Der „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) warnt vor italienischer Verfassungsreform
Benito Mussolini (rechts) – würde er noch leben – hätte seine Freude an der heutigen Staatsauffassung des „sozialistischen“ Ministerpräsidenten Renzi.
Eine bedrohliche Verfassungsreform faschistoiden Zuschnittes
Am 4. Dezember 2016 findet in ganz Italien – und auch in Südtirol – eine Volksabstimmung über die von dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi („Partito Democratico“-PD) geplante Verfassungsreform statt.
Obwohl es sich bei dem „Partito Democratico“ angeblich um eine „linke“ und „sozialistische“ Partei handelt, sollen mit der geplanten Verfassungsreform die föderalistischen Strukturen Italiens weitestgehend abgeschafft und es soll ein Zentralstaat eingerichtet werden.
Wenn Matteo Renzi dazu eine Mehrheit erhalten würde, wäre dies ein demokratiepolitischer Rückschritt um Jahrzehnte.
Zudem soll mit der neuen Verfassung festgelegt werden, dass bei Parlamentswahlen die stärkste Partei zusätzlich zu ihrem Wahlergebnis automatisch weitere Abgeordnetensitze zugerechnet und damit eine absolute Mehrheit erhalten würde.
Diese Staatsauffassung steht jedenfalls der faschistischen Staatsauffassung eines Benito Mussolini näher als demokratischen Konzepten. Der seinerzeit vom Sozialisten zum Faschisten mutierte Benito Mussolini – würde er noch leben – hätte seine wahre Freude an dem „Sozialisten“ Renzi.
Der Hintergrund für Renzi’s Vorgehen
Renzi lenkt mit seinem Vorgehen von der mehr als schlimmen Wirtschaftslage Italiens ab, an der seine Regierung nicht unschuldig ist. Die drittgrößte Volkswirtschaft im EURO-Verbund hat gerade Griechenland in der Führungsrolle der europäischen Katastrophen-Kandidaten abgelöst. Die Zahlen sind so erschreckend, dass internationale Experten eine wahre Katastrophe befürchten.
Renzi macht nun der Bevölkerung weis, dass die Beseitigung des Föderalismus große Einsparungen bringen würde. Dass das erstklassiger Humbug ist, wissen alle Fachleute. Das Fass ohne Boden ist in Italien der zentrale Staat. Das Problem sind dessen zum Teil mafiose Strukturen. Dort und nicht in den Verwaltungen der Provinzen und Regionen versickern die Milliarden in zum Teil düstere Kanäle.
Welcher Teufel reitet den Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher?
Das fragen sich immer mehr Südtiroler. Arno Kompatscher, den viele Südtiroler mittlerweile als die „Stimme Roms in Bozen“ sehen, propagiert lauthals seine Zustimmung zu der geplanten Verfassungsreform, welche in Hinkunft die Südtirol-Autonomie den Römern zur freien und weitgehend beliebigen Verfügung stellen wird.
Der Landeshauptmann Kompatscher hat nun auch die auf Karriere und Fortkommen bedachten braven Parteifunktionäre der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) dazu gebracht, die Südtiroler dazu aufzufordern, am 4. Dezember 2016 mit „JA“ zu stimmen und damit den von Kompatscher empfohlenen autonomiepolitischen Selbstmord zu unterstützen. Kompatscher ist ein ehemaliger Studienkollege von Renzi und bezeichnet sich selbst als dessen persönlichen Freund. Viele Südtiroler vermuten allerdings gewichtigere Hintergründe.
Am 7. November 2016 stimmten die lammfrommen und wohl auch auf persönliche Karrieren Rücksicht nehmenden SVP-Funktionäre im Parteiausschuss dafür, das von ihrem Parteiobmann gewünschte „JA“ zur Verfassungsreform den Mitbürgern zu empfehlen. Nur 6 Ausschussmitglieder hatten den „Mut“, sich der Stimme zu enthalten – dagegen stimmte keiner!
Die Warnung des „Südtiroler Schützenbundes“
Der „Südtiroler Schützenbund“ umfasst rund 5.100 Schützen und Marketenderinnen, 140 Mitgliedskompanien und 3 Schützenkapellen. – das ist der Südtiroler Schützenbund im Jahre 2016. Er ist eine Organisation, welche die Erhaltung der Heimat als überparteiliche Aufgabe und Verpflichtung betrachtet.
Aus Sorge um die Heimat fordert der Schützenbund nun die Südtiroler auf, dem Landeshauptmann Kompatscher in der gegenständlichen Frage nicht zu folgen und am 4. Dezember 2016 mit „NEIN“ zu stimmen.
Mit nachstehender Stellungnahme begründet der Schützenbund seine Haltung:
Italienische Verfassungsreform: Warum ein Nein angebracht ist
BOZEN – Diesmal geht es um die Zukunft der Südtirolautonomie schlechthin. Am 4. Dezember wird abgestimmt: was steht uns bevor, wenn sich Italien für die neue zentralistische Verfassung entscheidet?
Südtirol habe seine „Schutzklausel“, wird beruhigend verbreitet. Nun soll sie das Allheilmittel gegen jeden zentralistischen Übergriff des Staates sein. Zwar muss das Autonomiestaut angepasst werden. Südtirol werde seine Zustimmung aber nur geben, wenn die „Überarbeitung auf der Grundlage von Übereinkommen“ (sulla base di intese) erfolge.
Wie sicher kann sich Südtirol sein?
Der Südtiroler Schützenbund hat in volkstumspolitischen Fragen stets eine klare Haltung gezeigt. Wir waren dabei immer kritisch gegenüber gefährlichen Experimenten, aber auch stets aufgeschlossen für positive Neuerungen. Worauf bewegen wir uns hier also zu?
Südtirol verliert viele Kompetenzen
Die Befürworter der neuen Verfassung – insbesondere die derzeitige SVP-Führung -stützt sich allein auf die sog. „Schutzklausel“. Wie sieht diese wirklich aus?
Zunächst ist es unbestritten, dass alle sekundären Zuständigkeiten, die wir mit der Verfassungsreform von 2001 bekommen haben, wieder an den Staat zurückfallen. Das betrifft wesentliche Bereiche wie Gesundheitswesen, Berufsordnung, Außenhandel, Unterricht an Schulen und Universität, Dienstrecht der öffentlichen Verwaltung, ergänzende Sozialfürsorge. Der Staat wird zentralistisch wie 1948.
Es wird nichts aus dem Steuerföderalismus, der in der Verfassung von 2001 vorgegeben war, aber nie verwirklicht wurde. Nicht weniger bedenklich ist das „nationale Interesse“. Mit Berufung darauf kann der Staat jederzeit zum Schutz der „juridischen und wirtschaftlichen Einheit“ in die Landeskompetenzen eingreifen.
Zudem wird im neu gefassten Art. 117 die Suprematieklausel zwecks Überordnung des Staates verankert. Das uns selten gewogene Verfassungsgericht könnte diese Klausel auch auf die Südtirolautonomie anwenden.
Viele Urteile des Verfassungsgerichts haben unsere Autonomie ohnehin eingeschränkt. Hinzu kommt die gefährliche Ersatzbefugnis, mit der sich der Staat ebenfalls über das Land Südtirol stellen kann.
Diese Ersatzbefugnis wird ausdrücklich in der „Schutzklausel“ festgeschrieben! Wenn zudem das neue Wahlgesetz einmal greift, steht uns die Herrschaft einer einzigen Partei bevor, in der die wenigen Südtiroler Parlamentarier nichts mehr zählen.
Vorrecht des Parlaments
Die „Schutzklausel“ schützt auch nicht vor Eingriffen des römischen Parlaments. Sollte es zwischen Staat und Südtirol keine Einigung bei der Überarbeitung des Autonomiestatus geben, kann das Parlament jederzeit mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit alleine entscheiden. Das hat eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Gianclaudio Bressa schon 2015 klargestellt.
Keine internationale Absicherung der „Schutzklausel“
Die angebliche „Schutzklausel“ bietet also wenig Schutz. Sie ist zudem nicht international abgesichert. Beim letzten Finanzabkommen gab es wenigstens einen Briefwechsel mit dem österreichischen Bundeskanzler Faymann.
Bei der Schutzklausel fehlt hingegen jede internationale Garantie. Sicherheit könnte nur ein diplomatischer Notenwechsel bieten, mit dem sich Italien verpflichtet, bei der Überarbeitung des Autonomiestatuts den Willen Südtirols zu berücksichtigen.
Schwächste „Schutzklausel“, die je angeboten wurde
Als Berlusconi 2005 ebenfalls den Staat zentralisieren wollte, bot er Südtirol eine echte Schutzklausel an: das Autonomiestatut sollte nur „im Einvernehmen“ („previa intesa“) erfolgen dürfen. Das war klarer als „sulla base di intese“(Übersetzung: „auf der Basis von Einvernehmen“), wie es jetzt heißt. Dieses Einvernehmen konnte der Landtag innerhalb von drei Monaten mit einem Veto (Zwei-Drittelmehrheit) verweigern.
Die SVP empfahl dennoch ein „Nein“ beim entsprechenden Referendum, weil sie den Zentralismus als eine Gefahr erachtete.
Dieser Meinung war damals auch Senator Dr. Zeller, der heute, trotz gleicher Zentralisierungsabsicht, aber wesentlich schwächerer Schutzklausel, vehementfür ein „Ja“ eintritt. Seltsam!
(Anmerkung des SID: In Südtirol wird kolportiert, dass die Italiener dem SVP-Senator Dr. Zeller einen Sitz im Verfassungsgerichtshof in Aussicht gestellt haben. Man wird sehen!)
Schutzmacht Österreich nicht angerufen
Warum schaltete die SVP nicht rechtzeitig die Schutzmacht Österreich ein, als im Parlament die neue Verfassung diskutiert wurde? Wollten sich die Parlamentarier nicht an die österreichische Note vom 22. Juni 1992 zur Streitbeendigungserklärung erinnern? Diese Note stellt klar: wenn Italien einseitige Änderungen der Autonomie vornimmt, kann Österreich aktiv werden.
„Weltbeste Autonomie“?
Eine bedenkliche Überschätzung der Südtirolautonomie zeigt überraschenderweise auch der Landeshauptmann mit einer Feststellung in der Sonderausgabe der Landeszeitung „Das Land Südtirol“ (Nr. 1/2016): Südtirol verfüge gewissermaßen über die „weltbeste Autonomie“.Diese Aussage ist sachlich falsch und problematisch. Das Baskenland, Katalonien, die Färöer, Grönland, Ȃland u.a. verfügen über eine weit stärkere Autonomie. Italien könnte sich auf diese weit übersteigerte Aussage berufen.
Bevölkerung vertraut dem Zentralstaat nicht
Die Südtiroler Bevölkerung hat Jahrzehnte lang bitter erfahren, wie wenig sie auf den Zentralstaat Italien vertrauen kann. Als deutsche bzw. ladinische Minderheit in einem fremden Staat hat Südtirol von einem Zentralstaat nichts Gutes zu erwarten.
Würde Südtirol dieser neuen Verfassung zustimmen, würde man in Rom jederzeit sagen können: der Zentralstaat war euer Wunsch, denn ihr habt dafür gestimmt. Das Verfassungsgericht wird dann erst recht im Geist der zentralistischen Verfassung gegen die Autonomie urteilen.
Bekannte italienische Parlamentarier (Bersani, Monti u.a.m.), die im Parlament für die neue Verfassung gestimmt haben, scheuen sich nicht, von der Renzi-Verfassung nun Abstand zu nehmen und zu warnen.
Warum traut sich die SVP nicht, auf eine Wahlempfehlung für das gefährliche „JA“ zu verzichten?
Erfahrene SVP-Politiker werden nicht müde, vor dieser Verfassungsreform zu warnen.
Erneut steht Südtirol an einem Scheideweg. Es empfiehlt sich ein klares NEIN gegen den römischen Zentralismus. Der Südtiroler Schützenbund ruft darum alle Südtiroler auf, am 4. Dezember mit „NEIN“ zu stimmen.
Informationsschrift „20 gute Gründe fürs NEIN“ des „Komitees NO – NEIN“ jetzt als PDF öffnen!
Der Südtiroler Landeshauptmann fährt die Autonomie gegen die Wand
Landeshauptmann Arno Kompatscher – die Stimme Roms in Bozen
Welcher „Teufel“ reitet einen Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP), in allen Fragen Rom entgegen zu kommen und dabei die eigene Landesautonomie gegen die Wand zu fahren?
Diese Frage stellen sich in Südtirol immer mehr Menschen und zwar nicht nur die Anhänger der Oppositionsparteien. Gegen den Kurs Kompatschers begehren auch die Altmandatare der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) auf, einschließlich des ehemaligen Landeshauptmannes Luis Durnwalder. Sie haben dem eigenen „Parteifreund“ offen den Kampf angesagt.
Es geht um die staatliche Verfassungsreform
Am 4. Dezember 2016 findet in Italien ein Referendum über eine zentralistische Verfassungsreform statt, welche die Rechte der Regionen und Provinzen einengt und zum Großteil abschafft. Italien wird ein zentralistischer Einheitsstaat.
Im Vorfeld haben die amtierenden parlamentarischen Mandatare der SVP in Parteigehorsam bereits in beiden Kammern des römischen Parlaments ihre Zustimmung erteilt.Das alles ohne Befassung des Südtiroler Landtags und ohne eine vorangegangene Volksbefragung in Südtirol.
Nun soll nach dem Willen der zentralistisch agierenden Regierung Renzi das gesamte Staatsvolk des Stiefels seine Zustimmung geben und damit haben auch die Südtiroler abzustimmen.
Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher, der in Bozen offen als die Stimme Roms auftritt, hat bereits seine Landsleute aufgefordert, für den neuen zentralistischen Verfassungsentwurf mit „Ja“ zu stimmen.
Das „nationale Interesse“ Italiens
Das neue Verfassungsgesetz sieht vor, dass Rom in Hinkunft „im nationalen Interesse des Staates“ oder zur Wahrung „der Einheit der Republik“ jegliche Autonomiebestimmung gesetzlich aushebeln kann.
In diesem Text heißt es nämlich (geänderter Artikel 117 der Verfassung):
Auf Deutsch:
„Auf Vorschlag der Regierung kann das Staatsgesetz in Angelegenheiten eingreifen, welche nicht der ausschließlichen Gesetzgebung (des Staates) vorbehalten sind, wenn die Wahrung der juridischen oder wirtschaftlichen Einheit der Republik oder die Wahrung des nationalen Interesses dies erfordert.“
Diese schwammig formulierte Generalvollmacht hebelt die gesamte Südtirol-Autonomie aus.
Die Beseitigung der Schutzmachtrolle Österreichs
Weiters soll in den Artikel 39 der italienischen Verfassung folgende Übergangsbestimmung aufgenommen werden:
„13) Die Anordnungen des Kapitels IV des vorliegenden Gesetzes werden auf die Regionen mit Spezialstatut sowie auf die autonomen Provinzen Trento und Bolzano nicht angewandt, bis zur Revision ihrer jeweiligen Statuten auf der Basis des Einvernehmens mit diesen autonomen Regionen und Provinzen.“
(„13. Le disposizioni di cui al capo IV della presente legge costituzionale non si applicano alle Regioni a statuto speciale e alle Province autonome di Trento e di Bolzano fino alla revisione dei rispettivi statuti sulla base di intese con le medesime Regioni e Province autonome.“)
Das ist aber nur eine scheinbare Schutzbestimmung, wie Experten feststellen.
Zustimmung der SVP ohne vorherige Abklärungen
Die parteitreuen SVP-Senatoren und Kammerabgeordneten gaben ihre Zustimmung, obwohl dieser Gesetzesentwurf nicht präzisiert, was unter „Basis der Zustimmung“ („base di intese“) rechtlich zu verstehen ist.
* Ist eine ausdrückliche Zustimmung des Landtages zu einem geänderten Autonomiestatut notwendig?
* Genügt eine Stellungnahme der Landesregierung?
* Genügen Konsultationen, die dann von Rom nach Belieben ausgelegt werden?
Hier ist nichts präzisiert.
Die Befürchtung des Ex-Senators und Verfassungsrechtlers Dr. Oskar Peterlini (SVP)
In den „Dolomiten“ vom 22. 10. 2015 hat der Ex-Senator Dr. Oskar Peterlini (SVP), heute Universitätsdozent für Verfassungsrecht, diesbezüglich auf einen feinen römischen Fallstrick in der Formulierung des Gesetzestextes hingewiesen:
„Die Überarbeitung erfolgt auf der Grundlage von Einvernehmen, nicht ausdrücklich im Einvernehmen, was dem Parlament eine Hintertür zur einseitigen Änderung offen lässt. Einmal abgeändert, ist das Statut nicht mehr vom Einvernehmen geschützt.“
Die endgültige Eliminierung Österreichs aus der Schutzmachtfunktion
Verletzungen eines jetzt von den Südtirolern selbst neu verfassten und einvernehmlich mit Rom ausgehandelten neuen Autonomiestatuts können logischer Weise nicht von der Schutzmacht Österreich, welche bereits 1992 die Streitbeilegungserklärung abgegeben hat, in Zukunft vor dem IGH eingeklagt werden.
