„Partisanen-Mörder“ auf Südtirols Schüler losgelassen?

Ein Traditionsverband von „Partisanen“, der sich von Mördern nicht distanziere, werde auf Südtirols Schüler losgelassen. Diesen Umstand kritisiert der FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer.

LH Arno Kompatscher und seine SVP hätten laut Neubauer zuletzt in ihrer Anfragebeantwortung zu dem Zeitgeschichte-Unterricht durch einen ‘Partisanen’-Verband an Südtirols Schulen einen Offenbarungseid abgelegt.

logo-neuUnter diesem Titel veröffentlichte das Nachrichtenportal unsertirol24 einen Pressedienst des FPÖ-Nationalratsabgeordneten und Südtirol-Sprechers Werner Neubauer, den wir nachstehend zur Gänze wiedergeben:

FPÖ-Neubauer: Die Südtiroler Landesregierung opfert die Interessen des Landes und orientiert sich an Wünschen Roms

(30.08.2016, 11:08 | OTS0057 | Freiheitlicher Parlamentsklub)

„Ein Traditionsverband von „Partisanen“, der sich von Mördern nicht distanziert, wird auf Südtirols Schüler losgelassen“

Werner Neubauer
Werner Neubauer

Wien (OTS) – „LH Arno Kompatscher und seine SVP haben zuletzt in ihrer Anfragebeantwortung zu dem Zeitgeschichte-Unterricht durch einen ‚Partisanen‘-Verband an Südtirols Schulen einen Offenbarungseid abgelegt“, sagte heute FPÖ-Südtirol-Sprecher NAbg. Werner Neubauer. „Am 28. April 2016 hatte der Südtiroler Landeshauptmannstellvertreter Christian Tommasini mit Zustimmung des Landeshauptmannes Arno Kompatscher und der SVP-Fraktion in der Landesregierung eine Vereinbarung mit der Nationalen Italienischen Partisanenvereinigung ANPI unterzeichnet. Damit war diesem ‚Partisanen‘-Traditionsverband ein weitgehendes Mitgestaltungsrecht beim Zeitgeschichte-Unterricht an Südtirols Schulen eingeräumt worden“, erklärte Neubauer die Vorgeschichte.

In einer Anfrage vom 18. Mai 2016 wollte, so Neubauer, die Freiheitliche Partei Südtirols von der Landesregierung wissen, ob dieser bekannt sei, „dass es sich bei der ANPI um eine Organisation handelt, welche sich als Traditionsverband auch sogenannter Nachkriegs-‚Partisanen‘ sieht, die 1945 kommunistisch inspirierte Massenverbrechen an der Zivilbevölkerung – auch in Südtirol – begangen haben?“ Die Freiheitlichen wollten dann weiters wissen, ob man einen Verband damit beauftragen solle, „das Geschichtsbild der Südtiroler Jugend zu formen“, wenn derselbe sich von diesen Massenmorden an Zivilisten bis heute nicht distanziert habe.

„Für die Beantwortung dieser Fragen benötigte die Landesregierung entgegen den Rechtsbestimmungen ganze drei Monate, um dann festzustellen, dass es sich bei der ANPI um eine Vereinigung handle, ‚die auf staatlicher Ebene als anerkannte Körperschaft eingetragen ist.‘ Weiters heißt es in der Antwort: ‚in der öffentlichen Wahrnehmung gilt sie als ethische Instanz'“, so Neubauer.

„Damit akzeptiert die aus Vertretern von SVP und PD zusammengesetzte Landesregierung in Südtirol unkritisch die Sichtweisen der Organisation. Sie fordert nicht einmal deren öffentliche Distanzierung von den bereits nach Kriegsende begangenen ‚Partisanen‘-Morden an Zivilisten, unter denen sich zahlreiche katholische Geistliche befanden. Wie man diese Vorgehensweise in den Südtiroler Schulen den Schülern erklären will, scheint unklar. Mit dieser merkwürdigen Argumentation liefert sich die Regierung Kompatscher Rom zur Gänze aus. Sie verzichtet nämlich auf eine eigene Beurteilung solcher Anliegen in politischer und moralischer Form und akzeptiert gleichermaßen als Richtlinie ihres Handelns das, was in der ‚öffentlichen Wahrnehmung‘ in Italien – und nicht in Südtirol – für richtig befunden wird. Damit gibt man eigene Positionen auf, die man aber gerade jetzt bei den Verhandlungen zum Autonomiepaket dringend brauchen wird“, warnte Neubauer.

„Angesichts der Haltung der Südtiroler Landesregierung in dieser eigentlich einfach handzuhabenden Frage ist zu befürchten, dass die Südtiroler Landesregierung auch hinsichtlich der Autonomie-Beschneidungen durch die zentralistische Verfassungsreform Italiens grundsätzlich das Ergebnis der Italien-weiten Volksabstimmung und die offiziellen Regierungsstandpunkte zum Maßstab ihres Handelns machen wird. Die Interessen Südtirols und deren Menschen gelten einer solchen Politik in diesen Tagen offenbar nichts mehr, sie haben den machtpolitischen Interessen der Südtiroler Volkspartei zu weichen“, kritisierte Neubauer.

 

Hier eine SID-Dokumentation über die Geplante Ausschreitungen kommunistischer „Partisanen der letzten Stunde“

Einige Bilder sogenannter „Nachkriegspartisanen“ in Italien und ihrer Opfer:

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Partisanen Mörder

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Nachstehend die Anfrage der Südtiroler Freiheitlichen und die kritikwürdige Antwort der Südtiroler Landesregierung.

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Vor 70 Jahren: Italienischer Terror in Südtirol – Verbot „separatistischer Kundgebungen“

Der überparteiliche „Südtiroler Schützenbund“, welcher rund 5.100 Mitglieder in 140 Schützenkompanien und 3 Schützenkapellen zählt und laut eigener Aussage „einem klaren volkstumspolitischen Auftrag“ und der „Liebe zur Heimat“ folgend tätig ist, hat einen ebenso interessanten wie erschütternden Beitrag zur jüngeren Südtiroler Landesgeschichte auf seiner Internetseite veröffentlicht, den wir nachstehend wiedergeben.

Vor 70 Jahren: Italienischer Terror in Südtirol – Verbot „separatistischer Kundgebungen“

Von: SSB – Online Team, Dienstag, 26. Juli 2016

BOZEN – Am 1. Januar 1946 hatten die alliierten Besatzungsmächte die Verwaltung in Südtirol vorläufig dem italienischen Staat übergeben, über die künftige staatliche Zugehörigkeit war noch keine Entscheidung gefallen. Doch bereits der erste Tag der italienischen Verwaltung brachte die erste Drohung gegen die Südtiroler, als der italienische Präfekt Bruno De Angelis, ein 1945 zum „antifaschistischen Widerstandskämpfer“ mutierter ehemaliger Faschist, eine in den Zeitungen wiedergegebene Botschaft an die Bevölkerung richtete: „Indem die Regierung die Beobachtung der Gesetze verlangt, kann sie auch keine separatistischen Kundgebungen zulassen.“

 Kundgebung unter faschistischem Terror

 Dr. Otto von Guggenberg sprach in Bruneck zu den Versammelten, die sich mit Transparenten am Graben eingefunden hatten. Bald sollten faschistische Gewalttäter die Träger der Transparente angreifen. (Foto aus dem Archiv des Karl von Vogelsang Instituts in Wien)
Dr. Otto von Guggenberg sprach in Bruneck zu den Versammelten, die sich mit Transparenten am Graben eingefunden hatten. Bald sollten faschistische Gewalttäter die Träger der Transparente angreifen. (Foto aus dem Archiv des Karl von Vogelsang Instituts in Wien)

Als Ende März 1946 bekannt wurde, dass der Erzfaschist Ettore Tolomei wieder nach Südtirol zurückkehren und die Leitung des „Istituto di Studi per l’Alto Adige“ übernehmen wollte, protestierten am Graben in Bruneck am 5. April 1946 rund 3.000 Südtiroler dagegen und forderten gleichzeitig das Selbstbestimmungsrecht. Wie die Tageszeitung „Dolomiten“ am 6. April 1946 berichtete, störten randalierende Faschisten die Versammlung mit Pfeifen und Schmährufen und schlugen mit Knüppeln und Stühlen auf die Pustertaler ein. Blutige Verletzungen waren die Folge.

Der Tod des Hölzlerbauern – von einem Carabiniere erschlagen

Sterbebild von Johann Mairhofer
Sterbebild von Johann Mairhofer

Es gab auch einen Toten: Den Bauern Johann Maierhofer, vulgo „Hölzler“ aus Reischach. Nachdem die italienischen Behörden wenig taten, um seinen gewaltsam verursachten Tod aufzuklären und zu ahnden, sammelte die „Südtiroler Volkspartei Pustertal“ Berichte von Augenzeugen. Diese befinden sich heute im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck und liegen dem Südtiroler Schützenbund vor.

Hans Duregger aus Gais gab am 6. April 1946 in der SVP-Geschäftsstelle Bruneck eine eidesstattliche Erklärung ab, die später auf heimlichem Weg in die „Landesstelle für Südtirol“ bei der Tiroler Landesregierung gebracht wurde. In dieser schilderte er, wie sich die Faschisten auf die Träger der Spruchbänder stürzten und wie die Volksmenge dieselben verteidigte. „Darunter war auch der sogenannte ‚Hölzlerbauer‘ von Reischach. Dann folgte dem ‚Hölzlerbauern‘ ein Carabinieri mit dem Gewehr nach und versetzte ihm mit dem Gewehrkolben einen Schlag auf die Schläfe. Er wurde darauf, ohne dass noch ein Lebenszeichen an ihm bemerkbar war, in das Gasthaus ‚Goldener Stern‘ gebracht, Herr Dr. Alfons Brugger (Anmerkung: Arzt in Bruneck) geholt, welcher ihm sofort eine Einspritzung gab, zugleich aber den Ausspruch tat, es sei kein Leben mehr vorhanden.“ Die Tat wurde nie gesühnt.

Berichtsprotokolle der SVP Pustertal. (Tiroler Landesarchiv Innsbruck)
Berichtsprotokolle der SVP Pustertal. (Tiroler Landesarchiv Innsbruck)

Weitere Gewalttaten

Es gab noch weitere schwere Gewalttaten. Maria Auer aus Ahornach bezeugte am 6. April 1946 in einem schriftlichen Bericht an die SVP Pustertal, dass „Siegfried Mutschlechner, ein guter Freund des Johann Auer, Sohn der Obgenannten, von einem Carabinieri einen Schlag durch einen Gewehrkolben ins Gesicht erhielt.“

Hermann Mayr und Richard Leitner aus Bruneck erklärten am 6. April 1946 gegenüber der SVP Pustertal schriftlich, dass drei italienische Zivilisten sie mit Handgranaten bedroht und versucht hätten, Leitner die Brieftasche zu rauben. Mayr konnte fliehen. Dann lief auch Leitner davon. Er schilderte nun in seinem Bericht, was weiter geschah: „Ich war erst zirka 10 Schritte von den Angreifern entfernt, als knapp hinter mir eine Handgranate explodierte. Verwundungen wurden mir keine zugefügt, jedoch hatte die Hose durch Sprengstücke mehrere Löcher.“

Hermann Mayr begegnete etwas später den italienischen Tätern wieder und er wandte sich an zufällig anwesende Carabinieri. „Die Carabinieri griffen nicht sofort ein, sondern erklärten: Faremo domani i conti.“ (Übersetzung: Wir werden die Dinge morgen regeln.)

Hermann Harpf aus Bruneck gab am 6. April 1946 gegenüber der SVP zu Protokoll, dass ein Alpini-Soldat seinem Bekannten Josef Pezzei vier Zähne eingeschlagen und ihm eine Schnittwunde an der Lippe zugefügt habe, weil dieser angeblich gelacht habe, als mehrere Alpini-Soldaten vorbeigingen. Dann sei der Alpini-Soldat mit einem Messer auf Hermann Harpf losgegangen, welcher nun in das Haus seiner Firma flüchtete, wobei ihm „ein ganzer Rudel Alpini nachgelaufen kam.“ Harpf verbarg sich im Haus. Auf der vergeblichen Suche nach ihm wurden „die Kästen der Angestellten erbrochen […] und ihnen dabei Pistolen vorgehalten wurden.“

Ein SVP-Obmann wird angeschossen

 Auf dem Heimweg von der Brunecker Kundgebung kam es zu weiteren Gewalttaten. Am 6. April 1946 berichtete der Ortsausschuss Innichen der SVP an die Bezirksleitung Pustertal, dass der Bezirksobmann-Stellvertreter Franz Strobl, vulgo „Trojer“, mit einem Oberschenkeldurchschuss und zwei Beckenschüssen in das Spital in Innichen eingeliefert worden sei.

In dem Bericht heißt es: „Auf der Straße in Welsberg […] hätten Soldaten oder Carabinieri junge Burschen misshandelt, er wäre auf einen Carabinieri gestürzt, der die Maschinenpistole (Gewehr) in Anschlag brachte, wollte ein Unglück verhindern, riss den Lauf hoch […] daraufhin erhielt er die Schüsse von einem zweiten Carabinieri.“

Dieser Bericht wurde durch mehrere Zeugen schriftlich bestätigt. Eduard Toldt aus Welsberg berichtete, dass Strobl zu Fall gekommen sei und auf dem Boden gelegen habe. „Da näherte sich ihm […] der hiesige Brigadier und schoss dem Strobl stehend, ohne irgendwie behindert oder angegriffen worden zu sein, von hinten drei Schüsse gegen ihn ab.“

Weitere Zeugen bestätigten dies und ergänzten auch, dass Finanzieri und Carabinieri in Welsberg auf heimkehrende Kundgebungsteilnehmer „mit Kolbenhieben“ eingedroschen hätten.

Alle diese Taten wurden nie gesühnt.




Die römische Wölfin kann ihre Jungen nicht mehr säugen!

Hinweisschild am Brenner

Italien steht am finanziellen Abgrund – und was macht die Politik in Südtirol?

von Georg Dattenböck

„Römische Politik, gedenk ich deiner, liegt’s wie Alpdruck auf dem Herzen, liegt’s wie Mühlstein mir im Magen…“ (Frei nach Viktor v. Scheffel…)

Die kapitolinische Wölfin säugt Romulus und Remus, die Kinder des Kriegsgottes Mars und die sagenhaften Gründer Roms im Jahre 753 v. Chr. (Faschistische Bauplastik in Rom aus dem Jahre 1943)
Die kapitolinische Wölfin säugt Romulus und Remus, die Kinder des Kriegsgottes Mars und die sagenhaften Gründer Roms im Jahre 753 v. Chr. (Faschistische Bauplastik in Rom aus dem Jahre 1943)

In Italien wanken die Banken. Eine Institution wankt nicht: die Mafia, Italiens stärkste Firma. Sie ist die „größte Wirtschaftskraft des Landes“ (NTV, 11.12.2012) und  „erwirtschaftet“ jährlich sieben Prozent oder etwa 90 Milliarden € des gesamten italienischen Bruttoinlandsprodukts (Kronen-Zeitung, Wien).

Bereits im Oktober 2014 wurde unter europäischer Bankenaufsicht ein „Stresstest“ an Italiens Banken mit verheerendem Ergebnis durchgeführt: Neun von 15 getesteten italienischen Großbanken waren den „simulierten Schocks nicht gewachsen und fielen in der Prüfung durch“(Hanno Mußler, FAZ, 11.7.2016).

Seit vielen Jahrzehnten: Schlafen, Nichtstun und Durchtauchen als Programm

 Nicht erst seit 2008 steht das italienische Bankensystem, weit gefährlicher für die EU als Griechenland, auf zittrigsten Beinen und wurde immer wieder mit miesen Tricks, zu Lasten der Steuerzahler, am Dahinsiechen erhalten.

Als der amerikanische Finanz-Hurrikan Europas Küsten mit brachialer Gewalt 2008 erreichte, beruhigte der damalige Papst Benedikt XVI. in seinem Palast in Castelgandolfo die Italiener mit der Aussage, daß „es sich hier nur um zeitliche Güter handle, einzig Gott sei ewig. Dieses Bekenntnis zum gelassenen Bankrott klingt zwar merkwürdig, wenn es von einer reichen Institution wir der katholischen Kirche kommt, die um jeden Cent Steuernachlass feilscht wie ein Hedge-Fonds-Manager.“(FAZ, 29.10.2008).

 

Mario Draghi. Bild: wikimedia.org, By World Economic Forum (Flickr: Special Address: Mario Draghi) (CC BY-SA 2.0)
Mario Draghi. Bild: wikimedia.org, By World Economic Forum (Flickr: Special Address: Mario Draghi) (CC BY-SA 2.0)

Eine zentrale, verantwortliche  Schlüsselperson für das italienische Desaster ist der Italiener Mario Draghi: Von 1984 bis 1990 war er Exekutivdirektor der Weltbank, von 1991 bis 2001 Generaldirektor des italienischen Finanzministeriums, von 2002 bis 2005 Vice Chairman und Managing Director bei Goldman Sachs International in London, von 2006 bis 2011 amtierte er als Gouverneur der Banca d’Italia. Als deren Chef war er auch Mitglied des Rates der Europäischen Zentralbank.

Draghi leitete zudem das Forum für Finanzstabilität (ab 2009 Financial Stability Board – FSB) am Sitz der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.

Draghi war zudem Mitglied des Aufsichtsrates von Eni, IRI und der Banca Nazionale del Lavoro. Seit 2011 ist Draghi Chef der Europäischen Zentralbank.

Auch Draghi konnte die dramatische finanzielle Lage Italiens als Hauptbeteiligter nur vorübergehend mühsam kaschieren. Um Italiens und Spaniens Zinskosten für Anleihen kurzfristig zu reduzieren, steckte er  mehr als 1 Billion € in ein zum Sterben verurteiltes System.

„Wikipedia“ berichtet über Draghis Machenschaften:

„Bereits während seiner Kandidatur zur EZB-Präsidentschaft im Jahr 2011 kamen kritische Stimmen auf, die Draghis Rolle bei der Verschleierung des wahren Zustandes der griechischen Finanzen durch die griechische Regierung und Goldman Sachs mit Hilfe von off-market swaps hinterfragten.

Draghi, der von 2002 bis 2005 für Goldman Sachs in London arbeitete, stritt im Juni 2011 jegliche Beteiligung mit dem Hinweis ab, dass diese Dinge vor seiner Zeit geschehen seien. 2012 kamen erneut Stimmen auf, die insbesondere Draghis vormalige Tätigkeit bei Goldman Sachs als Interessenkonflikt werteten. Die EZB verweigerte die Veröffentlichung von Dokumenten, die Einzelheiten zu den Credit Swaps enthielten.

