Auf zur Kundgebung am Brennerpass: Sonntag, 8. Oktober 2017
Nachdem die Südtiroler und ihre Freunde und Unterstützer in Österreich in der Frage der Doppelstaatsbürgerschaft von den österreichischen Bundesregierungen seit nunmehr 8 Jahren an der Nase herumgeführt werden, hat die Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) nun zu einer Kundgebung am Brenner aufgerufen. Alle Freunde Südtirols sind dazu eingeladen.
Es ist zu hoffen, dass diese Kundgebung dazu beitragen wird, den berechtigten Anliegen unserer Südtiroler Landsleute in Österreich wieder mehr Gewicht zu geben.
Die Dokumentation „Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler“ zeigt auf, worum diese Forderung wichtig und berechtigt ist.
Dokumentation: Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler
von Hans Fingeller
Der Wunsch der Südtiroler
Zusammen mit Vertretern der „Süd-Tiroler Freiheit“ und der „Freiheitlichen“ erklärten im Dezember 2009 die Parlamentsabgeordneten der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) Dr. Siegfried Brugger und Dr. Karl Zeller, dass sie sich eine doppelte – italienische und österreichische – Staatsbürgerschaft für die Südtiroler wünschten.
Rechtlich sowohl seitens Italiens wie seitens Österreichs möglich
Rechtlich sei dies durch eine Ausnahmeregelung im österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht ohne weiteres möglich, erklärte der Südtiroler Parlamentarier und Rechtsexperte Dr. Karl Zeller.
Auch Italien ermögliche den im Ausland lebenden Minderheiten italienischer Sprachzugehörigkeit derartige Doppelstaatsbürgerschaften und habe etwa viele kroatische (Nicht-EU-) Staatsangehörige aus Dalmatien zu EU-Bürgern gemacht. Es seien sogar 18 Sitze im Senat und in der Abgeordnetenkammer diesen „Auslandsitaliener“ vorbehalten.
Das italienische Staatsbürgerschaftsgesetz von 1992 erlaube zudem italienischen Staatsbürgern den Erwerb einer zweiten Staatsbürgerschaft, ohne dass sie dabei die italienische abgeben müssten. Dies gelte natürlich auch für die Südtiroler. Von staatlich italienischer Seite gebe es daher keine Hindernisse.
Unterstützung durch FPÖ – Ablehnung durch ÖVP
Volle Unterstützung erhielt das Südtiroler Begehren durch die „Freiheitliche Partei Österreichs“ (FPÖ) und deren Südtirolsprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer.
Ebenso umgehend nahm damals der Nordtiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) gegen den Wunsch der Südtiroler Stellung. Just zu Weihnachten, am 24. Dezember 2009 erschien in der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ ein Interview mit ihm, in welchem er den Vorschlag der Südtiroler vehement ablehnte: „Ich sehe darin mehr einen Vorwand für eine neuerliche Diskussion um die Verschiebung der Staatsgrenzen.“ Eine solche zu verlangen, zeuge „von Verantwortungslosigkeit und mangelndem Geschichtsbewusstsein.“
War es schon seltsam genug, aus dem Mund eines Nordtiroler ÖVP-Landeshauptmannes zu hören, dass die Aufrechterhaltung der Unrechtsgrenze am Brenner eine moralische Pflicht sei, so wurde im Jänner 2010 die Situation noch skurriler. Der sogenannte Südtirolsprecher der ÖVP, Hermann Gahr, lehnte die Doppelstaatsbürgerschaft öffentlich ab. Dies veröffentlichte die „Tiroler Tageszeitung“ am 5. Jänner 2010.
Der ÖVP-Seniorenobmann Andreas Khol erteilte in der „Tiroler Tageszeitung“ vom 15. Jänner 2010 der Doppelstaatsbürgerschaft eine Absage, führte dafür eine Reihe von fadenscheinigen Begründungen an und behauptete, dass diese dem Geist des Pariser Vertrages widerspreche. Besser hätte dies kein römischer Politiker argumentieren können.
Einen Tag später, am 16. Jänner 2010 versuchte Khol den Südtiroler Landsleuten jede Hoffnung zu nehmen, indem er in der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ erklärte, dass eine solche Doppelstaatsbürgerschaft Italien provozieren würde und daher „gefährlich“ sei.
Am 18. Jänner 2010 enthüllte der FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer in einem Pressedienst, welche pro-italienische und liebedienerische Position die ÖVP in dieser Frage einnahm: Vor seiner Abreise nach Villanders habe er, so Neubauer, Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) persönlich auf die Frage der Doppelstaatsbürgerschaft angesprochen und eine verblüffend offene Antwort erhalten:
‚Spindelegger erklärte mir unverblümt, dass es für ihn nicht in Frage komme, Italien zu verärgern. Auf die von der Südtiroler Volkspartei (SVP) angekündigte große Unterschriftenpetition für den Erhalt einer zusätzlichen österreichischen Staatsbürgerschaft für ladinische und deutsche Südtiroler hat mir Außenminister Spindelegger offen ins Gesicht gesagt, dass er diese Vorgangsweise für blanken Populismus halte und nicht im Entferntesten daran denke, diesem Wunsch der Südtiroler zu entsprechen.‘
Gegenüber den Medien war Spindelegger nicht so deutlich. In einem Interview mit der Südtiroler Tagezeitung „Dolomiten“ vom 12. Februar 2010 erklärte er gewunden, dass man „keine falschen Hoffnungen“ wecken solle. Zunächst müsse man „einen intensiven Prüfungsprozess in Gang setzen“. Von einer Unterschriftenaktion zur Unterstützung der Südtiroler Wünsche, welche von der Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) angekündigt wurde, riet er ab.
20.000 Unterstützungsunterschriften
Am 18. Februar meldete die Südtiroler Tagezeitung „Dolomiten“, dass die „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) in Österreich 20.000 Unterstützungsunterschriften gesammelt habe, ohne dass diese Südtiroler Landtagspartei in Österreich auf irgendeine Organisationsstruktur oder Medienpräsenz habe zurückgreifen können.
Am 23. Februar 2011 wurden diese Unterschriften – es waren mittlerweile 21.000 geworden – dem Österreichischen Nationalrat übergeben.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken
Am 28. April 2011 teilte das Bundeskanzleramt den Initiatoren der Unterschriftensammlung mit, dass gegen eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler mit: „Allgemein verfassungsrechtliche Bedenken gibt es keine.“
Am 30. Mai 2011 stellte die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) in Bozen ein Gutachten des österreichischen Verfassungsrechtlers Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer vor, welcher zu eindeutigen Schlüssen gelangt war. Die „Dolomiten“ berichteten darüber am 31. Mai 2011.
Spott und Hohn vom österreichischen Außenminister
Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hatte dafür nur Spott und Hohn übrig. Man könne Staatsbürgerschaften nicht „wie Briefmarken“ sammeln.
Am 27. Dezember 2011 legten die „Dolomiten“ nach und veröffentlichten über eine ganze Seite einen ausführlichen Bericht darüber, dass Ungarn seinen in anderen Staaten lebenden Volksangehörigen die ungarische Staatsbürgerschaft als Doppelstaatsbürgerschaft gewährt.
Dies beeindruckte natürlich den österreichischen Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) in keiner Weise.
Scheinbarer „Durchbruch“ im parlamentarischen Ausschuss in Österreich
Nachdem sich der Südtiroler Landtag am 9. März 2012 mit großer Mehrheit für Doppelstaatsbürgerschaften für Südtiroler ausgesprochen hatte, berichteten die „Dolomiten“ am 23. März 2012 erfreut:
„Rechtlich gibt es keine Hürden für die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler. Das erklärten Experten gestern unisono vor dem Südtirol-Unterausschuss im Österreichischen Nationalrat. ‚Jetzt ist es nur mehr eine politische Entscheidung, ob der Doppelpass den Südtirolern ermöglicht wird oder nicht‘, erklärt der Südtiroler Parlamentarier Karl Zeller.
Die österreichische Bundesregierung unternahm trotz wiederholten Drängens von Südtiroler Seite nichts.
Am 26. August 2013 protestierten die FPÖ-Nationalratsabgeordneten Werner Neubauer und Mag. John Gudenus in einer Presseaussendung über die „Austria Presse Agentur“ (APA) dagegen, dass vor allem in Wien die Zahl der Einbürgerungen von Ausländern von Jahr zu Jahr ständig steige, hunderte von Staatsbürgerschaftsansuchen von Südtirolern aber unbearbeitet blieben.
Abgeschmettert im Österreichischen Nationalrat – willfährige SVP-Spitze
Am 5. Juli 2013 kam es im Österreichischen Nationalrat zum Offenbarungseid. Ein „Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten an den Nationalrat“ machte deutlich, dass die Bundesregierung keine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler wünschte. Darin hieß es in bemerkenswert unpräziser Ausdrucksweise,
„dass die Einführung eines vereinfachten Erwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen“ mit „völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Hürden“ verbunden wäre.
Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP schmetterten daher zusammen mit den „Grünen“ den Antrag des freiheitlichen Südtirol-Sprechers und Nationalratsabgeordneten Werner Neubauer ab, mittels Einfügen eines einzigen Absatzes im Staatsbürgerschaftsgesetz, den Südtirolern die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.
