Im Jahre 1915 war das mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich verbündete Italien seinen eigenen Bundesgenossen verräterisch in den Rücken gefallen, indem es sich zunächst für neutral erklärt hatte und dann an der Seite der Entente-Mächte in den Krieg eingetreten war. Diese hatten Italien unter anderem Südtirol als Kriegsbeute versprochen.
Als gegen Ende des Ersten Weltkriegs die ausgeblutete österreichisch-ungarische Monarchie zusammenbrach und in einzelne Nationalstaaten zu zerfallen begann, musste sie einen Waffenstillstand mit Italien eingehen, der am 4. November 1918 in Kraft trat und einer bedingungslosen Kapitulation gleichkam.
Die italienischen Truppen konnten nun kampflos Südtirol bis zum Brenner besetzen, den sie am 11. November 1918 erreichten. Italien feiert dies bis heute als großartigen Sieg.
Noch ahnte die Bevölkerung nicht, welch schwere Zeiten auf sie zukommen würden, denn die italienische Armee hatte auf großen Plakaten verkünden lassen, dass Italien die „Staatsangehörigen fremder Zunge mit Gerechtigkeit und Liebe behandeln“ werde. Mit dieser Proklamation wurde den Südtirolern auch die „Erhaltung eigener Schulen, eigener Anstalten und Vereine“ zugesichert und verkündet, „dass jede Sprach- und Kulturfrage baldige friedliche Regelung finden wird.“
Diese schönen Versprechungen wurden dann Jahrzehnte lang weder in der Zeit des Faschismus noch im demokratischen Italien nach 1945 eingehalten, bis die unter großen Opfern erreichte heutige Autonomielösung eine wesentliche Verbesserung der Verhältnisse bewirkte.
Die italienischen Gedenkfeiern
Der Erste Weltkrieg hatte auf italienischer und österreichischer Seite zusammen an die 1,2 Millionen Menschenleben gekostet. Ungeachtet dessen feiert das demokratische Italien am 4. November bis heute mit provokanten militärischen Aufmärschen im „eroberten“ Gebiet diese Tragödie als erfreuliches Geschehen.
Trompetentöne in Bozen: Annexion Südtirols – „das schöne Ziel des Ersten Weltkrieges“
Am 4. November 2018 marschierte – wie schon seit Jahrzehnten – wieder italienisches Militär auf dem Bozener Waltherplatz auf. Der Alpini-General Claudio Berto hielt eine Rede, in welcher er die Annexion Südtirols „als das schöne Ziel des 1. Weltkrieges“ bezeichnete.
Der Landtagsabgeordnete Sven Knoll von der „Süd-Tiroler Freiheit“ erklärte dazu in einer Presseaussendung:
„Die Folgen des 1. Weltkrieges haben … direkt zu Faschismus und Nationalsozialismus geführt und ganz Europa damit in ein noch größeres Verderben gestürzt. Die Teilung Tirols und die unfreiwillige Annexion Süd-Tirols an Italien sind und bleiben ein Unrecht. Auch nach 100 Jahren wird Unrecht nicht zu Recht! Die Aussagen des Alpini-Kommandanten Berto sind nicht nur dumm, sondern eine unnötige Provokation und böswillige Beleidigung für Süd-Tirol, die mit aller Deutlichkeit verurteilt werden müssen. Die Süd-Tiroler Freiheit fordert angesichts dieser verabscheuenswürdigen Provokation eine öffentliche Distanzierung und Entschuldigung der Alpini-Generalität.“
Selbstverständlich gab es keine Entschuldigung der Alpini-Generalität und es wird auch keine geben.
Alpini-Feier in Meran vor faschistischem Denkmal
In Meran steht ein Denkmal, welches einen Alpini-Soldaten zeigt, welcher heroisch einen Stein gegen seine Gegner schleudert. Dieses Denkmal wurde in der Zeit des Faschismus 1938 errichtet und verherrlicht den Einsatz des 5. Alpini-Regimentes im italienischen Kolonialkrieg in Libyen von 1911 bis 1912, in dessen Folge bis zum Jahre 1931 ein wahrer Vernichtungskrieg gegen die aufständische einheimische Bevölkerung stattfand.
Trotz vieler Südtiroler Proteste hält der Staat Italien bis heute dieses Völkermord-Denkmal in Ehren.
Auch am 4. November 2018 hielten es die Alpini für angebracht, vor diesem Denkmal feierlich aufzumarschieren und der „Eroberung“ Südtirols zu gedenken.
Der Gemeinderat der „Süd-Tiroler Freiheit“ in Meran, Christoph Mitterhofer, erklärte dazu in einer Presseaussendung:
„Jeder versteht, dass die Streitkräfte ihrer gefallenen Kameraden gedenken wollen. Jedoch vor einem Denkmal mit terrorverherrlichendem Hintergrund ist das deplatziert. Dieses Denkmal gehört geschliffen!“
Die Tiroler Gedenkfeiern
Etwas anders als die italienischen Feiern gestalteten sich die Tiroler Gedenkfeiern.
Gedenken auf dem Tummelplatz in Innsbruck
Oberhalb des Innsbrucker Stadtteiles Amras befindet sich auf einer Waldlichtung namens „Tummelplatz“ eine Landesgedenkstädte mit einem Militärfriedhof und einigen Kapellen.