Das ist der endgültige Ausstieg Österreichs aus der Schutzmachtrolle.
(Nur wenn ganz grundlegende aus dem Pariser Mangel-Vertrag ableitbare Prinzipien beseitigt werden sollten (z.B.: Gebrauch der deutschen Sprache im öffentlichen Verkehr), könnte weiterhin vor den IGH gegangen werden.)
Rom wird auf den innerstaatlichen Weg verweisen
Ab nun wird Rom vor allem auf das erfolgte „Einvernehmen“ mit der Provinz Bozen verweisen und damit klarstellen, dass alle Beschwerden innerstaatlich vor dem italienischen Verfassungsgerichtshof auszutragen sind.
In den „Dolomiten“ vom 22. 10. 2015 hat der Ex-Senator Dr. Oskar Peterlini (SVP) diesbezüglich erklärt: „Was schützt uns vor dem Verfassungsgerichtshof oder dem Internationalen Gerichtshof, wenn man uns vorwerfen kann, dass wir zugestimmt haben?“
In den „Dolomiten“ vom 2. Februar 2016 werden die Altmandatare der SVP zitiert, die bei einer Vorsprache bei LH Kompatscher darauf hinwiesen, dass man in Rom in Hinkunft nichts mehr zu melden habe.
Roland Riz: Wir geben die internationale Verankerung auf!
Interessant ist auch die Fachmeinung des rechtskundigen SVP-Altobmannes Prof. Dr. Roland Riz zu diesem Thema, welche er in den „Dolomiten“ vom 13. März 2015 bereits im Interview kundgetan hatte, dass die SVP schon seit 2001 in der Autonomiefrage den falschen Kurs segelt:
Prof. Riz: „Gott bewahre uns davor, dass das Autonomiestatut, das Benedikter und Riz so gut ausgebaut haben, angepasst wird. Wenn wir versuchen, uns ein neues Autonomiestatut zu geben, dann geben wir die internationale Verankerung auf. Alles ist in Gefahr.“
„D“:Das heißt, in Ihren Augen braucht es keine Anpassung des Autonomiestatuts? Prof. Riz: „Nein, das muss man nicht, denn das Autonomiestatut war phantastisch. Ich hätte nie ein Jota geändert. Die Verfassungsreformvon von 2001 ist der Punkt des Übels und um Schiller zu zitieren: „Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.“ Damals war die große Wende. Wir haben für jene Verfassungsreform, mit der alles kaputt gemacht wurde, die Mehrheit gestellt. Wären wir damals dagegen gewesen, wäre alles anders gegangen.“
Mit dem Verlust der internationalen Verankerung – den Riz richtig erkannt hat – ist auch der Verlust der Schutzmachtrolle Österreichs verbunden.
Der Ex-Senator und Verfassungsrechtler Dr. Oskar Peterlini (SVP) bringt den Sachverhalt auf den Punkt:
Interview in „Freiheit TV“ am 14. September 2016
Kollmann: Oskar Peterlini, langjähriger Senator in Rom, Verfassungsexperte und Universitätsdozent an der Universität Bozen – Sie setzen sich ja dafür ein, dass bei der Verfassungsreform das NEIN gewinnt. Aus welchem Grund? Peterlini: „Ich bin ehrlich gesagt besorgt um die Heimat. Es ist eine Reform, die den Staat zentralisiert und den Regionen die Zuständigkeiten wegnimmt. Zwanzig Kompetenzen gehen direkt von den Regionen weg an den Staat zurück.
Es wird eine Suprematieklausel eingeführt, die vorsieht, dass der Staat, das Parlament in die Zuständigkeiten auch jener verbliebenen, jener armen verbliebenen Zuständigkeiten der Regionen jederzeit eingreifen kann, wenn dies das nationale Interesse oder die Einheitlichkeit der juridischen und wirtschaftlichen Form Italiens benötigen.
Das sind Begriffe, die so dehnbar sind, dass eine autoritäre Regierung eingreifen kann. Noch dazu begleitet von einem Wahlgesetzt, das die gesamte Macht einer einzigen Partei überträgt.
Bis jetzt war man ja immer gezwungen, Koalitionen zu bilden, um eine Mehrheit zu erringen.
Das neue Wahlgesetz sieht vor, dass eine Partei – auch wenn sie nur 20 oder 25 Prozent hat – 55 Prozent der Sitze in der Abgeordnetenkammer bekommt. Mit einer Zwischenwahl, einer Stichwahl.
Das heißt einmal für die Südtiroler Abgeordneten, dass sie dann nichts mehr zu sagen haben. Denn wenn eine Partei schon die 55 Prozent hat, dann braucht sie nicht wie bei dieser Verfassungsreform um die Stimmen der Parlamentarier aus Südtirol zu werben, denn dann hat sie schon genug Stimmen.
Zweitens: Der Senat zählt nichts mehr, denn der wird total depotenziert (Anm.: entmachtet). Das heißt aber auch: Ein autoritärer, gefährlicher, zentralistischer Stil, der den Minderheiten und den Autonomien niemals guttut.“
Kollmann: Es ist ja immer die Rede von der Schutzklausel, die im Falle Südtirol greifen soll. Was ist davon zu halten? Peterlini: „Ja, die Schutzklausel wird optimistisch, euphemistisch (Anm.: = beschönigend), so genannt. In Wirklichkeit steht in der Verfassungsreform: Übergangsbestimmung!
Und es steht drinnen, dass auch die Sonderautonomien sich anzupassen haben. Und das soll erfolgen – und das ist jetzt das Zuckerle – nicht auf der Grundlage eines Einvernehmens, sondern ‚in base di intese‘, von (mehreren) Einvernehmen. Und diese Formulierung ist die gleiche, die im Artikel 8 der Verfassung steht, wo es um die Kirchen geht. Also wo es um die Anerkennung der nichtchristlichen Kirchen geht. Und der Verfassungsgerichtshof hat dazu bereits entschieden, dass die Einvernehmen die Grundlage bilden, aber das Parlament dann die Gesetze macht.“
Klare Ablehnung durch den Südtiroler Schützenbund
„Autonomiekonvent“ – Augenauswischerei
Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder. Bild: UT24
Das Südtiroler Nachrichtenportal www.unsertirol24.com berichtet ein ebenso sensationelles wie entlarvendes Ereignis aus Südtirol.
Im Jänner 2016 hatten der Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) und die Südtiroler Landesregierung eine Diskussionsplattform unter dem Namen „Autonomiekonvent“ ins Leben gerufen, um mittels breiter Publikumsdiskussionen den Anschein zu erwecken, dass die mit Rom abgekartete „Autonomiereform“ unter Mitwirkung der Bevölkerung zustande käme.
Als die „Konvents“-Tagungen von zahlreichen Kritikern der Landespolitik, darunter vielen Südtiroler Schützen, besucht wurden, die dort ihre Meinungen frei äußerten, verging der SVP-Führung rasch die Lust an diesem Schauspiel.
Wie das Internet-Nachrichtenportal UT24 meldet, hat die SVP-Führung dem ungeliebten Forum nun den Hahn zugedreht. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass die SVP auf politischer Ebene ohnedies bereits vollendete Tatsachen geschaffen hat.
Damit wurde offenbar, dass der ganze „Konvent“ nur eine Augenauswischerei gewesen war.
Nachstehend der Bericht von UT24:
Eklat beim Konvent – Tätigkeit ausgesetzt
2. September 2016
Leere Stühle beim Konvent der 33 in der Eurac. Kurz vor 20.00 Uhr wurde die Sitzung abgebrochen.
Mit interessanten inhaltlichen Diskussionen zu den Kompetenzen und Zuständigkeiten des Landes Südtirol begann der Konvent der 33 pünktlich um 18.00 Uhr in der Eurac.
Nach einer Einführung durch RA DDr. Christoph Perathoner meldete sich Landeshauptmann Luis Durnwalder zu Wort, der die Abschaffung der zentralstaatlichen Ausrichtung der Koordinierungsbefugnis (AKP) sowie wiederholt die Auflösung der Region forderte.
Ra Dr. Florian von Ach verwies auf Kompetenzen der deutschen Volksgruppe in Belgien, insbesondere auf kultureller und schulischer Ebene sowie auf der Zuständigkeit, völkerrechtliche Verträge abschließen zu können. Dies sei auch für Südtirol ein Fortschritt bei der gesamttiroler Zusammenarbeit und könne den Welschtirolern einen Ersatz für die notwendige Auflösung der Region bilden.
RA Dr. Ewald Rottensteiner forderte die Abschaffung sämtlicher Schranken für Südtirols Autonomie sowie die Schaffung eines eigenen Landesverfassungsgerichtes.
„Dann platzte die Bombe“
„Bis dahin versprach es eine sehr konstruktive Sitzung zu werden“, sagt ein Mitglied gegenüber UT24. „Doch dann platzte die Bombe.“
Riccardo della Sbarba informierte den Konvent darüber, dass in der Gesetzgebungskommission des Landtages mit den Stimmen der Südtiroler Volkspartei bereits ein fertiger Gesetzesvorschlag für ein neues Autonomiestatut abgesegnet wurde.
Durnwalder: „Die Leute lachen uns aus“
„Dies macht unsere Arbeit völlig sinnlos“, brachte es Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder auf den Punkt. „Die Leute lachen uns aus“.
Selbst Konventspräsident Christian Tschurtschenthaler, der als SVP-Landtagsabgeordneter eigentlich darüber informiert sein sollte, war völlig überrascht.
Auf Antrag sämtlicher Mitglieder des Konventes, wurde die Sitzung vorzeitig abgebrochen. Das Präsidium wurde beauftragt schnellstmöglich eine Klärung der Sachlage herbeizuführen.
Konvent gegen die Wand fahren?
„Es scheint, dass dieses Pilotprojekt der direkten Bürgerbeteiligung von den eigenen Initiatoren an die Wand gefahren werden soll. Wohl deshalb, weil die Zusammensetzung des Gremiums nicht den Wünschen der Landtagsmehrheit nicht genehm ist“, sagt ein Mitglied des Konvents.
Wie es mit dem Konvent weitergeht, steht derzeit in den Sternen.
„Partisanen-Mörder“ auf Südtirols Schüler losgelassen?
Ein Traditionsverband von „Partisanen“, der sich von Mördern nicht distanziere, werde auf Südtirols Schüler losgelassen. Diesen Umstand kritisiert der FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer.
LH Arno Kompatscher und seine SVP hätten laut Neubauer zuletzt in ihrer Anfragebeantwortung zu dem Zeitgeschichte-Unterricht durch einen ‘Partisanen’-Verband an Südtirols Schulen einen Offenbarungseid abgelegt.
Unter diesem Titel veröffentlichte das Nachrichtenportal unsertirol24 einen Pressedienst des FPÖ-Nationalratsabgeordneten und Südtirol-Sprechers Werner Neubauer, den wir nachstehend zur Gänze wiedergeben:
FPÖ-Neubauer: Die Südtiroler Landesregierung opfert die Interessen des Landes und orientiert sich an Wünschen Roms
„Ein Traditionsverband von „Partisanen“, der sich von Mördern nicht distanziert, wird auf Südtirols Schüler losgelassen“
Wien (OTS) – „LH Arno Kompatscher und seine SVP haben zuletzt in ihrer Anfragebeantwortung zu dem Zeitgeschichte-Unterricht durch einen ‚Partisanen‘-Verband an Südtirols Schulen einen Offenbarungseid abgelegt“, sagte heute FPÖ-Südtirol-Sprecher NAbg. Werner Neubauer. „Am 28. April 2016 hatte der Südtiroler Landeshauptmannstellvertreter Christian Tommasini mit Zustimmung des Landeshauptmannes Arno Kompatscher und der SVP-Fraktion in der Landesregierung eine Vereinbarung mit der Nationalen Italienischen Partisanenvereinigung ANPI unterzeichnet. Damit war diesem ‚Partisanen‘-Traditionsverband ein weitgehendes Mitgestaltungsrecht beim Zeitgeschichte-Unterricht an Südtirols Schulen eingeräumt worden“, erklärte Neubauer die Vorgeschichte.
In einer Anfrage vom 18. Mai 2016 wollte, so Neubauer, die Freiheitliche Partei Südtirols von der Landesregierung wissen, ob dieser bekannt sei, „dass es sich bei der ANPI um eine Organisation handelt, welche sich als Traditionsverband auch sogenannter Nachkriegs-‚Partisanen‘ sieht, die 1945 kommunistisch inspirierte Massenverbrechen an der Zivilbevölkerung – auch in Südtirol – begangen haben?“ Die Freiheitlichen wollten dann weiters wissen, ob man einen Verband damit beauftragen solle, „das Geschichtsbild der Südtiroler Jugend zu formen“, wenn derselbe sich von diesen Massenmorden an Zivilisten bis heute nicht distanziert habe.
„Für die Beantwortung dieser Fragen benötigte die Landesregierung entgegen den Rechtsbestimmungen ganze drei Monate, um dann festzustellen, dass es sich bei der ANPI um eine Vereinigung handle, ‚die auf staatlicher Ebene als anerkannte Körperschaft eingetragen ist.‘ Weiters heißt es in der Antwort: ‚in der öffentlichen Wahrnehmung gilt sie als ethische Instanz'“, so Neubauer.
„Damit akzeptiert die aus Vertretern von SVP und PD zusammengesetzte Landesregierung in Südtirol unkritisch die Sichtweisen der Organisation. Sie fordert nicht einmal deren öffentliche Distanzierung von den bereits nach Kriegsende begangenen ‚Partisanen‘-Morden an Zivilisten, unter denen sich zahlreiche katholische Geistliche befanden. Wie man diese Vorgehensweise in den Südtiroler Schulen den Schülern erklären will, scheint unklar. Mit dieser merkwürdigen Argumentation liefert sich die Regierung Kompatscher Rom zur Gänze aus. Sie verzichtet nämlich auf eine eigene Beurteilung solcher Anliegen in politischer und moralischer Form und akzeptiert gleichermaßen als Richtlinie ihres Handelns das, was in der ‚öffentlichen Wahrnehmung‘ in Italien – und nicht in Südtirol – für richtig befunden wird. Damit gibt man eigene Positionen auf, die man aber gerade jetzt bei den Verhandlungen zum Autonomiepaket dringend brauchen wird“, warnte Neubauer.
„Angesichts der Haltung der Südtiroler Landesregierung in dieser eigentlich einfach handzuhabenden Frage ist zu befürchten, dass die Südtiroler Landesregierung auch hinsichtlich der Autonomie-Beschneidungen durch die zentralistische Verfassungsreform Italiens grundsätzlich das Ergebnis der Italien-weiten Volksabstimmung und die offiziellen Regierungsstandpunkte zum Maßstab ihres Handelns machen wird. Die Interessen Südtirols und deren Menschen gelten einer solchen Politik in diesen Tagen offenbar nichts mehr, sie haben den machtpolitischen Interessen der Südtiroler Volkspartei zu weichen“, kritisierte Neubauer.
Einige Bilder sogenannter „Nachkriegspartisanen“ in Italien und ihrer Opfer:
Nachstehend die Anfrage der Südtiroler Freiheitlichen und die kritikwürdige Antwort der Südtiroler Landesregierung.
Vor 70 Jahren: Italienischer Terror in Südtirol – Verbot „separatistischer Kundgebungen“
Der überparteiliche „Südtiroler Schützenbund“, welcher rund 5.100 Mitglieder in 140 Schützenkompanien und 3 Schützenkapellen zählt und laut eigener Aussage „einem klaren volkstumspolitischen Auftrag“ und der „Liebe zur Heimat“ folgend tätig ist, hat einen ebenso interessanten wie erschütternden Beitrag zur jüngeren Südtiroler Landesgeschichte auf seiner Internetseite veröffentlicht, den wir nachstehend wiedergeben.
Vor 70 Jahren: Italienischer Terror in Südtirol – Verbot „separatistischer Kundgebungen“
Von: SSB – Online Team, Dienstag, 26. Juli 2016
BOZEN – Am 1. Januar 1946 hatten die alliierten Besatzungsmächte die Verwaltung in Südtirol vorläufig dem italienischen Staat übergeben, über die künftige staatliche Zugehörigkeit war noch keine Entscheidung gefallen. Doch bereits der erste Tag der italienischen Verwaltung brachte die erste Drohung gegen die Südtiroler, als der italienische Präfekt Bruno De Angelis, ein 1945 zum „antifaschistischen Widerstandskämpfer“ mutierter ehemaliger Faschist, eine in den Zeitungen wiedergegebene Botschaft an die Bevölkerung richtete: „Indem die Regierung die Beobachtung der Gesetze verlangt, kann sie auch keine separatistischen Kundgebungen zulassen.“
Kundgebung unter faschistischem Terror
Als Ende März 1946 bekannt wurde, dass der Erzfaschist Ettore Tolomei wieder nach Südtirol zurückkehren und die Leitung des „Istituto di Studi per l’Alto Adige“ übernehmen wollte, protestierten am Graben in Bruneck am 5. April 1946 rund 3.000 Südtiroler dagegen und forderten gleichzeitig das Selbstbestimmungsrecht. Wie die Tageszeitung „Dolomiten“ am 6. April 1946 berichtete, störten randalierende Faschisten die Versammlung mit Pfeifen und Schmährufen und schlugen mit Knüppeln und Stühlen auf die Pustertaler ein. Blutige Verletzungen waren die Folge.
