Dokumentation: Erinnerung an den Dichter der Tiroler Landeshymne
Man darf in diesem Jahr in Zusammenhang mit Andreas Hofer noch eines weiteren Mannes gedenken: Vor 150 Jahren war der Dichter Julius Mosen aus Marieney im Oldenburgischen verstorben, welcher die Landeshymne „Zu Matua in Banden…“ gedichtet hatte.
Mosen stammte aus einer alten jüdischen Prager Familie, welche ursprünglich den Namen Moses getragen hatte und später zum Protestantismus konvertiert war. Mitglieder der Familie Mosen betätigten sich im Dienste der evangelischen Kirche. Mosens Vater war evangelischer Kirchenkantor und Dorfschullehrer. Der junge Mosen hatte sich als Student der neu gegründeten deutschen Burschenschaft Germania Jena angeschlossen und sich für die freiheitlichen Ideale begeistert. Im Jahre 1823 bewegte ihn die Nachricht über die Heimholung der sterblichen Überreste Hofers nach Innsbruck, die damals Tagesgespräch war.
Als der junge Mosen eine Bildungsreise nach Italien zu den Stätten des Altertums unternahm, unterbrach er Anfang 1826 in Innsbruck die Reise. Mosen besucht das Grab Hofers und alle Stätten in Innsbruck, an denen Hofer geweilt hatte. Ihm kam vor, wie er im Tagebuch festhielt, dass der Geist Hofers in dieser Stadt noch allgegenwärtig sei. Mosen stand auf dem Bergisel und der Eindruck erschütterte ihn tief. Noch immer zeigte der Berg die Wunden des mörderischen Ringens, die Spuren des Artilleriefeuers, das seine Hänge verwüstet hatte.
Es sollte noch 5 Jahre dauern, bis das tiefe Erleben gereift war und seinen Ausdruck in einem Gedicht fand, das in seiner Schlichtheit zu den großen Dichtungen deutscher Sprache zählt.
1831 schrieb er mit fliegender Feder in einem einzigen genialen Handstreich nieder, was ihn so lange bewegt hat – das Gedicht vom Andreas Hofer.
F. F. Stapf, der Biograph Mosens, sagt über das spätere „Andreas Hofer Lied“: „Es kommt aus dem Herzen und es geht deshalb zu Herzen. Es ist von schlichter Größe und edler Einfalt – kein rätselhaftes, intellektuelles Kunstgebilde. Es erinnert in seiner Einfachheit, Klarheit und Schönheit an Sagen, Volksmärchen, Volksweisen und in seiner Kraft an protestantische Kirchenlieder wie „Ein’ feste Burg ist unser Gott“. (Fred Frank Stapf: “Julius Mosen. Der Vogtländer Dichter des Andreas-Hofer-Liedes“, Lappersdorf 1995)
Das Gedicht machte den jungen Dichter Mosen über Nacht bekannt. Als der Klosterneuburger Sänger und Komponist Leopold Knebelsberger anlässlich eines Aufenthaltes im Zillertal im Jahre 1844 das Gedicht unter Verwendung von Volksliedmotiven vertonte, trat das „Andreas Hofer Lied“ seinen Siegeszug durch Tirol und weiter durch den gesamten deutschen Sprachraum an. Es wurde zum Volkslied, denn Text und Melodie sind für einander geschaffen. Sie drücken in Schlichtheit und Schönheit den Stolz des Volkes auf einen seiner edelsten Helden aus. Und die Trauer über das tapfere Sterben des Sandwirtes.
Knebelsberger war es im Jahre 1865 ein Anliegen, zusammen mit alpenländischen Sängern den damals schon todkranken Dichter an seinem Wohnsitz in Oldenburg zu besuchen. Die Sänger erschienen in Tiroler Tracht und wurden von der Gattin Minna in das Krankenzimmer hinein geführt. Im Halbkreis umstanden sie das Bett und stimmten unter Begleitung einer Zither sein – ihr – Andreas Hofer Lied an. Mosen konnte kaum noch sprechen, aber er bewegte die Lippen zu dem Liedvortrag und sprach leise die Worte des Liedes mit. Tränen rannen ihm über das Gesicht. Die Sänger wussten, dass sie von einem Todgeweihten Abschied nahmen. Zwei Jahre später sollte der Dichter von seinem langem Leiden erlöst sein.
