen König mehr“ [P. Diaconus, w.o.].
Mit der Unterstützung des byzantinischen Kaisers Justinian I. siedelten die Langobarden nach diesem erfolgreichen Kampf unter ihren Königen Wacho und dem auf diesen folgenden König Audoin, in ganz Westpannonien, einschließlich des heutigen Burgenlandes. [Literatur dazu: Eduard Beninger/Herbert Mitscha-Märheim: „Das langobardische Gräberfeld von Nikitsch, Burgenland. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland“, Heft 43, Eisenstadt 1970; Peter Stadler: „Das langobardische Gräberfeld von Mödling, Niederösterreich“ in: „Archaelogia Austriaca“ 63, Wien 1979].
Die Grabfunde in Pannonien zeigen, daß damals die Langobarden auffallend groß (ø 1,8 m) und muskulös waren, ihre Frauen waren ebenfalls sehr groß (ø 1,7 m).
Ihre nunmehr östlichen Nachbarn, die gotischen Gepiden, konnten die Langobarden 567, im Bündnis mit den Awaren, ebenfalls noch besiegen, die übermächtigen Awaren, deren Herkunft und Sprache heute immer noch umstritten ist, jedoch nicht mehr.
[Einen fundierten Überblick über die damalige Lage gibt der Althistoriker Roland Steinacher: „Rom und die Barbaren. Völker im Alpen- und Donauraum 300-600“; Stuttgart 2017; siehe dazu auch Walter Pohl: „Die Gepiden und die Gentes an der mittleren Donau nach dem Zerfall des Attilareiches“ in: Herwig Wolfram/Falo Daim (Hrsg.): „Die Völker an der mittleren und unteren Donau im fünften und sechsten Jahrhundert.“ Hg. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse. Denkschriften. Band 145, Veröffentlichungen der Kommission für Frühmittelalterforschung, Band 4, Wien 1980; Walter Pohl: „Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567–822 n. Chr.“, München 2002].
Daher sah Langobardenkönig Alboin für die Zukunft seines (geschätzten) 100 bis 150.000 Köpfe zählenden Volkes nur mehr den Einmarsch in das geschwächte Italien als einzigen Ausweg an. Man kann diesen folgenschweren Entschluss Alboins auch als eine ziemlich überstürzte Flucht vor den Awaren beurteilen.
Von Trient aus beherrschte der im Dienst des byzantinischen Feldherrn Narses stehende herulische Heermeister Sinduald mit 3000 Reitern die Heerstraße via claudia augusta und die Brennerstraße. Sinduald empörte sich gegen Narses, wurde von diesem jedoch am Fluß Brenta, der südöstlich von Trient entspringt, geschlagen und zur Abschreckung sogleich gehängt. Diese militärische Schwäche der Römer/Byzantiner nutzte den Langobarden:
„Am Tage nach dem heiligen Osterfest, dem zweiten des Monats April im Jahre der Menschwerdung des Herrn 568“ [Paulus D., w.o.], zogen die Langobarden, als letztes Germanenvolk in einer langen Vorgängerreihe, mit großen Viehherden, mit all ihrem Hab und Gut, mit vielen Sklaven, im Gefolge auch kleinere Gruppen, darunter an die 20.000 Sachsen, über die Pässe der Julischen Alpen, in Friaul/Venetien ein. 2000 Gespanne umfaßte der Treck und war an die 50 Kilometer lang, berichtet Jürgen Misch [„Die Langobarden. Das große Finale der Völkerwanderung“, S. 154, Pfaffenhofen/Ilm 1977].
„Als nun König Alboin mit seinem ganzen Heer und einem großen Haufen allerlei Volks an die äußerste Mark Italiens kamen, bestieg er einen Berg, der sich dort erhebt, und beschaute Italien, soweit als er hineinsehen konnte“ [Paulus D., w.o.].
Es kann der Monte Matajur (1642 m) gewesen sein, von dem aus ein sehr weiter Rundumblick gegeben ist. Die römischen Sperrwerke der „Claustra Alpium Iuliarum“ im Birnbaumerwald leisteten keinen Widerstand, Cividale wurde kampflos besetzt und wurde in der Folgezeit ein kulturell berühmtes langobardisches Zentrum. Im durch die Pest, Kriege und Hunger entvölkerten Land regte sich nirgends ein Widerstand, Ausnahme waren die befestigten Städte: Mailand, Padua, Mantua und Pavia, das erst nach drei Jahren fiel.
Die später nach den Langobarden benannte Lombardei wurde 569 bis zur Region Piemont im Westen, vom Lago Maggiore und Gardasee im Norden, bis zunächst zum Po im Süden, langsam und dünn besetzt. Es kam zu ständigem Wechsel des Königssitzes zwischen Verona und Mailand, am Ende wurde jedoch Pavia bevorzugt, wo von 647 bis 1050 zweiunddreißig katholische Bischöfe bekannt sind, davon werden 22 ausdrücklich als „Ultramontani“, also als Deutsche bezeichnet. Noch 200 Jahre nach dem langobardischen Einmarsch gab es geschlossene gepidische, sarmatische, suebische und norische Dörfer, berichtet Paulus Diaconus. Nur die große Gruppe der Sachsen wurde immer unzufriedener mit ihrer Lage und sie zogen schließlich in einem abenteuerlichen Marsch nach Norden, zurück in die Heimat.