Der Tod des Hölzlerbauern – von einem Carabiniere erschlagen
Es gab auch einen Toten: Den Bauern Johann Maierhofer, vulgo „Hölzler“ aus Reischach. Nachdem die italienischen Behörden wenig taten, um seinen gewaltsam verursachten Tod aufzuklären und zu ahnden, sammelte die „Südtiroler Volkspartei Pustertal“ Berichte von Augenzeugen. Diese befinden sich heute im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck und liegen dem Südtiroler Schützenbund vor.
Hans Duregger aus Gais gab am 6. April 1946 in der SVP-Geschäftsstelle Bruneck eine eidesstattliche Erklärung ab, die später auf heimlichem Weg in die „Landesstelle für Südtirol“ bei der Tiroler Landesregierung gebracht wurde. In dieser schilderte er, wie sich die Faschisten auf die Träger der Spruchbänder stürzten und wie die Volksmenge dieselben verteidigte. „Darunter war auch der sogenannte ‚Hölzlerbauer‘ von Reischach. Dann folgte dem ‚Hölzlerbauern‘ ein Carabinieri mit dem Gewehr nach und versetzte ihm mit dem Gewehrkolben einen Schlag auf die Schläfe. Er wurde darauf, ohne dass noch ein Lebenszeichen an ihm bemerkbar war, in das Gasthaus ‚Goldener Stern‘ gebracht, Herr Dr. Alfons Brugger (Anmerkung: Arzt in Bruneck) geholt, welcher ihm sofort eine Einspritzung gab, zugleich aber den Ausspruch tat, es sei kein Leben mehr vorhanden.“ Die Tat wurde nie gesühnt.
Weitere Gewalttaten
Es gab noch weitere schwere Gewalttaten. Maria Auer aus Ahornach bezeugte am 6. April 1946 in einem schriftlichen Bericht an die SVP Pustertal, dass „Siegfried Mutschlechner, ein guter Freund des Johann Auer, Sohn der Obgenannten, von einem Carabinieri einen Schlag durch einen Gewehrkolben ins Gesicht erhielt.“
Hermann Mayr und Richard Leitner aus Bruneck erklärten am 6. April 1946 gegenüber der SVP Pustertal schriftlich, dass drei italienische Zivilisten sie mit Handgranaten bedroht und versucht hätten, Leitner die Brieftasche zu rauben. Mayr konnte fliehen. Dann lief auch Leitner davon. Er schilderte nun in seinem Bericht, was weiter geschah: „Ich war erst zirka 10 Schritte von den Angreifern entfernt, als knapp hinter mir eine Handgranate explodierte. Verwundungen wurden mir keine zugefügt, jedoch hatte die Hose durch Sprengstücke mehrere Löcher.“
Hermann Mayr begegnete etwas später den italienischen Tätern wieder und er wandte sich an zufällig anwesende Carabinieri. „Die Carabinieri griffen nicht sofort ein, sondern erklärten: Faremo domani i conti.“ (Übersetzung: Wir werden die Dinge morgen regeln.)
Hermann Harpf aus Bruneck gab am 6. April 1946 gegenüber der SVP zu Protokoll, dass ein Alpini-Soldat seinem Bekannten Josef Pezzei vier Zähne eingeschlagen und ihm eine Schnittwunde an der Lippe zugefügt habe, weil dieser angeblich gelacht habe, als mehrere Alpini-Soldaten vorbeigingen. Dann sei der Alpini-Soldat mit einem Messer auf Hermann Harpf losgegangen, welcher nun in das Haus seiner Firma flüchtete, wobei ihm „ein ganzer Rudel Alpini nachgelaufen kam.“ Harpf verbarg sich im Haus. Auf der vergeblichen Suche nach ihm wurden „die Kästen der Angestellten erbrochen […] und ihnen dabei Pistolen vorgehalten wurden.“
Ein SVP-Obmann wird angeschossen
Auf dem Heimweg von der Brunecker Kundgebung kam es zu weiteren Gewalttaten. Am 6. April 1946 berichtete der Ortsausschuss Innichen der SVP an die Bezirksleitung Pustertal, dass der Bezirksobmann-Stellvertreter Franz Strobl, vulgo „Trojer“, mit einem Oberschenkeldurchschuss und zwei Beckenschüssen in das Spital in Innichen eingeliefert worden sei.
In dem Bericht heißt es: „Auf der Straße in Welsberg […] hätten Soldaten oder Carabinieri junge Burschen misshandelt, er wäre auf einen Carabinieri gestürzt, der die Maschinenpistole (Gewehr) in Anschlag brachte, wollte ein Unglück verhindern, riss den Lauf hoch […] daraufhin erhielt er die Schüsse von einem zweiten Carabinieri.“
Dieser Bericht wurde durch mehrere Zeugen schriftlich bestätigt. Eduard Toldt aus Welsberg berichtete, dass Strobl zu Fall gekommen sei und auf dem Boden gelegen habe. „Da näherte sich ihm […] der hiesige Brigadier und schoss dem Strobl stehend, ohne irgendwie behindert oder angegriffen worden zu sein, von hinten drei Schüsse gegen ihn ab.“
Weitere Zeugen bestätigten dies und ergänzten auch, dass Finanzieri und Carabinieri in Welsberg auf heimkehrende Kundgebungsteilnehmer „mit Kolbenhieben“ eingedroschen hätten.
Alle diese Taten wurden nie gesühnt.
Die römische Wölfin kann ihre Jungen nicht mehr säugen!
Hinweisschild am Brenner
Italien steht am finanziellen Abgrund – und was macht die Politik in Südtirol?
von Georg Dattenböck
„Römische Politik, gedenk ich deiner, liegt’s wie Alpdruck auf dem Herzen, liegt’s wie Mühlstein mir im Magen…“ (Frei nach Viktor v. Scheffel…)
In Italien wanken die Banken. Eine Institution wankt nicht: die Mafia, Italiens stärkste Firma. Sie ist die „größte Wirtschaftskraft des Landes“ (NTV, 11.12.2012) und „erwirtschaftet“ jährlich sieben Prozent oder etwa 90 Milliarden € des gesamten italienischen Bruttoinlandsprodukts (Kronen-Zeitung, Wien).
Bereits im Oktober 2014 wurde unter europäischer Bankenaufsicht ein „Stresstest“ an Italiens Banken mit verheerendem Ergebnis durchgeführt: Neun von 15 getesteten italienischen Großbanken waren den „simulierten Schocks nicht gewachsen und fielen in der Prüfung durch“(Hanno Mußler, FAZ, 11.7.2016).
Seit vielen Jahrzehnten: Schlafen, Nichtstun und Durchtauchen als Programm
Nicht erst seit 2008 steht das italienische Bankensystem, weit gefährlicher für die EU als Griechenland, auf zittrigsten Beinen und wurde immer wieder mit miesen Tricks, zu Lasten der Steuerzahler, am Dahinsiechen erhalten.
Als der amerikanische Finanz-Hurrikan Europas Küsten mit brachialer Gewalt 2008 erreichte, beruhigte der damalige Papst Benedikt XVI. in seinem Palast in Castelgandolfo die Italiener mit der Aussage, daß „es sich hier nur um zeitliche Güter handle, einzig Gott sei ewig. Dieses Bekenntnis zum gelassenen Bankrott klingt zwar merkwürdig, wenn es von einer reichen Institution wir der katholischen Kirche kommt, die um jeden Cent Steuernachlass feilscht wie ein Hedge-Fonds-Manager.“(FAZ, 29.10.2008).
Eine zentrale, verantwortliche Schlüsselperson für das italienische Desaster ist der Italiener Mario Draghi: Von 1984 bis 1990 war er Exekutivdirektor der Weltbank, von 1991 bis 2001 Generaldirektor des italienischen Finanzministeriums, von 2002 bis 2005 Vice Chairman und Managing Director bei Goldman Sachs International in London, von 2006 bis 2011 amtierte er als Gouverneur der Banca d’Italia. Als deren Chef war er auch Mitglied des Rates der Europäischen Zentralbank.
Draghi leitete zudem das Forum für Finanzstabilität (ab 2009 Financial Stability Board – FSB) am Sitz der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.
Draghi war zudem Mitglied des Aufsichtsrates von Eni, IRI und der Banca Nazionale del Lavoro. Seit 2011 ist Draghi Chef der Europäischen Zentralbank.
Auch Draghi konnte die dramatische finanzielle Lage Italiens als Hauptbeteiligter nur vorübergehend mühsam kaschieren. Um Italiens und Spaniens Zinskosten für Anleihen kurzfristig zu reduzieren, steckte er mehr als 1 Billion € in ein zum Sterben verurteiltes System.
„Wikipedia“ berichtet über Draghis Machenschaften:
„Bereits während seiner Kandidatur zur EZB-Präsidentschaft im Jahr 2011 kamen kritische Stimmen auf, die Draghis Rolle bei der Verschleierung des wahren Zustandes der griechischen Finanzen durch die griechische Regierung und Goldman Sachs mit Hilfe von off-market swaps hinterfragten.
Draghi, der von 2002 bis 2005 für Goldman Sachs in London arbeitete, stritt im Juni 2011 jegliche Beteiligung mit dem Hinweis ab, dass diese Dinge vor seiner Zeit geschehen seien. 2012 kamen erneut Stimmen auf, die insbesondere Draghis vormalige Tätigkeit bei Goldman Sachs als Interessenkonflikt werteten. Die EZB verweigerte die Veröffentlichung von Dokumenten, die Einzelheiten zu den Credit Swaps enthielten.
Anfang 2013 geriet Draghi im Zuge der Skandale um die Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) in die Kritik:
Es wurde bekannt, dass noch unter der Führung Draghis als Gouverneur der italienischen Zentralbank die MPS äußerst riskante Geschäfte tätigte und die italienische Zentralbank noch im Oktober 2011 der damals strauchelnden MPS einen wertpapierbesicherten Kredit in Höhe von 2 Milliarden Euro gab, aber weder Öffentlichkeit noch das italienische Parlament darüber informierte.
Durch diese geheime Rettung der MPS landete zweifelhafter Wertpapierschrott bei der nationalen Notenbank und die MPS erhielt dafür im Gegenzug Staatsanleihen, deren Zins- und Schuldendienst vom Steuerzahler getragen wird.
Draghi legte damit den Grundstein für ein europäisches Schattenbankensystem unter Führung der nationalen Notenbanken – ein System, das hauptsächlich dafür geschaffen wurde, Geschäftsbanken und ihre Eigentümer auf Kosten der Steuerzahler vor Insolvenz bzw. Verstaatlichung zu schützen.“
Italien ist am Ende und zieht Europa mit
Am 4. Juli 2016 meldeten die „Deutschen Wirtschafts-Nachrichten“: „Banken-Krach in Italien: Kurs von Monte dei Paschi bricht ein. Die Krise der italienischen Banken zieht immer weitere Kreise: Die EZB (Herr Mario Draghi) verlangte Insidern zufolge vom traditionsreichen Institut Monte dei Paschi di Siena, die faulen Kredite schneller abzubauen. (…)
Monte dei Paschi ist mit ihren rund 32.800 Mitarbeitern in ganz Italien und weltweit aktiv. Die Bank ist u. a. auch an der Banca Toscana, an der Banca Agricola Montovana, an der Banca Popolare di Spoleto und an der Banca Monte Parma beteiligt.
Die „Deutschen Wirtschafts-Nachrichten“ dazu weiter: „MPS-Aktionäre reagierten ‚entsetzt‘. Wie Reuters das in ungewohnt drastischen Worten nennt: Die Titel brachen an der Mailänder Börse um acht Prozent auf ein Rekordtief von 0,35 € ein. Sämtliche großen Finanzwerte in Italien verloren deutlich an Wert. (…)
Die Situation in Italien zog Banken-Aktien in ganz Europa in die Tiefe. Die italienischen Banken ächzen unter einem Berg an faulen Krediten von rund 360 Milliarden Euro. Mitte April wurde der Rettungsfonds ‚Altante‘ ins Leben gerufen, um den Häusern unter die Arme zu greifen.
Ein Sprecher von Ministerpräsident Matteo Renzi widersprach am Montag Medienberichten, wonach Italien Milliarden an Staatsgeldern in sein Bankensystem pumpen und damit die Regeln der EU verletzen wolle. Tatsächlich hat die EU bereits Liquiditätshilfen genehmigt. Die EZB bereitet flankierende Maßnahmen vor. Die europäischen Bank-Aktien sind im Gefolge der neuerlichen Schieflage der MPS auf breiter Front eingebrochen“.
Der Staat Italien ist nicht mehr in der Lage, seine eigenen Banken zu retten.
Der Staat Italien kann den italienischen Banken nicht mehr helfen: mit 132 Prozent Schuldenquote des BIP liegt Italien nach Griechenland (175 Prozent) an zweiter Stelle in Europa. („Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“, 11.7.2016).
Zu diesem Desaster kommt noch die Korruption und Bestechlichkeit als „italienische Erbkrankheit“ dazu: von hohen Politikern bis zu hohen Beamten, von Top-Managern bis zu vielen Firmen und Privatpersonen besteht in Italien die Mentalität, sich ohne jede Rücksichtnahmen auf die Gemeinschaft durch die Mithilfe von Freunden, Beamten und der eigenen Familie gnadenlos zu bereichern.
Täglich liest man in den italienischen Medien entsprechende Fälle. Zudem verfolgt und bestraft die monströse Staats-Bürokratie die noch Werte schaffenden Betriebe und schwer arbeitende Staatsbürger mit einer Steuerlast, die eine der höchsten in Europa ist.
11,5 Prozent Arbeitslose im 3. Quartal 2016 belasten die Finanzen über alle Maßen, nur 15 Prozent der unter 24jährigen haben noch eine Arbeit, oftmals jedoch nur kurzfristig.
Dazu kommt die ungeheure finanzielle Belastung durch die immer mehr anschwellende Flut der anlandenden Wirtschafts-Asylanten aus ganz Afrika, die zusätzlich dem Staat schwerste Sicherheitsprobleme bereiten. Die Kriminalität explodiert.
Dolce Vita auf Pump
Unter dem Titel „La dolce vita auf Pump“ untersuchte Jannis Brühl in der „Süddeutschen Zeitung“(11.7.2016) die Ursachen für das Desaster:
„Schon lange kämpft Bella Italia mit Problemen in der Wirtschaft, aber dem Land wurde stets viel verziehen. Zuletzt jedoch haben Spekulanten das Land aufs Korn genommen. Was passiert jetzt? (…)
In absoluten Zahlen hat Italien mit 1,8 Billionen Euro kaum weniger Schulden als Deutschland mit rund zwei Billionen Euro. Wenn aber die Summe ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gesetzt wird, befindet sich das Land in einer Liga mit Griechenland:
Die Schulden machen rund 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus – weltweit haben nur die notorischen Schuldner aus Athen sowie Japan eine höhere Quote.
Die Ursachen des Schuldenberges gehen weit in die Vor-Berlusconi-Ära zurück. Regiert von einer korrupten politischen Klasse lebte das Land vor allem seit den achtziger Jahren deutlich über seine Verhältnisse.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Rentensystem: Lange gingen viele Menschen ungewöhnlich früh in Rente: In den Achtzigern machten das viele Italiener schon vor dem 50. Lebensjahr, noch 2007 konnten sich viele mit 57 zur Ruhe setzen – in der im Schnitt ältesten Gesellschaft Europas kostet das den Staat Jahr für Jahr Milliarden…“
Falsche Jubelrufe
Der Jubelruf des Premierministers Matteo Renzi in der Silvesternacht erscheint im Rückblick als lächerlich: „Wir haben uns aus dem Morast erhoben“ und „2016 werde noch besser, die Zeiten der Tristesse seien vorbei“(Spiegelonline) Dieses Verhalten entpuppte sich angesichts der realen Lage in den folgenden Wochen und Monaten dieses Jahres nur mehr als eine miese Schmierenkomödie.
Allein in sechs Handelstagen der ersten Julihälfte 2016 verloren Italiens börsennotierte Banken 25 bis 35 Prozent an Börsenwerten. 400 Milliarden € halten italienische Banken an Staatsanleihen, das sind 21,6 Prozent der riskanten Staatsschulden. 360 Milliarden ausfallgefährdeter Kredite weisen die Bankbilanzen auf.