In einer Presseaussendung erklärte der Abgeordnete Werner Neubauer dazu:
„Die Bundesregierung hat sich damit gemeinsam mit den Grünen geweigert, unseren Landsleuten südlich des Brenners diesen Herzenswunsch zu erfüllen. Darüber hinaus war das Verhalten der Blockierer von Feigheit geprägt, hatten sie doch nicht einmal den Mut, ihre Position zum ablehnenden Stimmverhalten in einer Wortmeldung zu artikulieren.“
Nun zog auch der mit der ÖVP eng verkungelte Südtiroler Landeshauptmannskandidat und kommende Landeshauptmann Arno Kompatscher den Schweif ein und erklärte, dass auf Südtiroler Seite ohnedies „wenig Begeisterung“ für eine Doppelstaatsbürgerschaft herrsche.
Die „Austria Presse Agentur“ (APA) berichtete darüber:
Meinungsumfrage in Österreich: 89 Prozent befürworten Selbstbestimmung für Südtirol – 83 Prozent sind für Doppelstaatsbürgerschaft
Am 26. Jänner 2015 stellte der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründete Vereinigung, auf einer Pressekonferenz in Wien das Ergebnis einer repräsentativen Meinungsumfrage vor, welche das Institut „Spectra“ durchgeführt hatte.
Auch die „Dolomiten“ berichteten darüber:
Der Rückzug des Südtiroler Landeshauptmannes Kompatscher
In Wiener Regierungskreisen war man wenig erbaut. Am 19. Februar 2015 besuchte der Südtiroler Landeshautmann Arno Kompatscher den ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz in Wien besuchte. Kompatscher war brav und wusste, was man seitens der ÖVP von ihm erwartete. Er hatte bereits am Vortag in vorauseilendem Gehorsam über die „Austria Presse Agentur“ (APA) verlautbaren lassen, dass er der Wiener Linie zu folgen gedenke:
Angesichts dessen, dass Kompatscher sich so willfährig zeigte, verlief das Treffen in Wien äußerst harmonisch und programmgemäß ohne praktischen Ergebnisse für die Südtiroler Bevölkerung. In Wien war damit die Sache vom Tisch.
Am 28. Jänner 2015 berichtete die „Neue Südtiroler Tageszeitung“, dass der ÖVP-Südtirolsprecher im Österreichischen Nationalrat, Hermann Gahr, kaum Chancen für eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler sehe.
Gegenüber der Öffentlichkeit äußerten sich in der Folge Kurz und Kompatscher gleichlautend. In einem Interview in den „Dolomiten“ vom 2. Juli 2015 sagte Kurz, dass Österreich Doppelstaatsbürgerschaften vermeiden wolle und der folgsame Arno Kompatscher erklärte, dass es sich um eine „schwierige Herzensangelegenheit“ handle, deren Umsetzung aber schwierig sei.
Die vorläufige Beerdigung
Am 28. Jänner 2015 beerdigte der Südtirol-Unterausschuss des Österreichischen Nationalrates mit den Stimmen der ÖVP, der SPÖ und der „Grünen“ den freiheitlichen Antrag, den Südtirolern die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft zu gewähren.
Am 13. Februar 2016 schrieb der Südtiroler Rechtsanwalt Dr. Otto Mahlknecht in den „Dolomiten“ das, was in dieser Frage wohl die meisten Südtiroler denken.
Diese Dokumentation zeigt, dass ÖVP und leider auch SPÖ (Wo sind die Zeiten eines Bruno Kreisky geblieben?) sich das Thema Südtirol endgültig vom Halse schaffen wollen. Die „Grünen“ hätten für die Südtiroler ohnedies nur dann ein offenes Herz, wenn diese aus Nigeria oder Afghanistan stammen würden.
Man wird nach den Nationalratswahlen sehen, ob es in einer neuen österreichischen Bundesregierung zu einer Änderung der Haltung gegenüber Südtirol und der Frage der Doppelstaatsbürgerschaft kommen wird.
Das schwierige Gedenken an Andreas Hofer
Die Offenbarung der Gesinnungen auf den Andreas Hofer-Feiern
Wie kann man des Freiheitshelden Andreas Hofer gedenken, ohne sich zu Freiheit, Selbstbestimmung und Landeseinheit in der heutigen Zeit zu bekennen?
Einige Politiker haben sich in diesem Jahr anlässlich der Gedenkfeiern mit dieser Frage auseinander gesetzt und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt.
Um den 20. Februar werden in Tirol bis heute Gedenkveranstaltungen abgehalten. Zu den Südtiroler Andreas Hofer-Feiern des Jahres 2017 hatte der Südtiroler SchützenbundVertreter verschiedener politischer Richtungen als Redner eingeladen und damit eine die Parteien überspannende Öffentlichkeit mit der Tiroler Landesgeschichte und dem Thema der Landesteilung konfrontiert.
Die Ansprachen waren interessant, denn hier wurde offenbar, welche Kenntnisse über die Landesgeschichte und welche Betrachtungsweisen gegeben waren.
Hier können nur einige Beispiele aus der Vielzahl der Feiern angeführt werden.
Die Landesgedenkfeier in Meran
Der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Elmar Thaler, erinnerte am 19. Februar 2017 in seiner Ansprache bei der Andreas-Hofer-Landesgedenkfeier in Meran sowohl an Andreas Hofer als auch an den Dichter Julius Mosen.
Thaler hob hervor, dass Andreas Hofer sich immer wieder gegen die Fremdherrschaft aufgelehnt habe. Auch die Schützen würden dies tun, indem sie versuchen, die Zukunft des Landes als einfache Bürger mitzugestalten. Der Europäischen Union würde es derzeit jedoch nicht gelingen, die Vorzüge der Regionalität mit dem Gedanken der europäischen Einigung zu verknüpfen. Nichts sei aber endgültig geregelt, was nicht gerecht geregelt sei. Das galt zu Hofers Zeiten und gelte auch heute.
Auf die von den politischen „Grünen“ vom Zaun gebrochene öffentliche Debatte über den Verbleib der christlichen Kreuze in den Schul-Klassenzimmern eingehend, sagte Thaler: „In der Diskussion der vergangenen Wochen, um Identität, um Symbole, die uns wichtig sind, passt es nun ganz gut, wenn wir, anstatt darüber zu sinnieren, was wir in Zukunft alles ändern könnten, welche Zeichen wir in den Klassenzimmern auf- und abhängen, ganz einfach Taten folgen lassen. Und die Gedenkfeier mit einem Wortgottesdienst beginnen.“
Der Schützen-Landeskurat Pater Christoph Waldner rief in diesem Gottesdienst dazu auf, für das Land und all die Frauen und Männer zu beten, die ihr Leben für den Glauben, ihr Land und das Volk eingesetzt hatten. Der Kurat ging dann auf Julius Mosen, den Dichter der Tiroler Landeshymne, ein und sagte: Die Hymne „beschreibt mit dem Sterben unseres Sandwirtes auch seinen besonderen Mut, die Treue zu seinem Volk und sein Gottvertrauen.“
Dann trat der österreichische Ex-Nationalratsabgeordnete DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) aus Völs in Nordtirol an das Rednerpult und legte ein bemerkenswertes Bekenntnis ab:
„Die Forderung nach Selbstbestimmung gibt es seit 1918, seit Südtirol von Österreich getrennt und Tirol geteilt wurde.“Es könne in Zukunft auch eine Situation eintreten, in welcher eine Region Tirol vorstellbar wäre oder es zu einer Weiterentwicklung zu einem Europa komme, in dem neue Verwaltungseinheiten und politische Einheiten entstehen könnten. „Sollte Südtirol die Schutzmacht Österreich brauchen, wir werden immer dazu bereit sein“, versprach der SPÖ-Politiker.
Das waren Äußerungen, die in der staatsmännischen Tradition eines Dr. Bruno Kreisky standen und von den Anwesenden mit Freude gehört wurden.
Weitere Höhepunkte der von der Kapelle St. Pankraz musikalisch umrahmten Feier waren die Ehrensalven und die Kranzniederlegung vor dem Andreas Hofer-Denkmal in Meran.
Kompatschers Rede und sein Schneckenhaus
Eine ganz andere Rede hielt der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher(SVP) am 19. Februar 2017 bei der Andreas-Hofer-Feier in dem 400 Seelen-Dorf Penon, an der Südtiroler Weinstraße des Unterlandes.
Er sagte: „Bei der Andreas-Hofer-Feier in Meran sind genügend andere Leute. Außerdem hat man mich nach Penon eingeladen – mit dem Auftrag, die Festrede zu halten.“
Statt auf Hofers Einsatz für Freiheit und Selbstbestimmung des Volkes einzugehen, kritisierte ihn Kompatscher: Der Freiheitskämpfer und Volksheld Andreas Hofer stehe vor allem für Konservatives, „für ein Sich-Verschließen gegenüber Neuerungen.“
Und dann kamen unverbindliche Allgemeinplätze wie diese: „Wir dürfen uns nicht in ein Schneckenhaus zurückziehen, denn im Schneckenhaus gibt es keine Freiheit. Dort gibt es keinen Platz für Freiheit.“ Die Südtiroler seien verwurzelt in Tradition und Heimat. Sie könnten „dadurch gefestigt und mit Selbstbewusstsein können Neuem offen und tolerant begegnen. Das heißt aber nicht, tolerant mit Intoleranten zu sein“, und so fort und so weiter. (Zitiert nach „Dolomiten“ vom 20. Februar 2017)
Die Penoner und vor allem die versammelten SVP-Funktionäre dankten mit verhaltenem Applaus. Dass der stets auf Entgegenkommen gegenüber Rom bedachte Landeshauptmann Kompatscher, der auch nicht gerade als Befürworter der Südtiroler Selbstbestimmung bekannt ist, nur vor einer relativ kleinen statt auf der großen Versammlung in Meran sprechen konnte, hatte für ihn als Redner wahrscheinlich seine Vorteile gehabt. In Meran hätte es womöglich andere Reaktionen gegeben.