Carl Freiherr v. Czoernig berichtete 1885 über zentrale Siedlungsplätze der Langobarden [„Die alten Völker Oberitaliens – Italiker (Umbrer), Raeto-Etrusker, Raeto-Ladiner, Veneter, Kelto-Romanen. Eine ethnographische Skizze“; Wien 1885]: „Der Mittelpunkt der langobardischen Ansiedlung in der Lombardei war die Brianza.“
Vom Comer See im Norden bis zum Gebiet von Monza im Süden, von Seveso im Westen bis nach Bergamo im Osten, läßt sich dieses Zentrum definieren. Czoernig schrieb weiter, daß die Vasallen der langobardischen Fürsten ‚durch die große Glocke auf dem Brianzaberge gerufen wurden, und dort zeigen sich noch dem forschenden Blick die leisen Spuren des alten Langobarden-Volkes. Namentlich im südöstlichen Theile dieses Landstriches gewahrt man die Leute mit heller Gesichtsfarbe, blonden Haaren und blauen Augen, welche sich von der Umgebung durch ihren stillen und ruhigen Charakter und durch ihren ungewöhnlichen Fleiß in der Bebauung ihrer Scholle unterscheiden. Der Verfasser sah dort in der späten Nacht einen Bauer, welcher bei einer an den Pflug befestigten Laterne seinen Acker bestellte. Diese Gegend war auch der österreichischen Regierung besonders anhänglich, und es erhoben sich im Jahre 1799 vor der Ankunft der österreichischen Truppen die dortigen Bewohner zu einem Aufstande gegen die Republikaner.“
Die Langobarden waren berühmte Reiterkrieger und ihr Heer hatte, verteilt über das Land, deshalb auch größere Gehege für die Pferdeherden. Haubrich schrieb [w.o. S. 270], daß ausschließlich nördlich des Po, im Piemont, bei Bergamo, Brescia und Verona diese Gehege, mhd. „stuot-garte aus voralthochdeutsch *stôda-gardôn“ gelegen sind und dokumentiert dies mit vielen urkundlichen Hinweisen, wie z.B. aus dem Jahr 989: „Stodegarda“ bei Brescia, im 11. Jhdt.: „Stoerda“ im Piemont, 1006 und 1095: mit „vicus Stodegarda“ bei Poirino (Turin), 1221: „Scoegarda“ bei Olive (Verona), ebenso gleich bei Longare (Vicenza), 1263 und 1493: „Stuthigarda“ bei Bergamo, ein Hofname „Stolegarda“ bei Varese und ein Ortsname „Stulengarius“ aus Sirmione am Gardasee.
Langobardischer Reiter – Beschlag vom Prunkschild aus Stabio Kanton Tessin/Ticino, Schweiz. Im um 1837 unsachgemäß geborgenen Grab 1 von Stabio befanden sich die Beschläge eines Schildes, ein Goldblattkreuz, eine Spatha und eine Lanze, sowie ein Bronzegefäß zu Füßen des Verstorbenen. (…) Die Beschläge waren ursprünglich auf einem gewölbten Schild aus Holz angebracht, der möglicherweise mit Leder überzogen war und einen Durchmesser von 60 bis 70 cm gehabt haben dürfte. Sie bestehen aus feuervergoldetem Bronzeblech und weisen eine Reihe erhaltener Nieten auf, mit denen sie am hölzernen Schild befestigt waren. Dieser Reiter war im äußeren Kreis des Schildes montiert. Exponate in der Ausstellung „Die Langobarden. Das Ende der Völkerwanderung“ vom 22.08.2008-11.01.2009 im Rheinischen LandesMuseum Bonn. Leihgaben aus dem Historischen Museum Bern.
Das mit dem Reichsadler gebesserte Wappen der Visconti mit der Herzogswürde von Mailand (aus: „Wernigeroder (Schaffhausensches) Wappenbuch“, 15. Jh.; Bayerische Staatsbibliothek München, Cod.icon. 308 n). Die Visconti leiteten ihren Ursprung aus den Grafen v. Angloria her, die angeblich Nachkommen langobardischer Könige waren.
Das Wappen der Visconti (lat. Vicecomites) geht auf eine langobardische Überlieferung zurück: Sinnbild ist die langobardische Snake oder Unk, was sich auch aus der Verwendung der Schlange in der Symbolik der skandinavischen Runengrabsteine ergibt: die Schlange ist die Bringerin des neuen Lebens, des Kindes.
In der „Vita Sancti Barbati“ wird berichtet, daß die zwar getauften Langobarden trotzdem noch immer an ihren alten Vorstellungen und Bräuchen hingen. Sie verehrten eine goldene Schlange und den heiligen Baum (Irminsul), an dem eine Tierhaut aufgehängt war, durch welche Reiter rückwärts den Speer schleudern mußten: ein nordischer Kultbrauch zur Zeit der Wintersonnwende.
Das „Ökumenische Heiligenlexikon“ berichtet: „Vom heiligen Barbatianus (= der aus der Fremde stammende) berichtet Petrus Damiani in einer kurzen Notiz über die Akten des Barbianus, eine romanhafte Heiligenlegende, die wohl im 9., sicher vor dem 11. Jahrhundert verfaßt wurde. Unzweifelhaft ist also nur, daß Barbatianus Priester am Johannes dem Täufer geweihten Kloster in Ravenna war. Seine Gebeine werden in einem Sarkophag aus dem 6. Jahrhundert in der Kathedrale in Ravenna verwahrt.“
Eine langobardische goldene Schlage – archäologisches Fundstück. (Aus Katalog „Die Langobarden – von der Unterelbe nach Italien“. Veröffentlichung des Hamburger Museums für Archäologie und die Geschichte Harburgs. Neumünster 1988, S. 41)
Starke Bindungen der Langobarden zu den Baiern
Nicht nur die sehr engen verwandtschaftlichen Bindungen zwischen den frühen Führungsgeschlechtern der Baiern und Langobarden sind historisch evident, sondern auch die Ansiedelung vieler langobardischer Sippen im bairischen Stammesgebiet werden laufend archäologisch erschlossen, so z.B. in Waging a. See [s. dazu: Ronald Knöchlein: „Das Reihengräberfeld von Waging am See“, Hg.: Verein für Heimatpflege und Kultur Waginger See e.V.].
Knöchlein schrieb (S. 42): „Schon lange vor dem Eckdatum 568 war spätestens um 540 eine mehr als Dutzend Individuen umfassende Personengruppe aus den (…) Wohnsitzen der Langobarden donauaufwärts nach Westen gelangt und hatte die Gründergeneration in Waging maßgeblich geprägt. Waging steht unter diesem Gesichtspunkt keineswegs allein. Noch weiter westlich, wie z.B. in der Münchner Schotterebene, läßt sich zur gleichen Zeit wie in Waging, eine Präsenz langobardischer Gruppen feststellen.“ [s. dazu auch: Stephanie Keim: „Kontakte zwischen dem alamannisch-bajuwarischen Raum und dem langobardenzeitlichen Italien“, Dissertation, München 2003].
Langobardenkönig Audoin (*῀515; †῀560) war in 1. Ehe mit der bairischen Herzogstochter Rodelinde verheiratet, aus dieser Ehe stammte König Alboin. Von daher erklären sich die vielen langobardischen Siedlungen in Baiern.