Anfang 2013 geriet Draghi im Zuge der Skandale um die Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS)  in die Kritik:

Es wurde bekannt, dass noch unter der Führung Draghis als Gouverneur der italienischen Zentralbank die MPS äußerst riskante Geschäfte tätigte und die italienische Zentralbank noch im Oktober 2011 der damals strauchelnden MPS einen wertpapierbesicherten Kredit in Höhe von 2 Milliarden Euro gab, aber weder Öffentlichkeit noch das italienische Parlament darüber informierte.

Durch diese geheime Rettung der MPS landete zweifelhafter Wertpapierschrott bei der nationalen Notenbank und die MPS erhielt dafür im Gegenzug Staatsanleihen, deren Zins- und Schuldendienst vom Steuerzahler getragen wird.

Draghi legte damit den Grundstein für ein europäisches Schattenbankensystem unter Führung der nationalen Notenbanken – ein System, das hauptsächlich dafür geschaffen wurde, Geschäftsbanken und ihre Eigentümer auf Kosten der Steuerzahler vor Insolvenz bzw. Verstaatlichung zu schützen.“

Italien ist am Ende und zieht Europa mit

Am 4. Juli 2016 meldeten die „Deutschen Wirtschafts-Nachrichten“: „Banken-Krach in Italien: Kurs von Monte dei Paschi bricht ein. Die Krise der italienischen Banken zieht immer weitere Kreise: Die EZB (Herr Mario Draghi) verlangte Insidern zufolge vom traditionsreichen Institut Monte dei Paschi di Siena, die faulen Kredite schneller abzubauen. (…)

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 Monte dei Paschi ist mit ihren rund 32.800 Mitarbeitern in ganz Italien und weltweit aktiv. Die Bank ist u. a. auch an der Banca Toscana, an der Banca Agricola Montovana, an der Banca Popolare di Spoleto und an der Banca Monte Parma beteiligt.

Die „Deutschen Wirtschafts-Nachrichten“ dazu weiter:MPS-Aktionäre reagierten ‚entsetzt‘. Wie Reuters das in ungewohnt drastischen Worten nennt: Die Titel brachen an der Mailänder Börse um acht Prozent auf ein Rekordtief von 0,35 € ein. Sämtliche großen Finanzwerte in Italien verloren deutlich an Wert. (…)

It Euro 1Die Situation in Italien zog Banken-Aktien in ganz Europa in die Tiefe. Die italienischen Banken ächzen unter einem Berg an faulen Krediten von rund 360 Milliarden Euro. Mitte April wurde der Rettungsfonds ‚Altante‘ ins Leben gerufen, um den Häusern unter die Arme zu greifen.

It Euro 2Ein Sprecher von Ministerpräsident Matteo Renzi widersprach am Montag Medienberichten, wonach Italien Milliarden an Staatsgeldern in sein Bankensystem pumpen und damit die Regeln der EU verletzen wolle. Tatsächlich hat die EU bereits Liquiditätshilfen genehmigt. Die EZB bereitet flankierende Maßnahmen vor. Die europäischen Bank-Aktien sind im Gefolge der neuerlichen Schieflage der MPS auf breiter Front eingebrochen“.

 

Der Staat Italien ist nicht mehr in der Lage, seine eigenen Banken zu retten.

 Der Staat Italien kann den italienischen Banken nicht mehr helfen: mit 132 Prozent Schuldenquote des BIP liegt Italien nach Griechenland (175 Prozent) an zweiter Stelle in Europa. („Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“, 11.7.2016).

Zu diesem Desaster kommt noch die Korruption und Bestechlichkeit als „italienische Erbkrankheit“ dazu: von hohen Politikern bis zu hohen Beamten, von Top-Managern bis zu vielen Firmen und Privatpersonen besteht in Italien die Mentalität, sich ohne jede Rücksichtnahmen auf die Gemeinschaft durch die Mithilfe von Freunden, Beamten und der eigenen Familie gnadenlos zu bereichern.

Täglich liest man in den italienischen Medien entsprechende Fälle. Zudem verfolgt und bestraft die monströse Staats-Bürokratie die noch Werte schaffenden Betriebe und schwer arbeitende Staatsbürger mit einer Steuerlast, die eine der höchsten in Europa ist.

11,5 Prozent Arbeitslose im 3. Quartal 2016 belasten die Finanzen über alle Maßen, nur 15 Prozent der unter 24jährigen haben noch eine Arbeit, oftmals jedoch nur kurzfristig.

Dazu kommt die ungeheure finanzielle Belastung durch die immer mehr anschwellende Flut der anlandenden Wirtschafts-Asylanten aus ganz Afrika, die zusätzlich dem Staat schwerste Sicherheitsprobleme bereiten. Die Kriminalität explodiert.

Dolce Vita auf Pump

Unter dem Titel „La dolce vita auf Pump“ untersuchte Jannis Brühl in der „Süddeutschen Zeitung“(11.7.2016) die Ursachen für das Desaster:

Schon lange kämpft Bella Italia mit Problemen in der Wirtschaft, aber dem Land wurde stets viel verziehen. Zuletzt jedoch haben Spekulanten das Land aufs Korn genommen. Was passiert jetzt?  (…)

In absoluten Zahlen hat Italien mit 1,8 Billionen Euro kaum weniger Schulden als Deutschland mit rund zwei Billionen Euro. Wenn aber die Summe ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gesetzt wird, befindet sich das Land in einer Liga mit Griechenland:

Die Schulden machen rund 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus – weltweit haben nur die notorischen Schuldner aus Athen sowie Japan eine höhere Quote.

Die Ursachen des Schuldenberges gehen weit in die Vor-Berlusconi-Ära zurück. Regiert von einer korrupten politischen Klasse lebte das Land vor allem seit den achtziger Jahren deutlich über seine Verhältnisse.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Rentensystem: Lange gingen viele Menschen ungewöhnlich früh in Rente: In den Achtzigern machten das viele Italiener schon vor dem 50. Lebensjahr, noch 2007 konnten sich viele mit 57 zur Ruhe setzen – in der im Schnitt ältesten Gesellschaft Europas kostet das den Staat Jahr für Jahr Milliarden…“

Falsche Jubelrufe

Der Jubelruf des Premierministers Matteo Renzi in der Silvesternacht erscheint im Rückblick als lächerlich: „Wir haben uns aus dem Morast erhoben“ und „2016 werde noch besser, die Zeiten der Tristesse seien vorbei“(Spiegelonline) Dieses Verhalten entpuppte sich angesichts der realen Lage in den folgenden Wochen und Monaten dieses Jahres nur mehr als eine miese Schmierenkomödie.

Matteo Renzi. wikimedia.org, PSD Romania (Flickr) (CC BY 2.0)
Matteo Renzi. wikimedia.org, PSD Romania (Flickr) (CC BY 2.0)

Allein in sechs Handelstagen der ersten Julihälfte 2016 verloren Italiens börsennotierte Banken 25 bis 35 Prozent an Börsenwerten. 400 Milliarden € halten italienische Banken an Staatsanleihen, das sind 21,6 Prozent der riskanten Staatsschulden. 360 Milliarden ausfallgefährdeter Kredite weisen die Bankbilanzen auf.

 

Die EZB(Herr Draghi) und die EU bereiten nun auf Kosten der europäischen Steuerzahler eine „Banken-Rettung“ vor. „Nun erlaubt die EU Italien Staatshilfen im Umfang von 150 Milliarden € für heimische Banken. Begründet wird diese Freigabe als ‚Vorsichtmaßnahme‘. Parallel dazu verdichten sich Hinweise, die EZB könne in Betracht ziehen, asymmetrisch mehr italienische Staatsanleihen zu kaufen“(„Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“, 4.7.2016).

 

Die Folge dieser selbstmörderischen Finanzpolitik für Europa ist, daß deutsche Banken immer nervöser werden. Französische Banken stehen an erster Stelle mit ihren Forderungen an italienische Banken. Bereits auf Platz zwei folgen deutsche Banken mit Forderungen von 90 Milliarden €.

Der Chefökonom der „Deutschen Bank“, Folkerts-Landau forderte bereits, daß notfalls für die Rettung „sogar ein Bruch der Regeln der neuen EU-Bankenrichtlinie akzeptiert werden müsse.“(„Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“, 10.7.2016).

Die Bankenkrise in Italien wird deshalb zur Gefahr für das gesamte Finanz-System Europas und darüber hinaus zur politischen Überlebensfrage der EU.

Griechenland ist pleite, trotz vieler „Rettungspakete“ (für die Banken) und der Staat Portugal taumelt ungebremst in eine absehbare Katastrophe.

Ein guter Grund für den britischen Brexit

Wohl aus gutem Grund zogen sich deshalb die weitsichtigen Briten rechtzeitig mittels Brexit aus der EU zurück, sie bringen ihr Geld ins Trockene.

Trotz der Bitten von Frau Merkel will Matteo Renzi die italienischen Banken mit Steuergeldern retten, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte dieses Vorhaben für inakzeptabel.

Anfang Juli 2016 berieten die europäischen Finanzminister über die gefährliche Lage. Die „Salzburger Nachrichten“ berichteten: „Die schwierige Lage vieler italienischer Banken stand bei dem Ministertreffen zwar nicht offiziell auf der Agenda, sorgte aber dennoch für Unruhe. Dijsselbloem (Anm.: Niederländischer Finanzminister) lehnte ein neues milliardenschweres Rettungsprogramm aus Steuergeldern ab. ‚Die Probleme müssen in den Banken geregelt werden‘, sagte er. Die Einfachheit, mit der einige Banker mehr öffentliche Gelder forderten, um ihre Probleme zu lösen, sei problematisch. ‚Das muss ein Ende haben‘“ („Salzburger Nachrichten“, 12.7.2016)

Und die „Deutschen Wirtschafts-Nachrichten“ ergänzten: „Bis Oktober werden die Banken ohne massive Hilfen nicht durchhalten. (…) Es ist daher denkbar, daß sich in Italien das nächste Euro-Drama abspielen könnte“ („Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“, 5.7.22016).

Ohne Rom in die Zukunft“

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Selbst wenn Italien den Schlern mit Gold überziehen wollte, könnten wir dem Ziel der Landeseinheit nicht entsagen!” Dieser programmatische Satz des gebürtigen Welsch-Tirolers Dr. Eduard Reut-Nicolussi (22.6.1888 in Trient, † 18.7.1958), des Kaiserjäger-Offiziers und mutigen Streiters gegen den Faschismus, ist das Bekenntnis aller Patrioten, ganz gleich, welcher weltanschaulich Gesinnung sie immer an51gehören mögen.

Die große Mehrheit der Südtiroler hatte seit der Annexion am 10. Oktober 1920 durch Italien kein Vertrauen in diesen Staat. Weder in das faschistische Modell und auch nicht in das sogenannte „demokratische Italien“, das von 1945 bis zum heutigen Tag häufig genug die Menschenrechte der Südtiroler gröblich verletzt hat.

Seit 97 Jahren wird hier in der Mitte Europas das Selbstbestimmungsrecht mit den Füßen getreten. Europa hat dazu auch in jenen Jahren geschwiegen, als der Versuch des schleichenden Ethnozids mittels gesteuerter Zuwanderung von Süditalienern zu gelingen gedroht hatte.

In den 1950er Jahren pumpte Rom Süditaliener in das Land, um Südtirol endgültig italienisch zu machen.
In den 1950er Jahren pumpte Rom Süditaliener in das Land, um Südtirol endgültig italienisch zu machen.

Dass es bis heute nicht gelungen ist, europaweit zu vermitteln, dass die Zukunft Südtirols nicht in der Ankettung an Italien liegen kann, das ist auch zu einem erheblichen Teil von der Politik der Südtiroler Volkspartei (SVP) verschuldet.

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Sämtliche Südtiroler Landeshauptleute wurden seit 1945 von der früheren Sammelpartei SVP gestellt. Sie betrieben zwar keine Politik des „Los von Rom“, jedoch entsagten sie dem grundlegenden Menschenrecht der Freiheit und Selbstbestimmung nicht. Diese Karte wurde zumindest vorsichtshalber im Talon belassen und konnte als Druckmittel benützt werden.

Beschluss

Landeshauptmann Dr. Silvius Magnago als Redner 1957 auf der großen Volksversammlung auf Sigmundskron. Das Volk verlangte „Volksabstimmung für Südtirol“. Magnago benutzte die Volksstimmung als Druckmittel, um unter dem Titel „Los von Trient“ zumindest eine erweiterte Landesautonomie von Rom einzufordern.
Landeshauptmann Dr. Silvius Magnago als Redner 1957 auf der großen Volksversammlung auf Sigmundskron. Das Volk verlangte „Volksabstimmung für Südtirol“. Magnago benutzte die Volksstimmung als Druckmittel, um unter dem Titel „Los von Trient“ zumindest eine erweiterte Landesautonomie von Rom einzufordern.

Seit Arno Kompatscher jedoch am 9.1.2014 das Amt des Landeshauptmanns von Luis Durnwalder übernahm, ist in grundsätzlichen Fragen ein merklicher Richtungswechsel zu „pro Italien“ feststellbar. Von 2005 bis 2013 stand Kompatscher seiner Heimatgemeinde Völs am Schlern als Bürgermeister vor und er war von 2011 bis 2013 Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes und des Rates der Gemeinden. In seiner Regierung übernahm Kompatscher  die Ressorts Wirtschaft, Finanzen, Innovation und Außenbeziehungen. Zur Halbzeit der Legislaturperiode übernahm er 2016 turnusgemäß von seinem Trentiner Amtskollegen Ugo Rossi zusätzlich die Präsidentschaft der Region Trentino-Südtirol.

Warum sind Arno Kompatscher und seine Mannschaft aber so italophil? Man darf das Menschliche und Allzumenschliche bei der Beurteilung nicht außer Acht lassen:

Mit seinem Jahres-Bruttogehalt von 230.580 Euro gehört der siebenfache Vater Arno Kompatscher zu den Best-Verdienern unter den Regierungschefs der ganzen Welt.

Er steht in der Weltrangliste nach Lee Hsien Loong (Singapur), nach Barack Obama (368.222 Euro), nach dem österr. Bundespräsidenten (325.500 Euro) und nach dem kanadischen Premier Stephen Harper (239.345 Euro) an fünfter Stelle.

Angela Merkel muss mit einem Jahres-Bruttogehalt von 215.778 Euro noch zu Arno Kompatscher aufblicken. Und auch der französische Präsident Francois Hollande (178.864 Euro) verdient weniger als Kompatscher.

Noch krasser ist der Vergleich zwischen dem LH und Matteo Renzi: Der italienische Premier verdient mit 114.701 Euro brutto im Jahr genau halb so viel wie der Südtiroler Landeshauptmann .(Quelle: „Neue Südtiroler Tageszeitung“).

Die SVP leidet unter Vertrauensverlust

Die SVP verliert derzeit immer mehr an Vertrauen im Volk! Als Beispiel dafür sei an die vernichtende Niederlage bei der Abstimmung im Juni 2016 über einen weiteren Ausbau des  Flughafens Bozen auf Kosten der Steuerzahlererinnert.

70,6 Prozent der Südtiroler Bevölkerung sprachen sich am 12. Juni 2016 bei einer Volksabstimmung gegen einen Vorschlag ihrer Regierung aus, weitere Unsummen in das Finanzgrab des Bozner Flughafens zu schütten.  Das war eine bittere Niederlage für Landeshauptmann Arno Kompatscher.

Was macht die Opposition?

48Den Schlüssel für die Mobilisierung der Wähler hätten die drei Südtiroler Oppositionsparteien in der Hand. Hier fehlen jedoch gemeinsame Vorgangsweise in entscheidenden Grundsatzfragen, von einer gemeinsamen Arbeitsplattform ganz zu schweigen.

Man hat den Eindruck, dass Fragen wie die Wahrung des eigenen Mandatsstandes im Landtag und lokale Nebensächlichkeiten im Vordergrund stehen. Es ist noch keine gemeinsame Plattform für ein „Los von Rom“ erkennbar.

Aber was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden!

43„Nicht jeder Abschied fällt schwer!“

Heißluftballon 2Auf überparteilicher Ebene motiviert der „Südtiroler Schützenbund“ viele Menschen dazu, alternativ in die Zukunft zu denken.

„Nicht jeder Abschied fällt schwer – Ohne Rom in die Zukunft!“Dieser Aufruf des Schützenbundes anlässlich der großen Freiheitskundgebung zu Pfingsten in Bruneck gewinnt angesichts der dramatischen Finanzsituation und der sich abzeichnenden gewaltigen politischen Krise Italiens mit der möglichen Staats-Pleite an Aktualität.

Das geplante „Verfassungsreferendum“ im Oktober könnte der Anfang vom Ende der mühsam in Jahrzehnten erkämpften kleinen autonomen Freiheiten sein.

Bruneckbruneck_u-tag-737x470Südtirol steht möglicherweise bald vor einem Scheideweg.

Los von Rom oberhalb Brixen




Ignorierte nationale Minderheiten – Krux der EU

Zwischen Hebriden und Stiefelabsatz machen sich nach dem Brexit-Referendum weitere Fliehkräfte bemerkbar

 Von dem österreichisch-deutschen Publizisten Reynke de Vos

Seit sich Engländer und Waliser wider Schotten und Nordiren mehrheitlich für die Verabschiedung des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) entschieden, sind quer über den Kontinent Gründe und Folgen geradezu auf inflationäre Weise erörtert worden. Auffällig ist, dass dabei ein unterschätztes Thema gänzlich außer Acht geriet, nämlich Lage, Dasein und Bedürfnisse einer Gruppe von Minderheiten. Dies korreliert mit dem Stellenwert, den diese in EUropa einnehmen.

Es ist eine Krux, dass sich die EU nie auf eine eigentlich wünschenswerte, weil notwendige Minderheiten-Politik eingelassen hat.  Ich meine damit nicht „neue“, sondern „alte“ Minderheiten, nationale Minoritäten (in – aufgrund vielerlei historischer Gründe – fremdnationaler Umgebung). Es gibt deren viele, auch in EU-Europa, und einige, deren stete „Erfolglosigkeit“ im Ringen um mehr Autonomie/Selbstverwaltung Sprengstoff birgt.

Warum hat die EU keine substantiellen Volksgruppen-Schutzmaßnahmen ergriffen? Warum haben ihre Gremien und Institutionen stets auf den – vergleichsweise machtarmen – Europarat verwiesen, bei dem die nationalen Minderheiten angeblich gut aufgehoben sind?

Als der „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) im Jahr 2013 unter der Teilnahme zahlreicher Vertreter europäischer Volksgruppen ein großes Freiheitsfest in Meran gestaltete, wiesen die Basken auf ihrem Informationsstand mit einer Volksgruppenkarte auf die vielfachen Identitäten Europas hin.
Als der „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) im Jahr 2013 unter der Teilnahme zahlreicher Vertreter europäischer Volksgruppen ein großes Freiheitsfest in Meran gestaltete, wiesen die Basken auf ihrem Informationsstand mit einer Volksgruppenkarte auf die vielfachen Identitäten Europas hin.