Zwei SVP-Bezirksobmänner: Selbstbestimmung und der Wille zur Einheit Tirols
Dass es in der SVP zu den Fragen der Selbstbestimmung und der Freiheit auch andere Positionen als die des Landeshauptmannes Arno Kompatscher gibt, stellten bei den Andreas-Hofer-Feiern zwei SVP-Bezirksobmänner unter Beweis.
In Sarnthein hielt der SVP-Bezirksobmann Christoph Perathoner am 19. Februar 2017 die Festrede auf der Andreas-Hofer-Gedenkfeier und sprach dabei das Thema der Selbstbestimmung für Südtirol an. Die Selbstbestimmung, führte der Redner aus, sei „das Recht eines Volkes, sein Schicksal selbst zu gestalten.“
In Neumarkt im Unterland erklärte der Landtagsabgeordnete und SVP-Bezirksobmann Oswald Schiefer in seiner Gedenkrede: „Durch diese Gedenkfeiern beweisen wir in unserer Gemeinde und den einzelnen Ortschaften den Willen zur Einheit und Geschlossenheit Tirols.“
EX-SPD-Bürgermeister Christian Ude: Hofer nicht verklären!
In Gries bei Bozen hielt der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude(SPD) die Festrede.
Wie es einem vermeintlich fortschrittlichen Politiker seines Zuschnittes zukommt, demonstrierte er seine kritische Einstellung gegenüber vaterländischen Themen.
Er sei „kein Freund von Heldengedenken“. Man müsse dem Bestreben von „Deutschnationalen“, Hofer zu vereinnahmen, „unbedingt entgegentreten“, denn „das ist ein völliger Schmarrn“. Bei Andreas Hofer stehe die Liebe zur Heimat im Vordergrund, „aber wir sollen ihn nicht verklären, sondern gemäß unserer realistischen Zeit betrachten“, schloss Ude seine Gedenkrede, in welcher er das Thema der Selbstbestimmung für Südtirol sorgsam vermieden hatte. (Zitiert nach „Dolomiten“ vom 20. Februar 2017)
Warum unsere jetzige Zeit eine „realistische Zeit“ sei im Gegensatz offenbar zu anderen nicht realistischen Zeiten und was diese Formulierung überhaupt bedeuten solle, hatte Ude nicht erklärt.
Ein junger Schütze in Bozen: Gegen Fremdbestimmung, für Einheit und Freiheit!
Für die Zuhörer besser verständlich war das, was der junge Schützen-Oberleutnant Mathias Hofer von der Olanger Schützenkompanie Peter Sigmayr am 19. Februar 2017 bei der großen Feier vor dem Dom in Bozen in seiner Festrede vermittelte:
„Für uns ist vielfach alles selbstverständlich, daher ist es wichtig, dass wir uns immer wieder bewusst werden, dass wir das, was wir haben, diese wunderschöne Heimat und das Recht auf Muttersprache, nicht geschenkt bekommen haben. Dass es Menschen gab, die wie Andreas Hofer den Mut hatten, für unsere Rechte einzustehen, dafür zu kämpfen und sogar mit dem Leben dafür zu bezahlen.“
Der junge Schütze sagte weiter:
„Viele gedenken heute der Freiheitskämpfe und wissen oft gar nicht mehr, warum wir stolz auf unsere Vorfahren sein können. Wir müssen deshalb so stolz darauf sein, weil unsere Vorfahren in schwierigen Zeiten viel an persönlicher Verantwortung auf sich genommen haben, um die Fremdbestimmung zu verhindern, die Einheit und die Freiheit unseres Landes zu retten und so dem Land eine Zukunft zu geben. Ihr Erbe muss uns Auftrag und Verpflichtung sein.“
Deshalb brauche es auch heute Menschen, die mutig sind und für das Allgemeinwohl, die Gerechtigkeit, die Freiheit und die Heimat eintreten. (Zitiert nach „Dolomiten“ vom 20. Februar 2017)
FPÖ-Südtirolsprecher und Nationalratsabgeordneter Werner Neubauer in Klausen: Das Ziel ist die Zusammenführung der Tiroler Landesteile
Am 20.Februar 2017 hielt der österreichische Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer die Festrede auf der Andreas Hofer Gedenkfeier der Schützenkompanie Klausen im Schützenbezirk Brixen.
Der Abgeordnete Neubauer sprach offen an, was die Gestalt Andreas Hofers für die heutige Zeit bedeutsam macht. Es seien dies die Fragen der Landeseinheit und des Selbstbestimmungsrechts.
„Sinn eines solchen Gedenkjahres“, sagte Neubauer, „muss es sein, die Vergangenheit zu respektieren und gerade in der Person Hofers jene Tugenden zu erkennen, die sich im ausgewiesenen Mut, seiner Geradlinigkeit und Tapferkeit, aber auch in der Religion und Liebe zur eigenen Tradition und der Heimat, in besonders hervorragender Weise widerspiegeln.
Das diesjährige Gedenken müssen wir aber vor allem auch zum Anlass nehmen, um über den zukünftigen Weg, der nach der schmerzlichen Abtrennung der österreichischen Minderheit im südlichen Tirol im Jahre 1919 durch den Vertrag von Paris-Saint Germain, eingeleitet wurde, ernsthafte Gedanken zu fassen.
Das Ziel muss es sein, die drei Tiroler Landesteile wieder zusammenzuführen.“
Männern wie Luis Amplatz, Jörg Klotz, Franz Höfler, Anton Gostner und Sepp Kerschbaumer, um nur einige zu nennen, sei es letztlich zu verdanken gewesen, dass der staatlich gesteuerten Unterwanderung Einhalt geboten werden konnte und dass der Abschluss zum Autonomiepaket erreicht wurde. Das sei aber noch nicht das Ende des Weges.
Es geht um das Selbstbestimmungsrecht
„Das Selbstbestimmungsrecht der Völker“, führte Neubauer weiter aus, „ist für uns unteilbar und unverzichtbar. Bis zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes der Südtiroler ist es die historische Aufgabe Österreichs, den Bestand der deutschen und ladinischen Volksgruppen in Südtirol so wie den rechtlichen Status mit allen verfügbaren friedlichen Mitteln zu sichern.“
Die Schützenkompanie Klausen, sagte Neubauer, habe sich den berühmten Tiroler Freiheitskämpfer und Landesverteidiger, den Kapuzinerpater Joachim Haspinger, als Namenspaten gewählt.
Dieser habe mehrfach in den Landesaufgeboten die Grenzen Tirols verteidigen geholfen und habe sich als bereits geweihter Priester 1809 am Tiroler Volksaufstand beteiligt.
„Haspinger nahm in der Folge auch an den Bergisel-Schlachten an vorderster Front teil. Er hielt in schwierigsten Situationen durch, führte seinen Kreuzstab als Banner voran. … Er wurde zum Volksführer, später zum Kommandanten. Pater Joachim war von nun an einer der feurigsten Arme des Aufstandes.“
Pater Haspinger, berichtete Neubauer, habe nach der endgültigen Niederlage der Tiroler Tirol verlassen und 1858 fern seiner Heimat in Salzburg sterben müssen.
Es sei ein Signal der Hoffnung, dass die Schützenkompanie Klausen mit dieser Feier an die ebenso tragische wie heldenhafte Vergangenheit Tirols erinnere und das Andenken an Andreas Hofer begehe.
„Am Grabe Hofers, Speckbachers und Haspingers in der Innsbrucker Hofkirche befindet sich folgender Schwur Tirols:
Ein Volk, dem man die Heimat nahm,
gräbt knirschend seinen Zorn und Gram hier in den Stein der Heldengruft
Und schwört bei Hofers Staub und ruft:
Wir werden rasten und ruhen nicht
bis unsrer Knechtschaft Fessel bricht und Nord und Süd die Bruderhand
sich reichen im deutschen Hofer Land Es lebe Tirol!“
„Klingt diese Stelle, die ich jetzt erst verstehe, nicht wie eine Prophezeiung, wenn Sie auf das Hochgebirge blicken, das sich auf den Ruf seines Hofers erhoben hat? Welch ein Mann, dieser Andreas Hofer! Ein Bauer wird ein Feldherr, und was für einer! Seine Waffe – Gebet, sein Bundesgenosse – Gott! Er kämpft mit gefalteten Händen, kämpft mit gebeugten Knien und schlägt mit dem Flammenschwert des Cherubs …“
Dies schrieb Königin Marie Luise von Preußen aus Königsberg, aus Verbannung und Flucht, zur Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands durch Napoleon
Vor 250 Jahren wurde Andreas Hofer am 22. November 1767 auf dem Sandhof in St. Leonhard im Passeier geboren. Er übernahm nach dem Tod seines Vaters mit 22 Jahren den Sandhof und betrieb auch Pferde-, Wein- und Branntweinhandel, wodurch er im ganzen Land herum kam. Seine Frau Anna bewirtschaftete den Hof. Hofer war des Lesens und Schreibens kundig und beherrschte auch die italienische Sprache.