Agilulf war Herzog der Stadt Turin, als er am 15. Mai 589 an der Hochzeit von König Authari mit Theodolinde (*῀570, †627, Grab im Dom zu Monza) teilnahm. Theodolinde war die Tochter des bairischen Herzogs Garibald I. und der Walderada, eine Tochter des Langobardenkönigs Wacho. Theodelinde und ihr Vater waren mit dem Papst Gregor I. befreundet.
Nachdem König Authari am 5. September 590 gestorben war, wurde Herzog Agilulf Anfang November 590, durch Heirat der Witwe Theodelinde, Nachfolger des Authari. Im Mai 591 wurde Agilulf durch die Mehrheit der langobardischen Herzöge anerkannt und gekrönt.
Doch nicht alle waren mit ihm als König einverstanden, aber er setzte sich mit sehr harten Maßnahmen durch: Zangrolf v. Verona und Mimulf, der eine Insel namens Isola San Giulio im Ortasee im Piemont beherrschte, ließ er 593 als Gegner hinrichten.
„Die Agilulf-Platte zeigt die älteste bekannte Darstellung eines germanischen Herrschers auf dem Thron und bezeugt die Übernahme der römischen Tradition des triumphierenden Fürsten. (…) Zu beiden Seiten des Throns stehen Leibgardisten. Der König trägt das lange Haar und den langen Bart der Langobarden, jedoch keine Krone. In der rechten Hand hält er das Schwert als Zeichen seiner militärischen und richterlichen Gewalt [Text von Herwig Wolfram in: „Das Römerreich und seine Germanen.“ Weimar/Köln 2018].
Auch der Herzog Gaidulf v. Bergamo rebellierte und verschanzte sich auf der einzigen Insel des großen Comer See, wurde von Agilulf begnadigt, nach erneuter Rebellion 593 jedoch ebenfalls hingerichtet. Herzog Ulfari von Treviso, wie ebenso auch die Herzöge Gaidoald v. Trient und Gisulf v. Friaul, rebellierten. Agilulf schlug diese Aufstände 602 nieder und begnadigte die Rebellen.
König Agilulf (†615) war, wie ursprünglich die Langobarden seit 565, arianisch-christlichen Glaubens, jedoch waren sie damals noch stark ihrer alten, nordischen Glaubenswelt verhaftet. Als christliche Schutzpatrone wählte sich dieses Kriegervolk zielstrebig zwei streitbare Heilige: die beiden Drachentöter St. Michael und St. Georg.
Agilulfs Gattin Theodolinde war jedoch katholisch und war eine sehr starke Persönlichkeit. Auf ihren großen Einfluß und Betreiben hin wurden die Langobarden langsam Katholiken, darunter auch ihr Sohn, Adaloald (auch Adalwald, *602 Monza, †626, von 615 an König), der vom Bischof v. Trient katholisch getauft wurde und eine Tochter des Frankenkönigs Theudebert II. ehelichte.
Seine religiöse Toleranz zeigte Agilulf, als er dem irischen Missionar Columban im Jahr 612 für die Gründung des später berühmten Klosters San Colombano in Bobbio bei Piacenza viel Land schenkte. Bobbio wurde religiöses Zentrum gegen den Arianismus (!) und besaß eine der größten Bibliotheken des Mittelalters. Unter der Herrschaft Napoleons wurde das Kloster Bobbio 1803 aufgelöst. Napoleon scheute auch nicht davor zurück, sich mit der Eisernen Krone der Langobarden am 26. Mai 1805 im Mailänder Dom zum König von Italien krönen zu lassen.
Die sogenannte ‚Eiserne Krone‘ der Langobarden wird im Altartabernakel in der Kapelle der Theudelinde (Cappella di Teodolinda) des Doms von Monza aufbewahrt. Im Wappen des Königreichs Italien war sie als Helmzier abgebildet. Die Krone besteht aus einem sechsteiligen, grün-emaillierten und mit 22 Edelsteinen besetzten Goldreif. Er wird im Inneren von einem Metallring zusammengehalten, der der Legende nach aus einem Nagel vom Kreuz Christi hergestellt wurde. Es erscheint jedoch nach neueren Forschungen fraglich, daß die Krone von ihrer heutigen, inneren Befestigung ihren Namen hat, die weder aus Eisen besteht, noch in die Entstehungszeit zurückreicht. Vielmehr könnte sie zu früheren Zeiten einen weiteren, inzwischen verlorenen, tatsächlich eisernen Bügel gehabt haben. Eine nähere Untersuchung ergab, daß Wachsbestandteile aus dem Zeitraum um 500, also dem Übergang von der Antike zum Mittelalter, stammen könnten (…) Die chemische Analyse von 1993 ergab zwei aufeinander folgende, noch frühere Entstehungsperioden einzelner Bestandteile um 450/500 und um 800 Das würde eine Anfertigung in der Völkerwanderungszeit, also zur Herrschaft der Langobarden bestätigen. (s. dazu: Wikipedia > Eiserne Krone).
Die langobardischen Arimannen im südlichen Tirol
Die Langobarden hatten historisch zweifellos auch einen starken Bezug zum südlichen Tirol (dem späteren Welsch-Tirol), vor allem durch jene die Grenzen sichernden bäuerlichen Kriegersippen, Arimannen genannt. Dieser Name wird vom germanischen Hariman = Heermann, altnordisch hermaðr, abgeleitet.
Noch am Ende des 10. Jhdts. werden urkundlich hunderte dieser Arimannen in Italien erwähnt, darunter z.B. ein Rainer v. Ravenna, dessen Vater Teudegrimm und dessen Mutter Ingelrada hießen. Allein im Umkreis von Ravenna an der Adria bestanden im 10. Jhdt. noch drei arimannische Siedlungen: Consandolo, Ficarolo und Trento [Regesta Imperii, II. Sächsische Zeit, 5. Abt. Papstregesten 911-1024].
Um das Jahr 575 erreichten die Langobarden den Raum bis kurz südlich vor Bozen. Damit hatten sie die militärstrategisch wichtige Talgabelung mit dem wohl dort stehenden Castrum Pons Drusi (in der deutschen Sage nach Ansicht des Verfassers ‚Brictan‘), in ihrer Hand. Es könnte sich um das heutige Sigmundskron handeln, das in dieser Talgabelung und hoch über Etsch und Eisack steht und erstmals urkundlich 945 als Formigar erwähnt und von Kaiser Konrad II. 1027 dem Bischof Udalrich II. v. Trient übergeben wurde. Die Beherrschung dieser Stelle war folgend für die Auseinandersetzungen mit den Franken von Vorteil: Herzog Ewin v. Trient konnte ein angreifendes fränkisches Heer bei Salurn schlagen.
