Anschluss 1938: Der Beginn einer Katastrophe – auch für Südtirol
Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen zusammen mit starken Sondereinheiten von Polizeikräften in Österreich ein, die sofort Verhaftungen und Deportationen „reichsfeindlicher“ Personen einschließlich Menschen jüdischer Abstammung vorzunehmen begannen.
Am 13. März 1938 beschloss nach dem Rücktritt des bisherigen Bundeskanzlers Dr. Schuschnigg die neue österreichische „Anschluss-Regierung“ unter Seyß-Inquart die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“
Adolf Hitler war bereits am 12. März 1938 in Linz eingetroffen, und setzte unter dem Beifall riesiger Zuschauermengen seinen Triumphzug nach Wien fort.
Die seit der Weltwirtschaftskrise in Elend lebenden Österreicher wussten von dem Wirtschaftsaufschwung im deutschen Reich, welcher durch die antizyklische Wirtschafts- und Investitionspolitik des Reichsbankpräsidenten und Reichswirtschaftsministers Hjalmar-Schacht angekurbelt worden war. Nun erwarteten sich die Menschen auch für Österreich Vollbeschäftigung und ein Ende der Not.
Hätten die Menschen geahnt, in welche Katastrophe Hitler sie und ganz Europa führen würde, wäre die Stimmung wohl eine andere gewesen.
Die seltsame Rolle der Bischöfe und des Sozialdemokraten Dr. Karl Renner
Um den Anschluss vor der Weltöffentlichkeit zu legitimieren, ordnete Hitler für den 10. April 1938 eine Volksabstimmung über den „Anschluss“ an.
Es ist heute üblich, nahezu ausschließlich das damalige Fehlverhalten der Masse der Bevölkerung zu verurteilen, ohne die Rolle der damaligen Führungspersonen in den verschiedenen politischen Lagern zu werten. Diese mussten jedoch mehr Kenntnisse als der Durchschnittsbürger über das Wesen des NS-Reiches besessen haben. Trotzdem kam es von deren Seite zu massiven Unterstützungen des Anschlusses – nicht an ein demokratisches Deutschland, sondern an die NS-Diktatur.
Die freudige Zustimmung der Bischöfe zu dem Wirken der NSDAP und zu dem Anschluss
Am 18. März übersandte Kardinal Innitzer eine Proklamation der österreichischen Bischöfe an den NS-Gauleiter Bürckel und schrieb in einem Begleitbrief: „Sie werden aus ihr (der Proklamation) sehen, dass wir Bischöfe aus freiem Willen und nicht gezwungen unsere nationale Pflicht erfüllt haben. Ich weiß, dass dieser Erklärung eine gute Zusammenarbeit folgen wird.“ Der Brief schloss mit „Heil Hitler“, vom Kardinal eigenhändig über seinen Namen geschrieben.
Die übermittelte Erklärung der Bischöfe lautete:
„Aus innerster Überzeugung und mit freiem Willen erklären wir unterzeichneten Bischöfe der österreichischen Kirchenprovinz anlässlich der großen geschichtlichen Geschehnisse in Deutsch-Österreich:
Wir erkennen freudig an, dass die nationalsozialistische Bewegung auf dem Gebiet des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie der Sozial-Politik für das Deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten Schichten des Volkes Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir sind auch der Überzeugung, dass durch das Wirken der nationalsozialistischen Bewegung die Gefahr des alles zerstörenden gottlosen Bolschewismus abgewehrt wurde.
Die Bischöfe begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren besten Segenswünschen und werden auch die Gläubigen in diesem Sinne ermahnen. Am Tage der Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständlich nationale Pflicht, uns als Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen, dass sie wissen, was sie ihrem Volk schuldig sind.
Wien, am 18. März 1938.
Unterzeichnet von Innitzer und Bischöfen Österreichs.“
Selbstverständlich ließ es sich die NS-Propaganda nicht nehmen, den Innitzer-Brief und die Erklärung der Bischöfe auf großen Plakaten in ganz Österreich zu verbreiten.
Dr. Karl Renner: Öffentliches JA zum Anschluss!
Der in der Zeit des Ständestaates von der politischen Tätigkeit ausgeschlossene ehemalige sozialdemokratische Staatskanzler Dr. Karl Renner war immer noch eine bedeutende Persönlichkeit und eine politische Ikone seiner Genossen.
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen ergriff Dr. Renner selbst die Initiative und bot von sich aus den neuen Machthabern die propagandistische Unterstützung des Anschluss-Projektes an. Am 3. April 1938 erschien in der Tageszeitung „Neues Wiener Tagblatt“ ein Interview mit Renner, welches nicht anders als eine Aufforderung verstanden werden konnte, bei der bevorstehenden Volksabstimmung mit „JA“ zu stimmen.
Renner erklärte unter anderem:
„Ich habe als erster Kanzler Deutschösterreichs am 12. November 1918 in der Nationalversammlung den Antrag gestellt und zur nahezu einstimmigen Annahme gebracht: ‚Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik.‘
Ich habe als Präsident der Friedensdelegation zu St-Germain durch viele Monate um den Anschluß gerungen … seit 1919 in zahllosen Schriften und ungezählten Versammlungen im Lande und im Reiche den Kampf um den Anschluß weitergeführt.
Obschon nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne, errungen, ist der Anschluß nunmehr doch vollzogen, ist geschichtliche Tatsache, und diese betrachte ich als wahrhafte Genugtuung für die Demütigungen von 1918 und 1919, für St-Germain und Versailles.
Ich müßte meine ganze Vergangenheit als theoretischer Vorkämpfer des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen wie als deutschösterreichischer Staatsmann verleugnen, wenn ich die große geschichtliche Tat des Wiederzusammenschlusses der deutschen Nation nicht freudigen Herzens begrüßte. …
Als Sozialdemokrat und somit als Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen, als erster Kanzler der Republik Deutschösterreich und als gewesener Präsident ihrer Friedensdelegation zu St-Germain werde ich mit Ja stimmen.“
Karl Renner musste zu diesem Zeitpunkt gewusst haben, dass die Führungsebene der Sozialdemokratie im Reich bereits in den Konzentrationslagern saß. Er musste von den Judenverfolgungen gewusst haben. Ihm konnte insgesamt nicht entgangen sein, dass es sich 1938 nicht um einen Anschluss Österreichs an ein demokratisches und föderalistisches Deutschland handelte, sondern um den Anschluss an eine sich immer hemmungsloser entwickelnde Diktatur.