Zentralstaaten als Verweigerer

Weil jene traditionell zentralistisch aufgebauten und organisierten Nationalstaaten – Frankreich, Italien, Spanien, Rumänien, um nur die ärgsten Bremser zu nennen – deren Begehr prinzipiell ablehnend gegenüberstehen. Hinsichtlich Rumänien ist beispielsweise darauf zu verweisen, dass das Verlangen der ungefähr 1,4 Millionen ethnischen Ungarn – und insbesondere der ca. 700.000 Szekler – nach Autonomie von der gesamten politischen Klasse des Staatsvolks sofort als Sezessionsbegehr (Stichwort: Trianon) gebrandmarkt wird. Ähnlich ergeht es den  ca. 500.000 Magyaren in der (Süd-)Slowakei.

Ein anderes Beispiel gefällig? Frankreich (am 7. Mai  1999) und Italien (27. Juni 2000) haben zwar die am 5. November 1992 vom Europarat verabschiedete und  – bezogen auf die realen Auswirkungen  für die jeweiligen Staatsnationen – relativ „harmlos“ bleibende „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ unterzeichnet; ratifiziert und inkraft gesetzt wurde sie bis zur Stunde von beiden Staaten nicht.

Solange das Manko aufrecht ist, dass die „kleinen Völker“ respektive „kleinen Nationen“, als die sich nationale Minoritäten/Volksgruppen gerne nennen, weil sie sich als solche verstehen, in jenen Staaten, in denen sie daheim sind, der kollektiven Schutzrechte entbehren, so lange werden sie für diese ein nicht zu unterschätzender Unruhefaktor sein. Maßlos enttäuscht sind sie indes von der EU,  von der sie sich in gewisser Weise „Erlösung“ erhoff(t)en. Denn abgesehen vielleicht von dem vergleichsweise kompetenzarmen „Ausschuss der Regionen der EU“, der allenfalls als Feigenblatt taugt, hat sich just das „supranationale Gebilde“ EU gänzlich ihrer Bedürfnisse entschlagen.

Schotten und Iren

Just im Gefolge des Brexit dürften sie sich daher neuerlich und umso vernehmlicher Gehör verschaffen. Die Schotten erstreben die Unabhängigkeit und den Verbleib in der EU. Mit einem weiteren, höchstwahrscheinlich erfolgreicheren Referendum ist zu rechnen. Und für die Nordiren scheint die Gelegenheit günstig, sich mit der Republik Irland zu vereinen. Sollte sich das brexit-geschwächte London gegen die manifesten  Aufbegehrensmomente nördlich des Hadrianswalls und drüben in Ulster wehren, wogegen auch die Klammer United Kingdom (trotz großer Sympathie für die sie verkörpernde, aber nicht ewig lebende Königin) letztlich wenig Wirkung entfalten dürfte, so ist dort mit vernehmlichen Erschütterungen zu rechnen.

Schotten

Im Jahr2013 hatte der „Südtiroler Schützenbund“ (SHB) zu einem großen Freiheitsfest nach Meran eingeladen. Mehr als 13.000 Menschen waren gekommen, darunter Delegationen zahlreicher europäischer Volksgruppen. Auch die Schotten zeigten in Meran ihr Streben nach Eigenständigkeit und ihre Verbundenheit mit den nach Freiheit strebenden Südtirolern.
Im Jahr2013 hatte der „Südtiroler Schützenbund“ (SHB) zu einem großen Freiheitsfest nach Meran eingeladen. Mehr als 13.000 Menschen waren gekommen, darunter Delegationen zahlreicher europäischer Volksgruppen. Auch die Schotten zeigten in Meran ihr Streben nach Eigenständigkeit und ihre Verbundenheit mit den nach Freiheit strebenden Südtirolern.

Die genannten Zentralstaaten müssen eine derartige Entwicklung jenseits des Kanals fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Denn sie hätte Signalwirkung für nationale Minderheiten auf ihrem Territorium und/oder im Grenzraum zu Nachbarstaaten. Weder von der EU-Kommission, noch vom Rat sind indes Initiativen zu erwarten, welche auf einen längst überfälligen „EUropäischen Rechtsrahmen für nationale Minderheiten“ hinauszulaufen hätte. Und im Europaparlament würden – gesetzt den Fall, es käme dort dazu – die jeweiligen nationalstaatlichen Bremser in den Reihen von Sozialisten/Sozialdemokraten und EVP dafür sorgen, dass darauf gerichtete Versuche ins Leere liefen.

Katalanen und Basken

Basken auf dem Freiheitsfest in Meran
Basken auf dem Freiheitsfest in Meran

Was für Schotten und Nordiren gilt, gilt umso mehr für Katalanen und Basken.  Nicht die Katalanen, die sich in – von Madrid nicht anerkannten – Referenden bisher am weitesten vorwagten, sondern die Basken waren die ersten, die – anfangs und über Jahre hin mit blutigen Anschlägen – die Trennung von Spanien und den eigenen Staat zu erreichen hofften. Davon wäre naturgemäß auch Frankreich betroffen, denn jenseits der Pyrenäen, im Pays Basque (in baskischer Sprache „Iparralde“ = „Nordseite“), bekennen sich gut 100.000 Menschen zum baskischen Volk. Im Baskenland stellte Regierungschef Íñigo Urkullu – „Wir müssen auf die Ereignisse in Katalonien reagieren“ – 2015 seinen Plan „Euskadi Nación Europea“ vor. Er enthält das Recht auf Selbstbestimmung und sieht ein bindendes Referendum vor.

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Auch die Katalanen hatten auf dem Freiheitsfest in Meran ein Bekenntnis zur Eigenständigkeit abgelegt und einen eigenen Informationsstand gestaltet.
Auch die Katalanen hatten auf dem Freiheitsfest in Meran ein Bekenntnis zur Eigenständigkeit abgelegt und einen eigenen Informationsstand gestaltet.

Bretonen und Korsen

Die Medien der Grande Nation geben zwar vor, das Geschehen  auf den britischen Inseln habe auf Separatisten in Frankreich  keine Auswirkung. Dem steht der Augenschein entgegen. Insbesondere in der Bretagne verfolgt man die schottische Unabhängigkeitsbewegung sehr genau. Viele Bretonen  begleiten die Entwicklung dort mit Sympathie. Wenngleich  in der Bretagne das Verlangen nach Abspaltung von Frankreich wenig ausgeprägt ist, so hört man doch gar nicht so selten, das schottische Vorpreschen werde auch anderen Volksgruppen in Europa – nicht zuletzt den Bretonen selbst – mehr Gehör und politische Eigenständigkeit verschaffen. Immerhin und wohl nicht von ungefähr sind die aufmüpfigen Bretonen bei der von Präsident Hollande initiierten großen Gebietsreform – Reduktion der Zahl der (festländischen, nicht der überseeischen) Regionen von 22 auf 13 – ungeschoren davongekommen.

Dasselbe gilt  für die Korsen, wenngleich man auch die Insel Korsika, die nicht als Region, sondern als Gebietskörperschaft gilt, einer festländischen Verwaltungseinheit – etwa Provence-Alpes-Côte d’Azur – planerisch  hätte zuschlagen können. Die Nationalpartei PNC (Partitu di a Nazione Corsa) tritt nicht unbedingt für die Unabhängigkeit Korsikas ein, was das Ziel bisweilen bombender Extremisten war/ist, verlangt aber mehr Selbständigkeit anstatt  politischer Steuerung durch Paris. Im Elsass begnügt man sich hingegen offenbar mit einigen Zuständigkeiten in (sprach)kulturellen Angelegenheiten. Wenngleich nicht wenige Elsässer gegen die Verschmelzung ihrer Provinz mit Lothringen, der Champagne und den Ardennen zur Region Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine protestierten, welche vom 1. Oktober dieses Jahres an kurz „Région Grand Est“ heißen wird.

Flamen und Wallonen

In Brüssel, wo oft die am weitesten wirksam werdenden Entscheidungen für die EU getroffen werden, scheint der Staat, dessen Hauptstadt es ist, stets unmittelbar vor seiner Auflösung zu stehen.  Der Konflikt zwischen holländischsprachigen Flamen und französischsprachigen Wallonen in Belgien währt schon lange und ist seit zehn Jahren  deutlich stärker geworden. Von den Flamen, die sich ökonomisch gegen die Alimentierung der „ärmeren“ Wallonie wenden und zusehends für die Eigenstaatlichkeit eintreten, sprechen sich die wenigsten für den Erhalt des belgischen Zentralstaats aus. Die Deutschsprachige Gemeinschaft, ein von 80.000 Menschen bewohntes Gebilde mit politischer Selbstverwaltung, eigenem Parlament und Regierung, entstanden auf dem nach Ende des Ersten Weltkriegs abzutreten gewesenen Gebiet Eupen-Malmedy, gehört zwar territorial zur Wallonie, hält sich aber aus dem flämisch-wallonischen Konflikt weitgehend heraus.

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Ebenso wie 2013 auf das Meraner Freiheitsfest waren die Vlamen auch 2016 auf das Brunecker Freiheitsfest des „Südtiroler Schützenbundes“ (SSB) gekommen, welches wiederum von mehr als 13.000 Menschen besucht wurde.
Ebenso wie 2013 auf das Meraner Freiheitsfest waren die Vlamen auch 2016 auf das Brunecker Freiheitsfest des „Südtiroler Schützenbundes“ (SSB) gekommen, welches wiederum von mehr als 13.000 Menschen besucht wurde.

Im Norden Italiens

Außerhalb des Landes werden die Unabhängigkeitsverlangen im Norden Italiens unterschätzt und medial weitgehend ausgeblendet. Die politische Klasse in Rom muss hingegen im Blick auf die möglichen Folgen des Brexit und angesichts wachsender regionaler Erosionserscheinungen eine Art „Domino-Effekt“ befürchten. Bestrebungen, sich von Italien zu lösen, gewannen letzthin besonders im Veneto an Boden. In einem Online-Referendum zum Thema Unabhängigkeit Venetiens, an dem sich seinerzeit 2,36 Millionen Wahlberechtigte (73 Prozent der Wählerschaft der Region) beteiligten,  antworteten 89 Prozent  auf die Frage „Willst Du, dass die Region Veneto eine unabhängige und souveräne Republik wird?“, mit einem klaren „Ja“.

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Die Veneter hatten 2013 auf dem Meraner Freiheitsfest mit einer Bürgergarde in historischen Uniformen für die Eigenständigkeit Venetiens demonstriert.
Die Veneter hatten 2013 auf dem Meraner Freiheitsfest mit einer Bürgergarde in historischen Uniformen für die Eigenständigkeit Venetiens demonstriert.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Veneto ergriff die Lega Nord in der Lombardei eine ähnliche Initiative. Die Schlacht um die Unabhängigkeit sei wieder aktuell, sagt daher Lega-Chef Matteo Salvini. Und fügte am Tag nach dem Brexit-Volksentscheid hinzu: „Es lebe der Mut der freien Briten. Herz, Verstand und Stolz besiegen die Lügen, Drohungen und Erpressungen. Danke UK, jetzt kommen wir dran“. Die Gegnerschaft zu seinen Bestrebungen sieht er in Rom und Brüssel. Rom macht er für hohe Steuern und Abgaben verantwortlich. Zudem spricht er sich für den Austritt Italiens aus der Euro-Zone aus.

Gegen Rom und Brüssel könne man nur gewinnen, wenn sich Lombardei, Piemont und Venetien zusammenschlössen, sagt Salvini. Die von seinem Stellvertreter Roberto Maroni geführte Mitte-Rechts-Koalition im lombardischen Regionalparlament verlangt die Umwandlung der Lombardei in eine Region mit Sonderautonomie, einen Status, den die Autonome Region Trentino-Alto Adige innehat, in welcher die Provinzen Trient und Bozen-Südtirol seit Ende des Zweiten Weltkriegs (zwangs)vereint sind.

Doch just diese „Privilegien“ sollen gemäß der (Staats- und Verfassungs-)Reform des italienischen Regierungschefs Matteo Renzi  beseitigt werden, womit die bestehenden (Sonder-)Autonomien zwangsläufig gekappt würden. Ob die „Schutzklausel“, die Renzi den Südtirolern zugesichert hat, das Papier wert ist, auf dem sie – nicht eindeutig auslegbar – fixiert ist, muss sich erst noch erweisen.

Auch in Triest gibt es eine Bewegung, die nach Unabhängigkeit strebt.
Auch in Triest gibt es eine Bewegung, die nach Unabhängigkeit strebt

Die römischen Parlamentarier der seit Ende des Zweiten Weltkriegs zwischen Brenner und Salurner Klause dominanten Südtiroler Volkspartei (SVP) haben alle Warnrufe – der deutschtiroler Oppositionsparteien und selbst jene von ehedem langjährigen politischen Verantwortungsträgern der eigenen Partei – in den Wind geschlagen und dem Reformvorhaben zugestimmt, über die Italiener das im Herbst abstimmen sollen. Die SVP  hat sich damit aus selbstgewähltem Koalitionszwang mit dem Südtiroler Ableger von Renzis Partito Democratico (PD) politisch eindeutig positioniert; eine Festlegung, die sie – als „Minderheiten-Partei“ – aus gutem Grund, nämlich der Äquidistanz zu allen italienischen Parteien, gut sechs Jahrzehnte nie traf.

Möglicherweise zeitigt das Experiment „Autonomiekonvent“, auf welches sich die SVP – wiederum, um ihrem Koalitionspartner PD in Bozen und dessen Vormann Renzi in Rom zu willfahren – eingelassen hat, noch fatalere Folgen. Dieser „Konvent“ soll die Vorgaben liefern, mit denen das Zweite Autonomiestatut des Jahres 1972, auf welchem die politischen, ökonomischen und sozialen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der selbstverwalteten Provinz Bozen-Südtirol fußen, den „veränderten Gegebenheiten“ angepasst werden soll.

 

Faktum ist indes, dass Italien die autonomen Befugnisse  des ihm nach dem Ersten Weltkrieg zugeschlagenen südlichen Tiroler Landesteils seit dem mit der österreichisch-italienischen Streitbeilegungserklärung  im völkerrechtlichen Sinne beendeten Südtirol-Konflikt 1992 mittels gesamtstaatlicher, d.h. römischer „Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis“ und spürbarem Finanzmittelentzug, auf den sich die SVP einließ, sukzessive entwertete. Faktum ist zudem, dass die nicht zu leugnende, aber – wiederum wider Mahnungen von Opposition und „Altpolitikern“ der Partei – von der jetzigen SVP-Führung ignorierte Gefahr besteht, dass die Ergebnisse des „Konvents“ in ein „Drittes Autonomiestatut“ münden, dessen politischer und – vor allem rechtlicher – Rahmen bei weitem hinter jenem des Zweiten zurückbleiben dürfte.

„Los von …“

Plakat auf dem Freiheitsfest des „Südtiroler Schützenbundes“ (SSB) in Bruneck 2016.
Plakat auf dem Freiheitsfest des „Südtiroler Schützenbundes“ (SSB) in Bruneck 2016.

Angesichts dessen muss man sich nicht wundern, dass die Befürworter des „Los von Rom“ in Südtirol immer mehr Zulauf erhalten. Und sich, wie der in Bruneck veranstaltete „Unabhängigkeitstag“ erwies,  mit den politischen Kräften jener Bewegungen verbünden, welche das „Los von London, Madrid, Paris, Brüssel …..“ für sich beanspruchen sowie die Gewährung und Ausübung des Selbstbestimmungsrechts verlangen.

Hätte sich die EU beizeiten auf eine vernünftige Politik zum Schutz der „alten“ Minderheiten eingelassen und einen verlässlichen kollektiven Rechtsrahmen zum Schutz der „kleinen Nationen“ und Volksgruppen geschaffen, so wären die zwischen Hebriden und Stiefelabsatz dräuenden Fliehkräfte mutmaßlich nicht so stark angewachsen. Und erhielten auch nicht zusätzlichen Auftrieb vom britischen Exit.




Die Stimme Roms in Bozen

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher 
Bild Kompatscher: Wikimedia.org, Dragan Tatic Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (CC BY 2.0), Collage: SID

Südtirols Landeshauptmann – ein Gegner der Selbstbestimmung

„Eigenständigkeit ist vorstellbar“. Die Schlagzeile in dem österreichischen Nachrichtenmagazin NEWS vom 2. Juli 2016 mit einem Zitat aus einem Interview mit Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher („Südtiroler Volkspartei“ – SVP) erweckt auf den ersten Blick einen falschen Eindruck.

Man könnte meinen, der Südtiroler Landeshauptmann sei über Nacht zu einem Befürworter der Selbstbestimmung seiner Volksgruppe mutiert.

Liest man das Interview genauer durch, so kommt man rasch darauf, dass man sich in Rom wegen der Einstellung Kompatschers keine Sorgen zu machen braucht.

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher im Interview mit dem österreichischen Nachrichtenmagazin NEWS
Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher im Interview mit dem österreichischen Nachrichtenmagazin NEWS

Kompatscher: Ein Recht ohne Rechtsfolgen

Von dem Magazin dazu befragt, was er zu der Forderung des FPÖ-Chefs Strache nach Anwendung des Selbstbestimmungsrechts in Südtirol sage, erklärte Kompatscher wörtlich:

„Die Südtiroler haben dieses Selbstbestimmungsrecht schon. Denn dieses Recht ist ein unveräußerbares Recht aller Völker im Sinne der UN-Charta.“

Und dann Kompatschers Rolle rückwärts: „Das ist aber nicht mit einem unmittelbaren Recht gleichzusetzen, jederzeit einen eigenen Staat zu gründen, Grenzen zu verschieben oder eine Sezession durchzuführen.“

Dazu sei „die Zustimmung Italiens“ notwendig.

Kompatscher: Die Südtiroler wollen die Trennung von Italien – es ist aber völlig unrealistisch

„Die Zustimmung Italiens vorausgesetzt“, sagt Kompatscher, „würde sich wohl eine Mehrheit der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung sowohl für die Option eines eigenen Staates als auch für jene eines Zurück zu Österreich aussprechen. Das Szenario ist aber wegen der fehlenden Zustimmung Italiens ohnehin völlig unrealistisch.“

Widerspruch vom Südtiroler Heimatbund: Wille und Mut zur Selbstbestimmung!

Roland Lang

Zu diesen Aussagen Kompatschers äußerte sich  der Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen politischen Häftlingen Südtirols gegründeten Organisation, mit klaren Worten und veröffentlichte nachstehende Pressemitteilung:

Als richtig bezeichnet der Südtiroler Heimatbund die Aussagen in verschiedenen Medien von Landeshauptmann Kompatscher, wonach die Südtiroler Bevölkerung mehr Eigenständigkeit verlange und im Rahmen eines möglichen Selbstbestimmungsreferendums für einen Freistaat Südtirol oder die Rückkehr zu Österreich stimmen würde. Jedoch hat die Geschichte einen Haken, so Obmann Roland Lang.