Prof. Dr. Richard Heuberger schrieb ausführlich über diese Siedlungen der Arimannen im Süden Tirols [in: „Limes Tridentinus. Ein Beitrag zur Geschichte des spätrömisch-ostgotischen und byzantinisch-langobardischen Grenzschutzes“; in: „Voltelini-Festschrift, Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum“, Heft 12, Jg. 1932, Innsbruck].
Er berichtete, daß „der von Trient verwaltete Teil des Etschtales samt den zugehörigen Seitentälern durch Arimannen gesichert wurde, die an Stelle der römischen ‚milites limitanei‘ getreten waren (…). Auch die Langobarden werden sich (…) zunächst darauf beschränkt haben, die von ihnen im alpinen Flußgebiet der Etsch, im Sacratal und in der Valsugana vorgefundenen Kastelle und Talsperren für die Zwecke der Landesverteidigung zu nützen.“
Heuberger schrieb jedoch auch einschränkend (S. 50), daß sich im Einzelnen nicht feststellen läßt, in welcher Weise mit der Ansiedlung langobardischer Krieger im Herzogtum Trient und in dessen Nachbarschaft verfahren worden ist: ‚Denn die Arimannien dieser Gegenden werden (…) erst in den Urkunden des 12. Jahrhunderts und der Folgezeit genannt und sie erscheinen in diesen Quellen nur mehr als Landgüter, deren persönlich freie Inhaber bestimmte Abgaben, nicht aber Waffendienste zu leisten hatten.“
Der Toponomastik-Experte und Sprachforscher Dr. Egon Kühebacher bemerkte zu den Langobarden in Tirol [„Zur Geschichte der Sprachbewegungen in der deutsch-italienischen Grenzzone des Etschgebietes“ S. 273; in: „Das Südtiroler Unterland. Jahrbuch des Südtiroler Kulturinstitutes“, Bozen 1980]:
„Nach den Erkenntnissen der Geschichtsforschung entstand im Herzogtum Trient wie überall im Langobardenreich Siedlungen von Arimannen, das sind Krieger mit ihren Sippen, und zwar an politisch und wirtschaftlich wichtigen Orten. Arimannensiedlungen konnten bisher im Fleims- und Cembratal, am Nonsberg und bei Sopramonte nordwestlich von Trient, bei Civezzano und Arco gefunden werden; in jenem Teil des Trienter Herzogtums, der später für den deutschen Sprachraum gewonnen worden ist, also im Unterland und im Gebiet rechts der Etsch, sind solche Siedlungen bisher nur in Montan und Auer nachgewiesen. Wahrscheinlich kam es aber sowohl nördlich als auch südlich von Salurn zu weit mehr Niederlassungen langobardischer Leute. Man findet nämlich auch in diesem nördlichsten Teil des Herzogtums Trient viele Ausdrücke der Rechts-, Verwaltungs- und Militärsprache, die aus dem Langobardischen ins Romanische übernommen worden sind, urkundlich immer wieder belegt, ja sie drangen auch in die Amtssprache der Grafschaft Bozen ein, die ja mit Trient eng verbunden war.
Es erhebt sich nun die Frage, wie lange diese Langobarden ihre germanische Muttersprache bewahrt haben. Während eine gegen Ende des 10. Jahrhunderts in Salerno verfaßte Aufzeichnung meldet, daß die Langobarden die germanische Sprache bereits abgelegt hätten, äußert hundert Jahre früher Bischof Luitprand von Cremona im Namen der Langobarden ein starkes langobardisches Volksgefühl gegenüber den Romanen und einige Jahrzehnte vorher zeigte Paulus Diaconus Warnefried noch eine lebendige Kenntnis der langobardischen Muttersprache. Sicher ist das Absterben dieser Sprache nicht in allen Teilen Italiens gleichzeitig erfolgt, der letzte Beleg für ein langobardisches Sprachleben stammt aus dem Jahre 1000.“
Die Sprachenfrage war immer eine Machtfrage
„Die ‚gens Langobadorum‘ waren sprachlich mit Alemannen und Baiern eng verwandt“ [W. Haubrich, w.o.]
Dr. Egon Kühebacher stellte zu den Namen und der Sprache in Tirol fest: „Bei ihrer Siedlungstätigkeit haben die Bajuwaren in Tirol zunächst das von der rätoromanischen Bevölkerung gebrauchte geographische Namensgut übernommen und nur für die Neurodungen und Neugründungen deutsche Namen geprägt. Die Namen romanischer Herkunft wurden natürlich im Munde der neuen Siedler nach sprachimmanenten Lautgesetzen umgeformt. Sie verteilen sich wiederum ganz gleichmäßig in Nord- und Südtirol, tragen gleichsam das Signum zweier Sprachen auf der Stirn und spiegeln das Entstehen des heutigen Tiroler Volkes aus der vorromanischen und romanischen Grundschicht und der bairisch-alemannischen Volksschicht wider.“
[Dr. Egon Kühebacher: „Sprache und Namen im Dolomitenland- Beiträge zur Ortsnamenkunde Südtirols“, In: Eckartschrft 188, Wien 2007; siehe dazu auch: Dr. Otto Stolz: „Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden“; 3. Band, München und Berlin 1932; derselbe 1955: „Geschichte des Landes Tirol“, Innsbruck].
Die Kirchenführung war in der Gegenreformation stark bemüht, die deutsche Sprache zu verdrängen, da diese als gefährliche Sprache durch Luthers Reformation galt. Ein Kampfmittel dazu war, daß seit dem 17. Jahrhundert sich die deutschen Gemeinden ihre Pfarrer nicht mehr selbst wählen konnten, die bisher stets deutscher Herkunft waren. Immer öfter wurden italienische Geistliche eingesetzt, die verpflichtet waren, nur in Italienisch zu predigen, auch wenn sie die deutsche Sprache beherrschten.