Für Renner selbst hatte seine Erklärung die angenehme Folge, dass er während des gesamten Krieges von der Gestapo unbehelligt blieb, in kein Konzentrationslager verschleppt wurde und somit nach Kriegsende wieder als sozialistischer Spitzenpolitiker zur Verfügung stehen konnte.
Renner nach dem Krieg: Das „JA“ zum Anschluss war eine sozialrevolutionäre Handlung gegen den Nationalsozialismus gewesen
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Dr. Karl Renner sein Verhalten auf skurrile Weise zu rechtfertigen versucht. In seinem Nachlasswerk „Österreich von der Ersten zur Zweiten Republik“ (Bd. II, Wien 1953, S. 202f) erklärte Renner, dass sein opportunistisches Verhalten eigentlich klassenkämpferisch-sozialrevolutionär motiviert gewesen sei. Man habe sich im engen Kreis beraten und sei zu folgender Schlussfolgerung gelangt: Die Arbeiterklasse müsse zuerst die NS-Herrschaft erleben, um dann von ihr enttäuscht zu werden. Dann würde sie entschlossen den Kampf aufnehmen. Durch „diese Beratungen im engen Kreis“ ermutigt, habe Renner dann seine Erklärung abgegeben.
Das Abstimmungsergebnis
Nach damaligen offiziellen Angaben hatten 4,45 Millionen Menschen abgestimmt und 99,7 Prozent hatten für den Anschluss gestimmt. An die 360.000 Menschen waren allerdings aus rassischen, politischen oder anderen Gründen von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen. (Angaben aus: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 523)
Das von den Bischöfen und von „politischen Vorbildern“ wie Dr. Karl Renner so tatkräftig geförderte Ergebnis war natürlich Wasser auf die Mühlen der NS-Propaganda gewesen.
Es verwundert nicht, dass in diesem Gedenkjahr die meisten Politiker und Publizisten die Rolle der damaligen Protagonisten verschwiegen haben und sich lieber über das Fehlverhalten des einfachen Volkes verbreitert haben. Eine rühmliche Ausnahme bildet hier allerdings der ehemalige Salzburger ÖVP-Landeshauptmann und Historiker Univ.-Prof. Dr. Franz Schausberger, welcher am 7. März 2018 in der „Wiener Zeitung“ einen Gastbeitrag über den Anschluss unter dem Titel „Deutschnational waren sie irgendwie alle – Die Rolle der österreichischen Parteien von dem ‚Anschluss‘ 1938“ veröffentlichte, in welchem er Renners Rolle nicht verschwieg: „Renner bot den Nazis sogar an, in einer Plakataktion und in Zeitungen Propaganda für ein ‚Ja‘ bei der ‚Anschluss‘-Abstimmung zu machen.“
Die große Täuschung und der Weg in die Katastrophe
Auch in Nordtirol und Südtirol wurde der Anschluss auch von zahlreichen Menschen begrüßt, welche selbst ideologisch mit dem Nationalsozialismus nichts gemein hatten.
In seinem Parteiprogramm hatte Hitler „den Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker“ gefordert gehabt.
Nun stand Deutschland am Brenner und daher war die Erwartungshaltung groß, dass bald auch die Rückkehr Südtirols in ein gemeinsames Vaterland zu erwarten sei. In Tirol verbreitete sich das möglicher Weise bewusst in Umlauf gesetzte Gerücht, Italien habe Südtirol bedingungslos an Deutschland abgetreten. Diese Mär gelangte bis nach Südtirol, wo auf den Bergen Freudenfeuer entfacht wurden.
Als nach wenigen Tagen der Gauleiter Hofer das Gerücht dementierte, schlug die Stimmung um. In Innsbruck bedrohten Menschenmengen das italienische Konsulat und mussten durch die Polizei zerstreut werden.
Hitler war Mussolini dankbar und ergeben
Was die Menschen bislang nicht gewusst hatten, war, dass Hitler sein großes Vorbild Mussolini abgöttisch bewunderte und diesem zutiefst ergeben war.
Hitler hatte sowohl ideologisch wie symbolisch den Faschismus komplett kopiert. Dies äußerte sich in der Übernahme der Bezeichnung „Duce“-„Führer“ ebenso, wie im Nachäffen der Äußerlichkeiten. Aus dem „Saluto Romano“, dem „Römischen Gruß“, wurde der „Deutsche Gruß“. Die SA trug nach faschistischem Vorbild „römische“ Standarten und das Braunhemd analog zu dem faschistischen Schwarzhemd.
Was die Menschen ferner nicht wussten, war, dass Hitler bereits seit Jahren immer wieder in Gesprächen mit italienischen Diplomaten und Politikern um eine enge Zusammenarbeit mit Mussolini geworben und dabei mehrfach versichert hatte, er verstehe es, dass die Aufrechterhaltung der Brennergrenze für Italien unerlässlich sei.
Was die Menschen nun bei Hitlers Einmarsch nicht wussten, war, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Vertrauensmann Hitlers in Rom bei dem Diktator Benito Mussolini weilte. Es war dies Prinz Philipp von Hessen, ein Schwiegersohn des italienischen Königs und Gruppenführer der SA sowie Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP.
Am 11. März 1938 überreichte der Prinz dem Duce Mussolini einen Brief Hitlers, in welchem Hitler mitteilte: „Ich ziehe jetzt eine klare Grenze gegenüber Italien. Es ist der Brenner. Diese Entscheidung wird niemals weder in Zweifel gezogen noch angetastet werden.“ (Aus den Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 21)
Gleichzeitig informierte der Prinz den italienischen Diktator darüber, dass Hitler nun in Österreich einmarschiert sei, um den Anschluss zu vollziehen. Mussolini reagierte freundschaftlich.
Umgehend ließ Prinz Philipp eine Telefonverbindung aus Rom zu Adolf Hitler in Linz herstellen, welcher hasardiert und bis zuletzt nicht gewusst hatte, ob Italien gegen seinen Einmarsch in Österreich nicht doch militärisch reagieren würde.
Prinz Philipp berichtete Hitler, er käme soeben zurück aus dem Palazzo Venezia, dem Regierungssitz Mussolinis. Der Duce habe die ganze Sache sehr freundlich aufgenommen und er lasse Hitler herzlich grüßen.