In den Kämpfen von 1797 hatte Hofer bereits als Hauptmann die Erste Passeirer Landsturmkompanie kommandiert.
Am 4. November 1805 traf Hofer heimlich in Bruneck oder Lienz mit dem Erzherzog Johann zusammen, den er auch schon ein Jahr zuvor auf dem Sandhof bewirtet hatte. Diesmal ging es darum, die Möglichkeiten einer Erhebung gegen die Bayern zu besprechen
Im Jänner 1809 reiste Hofer zusammen mit einigen Vertrauten nach Wien. In mehreren Besprechungen mit Erzherzog Johann wurden die Verabredungen zum Aufstand der Tiroler getroffen und am 8. April 1809 erging das Besitzergreifungspatent des Erzherzog Johanns. Einen Tag danach erhob sich das Land.
Am 17. April 1809 nahm Hofer zusammen mit dem Chef der österreichischen Zivilverwaltung, Josef Freiherr von Hormayr im Schloss Tirol im Namen Österreichs sinnbildlich von dem Land Besitz. Bald waren die bayerischen Besatzungstruppen aus dem Land gedrängt.
Als bayerische Truppen unter Marschall Lefebvre wieder in Tirol einfielen und bis Innsbruck vorrückten, übernahm Hofer als Oberkommandant in Tirol den Befehl und rief aufgrund des Landlibells von 1511 den Landsturm zu den Fahnen.
Am 29. Mai 1809 fand die siegreiche Schlacht auf dem Bergisel bei Innsbruck statt.
Durch den Waffenstillstand von Znaim am 12. Juli 1809 war Tirol wieder den Feinden preisgegeben. Hofer rief das Tiroler Aufgebot erneut zu den Waffen. Am 13. August 1809 kam es zu einer erneuten siegreichen Schlacht am Bergisel.
Der Schönbrunner Friede vom 14. Oktober 1809 gab aber nun das Land dem Feind preis. Hofer entschied sich aber zum Weiterkämpfen, diesmal ohne österreichische Unterstützung.
Nun kam es am 1. November 1809 zur letzten Schlacht auf dem Bergisel, die mit einer Niederlage endete.
Nach mehreren weiteren verlustreichen Gefechten brach der Tiroler Aufstand zusammen. Hofer musste in die Berge fliehen, wurde an die Franzosen verraten und auf der Pfandleralm verhaftet.
Am 20. Februar 1810 ging Andreas Hofer vor der Bastei der Festung Mantua mit einer aufrechten Haltung in den Tod, die sein letzter Beichtvater und Beistand im Tode, Giovanni Manifesti, der Propst und Erzpriester von Santa Barbara, bezeugte: „Con somma mia consolazione ed edificazione ho ammirato un uomo, ch’e andato alla morte come un eroe cristiano, e l’ha sostenuta come martire intrepido.” („Ich bewunderte voll Trost und Erbauung einen Mann, der als christlicher Held zum Tode ging und ihn als unerschrockener Märtyrer erlitt.“)
1823 enterdigten österreichische Offiziere Hofers sterbliche Überreste in Mantua und brachten diese nach Innsbruck, wo sie in der Innsbrucker Hofkirche beigesetzt wurden.
Erzherzog Johann war ein Freund und großer Verehrer Andreas Hofers gewesen. Er liebte das Land Tirol, in welchem er seine späten Lebensjahre verbrachte. Im Jahre 1845 schrieb er, nachdem er wieder nach Tirol hatte zurückkehren können:
„Ich war wieder in Tirol, frei und unbehindert, dem Land angehörend durch Liebe und Treue, durch Besitztum, durch Weib und Kind. Jenem Land, von dem ich vor 15 Jahren eine Schachtel Erde holte, damit auf dieser einst mein Haupt im Grabe ruhe – wusste ich doch nicht, ob es mir einmal vergönnt sein werde, frei dasselbe zu betreten.“
(Aus Johanns Tagebuch von 1845. Zitiert bei Bernhard Wurzer: „Tiroler Freiheitskampf“, Schriftenreihe zur Zeitgeschichte Tirols, Bd. 5, Erw. Neuauflage, S. 89)
Johann hatte auch die Wiege des Freiheitshelden Andreas Hofer zu dessen Andenken auf sein Schloss Schenna bei Meran geholt. Dort ruht der Erzherzog, seinem letzten Wunsch gemäß, im Mausoleum des Schlosses, an seiner Seite ruhen seine Frau und sein Sohn.
Ein düsterer Nachhall:
Die provokatorische Sprengung des Andreas-Hofer-Denkmals in Innsbruck im Jahre 1961
An Andreas Hofer erinnert auf dem Bergisel bei Innsbruck ein großes Denkmal, welches 1961 gesprengt und später wieder aufgebaut wurde.
Im Jahre 2009 veröffentlichte ein junger Journalist der „Tiroler Tageszeitung“, namens Manuel Fasser, Geburtsjahrgang 1982, ein Buch mit dem Titel „Ein Tirol – zwei Welten. Das politische Erbe der Südtiroler Feuernacht von 1961“. (StudienVerlag Innsbruck-Wien-Bozen 2009)
Neue Tatsachen brachte das Buch keine. Manuel Fasser war es lediglich ein Anliegen, die Südtiroler Freiheitskämpfer der 1960er Jahre als „Terroristen“ festzuschreiben.
Interessanter als Fassers Begriffsspielereien war aber ein von dem Südtiroler Lehrer und Lokalhistoriker Leopold Steurer verfasster Beitrag.
In seinem „Nachwort – historische Hintergründe zur Feuernacht“, beschuldigte der von Schülern auch als „Roter Poldi“ titulierte frühere Mao-Bewunderer Leopold Steurer den „Befreiungsausschuß Südtirol“ (BAS), am 1. Oktober 1961 das Andreas-Hofer-Denkmal in Innsbruck gesprengt zu haben. Dies sollte laut Steurer eine „Welle nationaler Empörung“ gegen Italien zu provozieren. „Die Waffe des Dynamits musste sich gegen das patriotische Herzstück und Heiligtum der eigenen Gruppe, eben das Andreas-Hofer-Denkmal auf dem Bergisel, richten, um durch die künstliche Schaffung einer neuen Welle nationaler Empörung ein Gefühl der kollektiven Bedrohung durch diesen ‚feindlichen Gegenschlag‘ zu erzeugen und damit von den eigenen Fehlern und Misserfolgen abzulenken und den politischen Tiefpunkt zu überwinden.“ (Leopold Steurer: „Nachwort“, in: Manuel Fasser, a.a.O., S. 184)
Pech für den Ideologen Steurer: Im Jahr 1965 wurde in Italien eine neofaschistische Terrorgruppe aufgedeckt. Bei Hausdurchsuchungen fanden sich die Beweise, dass diese Neofaschisten Anschläge in Österreich einschließlich der Sprengung des Denkmals auf dem Bergisel begangen hatten. Weitere Enthüllungen, welche die Täterschaft dieser italienischen „Gladio“-Gruppe bestätigten, erfolgten in den darauf folgenden Jahren. (Die durch offizielle Gerichtsakten belegten Nachweise sind nachzulesen in: Hubert Speckner: „Von der ‚Feuernacht‘ zur ‚Porzescharte‘ …“, Wien 2016, S. 123ff; in: Hans Karl Peterlini: Feuernacht – Südtirols Bombenjahre 1961 – 2011“, Bozen 2011, S. 251ff; sowie in: Helmut Golowitsch: „Für die Heimat kein Opfer zu schwer. Folter – Tod – Erniedrigung. Südtirol 1961 – 1969“, Edition Südtiroler Zeitgeschichte. 2. Auflage, 2009, S. 725ff)
Welschtirol und der italienische Irredentismus (Teil 1)
Der Begriff „Irredenta“ bezeichnete eine politische Bewegung zur Schaffung eines italienischen Nationalstaates und der Angliederung aller von Italienern bewohnten Gebiete an diesen. „Terre irredente“ heißt auf Deutsch: „Unerlöste Gebiete“.
Diese Bewegung musste zwangsläufig zur Konfrontation mit Österreich, beziehungsweise „Österreich-Ungarn“ führen.
Teil I: Hinweis auf ein wichtiges Buch und die Geschichte des Irredentismus
von Georg Dattenböck
Im Jahre 1916 verfasste der Historiker Dr. Michael Mayr (Staatsarchivdirektor und Professor an der Universität Innsbruck) ein Standardwerk über den italienischen Irredentismus. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit waren die Verhältnisse in Tirol – in Welschtirol, welches heute den von den Faschisten verpassten Namen „Trentino“ trägt.
Dieses kritische Werk, welches durchaus auch die von der österreichischen Politik und Verwaltung begangenen Fehler behandelt, ist im Jahre 2010 in einer Neuauflage erschienen:
Dr. Michael Mayr: „Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“
Es ist es wert, dass man sich mit seinem Inhalt auseinander setzt.
Ein Wort zum Verfasser des Werkes „Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“
Michael Mayr wurde am 10. April1864 in Adlwang in Oberösterreich als Sohn eines Bauern geboren. Er besuchte das Gymnasium der Jesuiten in Linz, maturierte jedoch 1895 im Benediktinerstift in Kremsmünster. Anschließend studierte er Geschichte und Geographie an der Universität in Wien, absolvierte 1889-1891 das „Institut für Österreichische Geschichtsforschung“, war 1891 Stipendiat am „Österreichischen Historischen Institut in Rom“ (Erforschung der Nuntiaturberichte 1560-1572) und wurde 1890 promoviert.