Die Liste der Bischöfe von Trient legt jedoch nahe, daß es seit der Langobardenzeit auch im Herzogtum Trient bzw. der späteren Grafschaft Tirol eine Kontinuität des hier ansässigen Volkes gab. Die Namen der Bischöfe von Trient sind, bis auf wenige biblische Namen, durchwegs germanischen Ursprungs: Heimpert, Udalschalk, Adelgis, Fridebert, Gisulf, Bertald, Konrad I., Bernhard I., Lantram, Arnold, Rainoard, Udalrich I., Udalrich II., Hatto, Heinrich I., Bernward, Adalbero, Gebhard, Adelpret, Altmann, Arnold, Eberhard, Adalbert II., Albrecht I., Konrad II., Friedrich v. Wangen, Adalbert III., Gerhard I., Alderich, Egno v. Eppan, Heinrich II. usw. Auch das älteste Statut der Stadt Trient ist in Deutsch abgefaßt! Ebenso aufschlussreich ist die Bischofsliste von Verona, wo zunächst 28 Bischöfe mit römischen Namen aufscheinen und ab 802 bis 1200 werden fast ausschließlich Bischöfe mit deutschen Namen genannt, von 1070 bis 1118 sogar sieben Bischöfe in ununterbrochener Reihenfolge.
Das als Reaktion auf Luther zeitlich viel zu spät angesetzte „Konzil von Trient“ welches von 1545 bis 1563 mit Unterbrechungen tagte, wollte in drei Sitzungen die Frage klären, wie die Amtskirche mit der Reformation verfahren sollte. Erklärtes Ziel war, die „Mißstände innerhalb der Kirche“ zu beseitigen. Als Ergebnis wurde u.a. ein „Index der verbotenen
Bücher“ erstellt, es erfolgten viele Neugründungen von katholischen Schulen und
Priesterseminaren, die Anzahl der Kardinäle wurde von 24 auf 70 erhöht und die Bischöfe wurden zur regelmäßigen, persönlichen Berichterstattung nach Rom zitiert.
Als Folgeerscheinung des Konzils wurden die Ladiner und Deutschen im Bistum Trient weitgehend sprachlich italianisiert: In Tirol „kam es zu den letzten Änderungen der Bevölkerungsstruktur bis 1919 (…). In dieser Zeit verstärkte sich der italienische Einfluß im Trentino, was zum einen durch die Besetzung der Pfarreien mit italienischen Priestern und zum anderen durch die Zuwanderungen aus der Poebene verursacht wurde. Durch diese Entwicklung entstand die noch heute bestehende deutsch-italienische Sprachgrenze, südlich derer nur die deutschen Sprachinseln der Zimbern verblieben“ [Wikipedia > Risorgimento].
Dieser voranschreitenden Italianisierung wurde u.a. der Weg geebnet durch die Vornamensgebung bei der Taufe, der Änderung von Familiennamen (z.B.: von Nikolaus in Nicolussi), der in Italienisch gehaltenen Predigten, der ausgestellten Dokumente, bis hin zu den Aufschriften auf den Grabsteinen.
Wolf Schmid bemerkte zum Priesteraustausch [in: „Deutsche Sprachwelt“, Ausgabe 50, 2012/2013]: „Mit zunehmender Ausbreitung der Reformation hörten der ständige Zuzug und die Berufung deutschsprachiger Seelsorger aus dem Norden fast vollständig auf. Diese wurden durch Geistliche ohne deutsche Sprachkenntnisse aus dem Süden ersetzt, was auf die schulische Erziehung großen Einfluß hatte.“
Ein bemerkenswertes Buch schrieb Josef Bacher [„Die deutsche Sprachinsel Lusern“; Innsbruck 1905; in: „Quellen und Forschungen zur Geschichte, Litteratur und Sprache Österreichs und seiner Kronländer“].
Nach seinen umfassenden Darstellungen hatte das deutsche Sprachgebiet eine weitaus größere Ausbreitung in ganz Norditalien, als allgemein heute angenommen wird.
Karte von Bernhard Wurzer in: ‚Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien“, Bozen 1983. Wurzer: „Aus allen historischen Berichten ist zu entnehmen, daß ein großer Teil des Trentinos erst innerhalb der letzten 400 Jahre italienischsprachig geworden ist. Ein engmaschiges Netz bilden z.B. alle jene Orte, in denen der ehemalige Gebrauch der deutschen Sprache in Kirche und Amt nachgewiesen werden kann.“
Folgende Aufstellung des Verfassers über Ortsnamen in Welschtirol erhebt keinen Anspruch auf eine Vollständigkeit, da viele Weiler, Berg- und Flurnamen hier nicht berücksichtigt sind. Es ist auch nicht gewiß, wie viele der Namen bereits aus der langobardischen Zeit stammen.
deutsch | Italienisch | ||||
001 | Ahl am Etsch, auch Halla | Ala | 080 | Metzlan | Mezzana |
002 | Albian | Albiano | 081 | Moor | Mori |
003 | Aldein im Lagertal | Aldeno | 082 | Munglassich | Monclassio |
004 | Altspaur | Spormaggiore | 083 | Munig | Nomi |
005 | Andel | Andalo | 084 | Naag-Turbel | Nago-Torbole |
006 | Ardey | Daré | 085 | Nain | Nanno |
007 | Atzenach | Tenna | 086 | Neuenhaus | Castelnuovo |
008 | Aue | Avio | 087 | Neuspaur | Spornminore |
009 | Baume/Pfleif | Pieve di Bono | 088 | Nogareit | Nogaredo |
010 | Bedull | Bedollo | 089 | Nombel | Dambel |
011 | Bersaun | Bersone | 090 | Nußdorf | Volano |
012 | Bisein/Pysein, Kastell | Besenello | 091 | Oberpfeid | Fai della Paganella |
013 | Blein | Bieno | 092 | Oberpless | Belggio Superiore |
014 | Butschenach | Bocenago | 093 | Obertelf | Telve di Sopra |
015 | Brandtal | Vallarsa | 094 | Paluch | Pelugo |
016 | Bulben | Bolbeno | 095 | Pardatsch | Predazzo |
017 | Bund | Bondo | 096 | Paternion | Padergnone |
018 | Bunden in Tirol | Bondone | 097 | Pfaid | Faedo |