Kompatscher führte aus, dass Italien nie Südtirol das Recht auf Selbstbestimmung zugestehen würde, da es unrealistisch wäre.

Muss Südtirol praktisch mit Italien in der ersten Klasse untergehen?

Steht das Völkerrecht nicht über dem nationalen Recht?

Und warum muss man sich bei Italien entschuldigen, wenn man das Recht ausüben will? Diese Fragen haben alle längst eine Antwort erhalten, so der SHB.

Sind die Südtiroler ein Volk? Der bekannte österreichische Völkerrechtler Felix Ermacora hat einmal gesagt, dass kein Land einem Volk die Selbstbestimmung verwehren kann, auch Italien Südtirol nicht. Doch verlangen und fordern muss man es.

Wurde die SVP nicht zum Zwecke der Erreichung des Selbstbestimmungsrechtes gegründet?

 

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Am 19. Mai 1945 veröffentlichte die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) in der Tageszeitung „Dolomiten“ ihr Parteiprogramm mit der Forderung nach Selbstbestimmung. Bei den führenden SVP-Politikern von heute scheint das gerne verdrängt zu werden.

Im April 1946 forderten die Südtiroler mit 155.000 Unterschriften die Rückkehr Südtirols zu Österreich. Tatkräftig unterstützt auch vom Südtiroler Klerus.

Wenn man wie Kompatscher das Selbstbestimmungsrecht bei jeder sich bietenden Gelegenheit als unrealistisch hinstellt, so erweist man dem Freiheitsstreben damit einen Bärendienst. Aber den Freunden in Rom wird es sicher gefallen.

Zudem muss man sich ernsthaft die Frage stellen, wieso die Südtiroler Volkspartei das Recht auf Selbstbestimmung im eigenen Statut verankert hat, wenn es sowieso niemals ausgeübt werden darf.

Die SVP soll endlich sagen, ob sie das Selbstbestimmungsrecht überhaupt noch anpeilt oder es nur noch als Altlast in den Statuten hat, schließt der SHB-Obmann Lang.

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UNterschriften an Figl

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Österreichs Bundeskanzler Leopold Figl nahm am 22. April 1946 in Innsbruck die nach Österreich geschmuggelten Unterschriften so gut wie aller damals volljährigen Südtiroler entgegen, mit denen diese ihren Willen zur Rückkehr ihres Heimatlandes nach Österreich bekundeten.

Unterschriften 46

 




Südtirol-Autonomie in Zukunft nicht gesichert!

Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher (rechts im Bild) zusammen mit Österreichs Außenminister Kurz. Will Kompatscher die Schutzmachtrolle Österreichs in Rom opfern?
Bild: wikimedia.org, Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (CC BY 2.0)

Österreichs diplomatischer Offenbarungseid

Die politische Bombe platzte am 29. Juni 2016 bei einem „briefing“ im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres am Minoritenplatz in Wien.

Der FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer hatte Aufklärung verlangt
Der FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer hatte Aufklärung verlangt

Auf Drängen des Nationalratsabgeordneten und parlamentarischen FPÖ-Südtirol-Sprechers Werner Neubauer sowie der SPÖ waren die Mitglieder des parlamentarischen Südtirol-Unterausschusses in das Ministerium zu einer informativen Aussprache über die aktuelle Situation in Südtirol eingeladen worden.

 

Thema der Aussprache war vor allem die Frage, welche Auswirkungen die bevorstehende italienische Verfassungsreform auf die Südtirol-Autonomie haben werde. Diese Verfassungsreform, die eine Abwendung vom Föderalismus und eine Rückkehr zur zentralistischen Ordnung bedeutet, liegt derzeit als von der römischen Abgeordnetenkammer und dem römischen Senat genehmigter Gesetzestext vor.

Wie von der Regierung in Rom angeordnet, findet im Oktober in ganz Italien darüber eine Volksabstimmung statt. Die italienische Regierung geht davon aus, dass die Mehrheit für die zentralistische Verfassungsänderung stimmen wird.

Das Eingeständnis eines hohen österreichischen Diplomaten

Der Leiter des Völkerrechtsbüros, Botschafter Dr. Helmut Tichy, mußte bei dem „briefing“ in Wien auf die insistierenden Fragen des Abgeordneten Neubauer Folgendes eingestehen:

  • Wenn die neue Verfassung in Kraft tritt, kann der Zentralstaat gesetzliche Kompetenzbeschneidungen der Autonomie vornehmen.
  • Wenn das Land Südtirol dagegen vor dem italienischen Verfassungsgerichtshof Beschwerde erhebt, so müsse man damit rechnen, dass dieser gegen die Interessen Südtirols entscheidet, da der Verfassungsgerichtshof in Italien übergeordnete Interessen des Zentralstaates zu wahren haben werde. Das sei, so Botschafter Dr. Tichy, „einzigartig“ und „bereitet Sorgen“.

Der italienische Verfassungstext besagt: Kompatschers politisches Gebäude ist auf Treibsand gebaut

Bisher hatte man in Wien ebenso wie in Bozen die Situation schöngeredet. Und das aus gutem Grund.

Die SVP-Senatoren hatten nämlich am 20. Jänner 2016 in Rom für die neue zentralistische Verfassung gestimmt und die SVP-Kammerabgeordneten hatten dies am 12. April 2016 ebenfalls getan.

Der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher (SVP) hatte dies damit begründet, dass Rom bei einer Überarbeitung des bisherigen Autonomiestatuts inhaltlich entgegen kommen werde und dass bis zur erfolgten Überarbeitung eine vereinbarte Schutzklausel für das bestehende Autonomiestatut gelte.

Das Eingeständnis des Botschafters Dr. Tichy zeigt nun auf, dass das Gebäude dieser Politik das Südtiroler Landeshauptmannes Dr. Kompatscher auf Treibsand gebaut ist.

Jeder der italienischen Sprache Kundige kann anhand des italienischen Gesetzestextes feststellen, dass die Aussage des österreichischen Botschafters und Völkerrechtsexperten Dr. Tichy stimmt.

Legge 1

In diesem Text heißt es nämlich (geänderter Artikel 117 der Verfassung):

Legge 2

Auf Deutsch:

„Auf Vorschlag der Regierung kann das Staatsgesetz in Angelegenheiten eingreifen, welche nicht der ausschließlichen Gesetzgebung (des Staates) vorbehalten sind, wenn die Wahrung der juridischen oder wirtschaftlichen Einheit der Republik oder die Wahrung des nationalen Interesses dies erfordert.“

Eine alte Methode kehrt wieder: Mit schwammigen Formulierungen dem Staat freie Hand geben!

An sich müsste man in Bozen und Wien seit Jahrzehnten die bewährte italienische Taktik bereits kennen, wonach blumige und schön klingende Bekenntnisse und „Zugeständnisse“ auf offener politischer Bühne von schwammigen Formulierungen in Gesetzestexten begleitet werden, die dann dem Staat ein weites Feld an Interpretationsmöglichkeiten eröffnet.

Schon mehrmals hat Rom auf diese Weise den ursprünglichen Sinn von Vereinbarungen, Verträgen und Gesetzen in das Gegenteil verkehrt.

Diese Taktik ging im Jahr 1946 los mit dem unpräzise formulierten „Pariser Vertrag“. Sie setzte sich fort mit einer angemaßten „Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis“ des Staates und feiert nun mit dem der Autonomie übergeordneten „nationalen Interesse“ des Staates die aktuelle Wiederkehr.

Gleichzeitig erzählt der Landeshauptmann Dr. Kompatscher den Südtirolern, dass das Mitsegeln auf solchem Kurs eine erfolgreiche Politik darstelle.

Der Aufstand der SVP-Altmandatare

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Der Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher wird von den Altmandataren der SVP schwer kritisiert

Dass der jetzige Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher aus lauter Gefolgschaftstreue gegenüber Rom diese Situation nicht sehen wollte und nicht sehen will, hat bereits im Vorjahr und im Frühjahr 2016 zu einem Aufstand verfassungsrechtlich durchaus kompetenter Altmandatare der „Südtiroler Volkspartei“ geführt.

 

 

 

Ein Verfassungsrechtler spricht offene Worte

Der Alt-SVP-Obmann, Ex-Senator und Verfassungsrechtler Professor Dr. Roland Riz war stets auf Konsens mit Rom bedacht gewesen. Er ist kein Freund von Selbstbestimmungsbestrebungen und ganz gewiss kein sogenannter „Scharfmacher“.

Aber sogar er hält die von Dr. Kompatscher im „Einvernehmen mit Rom“ geplante Änderung des Autonomiestatuts für eine katastrophale Fehlentscheidung.

Bereits am 13. 3. 2015 hat er in einem Interview in der Tageszeitung „Dolomiten“ gegen dieses Vorhaben entschieden Stellung genommen.

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Riz sagt, dass diese Politik Südtirol auf den Weg „zu einer ganz normalen italienischen Provinz“ führt, in welcher „unsere Rechte … immer weniger“ werden. „Wenn wir versuchen, uns ein neues Autonomiestatut zu geben, dann geben wir die internationale Verankerung auf. Alles ist in Gefahr. Und die Südtiroler spüren, dass sie nicht gut vertreten sind.“

Ex-Senator Oskar Peterlini warnt

Am 22. 10. 2015 erklärte der Ex-Senator Oskar Peterlini gegenüber der Tageszeitung „Dolomiten“, dass er den Kompatscher-Kurs des Einvernehmens mit Rom um jeden Preis für einen „historischen Fehler“ halte.

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Peterlini sagte: „Italien wird zentralisiert, die Regionen eines guten Teiles ihrer ehemaligen konkurrierenden Zuständigkeiten entmachtet.

Dem Staat wird die Möglichkeit eingeräumt, auch in die verbleibenden Zuständigkeiten der Regionen einzugreifen. … Die Ausweitung der Zuständigkeiten des Staates, die der Verfassungsgerichtshof als übergeordnet einstuft, birgt die Gefahr des Eingriffes auch in die ureigenen Landes-Zuständigkeiten.“

Das ist ein Gummiparagraph - Wer schützt uns, wenn wir zugestimmt haben?
Das ist ein Gummiparagraph – Wer schützt uns, wenn wir zugestimmt haben?

Über den neu formulierten Artikel 117 der Verfassung sagte Peterlini zu den „Dolomiten“:

Altmandatare gegen Kompatschers Kurs
Altmandatare gegen Kompatschers Kurs

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Am 2. Februar 2016 berichtete die Tageszeitung „Dolomiten“ über eine Vorsprache einer ganzen Reihe von Altmandataren der SVP bei dem Landeshauptmann Dr. Kompatscher.

Der ehemalige Senator Oskar Peterlini fasste anschließend die Bedenken der Altmandatare gegenüber den „Dolomiten“ zusammen:

„Wir haben unsere großen Bedenken gegen diese Reform dargelegt.“ Italien werde, so Peterlini, damit immer zentralistischer. „Und wir Südtiroler haben in der Vergangenheit erfahren müssen, was das bedeutet.“

Der Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher hingegen beharrte im Anschluss an die Aussprache gegenüber den „Dolomiten“ darauf, dass seine Politik die einzig richtige sei.

Schwere Bedenken von Seite der Südtiroler Schützen

Am 26. Februar 2016 veröffentlichte die Tageszeitung „Dolomiten“ nachstehende Stellungnahme von Seiten des Südtiroler Schützenbundes:

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Die Opposition ruft dazu auf, bei dem Referendum mit „NEIN“ zu stimmen

Freiheitliche Partei

Pressemitteilung

Bozen, den 5. Juli 2016

NEIN zur Verfassungsreform – sonst verliert Südtirol
Freiheitlicher Landesparteivorstand spricht sich gegen römischen Zentralismus aus

Der Freiheitliche Landesparteivorstand setzte sich bei seiner jüngsten Sitzung mit der anstehenden Verfassungsreform auseinander. In einstimmiger Weise erklärte der Vorstand seine ablehnende Haltung zur geplanten Reform und empfiehlt der Bevölkerung beim Referendum mit „NEIN“ zu stimmen.

Die vom PD vorgelegte Verfassungsreform sieht einen zentralistischen Staat vor, der das staatliche Interesse stets vor das Interesse der Autonomien in Italien stellt. Die Verfassungsreform ist zutiefst zentralistisch und in ihrer Grundausrichtung den Bedürfnissen der Zentralverwaltung in Rom angepasst.

Für die Autonomie Südtirols, den Minderheitenschutz der deutschen und ladinischen Sprachgruppe zeigt sich schon jetzt ein düsteres Bild. Sollte die Reform genehmigt werden, so ist Südtirol, unsere Heimat, der Verlierer.

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Süd-Tiroler Freiheit

Die Süd-Tiroler Freiheit hob in einer Pressemitteilung vom 5. Juli 2016 hervor, dass der „Partito Democratico“ (PD), der italienische Koalitionspartner der SVP im Südtiroler Landtag (und gleichzeitig Regierungspartei in Rom), sich in dem derzeit tagenden Diskussionsgremium „Autonomiekonvent“ als Gegner der ethnisch und kulturell begründeten Autonomie offenbart habe:

Autonomiekonvent: PD will Süd-Tirol zu normaler italienischer Provinz degradieren!

Als neuerlichen Angriff auf die Fundamente der Autonomie und gefährliches Spiel mit dem Feuer kritisiert die Süd-Tiroler Freiheit den jüngsten und wiederholten Vorstoß des „Partito Democratico“ (PD) und der italienischen Kulturverbände im Autonomiekonvent. In einem im Konvent eingebrachten Dokument fordert Landesrat Christian Tommasini wiederholt die Abschaffung des Proporzes und ein „modello paritetico“. Der Koalitionspartner der Volkspartei verstärkt seine Bemühungen, die Autonomie in eine reine Territorialautonomie herabzustufen.

Landtagsabgeordneter Bernhard Zimmerhofer fordert die SVP dazu auf, sich endlich und mit aller Konsequenz zu den Säulen der Autonomie zu bekennen und ihren Koalitionspartner in die Schranken zu weisen. „Verschwinden Proporz und muttersprachlicher Unterricht, verschwindet mit ihnen die Autonomie“, unterstreicht Zimmerhofer abschließend.

s1Stefan Zelger

Sekretär der Landtagsfraktion

Südtiroler Straße 13 | 39100 Bozen

stefan.zelger@suedtiroler-freiheit.com

www.suedtiroler-freiheit.com

Tel. +39 0471 981064

Fax +39 0471 979251

Trotz aller dieser Kritik:

Es zeichnet sich keine Kehrtwendung des Landeshauptmannes Dr. Arno Kompatscher ab. Dieser beharrt auf seiner Politik des Einvernehmens mit den politischen Wünschen Roms.

Immer mehr Südtiroler befürchten, dass er damit Südtirol in eine Katastrophe führt.




Die Option 1939 und ihre Folgen

Nachdem im jüngsten SID der Beitrag „Hitler und Südtirol – Eine Dokumentation“ erschienen war, wurde von Lesern angefragt, ob wir nicht auch zum Thema der Option von 1939 nähere Informationen geben könnten.

Dankenswerter Weise hat sich Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt, der Germanistik, Osteuropäische Geschichte, Volkskunde und Politikwissenschaft studiert und 27 Jahre der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ angehört hatte, dazu bereit erklärt, einen solchen Beitrag zur Verfügung zu stellen.

Rund 78 Prozent der Berichterstattung über Südtirol gingen während seiner Tätigkeit in der FAZ auf seine Rechnung. Es war ihm stets ein Anliegen, die Interessen der Südtiroler und anderer ethnischer Minderheiten zu vertreten. Seit seinem Ausscheiden aus der FAZ lehrt er an österreichischen und ungarischen Hochschulen.

Im Jahr 2009 wurde Olt mit dem Verdienstorden des Landes Südtirol geehrt, und im Jahr 2013 zeichnete ihn die Republik Österreich mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst aus. Der Nordtiroler Landeshauptmann Günther Platter verlieh ihm ebenfalls anno 2013 den Großen Tiroler Adler-Orden.

Die Verleihung des Ehrendoktorats durch die Eötvös-Lórand-Universität in Budapest an Prof. Dr. Olt (rechts im Bild).
Die Verleihung des Ehrendoktorats durch die Eötvös-Lórand-Universität in Budapest an Prof. Dr. Olt (rechts im Bild).

1.Die Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst an Olt (rechts im Bild) durch den damaligen Wissenschaftsminister Univ.-Prof. Mag. Dr. Karlheinz Töchterle
Die Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst an Olt (rechts im Bild) durch den damaligen Wissenschaftsminister Univ.-Prof. Mag. Dr. Karlheinz Töchterle

Es freut uns, den nachstehenden Beitrag von ihm veröffentlichen zu können. Die Bebilderung wurde durch uns vorgenommen.

Georg Dattenböck
Schriftleiter

„Option“ – Hitlers und Mussolinis folgenreicher Schacher mit den Südtirolern.

 Eine Rückblende von Reinhard Olt

Zerreissung Tirols

Für Tiroler  ist von den historischen Erinnerungsdaten – neben dem Beginn des Ersten Weltkriegs, an dessen Ende die waffenstillstandswidrige Annexion des südlichen Landesteils durch Italien 1918 und dessen friedensvertragliche Übereignung an den Stiefelstaat im Jahr darauf stand – der alljährliche 21. Oktober als besonders schmerzlicher Gedenktag zu „bewältigen“: An diesem Tag des Jahres 1939 gab der nationalsozialistische deutsche „Führer“ Adolf Hitler seinem faschistischen italienischen Pendant, dem „Duce“ Benito Mussolini, Südtirol preis.

Mit dem damals zwischen Berlin und Rom in Kraft getretenen „Optionsabkommen“ sollte gewährleistet werden, was nach der faschistischen Machtübernahme in Italien 1922 zwischen Brenner und Salurner Klause sowie zwischen Reschen-Pass und Dolomitenstock trotz brutaler Entnationalisierungspolitik nicht erreicht worden war, nämlich die „ewige Italianità“ dieses Landstrichs.

Für dessen Erwerb hatten chauvinistische Irredentisten gemäß der seit Mitte des 19. Jahrhunderts propagierten „Wasserscheiden-Theorie“ unablässig gefochten, und für dessen Einverleibung wechselte Italien 1915 die Seite und trat – gemäß dem Motto „Sacro egoismo“ („Heiliger Eigennutz“) – gegen den aus Deutschem Reich und Österreich-Ungarn bestehenden Zweibund, mit dem es ehedem im „Dreibund“ verbündet war,  in den Krieg ein.

Hitler Bündnis Südtirol
Hitlers Programmschrift: Verzicht auf Südtirol

Schon in einer seiner weniger bekannten Schriften aus der „Kampfzeit“ – „Die Südtiroler Frage und das Deutsche Bündnisproblem“ (erschienen 1926 in München im NSDAP-Parteiverlag F. Eher) – hatte der „böhmische Gefreite“ Hitler zu erkennen gegeben, daß er die Südtiroler als ein Hindernis auf dem Weg zur Annäherung an den späteren Achsenpartner betrachtete.