Die EZB(Herr Draghi) und die EU bereiten nun auf Kosten der europäischen Steuerzahler eine „Banken-Rettung“ vor. „Nun erlaubt die EU Italien Staatshilfen im Umfang von 150 Milliarden € für heimische Banken. Begründet wird diese Freigabe als ‚Vorsichtmaßnahme‘. Parallel dazu verdichten sich Hinweise, die EZB könne in Betracht ziehen, asymmetrisch mehr italienische Staatsanleihen zu kaufen“(„Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“, 4.7.2016).
Die Folge dieser selbstmörderischen Finanzpolitik für Europa ist, daß deutsche Banken immer nervöser werden. Französische Banken stehen an erster Stelle mit ihren Forderungen an italienische Banken. Bereits auf Platz zwei folgen deutsche Banken mit Forderungen von 90 Milliarden €.
Der Chefökonom der „Deutschen Bank“, Folkerts-Landau forderte bereits, daß notfalls für die Rettung „sogar ein Bruch der Regeln der neuen EU-Bankenrichtlinie akzeptiert werden müsse.“(„Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“, 10.7.2016).
Die Bankenkrise in Italien wird deshalb zur Gefahr für das gesamte Finanz-System Europas und darüber hinaus zur politischen Überlebensfrage der EU.
Griechenland ist pleite, trotz vieler „Rettungspakete“ (für die Banken) und der Staat Portugal taumelt ungebremst in eine absehbare Katastrophe.
Ein guter Grund für den britischen Brexit
Wohl aus gutem Grund zogen sich deshalb die weitsichtigen Briten rechtzeitig mittels Brexit aus der EU zurück, sie bringen ihr Geld ins Trockene.
Trotz der Bitten von Frau Merkel will Matteo Renzi die italienischen Banken mit Steuergeldern retten, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte dieses Vorhaben für inakzeptabel.
Anfang Juli 2016 berieten die europäischen Finanzminister über die gefährliche Lage. Die „Salzburger Nachrichten“ berichteten: „Die schwierige Lage vieler italienischer Banken stand bei dem Ministertreffen zwar nicht offiziell auf der Agenda, sorgte aber dennoch für Unruhe. Dijsselbloem (Anm.: Niederländischer Finanzminister) lehnte ein neues milliardenschweres Rettungsprogramm aus Steuergeldern ab. ‚Die Probleme müssen in den Banken geregelt werden‘, sagte er. Die Einfachheit, mit der einige Banker mehr öffentliche Gelder forderten, um ihre Probleme zu lösen, sei problematisch. ‚Das muss ein Ende haben‘“ („Salzburger Nachrichten“, 12.7.2016)
Und die „Deutschen Wirtschafts-Nachrichten“ ergänzten: „Bis Oktober werden die Banken ohne massive Hilfen nicht durchhalten. (…) Es ist daher denkbar, daß sich in Italien das nächste Euro-Drama abspielen könnte“ („Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“, 5.7.22016).
Ohne Rom in die Zukunft“
„Selbst wenn Italien den Schlern mit Gold überziehen wollte, könnten wir dem Ziel der Landeseinheit nicht entsagen!” Dieser programmatische Satz des gebürtigen Welsch-Tirolers Dr. Eduard Reut-Nicolussi (22.6.1888 in Trient, † 18.7.1958), des Kaiserjäger-Offiziers und mutigen Streiters gegen den Faschismus, ist das Bekenntnis aller Patrioten, ganz gleich, welcher weltanschaulich Gesinnung sie immer angehören mögen.
Die große Mehrheit der Südtiroler hatte seit der Annexion am 10. Oktober 1920 durch Italien kein Vertrauen in diesen Staat. Weder in das faschistische Modell und auch nicht in das sogenannte „demokratische Italien“, das von 1945 bis zum heutigen Tag häufig genug die Menschenrechte der Südtiroler gröblich verletzt hat.
Seit 97 Jahren wird hier in der Mitte Europas das Selbstbestimmungsrecht mit den Füßen getreten. Europa hat dazu auch in jenen Jahren geschwiegen, als der Versuch des schleichenden Ethnozids mittels gesteuerter Zuwanderung von Süditalienern zu gelingen gedroht hatte.
Dass es bis heute nicht gelungen ist, europaweit zu vermitteln, dass die Zukunft Südtirols nicht in der Ankettung an Italien liegen kann, das ist auch zu einem erheblichen Teil von der Politik der Südtiroler Volkspartei (SVP) verschuldet.
Sämtliche Südtiroler Landeshauptleute wurden seit 1945 von der früheren Sammelpartei SVP gestellt. Sie betrieben zwar keine Politik des „Los von Rom“, jedoch entsagten sie dem grundlegenden Menschenrecht der Freiheit und Selbstbestimmung nicht. Diese Karte wurde zumindest vorsichtshalber im Talon belassen und konnte als Druckmittel benützt werden.
Seit Arno Kompatscher jedoch am 9.1.2014 das Amt des Landeshauptmanns von Luis Durnwalder übernahm, ist in grundsätzlichen Fragen ein merklicher Richtungswechsel zu „pro Italien“ feststellbar. Von 2005 bis 2013 stand Kompatscher seiner Heimatgemeinde Völs am Schlern als Bürgermeister vor und er war von 2011 bis 2013 Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes und des Rates der Gemeinden. In seiner Regierung übernahm Kompatscher die Ressorts Wirtschaft, Finanzen, Innovation und Außenbeziehungen. Zur Halbzeit der Legislaturperiode übernahm er 2016 turnusgemäß von seinem Trentiner Amtskollegen Ugo Rossi zusätzlich die Präsidentschaft der Region Trentino-Südtirol.
Warum sind Arno Kompatscher und seine Mannschaft aber so italophil? Man darf das Menschliche und Allzumenschliche bei der Beurteilung nicht außer Acht lassen:
Mit seinem Jahres-Bruttogehalt von 230.580 Euro gehört der siebenfache Vater Arno Kompatscher zu den Best-Verdienern unter den Regierungschefs der ganzen Welt.
Er steht in der Weltrangliste nach Lee Hsien Loong (Singapur), nach Barack Obama (368.222 Euro), nach dem österr. Bundespräsidenten (325.500 Euro) und nach dem kanadischen Premier Stephen Harper (239.345 Euro) an fünfter Stelle.
Angela Merkel muss mit einem Jahres-Bruttogehalt von 215.778 Euro noch zu Arno Kompatscher aufblicken. Und auch der französische Präsident Francois Hollande (178.864 Euro) verdient weniger als Kompatscher.
Noch krasser ist der Vergleich zwischen dem LH und Matteo Renzi: Der italienische Premier verdient mit 114.701 Euro brutto im Jahr genau halb so viel wie der Südtiroler Landeshauptmann .(Quelle: „Neue Südtiroler Tageszeitung“).
Die SVP leidet unter Vertrauensverlust
Die SVP verliert derzeit immer mehr an Vertrauen im Volk! Als Beispiel dafür sei an die vernichtende Niederlage bei der Abstimmung im Juni 2016 über einen weiteren Ausbau des Flughafens Bozen auf Kosten der Steuerzahlererinnert.
70,6 Prozent der Südtiroler Bevölkerung sprachen sich am 12. Juni 2016 bei einer Volksabstimmung gegen einen Vorschlag ihrer Regierung aus, weitere Unsummen in das Finanzgrab des Bozner Flughafens zu schütten. Das war eine bittere Niederlage für Landeshauptmann Arno Kompatscher.
Was macht die Opposition?
Den Schlüssel für die Mobilisierung der Wähler hätten die drei Südtiroler Oppositionsparteien in der Hand. Hier fehlen jedoch gemeinsame Vorgangsweise in entscheidenden Grundsatzfragen, von einer gemeinsamen Arbeitsplattform ganz zu schweigen.
Man hat den Eindruck, dass Fragen wie die Wahrung des eigenen Mandatsstandes im Landtag und lokale Nebensächlichkeiten im Vordergrund stehen. Es ist noch keine gemeinsame Plattform für ein „Los von Rom“ erkennbar.
Aber was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden!
„Nicht jeder Abschied fällt schwer!“
Auf überparteilicher Ebene motiviert der „Südtiroler Schützenbund“ viele Menschen dazu, alternativ in die Zukunft zu denken.
„Nicht jeder Abschied fällt schwer – Ohne Rom in die Zukunft!“Dieser Aufruf des Schützenbundes anlässlich der großen Freiheitskundgebung zu Pfingsten in Bruneck gewinnt angesichts der dramatischen Finanzsituation und der sich abzeichnenden gewaltigen politischen Krise Italiens mit der möglichen Staats-Pleite an Aktualität.
Das geplante „Verfassungsreferendum“ im Oktober könnte der Anfang vom Ende der mühsam in Jahrzehnten erkämpften kleinen autonomen Freiheiten sein.
Südtirol steht möglicherweise bald vor einem Scheideweg.
Südtirol-Autonomie in Zukunft nicht gesichert!
Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher (rechts im Bild) zusammen mit Österreichs Außenminister Kurz. Will Kompatscher die Schutzmachtrolle Österreichs in Rom opfern? Bild: wikimedia.org, Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (CC BY 2.0)
Österreichs diplomatischer Offenbarungseid
Die politische Bombe platzte am 29. Juni 2016 bei einem „briefing“ im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres am Minoritenplatz in Wien.
Auf Drängen des Nationalratsabgeordneten und parlamentarischen FPÖ-Südtirol-Sprechers Werner Neubauer sowie der SPÖ waren die Mitglieder des parlamentarischen Südtirol-Unterausschusses in das Ministerium zu einer informativen Aussprache über die aktuelle Situation in Südtirol eingeladen worden.
Thema der Aussprache war vor allem die Frage, welche Auswirkungen die bevorstehende italienische Verfassungsreform auf die Südtirol-Autonomie haben werde. Diese Verfassungsreform, die eine Abwendung vom Föderalismus und eine Rückkehr zur zentralistischen Ordnung bedeutet, liegt derzeit als von der römischen Abgeordnetenkammer und dem römischen Senat genehmigter Gesetzestext vor.
Wie von der Regierung in Rom angeordnet, findet im Oktober in ganz Italien darüber eine Volksabstimmung statt. Die italienische Regierung geht davon aus, dass die Mehrheit für die zentralistische Verfassungsänderung stimmen wird.
Das Eingeständnis eines hohen österreichischen Diplomaten
Der Leiter des Völkerrechtsbüros, Botschafter Dr. Helmut Tichy, mußte bei dem „briefing“ in Wien auf die insistierenden Fragen des Abgeordneten Neubauer Folgendes eingestehen:
Wenn die neue Verfassung in Kraft tritt, kann der Zentralstaat gesetzliche Kompetenzbeschneidungen der Autonomie vornehmen.
Wenn das Land Südtirol dagegen vor dem italienischen Verfassungsgerichtshof Beschwerde erhebt, so müsse man damit rechnen, dass dieser gegen die Interessen Südtirols entscheidet, da der Verfassungsgerichtshof in Italien übergeordnete Interessen des Zentralstaates zu wahren haben werde. Das sei, so Botschafter Dr. Tichy, „einzigartig“ und „bereitet Sorgen“.
Der italienische Verfassungstext besagt: Kompatschers politisches Gebäude ist auf Treibsand gebaut
Bisher hatte man in Wien ebenso wie in Bozen die Situation schöngeredet. Und das aus gutem Grund.
Die SVP-Senatoren hatten nämlich am 20. Jänner 2016 in Rom für die neue zentralistische Verfassung gestimmt und die SVP-Kammerabgeordneten hatten dies am 12. April 2016 ebenfalls getan.
Der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher (SVP) hatte dies damit begründet, dass Rom bei einer Überarbeitung des bisherigen Autonomiestatuts inhaltlich entgegen kommen werde und dass bis zur erfolgten Überarbeitung eine vereinbarte Schutzklausel für das bestehende Autonomiestatut gelte.
Das Eingeständnis des Botschafters Dr. Tichy zeigt nun auf, dass das Gebäude dieser Politik das Südtiroler Landeshauptmannes Dr. Kompatscher auf Treibsand gebaut ist.
Jeder der italienischen Sprache Kundige kann anhand des italienischen Gesetzestextes feststellen, dass die Aussage des österreichischen Botschafters und Völkerrechtsexperten Dr. Tichy stimmt.
In diesem Text heißt es nämlich (geänderter Artikel 117 der Verfassung):
Auf Deutsch:
„Auf Vorschlag der Regierung kann das Staatsgesetz in Angelegenheiten eingreifen, welche nicht der ausschließlichen Gesetzgebung (des Staates) vorbehalten sind, wenn die Wahrung der juridischen oder wirtschaftlichen Einheit der Republik oder die Wahrung des nationalen Interesses dies erfordert.“
Eine alte Methode kehrt wieder: Mit schwammigen Formulierungen dem Staat freie Hand geben!
An sich müsste man in Bozen und Wien seit Jahrzehnten die bewährte italienische Taktik bereits kennen, wonach blumige und schön klingende Bekenntnisse und „Zugeständnisse“ auf offener politischer Bühne von schwammigen Formulierungen in Gesetzestexten begleitet werden, die dann dem Staat ein weites Feld an Interpretationsmöglichkeiten eröffnet.
Schon mehrmals hat Rom auf diese Weise den ursprünglichen Sinn von Vereinbarungen, Verträgen und Gesetzen in das Gegenteil verkehrt.
Diese Taktik ging im Jahr 1946 los mit dem unpräzise formulierten „Pariser Vertrag“. Sie setzte sich fort mit einer angemaßten „Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis“ des Staates und feiert nun mit dem der Autonomie übergeordneten „nationalen Interesse“ des Staates die aktuelle Wiederkehr.
Gleichzeitig erzählt der Landeshauptmann Dr. Kompatscher den Südtirolern, dass das Mitsegeln auf solchem Kurs eine erfolgreiche Politik darstelle.
Der Aufstand der SVP-Altmandatare
Dass der jetzige Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher aus lauter Gefolgschaftstreue gegenüber Rom diese Situation nicht sehen wollte und nicht sehen will, hat bereits im Vorjahr und im Frühjahr 2016 zu einem Aufstand verfassungsrechtlich durchaus kompetenter Altmandatare der „Südtiroler Volkspartei“ geführt.
Ein Verfassungsrechtler spricht offene Worte
Der Alt-SVP-Obmann, Ex-Senator und Verfassungsrechtler Professor Dr. Roland Riz war stets auf Konsens mit Rom bedacht gewesen. Er ist kein Freund von Selbstbestimmungsbestrebungen und ganz gewiss kein sogenannter „Scharfmacher“.
Aber sogar er hält die von Dr. Kompatscher im „Einvernehmen mit Rom“ geplante Änderung des Autonomiestatuts für eine katastrophale Fehlentscheidung.
Bereits am 13. 3. 2015 hat er in einem Interview in der Tageszeitung „Dolomiten“ gegen dieses Vorhaben entschieden Stellung genommen.
Riz sagt, dass diese Politik Südtirol auf den Weg „zu einer ganz normalen italienischen Provinz“ führt, in welcher „unsere Rechte … immer weniger“ werden. „Wenn wir versuchen, uns ein neues Autonomiestatut zu geben, dann geben wir die internationale Verankerung auf. Alles ist in Gefahr. Und die Südtiroler spüren, dass sie nicht gut vertreten sind.“
Ex-Senator Oskar Peterlini warnt
Am 22. 10. 2015 erklärte der Ex-Senator Oskar Peterlini gegenüber der Tageszeitung „Dolomiten“, dass er den Kompatscher-Kurs des Einvernehmens mit Rom um jeden Preis für einen „historischen Fehler“ halte.
Peterlini sagte: „Italien wird zentralisiert, die Regionen eines guten Teiles ihrer ehemaligen konkurrierenden Zuständigkeiten entmachtet.
Dem Staat wird die Möglichkeit eingeräumt, auch in die verbleibenden Zuständigkeiten der Regionen einzugreifen. … Die Ausweitung der Zuständigkeiten des Staates, die der Verfassungsgerichtshof als übergeordnet einstuft, birgt die Gefahr des Eingriffes auch in die ureigenen Landes-Zuständigkeiten.“
Über den neu formulierten Artikel 117 der Verfassung sagte Peterlini zu den „Dolomiten“:
Am 2. Februar 2016 berichtete die Tageszeitung „Dolomiten“ über eine Vorsprache einer ganzen Reihe von Altmandataren der SVP bei dem Landeshauptmann Dr. Kompatscher.
Der ehemalige Senator Oskar Peterlini fasste anschließend die Bedenken der Altmandatare gegenüber den „Dolomiten“ zusammen:
„Wir haben unsere großen Bedenken gegen diese Reform dargelegt.“ Italien werde, so Peterlini, damit immer zentralistischer. „Und wir Südtiroler haben in der Vergangenheit erfahren müssen, was das bedeutet.“
Der Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher hingegen beharrte im Anschluss an die Aussprache gegenüber den „Dolomiten“ darauf, dass seine Politik die einzig richtige sei.