019 | Burg im Suganertal | Borgo Valsugana | 098 | Pfund | Fondo |
020 | Bregutz | Breguzzo | 099 | Pinzol | Pinzolo |
021 | Brissen | Bresimo | 100 | Plaiff | Calceranica al Lago |
022 | Bretz / Britsch | Brez | 101 | Pflaumb | Flavon |
023 | Breon | Brione | 102 | Pletzen | Pellizzano |
024 | Campden / St. Michael | Campodenno | 103 | Polai im Fersental | Palu del Fersina |
025 | Deyen | Daiano | 104 | Pommarül | Pomarolo |
026 | Diemmer/Dietmarsdorf | Dimaro | 105 | Porfür | Preore |
027 | Daun/Thann | Don | 106 | Potzach im Fassatal | Pozza di Fassa |
028 | Drau | Dro | 107 | Prax | Praso |
029 | Dursin | Dorsino | 108 | Primör | Fiera de Primiero |
030 | Eichberg | S. Orsola Therme | 109 | Ragel/Ragais | Ragoli |
031 | Eichholz | Rovere della Luna | 110 | Ramöl | Romall |
032 | Fafer | Faver | 111 | Randendorf | Villa Rendena |
033 | Fersen im Suganatal | Pergine Valsugana | 112 | Rautberg | Ronchio Valsugana |
034 | Florutz | Fierezzo | 113 | Rofereit | Rovereto |
035 | Fornas | Fornace | 114 | Romen | Romeno |
036 | Frenten | Brentonico | 115 | Ronz-Klens | Ronzo-Chienis |
037 | Gallnötsch | Caldonazzo | 116 | Roßbach | Calliano |
038 | Gaßlöss | Cavalese | 117 | Ruffreit-Mendel | Ruffre |
039 | Garnich | Garniga Terme | 118 | Rumes | Romo |
040 | Gereut | Frassilengo | 119 | Rundscheinberg | Roncegno Terme |
041 | Glöß | Cles | 120 | Rungaun | Roncone |
042 | Gofidach | Cavadago | 121 | Sagraun | Sagron Mis |
043 | Graun | Grauno | 122 | Sankt Lorenz | S. Lorenzo Banale |
044 | Grumeis | Grumes | 123 | St. Michael a. d. Etsch | S. Michele l’Adige |
045 | Imor | Imes | 124 | Sanzinnen | Sanzeno |
046 | Kaferlan | Capriana | 125 | Sarmunich | Sarnonico |
047 | Kaldrein | Carano | 126 | Schöffbrück | Nave San Rocco |
048 | Kalfein | Calavino | 127 | Sfrutz | Sfruz |
049 | Kalteis/Kalds | Caldes | 128 | Siraur | Siror |
050 | Kampdiel im Fassatal | Campitello di Fassa | 129 | Smarein | Samarano |
051 | Kanal St. Buf | Canal San Bovo | 130 | Spittal bei Yfän | Ospedaletto |
052 | Kanau | Cagno | 131 | Steineck | Stenico |
053 | Kastelpfund | Castelfondo | 132 | Stremben | Strembo |
054 | Kavedein | Cavedine | 133 | Tassol | Tassulo |
055 | Kavitzan | Cavizzana | 134 | Terzels | Terzolas |
056 | Klotz | Cloz | 135 | Teser im Fleimstal | Tesero |
057 | Komaun | Comano Terme | 136 | Thaul | Taio |
058 | Kommedür | Commezzadura | 137 | Thenn | Tenno |
059 | Koreth | Coredo | 138 | Thun | Ton |
060 | Korfelan | Croviana | 139 | Tonadik | Tonadico |
061 | Kronmetz | Mezzocorona | 140 | Trient | Trento |
062 | Kuen | Cunevo | 141 | Trumelberg | Trambileno |
063 | Kunden | Condino | 142 | Tscheiss | Cis |
064 | Lafraun | Lavarone | 143 | Tschimon | Cimone |
065 | Lagertaldorf | Villa Lagarina | 144 | Türtchen | Torcegno |
066 | Laifs | Lavis | 145 | Überwasser | Soraga |
067 | Larder | Lardaro | 146 | Vielgereuth/Folgraith | Folgaria |
068 | Lassen | Lasino | 147 | Vigg im Fasstal | Vignola Falesina |
069 | Leimtal | Terragnolo | 148 | Wald im Fassatal | Valda |
070 | Lifers | Livo | 149 | Walzburg | Vigolo Vattaro |
071 | Lissenach | Lisignano | 150 | Warren | Varena |
072 | Lohne-Lazes | Lone-Lases | 151 | Weißbach | Panchia |
073 | Löweneck | Levico Terme | 152 | Wermel | Vermiglio |
074 | Lusern | Luserna | 153 | Wulsan | Ossana |
075 | Maleit | Male | 154 | Zalban | Zambana |
076 | Malfein | Molveno | 155 | Zenten | Centa San Nicolo |
077 | Malusch | Maosco | 156 | Zimeck | Cimego |
078 | Matzin | Mazzin | 157 | Zimmers/Zimber | Cembra |
079 | Matzan im Taufers | Mezzano | 158 | Zivernach | Civezzano |
159 | Zustin | Giustino |
Die Zimbern, ihre Herkunft und ihre Sprache
Die Wissenschaft sagt heute über die Zimbern in den „Sieben und Dreizehn Gemeinden“, daß diese ursprünglich aus Baiern stammten, jedoch zunächst in der Ebene nördlich von Viacenza, am Fuß der Alpen siedelten. Die Mutterkirchen der Sieben Gemeinden waren: Arsie, Campese (Ganwiese), Marostica, Breganze und Caltrano, von dort aus wurden sie als Rodungsbauern nach Norden verpflanzt. Diese „Sieben Gemeinden“, die am Auslauf des Gebirgsstockes zwischen den Flüssen Brenta und dem Astico auf einer weiten Hochebene liegen, sind:
Asiago (deutsch: Sleghe = Waldschläge, daher die „Schlägler“);
Roane (deutsch: Roban);
Rozzo (deutsch: Rotz);
Gallio (deutsch: Ghel);
Fozza (deutsch: Vüsche);
Enego (deutsch Genebe = gegen Eben);
Lusiana (deutsch Lusan).
Nach der Volkszählung von 1854 hatten diese Gemeinden 22.742 Bewohner.
Auch die zimbrische Besiedelung auf der 900-1000 m hohen Hochebene von Folgrait (zimbrisch; hochdeutsch: Vielgereuth, ital. Folgaria), östlich von Rovereto (Rofreit), wird im 12. Jahrhundert von Sleghe aus erfolgt sein. Folgrait war bis in das 20. Jhdt. mit Lavròu, (zimbrisch; hochdeutsch Lafraun, ital. Lavarone) ebenfalls eine zimbrische Sprachinsel.
Durch Mussolini, Tolomei und deren faschistischer Terrorherrschaft wurde das Zimbrische insgesamt unterdrückt, verboten und durch das Italienische völlig verdrängt. Heute sprechen noch etwa 200 Menschen in Lusern ihre alte zimbrische Muttersprache.