Beamter, Historiker, Abgeordneter
Nach kurzer Tätigkeit im Archiv des k.u.k. Finanzministeriums war Mayr ab 1892 Beamter des Statthaltereiarchivs in Innsbruck und dessen Direktor von 1897 bis 1920.
Im Jahre 1900 wurde Mayr Professor für Neue Geschichte an der Universität Innsbruck.
Mayr war von seiner ursprünglichen politischen Einstellung her ein Liberaler, trat aber dann der „Christlichsozialen Partei“ bei. Er begann seine politische Laufbahn als Abgeordneter zum Reichstag in Wien von 1907 bis 1911, um anschließend von 1908 bis 1914 als Abgeordneter im Tiroler Landtag tätig zu werden. Mayr war 1918 auch Mitglied der „Konstituierenden Nationalversammlung“ Deutschösterreichs.
Als Gesandter Tirols verhandelte Mayr in der Schweiz 1918/19 mit Abgesandten der Siegermächte über eine eigene Republik oder einen Freistaat Tirol.
Um die Einheit Tirols zu wahren, verlangte Mayr damals in der Provisorischen Nationalversammlung mit anderen Abgeordneten das Recht Tirols auf Loslösung von Österreich.
Staatssekretär, Verfassungsrechtler und Staatskanzler
Der erste Staatskanzler der neu gegründeten Republik Deutschösterreich, Dr. Karl Renner, Mitglied der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs“ (SDAPÖ), berief Mayr zum Staatssekretär für die Arbeiten an einer gesamtösterreichischen Verfassung, die Mayr zusammen mit Hans Kelsen, einem der bedeutendsten Rechtsgelehrten, schuf.
Dr. Michael Mayr wurde am 7. Juli 1920 in Nachfolge von Dr. Karl Renner zweiter Staatskanzler bzw. ab 10. November 1920 erster Bundeskanzler Österreichs und ab 22. Oktober, als die Sozialdemokraten aus der Regierung austraten, wurde er zugleich auch Außenminister.
Am 20. November 1920 wurde die Bundesregierung Mayr II, eine Minderheitenregierung der Christlichsozialen mit Unterstützung der Großdeutschen gewählt.
Da sich die österreichische Regierung im Friedensvertrag von Saint-Germain im Jahr 1919 verpflichten mußte, Österreich von Deutschland unabhängig zu erhalten, trat Bundeskanzler Dr. Mayr wegen einer in der Steiermark beabsichtigten Abstimmung über einen Anschluss an das Deutsche Reich von seinem Amt zurück, führte jedoch die Geschäfte bis zur Angelobung der neuen Bundesregierung unter Bundeskanzler Johann Schober am 21. Juni 1921 weiter.
Dr. Michael Mayr starb an einem Herzinfarkt am 21. Mai 1922 in Waldneukirchen bei Steyr, nur 58 Jahre alt, beim Besuch am Hofe seiner Schwester.
Sein Geschichtswerk über den italienischen Irredentismus
Dieses sehr wichtige Buch berichtet über eine über 100jährige Vorgeschichte der Zerreißung Tirols im Jahre 1918. Ohne die Kenntnis dieser Vorgeschichte versteht man die italienische Begehrlichkeit auf Tirol und die erfolgte Aggression kaum. Wer die Tiroler Geschichte vor 1918 kennenlernen und vor allem wissen will, welche Kräfte die Fäden zur Zerstörung der Landeseinheit spannen, kann nicht umhin, Mayrs gründliche Analyse zu lesen. Es ist ein Werk, welches bereits 1916 um Jahrzehnte zu spät erschien und seine Wirkung nicht mehr entfalten konnte, wie man heute im Rückblick bedauernd festhalten muss.
In seinem Vorwort schrieb Mayr, daß
„die deutsche Geschichtsschreibung und die österreichische und deutsche Politik sich um das Wesen und die Entwicklung des italienischen Irredentismus in Österreich in seinem ganzen Zusammenhange bisher verhältnismäßig wenig gekümmert haben, obwohl er bereits die Kriege Italiens gegen Österreich in den Jahren 1848/49, 1859, 1866 und den Verrat Italiens an seinen Bundesgenossen im gegenwärtigen Weltkriege verursacht hat“.
Diese Gedanken sind aus der damaligen Notsituation mitten im Krieg verständlich. Im Abstand von 100 Jahren ist es jedoch auch geboten, die österreichische Politik sehr kritisch zu hinterfragen.
Welschtirol und der italienische Irredentismus (Teil 2)
Eine kritische Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung
von Georg Dattenböck
Vor dem Ersten Weltkrieg
Als am 21. November 1916, nach einer Regierungszeit von nahezu 68 Jahren, der greise österreichische Kaiser Franz Joseph I. aus dem Haus Habsburg-Lothringen, König von Böhmen und Apostolischer König von Ungarn in Wien starb, ging ein geschichtliches Zeitalter zu Ende: Tirol gehörte seit der Zeit der Völkerwanderung zum Herzogtum Bayern und seit 1363, als Margarete Maultasch von Tirol ihr Land im Einvernehmen mit den Landständen ihrem nächsten Verwandten, dem Habsburger Rudolf, dem Stifter übergab, zu Österreich.
Franz-Josef wurde am 2. Dezember 1848, nachdem sein Vater auf das Amt verzichtete, auf Wunsch der kaiserlichen Familie und nach den revolutionären Erhebungen breiter Volksschichten, im Alter von achtzehn Jahren Kaiser von Österreich. Als erste Maßnahme und als ein Menetekel, hob der junge Kaiser alle gegebenen Verfassungszugeständnisse auf und regierte ab 1851 wieder absolutistisch und zentralistisch. Die Regierung wollte nicht mehr oder weniger, als das abgewirtschaftete und verhasste „System Metternich“ wieder in Kraft setzen.
Das erwachende Nationalbewusstsein der Völker
Als Flammenschrift an der politischen Wand standen an erster Stelle bereits die soziale Frage, dann der Freiheitswille und auch der (teilweise von außen) geschürte Nationalismus der vielen Völkerschaften der Monarchie.
Niemand wollte und konnte damals diese Flammenschrift, Vorbote des zermalmenden Orkans von 1914, lesen und die Botschaft verstehen. Auch dann noch nicht, als der für die ungarischen Aufständischen 1848 als Schneidergeselle arbeitende János Libényi am 18. Februar 1853 auf der Bastei in Wien ein Messerattentat auf den jungen Kaiser verübte.
Die politischen Feinde der Monarchie im Untergrund jubelten: Am 18. März 1853 erschien die anonyme Schmähschrift eines Italieners und in Wien sang der verhetzte Mob:
„Auf der Simmeringer Had (Heide) hat’s an Schneider verwaht. Es g’schieht ihm scho‘ recht, warum sticht er so schlecht?“
1859 erfolgte die Niederlage der österreichischen Armee im „Sardinischen Krieg“. Sardinien-Piemont wollte das Königreich Lombardo-Venetien von österreichischer Herrschaft befreien und sich selbst einverleiben. Das Vorhaben gelang, Österreich verlor den Krieg in blutigen Schlachten.
Am 3. Juli 1866 folgte die schwere Niederlage der österreichischen Armee bei Königgrätz gegen Preußen im Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland. Der Kaiser wurde dadurch zum Ausgleich mit den aufsässigen Ungarn und zur Umwandlung des bislang von Wien aus regierten Kaiserstaates Österreich in zwei konstitutionelle Monarchien gezwungen: Die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn entstand, unter törichter Missachtung der nationalen Wünsche aller anderen Völkerschaften.
Bewegungen im Untergrund: „Carbonari“ und Freimaurer
Italien war seit dem Ende des antiken Römischen Reiches im Jahre 476 bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nur ein geographischer Begriff, aber keine Nation, kein staatsrechtlicher Begriff.
Im 18. Jahrhundert entstanden vor allem in Süditalien geheime Sekten mit radikaler politischer Tendenz, die radikalste Gruppierung waren die „Carbonari“, deren Riten sich an jene der Freimaurerei anlehnten.
„An Stelle der Loge trat bei den „Köhlern“ die „Hütte“, in denen den ‚guten Vettern‘, so nannten sich die Mitglieder, als heiligste Pflicht der Kampf gegen die Tyrannei verkündet wurde, oder, wie die Carbonari das in ihrer symbolischen Sprache ausdrückten: ‚die Jagd auf die Wölfe des Waldes‘. Man hat in der Folge oft behauptet, die Carboneria sei mit der Freimaurerei identisch gewesen. Aber das ist nicht der Fall.“ [Lennhof/Posner: Internationales Freimaurerlexikon; unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1932, Spalte 760ff, Wien-München 1980].
Die italienische Freimaurerei vertrat nicht wie die deutsche Freimaurerei eine utopische Vorstellung eines Weltbürgertums, sondern war nicht nur aus der Sicht der österreichischen Behörden durchaus irredentistisch/nationalistisch. Dies wird durch viele freimaurerische Bekundungen dokumentiert, wie zum Beispiel durch die feierliche Enthüllung des Dante-Alighieri-Denkmal in Trient, welches als sogenanntes Trienter „Trutzdenkmal“ die Italianität Welschtirols unterstreichen sollte.