 

Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938, womit die Wehrmacht am Brenner stand, zerstreute Hitler anlässlich seines Staatsbesuchs italienische Befürchtungen, wonach eine Rückgliederung Südtirols bevorstehen könnte, indem er am 7. Mai 1938 in Rom erklärte: „Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, daß es die von der Natur uns beiden aufgerichtete Alpengrenze immer als eine unantastbare ansieht.“

Hitler Mussolini Rom
Hitler und Mussolini in Rom

Diese Erklärung fand in dem am 22. Mai 1939 in Berlin im Beisein Hitlers von den Außenministern Joachim von Ribbentrop und Galeazzo Graf Ciano (Schwiegersohn Mussolinis) unterzeichneten „Stahlpakt“ ihre Bekräftigung. Denn in der Präambel dieses politisch-militärischen Bündnisses zwischen dem Deutschen Reich und Italien hieß es, dass mit den „für immer festgeschriebenen gemeinsamen Grenzen die sichere Grundlage für gegenseitige Hilfe und Unterstützung gegeben“ sei. Und um die in diesem Abkommen genannte „ewige Grenze“ auch „volkstumspolitisch“ zu untermauern, handelten besagter Graf Ciano und Reichsführer-SS Heinrich Himmler unter strikter Geheimhaltung das Optionsabkommen aus.

Sogar mit Briefmarken-Propaganda wurde das Bündnis dem deutschen und dem italienischen Volk angepriesen
Sogar mit Briefmarken-Propaganda wurde das Bündnis dem deutschen und dem italienischen Volk angepriesen

Es sah vor, daß sich Deutschsüdtiroler und Ladiner in der Provinz Alto Adige („Hochetsch“) sowie jene des zur Provinz Trient gehörenden Südtiroler Unterlandes, aber auch die Bewohner des bis 1918 zu Kärnten gehörenden Kanaltals – es erstreckt sich vom heutigen Grenzübergang Thörl-Maglern/Arnoldstein über Tarvis/Tarvisio bis Pontafel/Pontebba – sowie des Fersentals und Luserns (deutsche Sprachinseln im Trentino) für Italien oder für das Deutsche Reich zu entscheiden hatten: „Optierten“ sie bis zum 31. Dezember 1939 für die deutsche Staatsbürgerschaft, so war damit die Verpflichtung zur Aussiedlung verbunden; entschieden sie sich für die Beibehaltung der italienischen, somit für den Verbleib in der angestammten Heimat, so taten sie dies freilich in der Gewissheit, keinen Schutz mehr für ihre Volksgruppe in Anspruch nehmen zu können.

Collage_Hausmauer
Bild links: Bis in abgelegene Täler verbreiteten die Faschisten Angst und Terror. Diese drohende Aufschrift an einer Hausmauer im Ahrntal verkündete: „Wer den Duce antastet, wird die Kugel bekommen!“ Bild rechts: Der faschistische Präfekt Mastromattei verkündete die Drohung der Deportation nach Süden.

Schon im Juni 1939 war der Inhalt des schändlichen Abkommens in Südtirol bekannt geworden. Daraufhin traten Vertreter des (der Kirche nahestehenden) „Deutschen Verbandes“ (DV) wie Repräsentanten des (NS-nahen) „Völkischen Kampfrings Südtirols“(VKS), die sich im Bozner Marien-Internat bei Kanonikus Michael Gamper zu einer Beratung getroffen hatten, einhellig dafür ein,  geschlossen für den Verbleib in der Heimat zu stimmen. Am 1. August 1939 wurde im Verlautbarungsblatt der Staatsbahnen angekündigt, dass „in nächster Zeit Transporte von Personen und Gütern aus Südtirol in südliche Provinzen abgehen“ sollten. Der römische Statthalter, Präfekt Giuseppe Mastromattei, verkündete in der Zeitschrift „Atesia Augusta“, dass, wer „immer Treue zu Italien und zu den Einrichtungen des Regimes bewiesen“ habe,  bleiben dürfe. Dies bedeutete jedoch, dass die meisten der keineswegs faschistisch eingestellten Südtiroler von Deportation in die südlichen Provinzen bedroht waren. Dazu kam, dass laut Arbeitsvermittlungsgesetz nur Italiener als Ersatz für entlassene Deutschsüdtiroler eingestellt werden durften.

Option 2

Option 1
Es war schwer, die Heimat zu verlassen – es war noch schwerer, auf die eigene Identität zu verzichten

Den italienischen Privatbetrieben wurde die Einstellung von Südtirolern verboten, und auch die Obstgenossenschaften durften keine deutschtiroler Saisonarbeiter mehr beschäftigen. Höchste Repräsentanten des faschistischen Staates  gaben in öffentlichen Äußerungen zu verstehen, dass die für Italien optierenden Südtiroler nach Sizilien umgesiedelt werden könnten, wo das Regime gerade eine Landreform in Gang gesetzt hatte, wodurch 20 000 neue Bauernstellen geschaffen werden sollten. Späteren Erklärungen der italienischen Behörden, wonach Italien-Optanten in Südtirol verbleiben könnten, wurde nicht mehr geglaubt, vor allem auch, weil eine von Bischof Geisler geführte Delegation, die diesbezüglich bei Mussolini vorsprechen wollte, nicht empfangen worden war. Man sah sich auf Gedeih und Verderb der römischen Willkür ausgeliefert.

„Die Heimatlosen“. (Zeitgenössisches Gemälde von Thomas Walch)
„Die Heimatlosen“. (Zeitgenössisches Gemälde von Thomas Walch)

In ihrer Verzweiflung hatten sich Vertreter des VKS  direkt an Himmler gewandt. Dieser erklärte einer VKS-Abordnung anlässlich einer Begegnung am Tegernsee unverblümt, dass das Deutsche Reich die „Dableiber“, also die Optanten für Italien, ihrem Schicksal, mithin dem unabwendbaren nationalen Untergang, überlassen werde. Der VKS schwenkte nun um und begann, mit reichsdeutscher Unterstützung, für eine möglichst geschlossene Option für das Reich zu werben. Kanonikus Michael Gamper und sein Freundeskreis vom DV und dem Andreas Hofer-Bund (AHB) hingegen waren überzeugt, dass man im Lande bleiben und auf eine Änderung der Verhältnisse hoffen müsse. Die emotionalen Auseinandersetzungen führten zu einer tiefgreifenden Spaltung der Bevölkerung, die durch die Dörfer und teilweise auch durch die Familien ging. Es kam zu gegenseitigen Vorwürfen des „Verrats“, wobei die Deutschland-Optanten als „Heimatverräter“ und die „Dableiber“ als„Volksverräter“ beschimpft wurden.

Postkarte zum Gedenken an die Option von 1939
Postkarte zum Gedenken an die Option von 1939

Von den 246 036 dazu Berechtigten optierten 211 799 für die deutsche Staatsbürgerschaft und Aussiedeln, 34 237 votierten für die Beibehaltung der italienischen und Bleiben. Wer ging, ließ alle unbewegliche Habe zurück. Von den Optanten wurden schließlich etwa 76 000 ausgesiedelt. In ihre Häuser und Höfe, über deren Wert hastig Kommissionen befanden, zogen zumeist Süditaliener ein – der ganze Landstrich sollte ja seinen „deutschen Charakter“ verlieren.

Umsiedler auf dem Bahnhof Brixen
Umsiedler auf dem Bahnhof Brixen

Es gab herzzerreißende Abschiede
Es gab herzzerreißende Abschiede

Der Zweite Weltkrieg, an dessen Beginn vor 77 Jahren auch in diesem Zusammenhang zu erinnern ist, verhinderte die vollständige Ausführung der Umsiedlung, die bereits 1941 zum Erliegen kam, ins Deutsche Reich oder ihm angeschlossene respektive von ihm unterworfene Gebiete.

Die Entscheidung für Gehen oder Bleiben war schließlich schon mit der „Operationszone Alpenvorland“ gänzlich obsolet geworden, zu der Südtirol mit der Besetzung Norditaliens gehörte, nachdem Mussolini 1943 vom Faschistischen Großrat abgesetzt worden war und in der „Republik von Salò“ als Satrap Hitlers „regierte“. Berlin fragte fortan nicht mehr nach „Optanten“ oder „Dableibern“. Gestellungsbefehle an die Front erreichten Angehörige beider Lager.

Die Rückkehr der Deutschland-Optanten  in ihre Heimat nach Kriegsende stieß auf enorme Schwierigkeiten. Es bedurfte trotz des zwischen dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi und dem österreichischen Außenminister Karl Gruber am 5. September 1946 zu Paris geschlossenen Abkommens („Parier Vertrag“) über die (dann bis 1972 von Rom torpedierte) Autonomie Südtirols, welches auch die „Revision der Option“ zum Gegenstand hatte, zäher Verhandlungen, den zunächst Staatenlosen, überdies als Nazis Gebrandmarkten, die italienische Staatsbürgerschaft wieder zuzuerkennen. Die damals geschlagenen, tiefen seelischen Wunden sind auf beiden Seiten erst nach vielen Jahren wieder vernarbt.

Selbst der von Angehörigen beider Lager gegründeten Südtiroler Volkspartei (SVP), an deren Spitze nachmals für gut drei Jahrzehnte Silvius Magnago stand, ein Optant, fiel es nicht leicht, die Kluft allmählich zu überwinden. Kanonikus Gamper gebührt das Verdienst, durch sein leuchtendes Beispiel der Nächstenliebe und Toleranz die Südtiroler nach Kriegsende wieder zu einer handlungsfähigen Volksgruppe zusammengeführt zu haben.

Der ehemalige KZ-Häftling und Journalist Dr. Friedl Volgger (Bild links) setzte sich zusammen mit Kanonikus Michael Gamper (Bild rechts) uneigennützig und tatkräftig für die Rückkehr seiner Landsleute ein.
Der ehemalige KZ-Häftling und Journalist Dr. Friedl Volgger (Bild links) setzte sich zusammen mit Kanonikus Michael Gamper (Bild rechts) uneigennützig und tatkräftig für die Rückkehr seiner Landsleute ein.

Anfangs hatte der im Mai 1945 von den Alliierten in Bozen eingesetzte italienische Präfekt Bruno De Angelis sogar danach getrachtet, die Aussiedlung der verbliebenen Optanten in die amerikanischen, englischen und französischen Besatzungszonen in Österreich und Deutschland zu erreichen. Dies war an den alliierten Mächten gescheitert. Rom versuchte sodann, mit Kniffen und Tricks die Rückkehr der ausgesiedelten Optanten zu behindern. Welche Methoden dabei angewandt wurden, zeigte etwa die Beschlagnahme des Vermögens jener Deutschland-Optanten, denen Italien 1949 die Wiedererteilung seiner Staatsbürgerschaft unter der durch nichts zu rechtfertigenden Beschuldigung verweigerte, es handele sich durchweg um Nazis. Damit hoffte man, weitere Rückkehrwillige abzuschrecken.

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Wie der italienische Präfekt Bruno de Angelis, selbst ein ehemaliger Faschist, erklärte, sollten nur jene Optanten nach Südtirol zurückkehren dürfen, die der italienischen Staatsbürgerschaft „nicht aus eigenem freien Willen verlustig gegangen sind“ - auf gut Deutsch: keine Optanten sollten zurückkehren können! (Bericht der Zeitung „Dolomiten“ vom 15./16. September 1945)
Wie der italienische Präfekt Bruno de Angelis, selbst ein ehemaliger Faschist, erklärte, sollten nur jene Optanten nach Südtirol zurückkehren dürfen, die der italienischen Staatsbürgerschaft „nicht aus eigenem freien Willen verlustig gegangen sind“ – auf gut Deutsch: keine Optanten sollten zurückkehren können! (Bericht der Zeitung „Dolomiten“ vom 15./16. September 1945)

Bis 1952 hatten nur deren 25 000 wieder in die Heimat zurückkehren können. Das war nur rund ein Drittel der Ausgesiedelten.

Erst dem „Dableiber“, Gamper-Vertrauten, ehemaligen KZ-Häftling, nunmehrigen Journalisten und SVP-Abgeordneten im italienischen Parlament Friedl Volgger gelang es mithilfe einer von ihm organisierten alliierten Unterstützung, die römische Regierung dazu zu bewegen, die Vermögensbeschlagnahme wieder aufzuheben.

Aufruf in der Tageszeitung „Dolomiten“, Rücksiedlungsausschüsse in den Orten zu gründen und den Rücksiedlern nach Kräften zu helfen.
Aufruf in der Tageszeitung „Dolomiten“, Rücksiedlungsausschüsse in den Orten zu gründen und den Rücksiedlern nach Kräften zu helfen.

Für lange Zeit auch stellte sich im deutsch-italienischen Nachkriegsverhältnis die vermögens- und versicherungsrechtliche sowie die technische Abgeltung von Leistungen für Optanten wie ein Sperrriegel in den Weg. Die Optanten hatten sämtliche Guthaben verloren. Die Ablösesummen für ihre zwischen 1939 und 1941 in Südtirol verlassenen Besitztümer waren auf Sperrkonten ohne Verfügungsberechtigung überwiesen worden. In Österreich, das 1938 dem Reich „angeschlossen“ worden war und wohin viele Südtiroler ausgesiedelt wurden, raffte die Geldentwertung die „freien Einlagen“ dahin.

Und in Ansiedlungsgebieten wie Böhmen und dem Elsass waren von Optanten erworbene Liegenschaften als „deutsches Eigentum“ entschädigungslos konfisziert worden.

Plakat des Rücksiedlungsausschusses Brixen aus dem Jahre 1950. Es galt, den Rücksiedlern wieder Wohnungen und Arbeitsplätze zu beschaffen. Hier wurden die im Lande Verbliebenen zu solidarischer Hilfe aufgerufen.
Plakat des Rücksiedlungsausschusses Brixen aus dem Jahre 1950. Es galt, den Rücksiedlern wieder Wohnungen und Arbeitsplätze zu beschaffen. Hier wurden die im Lande Verbliebenen zu solidarischer Hilfe aufgerufen.

In Südtirol bemühten sich Josef Zingerle, diözesaner Caritasdirektor von Brixen, Rudolf Freiherr Unterrichter von Rechtenthal, Johannes Schauff von der in Genf ansässigen „Internationalen Katholischen Wanderungskommission“, sowie die SVP-Senatoren Karl Tinzl und Karl Mitterdorfer um Rücksiedlungshilfen für heimkehrwillige Optanten aus der Bundesrepublik.

Erst Anfang der sechziger Jahre konnten ihre Bemühungen mit finanzieller Hilfe Bonns in geordnete Bahnen gelenkt werden, indem Finanzministerium und Bundesausgleichsamt eine „humanitäre Regelung“ entwickelten, in die später das Arbeits- und Sozialministerium eingebunden war. Grundlage dafür war das 14. Lastenausgleichsgesetz, welches 1963 auf „Umsiedlungsgeschädigte und Optanten“ angewandt wurde.

In Bozen wurde ein „Berufungsausschuss für Umsiedlungsgeschädigte“ eingerichtet, über den man das Verfahren zur individuellen Entschädigung nach dem deutschen Reparationsschädengesetz abwickelte, welches in einem 1969 in Kraft getretenen „Abkommen zur Regelung von Kriegsschäden italienischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland und deutscher Staatsangehöriger in der Republik Italien“ seine Anwendung fand.

Letztendlich mündete es in das deutsch-italienische Rentenabkommen von 1976, in welchem eine über die Abgeltung von Vermögensschäden hinausreichende Zubilligung von Ausfallzeiten sowie Rentenleistungen geboten war und nach Beseitigung mancher Schwierigkeiten in Verhandlungsrunden 1983, 1986 und 1991 bis zur endgültigen Befriedung 1998 zum Tragen kommen konnte.

Während die italienischen Behörden die Rückkehr zahlreicher Optanten zu verhindern trachteten, setzte sich die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) für diese Landsleute voll ein. (Aufruf zu einer Versammlung mit Beratung von Optanten in der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 8. Jänner 1953)
Während die italienischen Behörden die Rückkehr zahlreicher Optanten zu verhindern trachteten, setzte sich die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) für diese Landsleute voll ein. (Aufruf zu einer Versammlung mit Beratung von Optanten in der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 8. Jänner 1953)

Zu Mitgliedern des Bozner Beratungsausschusses waren Vertreter der Optanten, der Sozialverbände, der Kirche und des öffentlichen Lebens berufen worden. Grundsätzlich wurden Leistungen nach dem Einzelantragsprinzip gewährt. Zahlungen zur Abgeltung von Vermögensansprüchen wurden an Geschädigte oder antragsberechtigte Erben geleistet, Rentenansprüche und -zahlungen im Zusammenwirken mit dem italienischen Rentenversicherungsträger NISF/INPS geregelt; der Berufungsausschuss stellte hierfür die amtlich anerkannten Bescheinigungen aus.

Nach dem Bonner Lastenausgleichsgesetz sind insgesamt 121,3 Millionen Mark bewilligt worden, die deutschen Aufwendungen im Rahmen des Rentenabkommens beliefen sich auf 262 Millionen Mark. Dreißigtausend Akten hatte der Berufungsausschuss angelegt, mehr als fünfzehntausend Anträge bearbeitet; nahezu zehntausend Begünstigte kamen in den Genuss von Zahlungen.

In einer separaten Regelung für Optanten aus dem Fersental und aus Lusern ermöglichte der Berufungsausschuss die Rückübertragung von 27 000 Grundparzellen im Trentino und 1971 den Umtausch von Vermögenswerten auf DM-Basis, die einst in Reichsmark festgesetzt worden waren.

Zahlreiche Priester waren uneigennützig bei der Rückführung der Optanten in die Heimat behilflich.
Zahlreiche Priester waren uneigennützig bei der Rückführung der Optanten in die Heimat behilflich.

Im Jahr 1999, 35 Jahre nach seiner Gründung und 60 Jahre nach dem unseligen Optionsabkommen, hatte der Berufungsausschuss seine gänzlich ehrenamtliche Tätigkeit beendet. Damit schloss sich ein beklemmendes Kapitel der jüngeren deutsch-italienischen Geschichte, damit war zugleich eine über Jahrzehnte belastende Hypothek auf den Beziehungen zwischen Bonn/Berlin und Rom sowie der beiden Hauptstädte zu Südtirol auf langwierige, aber humanitäre und pekuniäre Weise geräuschlos abgetragen worden.