Alter zimbrischer Mann. Foto aus dem 19. Jhdt., Archiv d. Verf.
Dr. Werner Robl schrieb, daß die „Kimbern, Juthungen und Bajuwaren in einer direkten Abstammungs- und Traditionslinie stehen“ [in: „Schlüssel zum Verständnis Bayerns. Kimbern, Juthungen, Bajuwaren, Zimbern: 4 Namen, 1 Volk, 2140 Jahre referierte Geschichte“ www.robl.de ]
Dr. Egon Kühebacher bemerkte zu den Zimbern [„Die deutsche Sprache in Oberitalien“, Seite 3 in: „Südtirol in Wort und Bild“ 2/1995], daß „sich in diesem deutschen Siedlungsraum ein eigenes Kulturleben entfalten konnte. Das Zimbrische, wie die dort einst verbreitete und heute nur mehr in Lusern lebende Form der deutschen Sprache seit dem 16. Jahrhundert genannt wird, war früher viel gepflegter und ausdrucksfähiger. Um 1840 war es noch eine richtige Hochsprache. Ihre ausgebildeten grammatischen und lautlichen Gesetzmäßigkeiten erforderten einen wesentlich höheren Grad von Redebeherrschung als das heute dominierende Venezianische. Es gab auch eine zimbrische Literatur in Form von Predigten, Gedichten, Totenklagen und mündlich überlieferten Sagen, ebenso eine Inkunabel in Form des berühmten Katechismus von 1604, eines der seltenen Bücher der Weltliteratur. Eine Neubearbeitung davon erschien in den Jahren 1813 und 1843, ein Zeichen, daß damals noch der Religionsunterricht in zimbrischer Sprache erteilt wurde. ‚Dar kloane Catechismo vor z’Beloseland vortraghet in z’Geprecht von Siben Kamün‘, wie diese Bearbeitung heißt, bringt in seinem Anhang vier „Malghe Gasang“, die in Lusern heute noch gesungen werden.“
Der zimbrische Wortschatz ist überwiegend bairisch mit typischen Ausdrücken, wie z.B.: erta (Dienstag), finzta (Donnerstag), foat (Hemd) und khrånebitt (bairisch Kranewitt = Wacholder). Es gibt einige altertümliche Wörter, die in anderen Gegenden schon sehr lange ausgestorben sind, so z.B. lüsnen (zuhören) und khödan (sagen, althochdeutsch quëdan).
Im „Zimbrischen Katechismus“ von 1602 lautete das zimbrische Vaterunser:
„Vater unzer derdo pist in die himele, gheaileget ber dain namo, zukem dain raik. Dain bil der ghesceghe also bia ime himele also in der erden. Ghibuz heute unzer teghelek proat. Unt vorghibe zu unzere sunte also bia bier vorgheben unzer soleghern. Sonder erluosuz von ubel.“ [Literatur über die Zimbern: Karin Heller/Luis Prader/Christian Prezzi: „Lebendige Sprachinseln. Beiträge aus den historischen deutschen Minderheiten in Italien“, 2004; M. v. Prielmayer: „Deutsche Sprachinseln“; in: „Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpen-Vereines“, S89ff, München 1905; Univ.-Prof. Dr. M. Mayr: „Welschtirol in seiner geschichtlichen Entwicklung“; in: „Jahrbuch des deutschen und österreichischen Alpen-Vereines“, München 1907; Julius Pock: „Deutsche Sprachinseln in Wälschtirol und Italien mit besonderer Berücksichtigung der Enclaven Tischelwang, Sautris und Bladen“, Innsbruck 1892].
„Salt bouken kan Ljetzan – Seid willkommen in Lietzan“
Es gab zur Herkunft der Zimbern auch andere Thesen, u.a. vom Sprachforscher Bruno Schweitzer, der durch seine „Grammatik der zimbrischen Sprache“ und durch eine 1948 veröffentlichte Abhandlung über „Die Herkunft der Zimbern“ bekannt wurde. Seine These war, daß die Zimbern die letzten Reste der Langobarden waren. Nach Ansicht des Verfassers muß diese These grundsätzlich nicht im Gegensatz zur Erkenntnis von heute stehen, sondern es kann sehr wohl sein, daß auch Reste von um Verona und Vicenza siedelnden Langobarden mit diesen Baiern mitgezogen sind. Dafür spricht, daß noch im Jahr 1166 (!!!) die Bewohner von Fersen im Suganertal verlangten, nach langobardischen Gesetzen behandelt zu werden [Quelle: Rudolf Kink: „Codex Wangianus. Urkundenbuch des Hochstiftes Trient“; S. 15, Wien 1852].
In der Zeitschrift „Cimberland“ (13/1987), wurde Bruno Schweitzers Arbeit von 1948 zitiert. Demnach wurde Verona in der zimbrischen Sprache als „Beorn (Bern)“ und Trient wurde als „Trin“ benannt, 1314 wurde erstmals Vicenza als „Cymbria“ genannt und Schweitzer verwies auf den Vicentiner Historiker Ferretti, der 1330 in seinem Werk „Historiae“ schrieb, daß „die Alten Cymbria jene Stadt nannten, die jetzt Vicenza heißt.“
Schweitzer bemerkte [S. 491-93], daß „das Langobardische in Italien nach der Gründung des langobardischen Reiches eine große Sprachinsel bildete, deren Schwergewicht nach den Forschungen Gamillschegs im Norden lag: ‚Es ergibt sich, daß im eigentlich venetianischen Gebiet Vicenza (…) ein Hauptstrahlungszentrum langobardischer Namen ist. (…) Besonders ausgeprägt und dicht liegen die Arimannensiedlungen im Gebiet von Verona zum Schutze der wichtigen ‚Berner Klause‘. (…)
Es ist also von vornherein wahrscheinlich, daß in den von Arimannenkolonien durchsetzten Gegenden sich am ehesten Reste der langobardischen Kultur und Sprache bis heute erhielten. (…) Von G. Baesecke und H. Brinkmann wurde in erschöpfender Weise der überragende Einfluß des Langobardischen auf das Althochdeutsche dargetan (…)“.