Hitler fiel ein Stein von der Brust. Er erwiderte: „Dann sagen Sie Mussolini bitte, ich werde ihm das nie vergessen. … Nie, nie, nie. Wenn die österreichische Sache jetzt aus dem Weg geräumt ist, bin ich bereit, mit ihm durch dick und dünn zu gehen, das ist mir alles gleichgültig. … ich mache jetzt auch jedes Abkommen -, ich fühle mich jetzt auch nicht mehr in der furchtbaren Lage, die wir doch eben militärisch hatten für den Fall, daß ich in den Konflikt gekommen wäre. Sie können ihm jetzt nur mal sagen, ich lasse ihm wirklich herzlich danken, ich werde ihm das nie, nie vergessen … Ich werde ihm das nie vergessen.“ (Das Gespräch ist als Niederschrift überliefert in den Akten des Internationalen Militärtribunals Nürnberg und wiedergegeben in: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 280f)
Anfang Mai 1938 besuchte der dankbare Hitler seinen Freund Mussolini in Rom. Am 9. Mai 1938 berichtete das Parteiorgan „Völkischer Beobachter“, was Hitler am 7. Mai 1938 in einer Rede in Rom verkündet hatte:
„Belehrt durch die Erfahrung zweier Jahrtausende wollen wir beide, die wir nun unmittelbare Nachbarn geworden sind, jene natürliche Grenze anerkennen, die die Vorsehung und die Geschichte für unsere beiden Völker ersichtlich gezogen haben. Sie wird dann Italien und Deutschland, durch die klare Trennung der Lebensräume der beiden Nationen, nicht nur das Glück einer dauernden Zusammenarbeit ermöglichen, sondern auch als Brücke gegenseitiger Hilfe und Unterstützung dienen. Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, daß es deshalb die von der Natur zwischen uns beiden aufgerichtete Alpengrenze für immer als eine unantastbare ansieht.“ (Wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 26)
Das Raubgut als „Brücke“ der Verständigung
Bereits in dieser Äußerung Hitlers ist die auch heute so oft zu hörende Propagandaformel enthalten, wonach Raubgut als „Brücke“ der Verständigung zwischen Räuber und Beraubtem dienen solle.
Der Gott sei Dank unvollendet gebliebene Ethnozid
Hitler hatte den Weg freigegeben, eine „endgültige Lösung“ der Südtirol-Frage durch Ethnozid, einen kulturellen Völkermord ohne körperliche Vernichtung der Betroffenen, herbei zu führen.
Es war dies das Projekt der „Option“ mit anschließender Umsiedlung der „Geher“ in das Reich und Italianisierung der „Bleiber“.
Im Auftrag Hitlers begannen hochrangige NS-Funktionäre hinter den Kulissen mit Rom das kommende Optionsabkommen auszuhandeln. Mit dessen Vollzug sollten die Südtiroler 1939 dann vor eine schreckliche Entscheidung gestellt werden: Verlust der Heimat und Erhaltung des Volkstums oder Verbleib in der Heimat bei Verlust des Volkstums.
Die Option sollte unendliches Leid über die deutsch-ladinische Volksgruppe bringen und diese auch spalten.
Etwa 76 000 von etwa 211 000 Südtiroler, die für das Reich optiert hatten, wurden über den Brenner ausgesiedelt, dann stoppten die Kriegsereignisse diese schreckliche Aktion, an welche später eine Postkarte exilierter Südtiroler erinnerte.
Von den Ausgesiedelten konnte nach dem Krieg bis 1952 nur rund ein Drittel wieder in die Heimat zurückkehren.
Das schwierige Gedenken an Andreas Hofer
Die Offenbarung der Gesinnungen auf den Andreas Hofer-Feiern
Wie kann man des Freiheitshelden Andreas Hofer gedenken, ohne sich zu Freiheit, Selbstbestimmung und Landeseinheit in der heutigen Zeit zu bekennen?
Einige Politiker haben sich in diesem Jahr anlässlich der Gedenkfeiern mit dieser Frage auseinander gesetzt und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt.
Um den 20. Februar werden in Tirol bis heute Gedenkveranstaltungen abgehalten. Zu den Südtiroler Andreas Hofer-Feiern des Jahres 2017 hatte der Südtiroler SchützenbundVertreter verschiedener politischer Richtungen als Redner eingeladen und damit eine die Parteien überspannende Öffentlichkeit mit der Tiroler Landesgeschichte und dem Thema der Landesteilung konfrontiert.
Die Ansprachen waren interessant, denn hier wurde offenbar, welche Kenntnisse über die Landesgeschichte und welche Betrachtungsweisen gegeben waren.
Hier können nur einige Beispiele aus der Vielzahl der Feiern angeführt werden.
Die Landesgedenkfeier in Meran
Der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Elmar Thaler, erinnerte am 19. Februar 2017 in seiner Ansprache bei der Andreas-Hofer-Landesgedenkfeier in Meran sowohl an Andreas Hofer als auch an den Dichter Julius Mosen.
Thaler hob hervor, dass Andreas Hofer sich immer wieder gegen die Fremdherrschaft aufgelehnt habe. Auch die Schützen würden dies tun, indem sie versuchen, die Zukunft des Landes als einfache Bürger mitzugestalten. Der Europäischen Union würde es derzeit jedoch nicht gelingen, die Vorzüge der Regionalität mit dem Gedanken der europäischen Einigung zu verknüpfen. Nichts sei aber endgültig geregelt, was nicht gerecht geregelt sei. Das galt zu Hofers Zeiten und gelte auch heute.
Auf die von den politischen „Grünen“ vom Zaun gebrochene öffentliche Debatte über den Verbleib der christlichen Kreuze in den Schul-Klassenzimmern eingehend, sagte Thaler: „In der Diskussion der vergangenen Wochen, um Identität, um Symbole, die uns wichtig sind, passt es nun ganz gut, wenn wir, anstatt darüber zu sinnieren, was wir in Zukunft alles ändern könnten, welche Zeichen wir in den Klassenzimmern auf- und abhängen, ganz einfach Taten folgen lassen. Und die Gedenkfeier mit einem Wortgottesdienst beginnen.“
Der Schützen-Landeskurat Pater Christoph Waldner rief in diesem Gottesdienst dazu auf, für das Land und all die Frauen und Männer zu beten, die ihr Leben für den Glauben, ihr Land und das Volk eingesetzt hatten. Der Kurat ging dann auf Julius Mosen, den Dichter der Tiroler Landeshymne, ein und sagte: Die Hymne „beschreibt mit dem Sterben unseres Sandwirtes auch seinen besonderen Mut, die Treue zu seinem Volk und sein Gottvertrauen.“
Dann trat der österreichische Ex-Nationalratsabgeordnete DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) aus Völs in Nordtirol an das Rednerpult und legte ein bemerkenswertes Bekenntnis ab:
„Die Forderung nach Selbstbestimmung gibt es seit 1918, seit Südtirol von Österreich getrennt und Tirol geteilt wurde.“Es könne in Zukunft auch eine Situation eintreten, in welcher eine Region Tirol vorstellbar wäre oder es zu einer Weiterentwicklung zu einem Europa komme, in dem neue Verwaltungseinheiten und politische Einheiten entstehen könnten. „Sollte Südtirol die Schutzmacht Österreich brauchen, wir werden immer dazu bereit sein“, versprach der SPÖ-Politiker.