Schwere Bedenken von Seite der Südtiroler Schützen
Am 26. Februar 2016 veröffentlichte die Tageszeitung „Dolomiten“ nachstehende Stellungnahme von Seiten des Südtiroler Schützenbundes:
Die Opposition ruft dazu auf, bei dem Referendum mit „NEIN“ zu stimmen
Freiheitliche Partei
Pressemitteilung
Bozen, den 5. Juli 2016
NEIN zur Verfassungsreform – sonst verliert Südtirol Freiheitlicher Landesparteivorstand spricht sich gegen römischen Zentralismus aus
Der Freiheitliche Landesparteivorstand setzte sich bei seiner jüngsten Sitzung mit der anstehenden Verfassungsreform auseinander. In einstimmiger Weise erklärte der Vorstand seine ablehnende Haltung zur geplanten Reform und empfiehlt der Bevölkerung beim Referendum mit „NEIN“ zu stimmen.
Die vom PD vorgelegte Verfassungsreform sieht einen zentralistischen Staat vor, der das staatliche Interesse stets vor das Interesse der Autonomien in Italien stellt. Die Verfassungsreform ist zutiefst zentralistisch und in ihrer Grundausrichtung den Bedürfnissen der Zentralverwaltung in Rom angepasst.
Für die Autonomie Südtirols, den Minderheitenschutz der deutschen und ladinischen Sprachgruppe zeigt sich schon jetzt ein düsteres Bild. Sollte die Reform genehmigt werden, so ist Südtirol, unsere Heimat, der Verlierer.
Süd-Tiroler Freiheit
Die Süd-Tiroler Freiheit hob in einer Pressemitteilung vom 5. Juli 2016 hervor, dass der „Partito Democratico“ (PD), der italienische Koalitionspartner der SVP im Südtiroler Landtag (und gleichzeitig Regierungspartei in Rom), sich in dem derzeit tagenden Diskussionsgremium „Autonomiekonvent“ als Gegner der ethnisch und kulturell begründeten Autonomie offenbart habe:
Autonomiekonvent: PD will Süd-Tirol zu normaler italienischer Provinz degradieren!
Als neuerlichen Angriff auf die Fundamente der Autonomie und gefährliches Spiel mit dem Feuer kritisiert die Süd-Tiroler Freiheit den jüngsten und wiederholten Vorstoß des „Partito Democratico“ (PD) und der italienischen Kulturverbände im Autonomiekonvent. In einem im Konvent eingebrachten Dokument fordert Landesrat Christian Tommasini wiederholt die Abschaffung des Proporzes und ein „modello paritetico“. Der Koalitionspartner der Volkspartei verstärkt seine Bemühungen, die Autonomie in eine reine Territorialautonomie herabzustufen.
Landtagsabgeordneter Bernhard Zimmerhofer fordert die SVP dazu auf, sich endlich und mit aller Konsequenz zu den Säulen der Autonomie zu bekennen und ihren Koalitionspartner in die Schranken zu weisen. „Verschwinden Proporz und muttersprachlicher Unterricht, verschwindet mit ihnen die Autonomie“, unterstreicht Zimmerhofer abschließend.
Es zeichnet sich keine Kehrtwendung des Landeshauptmannes Dr. Arno Kompatscher ab. Dieser beharrt auf seiner Politik des Einvernehmens mit den politischen Wünschen Roms.
Immer mehr Südtiroler befürchten, dass er damit Südtirol in eine Katastrophe führt.
Die Option 1939 und ihre Folgen
Nachdem im jüngsten SID der Beitrag „Hitler und Südtirol – Eine Dokumentation“ erschienen war, wurde von Lesern angefragt, ob wir nicht auch zum Thema der Option von 1939 nähere Informationen geben könnten.
Dankenswerter Weise hat sich Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt, der Germanistik, Osteuropäische Geschichte, Volkskunde und Politikwissenschaft studiert und 27 Jahre der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ angehört hatte, dazu bereit erklärt, einen solchen Beitrag zur Verfügung zu stellen.
Rund 78 Prozent der Berichterstattung über Südtirol gingen während seiner Tätigkeit in der FAZ auf seine Rechnung. Es war ihm stets ein Anliegen, die Interessen der Südtiroler und anderer ethnischer Minderheiten zu vertreten. Seit seinem Ausscheiden aus der FAZ lehrt er an österreichischen und ungarischen Hochschulen.
Im Jahr 2009 wurde Olt mit dem Verdienstorden des Landes Südtirol geehrt, und im Jahr 2013 zeichnete ihn die Republik Österreich mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst aus. Der Nordtiroler Landeshauptmann Günther Platter verlieh ihm ebenfalls anno 2013 den Großen Tiroler Adler-Orden.
Es freut uns, den nachstehenden Beitrag von ihm veröffentlichen zu können. Die Bebilderung wurde durch uns vorgenommen.
Georg Dattenböck Schriftleiter
„Option“ – Hitlers und Mussolinis folgenreicher Schacher mit den Südtirolern.
Eine Rückblende von Reinhard Olt
Für Tiroler ist von den historischen Erinnerungsdaten – neben dem Beginn des Ersten Weltkriegs, an dessen Ende die waffenstillstandswidrige Annexion des südlichen Landesteils durch Italien 1918 und dessen friedensvertragliche Übereignung an den Stiefelstaat im Jahr darauf stand – der alljährliche 21. Oktober als besonders schmerzlicher Gedenktag zu „bewältigen“: An diesem Tag des Jahres 1939 gab der nationalsozialistische deutsche „Führer“ Adolf Hitler seinem faschistischen italienischen Pendant, dem „Duce“ Benito Mussolini, Südtirol preis.
Mit dem damals zwischen Berlin und Rom in Kraft getretenen „Optionsabkommen“ sollte gewährleistet werden, was nach der faschistischen Machtübernahme in Italien 1922 zwischen Brenner und Salurner Klause sowie zwischen Reschen-Pass und Dolomitenstock trotz brutaler Entnationalisierungspolitik nicht erreicht worden war, nämlich die „ewige Italianità“ dieses Landstrichs.
Für dessen Erwerb hatten chauvinistische Irredentisten gemäß der seit Mitte des 19. Jahrhunderts propagierten „Wasserscheiden-Theorie“ unablässig gefochten, und für dessen Einverleibung wechselte Italien 1915 die Seite und trat – gemäß dem Motto „Sacro egoismo“ („Heiliger Eigennutz“) – gegen den aus Deutschem Reich und Österreich-Ungarn bestehenden Zweibund, mit dem es ehedem im „Dreibund“ verbündet war, in den Krieg ein.
Schon in einer seiner weniger bekannten Schriften aus der „Kampfzeit“ – „Die Südtiroler Frage und das Deutsche Bündnisproblem“ (erschienen 1926 in München im NSDAP-Parteiverlag F. Eher) – hatte der „böhmische Gefreite“ Hitler zu erkennen gegeben, daß er die Südtiroler als ein Hindernis auf dem Weg zur Annäherung an den späteren Achsenpartner betrachtete.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938, womit die Wehrmacht am Brenner stand, zerstreute Hitler anlässlich seines Staatsbesuchs italienische Befürchtungen, wonach eine Rückgliederung Südtirols bevorstehen könnte, indem er am 7. Mai 1938 in Rom erklärte: „Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, daß es die von der Natur uns beiden aufgerichtete Alpengrenze immer als eine unantastbare ansieht.“
Diese Erklärung fand in dem am 22. Mai 1939 in Berlin im Beisein Hitlers von den Außenministern Joachim von Ribbentrop und Galeazzo Graf Ciano (Schwiegersohn Mussolinis) unterzeichneten „Stahlpakt“ ihre Bekräftigung. Denn in der Präambel dieses politisch-militärischen Bündnisses zwischen dem Deutschen Reich und Italien hieß es, dass mit den „für immer festgeschriebenen gemeinsamen Grenzen die sichere Grundlage für gegenseitige Hilfe und Unterstützung gegeben“ sei. Und um die in diesem Abkommen genannte „ewige Grenze“ auch „volkstumspolitisch“ zu untermauern, handelten besagter Graf Ciano und Reichsführer-SS Heinrich Himmler unter strikter Geheimhaltung das Optionsabkommen aus.
Es sah vor, daß sich Deutschsüdtiroler und Ladiner in der Provinz Alto Adige („Hochetsch“) sowie jene des zur Provinz Trient gehörenden Südtiroler Unterlandes, aber auch die Bewohner des bis 1918 zu Kärnten gehörenden Kanaltals – es erstreckt sich vom heutigen Grenzübergang Thörl-Maglern/Arnoldstein über Tarvis/Tarvisio bis Pontafel/Pontebba – sowie des Fersentals und Luserns (deutsche Sprachinseln im Trentino) für Italien oder für das Deutsche Reich zu entscheiden hatten: „Optierten“ sie bis zum 31. Dezember 1939 für die deutsche Staatsbürgerschaft, so war damit die Verpflichtung zur Aussiedlung verbunden; entschieden sie sich für die Beibehaltung der italienischen, somit für den Verbleib in der angestammten Heimat, so taten sie dies freilich in der Gewissheit, keinen Schutz mehr für ihre Volksgruppe in Anspruch nehmen zu können.
Schon im Juni 1939 war der Inhalt des schändlichen Abkommens in Südtirol bekannt geworden. Daraufhin traten Vertreter des (der Kirche nahestehenden) „Deutschen Verbandes“ (DV) wie Repräsentanten des (NS-nahen) „Völkischen Kampfrings Südtirols“(VKS), die sich im Bozner Marien-Internat bei Kanonikus Michael Gamper zu einer Beratung getroffen hatten, einhellig dafür ein, geschlossen für den Verbleib in der Heimat zu stimmen. Am 1. August 1939 wurde im Verlautbarungsblatt der Staatsbahnen angekündigt, dass „in nächster Zeit Transporte von Personen und Gütern aus Südtirol in südliche Provinzen abgehen“ sollten. Der römische Statthalter, Präfekt Giuseppe Mastromattei, verkündete in der Zeitschrift „Atesia Augusta“, dass, wer „immer Treue zu Italien und zu den Einrichtungen des Regimes bewiesen“ habe, bleiben dürfe. Dies bedeutete jedoch, dass die meisten der keineswegs faschistisch eingestellten Südtiroler von Deportation in die südlichen Provinzen bedroht waren. Dazu kam, dass laut Arbeitsvermittlungsgesetz nur Italiener als Ersatz für entlassene Deutschsüdtiroler eingestellt werden durften.
Den italienischen Privatbetrieben wurde die Einstellung von Südtirolern verboten, und auch die Obstgenossenschaften durften keine deutschtiroler Saisonarbeiter mehr beschäftigen. Höchste Repräsentanten des faschistischen Staates gaben in öffentlichen Äußerungen zu verstehen, dass die für Italien optierenden Südtiroler nach Sizilien umgesiedelt werden könnten, wo das Regime gerade eine Landreform in Gang gesetzt hatte, wodurch 20 000 neue Bauernstellen geschaffen werden sollten. Späteren Erklärungen der italienischen Behörden, wonach Italien-Optanten in Südtirol verbleiben könnten, wurde nicht mehr geglaubt, vor allem auch, weil eine von Bischof Geisler geführte Delegation, die diesbezüglich bei Mussolini vorsprechen wollte, nicht empfangen worden war. Man sah sich auf Gedeih und Verderb der römischen Willkür ausgeliefert.
In ihrer Verzweiflung hatten sich Vertreter des VKS direkt an Himmler gewandt. Dieser erklärte einer VKS-Abordnung anlässlich einer Begegnung am Tegernsee unverblümt, dass das Deutsche Reich die „Dableiber“, also die Optanten für Italien, ihrem Schicksal, mithin dem unabwendbaren nationalen Untergang, überlassen werde. Der VKS schwenkte nun um und begann, mit reichsdeutscher Unterstützung, für eine möglichst geschlossene Option für das Reich zu werben. Kanonikus Michael Gamper und sein Freundeskreis vom DV und dem Andreas Hofer-Bund (AHB) hingegen waren überzeugt, dass man im Lande bleiben und auf eine Änderung der Verhältnisse hoffen müsse. Die emotionalen Auseinandersetzungen führten zu einer tiefgreifenden Spaltung der Bevölkerung, die durch die Dörfer und teilweise auch durch die Familien ging. Es kam zu gegenseitigen Vorwürfen des „Verrats“, wobei die Deutschland-Optanten als „Heimatverräter“ und die „Dableiber“ als„Volksverräter“ beschimpft wurden.
Von den 246 036 dazu Berechtigten optierten 211 799 für die deutsche Staatsbürgerschaft und Aussiedeln, 34 237 votierten für die Beibehaltung der italienischen und Bleiben. Wer ging, ließ alle unbewegliche Habe zurück. Von den Optanten wurden schließlich etwa 76 000 ausgesiedelt. In ihre Häuser und Höfe, über deren Wert hastig Kommissionen befanden, zogen zumeist Süditaliener ein – der ganze Landstrich sollte ja seinen „deutschen Charakter“ verlieren.
Der Zweite Weltkrieg, an dessen Beginn vor 77 Jahren auch in diesem Zusammenhang zu erinnern ist, verhinderte die vollständige Ausführung der Umsiedlung, die bereits 1941 zum Erliegen kam, ins Deutsche Reich oder ihm angeschlossene respektive von ihm unterworfene Gebiete.
Die Entscheidung für Gehen oder Bleiben war schließlich schon mit der „Operationszone Alpenvorland“ gänzlich obsolet geworden, zu der Südtirol mit der Besetzung Norditaliens gehörte, nachdem Mussolini 1943 vom Faschistischen Großrat abgesetzt worden war und in der „Republik von Salò“ als Satrap Hitlers „regierte“. Berlin fragte fortan nicht mehr nach „Optanten“ oder „Dableibern“. Gestellungsbefehle an die Front erreichten Angehörige beider Lager.
Die Rückkehr der Deutschland-Optanten in ihre Heimat nach Kriegsende stieß auf enorme Schwierigkeiten. Es bedurfte trotz des zwischen dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi und dem österreichischen Außenminister Karl Gruber am 5. September 1946 zu Paris geschlossenen Abkommens („Parier Vertrag“) über die (dann bis 1972 von Rom torpedierte) Autonomie Südtirols, welches auch die „Revision der Option“ zum Gegenstand hatte, zäher Verhandlungen, den zunächst Staatenlosen, überdies als Nazis Gebrandmarkten, die italienische Staatsbürgerschaft wieder zuzuerkennen. Die damals geschlagenen, tiefen seelischen Wunden sind auf beiden Seiten erst nach vielen Jahren wieder vernarbt.
Selbst der von Angehörigen beider Lager gegründeten Südtiroler Volkspartei (SVP), an deren Spitze nachmals für gut drei Jahrzehnte Silvius Magnago stand, ein Optant, fiel es nicht leicht, die Kluft allmählich zu überwinden. Kanonikus Gamper gebührt das Verdienst, durch sein leuchtendes Beispiel der Nächstenliebe und Toleranz die Südtiroler nach Kriegsende wieder zu einer handlungsfähigen Volksgruppe zusammengeführt zu haben.
Anfangs hatte der im Mai 1945 von den Alliierten in Bozen eingesetzte italienische Präfekt Bruno De Angelis sogar danach getrachtet, die Aussiedlung der verbliebenen Optanten in die amerikanischen, englischen und französischen Besatzungszonen in Österreich und Deutschland zu erreichen. Dies war an den alliierten Mächten gescheitert. Rom versuchte sodann, mit Kniffen und Tricks die Rückkehr der ausgesiedelten Optanten zu behindern. Welche Methoden dabei angewandt wurden, zeigte etwa die Beschlagnahme des Vermögens jener Deutschland-Optanten, denen Italien 1949 die Wiedererteilung seiner Staatsbürgerschaft unter der durch nichts zu rechtfertigenden Beschuldigung verweigerte, es handele sich durchweg um Nazis. Damit hoffte man, weitere Rückkehrwillige abzuschrecken.
Bis 1952 hatten nur deren 25 000 wieder in die Heimat zurückkehren können. Das war nur rund ein Drittel der Ausgesiedelten.
Erst dem „Dableiber“, Gamper-Vertrauten, ehemaligen KZ-Häftling, nunmehrigen Journalisten und SVP-Abgeordneten im italienischen Parlament Friedl Volgger gelang es mithilfe einer von ihm organisierten alliierten Unterstützung, die römische Regierung dazu zu bewegen, die Vermögensbeschlagnahme wieder aufzuheben.
Für lange Zeit auch stellte sich im deutsch-italienischen Nachkriegsverhältnis die vermögens- und versicherungsrechtliche sowie die technische Abgeltung von Leistungen für Optanten wie ein Sperrriegel in den Weg. Die Optanten hatten sämtliche Guthaben verloren. Die Ablösesummen für ihre zwischen 1939 und 1941 in Südtirol verlassenen Besitztümer waren auf Sperrkonten ohne Verfügungsberechtigung überwiesen worden. In Österreich, das 1938 dem Reich „angeschlossen“ worden war und wohin viele Südtiroler ausgesiedelt wurden, raffte die Geldentwertung die „freien Einlagen“ dahin.