Der bekannteste Freimaurer seiner Zeit war der Irredentist und Revolutionär Giuseppe Garibaldi. Er wurde später Großmeister des ‚Grande Orients d’Italia‘. Andere waren Camillo Cavour, Schöpfer der italienischen Verfassung, Giuseppe Mazzoni, auch ein berühmter Großmeister, oder der Revolutionär Giuseppe Mazzini.
Den Irredentisten im italienisch-sprachigen Teil der Monarchie, die Teile des Bürgertums, kleinere Teile des Adels, der Geistlichkeit und Arbeiterschaft, aber kaum die Bauernschaft umfassten, kann man Gewandtheit, oft List und Ausdauer sowie Unerschütterlichkeit nicht absprechen:
„Sie waren Meister im ununterbrochenen Kleinkrieg gegen die österreichischen Behörden. Letztere waren gewiß nicht immer konsequent; sie zeigten aber, besonders an Verhältnissen nach dem ersten Weltkrieg gemessen, im allgemeinen und meistens eine Milde, Nachsicht und Geduld sowie Fairness, über die man heute noch staunt. Dank und Anerkennung ist ihnen von der Gegenseite dafür nicht geworden“ [Hans Kramertz: „Das Dante-Aligherie-Denkmal in Trient im Rahmen des italienischen Irredentismus“; in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Band 58, Dezember 1950].
Ein späterer Faschist als Vorkämpfer imperialistischer Unterdrückung
Die ohne Zweifel für das Schicksal Tirols unheilvollste Person war der 1865 in Rovereto geborene Ettore Tolomei. Er studierte in Florenz Geschichte und Geographie, wurde ein glühender Nationalist und Mitglied der ‚Dante Alighieri Gesellschaft‘.
Ettore Tolomei, der von seinem geliebten „Duce“ Mussolini ehrenhalber zum faschistischen Senator befördert werden sollte, sah seine Lebensaufgabe darin, die Grenzen Italiens auf den Alpenhauptkamm zu verlegen, dadurch das historisch gewachsene Tirol zu zerstören und die Ladiner und die Deutschen südlich des Brenner unter italienische Fremdherrschaft zu bringen. Er scheute dabei vor keinen historischen und Ortsnamen-Fälschungen, zurück, die teilweise skurrilen und lächerlichen Charakter annahmen.
Seine erlogene „Erstbesteigung“ des eher unbedeutenden, aber am nördlichsten im Alpenhauptkamm gelegenen Glockenkarkopfes mit der grotesken Umbenennung des Gipfels in „Vetta d’Italia“ („Gipfel Italiens“) hatte historische Bedeutung. Bei den Pariser Friedensverhandlungen am Ende des Weltkrieges wurde von der italienischen Delegation eine Landkarte mit diesem Namen vorgelegt. Dies machte angeblich großen Eindruck – oder politisch willkommenen und vorgetäuschten Eindruck – auf den US-Präsidenten Wilson. Auch hier darf man Verlogenheit und Täuschung nicht ausschließen.
Bereits in der ersten Ausgabe der von ihm gegründeten Zeitschrift „La Nazione Italiana“ hatte Tolomei seine unheilvolle Lügenpropaganda begonnen. In der Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“ präsentierte Tolomie seine geschichtlichen Lügen und gefälschten Ortsnamen, womit er die „Italianität“ des deutschen und ladinischen Südtirols „wissenschaftlich“ begründete.
Die Abschaffung des wahren und geschichtlichen Namens Tirol sowie die Umwandlung aller deutschen und ladinischen Orts- und Flurnamen in erfundene italienische Namen war sein Programm. Für die Landesbezeichnung griff Tolomei auf den kurzzeitig unter Napoleon verwendeten Namen „Alto Adige“ – „Hoch-Etsch“ – zurück.
Es gelang Tolomei und seinen Helfern jedoch trotz vieler Anstrengungen bis Mitte des 1. Weltkrieges nicht, die italienische Wissenschaft, besonders die „Geographische Gesellschaft“ und sogar die Mehrheit der politischen Führung Italiens, vom „wissenschaftlichen“ Wert seiner Publikationen zu überzeugen. Erst als er trotz heftiger Proteste Mitglied der „Geographischen Gesellschaft“ wurde, sollte sich dann unter dem Eindruck des gewonnenen Krieges und vor allem unter dem Einfluss des Faschismus rasch die Einstellung dieser Vereinigung wandeln.
In Österreich hatte man die Entwicklung und die drohenden Gefahren nicht rechtzeitig erkannt
Die lodernde Flammenschrift an der Wand war vom Kaiser Franz Joseph und seinem Führungskreis, trotz vieler ernsthafter Warnungen, immer noch nicht verstanden worden, als der italienische Anarchist Luigi Lucheni die Gattin Franz Josephs, Kaiserin Elisabeth („Sissy“), am 10. September 1898 in Genf mittels einer Feile mit eiskaltem Vorbedacht ermordete. [Luigi Lucheni / Santo Cappon: Ich bereue nichts! Die Aufzeichnungen des Sissi-Mörders; Taschenbuch, 2000]
Lucheni hatte sich den russischen Adeligen und Anarchistenführer Michail Alexandrowitsch Bakunin (*1814, †1876 in Bern) als anarchistisches Vorbild gewählt. Bakunin hatte 1861 mit Guiseppe Garibaldi Verbindung aufgenommen und sich 1864 in Italien niedergelassen. Er war durch Empfehlungsschreiben von G. Mazzini und Aurelio Saffi in die revolutionären italienischen Kreise eingeführt worden und hatte 1864 in Italien die „Internationale Bruderschaft“, die Keimzelle der Anarchisten Italiens, begründet.
Der Historiker Otto Weiß stellte in einem historischen Beitrag „Deutschlandbild der Italiener von der Schlacht bei Königgrätz bis zur Reichsgründung“ [In: „Deutsche Italienbilder und italienische Deutschlandbilder in der Zeit der nationalen Bewegungen 1830-1870“, Berlin 1991] die Frage:
„Wie sahen die ‚Deutschen‘ im Urteil und Empfinden der Italiener zwischen 1866 und der deutschen Reichsgründung aus? Als Quellen für seine gründliche Analyse untersuchte Weiß die gesamte damalige Presse, „dann auch programmatische Artikel in Zeitschriften und Flugschriften, die sich speziell mit Deutschland, insbesondere mit dem Verhältnis Deutschlands zu Italien befassen“.
Auf S. 257 zitierte Weiß eine hier im Kontext dieses Buches wichtige italienische Flugschrift des Jahres 1869, worin u.a. zu lesen ist:
„Damit die beiden Völker ihrer Aufgabe nachkommen könnten (…)müssten sie gemeinsam Tirol von Österreichern befreien. Der Brenner soll zur Grenze, nein zum Ort der Begegnung beider Völker werden.“
(Diese durchaus heuchlerische Interpretation des Brenners als „Ort der Begegnung“ hört und liest der aufmerksame Zeitgenosse auch heute noch in vielerlei Abwandlungen in den Medien! In erster Linie nicht von Seiten italienischer Politiker, sondern vor allem von den politischen Repräsentanten der Republik Österreich und Südtirols, die damit seit Jahrzehnten ihre ständige Verzichtspolitik in Südtirol-Fragen rechtfertigen und als moralischen Fortschritt verkaufen.)
Die Ermordung des Thronfolgers
Am 28. Juni 1914 wurden der seit 1896 zum Thronfolger bestimmte Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este und seine Gattin, Sophie Gräfin Chotek v. Chotkowa und Wognin, seit 1909 Herzogin von Hohenberg, in Sarajevo vom 19jährigen Schüler Gavrilo Princip mit Hilfe der Untergrundorganisation „Mlada Bosna“ und der serbischen Geheimorganisation „Schwarze Hand“ mit Pistolenschüssen ermordet.
Auch zu diesem Zeitpunkt kam es zu keinem entschlossenen und eigenverantwortlichen Handeln der dazu unfähigen Regierung in Wien. Zudem hatte sich wegen des Jahrzehnte langen politischen Versagens der maßgeblichen Eliten die „politische Großwetterlage“ bereits gegen das österreichische Kaiserhaus gewandt. Der überforderte alte Kaiser erklärte Serbien den Krieg, die lange aufgestellten Fallen schnappten zu, der 1. Weltkrieg entbrannte.
Die nationalistischen Kräfte des mit Österreich-Ungarn und mit dem deutschen Reich im „Dreibund“ verbündeten Italien hatten auf eine solche Situation gewartet. Nun entbrannte die Kriegstreiber-Propaganda mit voller Wucht, bis es 1915 zum Bündnis-Bruch seitens Rom und zum italienischen Überfall auf den eigenen Verbündeten kam.
Was gemäß Hofzeremoniell als wichtig erschien – während der Staat dem Zerfall entgegen wankte
Die absolute Starrheit und der moralische Verfall des kaiserlichen Hofstaates in Wien hatten sich beim schäbigen Begräbnis des ermordeten designierten kaiserlichen Ehepaares dokumentiert:
„Die Trauerfeiern wurden vom Hof wegen der nicht standesgemäßen Heirat bewusst bescheiden gehalten, die Presse sprach von einem ‚Begräbnis III. Klasse‘. Ein vollständiges Staatsbegräbnis kam für einen Thronfolger ohnehin nicht in Frage, dies stand nur dem Monarchen selbst zu. Für die Herzogin von Hohenberg war eine Bestattung in der Kapuzinergruft nicht möglich, und eine Ausnahmeregelung durch Kaiser Franz Joseph war nicht zu erwarten. Er konnte dem Thronfolger die morganatische Ehe gegen seinen Willen nicht verzeihen.