Das waren Äußerungen, die in der staatsmännischen Tradition eines Dr. Bruno Kreisky standen und von den Anwesenden mit Freude gehört wurden.
Weitere Höhepunkte der von der Kapelle St. Pankraz musikalisch umrahmten Feier waren die Ehrensalven und die Kranzniederlegung vor dem Andreas Hofer-Denkmal in Meran.
Kompatschers Rede und sein Schneckenhaus
Eine ganz andere Rede hielt der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher(SVP) am 19. Februar 2017 bei der Andreas-Hofer-Feier in dem 400 Seelen-Dorf Penon, an der Südtiroler Weinstraße des Unterlandes.
Er sagte: „Bei der Andreas-Hofer-Feier in Meran sind genügend andere Leute. Außerdem hat man mich nach Penon eingeladen – mit dem Auftrag, die Festrede zu halten.“
Statt auf Hofers Einsatz für Freiheit und Selbstbestimmung des Volkes einzugehen, kritisierte ihn Kompatscher: Der Freiheitskämpfer und Volksheld Andreas Hofer stehe vor allem für Konservatives, „für ein Sich-Verschließen gegenüber Neuerungen.“
Und dann kamen unverbindliche Allgemeinplätze wie diese: „Wir dürfen uns nicht in ein Schneckenhaus zurückziehen, denn im Schneckenhaus gibt es keine Freiheit. Dort gibt es keinen Platz für Freiheit.“ Die Südtiroler seien verwurzelt in Tradition und Heimat. Sie könnten „dadurch gefestigt und mit Selbstbewusstsein können Neuem offen und tolerant begegnen. Das heißt aber nicht, tolerant mit Intoleranten zu sein“, und so fort und so weiter. (Zitiert nach „Dolomiten“ vom 20. Februar 2017)
Die Penoner und vor allem die versammelten SVP-Funktionäre dankten mit verhaltenem Applaus. Dass der stets auf Entgegenkommen gegenüber Rom bedachte Landeshauptmann Kompatscher, der auch nicht gerade als Befürworter der Südtiroler Selbstbestimmung bekannt ist, nur vor einer relativ kleinen statt auf der großen Versammlung in Meran sprechen konnte, hatte für ihn als Redner wahrscheinlich seine Vorteile gehabt. In Meran hätte es womöglich andere Reaktionen gegeben.
Zwei SVP-Bezirksobmänner: Selbstbestimmung und der Wille zur Einheit Tirols
Dass es in der SVP zu den Fragen der Selbstbestimmung und der Freiheit auch andere Positionen als die des Landeshauptmannes Arno Kompatscher gibt, stellten bei den Andreas-Hofer-Feiern zwei SVP-Bezirksobmänner unter Beweis.
In Sarnthein hielt der SVP-Bezirksobmann Christoph Perathoner am 19. Februar 2017 die Festrede auf der Andreas-Hofer-Gedenkfeier und sprach dabei das Thema der Selbstbestimmung für Südtirol an. Die Selbstbestimmung, führte der Redner aus, sei „das Recht eines Volkes, sein Schicksal selbst zu gestalten.“
In Neumarkt im Unterland erklärte der Landtagsabgeordnete und SVP-Bezirksobmann Oswald Schiefer in seiner Gedenkrede: „Durch diese Gedenkfeiern beweisen wir in unserer Gemeinde und den einzelnen Ortschaften den Willen zur Einheit und Geschlossenheit Tirols.“
EX-SPD-Bürgermeister Christian Ude: Hofer nicht verklären!
In Gries bei Bozen hielt der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude(SPD) die Festrede.
Wie es einem vermeintlich fortschrittlichen Politiker seines Zuschnittes zukommt, demonstrierte er seine kritische Einstellung gegenüber vaterländischen Themen.
Er sei „kein Freund von Heldengedenken“. Man müsse dem Bestreben von „Deutschnationalen“, Hofer zu vereinnahmen, „unbedingt entgegentreten“, denn „das ist ein völliger Schmarrn“. Bei Andreas Hofer stehe die Liebe zur Heimat im Vordergrund, „aber wir sollen ihn nicht verklären, sondern gemäß unserer realistischen Zeit betrachten“, schloss Ude seine Gedenkrede, in welcher er das Thema der Selbstbestimmung für Südtirol sorgsam vermieden hatte. (Zitiert nach „Dolomiten“ vom 20. Februar 2017)
Warum unsere jetzige Zeit eine „realistische Zeit“ sei im Gegensatz offenbar zu anderen nicht realistischen Zeiten und was diese Formulierung überhaupt bedeuten solle, hatte Ude nicht erklärt.
Ein junger Schütze in Bozen: Gegen Fremdbestimmung, für Einheit und Freiheit!