Und in Ansiedlungsgebieten wie Böhmen und dem Elsass waren von Optanten erworbene Liegenschaften als „deutsches Eigentum“ entschädigungslos konfisziert worden.
In Südtirol bemühten sich Josef Zingerle, diözesaner Caritasdirektor von Brixen, Rudolf Freiherr Unterrichter von Rechtenthal, Johannes Schauff von der in Genf ansässigen „Internationalen Katholischen Wanderungskommission“, sowie die SVP-Senatoren Karl Tinzl und Karl Mitterdorfer um Rücksiedlungshilfen für heimkehrwillige Optanten aus der Bundesrepublik.
Erst Anfang der sechziger Jahre konnten ihre Bemühungen mit finanzieller Hilfe Bonns in geordnete Bahnen gelenkt werden, indem Finanzministerium und Bundesausgleichsamt eine „humanitäre Regelung“ entwickelten, in die später das Arbeits- und Sozialministerium eingebunden war. Grundlage dafür war das 14. Lastenausgleichsgesetz, welches 1963 auf „Umsiedlungsgeschädigte und Optanten“ angewandt wurde.
In Bozen wurde ein „Berufungsausschuss für Umsiedlungsgeschädigte“ eingerichtet, über den man das Verfahren zur individuellen Entschädigung nach dem deutschen Reparationsschädengesetz abwickelte, welches in einem 1969 in Kraft getretenen „Abkommen zur Regelung von Kriegsschäden italienischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland und deutscher Staatsangehöriger in der Republik Italien“ seine Anwendung fand.
Letztendlich mündete es in das deutsch-italienische Rentenabkommen von 1976, in welchem eine über die Abgeltung von Vermögensschäden hinausreichende Zubilligung von Ausfallzeiten sowie Rentenleistungen geboten war und nach Beseitigung mancher Schwierigkeiten in Verhandlungsrunden 1983, 1986 und 1991 bis zur endgültigen Befriedung 1998 zum Tragen kommen konnte.
Zu Mitgliedern des Bozner Beratungsausschusses waren Vertreter der Optanten, der Sozialverbände, der Kirche und des öffentlichen Lebens berufen worden. Grundsätzlich wurden Leistungen nach dem Einzelantragsprinzip gewährt. Zahlungen zur Abgeltung von Vermögensansprüchen wurden an Geschädigte oder antragsberechtigte Erben geleistet, Rentenansprüche und -zahlungen im Zusammenwirken mit dem italienischen Rentenversicherungsträger NISF/INPS geregelt; der Berufungsausschuss stellte hierfür die amtlich anerkannten Bescheinigungen aus.
Nach dem Bonner Lastenausgleichsgesetz sind insgesamt 121,3 Millionen Mark bewilligt worden, die deutschen Aufwendungen im Rahmen des Rentenabkommens beliefen sich auf 262 Millionen Mark. Dreißigtausend Akten hatte der Berufungsausschuss angelegt, mehr als fünfzehntausend Anträge bearbeitet; nahezu zehntausend Begünstigte kamen in den Genuss von Zahlungen.
In einer separaten Regelung für Optanten aus dem Fersental und aus Lusern ermöglichte der Berufungsausschuss die Rückübertragung von 27 000 Grundparzellen im Trentino und 1971 den Umtausch von Vermögenswerten auf DM-Basis, die einst in Reichsmark festgesetzt worden waren.
Im Jahr 1999, 35 Jahre nach seiner Gründung und 60 Jahre nach dem unseligen Optionsabkommen, hatte der Berufungsausschuss seine gänzlich ehrenamtliche Tätigkeit beendet. Damit schloss sich ein beklemmendes Kapitel der jüngeren deutsch-italienischen Geschichte, damit war zugleich eine über Jahrzehnte belastende Hypothek auf den Beziehungen zwischen Bonn/Berlin und Rom sowie der beiden Hauptstädte zu Südtirol auf langwierige, aber humanitäre und pekuniäre Weise geräuschlos abgetragen worden.
Ein Beteiligter sah sich hingegen gegenüber den Ansprüchen von Optanten nicht in der Pflicht, wie der damalige Abschlußbericht des Ausschussvorsitzenden festhielt: „Die Verhandlungen um eine Entschädigung seitens der Republik Österreich für die Einbehaltung von cirka 11 000 Wohnungen, die mit Geldern der Südtiroler Umsiedler, gestützt auf Reichsbürgschaften, noch während des Zweiten Weltkrieges für diese errichtet wurden, führten zu keinem Erfolg.“
Weiter hieß es darin: „Es wäre sicherlich opportun, wenn die CA-Bank Innsbruck noch alle Konten der Optanten nach dem Vorbild der Schweizer Banken offenlegen würde.“
Mit in Jahrhunderten gefestigten Banden historisch legitimiert und mit der Jurisdiktion zweier UN-Deklarationen im Rücken gibt sich Wien zwar stets zu Recht als „Schutzmacht“ der Südtiroler aus. Wo es ihr als „Schutzmacht“ aber gut angestanden hätte, zusammen mit Deutschland Rückgrat zu zeigen, da zog sich die Republik Österreich in bewährter Weise auf den von ihr vertretenen, quasi staatsdoktrinären Standpunkt von der „Nichtexistenz als Völkerrechtssubjekt zwischen 1938 und 1945“ zurück – er kostet(e) nichts.
Studie: Das Recht auf Selbstbestimmung
von Jürgen Fingeller
I) Die Rechtsquellen
a) Das Recht auf Selbstbestimmung der Völker ist bereits in Artikel 1.2 der „Charta der Vereinten Nationen“ vom 26. Juni 1945
verankert, in welchem es heißt, dass es zu den Zielen der Vereinten Nationen gehöre, „freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln…“
b) Ein Schlüsseldokument ist die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 14. Dezember 1960 verabschiedete „Deklaration über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Völker“ 1514, XV, in der es heißt:
„1) Die Unterwerfung von Völkern unter fremde Unterjochung, Herrschaft und Ausbeutung stellt eine Verweigerung der grundlegenden Menschenrechte dar, steht in Widerspruch zu der Charta der Vereinten Nationen und ist ein Hindernis bei der Förderung des Weltfriedens und der Zusammenarbeit.
2) Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung, kraft dessen sie über ihren politischen Status frei entscheiden und in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung verfolgen.“
(Zitiert nach: Neuhold-Hummer-Schreuer: „Österreichisches Handbuch des Völkerrechts“, Bd. 2, 2. Auflage, Wien1991, S. 346f)
c) Eine weitere Rechtsgrundlage sind die „Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen“ von 1966 (Pakt I über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Pakt II über bürgerliche und politische Rechte).
In beiden Pakten wird in Artikel 1, Absatz 1 erklärt: „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung haben. Kraft dieses Rechtes entscheiden sie frei über ihren politischen Status und verfolgen in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“
In diesem Text findet sich keine Schutzklausel für die territoriale Integrität der Staaten und es wird auch die Geltendmachung des Selbstbestimmungsrechtes an keiner Vorbedingung wie etwa Unterdrückung oder Missachtung der Menschenrechte geknüpft.
Obwohl in der italienischen Verfassung Italien als die „eine und unteilbare Republik“ bezeichnet wird, hat Italien diese Menschenrechtspakte unterzeichnet, im Jahre 1977 ratifiziert und sich damit einer internationalen Verpflichtung unterworfen. (Zitiert nach: Neuhold-Hummer-Schreuer: „Österreichisches Handbuch des Völkerrechts“, Bd. 2, 2. Auflage, Wien1991, S. 217ff)
d) Eine weitere wichtige Rechtsquelle ist die „Deklaration über freundschaftliche Beziehungen und die Zusammenarbeit von Staaten“ der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970, Nr. 2625 (XXV) („Friendly Relations-Declaration“) In dieser heißt es:
„Durch die Wirksamkeit des in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Prinzips der gleichen Rechte und des Rechtes auf Selbstbestimmung der Völker haben alle Völker das Recht, ohne Eingriff von außen frei über ihren politischen Status zu entscheiden und ihre wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung frei zu verfolgen, und jeder Staat ist gemäß den Bestimmungen der Charta verpflichtet dieses Recht zu achten. Jeder Staat hat die Pflicht, durch gemeinsame oder gesonderte Tätigkeit die Verwirklichung des Prinzips der gleichen Rechte und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zu fördern…“
Das Selbstbestimmungsrecht könne dabei in folgender Weise verwirklicht werden:
Durch die „Errichtung eines souveränen und unabhängigen Staates, die freie Vereinigung oder Verschmelzung mit einem unabhängigen Staat“ oder durch den „Übergang zu irgend einem anderen, vom Volk frei bestimmten politischen Status…“
In derselben Resolution heißt es in widersprüchlicher Weise allerdings auch, daß die Resolution nicht als Ermutigung oder Autorisierung von Handlungen gegen die „territoriale Unversehrtheit oder die politische Einheit souveräner oder unabhängiger Staaten“ ausgelegt werden solle, die „sich gemäß dem oben beschriebenen Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker verhalten und die daher eine Regierung besitzen, welche die gesamte zum Gebiet gehörige Bevölkerung ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens oder der Hautfarbe vertritt.“
Das Recht des Staates auf territoriale Unversehrtheit wird hier an die Bedingung geknüpft, daß der jeweils betroffene Staat sich „dem Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker entsprechend“ verhält. Eine nähere Ausführung und Definition des Sachverhaltes fehlt.
(Zitiert nach: Neuhold-Hummer-Schreuer: „Österreichisches Handbuch des Völkerrechts“, Bd. 2, 2. Auflage, Wien1991, S. 29f)
e) Die „Wiener Erklärung der Weltkonferenz der Vereinten Nationen über Menschenrechte“ vom 25. Juni 1993 wiederholte diese Prinzipien nahezu wortgleich, ergänzte sie aber noch durch folgenden Satz: „Die Weltkonferenz über Menschenrechte betrachtet die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes als eine Menschenrechtsverletzung und unterstreicht die Bedeutung der wirksamen Durchsetzung dieses Rechts.“
Doch auch hier folgt auf die positive Festlegung gleich der einschränkende Pferdefuß: „…ist dies nicht so auszulegen, dass damit irgendeine Handlungsweise erlaubt oder ermutigt wird, welche die territoriale Integrität oder politische Einheit souveräner oder unabhängiger Staaten, die sich gemäß dem Grundsatz der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker verhalten und daher eine Regierung besitzen, die ohne Unterschied irgendwelcher Art die gesamte zu dem betreffenden Gebiet gehörende Bevölkerung vertritt, zur Gänze oder zum Teil zerstören oder beeinträchtigen würde.“
(Peter Hilpold (Hrsg.): „Das Selbstbestimmungsrecht der Völker – Vom umstrittenen Prinzip zum vieldeutigen Recht?“, Bad 10 der Reihe „Völkerrecht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht“, Frankfurt/M.-Berlin-Bruxelles-New York-Oxford-Wien 2009, S. 28f)
f) Die UNO-Resolution „Wichtigkeit der allgemeinen Verwirklichung des Rechtes der Völker auf Selbstbestimmung und der schnellem Gewährung der Unabhängigkeit für koloniale Länder und Völker zur effektiven Garantie und Einhaltung der Menschenrechte“ Nr. 2787, XXVI, vom 6. Dezember 1971 hält in ihrer Präambel fest, dass „die Unterwerfung von Völkern unter fremde Unterjochung, Herrschaft und koloniale Ausbeutung ebenso eine Verletzung des Prinzips des Rechtes auf Selbstbestimmung wie auch eine Verweigerung der grundlegenden Menschenrechtes darstellt und in Widerspruch zu der Charta der Vereinten Nationen“
(Zitiert aus dem Internet http://www.un.org/documents/ga/res/26/ares26.htm)
g) Die „Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE-Konferenz in Helsinki vom 1. August 1975) ist eine weitere bedeutende Rechtsquelle. Auf Antrag der Niederländer wurde die Formulierung der Selbstbestimmung als dynamisches permanentes Recht unter Artikel VIII in die Schlussakte aufgenommen, wobei durch den Hinweis auf die „territoriale Integrität“ gleich eine Relativierung mit eingebaut wurde, die einer Reihe betroffener Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Sicherheit vor Veränderung geben soll:
„Die Teilnehmerstaaten werden die Gleichberechtigung der Völker und ihr Selbstbestimmungsrecht achten, indem sie jederzeit in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und den einschlägigen Normen des Völkerrechts handeln, einschließlich jener, die sich auf die territoriale Integrität der Staaten beziehen.
Kraft des Prinzips der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker haben alle Völker jederzeit das Recht, in voller Freiheit, wann und wie sie es wünschen, ihren inneren und äußeren politischen Status ohne äußere Einmischung zu bestimmen und ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung nach eigenen Wünschen zu verfolgen.“
(Zitiert nach: Neuhold-Hummer-Schreuer: „Österreichisches Handbuch des Völkerrechts“, Bd. 2, 2. Auflage, Wien1991, S. 295)
II) Die Träger des Selbstbestimmungsrechtes – Völker und Volksgruppen
„Das Selbstbestimmungsrecht ist heute das unbestreitbare Recht von Völkern und kein Recht der Staaten … Es tritt dann mit der Staatssouveränität in Konflikt, wenn die Staaten keine Vorkehrungen treffen, damit Selbstbestimmungsrecht ausgeübt werden kann. Auch Volksgruppen und Minderheiten sind Träger des Selbstbestimmungsrechtes, wenn sie sich als Volk identifizieren können.“
(Prof. Dr. Felix Ermacora: „Südtirol. Die verhinderte Selbstbestimmung.“, Wien-München 1991, S. 26 f )
Die von Ermacora getroffene Feststellung wird in Kreisen der Vereinten Nationen nicht allgemein geteilt. Es tritt vielfach das Bestreben hervor, das Selbstbestimmungsrecht in der Praxis auf den abgeschlossenen Prozess der Entkolonialisierung zu beschränken und aktuelle Volksgruppenfragen auszuklammern.
Die zitierten völkerrechtlich relevanten Dokumente verwenden durchgehend die Bezeichnung „Völker“ („peoples“) als Träger des Selbstbestimmungsrechtes. Der Begriff „Volk“ wird in diesen Texten allerdings nicht definiert.
Der UN-Spezialberichterstatter für die „UN-Sub-Kommission für Minderheitenschutz und Vermeidung von Diskriminierung“, Aureliu Cristescu, hat in einer sehr widersprüchlichen Studie „The Right to Self-Determination“ (United Nations, New York 1981, S. 41) festgehalten, dass für ein „Volk“, welches geeignet sei, sich des Rechts auf Selbstbestimmung zu erfreuen und dieses auszuüben („fit to enjoy and exercise the right of self-determination”) folgende Merkmale zutreffen müssten:
„(a) Der Ausdruck ‚Volk‘ bezeichnet eine soziale Wesenheit, die eine klare Identität und ihre eigenen Kennzeichen besitzt;“ („The term ‚people‘ denotes a social entity possessing a clear identity and its own characteristics;”)
„(b) Er enthält eine Beziehung zu einem Territorium, auch wenn das betreffende Volk aus diesem unrechtmäßig vertrieben und auf künstliche Weise durch eine andere Bevölkerung ersetzt worden sein sollte.“ (It implies a relationship with a territory, even if the people in question has been wrongfully expelled from it and artificially replaced by another population.”)
Diese Kriterien treffen auf Volksgruppen zu, die auf eigenem Territorium siedeln. Diese müssten demnach Träger des Rechtes auf Selbstbestimmung sein.
Doch dann nimmt Aureliu Cristescu aber eine Abgrenzung zu „Minderheiten“ („minorities“) vor, ohne diese näher zu definieren. Er sagt:
„c) Ein Volk sollte nicht verwechselt werden mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten, deren Existenz und Rechte in Artikel 27 des Internationalen Vertrages über die zivilen und politischen Rechte anerkannt sind.“ (Anmerkung: Menschenrechtspakt II)
Diese künstliche Unterscheidung zwischen „Volk“ und dem wohl sehr bewusst nicht näher definierten Begriff der „Minderheit“ zieht sich durch zahlreiche Berichte und Dokumente der Vereinten Nationen und hat auch Befürworter unter Mitgliedern des UN-Menschenrechtsausschusses und einigen europäischen Völkerrechtslehrern gefunden. Ihnen allen ist das Bestreben eigen, Selbstbestimmungsforderungen von etablierten Staaten fern zu halten.