Ein Beteiligter sah sich hingegen gegenüber den Ansprüchen von Optanten nicht in der Pflicht, wie der damalige Abschlußbericht des Ausschussvorsitzenden festhielt: „Die Verhandlungen um eine Entschädigung seitens der Republik Österreich für die Einbehaltung von cirka 11 000 Wohnungen, die mit Geldern der Südtiroler Umsiedler, gestützt auf Reichsbürgschaften, noch während des Zweiten Weltkrieges für diese errichtet wurden, führten zu keinem Erfolg.“

Weiter hieß es darin: „Es wäre sicherlich opportun, wenn die CA-Bank Innsbruck noch alle Konten der Optanten nach dem Vorbild der Schweizer Banken offenlegen würde.“

Mit in Jahrhunderten gefestigten Banden historisch legitimiert und mit der Jurisdiktion zweier UN-Deklarationen im Rücken gibt sich Wien zwar stets zu Recht als „Schutzmacht“ der Südtiroler aus. Wo es ihr als „Schutzmacht“ aber gut angestanden hätte, zusammen mit Deutschland Rückgrat zu zeigen, da zog sich die Republik Österreich in bewährter Weise auf den von ihr vertretenen, quasi staatsdoktrinären Standpunkt von der „Nichtexistenz als Völkerrechtssubjekt zwischen 1938 und 1945“ zurück – er kostet(e) nichts.




Hitler und Südtirol

Eine Dokumentation

Liebe Leser!

Wir erhalten gelegentlich Zuschriften, welche auf das Verhältnis Hitlers und des Nationalsozialismus zu Südtirol Bezug nehmen. Einige der Leser zeigen sich sehr gut informiert, andere wünschen mehr Information.

Gerade zu diesem Zeitpunkt erreicht uns eine skurrile Nachricht aus Italien: Die Paolo Berlusconi, dem Bruder des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, gehörende italienische Tageszeitung „Il Giornale“, die in einer täglichen Auflage von 140.000 Stück erscheint, hat zu einer schrillen Werbemaßnahme gegriffen: Sie hat ihrer Wochenendausgabe vom 11. Juni 2016 Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ beigelegt.

Der von ehemaligen politischen Häftlingen Südtirols gegründete „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) hat diese Werbeaktion scharf verurteilt. Dessen Obmann Roland Lang erklärte gegenüber der Presse: „Das Ziel der Provokation wurde erreicht. Faschistische Denkweisen oder Weltbilder mit neofaschistischen Nuancen haben aber in einem geeinten und friedlichen Europa des 21. Jahrhunderts nichts verloren.“

Dass dieses, von „Il Giornale“ nun auch am Kiosk vertriebene Buch und sein Verfasser sich bis heute in nationalistischen Kreisen Italiens großer Beliebtheit erfreuen, ist verständlich. Man muss nur die Südtirol betreffenden Passagen in dem nur schwer genießbaren Bekenntniswerk Hitlers lesen. Italienische Neofaschisten und Super-Nationalisten haben wahrlich allen Grund, „Adolfo“ als ihren großen Freund zu feiern. Für uns ist dieses Ereignis jedoch der Anstoß, unseren Lesern nachstehende Dokumentation zu übermitteln.

Ich hoffe, dass wir kritischen Geistern damit dienlich sind.

Georg Dattenböck

Schriftleiter

Hitler und Südtirol
Eine Dokumentation

von Jürgen Fingeller

Hitlers Kurswechsel

Vor Mussolinis Machtantritt hatte Hitler in öffentlichen Reden durchaus noch die Rückgabe Südtirols gefordert gehabt. Das stand im Einklang mit dem Parteiprogramm der NSDAP vom 24. Februar 1920, in welchem es hieß:

„1. Wir fordern den Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zu einem Groß-Deutschland.“

In den parteiamtlichen Erläuterungen dazu hatte es geheißen: „Wir verzichten auf keinen Deutschen im Sudetenland, in Südtirol, in Polen, in der Völkerbundkolonie Österreich und in den Nachfolgestaaten des alten Österreich.“ (G. Feder: „Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundgedanken“, München 1933, S. 42)

Als Benito Mussolini jedoch Ende Oktober 1922 von dem italienischen König zum Ministerpräsidenten ernannt worden war und nun begann, den Staat langsam aber sicher in eine Diktatur zu transformieren, wurde er zum großen Vorbild Adolf Hitlers und der Bündnisgedanke mit Italien trat in den Vordergrund.

Hitler betonte ab nun die Freundschaft und ideologische Verbundenheit mit dem Faschismus und erklärte ab 1922 wiederholt in Reden und Zeitungsinterviews, dass er die Brennergrenze als endgültig betrachte.

Unter der Federführung des vor den Faschisten aus Südtirol geflüchteten Univ.-Prof. Dr. Eduard Reut-Nicolussi wurde von der „Arbeitsstelle für Südtirol“ in Innsbruck eine Zeitung mit dem Namen „Der Südtiroler“ herausgegeben. In einem Sonderdruck dieser Zeitung aus dem Jahr 1932 kritisierte Reut-Nicolussi das Verhalten Hitlers und zitierte aus dessen abfälligen Äußerungen über Südtirol.

Tirol und Hitler

Am 10. Oktober 1923 konnte die italienische Zeitung „Corriere Italiano“ ein Gespräch mit Hitler veröffentlichen, in welchem dieser erklärte: „Als Nationalist vermag ich mich durchaus in die italienischen Gedankengänge zu versetzen und verstehe sogar den italienischen Anspruch auf eine gesicherte Grenze.“ (Wiedergegeben in: Karl Heinz Ritschel: „Diplomatie um Südtirol“, Stuttgart 1966, S. 130)

Hitler ahmte Mussolini in allem nach

Hitler begann, die faschistische Bewegung auch äußerlich nachzuahmen, um die Gleichartigkeit der Bewegungen in Deutschland und Italien zu unterstreichen.

Feldkaplane

Aus dem faschistischen „Saluto Romano“, den hier Militärkaplane der Alpini in der Faschistenzeit vorzeigten, wurde nachahmend der „Deutsche Gruß“.

Die nationalsozialistischen „Sturm-Abteilungen“ (SA), eine Nachahmung der mit Schwarzhemden ausgestatteten Faschistischen Miliz, wurden einheitlich mit Braunhemden eingekleidet. Sie trugen keine Fahnen, sondern Standarten nach altrömischem beziehungsweise faschistischem Vorbild.

Standarten
Bild links: Faschisten mit nachgeahmter römischer Standarte. Bild rechts: SA-Standarte.

Aus dem „Duce“ wurde der „Führer“. Hitler schätzte an Mussolini auch dessen Betonung der angeblichen Überlegenheit der „italischen Rasse“ über die anderen Mittelmeervölker.

razza

In der faschistischen Zeitschrift „Difesa della Razza“ („Verteidigung der Rasse“) wurde die Höherwertigkeit der „italischen Rasse“ über andere Populationen verkündet.

In dem Punkt 25 seines Parteiprogramms forderte Hitler, dem Vorbild Mussolinis folgend,  einen berufsständischen Aufbau des Staates und „die Bildung von Stände- und Berufskammern.“

Im Sicherheitswesen sollte auch er auch eine terroristische Geheimpolizei und Konzentrationslager einrichten.

KL
Ein trostloses italienisches Konzentrationslager in der lybischen Wüste.

In bevölkerungspolitischer Hinsicht sollte Hitler von dem „Duce“ auch die Idee der Zwangsassimilierung sowie der Umsiedlung und Vertreibung ganzer Völkerschaften übernehmen.

Die von dem „Duce“ propagierte Forderung nach „neuem Lebensraum“ in Afrika wurde bei dem „Führer“ zur Forderung nach „neuem Lebensraum“ im Osten.

Görings Vorschlag: Verzicht auf Südtirol gegen Erhalt von Geld

Da die NSDAP unter ständigem Geldmangel litt, erhoffte Hitler von Mussolini auch eine finanzielle Unterstützung der deutschen Schwesterpartei.

Bereits im September 1923 reiste ein mit einem Bevollmächtigungsschreiben des Generals Ludendorff ausgestatteter Emissär der NSDAP namens Kurt Lüdecke nach Rom, um vergeblich finanzielle Unterstützung für die ständig unter Geldnot leidende NS-Bewegung zu erbitten. (Jens Petersen: „Hitler – Mussolini. Die Entstehung der Achse Berlin-Rom 1933 – 1936“, Tübingen 1973, S. 15)

Noch traute Mussolini den Freundschaftsangeboten der nationalsozialistischen Führung nicht so recht.

Hitler und Göring
Adolf Hitler und sein Gefolgsmann Hermann Göring

Am 8. November 1923 scheiterte der NS-Putsch in München und Hitler bezog für eine kurze Zeit eine Zelle in der Festung Landsberg. Der Führer der SA, Hermann Göring, ging 1924 für eine Zeit lang nach Italien ins Exil. Dort nahm er im Juni 1924 Kontakt mit dem Diplomaten Giuseppe Bastianini auf, welcher Mitglied des „Gran Consiglio del Fascismo“, des „Faschistischen Großrats“ und ein Vertrauter von Benito Mussolini war. Bastianini sollte später Staatssekretär im Außenministerium werden.

Bastianini
Der italienische Diplomat und hochrangige Faschist Giuseppe Bastianini – ein Verbindungsmann zwischen Göring und Mussolini

Göring trug diesem Mann und anderen hohen faschistischen Funktionären seine Bitte vor: Es ging wiederum um das Geld. Göring erbat ein Zwei-Millionen-Lire-Darlehen für Hitler und die NSDAP. Das war damals eine sehr hohe Geldsumme. Um der faschistischen Seite Sicherheiten über das künftige Verhalten der NSDAP geben zu können, verfasste Göring im August 1924 als „NS-Generalbevollmächtigter in Italien“ einen Entwurf für ein Abkommen zwischen der NSDAP und der Faschistischen Partei. In diesem Papier verpflichtete Göring seine Partei für den Fall, dass sie an die Macht käme oder bedeutende politische Macht in Deutschland erlangen sollte, zu Folgendem:

„… klar zu machen, dass es für sie keine Alto-Adige-Frage gebe und dass sie absolut und ohne Umschweife den Status quo der italienischen Besitzungen anerkenne … Die NSDAP wird ab sofort alles tun, um revisionistischen Bestrebungen in Bezug auf Alto Adige in Deutschland entgegenzutreten …“

Als Gegenleistung erbat Göring eine geheime Anleihe für die NSDAP in der Höhe von 2 Millionen Lire. Er versprach „äußerste Diskretion“. Diese Finanzierung werde „auf unserer Seite lediglich dem Führer unserer Bewegung, dem Vermögensverwalter unserer Partei und dem Unterzeichneten bekannt sein.“ (Vertragsentwurf im Nachlass von Dott. Leo Negrelli von Mussolinis Regierungs-Presseamt. Wiedergegeben in: David Irving: „Göring – Eine Biographie“, Kiel 1986, S. 61f)

Görings erneutes Angebot, den „Südtiroler Irredentismus auszumerzen“

Am 9. März 2006 berichtete die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ über einen sensationellen Fund. Das Südtiroler Landesmuseum Schloss Tirol hatte soeben aus dem Nachlass eines früheren Göring-Freundes, des Hoteliers Rodolfo Walther in Venedig, ein hochinteressantes Schriftstück erworben, aus dem die „Dolomiten“ nun zitierten.

Tauschgeschäft

Aus „Dolomiten“ vom 9. März 2006
Aus „Dolomiten“ vom 9. März 2006

Es handelt sich um ein weiteres Memorandum in italienischer Sprache, welches Göring im November 1924 in Venedig für seinen Gastgeber und Freund Rodolfo Walther verfasste, nachdem Mussolini auf das erste Göring-Memorandum nicht reagiert hatte.

Rodolfo Walther sollte anhand dieses Memorandums dem „Duce“ nochmals das Projekt des Abkommens zwischen der NSDAP und der Faschistischen Partei unterbreiten.

Göring verwies in dem von ihm persönlich unterzeichneten Memorandum darauf, dass Hitler sich von Beginn an jeder irredentistischen Haltung in der Südtirolfrage enthalten habe und dass die Nationalsozialisten bereit seien, ein für alle Mal auf Südtirol offiziell zu verzichten. Wiederum erbat Göring auch finanzielle Hilfe. Dadurch würde man ermuntert sein, so berichteten die „Dolomiten“ über den Inhalt des Schriftstücks, „sich für eine Annäherung an das faschistische Italien weiterhin einzusetzen und jedwede Art des Südtiroler Irredentismus auszumerzen. Hermann Göring schließt mit ‚… della S. E. Ill.ma obbligatissimo Hermann Göring, rappresentante incaricato della Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung Deutschlands.“ (Auf Deutsch: „ … der Ihrer hervorragendsten Exzellenz zutiefst ergebener Hermann Göring, beauftragter Repräsentant der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung Deutschlands.“)

 

Unterdrückung der Südtiroler durch Deutschland: Was für ein Vorteil für Italien!

Am 19. September 1924 legte Göring in einem Brief an den faschistischen Journalisten und Mussolini-Vertrauten Dott. Leo Negrelli noch nach: „Denken Sie nur daran, welch ein Vorteil es wäre, wenn eine deutsche Regierung freiwillig jegliche Südtiroler Irredenta unterdrückt und freiwillig Italiens Nordgrenze garantiert?“

Zu einer Unterzeichnung des von Göring vorgeschlagenen Vertrages kam es offenbar aus Gründen der Vorsicht noch nicht, wenngleich Mussolini und seine Gefolgsleute ihn „inhaltlich akzeptierten“, wie Negrelli schriftlich festhielt. (David Irving: a. a. O., S. 63f)

Das italienische Geld fließt

Es begann aber nun das italienische Geld für die NSDAP zu fließen. Der damalige italienische Generalkonsul in München, Giuliano Cora, hat dies in seinen Erinnerungen aufgedeckt: „Wir waren die ersten, welche jene unterstützen, die uns so viel Verderben brachten. Diese Hilfeleistungen liefen nicht über mein Büro. Als ich aber aus einer bayerischen Regierungsquelle davon erfuhr, behinderte ich diese intriganten und unverantwortlichen diplomatischen Dilettanten nach Möglichkeit.“ Wie Cora weiter ausführte, sei er aber aufgrund seiner Opposition gegen die geheimen finanziellen Unterstützungen von München abberufen worden.

Quaroni

Der ehemalige Botschafter Pietro Quaroni bestätigte die Geldflüsse.

Auch der ehemalige Diplomat Pietro Quaroni hat die Geldflüsse zu Hitler bestätigt: „Die Hitler-Bewegung wurde von der italienischen Seite her mit Sympathie betrachtet. Sie wurde auch zumindest einige Male seitens Italiens mit bedeutenden Geldmitteln unterstützt. (Giuliano Cora: „Un diplomatico durante l’era fascista“, in: Storia e Politica, Jg. 5, 1966, S 88-98. Sowie: Pietro Quaroni: „L’Italia dal 1914 al 1945“, in: „Nuove Questioni di Storia Contemporeanea, Bd. 2, Milano 1968, S. 1225. Diese Beiträge sind in italienischer Sprache wiedergegeben in: Jens Petersen: „Hitler – Mussolini. Die Entstehung der Achse Berlin-Rom 1933 – 1936“, Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Band XLIII, Tübingen 1973, S. 24f. Deutsche Übersetzung durch den Verf.)

Hitler dankt und bezeugt seine Treue

Auch wenn Hitlers Verzicht auf Südtirol vor allem durch künftige strategische Bündnisüberlegungen motiviert gewesen war, so durfte auch angesichts der materiellen Unterstützung aus Rom kein Zweifel an einer künftigen Bündnistreue Hitlers und der NSDAP aufkommen.

Im 1926 veröffentlichte Adolf Hitler im Münchner Eher-Verlag, in welchem vor einem Jahr bereits der erste Band von „Mein Kampf“ erschienen war, eine Broschüre. Diese trug den Titel „Die Südtiroler Frage und das deutsche Bündnisproblem“, und stellte einen teilweisen Vorabdruck aus dem zweiten Band von „Mein Kampf“ dar, welcher im Dezember 1926 erscheinen sollte. Hitler hatte es aber eilig, seine unwandelbare Treue zu dem Faschismus und Mussolinis Italien zu betonen. Er veröffentlichte daher die Südtirol betreffenden Abschnitte vorweg als Sonderdruck. In seinem Vorwort bezeichnete er Mussolini als „den Mann, der als überragendes Genie das nationale Gewissen Italiens verkörpert.“ Auch wenn es schmerzlich sein sollte, „Volksgenossen an irgend einer Stelle der Erde um das freie Selbstbestimmungsrecht gebracht zu sehen, so wenig dürfen wir das Schicksal von 60 Millionen Menschen schädigen lassen durch Gefühlsmomente“.

Man müsse hier zu Opfern bereit sein. „Die Südtiroler Frage ist für uns ein Problem, das nur im Rahmen der für Deutschland möglichen europäischen Bündnispolitik die richtige Lösung finden kann.“ (Adolf Hitler: „Die Südtiroler Frage und das deutsche Bündnisproblem“, München 1926, S. 6f)

Hitler: „Der Jude“ reitet das Steckenpferd Südtirol

Es gehe darum, das internationale Judentum zu besiegen. Die richtige Lösung, so führte Hitler weiter aus, sei das Bündnis mit dem faschistischen Italien. (Adolf Hitler: a. a. O., S. 43) Als weiterer Bündnispartner käme England in Frage, welches kein Interesse daran habe, dass Frankreich „als Wirtschafts- und Militärmacht zur unbedingten herrschenden Hegemonie-Stellung gelangt.“ (Adolf Hitler: a. a. O., S. 22f)

Um aber solche Bündnisse mit Deutschland zu verhindern, reite „der Jude mit außerordentlicher Geschicklichkeit“ ein besonderes Steckenpferd: „Südtirol“. Er werde dabei unterstützt von jenem allerverlogensten Pack, das, auf die Vergeßlichkeit und Dummheit unserer breiteren Schichten bauend, sich hier anmaßt, eine nationale Empörung zu mimen”. (Adolf Hitler: a. a. O., S. 30)

Adolf Hitler: Die Südtirol Frage
Ausschnitt aus Adolf Hitler: „Die Südtiroler Frage und das deutsche Bündnisproblem“, München 1926, S. 30

Mit dieser „Führer“-Aussage wurde jeder innerhalb oder außerhalb der NSDAP, der für Südtirol einzutreten gedachte, entweder zum Dummkopf oder zum Handlanger finsterer Interessen des internationalen Judentums abgestempelt und damit zum Feind erklärt.

Es ließen sich jedoch nicht alle Parteigenossen überzeugen oder einschüchtern. Es kam zu Austritten aus der Partei. Hitler zweifelte aber nicht an der Richtigkeit seiner Linie, die er in der Folge noch bekräftigte.