Für die Zuhörer besser verständlich war das, was der junge Schützen-Oberleutnant Mathias Hofer von der Olanger Schützenkompanie Peter Sigmayr am 19. Februar 2017 bei der großen Feier vor dem Dom in Bozen in seiner Festrede vermittelte:
„Für uns ist vielfach alles selbstverständlich, daher ist es wichtig, dass wir uns immer wieder bewusst werden, dass wir das, was wir haben, diese wunderschöne Heimat und das Recht auf Muttersprache, nicht geschenkt bekommen haben. Dass es Menschen gab, die wie Andreas Hofer den Mut hatten, für unsere Rechte einzustehen, dafür zu kämpfen und sogar mit dem Leben dafür zu bezahlen.“
Der junge Schütze sagte weiter:
„Viele gedenken heute der Freiheitskämpfe und wissen oft gar nicht mehr, warum wir stolz auf unsere Vorfahren sein können. Wir müssen deshalb so stolz darauf sein, weil unsere Vorfahren in schwierigen Zeiten viel an persönlicher Verantwortung auf sich genommen haben, um die Fremdbestimmung zu verhindern, die Einheit und die Freiheit unseres Landes zu retten und so dem Land eine Zukunft zu geben. Ihr Erbe muss uns Auftrag und Verpflichtung sein.“
Deshalb brauche es auch heute Menschen, die mutig sind und für das Allgemeinwohl, die Gerechtigkeit, die Freiheit und die Heimat eintreten. (Zitiert nach „Dolomiten“ vom 20. Februar 2017)
FPÖ-Südtirolsprecher und Nationalratsabgeordneter Werner Neubauer in Klausen: Das Ziel ist die Zusammenführung der Tiroler Landesteile
Am 20.Februar 2017 hielt der österreichische Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer die Festrede auf der Andreas Hofer Gedenkfeier der Schützenkompanie Klausen im Schützenbezirk Brixen.
Der Abgeordnete Neubauer sprach offen an, was die Gestalt Andreas Hofers für die heutige Zeit bedeutsam macht. Es seien dies die Fragen der Landeseinheit und des Selbstbestimmungsrechts.
„Sinn eines solchen Gedenkjahres“, sagte Neubauer, „muss es sein, die Vergangenheit zu respektieren und gerade in der Person Hofers jene Tugenden zu erkennen, die sich im ausgewiesenen Mut, seiner Geradlinigkeit und Tapferkeit, aber auch in der Religion und Liebe zur eigenen Tradition und der Heimat, in besonders hervorragender Weise widerspiegeln.
Das diesjährige Gedenken müssen wir aber vor allem auch zum Anlass nehmen, um über den zukünftigen Weg, der nach der schmerzlichen Abtrennung der österreichischen Minderheit im südlichen Tirol im Jahre 1919 durch den Vertrag von Paris-Saint Germain, eingeleitet wurde, ernsthafte Gedanken zu fassen.
Das Ziel muss es sein, die drei Tiroler Landesteile wieder zusammenzuführen.“
Männern wie Luis Amplatz, Jörg Klotz, Franz Höfler, Anton Gostner und Sepp Kerschbaumer, um nur einige zu nennen, sei es letztlich zu verdanken gewesen, dass der staatlich gesteuerten Unterwanderung Einhalt geboten werden konnte und dass der Abschluss zum Autonomiepaket erreicht wurde. Das sei aber noch nicht das Ende des Weges.
Es geht um das Selbstbestimmungsrecht
„Das Selbstbestimmungsrecht der Völker“, führte Neubauer weiter aus, „ist für uns unteilbar und unverzichtbar. Bis zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes der Südtiroler ist es die historische Aufgabe Österreichs, den Bestand der deutschen und ladinischen Volksgruppen in Südtirol so wie den rechtlichen Status mit allen verfügbaren friedlichen Mitteln zu sichern.“
Die Schützenkompanie Klausen, sagte Neubauer, habe sich den berühmten Tiroler Freiheitskämpfer und Landesverteidiger, den Kapuzinerpater Joachim Haspinger, als Namenspaten gewählt.
Dieser habe mehrfach in den Landesaufgeboten die Grenzen Tirols verteidigen geholfen und habe sich als bereits geweihter Priester 1809 am Tiroler Volksaufstand beteiligt.
„Haspinger nahm in der Folge auch an den Bergisel-Schlachten an vorderster Front teil. Er hielt in schwierigsten Situationen durch, führte seinen Kreuzstab als Banner voran. … Er wurde zum Volksführer, später zum Kommandanten. Pater Joachim war von nun an einer der feurigsten Arme des Aufstandes.“
Pater Haspinger, berichtete Neubauer, habe nach der endgültigen Niederlage der Tiroler Tirol verlassen und 1858 fern seiner Heimat in Salzburg sterben müssen.
Es sei ein Signal der Hoffnung, dass die Schützenkompanie Klausen mit dieser Feier an die ebenso tragische wie heldenhafte Vergangenheit Tirols erinnere und das Andenken an Andreas Hofer begehe.
„Am Grabe Hofers, Speckbachers und Haspingers in der Innsbrucker Hofkirche befindet sich folgender Schwur Tirols:
Ein Volk, dem man die Heimat nahm,
gräbt knirschend seinen Zorn und Gram hier in den Stein der Heldengruft
Und schwört bei Hofers Staub und ruft:
Wir werden rasten und ruhen nicht
bis unsrer Knechtschaft Fessel bricht und Nord und Süd die Bruderhand
sich reichen im deutschen Hofer Land Es lebe Tirol!“
a) Das Recht auf Selbstbestimmung der Völker ist bereits in Artikel 1.2 der „Charta der Vereinten Nationen“ vom 26. Juni 1945
verankert, in welchem es heißt, dass es zu den Zielen der Vereinten Nationen gehöre, „freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln…“
b) Ein Schlüsseldokument ist die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 14. Dezember 1960 verabschiedete „Deklaration über die Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Völker“ 1514, XV, in der es heißt:
„1) Die Unterwerfung von Völkern unter fremde Unterjochung, Herrschaft und Ausbeutung stellt eine Verweigerung der grundlegenden Menschenrechte dar, steht in Widerspruch zu der Charta der Vereinten Nationen und ist ein Hindernis bei der Förderung des Weltfriedens und der Zusammenarbeit.
2) Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung, kraft dessen sie über ihren politischen Status frei entscheiden und in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung verfolgen.“
(Zitiert nach: Neuhold-Hummer-Schreuer: „Österreichisches Handbuch des Völkerrechts“, Bd. 2, 2. Auflage, Wien1991, S. 346f)
c) Eine weitere Rechtsgrundlage sind die „Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen“ von 1966 (Pakt I über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Pakt II über bürgerliche und politische Rechte).
In beiden Pakten wird in Artikel 1, Absatz 1 erklärt: „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung haben. Kraft dieses Rechtes entscheiden sie frei über ihren politischen Status und verfolgen in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“
In diesem Text findet sich keine Schutzklausel für die territoriale Integrität der Staaten und es wird auch die Geltendmachung des Selbstbestimmungsrechtes an keiner Vorbedingung wie etwa Unterdrückung oder Missachtung der Menschenrechte geknüpft.