Das von Verteidigern zentralstaatlicher Ordnungen und auch von italienischer Seite des Öfteren vorgebrachte Argument, daß geschlossen siedelnden Volksgruppen durch ihre Einstufung als „Minderheiten“ (unter denen man zumindest im europäischen Sprachgebrauch eher zerstreut über das Territorium einer Mehrheitsbevölkerung siedelnde Angehörige einer ethnischen oder religiösen Gruppe versteht) das Recht auf Selbstbestimmung streitig gemacht werden könne, ist absurde Haarspalterei, die freilich im Interesse zahlreicher betroffenen Staaten liegt.
Würde man geschlossen siedelnden Volksgruppen die Qualifikation als „Volk“ verweigern, würde der Sinn der völkerrechtlichen Normen auf den Kopf gestellt.
Interessanterweise hat ausgerechnet Italien durch den Mund des Ministerpräsidenten Giuseppe Pella 1953 in einem besonderen, Italien betreffenden Fall, eine ganz andere Position bezogen gehabt. Pella hatte die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes durch zwei Volksgruppen und nicht etwa durch ein ganzes Volk verlangt: nämlich durch die Italiener und Slowenen in der Stadt Triest und Umgebung. Pella erklärte dazu :
„Die Volksabstimmung bedeutet aber auch Anwendung jener Grundsätze, welche nicht nur die Basis des Rechtes und der internationalen Moral darstellen, sondern in feierlichen Dokumenten, an welche zweckmäßigerweise erinnert werden soll, beredten Ausdruck finden: die Atlantikcharta, das Statut der Vereinten Nationen…“
Pella forderte also unter Berufung auf die UNO-Satzung die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes durch die italienische und die slowenische Volksgruppe. Diese Tatsache bleibt von Interesse und Bedeutung, auch wenn Triest schließlich auf vertraglichem Wege an Italien kam (Übereinkommen im Londoner Memorandum vom 5.10.1954), da Tito eine Volksabstimmung abgelehnt hatte.
Beispiele aus der europäischen Vergangenheit für Volksgruppen als Träger des Selbstbestimmungsrechtes:
Italien 19. Jahrhundert
So paradox es für Südtirol klingen mag, aber gerade Italien ist eines der besten Beispiele für verwirklichte Selbstbestimmung, denn dessen staatliche Einheit wurde durch Volksbefragungen vollzogen.
Alle Provinzen und Regionen – mit Ausnahme Welschtirols (des Trentino) und des deutschen und ladinischen Südtirol haben aus freien Stücken ihren Beitritt zu dem italienischen Staat vollzogen.
In dem heutigen Südtirol und Welschtirol (Trentino) hat der italienischen Staat bis heute die Abhaltung einer Volksabstimmung nicht gewagt.
Schleswig – Holstein 1920
In freier Abstimmung entschied sich die Mehrheit der Bevölkerung Nord – Schleswigs für die Loslösung von Deutschland und Angliederung an Dänemark.
Ostpreußen 1920
In den Gebieten Allenstein und Marienwerder, die Polen nach dem ersten Weltkrieg für sich beanspruchte, fand eine Volksabstimmung statt, in der sich die Mehrheit für den Verbleib bei Deutschland aussprach.
Kärnten 1920
Nach dem ersten Weltkrieg besetzten jugoslawische Truppen weite Teile Kärntens und wollten Südkärnten in den neu entstehenden jugoslawischen Staat einverleiben. In der Folge kam es zu einer Volksabstimmung, in der sich die Mehrheit für den Verbleib bei Österreich aussprach.
Oberschlesien 1921
Im Versailler Vertrag war die Abtretung Oberschlesiens an Polen vorgesehen. Nach eindringlichen deutschen Protesten einigte man sich auf die Abhaltung einer Volksabstimmung, in der sich die Mehrheit für Deutschland entschied.
Burgenland 1921
Nach dem Zerfall der Donaumonarchie entschied sich die Bevölkerung des Burgenlandes, welches vorher zu Ungarn gehörte, für die Angliederung an Österreich.
Saarland 1935
Frankreich beanspruchte nach dem 1. Weltkrieg das Saarland für sich. Man einigte sich darauf, das Gebiet für 15 Jahre einer Völkerbund – Regierung zu unterstellen und es danach frei über seine staatliche Zugehörigkeit abstimmen zu lassen. Das Saarland entschied sich für Deutschland.
Island 1944
Island löste mit einer Volksabstimmung im Jahre 1944 die Union mit Dänemark auf und erklärte sich in der Folge zu einer unabhängigen Republik.
Italienische Gebiete an Frankreich
Nach dem 2. Weltkrieg trat Italien die in der Nähe von Nizza gelegenen Gebiete Tende und La Brigue ab. Mittels Volksabstimmung wurde dann deren Angliederung an Frankreich vollzogen.
Saarland 1955
Nach dem 2. Weltkrieg versuchte Frankreich wiederum das Saarland für sich zu gewinnen, zumal es Teil der französischen Besatzungszone war. In der Folge wurde nochmals eine Volksabstimmung durchgeführt, in der sich abermals die Mehrheit der Bevölkerung für Deutschland aussprach.
Slowenien 1990
Am 23. Dezember 1990 entschied sich die Bevölkerung Sloweniens in einem Referendum mit 88,5% für die Unabhängigkeit. In der Folge proklamierte das Parlament den Austritt aus dem jugoslawischen Bund und die Bildung eines souveränen Staates Slowenien.
Montenegro 2006
Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden Serbien und Montenegro in einem Staatenbündnis zusammengeschlossen, ohne Rücksicht auf ethnisch – kulturelle Unterschiede zu nehmen.
Im Frühjahr 2006 entschied sich die Mehrheit der Bevölkerung Montenegros, in einer freien Volksabstimmung für die Loslösung von Serbien und die Bildung einer eigenen Republik.
Die Loslösung Montenegros von Serbien ist das jüngste Beispiel für Selbstbestimmung in Europa. Es erfolgte vollkommen friedlich. Das zeigt, wie aktuell die Selbstbestimmung ist.
Fazit:
Das Recht von Volksgruppen auf Selbstbestimmung wird zwar durch den gesunden Menschenverstand und einen Teil der Völkerrechtslehre, nicht aber generell im Rahmen der Vereinten Nationen anerkannt. Diese Erkenntnis ist von Bedeutung in Bezug auf die Frage, ob die Durchsetzung dieses Rechtes vorrangig auf rechtlichem oder auf politischem Weg verfolgt werden muss.
Träger des Selbstbestimmungsrechtes in Südtirol:
Die Träger des Selbstbestimmungsrechtes in Südtirol werden die Volksgruppen sein.
Man wird im Falle einer Volksabstimmung in Südtirol aus menschenrechtlichen Erwägungen heraus das Wahlrecht kaum auf die deutsche und ladinische Volksgruppe beschränken können. Die im Lande geborenen oder seit einem bestimmten Stichtag im Lande ansässigen Angehörigen der italienischen Volksgruppe werden wohl in gleichberechtigter Weise zu den Stimmbürgern zu zählen sein.
III) Der Inhalt des Selbstbestimmungsrechtes – Das Recht auf Sezession
Gemäß der bereits erwähnten „Deklaration über freundschaftliche Beziehungen und die Zusammenarbeit von Staaten“ der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970 besteht für alle Völker das Recht auf:
a) Errichtung eines souveränen und unabhängigen Staates;
b) den Anschluss an einen bestehenden Staat;
c) das Aufgehen in einem anderen politischen Status.
(Wörtlich: „The establishment of a sovereign and independent State, the free association or integration with an independent State or the emergence into any other political status freely determined by a people constitute modes of implementing the right of self-determination by that people.”)
Die folgende Einschränkung in demselben Dokument ist jedoch mehrdeutig: Sie besagt, daß die Resolution nicht als Ermutigung oder Autorisierung von Handlungen gegen die „territoriale Unversehrtheit oder die politische Einheit souveräner oder unabhängiger Staaten“ ausgelegt werden solle, die „sich gemäß dem oben beschriebenen Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker verhalten und die daher eine Regierung besitzen, welche die gesamte zum Gebiet gehörige Bevölkerung ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens oder der Hautfarbe vertritt.“
Es bleibt unpräzisiert, wann ein betroffener Staat sich „dem Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker entsprechend“ verhält oder nicht verhält. Mann kann diesen Text auch so interpretieren, dass aus der Sicht der Vereinten Nationen eine repräsentative Vertretung der Bevölkerung durch die jeweilige Regierung das Recht auf Selbstbestimmung obsolet mache.
Wohl bewusst mehrdeutig sind mit Ausnahme der UN-Menschenrechtspakte die meisten anderen, auf die Frage der Selbstbestimmung Bezug nehmenden UN-Dokumente formuliert.
Peter Hilpold, Professor für Völkerrecht, Europarecht und Vergleichendes Öffentliches Recht an der Universität Innsbruck betont in diesem Zusammenhang, dass die internationale Staatengemeinschaft dem Recht auf Sezession – der Abtrennung eines Teilgebietes eines Gesamtstaates – nahezu einhellig ablehnend gegenüber steht.
Diese ablehnende Haltung sei der Grund für die mangelnde Präzision und die Vieldeutigkeit der meisten völkerrechtlich relevanten Dokumente. Somit gebe es kein klar formuliertes Recht auf Sezession, aber auch kein Verbot. Man lasse die Frage lieber einfach ungeregelt.
Hilpold: „Den Staaten wird eine Rute ins Fenster gesetzt, ohne aber eine klare Sanktion auszusprechen. Hier wird offenkundig mit Doppeldeutigkeiten gespielt, mit Wendungen, die niemals einvernehmlich definiert worden sind, die aber gerade aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit jedem etwas bieten. Es handelt sich um halbe Verheißungen, die vielleicht in politische Forderungen ummünzbar sind, die aber niemandem zur wirklichen Gefahr werden, zumindest auf absehbare Zeit.“ (Peter Hilpold: „Die Sezession – zum Versuch der Verrechtlichung eines faktischen Phänomens“; In: Peter Hilpold (Hrsg.): „Das Selbstbestimmungsrecht der Völker – Vom umstrittenen Prinzip zum vieldeutigen Recht?“, Bad 10 der Reihe „Völkerrecht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht“, Frankfurt/M.-Berlin-Bruxelles-New York-Oxford-Wien 2009, S. 28f)
„Indem das Völkerrecht Vorfälle dieser Art nicht regelt,“ sagt Hilpold, „akzeptiert es den Lauf der Dinge. Dann, wenn sich die sezedierende Einheit durchsetzt, liegt es im Sinne des Effektivitätsgrundsatzes wohl im Interesse der Staatengemeinschaft, den Neustaat in ihren Kreis aufzunehmen.“ (Peter Hilpold, a. a. O.: S. 20)
Hierbei handele es sich aber „um faktische Ereignisse, die sich einer rechtlichen Regelung entziehen.“ (Peter Hilpold, a. a. O.: S. 40)
Eine Änderung trat ein, als sich der Kosovo am 17. Februar 2008 zu einem unabhängigen und souveränen Staat erklärte und dieser in der Folge von zahlreichen Staaten, darunter die meisten EU-Länder, anerkannt wurde.
Am 22. Juni 2010 veröffentlichte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag auf Verlangen der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein Gutachten („Advisory Opinion“), in welchem er feststellte, dass die Unabhängigkeitserklärung das Völkerrecht nicht verletzt habe.
Bezug nehmend auf dieses Urteil nahm der Professor für Völkerrecht an der Universität Montreal, Daniel Turp, auf Einladung der Landtagsfraktion „Süd-Tiroler Freiheit“ am 18. Oktober 2014 in einem Vortrag zu der Bedeutung dieses IGH-Gutachtens für Südtirol Stellung.
Professor Turp betonte in seinem Referat, dass Süd-Tirol das Recht auf Selbstbestimmung zustehe und sich Italien nicht hinter dem Argument der „territorialen Integrität“ verstecken dürfe!
Daniel Turp berichtete, dass die Bevölkerung Quebecs bereits zwei Mal(!) über die Unabhängigkeit des Landes von Kanada abgestimmt habe. Zuletzt sei dies 1995 geschehen. Jedes Mal habe es eine knappe Mehrheit für den Erhalt des Status Quo gegeben. Die Bevölkerung von Quebec habe aber damit gezeigt, dass Selbstbestimmung nicht zwangsläufig eine einmalige Chance sein müsse.
Der Professor für Völkerrecht und ehemalige Abgeordnete zum kanadischen Parlament unterstrich, dass ein Staat nicht auf seiner territorialen Integrität beharren könne, wenn ein Volk in diesem Staat die Unabhängigkeit wünsche. Als Meilenstein nannte er das Beispiel Kosovo bzw. das entsprechende Urteil des Internationalen Gerichtshofes. Dieser attestierte in Bezug auf den Kosovo, dass die einseitige Unabhängigkeitserklärung nicht als Verstoß gegen das Völkerrecht anzusehen sei.
Parallelen sah Turp auch in Bezug auf Katalonien und Süd-Tirol:
„Obwohl Artikel 5 der italienischen Verfassung besagt, dass die Republik „eins und unteilbar“ ist (ebenso Artikel 2 der spanischen Verfassung) und damit signalisiert, dass das Süd-Tiroler Volk die territoriale Integrität Italiens nicht in Frage stellen darf, ist das Süd-Tiroler Volk meines Erachtens Inhaber des Rechts auf Selbstbestimmung und darf, in Anwendung dieses Rechts, ein souveräner und unabhängiger Staat werden!“
Italien solle, so Turp, das Recht des Süd-Tiroler Volkes anerkennen, die Sezession anzustreben und zu verwirklichen, um ein unabhängiger Staat zu werden, oder mit dem österreichischen Land Tirol wiedervereint zu werden.
IV) Die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechtes – Nicht auf die UNO hoffen!
Univ.-Prof. DDDr. Waldemar HUMMER vom Institut für Völkerrecht, Europarecht und Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck hat für die Südtiroler Landesregierung ein Rechtsgutachten unter dem Titel „Selbstbestimmungsrecht für Südtirol im Lichte des Völkerrechts der Gegenwart“ verfasst, in welchem er darauf hinweist, dass die völkerrechtliche Lehre hinsichtlich des Rechtes auf Sezession gespalten ist (S. 560). Ein Tel der Wissenschaftler vertrete die These, dass nur schwere Menschenrechtsverletzungen Sezessionsbestrebungen legitimieren könnten, wobei diese Wissenschaftler sich über die dazu notwendige Schwere der Menschenrechtsverletzungen nicht einig seien.
Diese Wissenschaftler verweisen die Betroffenen auf den Weg einer völkerrechtlich nicht näher definierten sogenannten „inneren Selbstbestimmung“, die sich in Form innerstaatlicher Autonomien oder schlicht auch nur in Form von Gewährung individueller Menschenrechte umsetzen lasse.
Hummer weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass das Selbstbestimmungsrecht ein dynamisches und nie erlöschendes Recht sei, welches keinesfalls durch eine Autonomie konsumiert und damit für die Zukunft aufgehoben werden könne. Zudem sei die „Gewährleistung individueller Grund- und Menschenrechte kein Ersatz für das Recht eines Kollektivs – das die Voraussetzungen eines ‚Volkes‘ erfüllt“, sein könne, in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Normen „seinen zukünftigen politischen Status in freier Wahl zu bestimmen.“ (S. 564)
Die negative Haltung der Vereinten Nationen und ihrer Mitgliedstaaten zum Sezessionsrecht beruht laut Hummer auf „vorwiegend politischen Motiven, die rechtliche Überlegungen klar in den Hintergrund drängen.“ (S. 569) So wurden Sezessionsansprüche entweder überhaupt als völkerrechtswidrig qualifiziert oder deren Behandlung in den Organen der Vereinten Nationen abgelehnt. Es gebe daher, so Hummer, „keinerlei Anlass zur Hoffnung auf Unterstützung oder gar positive Erledigung eines auf territoriale Sezession gerichteten Anspruchs Südtirols durch die Vereinten Nationen.“ (S. 571)
Die Praxis der UNO in einer Reihe von Fällen habe deutlich gemacht, „dass von dieservon Staatsinteressen getragenen Organisationkaum Unterstützung sezessionistischer Selbstbestimmungsbewegungen erwartet werden kann.“ (S. 573 f)
Nach der bisherigen Praxis gelte das in Bezug auf Südtirol wohl auch für den Fall der Nichteinhaltung von Paket-Bestimmungen durch den italienischen Staat. (S. 582)
Theoretisch könnte ein Staat den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen wegen Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes für Südtirol anrufen. Erstens werde sich kein dazu bereiter Staat – auch nicht Österreich – finden und zweitens könne der Ausschuss dann keine Verfügungen treffen, sondern nur seine wohl wenig effizienten „guten Dienste“ anbieten. Das sei „ein Umstand, der in schonungsloser Weise die mangelnde Effizienz des Verfahrens bloßlegt.“ (S. 586) Eine Individualbeschwerde sei ebenfalls wenig zielführend.
Hummer spricht daher von „unklaren prozessualen Beschwerdevoraussetzungen betreffend die Geltendmachung des Selbstbestimmungsrechtes.“ (592)
Aus der sehr gründlichen Analyse Hummers ergibt sich, dass ein erfolgreicher Weg zur Selbstbestimmung kein rein rechtlicher einer Klage vor europäischen oder Instanzen der Vereinten Nationen sein kann.