Julius Mosen aber lebt durch das ergreifende Andreas Hofer Lied in unser aller Andenken weiter.
„Zu Mantua in Banden“ wurde in den kommenden Jahrzehnten zu dem Lied, welches bis auf den heutigen Tag durch Generationen hindurch das Selbstverständnis der Tiroler geprägt hat.
Ignaz von Zingerle, der große Tiroler Sprach- und Literaturwissenschafter, nahm das Lied, weil es schon zum Volkslied geworden war, im Jahre 1850 in seine volkskundliche Sammlung „Sagen aus Tirol“ auf.
Im Jahre 1815 sangen es die zur Front in Fels und Eis ausrückenden Standschützen des Ersten Weltkrieges.
Und in den finstersten Tagen der faschistischen Unterdrückung richtete das als völkisches und politisches Bekenntnis heimlich gesungene Lied vom tapferen Sterben des Sandwirtes für sein Land Tirol die Menschen im besetzten Landesteil auf. Das Vorbild Hofers verlieh ihnen die Kraft, zu leiden und zu widerstehen.
Das schlichte Lied hat damit ganz wesentlich dazu beigetragen, das Tirolerland in Gefahr und Bedrängnis deutsch und ladinisch zu erhalten.
Seit dem Jahre 1915 befindet sich die Originalniederschrift aus der Hand des Dichters im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck. Die Schwiegertochter Mosens, Maria Mosen, geborene Briest, hat sie den Tirolern gestiftet.
Am 2. Juni 1948 erhob der Nordtiroler Landtag das Andreas Hofer Lied nach den Worten von Mosen und der Melodie von Knebelsberger offiziell zur Tiroler Landeshymne. Seitdem wird dieses Lied zu allen offiziellen und feierlichen Anlässen gesungen. Es erklingt auch alljährlich auf dem Friedhof von St. Pauls in Südtirol, wenn der Südtiroler Heimatbund, die Schützen aus ganz Tirol, die Bevölkerung und zahlreiche Politiker das Andenken der verstorbenen Freiheitskämpfer der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts vor deren Gedenktafel ehren.
Dass es im Jahr 2003 in ganz Tirol noch kein Denkmal für den Schöpfer der Tiroler Landeshymne gab, hatte den Innsbrucker Wirtschaftstreibenden Dr. Hans Paul Cammerlander dann dazu veranlasst, ein Relief zu dem Andenken an den Dichter Julius Mosen und an den Komponisten Leopold Knebelsberger, welcher die Hymne vertont hatte, anfertigen zu lassen.
Am 8. Juli 2003 wurde das von Emmerich Kerle geschaffene Bronzerelief an der Außenmauer des im Besitz Paul Kammerlanders befindlichen Innsbrucker Traditionsgasthauses „Goldener Adler“ angebracht und in einer schlichten und schönen Feier der Öffentlichkeit vorgestellt. Immerhin hatte Andreas Hofer 1809 im „Goldenen Adler“ ein Hauptquartier aufgeschlagen. „Am unseren Rundtisch plante er die Bergisel-Schlacht“, erklärte der Hotelier Cammerlander stolz bei der Einweihungsfeier.
Der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Luis Durnwalder hatte zusammen mit herzlichen Grußworten die Peter-Mayr-Schützenkompanie zu dieser Feier entsandt.
Und der Südtiroler Kulturlandesrat Dr. Bruno Hosp kündigte an, in Südtirol dafür sorgen zu wollen, dass das ehrende Andenken an Julius Mosen gewahrt werde.