Obwohl in der italienischen Verfassung Italien als die „eine und unteilbare Republik“ bezeichnet wird, hat Italien diese Menschenrechtspakte unterzeichnet, im Jahre 1977 ratifiziert und sich damit einer internationalen Verpflichtung unterworfen. (Zitiert nach: Neuhold-Hummer-Schreuer: „Österreichisches Handbuch des Völkerrechts“, Bd. 2, 2. Auflage, Wien1991, S. 217ff)
d) Eine weitere wichtige Rechtsquelle ist die „Deklaration über freundschaftliche Beziehungen und die Zusammenarbeit von Staaten“ der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970, Nr. 2625 (XXV) („Friendly Relations-Declaration“) In dieser heißt es:
„Durch die Wirksamkeit des in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Prinzips der gleichen Rechte und des Rechtes auf Selbstbestimmung der Völker haben alle Völker das Recht, ohne Eingriff von außen frei über ihren politischen Status zu entscheiden und ihre wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung frei zu verfolgen, und jeder Staat ist gemäß den Bestimmungen der Charta verpflichtet dieses Recht zu achten. Jeder Staat hat die Pflicht, durch gemeinsame oder gesonderte Tätigkeit die Verwirklichung des Prinzips der gleichen Rechte und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zu fördern…“
Das Selbstbestimmungsrecht könne dabei in folgender Weise verwirklicht werden:
Durch die „Errichtung eines souveränen und unabhängigen Staates, die freie Vereinigung oder Verschmelzung mit einem unabhängigen Staat“ oder durch den „Übergang zu irgend einem anderen, vom Volk frei bestimmten politischen Status…“
In derselben Resolution heißt es in widersprüchlicher Weise allerdings auch, daß die Resolution nicht als Ermutigung oder Autorisierung von Handlungen gegen die „territoriale Unversehrtheit oder die politische Einheit souveräner oder unabhängiger Staaten“ ausgelegt werden solle, die „sich gemäß dem oben beschriebenen Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker verhalten und die daher eine Regierung besitzen, welche die gesamte zum Gebiet gehörige Bevölkerung ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens oder der Hautfarbe vertritt.“
Das Recht des Staates auf territoriale Unversehrtheit wird hier an die Bedingung geknüpft, daß der jeweils betroffene Staat sich „dem Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker entsprechend“ verhält. Eine nähere Ausführung und Definition des Sachverhaltes fehlt.
(Zitiert nach: Neuhold-Hummer-Schreuer: „Österreichisches Handbuch des Völkerrechts“, Bd. 2, 2. Auflage, Wien1991, S. 29f)
e) Die „Wiener Erklärung der Weltkonferenz der Vereinten Nationen über Menschenrechte“ vom 25. Juni 1993 wiederholte diese Prinzipien nahezu wortgleich, ergänzte sie aber noch durch folgenden Satz: „Die Weltkonferenz über Menschenrechte betrachtet die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes als eine Menschenrechtsverletzung und unterstreicht die Bedeutung der wirksamen Durchsetzung dieses Rechts.“
Doch auch hier folgt auf die positive Festlegung gleich der einschränkende Pferdefuß: „…ist dies nicht so auszulegen, dass damit irgendeine Handlungsweise erlaubt oder ermutigt wird, welche die territoriale Integrität oder politische Einheit souveräner oder unabhängiger Staaten, die sich gemäß dem Grundsatz der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker verhalten und daher eine Regierung besitzen, die ohne Unterschied irgendwelcher Art die gesamte zu dem betreffenden Gebiet gehörende Bevölkerung vertritt, zur Gänze oder zum Teil zerstören oder beeinträchtigen würde.“
(Peter Hilpold (Hrsg.): „Das Selbstbestimmungsrecht der Völker – Vom umstrittenen Prinzip zum vieldeutigen Recht?“, Bad 10 der Reihe „Völkerrecht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht“, Frankfurt/M.-Berlin-Bruxelles-New York-Oxford-Wien 2009, S. 28f)
f) Die UNO-Resolution „Wichtigkeit der allgemeinen Verwirklichung des Rechtes der Völker auf Selbstbestimmung und der schnellem Gewährung der Unabhängigkeit für koloniale Länder und Völker zur effektiven Garantie und Einhaltung der Menschenrechte“ Nr. 2787, XXVI, vom 6. Dezember 1971 hält in ihrer Präambel fest, dass „die Unterwerfung von Völkern unter fremde Unterjochung, Herrschaft und koloniale Ausbeutung ebenso eine Verletzung des Prinzips des Rechtes auf Selbstbestimmung wie auch eine Verweigerung der grundlegenden Menschenrechtes darstellt und in Widerspruch zu der Charta der Vereinten Nationen“
(Zitiert aus dem Internet http://www.un.org/documents/ga/res/26/ares26.htm)
g) Die „Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE-Konferenz in Helsinki vom 1. August 1975) ist eine weitere bedeutende Rechtsquelle. Auf Antrag der Niederländer wurde die Formulierung der Selbstbestimmung als dynamisches permanentes Recht unter Artikel VIII in die Schlussakte aufgenommen, wobei durch den Hinweis auf die „territoriale Integrität“ gleich eine Relativierung mit eingebaut wurde, die einer Reihe betroffener Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Sicherheit vor Veränderung geben soll:
„Die Teilnehmerstaaten werden die Gleichberechtigung der Völker und ihr Selbstbestimmungsrecht achten, indem sie jederzeit in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und den einschlägigen Normen des Völkerrechts handeln, einschließlich jener, die sich auf die territoriale Integrität der Staaten beziehen.
Kraft des Prinzips der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker haben alle Völker jederzeit das Recht, in voller Freiheit, wann und wie sie es wünschen, ihren inneren und äußeren politischen Status ohne äußere Einmischung zu bestimmen und ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung nach eigenen Wünschen zu verfolgen.“
(Zitiert nach: Neuhold-Hummer-Schreuer: „Österreichisches Handbuch des Völkerrechts“, Bd. 2, 2. Auflage, Wien1991, S. 295)
II) Die Träger des Selbstbestimmungsrechtes – Völker und Volksgruppen
„Das Selbstbestimmungsrecht ist heute das unbestreitbare Recht von Völkern und kein Recht der Staaten … Es tritt dann mit der Staatssouveränität in Konflikt, wenn die Staaten keine Vorkehrungen treffen, damit Selbstbestimmungsrecht ausgeübt werden kann. Auch Volksgruppen und Minderheiten sind Träger des Selbstbestimmungsrechtes, wenn sie sich als Volk identifizieren können.“
(Prof. Dr. Felix Ermacora: „Südtirol. Die verhinderte Selbstbestimmung.“, Wien-München 1991, S. 26 f )
Die von Ermacora getroffene Feststellung wird in Kreisen der Vereinten Nationen nicht allgemein geteilt. Es tritt vielfach das Bestreben hervor, das Selbstbestimmungsrecht in der Praxis auf den abgeschlossenen Prozess der Entkolonialisierung zu beschränken und aktuelle Volksgruppenfragen auszuklammern.