Da Franz Ferdinand dies gewusst hatte, aber unter allen Umständen an der Seite seiner Gattin begraben werden wollte, hatte er bereits zu Lebzeiten vorgesorgt und in seinem Schloss Artstetten eine Gruft errichten lassen. [Austria-Forum: „Franz Ferdinand von Österreich-Este“].
Der ermordete Thronfolger hatte ein modernes Staats-Konzept vertreten
Der Ermordete hatte als einer der wenigen Mitglieder des Kaiserhauses die vielen Zeichen an der Wand gesehen: Er hatte die Monarchie grundlegend neugestalten und die Völker Österreichs in einer Föderation auf ethnischer Grundlage vereinen wollen. Das war ein modernes Konzept gewesen, welches zu einer Lösung der ethnischen Fragen durch einen Föderalismus ähnlich jenem der Schweiz hätte führen können. Seine Ermordung 1914 und der Tod des greisen Kaisers 1916, sowie die Niederlage von Österreich-Ungarn 1918 waren das tragische Ende eines großen Staates, einst die vielhundertjährige Führungsmacht Deutschlands im Herzen Europas.
Feldmarschall Conrad von Hötzendorf hatte die italienische Gefahr erkannt gehabt
Österreichs Feldmarschall Conrad von Hötzendorf, bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 der Chef des Generalstabes für die gesamte bewaffnete Macht Österreich-Ungarns, hatte mehrmals einen Präventivkriege der Monarchie gegen die erkannten Gefährder Italien und Serbien gefordert gehabt. Conrad spielte eine wichtige Rolle in der Julikrise, die zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte. Er urteilte über den Irredentismus [“Aus meiner Dienstzeit 1906-1918“, S. 24, Wien-Berlin-Leipzig-München 1921]:
„So gering die Zahl der Italiener in Österreich-Ungarn auch war, so bedeutungsvoll wurde sie durch die hartnäckige Agitation ihrer politischen Führer, die letzten Endes die Vereinigung der von Italienern bewohnten österreichisch-ungarischen Gebiete mit dem Königreich Italien anstrebten. Sie fanden bei Italien die lebhafteste Unterstützung.
Zwar nötigte das zwischen Österreich-Ungarn und Italien bestehende Bündnis die offiziellen Kreise Italiens, die Beziehungen zur irredentistischen Bewegung nach außen hin zu verleugnen, nichtsdestoweniger fanden sie italienischerseits vollste Förderung“
„Von den (Im Jahre 1890) 697.000 Italienern Österreich-Ungarns bewohnten 22.000 das Gebiet von Fiume, 16.000 Dalmatien, 294.000 das Küstenland, 362.000 Tirol. Im Küstenland bildeten sie hauptsächlich die Bevölkerung der Städte (Triest, Görz, Pola, Parenzo, Rovigno etc.), während das Land rings um diese von Slawen bewohnt war; in Tirol hatten sie den Süden des Landes inne, davon große Teile, die einst deutsch waren, allmählich aber verwelscht wurden.
Die italienische Landbevölkerung, dann auch der Adel waren zum größten Teile österreich-patriotisch gesinnt, ein Großteil der reicheren Gutsbesitzer (signori) sowie der bürgerlichen Kreise aber war ausgesprochen dem Irredentismus ergeben, der überdies auch im Klerus und selbst in der Beamtenschaft seine Vertreter fand.
Die Tendenzen dieser Partei hatten so sehr die Vereinigung mit Italien zum unverrückbaren Ziele, daß jedes Entgegenkommen, jeder versöhnliche Versuch ein vergebenes Bemühen war, ja jede Konzession die irredentistischen Bestrebungen nur zu fördern vermochte. Trotzdem ging die Regierung, in großer Schwäche, diesen Weg. Italien versäumte es nicht, den Irredentismus wach zu erhalten, ihn auszunützen und dem großen Ziele einer wesentlichen territorialen Erweiterung auf Kosten Österreich-Ungarns dienstbar zu machen.“
Ein österreichischer Offizier berichtet über die italienische geheimdienstliche Wühlarbeit
Ein ehemaliger österreichischer Offizier, der seit 1906 mit Unterbrechungen in „einem Grenzort Südtirols, der eine bekannte Hochburg der Irrendenta war“, seinen Militärdienst im Abwehr- und Nachrichtendienst verrichtete, beschrieb anschaulich das dort von ihm Erlebte [„Kämpfer an vergessenen Fronten“, bearbeitet und herausgegeben von Wolfgang Foerstner. S. 558ff, Berlin 1931].
Er berichtete u.a.:
Italienische Offiziere sagen Krieg voraus
„In den meisten Geschäftsauslagen waren Büsten des italienischen Königs oder Garibaldis, niemals aber ein Bild unseres eigenen Herrschers zu sehen. (…) Während meiner mehrjährigen Abwesenheit von Tirol hatten die Italiener so ziemlich alle Grenzübergänge mit Sperrforts versehen, die aber alle in ihrer Anlage den offensiven Charakter erkennen ließen. (…) Von italienischen Offizieren konnte man nach dem Tripoliskrieg [Anm. Hg.: dieser begann mit der italienischen Kriegserklärung am 29. September 1911 und endete mit dem Frieden von Ouchy am 18. Oktober 1912. In ihm trat das Osmanische Reich Tripolitanien, die Cyrenaika und den Dodekanes an Italien ab.] vielfach die Äußerung hören, der Tripoliskrieg sei nur als Vorschule für den nun bald kommenden Krieg gegen Österreich, den man zu Erlangung von Trient und Triest führen werde, anzusehen.
Steigerung der Spionagetätigkeit
Tatsächlich war damals in Südtirol auch eine wesentliche Steigerung der italienischen Spionagetätigkeit zu verzeichnen, was immer ein Zeichen ist, daß sich irgendetwas vorbereitet. (…)
Wie es diesbezüglich aussah, lässt wohl am besten die Tatsache erkennen, daß damals in einem Monat in Südtirol vierzig italienische Offiziere zugleich auf Urlaub weilten, die sich in unserem Grenzbereich als Touristen herumtrieben und dabei nicht nur selbst auskundschafteten, sondern auch unsere italienische Grenzbevölkerung verhetzten und zur Spionage verleiteten. (…)
In den letzten Jahren vor dem Ausbruch des Weltkrieges arbeitete der italienische Nachrichtendienst in Tirol mit Hochdruck und bediente sich dabei mit großem Erfolg jener Bewegung, welche man als Irredenta bezeichnete, und welche sich die Losreißung der von Italienern bewohnten Grenzgebiete der Monarchie zum Ziele gesetzt hatte. (…)
Da wir mit Italien im Dreibundvertrag standen und offiziell das herzlichste Einvernehmen zwischen unseren Staaten herrschte, durfte unser Abwehrdienst nur mit größter Rücksichtnahme vorgehen, um den Nachbar durch ein zu scharfes Vorgehen nicht zu verstimmen, und konnte daher nur in ganz krassen Fällen von Spionage einschreiten. (…)
Die Benutzung irredentistischer Vereinigungen
Der italienische Nachrichtendienst bediente sich zu seinen Zwecken aber auch in sehr geschickter Weise der zahlreichen irredentistischen Vereine auf unserem Gebiet. So konnten wir feststellen, daß der „Klub Alpino Tridentino“ im Auftrage des „Touring Club Italiano“, der vom italienischen Generalstab für Spionagezwecke eine jährliche Subvention von 25.000 Lire bezog, eine genaue Wegekarte des ganzen Grenzgebietes anlegte und alle im Grenzgebiete vorhandenen Hochgebirgswege bis zur Grenze markierte, welche Markierung dann auf italienischer Seite von den Alpinitruppen fortgesetzt wurde. Der Verein baute auch an einigen wichtigen Übergangspunkten des Grenzgebietes eigene Schutzhütten, die immer reichlich mit Lebensmittel versehen waren, so daß sie sehr brauchbare Depots darstellten. Die in Südtirol bestehenden Sportvereine waren fast ausschließlich irredentistisch und standen ganz unter dem Einfluss der Vereine des benachbarten Königreichs. [Anmerkung: Unter „Südtirol“ wurde im alten Österreich nicht das heutige Südtirol verstanden, sondern Welschtirol, das heutige „Trentino“.] Diese Vereine ließen sich im Laufe der Zeit alle eigene Uniformen anfertigen, die selbstverständlich in Schnitt und Farbe ganz der italienischen Uniform nachgebildet waren, so daß jeder, der so einen Verein sah, den Eindruck hatte, daß es ein reichsitalienischer sei. Derartig uniformierte Vereine gab es in Südtirol etwa 75. (…)
Horten von Waffen
Eine von der Abwehrstelle im Frühjahr 1914 durchgeführte Überprüfung der im südlichen Landesteil ausgegebenen Waffenpässe ergab, daß in den drei an Italien grenzenden Bezirken Pässe für 6000 Gewehre und 5000 Revolver und Pistolen ausgestellt worden waren. Diese Menge war hinreichend, um die genannten uniformierten Vereine vollkommen mit Waffen auszurüsten. Italien konnte also damit rechnen, daß es in einem Kriege mit uns in Südtirol gleich ein ganz italienisch uniformiertes und dabei auch noch bewaffnetes Freikorps zur Verfügung haben werde, das einen Aufmarsch unserer Truppen im südlichen Landesteil empfindlich stören, wenn nicht gar verhindern konnte“.