Schweitzer schrieb weiter [S. 497]: „Vielmehr wimmelte das ganze Land von Restlangobarden, die sich ‚teutisci‘ (so im Placitum von Trient 845) nannte, wenn sie ihre alte Sprache noch nicht aufgegeben hatten, wo es bei den langobardischen adeligen Familien, die heute noch in zahlreichen italienischen Adelsfamilien fortleben, wohl rasch der Fall war. Es erscheint mir sogar sehr wahrscheinlich, daß unser Wort ‚Deutsch‘ den Ursprung seiner heutigen Bedeutung im Langobardenreich zu suchen hat. Um 350 erfand der Gote Ulfilas die Bezeichnung ‚thiudisko‘ als Übersetzung zu Griechisch ‚ethnikos‘ = nichtchristlich, heidnisch. Mit der gotischen Bibel brachten dann die Goten des Theoderich 489 das Wort nach Italien.
Dort überlebte es, wie wahrscheinlich viele andere Begriffe und Einrichtungen (so der Name ‚Lagertal‘, der schon in der gotischen Form ‚Ligeris‘ überliefert wird), die kurze Zeit zwischen dem Untergang der Goten 555 und dem Einmarsch der Langobarden 568. Bei diesen bekam nun das Wort ein ganz neues Bedeutungsschwergewicht durch das starke Selbstbewußtsein des Volkes, wie es besonders aus dem Edikt Rotharis spricht. (…) Paulus Diaconus übersetzt es offenbar mit ‚quoedam patria verba‘. Es wurde Modewort und gelangte im Fluge zu den Nachbarstämmen der Baiern, Alemannen und Franken und über Rom zu den Angelsachsen und schränkte schließlich seinen Bedeutungsumfang auf das den verschiedenen Stämmen Gemeinsame, die Sprache, ein. In diesem älteren, rein sprachlichen Sinne wird das Wort auch heute noch von den Veroneser Zimbern gebraucht, wenn sie sagen ‚bar reidan tautsch‘ [wir reden deutsch].
Archäologische Artefakte der Langobarden in Tirol
In Zivernach (Civezzano), nordöstlich von Trient, wurde ein wohl einzigartiges langobardisches Fürstengrab gefunden. Dieses reich ausgestattete Grab könnte mit dem langobardischen Herzog Ewin († Januar 595) im Zusammenhang stehen. 568 nahm Ewin am Einmarsch der Langobarden nach Italien teil, wurde von König Alboin 569 zum Herzog von Tridentum ernannt, welcher er von 569 bis 595 war. Nach Paulus Diaconus ehelichte Ewin 575 die ältere, jedoch namentlich nicht bekannte Tochter von Baiernherzog Garibald I.
Am Sarg, der nach den fast vollständig erhaltenen Eisenbeschlägen rekonstruiert wurde, ist nach Verfasseransicht eine Vermengung christlicher und heidnischer Tierornament-Symbole feststellbar: auf dem Deckel, langgestreckt, ist die heilige gehörnte Schlange, wie ebenso auch an den vier Ecken, zu sehen. In der Mitte das christlich-heidnisch gehörnte Kreuz, es erinnert symbolisch an den Lebensbaum/Irminsäule [Abbildungen aus: Franz v. Wieser: „Das langobardische Fürstengrab und Reihengräberfeld von Civezzano bei Trient“ in: „Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg“, 3. F., 30 (1886) 281-320, Taf. 1-5. Neuere Untersuchungen von Christian Terzer: „Das langobardische Fürstengrab von Civezzano. Eine Neubewertung“; NEARCHOS Beiheft 6, Innsbruck 2001].
Im Fürstengrab wurde gefunden: ein Schildbuckel aus Eisen mit vergoldeten Bronze-Beschlägen (1a);
1b: Kreuzbeschläge des Schildbuckels; 1c: Zier-Köpfe des Schildbuckels und der Schildwand (Ansicht von oben und von der Seite); 1d: Fragmente der Schild-Spange; 2: Skramasax aus Eisen (eine einschneidige Hiebwaffe); 3: Mundstück der Langschwert-Schneide aus Bronze; 4: Langschwert (Spatha) aus Eisen; 5: Niet-Blättchen vom Griff des Langschwertes aus Bronze; 6 und 7: Pfeilspitzen aus Eisen; 8: Lanzenspitze aus Eisen.
Weitere Funde im Fürstengrab: 1: Goldblatt-Kreuz; 2 und 3: Eiserne Riemen-Zungen mit Tauschierarbeit; 4: Armring aus Eisen; 5a und b: Riemenbeschläge aus Bronze, verzinnt.
Am rechten Trienter Etschufer, am Fuß des Burgfelsens Verruca, lag wohl ein langobardischer Friedhof, wie ein dort gefundenes Kreuz aus glattem Goldblech dokumentiert, welches aus feinstem Gold gefertigt wurde und 8,6 Gramm wiegt. Diese Goldblechkreuze wurden auf Leichentücher angebracht und waren eine Besonderheit langobardischer Grabbeigaben, wie die nebenstehenden Abbildungen aus langobardischen Gräbern in Bergamo dokumentieren (Fotos: Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg).
Ein Spaziergänger entdeckte im Spätsommer 1991 im unwegsamen Gelände bei Aldrans in Tirol den aus 86 Goldmünzen bestehenden Münzschatz. Bestehend aus 7 Solidi und 79 Tremisses, dürfte dieser Fund aufgrund der umgerechneten runden Summe von 100 Tremisses vollständig sein. Darunter befinden sich Prägungen der Kaiser Justin II. (566–578), Tiberios I. (578–582) und Maurikios (582–602). 40 Goldmünzen stammen aus den kaiserlich-byzantinischen Münzstätten Konstantinopel, Thessaloniki, Rom und Ravenna.
46 Goldmünzen sind langobardische Imitativprägungen. Nach byzantinischen Vorbildern wurden diese germanischen Imitativmünzen in langobardischen Städten geprägt und waren in numismatischen Fachkreisen bis zu diesem Fund unbekannt.
Es werden drei Münzen einer bekannten Münzgruppe zugeschrieben, die in die Königsstadt Ticinum/Pavia weisen. Man vermutet, daß dieser Fund im Zusammenhang mit den Kämpfen der Langobarden gegen die Franken und deren Hilfsvölker steht. Nach dem großen Frankeneinfall von 590 mußte eine größere Lösegeldsumme von den Langobarden aufgebracht werden. Foto: Tiroler Landesmuseum [Zum Münzschatz siehe auch: W. Hahn/A. Luegmeyer: „Der langobardische Münzschatzfund von Aldrans in Tirol; Wien 1992].