V) Der politische Weg zur Selbstbestimmung
Der Weg zur Selbstbestimmung muss und wird also ein vorwiegend politischer sein, wenngleich man in der Öffentlichkeit auch auf die völkerrechtliche Legitimität des Sezessionsstrebens hinweisen wird.
Die öffentliche Meinung hat sich in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Bis 1989 hatte man geglaubt, dass das Thema Sezession durch Selbstbestimmung mit dem Ende des Kolonialzeitalters erledigt sei. Der Zerfall der UdSSR brachte eine neue Situation. Voll Staunen sah die Welt, wie sich im Wege praktizierter Selbstbestimmungen neue politische und wirtschaftliche Einheiten bildeten. Der Bürgerkrieg in Jugoslawien ab März 1991 und die nachfolgenden Veränderungen der politischen Landkarte erwiesen erneut die Wirksamkeit des sezessionistischen Selbstbestimmungsrechtes.
Wie Univ. Prof. DDDr. Hummer festgestellt hat, kann das Recht auf Selbstbestimmung als dynamisches immer fortbestehendes Recht nichts als durch die Autonomie konsumiert angesehen werden.
Darüber hinaus haben die SVP und deren politische Exponenten in zahllosen Bekundungen das Selbstbestimmungsrecht als grundlegendes, unverzichtbares und durch keinen Entscheid von außen aufhebbares Recht der Volksgruppe bezeichnet. Diese Bekundungen sind und bleiben bedeutsam ungeachtet der Tatsache, dass die SVP-Politiker sich an die praktische Umsetzung nicht heran wagen.
1983 hat die SVP auf ihrer Landesversammlung durch ausdrücklichen Beschluss einen Bericht des Obmannes Magnago gutgeheißen, in dem es heißt:
„Die Art und Weise und der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechtes hängen von den Bedingungen ab. die sich aus historisch-politischen Möglichkeiten ergeben können.
Sollte sich in Hinkunft eine reale Möglichkeit bieten, eine Änderung herbeizuführen, auch eine Grenzänderung, so wird es die Südtiroler Volkspartei sein, ohne sich dabei von anderen Kräften treiben zu lassen, die von sich aus die Initiative ergreifen wird: dies ganz unabhängig davon, ob wir uns als Volk oder als Volksgruppe bzw. Sprachminderheit bezeichnen können.
Die Landesversammlung erklärt in Anlehnung an die Aussage des außenpolitischen Ausschusses des österreichischen Nationalrates vom 1.10.1946, daß der Pariser Vertrag keinen Verzicht auf die Selbstbestimmung bedeutet. An der Haltung der SVP wird sich diesbezüglich nichts ändern.“
Magnago und die Landesversammlung der SVP bezogen sich hierbei auf eine österreichische Rechtsposition, die von dem Außenpolitischen Ausschuß des österreichischen Nationalrates in einer Entschließung am 1. Oktober 1946 formuliert worden war, nachdem der damalige Außenminister Dr. Gruber dem Ausschuß über den ohne Genehmigung des Nationalrates und des Ministerrates vorgenommenen Abschluß des „Pariser Vertrages“ berichtet hatte. In dieser bis heute nicht aufgehobenen und sogar im Jahre 1992 erneut vom Österreichischen Nationalrat bekräftigten Entschließung heißt es:
„Die mit Italien vereinbarte Regelung, von der nicht feststeht, ob sie die Zustimmung des gesamten Südtiroler Volkes gefunden hat, bedarf noch mancher Interpretation, um als Zwischenlösung angesehen werden zu können.
Die Haltung Österreichs bedeutet in keiner Weise einen Verzicht auf die unveräußerlichen Rechte unseres Staates auf Südtirol. Der Ausschuß gibt der bestimmten Hoffnung Ausdruck, daß eine geänderte Weltlage in Zukunft den Südtirolern die Möglichkeit der Selbstbestimmung über ihre staatliche Zugehörigkeit geben wird.
Er ist daher der Meinung, daß dieses Prinzip der einzige Weg für eine dauernde Lösung der Südtirolfrage ist, die von Österreich als gerecht und befriedigend angenommen werden könnte.“
Die SVP hat sich mittlerweile zur italienischen Integrationspartei entwickelt und die österreichische Bundesregierung will keine Störungen im Verhältnis zu Rom.
Ungeachtet ihres Nicht-Handelns in der praktischen Politik haben aber einzelne SVP-Spitzenpolitiker in der Öffentlichkeit laut über die Selbstbestimmungsfrage nachgedacht und Rom gelegentlich zum passenden Zeitpunkt auch die Rute ins Fenster gestellt.
Am 12. Juni 1992 gab die ÖVP-Tageszeitung „Neues Volksblatt“ ein Interview mit dem Südtiroler Landeshauptmann Durnwalder wieder, in dem dieser verkündete:
„Wenn man den Südtirolern das Selbstbestimmungsrecht gewährte, dann garantiere ich, daß eine Mehrheit für eine Rückkehr nach Österreich zustande kommen würde. Es ist das natürlichste, daß zusammengehört, was Jahrhunderte zusammen gewesen ist, und der Landeshauptmann von Südtirol sicher für Tirol stimmen würde … Wenn wir morgen zu Österreich kämen, würde es sicher einen gewissen Streit geben, ob Südtirol ein zehntes Bundesland oder wieder mit Tirol vereinigt sein soll. Ich bin überzeugt, daß die Mehrheit gegen ein zehntes Bundesland wäre.“
Wenn des jedoch um praktische Schritte in Richtung Wiedervereinigung geht, nehmen die Spitzen der SVP eine sehr pragmatische ablehnende Haltung ein. Das hat vielleicht auch mit dem Widerwillen zu tun, ein politisches System zu ändern, in dem man sich finanziell sehr gut eingerichtet hat.
Ein klassisches Beispiel hierfür war ein gescheitertes Vorhaben des SVP-Kammerabgeordneten Dr. Ferdinand Willeit, der am 8. August 1991 einen Brief an seine Parteileitung schrieb.
In diesem Brief hatte der Parlamentarier von seiner Partei den Auftrag erbeten, in der römischen Abgeordnetenkammer einen Begehrensantrag für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes in Südtirol einzubringen.
Es bestehe die Gefahr, so Willeit, daß mit der Erklärung der SVP-Landesversammlung, das „Paket“ sei erfüllt, sowie mit der Abgabe der österreichischen Streitbeilegungserklärung die Südtirolfrage von dem italienischen Staat für immer als erledigt und abgetan angesehen werde. „Jede andere Auffassung Südtirols oder Österreichs wird einfach vom Tisch gefegt werden.“
Auch wenn Italien den Antrag auf Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes ablehnen werde, so hätte jedoch allein die Antragstellung schon klargestellt, „daß auch unabhängig von einer eventuellen Streitbeilegungserklärung unsere Zielsetzung die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes bleibt.“ Wenn Italien jedoch zustimmen sollte, so müsste die SVP je nach dem Ausgang der Volksabstimmung dann die Konsequenzen ziehen. („VOLKSBOTE“, Bozen, 26.9.1991)
Während Willeits Brief in der italienischen Presse Schlagzeilen auslöste und durchaus ernst genommen wurde, hatten sich damals die Spitzen der SVP bemüht, abzuwiegeln. Parteiobmann Riz und Landeshauptmann Durnwalder lehnten den Willeit-Vorschlag lauthals ab und aus Österreich verkündete die graue außenpolitische ÖVP-Eminenz, der Paket-Geheimunterhändler Dr. Ludwig Steiner, daß die österreichische Politik im Einvernehmen mit der SVP weiter ausschließlich auf den Paketabschluß ausgerichtet bleibe.
Damit war der Fall für die ÖVP-SVP-Politik erledigt.
Ein Jahr später war es aber gerade der abtretende SVP-Parteiobmann Dr. Riz, der am 21. November 1992 auf der Landesversammlung der SVP wieder auf dieses Thema zurückkam und Rom genau mit dem drohte, was er ein Jahr zuvor als unsinnig abgetan hatte.
Bezugnehmend auf eine Äußerung des italienischen Regionenministers Costa, wonach die Südtirolautonomie eine interne Angelegenheit Italiens sei, erklärte Riz, die Südtiroler würden sich zur Wehr setzen, wenn sich die italienische Regierung in ihrer Politik an die Meinung Costa’s halten sollte. „Dann verlangen wir unsere Unabhängigkeit und werden diese auch ausrufen.“ („DOLOMITEN“, 23.11.1992)
Am 20. Dezember 1992 erklärte der neue SVP-Obmann Dr. Siegfried Brugger in der „ORF-Pressestunde“, daß Österreich und Südtirol an dem Tag, an dem Italien Verhandlungsschritte zur Wiederangliederung Istriens setze, auch die Brennergrenze international wieder zur Diskussion stellen sollten.
Brugger weiter wörtlich: „Und eines ist klar, wenn sich die institutionelle Situation Italiens grundlegend ändert und der Staat zerfällt, dann ist tatsächlich der Augenblick da wo Südtirol sich Gedanken machen muß, wohin es sich in Zukunft bewegen will.“ („DOLOMITEN“, 21.12.1992)
Während die Koppelung der Südtirolfrage mit der Frage Istriens zwar sicher nicht der Weisheit letzter Schluss war, sagte aber Brugger immerhin, daß die Selbstbestimmungspolitik kein Hirngespinst, sondern eine realpolitische Option ist, vor allem für den Fall des Zerfalles des italienischen Staates. Dieser Fall kann aber – wie man heute sieht – durchaus eintreten.
Magnago hat auf der Landesversammlung 1983 nicht präzisiert, in welcher Form das Verlangen nach Selbstbestimmung erhoben werden könnte, Riz hat im November 1992 nicht gesagt, wer die Abhaltung einer Volksabstimmung in Südtirol ausrufen könnte. Gemeint kann nur die Südtiroler Volksvertretung, der Landtag in Bozen gewesen sein.
Mögliche Ziele
a) Wiedervereinigung mit Österreich.
Die Frage, ob der Zusammenschluss mit Nordtirol erfolgen, oder ob ein weiteres Bundesland geschaffen werden sollte, könnte in einem zweiten Schritt geklärt werden. Grundvoraussetzung wäre die Bereitschaft Österreichs, wieder mit Südtirol zusammenzugehen und eine entsprechende Verfassungsgesetzgebung vorzunehmen und den Artikel des österreichischen Staatsvertrages für obsolet zu erklären, der die Grenzen Österreichs mit den Grenzen des 1. Jänner 1938 festschreibt.
b) Selbständiger Staat Südtirol (Freistaat) – allenfalls „Liechtenstein-Lösung“.
Diese Lösung könnte auch als „Liechtenstein-Lösung“ angestrebt werden. Zumindest für eine Übergangszeit könnte Südtirol im italienischen Zoll- und Währungsverband verbleiben, sonst aber alle souveränen Rechte in Anspruch nehmen. Die Gefahr dieser Lösung bestünde darin, daß sie sich verewigen könnte. Insbesondere die politisch führenden Kräfte im Lande werden nicht gerne Regierungsgewalt, Macht und Einfluss aufgeben und sich womöglich noch finanziell einzuschränken.
Diese Variante ist trotzdem im Auge zu behalten. Übergangsweise wäre auch eine Art Konföderation zwischen einem selbständigen Staat Südtirol und der Republik Österreich denkbar.
Die Durchsetzbarkeit
Zur Frage der Durchsetzbarkeit des Selbstbestimmungsrechtes hat Univ. Prof. Dr. Ermacora einmal treffend gesagt:
„Recht auf Selbstbestimmung zu haben, ist ein Rechtsproblem, die internationale Anerkennung der Selbstbestimmung ist eine politische Frage, die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts aber eine Machtfrage.“ (Felix Ermacora: „Südtirol und das Vaterland Österreich“, Wien-München 1984, S. 356)
Die Selbstbestimmung Südtirols wird jedenfalls nicht einfach auf Einforderung hinauf gewährt werden. Sie muss politisch errungen werden.
Für Südtirol ist der Weg in eine selbstbestimmte Zukunft somit ein Weg der politischen Durchsetzung, der mancherlei Opfer, Mühen und Entbehrungen abverlangen wird. Die Freiheit wird nicht einfach geschenkt.
Die frühere SVP-Gruppierung „Neue Mitte“ (Willeit, Peterlini, Benedikter, Hosp, Pahl) hatte in einer Studie mit dem Titel „Südtirol 2000“ dazu erklärt:
„Der Weg der direkten Souveränitätserklärung ohne Rücksicht auf die ablehnende zentralstaatliche Haltung ist zu einer normalen Vorgangsweise geworden. Erst in deren Folge wird der Zentralstaat zu Verhandlungen über die tatsächliche Respektierung der Souveränität aufgefordert.“
Es geht also darum, den Zentralstaat vor vollendete Tatsachen zu stellen und dann den Mut und die Ausdauer zu haben, den folgenden Konflikt durchzustehen.
Es ist vollkommen klar, daß auch EU-Staaten sich bemühen werden, die Südtiroler zu entmutigen und Italien in dem Konflikt beizustehen.
Europa im Umbruch
Auf der anderen Seite ist Europa im Umbruch begriffen.
Es kann durchaus sein, dass die von den Staatsmännern der europäischen Nationalstaaten angepeilte Errichtung eines europäischen Zentralstaates mit diktatorischen Zügen an einem neuen Föderalismus scheitern wird. An einem Regionalismus, welcher durch die Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechtes unterhalb der Ebene der EU zur Bildung neuer politischer und verwaltungsmäßiger Einheiten führen wird.
Die Entwicklung in Italien könnte diesen Prozess rascher vorantreiben, wenn der zerfallende italienische Staat sich als kaum noch reformierbar und stabilisierbar erweisen sollte.
Anschluss an Österreich – Auch SVP war dafür
Pressemitteilung vom 06.05.2016 von Roland Lang,
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche für das Recht auf Selbstbestimmung eintritt.
Der Südtiroler Heimatbund hat mit großem Interesse die vom Schützenbund ans Tageslicht beförderten Akten im Zusammenhang mit der Bemühungen des Südtiroler Klerus um die Freiheit Südtirols und den Anschluss an Österreich verfolgt. In diesem Zusammenhang weist der SHB darauf hin, dass nicht nur die Kirche, sondern auch alle Ortsobmänner der SVP 1945 eine ähnliche Unterschriftenaktion gestartet haben.
SVP-Leute unterschrieben für Wiedervereinigung Tirols
Kurz nach Kriegsende mobilisierte nicht nur der gesamte Südtiroler Klerus seine Stimmen, um die Rückkehr zum Mutterland Österreich einzufordern, sondern auch die einzige damals genehmigte Partei der deutschen und ladinischen Minderheit, nämlich die Südtiroler Volkspartei.
Alle Ortsobmänner unterzeichneten die vom zuständigen SVP-Bezirk vorbereitete Petition im Namen aller Mitglieder. Dem SHB liegen Kopien der Originale aus dem August 1945 vor mit den Namen der Ortsobmänner und dem Text der je nach Bezirk im Grunde ähnlich lautenden Petition. So sprachen sich damals zum Beispiel die Ortsobmänner des Burggrafenamtes explizit dafür aus, dass das alte Herz- und Kernland Tirols, in dem seine Stammburg steht, Meran, Burggrafenamt und Passeier (…) an Österreich angeschlossen werden wolle (…).
Alle Bezirke waren dafür
Im Kontext brachten alle Bezirke die eindringliche Bitte der Südtiroler Bevölkerung der zuständigen Dörfer und Bezirke zum Ausdruck, dass das Unrecht von 1919, der Annexion durch Italien, wieder gutgemacht wird und Südtirol mit Nord- und Osttirol wieder vereint werde. Der Pustertaler Bezirk erwähnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die unnatürliche und wirtschaftshemmende Zerreißung des Pustertales durch die Unrechtgrenze. Eine interessante Parallele, wie sie auch heute bezüglich der Grenzzaunproblematik von Landespolitikern vorgebracht wird, so Roland Lang in einer Aussendung.
Man unterstrich auch die Möglichkeit, dass wenn von Seiten der Alliierten Zweifel an der Aufrichtigkeit der Petition und des Volkswillens bestünde, man dies durch eine freie Volksabstimmung überprüfen lassen könne. Der Bezirk Sterzing bekundet, dass man schon immer mit dem nördlichen Teil des Wipptals jenseits des Brenners zu einer Einheit verbunden gewesen sei und dass dies durch die obig erwähnten demokratischen Schritte wieder richtiggestellt werden soll.
Insgesamt unterschrieben 7 Bezirksobmänner und 136 Orstobmänner die Petitionen, die eindeutig den Willen des Südtiroler Volkes von politischer Seite bekunden sollten – für die Unrechtsbeseitigung und die Selbstbestimmung, so Lang abschließend.