Hitler verkündet öffentlich den Verzicht auf Südtirol

Am 15. Juli 1928 unterstrich Hitler seine politische Linie in Bezug auf Südtirol und Italien in einer von der Parteileitung der NSDAP einberufenen Versammlung vor 3.000 geladenen Gästen. Er hielt eine Rede, in welcher er die künftige nationalsozialistische Außenpolitik darlegte. Die Innsbrucker Tageszeitung „Tiroler Anzeiger“ berichtete einen Tag später darüber:

„Hitler … trat für ein Bündnis mit Italien ein … Um zum Bündnis mit Italien gelangen zu können, will Hitler Südtirol preisgeben. Südtirol ist, wie er sagte, nicht von mir, sondern von jenen verraten worden, die Deutschland jahrzehntelang so geschwächt haben, daß es unfähig geworden ist, seine sämtlichen Brüder zu verteidigen. Außerdem ist in bindenden Staatsverträgen ein Verzicht auf Südtirol bereits niedergelegt.“

TirolerAnzeiger

Text TirolerAnzeiger
„Tiroler Anzeiger“, Innsbruck, 16. Juli 1928

Erstaunlich an dieser Aussage ist, dass Hitler sich bei seinem Verzicht auf Südtirol auf die Zwangsverträge von St. Germain und Versailles berief, deren Aufhebung er unter Punkt 2 seines Parteiprogrammes vom 24. Februar 1920 gefordert hatte: „Wir fordern die Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen, Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und St. Germain.

In Bezug auf Südtirol betonte Hitler jedoch die Notwendigkeit des Verzichts, da dieser in diesen „bindenden Staatsverträgen bereits niedergelegt“ sei.

Im Gespräch mit Ettore Tolomei: Bekräftigung des Verzichts

Mussolini u Tolomei in Rom
Der faschistische Senator Ettore Tolomei (ganz links) hoch zu Ross mit Benito Mussolini bei einer Parade in Rom

Am 14. August 1928 traf sich Hitler über Vermittlung des italienischen Generalkonsulats in München mit dem faschistischen Senator Ettore Tolomei. Das Treffen mit dem Architekten der faschistischen Entnationalisierungspolitik in Südtirol, dem Schöpfer der frei erfundenen italienischen Ortsnamen in Südtirol und engen Vertrauten Benito Mussolinis fand in einer versteckt gelegenen Villa in Nymphenburg am Stadtrand von München statt.

Aus den handschriftlichen Notizen Tolomeis (Karl Heinz Ritschel: „Diplomatie um Südtirol“, Stuttgart 1966, S. 135)
Aus den handschriftlichen Notizen Tolomeis (Karl Heinz Ritschel: „Diplomatie um Südtirol“, Stuttgart 1966, S. 135)

Tolomei fertigte handschriftliche Notizen über sein Gespräch mit Hitler an und berichtete anschließend an Mussolini in Rom:

Hitler wolle „sich eines Tages an der Spitze Deutschlands sehen, ihm sein Programm auferlegen“. Hinsichtlich des von Tolomei auf das Tapet gebrachten Themas der „italienischen Assimilierung des Alto Adige“ äußerte Hitler sich zur Freude Tolomeis eindeutig: „Er sprach sich sehr rüde in Worten, die ich geradezu als grob bezeichnen könnte, aus. („ganz wurst“, „ich pfeif darauf“); jene vier Älpler von Bozen und Meran dürfen Deutschland nicht hindern, das im Spiel seiner außenpolitischen Beziehungen frei sein will, für seine großen Interessen in der Welt … zu sorgen, … wobei man sich von der Behinderung durch kleine gefühlvolle Rückstände befreien muss, wie es gerade die irritierende Frage des Alto Adige ist. … Er legt sich Rechenschaft ab, dass in einem kurzen Zeitraum die größeren Zentren des Alto Adige soweit italianisiert werden, dass sogar die Pangermanisten den Eindruck einer verlorenen Partie erhalten werden und dass folglich die Assimilierung der Hochtäler und der abgelegenen Täler nur eine Frage der Zeit sein wird.“

Tolomei empfahl Mussolini abschließend, jenen Teil der außenpolitischen Konzeption Hitlers zu fördern, „der das absolute Desinteressement an der italienischen Assimilierung des Oberetsch enthält.“ (Wiedergegeben in deutscher Übersetzung in: Karl Heinz Ritschel: „Diplomatie um Südtirol“, Stuttgart 1966, S. 134ff)

Ständige Bekundungen der Freundschaft

Südtirol verrecke
Die anklagende Broschüre der österreichischen Sozialdemokraten

Nun kam es zu laufenden Freundschaftbekundungen von beiden Seiten, die bald den Protest der österreichischen Sozialdemokraten hervorriefen. Diese prangerten Anfang 1932 in einer Broschüre mit dem Titel „Südtirol verrecke!!“ die „restlose Preisgabe der Deutschen Südtirols durch die Nationalsozialisten“ an.

Nachstehend ein interessanter Auszug aus dieser Schrift:

Siegesd a

Siegesd b
Herausgegeben im Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Druck: „Vorwärts“

Der 28. Oktober 1932 war der 10. Jahrestag des faschistischen „Marsches auf Rom“. Aus diesem Anlass begrüßte der Herzog von Pistoia, ein Vetter des italienischen Königs, auf dem „Siegesplatz“ vor dem „Siegesdenkmal“ in Bozen eine nationalsozialistische Delegation. Nach der Feier zur Erinnerung an die faschistische Machtergreifung posierten dann die Faschisten und Nationalsozialisten gemeinsam vor dem Siegesdenkmal für Erinnerungsfotos.

23 Pistoia Siegesdenkmal

NS Abordnung 28 Okt 1932 vor Siegesdenkmal Bozen
NS Abordnung 28 Okt 1932 vor Siegesdenkmal Bozen

Am 30 Januar 1933 war Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden. Am 3. Februar 1933 versicherte er dem italienischen Generalkonsul in München, er könne „voll und ganz die strategischen Notwendigkeiten verstehen, die Italien die Aufrechterhaltung der Brennergrenze als unerlässlich erscheinen ließen.“ Jedenfalls dürfe das Schicksal einiger Tausend früherer österreichischer Bürger die Beziehungen zwischen Italien und Deutschland nicht beeinflussen. (Renzo De Felice: „I rapporti tra fascismo e nazionalsocialismo fino all’andata al potere di Hitler (1922 – 1933). Appunt e documenti., Napoli 1971, S. 206f. Wiedergegeben in: Jens Petersen: „Hitler – Mussolini. Die Entstehung der Achse Berlin-Rom 1933 – 1936“, Tübingen 1973, S. 68)

Anfang April 1933 weilte der frischgebackene preußische Ministerpräsident Hermann Göring zusammen mit Vizekanzler Papen auf Staatsbesuch in Rom. Er versichert im Auftrag Hitlers Mussolini erneut, dass man in Berlin die Südtirolfrage für erledigt ansehe. (Jens Petersen: „a. a. O., S. 169)

Bei einem weiteren Staatsbesuch erklärte Göring am 7. November 1933 in Rom gegenüber Mussolini, er könne auch im Namen seines Kanzlers die feierliche Erklärung abgeben, dass die Südtirolfrage niemals von deutscher Seite aufgerollt werden würde. (Mario Toscano: „Storia diplomatica della questione dell’Alto Adige“, Bari 1968, S. 124f)

25 Hitler Mussolini Venedig 193426 Huldigungsbuch NS Faschismus

Am 14. und 15. Juni 1934 kam es in Venedig zu einer ersten persönlichen Aussprache Hitlers mit Mussolini. Bei diesem Treffen war die Südtirolfrage kein Thema, sie war nicht mehr existent.

1934 erschien zur Untermauerung der innigen Freundschaft ein Huldigungsbuch, in welchem die faschistischen Leitfiguren neben den nationalsozialistischen „Führern“ in den höchsten Tönen gepriesen wurden. Dem „vielfältigen Genie“ Benito Mussolini wurde die „ungewöhnliche Größe eines Zyklopen“ bescheinigt und es wurde seine „Genialität“ ebenso wie seine „Menschlichkeit“ hervorgehoben. (Dr. R. O. Stahn und Filippo Bojano (Hrsg.): „Wir haben’s gewagt! Weg und Wollen der Führer in Deutschland und Italien.“, Stuttgart-Berlin 1934, S. 161)

Besuch der Hitler-Jugend in Italien

Nun wurden die guten Beziehungen auch auf den unteren Ebenen ausgebaut. Es gab Treffen auf Parteiebene in Italien und man sah gemeinsame Aufmärsche und Paraden von Faschisten und Nationalsozialisten.

27

Auch die nationalsozialistische Parteijugend wurde von dem italienischen Staatsminister Ricci, welcher auch Chef der faschistischen Jugend „Balilla“ war, nach Italien eingeladen. Am 15. September 1936 trafen 450 Hitlerjungen in Padua ein, wo sie von den Spitzen der Behörden begrüßt wurden. Den Höhepunkt ihrer Rundreise durch Italien stellte am 20 September 1936 der feierliche Empfang in Rom dar, wo die „Giovani Hitleriani“ zusammen mit ihrem Reichsjugendführer Baldur von Schirach an dem „Duce“ vorbeimarschieren durften.

28 HJ in It

HJ in Rom
Die Hitler-Jugend legte vor dem Grabmal des unbekannten Soldaten in Rom einen Kranz nieder. (Aus: „Die junge Gefolgschaft“, Monatsschrift der Fränkischen Hitlerjugend)

Die Achse Berlin – Rom

Nachdem Hitler Italien im Abessinien-Krieg unterstützt hatte, schlossen der italienische Außenminister Graf Ciano und der Reichaußenminister Von Neurath am 22. Oktober 1936 ein Abkommen über enge Zusammenarbeit beider Staaten und Regime. Der „Duce“ erklärte in einem Interview für den „Völkischen Beobachter“ vom 17. Januar 1937: „Wir haben die Achse Berlin-Rom geschmiedet.“

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Die Freundschaft zwischen den beiden Regimen wurde auf Briefmarken propagandistisch unterstrichen. Der einfache Wehrmachtssoldat bekam die „Tornisterschrift“ von Benito Mussolini mit dem Titel  „Der Geist des Faschismus“ eingepackt.

Mussolini: Freundschaft zwischen zwei Demokratien

Am 25. September 1937 traf der „Duce“ Benito Mussolini zu einem Gegenbesuch in München ein. Er wurde feierlich empfangen. Hitler war über den Besuch erfreut, denn er sah sich von dem faschistischen Regime und von Mussolini als ebenbürtig anerkannt. Die Bevölkerung „jubelte den beiden größten Staatsmännern der Gegenwart“ zu, wie das Münchner „8 Uhr-Blatt“ schrieb.

32 Mussolini 1937 München33 M in Mü b

Mussolini ernannte daraufhin den „Führer“ zum „Ehrenkorporal der Faschistischen Miliz“ und „hat ihm damit die höchste Würde und Ehre verliehen, die die Faschistische Bewegung zu vergeben hat.“ („8 Uhr-Blatt“, München, 26. September 1937)

34 Ehrenkorporal35 M in Be a

Den krönenden Abschluss fand der Staatsbesuch in Berlin, wo Mussolini am 28. September 1937 auf dem Maifeld eine Rede hielt, in welcher er der Welt versicherte, dass es sich bei Faschismus und Nationalsozialismus um demokratische Systeme handle.

Er betonte die Freundschaft zwischen Italien und Deutschland. Er erklärte: „Weder in Deutschland noch in Italien besteht eine Diktatur, sondern es bestehen Kräfte und Organisationen, die dem Volke dienen. Keine Regierung, in keinem Teil der Welt, hat die Zustimmung des Volkes in solchem Maße wie die Regierungen Deutschlands und Italiens. Die größten und echtesten Demokratien, die die Welt heute kennt, sind die deutsche und die italienische.“

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„8 Uhr-Blatt“, München, 29. September 1937

Hitler: Die unantastbare ewige Grenze!

Am 2. Mai 1938 traf Adolf Hitler zu seinem zweiten Staatsbesuch in Italien in einem Sonderzug am Brenner ein und wurde von dem Herzog von Pistoia, einem Vetter des italienischen Königs Vittorio Emanuele III. begrüßt.

Bei der Weiterfahrt nach Rom ließ Hitler die Vorhänge vor den Fenstern seines Salonwagens während der Fahrt durch Südtiroler Gebiet zuziehen.

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Da konnte er gar nicht sehen, wie schön die Faschisten die Bahnhöfe (hier im Bild der Bahnhof von Sterzing, das nun „Vipiteno hieß) für ihn geschmückt hatten.

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Erst nach Verlassen des Südtiroler Bodens sah der „Führer“ in den Bahnstationen zum Fenster hinaus und ließ sich von den begeisterten Faschisten zujubeln.

In Rom feierten der „Duce“ und der „Führer“ am 7. Mai 1938 nach einer Reihe von Veranstaltungen und Paraden bei einem Abendessen im Palazzo Venezia in Rom die deutsch-italienische Freundschaft.

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Hitler und Mussolini in Rom

Hitler unterstrich in einem Trinkspruch die faschistische These von der naturgegebenen Alpengrenze. Er sagte: „Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, dass es … die von der Natur zwischen uns beiden aufgerichtete Alpengrenze für immer als eine unantastbare ansieht, die die Vorsehung und Geschichte unseren beiden Völkern ersichtlich gezogen haben.“ (Zitiert nach: Paul Bruppacher: „Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP“, Teil 2: 1938 bis 1945“, 2. Auflage, Norderstedt 2013, S 39)

Der „Stahlpakt“ für den Untergang

Am 22. Mai 1929 schlossen das Deutsche Reich und das Königreich Italien zur Besiegelung ihrer unzerstörbaren Freundschaft einen militärischen Beistandspakt, der als „Stahl-Pakt“ in die Geschichte einging.

43 Stahlpakt Berlin 22 05 39

Mit diesem Abkommen verpflichteten sich beide Seiten, dem jeweiligen anderen Partner militärisch zu Hilfe zu kommen, wenn dieser „in kriegerische Verwicklungen mit einer anderen Macht oder anderen Mächten gerät“.

Der Bündnisfall war diesem Abkommen zufolge auch dann gegeben, wenn einer der Bündnispartner einen Angriffskrieg begann, ohne zuvor die Zustimmung des anderen Partners einzuholen.

Dieser Vertrag bewirkte, dass Hitler keineswegs den Rücken im Süden frei bekam, sondern dass er ohne vorherige Konsultationen in die imperialistischen Eroberungsabenteuer Mussolinis in Albanien, Griechenland und Nordafrika mit verwickelt wurde. Für die Briten bedeutete der Vertrag eine verstärkte und unmittelbare Bedrohung ihrer Stellung im Mittelmeer, verbunden mit einer Gefährdung ihrer Nachschublinien zu nahezu allen Gebieten des Empire. Das trug nicht zur Stärkung der ohnedies schwachen Friedensliebe Londons bei, sondern gab den Kriegsbefürwortern Auftrieb.

Die Deutsche Wehrmacht musste nun im Mittelmeerraum einschließlich Nordafrikas überall dort eingreifen, wo der militärisch wenig taugliche italienische Bündnispartner Prügel bezog.

44 HJ Jungfaschisten Brenner Mai 1939

Wie die Tageszeitung „Dolomiten“ am 24. Mai 1939 berichtete, wurde die „Stählerne Schicksalsgemeinschaft“ mit einem großen Treffen faschistischer und nationalsozialistischer Jugendverbände am Brenner gefeiert.

Das letzte Kapitel: Option und Bevölkerungsaustausch als endgültige „Lösung“ der Südtirol-Frage

Nach wie vor war Südtirol ein Stolperstein auf dem gemeinsamen Weg der beiden Diktatoren in das Unglück ihrer Völker.

Die Bevölkerung Südtirols hatte sich als weitgehend resistent gegen alle „Umvolkungs“-Bestrebungen erwiesen.

Der katholische Klerus Südtirols mit dem Brixener Fürstbischof Johannes Geisler an der Spitze hatte sich dabei als Fels in der Brandung erwiesen.

In Südtirol sicherte die Kirche den deutschen Gottesdienst, den deutschen Religionsunterricht und einen Restbestand an deutschem Vereinsleben. Mit Unterstützung zahlreicher Priester förderte sie den heimlichen „Katakombenunterricht“ und die kulturelle Tätigkeit katholischer Jugendgruppen.

Mit der Hilfe der Priester: Geheimer Schulunterricht in deutscher Sprache im Wald
Mit der Hilfe der Priester: Geheimer Schulunterricht in deutscher Sprache im Wald

Um dem ein Ende zu bereiten, vereinbarten am 23. Juni 1939 nationalsozialistische und faschistische Delegierte unter dem Vorsitz des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, bei einem geheimen Treffen im Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei in Berlin die Umsiedlung der Südtiroler.

45 Aktenvermerk OptionDas Dokument ist zur Gänze wiedergegeben in: Benedikt Erhard (Hrsg.): „Option Heimat Opzioni – Eine Geschichte vom Gehen und vom Bleiben“, Wien 1989, S. 139

Die Umsiedlung sollte in noch nicht festgelegte, unter der Herrschaft des Deutschen Reiches stehende Gebiete erfolgen. Der Umsiedlung sollte eine Willenserklärung der Betroffenen vorausgehen, ob sie auswandern, oder im Lande verbleiben wollten.

Das bedeutete, dass die Südtiroler sich entscheiden mussten, entweder

  • in der Heimat zu bleiben und auf die Bewahrung von Sprache und Volkstum zu verzichten, oder
  • auszuwandern, die Heimat aufzugeben, dabei aber das Volkstum zu bewahren

Diese Frage sollte die Volksgruppe zutiefst spalten und zu heftigen Auseinandersetzungen führen, deren Vernarbungen heute noch erkennbar sind.

86 Prozent der Südtiroler sollten sich für die Bewahrung ihrer angestammten Sprache und Kultur entscheiden.

47 Option 2

48 Option 4

49 Abschied Heimal 1939

Dass in der Folge nur ein Teil der Optanten abwandern musste, war nicht auf die Großzügigkeit Roms zurückzuführen, sondern auf die Kriegsereignisse, die eine weitere Durchführung dieser Art von Vertreibung aus der eigenen Heimat beendeten.

Für die Südtiroler war das ein Glück. Für das deutsche Volk insgesamt und für eine Reihe anderer Völker bedeutete dieser Krieg die denkbar größte Katastrophe.

Dass nach 1945 ein großer Teil der Ausgesiedelten wieder zurückkehren konnte, war ebenfalls nicht der Großzügigkeit Roms zu verdanken, sondern dem Druck der Alliierten, die ansonsten eine Eskalation der Lage befürchteten.

Zum Abschluss sei auf eine Seltsamkeit hingewiesen:

 Zu den Verteidigern der faschistisch-nationalsozialistischen „Lösung“ der Südtirol-Frage zählen heute auch einige Personen und Kräfte, die sich selbst bei jeder Gelegenheit als „antifaschistisch“ und „antinazistisch“ darstellen.

 Hier endet die rationale Diskussion.

 (Eine genauere Darstellung der „Option“ und Umsiedlung muss einer eigenen Dokumentation vorbehalten bleiben.)




Peinliche Fragen an den Landeshauptmann

Leugner von „Partisanen“-Verbrechen als Zeitgeschichte-Lehrer an Südtirols Schulen?