Dort fand am 4. November 2018 eine würdige Feier statt, auf welcher der für die Einheit und Freiheit Tirols Gefallenen gedacht wurde.
Vor dem Erinnerungsstein für Franz Innerhofer, ehemals Oberlehrer im Südtirolerischen Marling, legte eine Abordnung des „Andreas Hofer-Bundes“ mit deren Obmann Winfried Matuella einen Kranz nieder, welcher an die Ermordung des „Blutzeugen für das deutsche Südtirol“ durch Faschisten im Jahre 1921 erinnert.
Die Dornenkrone auf dem „Siegesplatz“ in Bozen
Auf dem Landesfestzug im Jahre 1959, welcher an das Tiroler Heldenjahr 1809 erinnerte, wurde von Schützen aus ganz Tirol erstmals eine schmiedeeiserne Dornenkrone mitgeführt, welche dem Schmerz über die Landesteilung und Unterdrückung der Südtiroler Landsleute Ausdruck verleihen sollte.
1984 wurde wiederum unter nicht enden wollendem Beifall der Bevölkerung eine schmiedeeiserne Dornenkrone mitgeführt, welcher auf einem Transparent die Losung „Selbstbestimmung für Südtirol – Tirol den Tirolern“ vorangetragen wurde. Der Nordtiroler Landeshauptmann Wallnöfer hatte vor diesem Symbol des Leids salutiert.
Am 4. November 2018 wurde in Bozen wiederum eine Dornenkrone der Öffentlichkeit gezeigt und es wurde dabei eine besondere symbolische Handlung vorgenommen.
Mit einem Plakat hatte der Welschtiroler Verein „Associazione Culturale Kulturverein NOI TIROLESI – WIR TIROLER“ unter dessen Präsidenten Vittorino Matteotti auf diese Veranstaltung hingewiesen. Mitveranstalter war der von ehemaligen politischen Häftlingen gegründete „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) unter dessen Obmann Roland Lang.
Als passender Ort war ein Platz in unmittelbarer Nähe des faschistischen „Siegesdenkmals“ gewählt worden.
Die hier präsentierte Dornenkrone war mit 99 Stacheln versehen und nun wurde ihr ein hundertster Stachel eingeschlagen, um damit anzuzeigen, dass die Zerreißung Tirols nunmehr bereits 100 Jahre andauert.
Darüber berichtete die „Neue Südtiroler Tageszeitung“ ausführlich.
Es sollte eine symbolische Aktion des Gedenkens an die Opfer der Zerreißung Tirols vor hundert Jahren werden, so hatte der SHB-Obmann Roland Lang in einer Aussendung erklärt. Dazu wurde absichtlich jener Platz ausgesucht, der von den Faschisten zur Feier eines Sieges errichtet wurde, der nie stattgefunden hat.
„Mit der italienischen Besetzung Tirols zwischen Borghetto und Brenner vor 100 Jahren begann der Leidensweg des südlichen Tirols. Er begann mit der Verfolgung der Soldaten, die die österreichische Uniform getragen hatten und erreichte mit der Unterdrückung jeder Tiroler Identität unter dem Faschismus ihren traurigen Höhepunkt. Auch nach dem Untergang des Faschismus verfolgt Italien weiterhin das Ziel, Südtirol zu einer italienischen Provinz zu machen“, so SHB-Obmann Roland Lang in seiner Ansprache.
Eva Klotz erinnerte in ihrer Ansprache an das große Unrecht der gewaltsamen Teilung Tirols, das viele vergessen machen wollten. Wahrer Frieden könne nur auf dem Boden der Gerechtigkeit gedeihen. Als schmerzlich empfinde man die Leugnung der Tiroler Geschichte auch durch einen Lügentempel, der den Namen „Siegesdenkmal“ trägt.
Sie ermunterte vor allem die Jugendlichen, sich mit der Geschichte Tirols vertraut zu machen, um mit demokratischen Mitteln und in wahrhaft europäischem Geiste das Unrecht eines Tages zu beenden. Den vielen anwesenden Welschtirolern sprach sie Mut zu, empfinden sie doch die Dornen besonders, da sie ihrer Identität und Geschichte regelrecht beraubt worden seien.
Das Land Tirol in Trauer
Einem Aufruf des „Südtiroler Schützenbundes“ folgend, hissten zahlreiche Kompanien am 11. November, dem Tag der Trauer für Südtirol, an gut sichtbarer Stelle die Tiroler Fahne mit Trauerflor.
Damit folgten sie wohl den Gefühlen vieler Mitbürger, die bis heute die Landesteilung ablehnen und diese nicht als ewig anerkennen.
Bei dieser Gelegenheit darf gesagt werden:
Es spricht für unsere Südtiroler Landsleute, dass diese nach 100 Jahren der Unterdrückung, der sprachlichen und kulturellen Beraubung sowie der versuchten und teilweise durchgeführten Aussiedlung, sich immer noch als deutsche und ladinische Volksgruppe behaupten.
Sie bestehen darauf, Tiroler zu sein und bleiben zu wollen!
Respekt vor dieser Haltung!