Die italienische Freimaurerei beteiligte sich intensiv an den Kriegsvorbereitungen
Daß auch die italienische Freimaurerei am Kriegseintritt Italiens 1915 nicht unbeteiligt war, erkennt man an den Worten des damaligen Großmeisters der italienischen Logen. Bereits am 14. Juli 1914 sprach er „von der Gefährdung der nationalen Interessen, von der Möglichkeit der Vervollständigung der nationalen Einheit (…) Auf eine Anfrage des Deutschen Großlogenbundes vom 5. November 1914, ob die in den Zeitungen veröffentlichten Mitteilungen über dreibundfeindliche Kundgebungen der italienischen Maurer wahr seien, antworteten diese zunächst vieldeutig (…)
Als am 5. Mai 1915 das Denkmal der tausend Garibaldiner in Quarto eingeweiht wurde – Gabriele d’Annunzio hielt die dieFestrede – umrahmten die Fahnen von 400 italienischen Logen den Festplatz. Neun Tage später trat Italien in den Weltkrieg ein. Der Großorient sprach in einer Botschaft von einem lang erwarteten Ereignis, das er begrüßte“ [Lennhof/Posner: Internationales Freimaurerlexikon; unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1932, Spalte 765, Wien-München 1980].
Wie lebendig das damalige, von Hass und Vernichtungswillen geprägte Gedankengut der Irredentisten auch heute noch ist, erkennt man im Gedenken an das Leben und Sterben des Irredentisten Cesare Battisti: Seine Gedenktafel in Rom, seine Büsten im „Siegesdenkmal“ in Bozen und in Verona, die Gedenkplatte an seinem Geburtshaus in Trient und sein Grabmal im Battisti-Mausoleum in Trient dokumentieren die ungebrochene Verehrung des am 11. Juli 1916 in Trient gehängten sozialistischen Irredentisten.
Battisti hatte – im Gegensatz zum Faschisten Ettore Tolomei – nicht den Alpenhauptkamm als Italiens Grenze gefordert, sondern eine Grenzziehung entlang der realen Sprachgrenze.
Dieser Forderung von Battisti können sich heute noch alle am Frieden und guter Nachbarschaft interessierten Österreicher und Italiener anschließen.
Im Ersten Weltkrieg hatte der österreichische Staatsbürger Battisti als Offizier im italienischen Heer gegen Österreich-Ungarn gekämpft und war von den Östereichern gefangen genommen worden.
Es war eine menschliche Tragödie und politische Kurzsichtigkeit, dass dieser Mann nach seiner Gefangennahme als österreichischer Deserteur hingerichtet und nicht begnadigt wurde. Diese Engstirnigkeit der österreichischen Militärjustiz und der österreichischen Staatsführung wirkt in tragischer Weise bis heute nach. Ausgerechnet das Gedenken an einen Mann, der keine Unterdrückung anderer Nationalitäten anstrebte, wird heute von italienischen Nationalisten und Faschisten dazu missbraucht, die „Heiligkeit“ der Brennergrenze zu behaupten.
Benito Mussolini hatte 1935 auf dem Doss Trento ein Denkmal für Cesare Battisti errichten lassen und damit das Andenken an diesen Mann für faschistisch-nationalistische Zwecke missbraucht.
Unbekannte Welschtiroler schrieben in einer Nacht folgenden Text auf das Denkmal:
„O kleiner Cesare, du bist umsonst gestorben, weil das Trentino nie italienisch war und nie italienisch sein wird.“
In der Folge wurde der Text auch als Flugblatt verbreitet.
Welschtiroler Schützen verteidigten Tirol
Welschtiroler Schützenkompanien verteidigten im 19. und im 20 Jahrhundert mehrmals heldenhaft ihre Heimat gegen italienische Einfälle.
Bis heute in Welschtirol und in Südtirol keine Volksabstimmung!
In Italien wird immer stolz betont, dass die Einigung des Stiefel-Staates durch Volksabstimmungen in den jeweils dazu gewonnenen Gebieten legitimiert wurde.
Dabei ist Folgendes interessant:
Es gab nach dem Ersten Weltkrieg in Südtirol und in Welschtirol keine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zu Italien.
Ganz offenbar befürchtete man nach dem Ersten Weltkrieg in Rom, dass in Welschtirol vor allem die Landbevölkerung mit ladinischen und deutschen Wurzeln mehrheitlich gegen einen Anschluss an das Königreich Italien stimmen würde.
Die Stimmen italienisch-nationalistisch gesonnener städtischer Intellektueller und Gewerbetreibender wären nicht ausreichend für einen römischen Sieg in einem Plebiszit gewesen.
Rom zog also die Vorsicht vor – bis heute!!!
Denn in Welschtirol erwacht wieder eine Rückbesinnung auf ladinische und deutsche Wurzeln.
Die Rückbesinnung auf die alten Wurzeln
Um diese Rückbesinnung verstehen zu können, ist ein Blick auf die Geschichte der Bevölkerungsentwicklung notwendig.
Welschtirol war in den ländlichen Gebieten vorwiegend ladinisch undvor allem in den Rodungsgebieten der Seitentäler seit dem 12. und 13. Jahrhundert auch deutsch geprägt. Lediglich in größeren Orten und Städten setzte sich ein vergleichsweise kleiner aus dem Süden zugewandeter italienischer Bevölkerungsanteil fest: Intellektuelle, Kaufleute und Handwerker.
Sprachenkarte
Eine Sprachenkarte Gesamttirols mit der Darstellung der Situation um 1500 verdeutlicht dies:
Die Namen der Trentiner Bischöfe
Auch ein Blick in das Namensregister der Bischöfe von Trient ist interessant:
Um 800 nach Christi Geburt finden wir einen Hiltigard, um 827 einen Heimpert, um 850 einen Udalschalk, um 880 einen Adelgis. Dann folgen die Bischöfe Fridebert, Gisulf, Bertald, Konrad.
Weitere Bischofsnamen absolut nicht italienischer Herkunft: Lantram, Arnald, Rainoard, Udalrich, Hatto, Heinrich, Bernward, Gebhard, Adelpret, Altmann, Eberhard und so fort und so weiter. Bis in das 19. Jahrhundert finden wir zahlreiche solche deutschen Namen. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts folgen ausschließlich italienische Namen.
Bis heute hat sich auch in einigen Sprachinseln ein alter bajuwarischer Dialekt, das sogenannte „Zimbrische“ erhalten:
Sprachliche Italianisierung durch italienischen Klerus
Das ladinische und deutsche Siedlungsgebiet reichte einst auch weit über das südliche Tirol hinaus in den oberitalienischen Raum hinein. Es erstreckte sich bis zum alten Berne (Verona). Germanische Einwanderungswellen der Langobarden, Franken und Bajuwaren prägten diesen Kulturkreis bis über das Mittelalter hinaus. In der Folge wurden immer wieder neue Einwanderer aus dem Norden zur Rodung weiter Waldgebiete und zur Schaffung einer bäuerlichen und städtischen Kulturlandschaft ins Land gerufen.
Eine hervorragende Darstellung hat dazu Bernhard Wurzer in seinem Standardwerk „Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien“ (Athesia-Verlag Bozen, 5. Auflage 1983) geliefert.
Wenn in früheren Zeiten Priestermangel herrschte, so rief man vor allem deutsche Priester aus dem Norden ins Land, welche die Sprache der deutschen Einwohner sprachen. Das änderte sich radikal, als im deutschen Norden der Protestantismus um sich griff.
Nun zogen die Bischöfe von Triernt es vor, Priester aus dem italienischen Süden ins Land zu holen, die nicht von dem von Martin Luther verbreiteten Bazillus angesteckt waren.
Diese Priester sprachen Italienisch, predigten Italienisch, tauften die Kinder auf italienische Vornamen und italianisierten in den Tauf- und Sterberegistern auch die Familiennamen.
So wurde beispielsweise aus dem in Welschtirol weit verbreiteten Familiennamen „Nikolaus“ der Familienname „Nicolussi“. Seitenlinien dieser „Nicolussi“ behielten bis heute vielfach deutsche Zusatznamen bei: Reut-Nicolussi, Nicolussi-Leck.
Auch der von Grundschulunterricht wurde in italienischer Sprache gehalten. Im 19. Jahrhundert mögen auf der Seite dieser Priester auch noch nationalistische Antriebe die sprachlichen Italianisierungsmaßnahmen verstärkt haben.
Heute erstarkt das Bewußtsein eigener Identität
Der Welschtiroler Schützenbund gründet neue Kompanien oder nimmt Wiedergründungen ehemaliger Kompanien vor. Das Tirol-Bewußtsein südlich der Salurner Klause erstarkt deutlich.
In zahlreichen Internet-Portalen betonen immer mehr Welschtiroler, dass sie sich als Tiroler und Österreich zugehörig fühlen:
„Tirol ist nicht Italien“, verkündet diese Darstellung im Internet. Und: „93 Jahre löschen nicht 8 Jahrhunderte aus“