Nachdem der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher am 28. April 2016 eine Vereinbarung mit dem Präsidenten der Nationalen Italienischen Partisanenvereinigung ANPI, Orfeo Donatini, hatte unterzeichnen lassen, in welcher diesem Partisanen-Traditionsverband ein weitgehendes Mitgestaltungsrecht bei dem Zeitgeschichte-Unterricht an Südtirols Schulen eingeräumt wurde, muss sich die Südtiroler Landesregierung im Landtag nun peinliche Fragen gefallen lassen.

Plakat und Gedenken
Bild links: So verherrlichten sich die kommunistischen Partisanen auf Plakaten im Nachhinein selbst. Bild rechts: Gedenken von Angehörigen im Jahre 2013 an ein kleines 13jähriges Mädchen, welches Ende April 1945 das Opfer („vittima“) der Barbarei („delle barbarie“) sogenannter „Partisanen“ geworden war.

Partisanen mit geballter Faust
In einer oberitalienischen Industriestadt: Italienische Nachkriegs-„Partisanen“. Die geballte Faust ist der traditionelle kommunistische Gruß.

Am 18. Mai 2016 brachte der freiheitliche Landtagsabgeordnete Pius Leitner nachstehende Anfrage im Landtag ein:

Bozen, den 18. Mai 2016

A N F R A G E

Vereinbarung mit der Nationalen Italienischen Partisanenvereinigung ANPI Mitgestaltungsrecht bei dem Zeitgeschichte-Unterricht an Südtirols Schulen

Landeshauptmannstellvertreter Christian Tommasini hat am 28. April 2016 mit Zustimmung der Landesregierung eine Vereinbarung mit der Nationalen Italienischen Partisanenvereinigung ANPI unterzeichnet, mit welcher diesem Partisanen-Traditionsverband ein weitgehendes Mitgestaltungsrecht bei dem Zeitgeschichte-Unterricht an Südtirols Schulen eingeräumt wird.

Bis heute verschweigt die ANPI in ihren Publikationen aber die grauenhaften Massenmorde an Zivilisten durch zumeist kommunistische Partisanen unmittelbar nach Kriegsende.

Die damalige kommunistisch gesteuerte Terrorwelle samt Raub, Diebstahl, Vergewaltigungen und Mord mit zehntausenden Todesopfern unter der wehrlosen Zivilbevölkerung ist in der Zeitgeschichte eine dokumentierte Tatsache.

Beispiel: Namensliste von 130 katholischen Priestern, die von den kommunistischen Nachkriegs-Partisanen im Veneto und in Istrien abgeschlachtet worden sind, unter denen sich auch ein vierzehnjähriger Seminarist befand.

Die Partisanenvereinigung ANPI verschweigt auch bis heute die Untaten sogenannter Partisanen, die unmittelbar nach Kriegsende nach Südtirol hereinbrachen und in Salurn, Bozen, Naturns und an anderen Orten raubten, plünderten und in Gröden auch mordeten.

Die Täter wurden so gut wie nie belangt, weil die Generalamnestie von 1946 sie der Gerechtigkeit und Sühne entzog. Auch diese Fakten sind in der Zeitgeschichtsdarstellung heute ausführlich dokumentiert.

Die Landesregierung wird im Sinne der Geschäftsordnung um die schriftliche Beantwortung folgender Fragen ersucht:

  1. Ist der Landesregierung bekannt, dass es sich bei der ANPI um eine Organisation handelt, welche sich als Traditionsverband auch sogenannter Nachkriegs-„Partisanen“ sieht, die 1945 kommunistisch inspirierte Massenverbrechen an der Zivilbevölkerung begangen haben?
  1. Ist der Landesregierung bekannt, dass die ANPI bis heute diese in ganz Italien aber auch in Südtirol begangenen Raubtaten und Morde nicht verurteilt und sich nicht öffentlich von den Tätern und den Taten distanziert hat?
  1. Ist die Landesregierung der Meinung, dass man solch einen Verband damit beauftragen kann, das Geschichtsbild der Südtiroler Jugend zu formen?
  1. Findet es die Landesregierung nicht angebracht, angesichts der fehlenden Qualifikation der ANPI sowie angesichts ihrer fehlenden Distanzierung von den Raub- und Mordtaten sogenannter kommunistischer “Partisanen“ den geschlossenen Vertrag zu widerrufen und eine seriöse Aufarbeitung dieses Geschichtsabschnitts durch anerkannte Historiker zu veranlassen?

L. Abg. Pius Leitner

Partisanen maschieren

Ihre Körper wurden in Karst-Dolinen oder, so wie hier in Huda Jama, in Bergwerkstollen geworfen
Kommunistische italienische Partisanen marschierten am 8. Mai 1945 auf einer „Siegesparade“ in Pola hinter einer Tricolore mit Sowjetstern. Sie hatten im slowenischen und kroatischen Küstenland an der Seite der Tito-Partisanen gekämpft. Unzählige Slowenen und Kroaten, aber auch mehr als 20.000 italienische Zivilisten wurden im Küstenland umgebracht. Ihre Körper wurden in Karst-Dolinen oder, so wie hier in Huda Jama, in Bergwerkstollen geworfen. In diesem Stollen, dessen zugemauerten Zugang vor einigen Jahren einstürzte, fanden sich die Überreste von mehr als 700 Ermordeten.

Partisanen feiern

Partisanen mit Flagge
Die obigen Bilder zeigen kommunistische „Garibaldi-Partisanen“ in Reggio Emilia, die nach dem Krieg gefahrlos unter der italienischen Zivilbevölkerung wüteten.

Ein Opfer der Brigata Garibaldi
Ein Opfer der „Brigata Garibaldi“.

SVP-Parteiorgan „Volksbote“:
In Südtirol gab es keine italienischen Partisanen!

Weiß der Herr Landeshauptmann Kompatscher überhaupt, was sein Parteiorgan „Volksbote“ im Jahr 1945 über die sogenannten italienischen „Partisanen“ in Südtirol geschrieben hat?

Der „Volksbote“, das Organ der SVP, schrieb am 15. November 1945:

„Was aber den aktiven Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft anbelangt, so müssen wir einmal feststellen, dass wir vor dem Waffenstillstandsvertrag nie einen italienischen Partisanen in Südtirol gesehen haben.

Und die Herren, die sich nach dem 3. Mai 1945 als Partisanen gebärdet haben, können wir wirklich nicht als solche anerkennen.“

Volksbote1Volksbote2Voksbote3

Dass es in Südtirol keine einheimischen italienischen Partisanen gab, versteht jeder, der die Landesgeschichte ein wenig kennt und daher auf die heutigen Märchenerzählungen der italienischen „Partisanen“-Verbände nicht hineinfällt.

Die in der Faschistenzeit zum Zweck der Majorisierung der Südtiroler aus dem Süden herangekarrten Italiener waren entweder eingeschriebene Faschisten oder deren treue Parteigänger. Das waren keine antifaschistischen Partisanen, auch wenn einige von ihnen aus ethnisch motiviertem Hass sofort nach Kriegsende gefahrlos auf heimkehrende deutsche Soldaten und Südtiroler Zivilisten schossen.

Heute leben nur noch wenige Zeitzeugen. Daher können auch solche Faschisten von Märchenerzählern als „Partisanen“ vereinnahmt und verherrlicht werden.

Nach Kriegsende drangen allerdings aus den benachbarten italienischen Provinzen sogenannte „Partisanen“ ins Land und verübten Verbrechen an der ladinischen und deutschen Bevölkerung. Es handelte sich hierbei zumeist um kommunistische Terrortrupps oder um Räuberbanden. Es kam zu Diebstählen, Raubüberfällen, Misshandlungen, Menschenverschleppungen und Morden.
Diese im Nordtiroler Landesarchiv ausführlich dokumentierten Taten sind nicht rühmenswert und sollten auch der Südtiroler Schuljugend nicht vorbildhaft nahe gebracht werden.

Es wäre gut gewesen, wenn der Herr Landeshauptmann sich vorher kundig gemacht hätte. Es gibt in Südtirol durchaus gute Historiker (ohne persönliche kommunistische Vergangenheit), die er hätte fragen können.

Dann hätte er als redlicher politischer Vertreter seiner Landsleute seine Zustimmung zu dem unglaublichen Pakt mit der italienischen Partisanenorganisation ANPI wohl nicht gegeben.

Aber noch ist es nicht zu spät.

Aufgrund der ihm bislang unbekannten, aber nun zugänglichen Fakten kann er den Vertrag widerrufen – falls er die innere Größe hat, seinen Irrtum auch eingestehen zu können.

Eine Mahnung aus Österreich:

FPÖ-Neubauer: Keine Partisanen-Vertreter an Südtirols Schulen ohne historische Aufarbeitung

Wien (OTS) – „Der Südtiroler Landeshauptmannstellvertreter Christian Tommasini hat am 28. April 2016 mit Zustimmung der Südtiroler Landesregierung eine Vereinbarung mit der Nationalen Italienischen Partisanenvereinigung ANPI unterzeichnet, mit welcher diesem Partisanen-Traditionsverband ein weitgehendes Mitgestaltungsrecht bei dem Zeitgeschichte-Unterricht an Südtirols Schulen eingeräumt wird“, berichtet der freiheitliche Südtirol-Sprecher NAbg. Werner Neubauer. „Es ist für mich einfach nicht nachvollziehbar, warum überhaupt irgendein Verein ein Mitgestaltungsrecht für den Schulunterricht haben soll, gänzlich undenkbar ist für mich, dass dies ein Verein sein soll, der bis heute in seinen Publikationen die grauenhaften Massenmorde an Zivilisten durch zumeist kommunistische Partisanen unmittelbar nach Kriegsende verschweigt. Ebenso herrscht Stillschweigen über die Untaten sogenannter Partisanen, die unmittelbar nach Kriegsende nach Südtirol hereinbrachen und vielerorts raubten, plünderten und in Gröden auch abscheuliche Mordtaten begingen“, sagte Neubauer.

„Die damalige kommunistisch gesteuerte Terrorwelle mit Raub, Diebstahl, Vergewaltigungen und Mord mit zehntausenden Todesopfern unter der wehrlosen Zivilbevölkerung, ist eine dokumentierte Tatsache. Es ist daher unverantwortlich, dass Organisationen, die solche dokumentierten Tatsachen verschweigen, Einfluss auf den Geschichte-Unterricht nehmen sollen. Daran ist nach allen Regeln der Vernunft frühestens dann zu denken, wenn diese Verbände ihre Vergangenheit endlich aufgearbeitet haben und die Gräueltaten ihrer Vorgänger nicht länger verschweigen“, so Neubauer.

„Ich erwarte mir die Einsetzung einer Historikerkommission und eine klare Distanzierung der ANPI-Verantwortlichen von den Gräueltaten der Vergangenheit“, so Neubauer, der sich freut, dass die Freiheitlichen Südtirols in der Angelegenheit eine Anfrage an Landeshauptmann Kompatscher gerichtet haben.“ (Quelle: Presseaussendung des Freiheitlichen Parlamentsklubs, vom 19.05.2016)




Heimat in Bewegung – Unabhängigkeitstag in Bruneck

Der Südtiroler Schützenbund hatte gerufen und mehr als 10.000 Menschen waren am 15. Mai 2016 nach Bruneck gekommen, um das öffentliche Bekenntnis „Los von Rom!“ abzulegen.

Es legten jedoch nicht nur die Bürger ein demokratisches Bekenntnis ab. Auch die politischen Parteien offenbarten sich: Während Vertreter der Südtiroler Oppositionsparteien „Süd-Tiroler Freiheit“ und „Freiheitliche“ in Bruneck anwesend waren und Flagge zeigten, hatte die auf Einklang mit Rom eingestimmte „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) sorgsam auf Distanz geachtet.

Von dem Angebot des Schützenbundes, so wie die anderen Parteien einen Informationsstand aufzustellen, hatte die SVP keinen Gebrauch gemacht. Wahrscheinlich hatte man damit unwillkommenen Debatten über den gegenwärtigen Kurs der einstigen „Sammelpartei der Südtiroler“ aus dem Weg gehen wollen.

In Rom hat jedenfalls niemand Anlass, ungehalten über die SVP zu sein. Und darauf scheint es einigen Leuten in erster Linie anzukommen.

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Bericht des Südtiroler Schützenbundes über den Unabhängigkeitstag in Bruneck:

BRUNECK – Mit weiß-roten Flaggen forderten tausende heimatliebende Menschen die Unabhängigkeit und die Freiheit ihres Landes. Die Devise lautete „Iatz“, so wie es die Tiroler im Volksmund ausdrücken. Die Südtiroler haben ein klares Ziel vor ihren Augen, sie fordern das lang ersehnte „Los von Rom“! Und diese Forderung hallte bei Sprechchören durch die Stadtgasse der Rienzstadt.

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Es war ein Volksfest der besonderen Art, ein stimmungsvolles Fest für Jung und Alt und zugleich eine atemberaubende Willensbekundung mitten im Pusterer Hauptort.

Abgesehen davon, dass die Südtiroler kulturell und sprachlich überhaupt nicht zu Italien gehören, haben die Menschen erkannt, dass es auch ohne Italien geht. Und dass Italien die eigene Entwicklung bremst. Sie sind überzeugt, dass es der Weg der Unabhängigkeit ist, den es zu beschreiten gilt.

Auch andere nach Unabhängigkeit strebende Völker aus ganz Europa waren dabei: Vertreter aus Katalonien, Flandern, Schottland, Venetien, Bayern, Triest, der Lombardei und dem Baskenland. Eines haben diese Völker alle gemeinsam: Sie gehören alle einem Staat an, der nicht der ihre ist. Sie wollen selbst über ihre Zukunft bestimmen. Seite an Seite kämpfen sie mit den Südtirolern für eine echte Freiheit ohne Fremdbestimmung.

Zu Beginn der Veranstaltung sorgte die Pusterer Musikgruppe Volxrock für eine ausgelassene Stimmung.

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Die deutschen Landtagsparteien stellten an Informationsständen ihre Zukunftsvisionen vor. Eine eigens herausgegebene Veranstaltungszeitung „iatz!“ informierte die Besucher über die Unabhängigkeitsbestrebungen und die verschiedenen Loslösungsmodelle. Der Gastgeber der Veranstaltung selbst, der Südtiroler Schützenbund, bekennt sich in seinen Statuten zur Selbstbestimmung und zur Einheit des Landes Tirol. Am Rathausplatz konnte man die Freiheitsgedanken der Besucher regelrecht spüren: „Es muss endlich etwas geschehen, so der breite Tenor. Die Südtiroler müssen selbst frei bestimmen können, wo und wie sie leben wollen. Wir schaffen es!“

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Das Programm des Volksfestes war umfangreich. Besondere Farbe verliehen der Veranstaltung Tiroler Volks- und Brauchtumsgruppen. Volkstanzgruppen, Schuhplattlergruppen, Alphornbläser, Böhmische Musikgruppen, Schwegler, Trommler, viele Goaßlschnöller und Ziachorglspieler, Sänger und viele mehr stellten ihr Können unter Beweis. An einem Schießstand konnten die Besucher ihr Auge üben. Auch die Jüngsten wurden bestens unterhalten.

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Beim Staffellauf kam auch der sportliche Aspekt nicht zu kurz. Aber nicht nur körperlich waren die Südtiroler in „Bewegung“, sie sind es besonders geistig, und sie sehen mit Zuversicht nach vorne.

Es folgten Grußworte der europäischen Völker. Der Baske Manu Gomez berichtete in seiner Muttersprache, dass das Referendum in Arrankudiaga zwar noch nicht die Unabhängigkeit des Baskenlandes gebracht hat, dass damit aber ein Schneeball ins Rollen gebracht wurde, der nicht mehr aufzuhalten ist.

Auch Shona McAlpine aus Schottland berichtete darüber, dass beim letzten Referendum nur ein kleiner Prozentsatz fehlte, um aus Schottland einen unabhängigen Staat zu machen, aber dass sich seither politisch viel getan habe. Gerade erst bei den Wahlen in der vergangenen Woche im Schottischen Parlament hätten die Unabhängigkeitsbefürworter die Mehrheit der Sitze gewonnen.

Anna Arqué aus Katalonien, die bereits im Februar in Meran anlässlich der Andreas-Hofer-Feier eine beeindruckende Rede gehalten hatte, bezeichnete Politiker, die vor den Nationalstaaten auf die Knie fallen und das internationale Recht auf Selbstbestimmung verneinen, als Gefahr für die Demokratie.

Bart De Valck, der Sprecher der flämischen Volksbewegung VVB, appellierte daran, dass die Wirtschaft zwar wichtig sei, die Eigenständigkeit stünde aber an erster Stelle. Ohne Eigenständigkeit gibt es keine Grundlage für Wohlstand und Wohlergehen“, so De Valck.

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Eine starke Abordnung der Flamen bezeugte in Bruneck ihren Freiheitswillen

 

Unter dem Motto „Heimat in Bewegung – Los von Rom“ zogen am Nachmittag tausende Tiroler durch die Stadtgasse und dem Graben von Bruneck, wo sich dem Auge ein beeindruckendes Fahnenmeer zeigte. Der Menschenzug übertraf alle Erwartungen.

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Immer wieder durch großen Beifall unterbrochen wurde anschließend die Rede des Landeskommandanten der Schützen Elmar Thaler, der mit Nachdruck kritisierte, wie sehr und in wie vielen Kernbereichen Südtirol immer noch vom guten Willen Roms abhängig sei. „Wir haben ein starkes Vaterland, und wir sind ja nach wie vor − zumindest kulturell − ein Teil Österreichs!“, betonte Thaler. Und genau da gelte es anzuknüpfen und weiterzudenken, denn es gebe sie nicht, die fertige Lösung, das perfekte Rezept für die Unabhängigkeit für unser Land. „Niemand weiß, was er kann, bevor er’s versucht, und niemand weiß, was er erreichen kann, wenn er nicht nach mehr strebt“, rief der Landeskommandant der Schützen in die begeisterte Menge und forderte von den Landleuten mehr Mut: „Wer etwas schaffen will, der muss zuversichtlich sein, der muss anpacken wollen, der muss etwas wagen!

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Landeskommandanten der Südtiroler Schützen: Elmar Thaler

Den offiziellen Abschluss des Unabhängigkeitstages 2016 machte die bekannte österreichische Musikgruppe „Die Seer“.

Dieser zweite Unabhängigkeitstag dieser Art übertraf alle Erwartungen. Über 10.000 Personen hatten im Laufe des Tages die Veranstaltung besucht. Es bleibt die Hoffnung, dass sich der „Ist-Zustand“ schon in absehbarer Zeit ändern wird. Unrechtsgrenzen können in Europa friedlich richtiggestellt werden, das hat die Geschichte bereits gelehrt. Auch Deutschland wurde 1989 unerwartet und entgegen aller Voraussagen wiedervereint. „Es braucht den Mut zum Bekenntnis, denn nichts ist für immer, und nichts ist für die Ewigkeit“, so das Fazit des Veranstalters des Unabhängigkeitstages, des Südtiroler Schützenbundes.

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