Die zitierten völkerrechtlich relevanten Dokumente verwenden durchgehend die Bezeichnung „Völker“ („peoples“) als Träger des Selbstbestimmungsrechtes. Der Begriff „Volk“ wird in diesen Texten allerdings nicht definiert.
Der UN-Spezialberichterstatter für die „UN-Sub-Kommission für Minderheitenschutz und Vermeidung von Diskriminierung“, Aureliu Cristescu, hat in einer sehr widersprüchlichen Studie „The Right to Self-Determination“ (United Nations, New York 1981, S. 41) festgehalten, dass für ein „Volk“, welches geeignet sei, sich des Rechts auf Selbstbestimmung zu erfreuen und dieses auszuüben („fit to enjoy and exercise the right of self-determination”) folgende Merkmale zutreffen müssten:
„(a) Der Ausdruck ‚Volk‘ bezeichnet eine soziale Wesenheit, die eine klare Identität und ihre eigenen Kennzeichen besitzt;“ („The term ‚people‘ denotes a social entity possessing a clear identity and its own characteristics;”)
„(b) Er enthält eine Beziehung zu einem Territorium, auch wenn das betreffende Volk aus diesem unrechtmäßig vertrieben und auf künstliche Weise durch eine andere Bevölkerung ersetzt worden sein sollte.“ (It implies a relationship with a territory, even if the people in question has been wrongfully expelled from it and artificially replaced by another population.”)
Diese Kriterien treffen auf Volksgruppen zu, die auf eigenem Territorium siedeln. Diese müssten demnach Träger des Rechtes auf Selbstbestimmung sein.
Doch dann nimmt Aureliu Cristescu aber eine Abgrenzung zu „Minderheiten“ („minorities“) vor, ohne diese näher zu definieren. Er sagt:
„c) Ein Volk sollte nicht verwechselt werden mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten, deren Existenz und Rechte in Artikel 27 des Internationalen Vertrages über die zivilen und politischen Rechte anerkannt sind.“ (Anmerkung: Menschenrechtspakt II)
Diese künstliche Unterscheidung zwischen „Volk“ und dem wohl sehr bewusst nicht näher definierten Begriff der „Minderheit“ zieht sich durch zahlreiche Berichte und Dokumente der Vereinten Nationen und hat auch Befürworter unter Mitgliedern des UN-Menschenrechtsausschusses und einigen europäischen Völkerrechtslehrern gefunden. Ihnen allen ist das Bestreben eigen, Selbstbestimmungsforderungen von etablierten Staaten fern zu halten.
Das von Verteidigern zentralstaatlicher Ordnungen und auch von italienischer Seite des Öfteren vorgebrachte Argument, daß geschlossen siedelnden Volksgruppen durch ihre Einstufung als „Minderheiten“ (unter denen man zumindest im europäischen Sprachgebrauch eher zerstreut über das Territorium einer Mehrheitsbevölkerung siedelnde Angehörige einer ethnischen oder religiösen Gruppe versteht) das Recht auf Selbstbestimmung streitig gemacht werden könne, ist absurde Haarspalterei, die freilich im Interesse zahlreicher betroffenen Staaten liegt.
Würde man geschlossen siedelnden Volksgruppen die Qualifikation als „Volk“ verweigern, würde der Sinn der völkerrechtlichen Normen auf den Kopf gestellt.
Interessanterweise hat ausgerechnet Italien durch den Mund des Ministerpräsidenten Giuseppe Pella 1953 in einem besonderen, Italien betreffenden Fall, eine ganz andere Position bezogen gehabt. Pella hatte die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes durch zwei Volksgruppen und nicht etwa durch ein ganzes Volk verlangt: nämlich durch die Italiener und Slowenen in der Stadt Triest und Umgebung. Pella erklärte dazu :
„Die Volksabstimmung bedeutet aber auch Anwendung jener Grundsätze, welche nicht nur die Basis des Rechtes und der internationalen Moral darstellen, sondern in feierlichen Dokumenten, an welche zweckmäßigerweise erinnert werden soll, beredten Ausdruck finden: die Atlantikcharta, das Statut der Vereinten Nationen…“
Pella forderte also unter Berufung auf die UNO-Satzung die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes durch die italienische und die slowenische Volksgruppe. Diese Tatsache bleibt von Interesse und Bedeutung, auch wenn Triest schließlich auf vertraglichem Wege an Italien kam (Übereinkommen im Londoner Memorandum vom 5.10.1954), da Tito eine Volksabstimmung abgelehnt hatte.
Beispiele aus der europäischen Vergangenheit für Volksgruppen als Träger des Selbstbestimmungsrechtes:
Italien 19. Jahrhundert
So paradox es für Südtirol klingen mag, aber gerade Italien ist eines der besten Beispiele für verwirklichte Selbstbestimmung, denn dessen staatliche Einheit wurde durch Volksbefragungen vollzogen.
Alle Provinzen und Regionen – mit Ausnahme Welschtirols (des Trentino) und des deutschen und ladinischen Südtirol haben aus freien Stücken ihren Beitritt zu dem italienischen Staat vollzogen.
In dem heutigen Südtirol und Welschtirol (Trentino) hat der italienischen Staat bis heute die Abhaltung einer Volksabstimmung nicht gewagt.
Schleswig – Holstein 1920
In freier Abstimmung entschied sich die Mehrheit der Bevölkerung Nord – Schleswigs für die Loslösung von Deutschland und Angliederung an Dänemark.
Ostpreußen 1920
In den Gebieten Allenstein und Marienwerder, die Polen nach dem ersten Weltkrieg für sich beanspruchte, fand eine Volksabstimmung statt, in der sich die Mehrheit für den Verbleib bei Deutschland aussprach.
Kärnten 1920
Nach dem ersten Weltkrieg besetzten jugoslawische Truppen weite Teile Kärntens und wollten Südkärnten in den neu entstehenden jugoslawischen Staat einverleiben. In der Folge kam es zu einer Volksabstimmung, in der sich die Mehrheit für den Verbleib bei Österreich aussprach.
Oberschlesien 1921
Im Versailler Vertrag war die Abtretung Oberschlesiens an Polen vorgesehen. Nach eindringlichen deutschen Protesten einigte man sich auf die Abhaltung einer Volksabstimmung, in der sich die Mehrheit für Deutschland entschied.
Burgenland 1921
Nach dem Zerfall der Donaumonarchie entschied sich die Bevölkerung des Burgenlandes, welches vorher zu Ungarn gehörte, für die Angliederung an Österreich.
Saarland 1935
Frankreich beanspruchte nach dem 1. Weltkrieg das Saarland für sich. Man einigte sich darauf, das Gebiet für 15 Jahre einer Völkerbund – Regierung zu unterstellen und es danach frei über seine staatliche Zugehörigkeit abstimmen zu lassen. Das Saarland entschied sich für Deutschland.
Island 1944
Island löste mit einer Volksabstimmung im Jahre 1944 die Union mit Dänemark auf und erklärte sich in der Folge zu einer unabhängigen Republik.
Italienische Gebiete an Frankreich
Nach dem 2. Weltkrieg trat Italien die in der Nähe von Nizza gelegenen Gebiete Tende und La Brigue ab. Mittels Volksabstimmung wurde dann deren Angliederung an Frankreich vollzogen.
Saarland 1955
Nach dem 2. Weltkrieg versuchte Frankreich wiederum das Saarland für sich zu gewinnen, zumal es Teil der französischen Besatzungszone war. In der Folge wurde nochmals eine Volksabstimmung durchgeführt, in der sich abermals die Mehrheit der Bevölkerung für Deutschland aussprach.
Slowenien 1990
Am 23. Dezember 1990 entschied sich die Bevölkerung Sloweniens in einem Referendum mit 88,5% für die Unabhängigkeit. In der Folge proklamierte das Parlament den Austritt aus dem jugoslawischen Bund und die Bildung eines souveränen Staates Slowenien.
Montenegro 2006
Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden Serbien und Montenegro in einem Staatenbündnis zusammengeschlossen, ohne Rücksicht auf ethnisch – kulturelle Unterschiede zu nehmen.
Im Frühjahr 2006 entschied sich die Mehrheit der Bevölkerung Montenegros, in einer freien Volksabstimmung für die Loslösung von Serbien und die Bildung einer eigenen Republik.
Die Loslösung Montenegros von Serbien ist das jüngste Beispiel für Selbstbestimmung in Europa. Es erfolgte vollkommen friedlich. Das zeigt, wie aktuell die Selbstbestimmung ist.
Fazit:
Das Recht von Volksgruppen auf Selbstbestimmung wird zwar durch den gesunden Menschenverstand und einen Teil der Völkerrechtslehre, nicht aber generell im Rahmen der Vereinten Nationen anerkannt. Diese Erkenntnis ist von Bedeutung in Bezug auf die Frage, ob die Durchsetzung dieses Rechtes vorrangig auf rechtlichem oder auf politischem Weg verfolgt werden muss.
Träger des Selbstbestimmungsrechtes in Südtirol:
Die Träger des Selbstbestimmungsrechtes in Südtirol werden die Volksgruppen sein.
Man wird im Falle einer Volksabstimmung in Südtirol aus menschenrechtlichen Erwägungen heraus das Wahlrecht kaum auf die deutsche und ladinische Volksgruppe beschränken können. Die im Lande geborenen oder seit einem bestimmten Stichtag im Lande ansässigen Angehörigen der italienischen Volksgruppe werden wohl in gleichberechtigter Weise zu den Stimmbürgern zu zählen sein.
III) Der Inhalt des Selbstbestimmungsrechtes – Das Recht auf Sezession
Gemäß der bereits erwähnten „Deklaration über freundschaftliche Beziehungen und die Zusammenarbeit von Staaten“ der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970 besteht für alle Völker das Recht auf:
a) Errichtung eines souveränen und unabhängigen Staates;
b) den Anschluss an einen bestehenden Staat;
c) das Aufgehen in einem anderen politischen Status.
(Wörtlich: „The establishment of a sovereign and independent State, the free association or integration with an independent State or the emergence into any other political status freely determined by a people constitute modes of implementing the right of self-determination by that people.”)
Die folgende Einschränkung in demselben Dokument ist jedoch mehrdeutig: Sie besagt, daß die Resolution nicht als Ermutigung oder Autorisierung von Handlungen gegen die „territoriale Unversehrtheit oder die politische Einheit souveräner oder unabhängiger Staaten“ ausgelegt werden solle, die „sich gemäß dem oben beschriebenen Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker verhalten und die daher eine Regierung besitzen, welche die gesamte zum Gebiet gehörige Bevölkerung ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens oder der Hautfarbe vertritt.“
Es bleibt unpräzisiert, wann ein betroffener Staat sich „dem Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker entsprechend“ verhält oder nicht verhält. Mann kann diesen Text auch so interpretieren, dass aus der Sicht der Vereinten Nationen eine repräsentative Vertretung der Bevölkerung durch die jeweilige Regierung das Recht auf Selbstbestimmung obsolet mache.
Wohl bewusst mehrdeutig sind mit Ausnahme der UN-Menschenrechtspakte die meisten anderen, auf die Frage der Selbstbestimmung Bezug nehmenden UN-Dokumente formuliert.
Peter Hilpold, Professor für Völkerrecht, Europarecht und Vergleichendes Öffentliches Recht an der Universität Innsbruck betont in diesem Zusammenhang, dass die internationale Staatengemeinschaft dem Recht auf Sezession – der Abtrennung eines Teilgebietes eines Gesamtstaates – nahezu einhellig ablehnend gegenüber steht.
Diese ablehnende Haltung sei der Grund für die mangelnde Präzision und die Vieldeutigkeit der meisten völkerrechtlich relevanten Dokumente. Somit gebe es kein klar formuliertes Recht auf Sezession, aber auch kein Verbot. Man lasse die Frage lieber einfach ungeregelt.
Hilpold: „Den Staaten wird eine Rute ins Fenster gesetzt, ohne aber eine klare Sanktion auszusprechen. Hier wird offenkundig mit Doppeldeutigkeiten gespielt, mit Wendungen, die niemals einvernehmlich definiert worden sind, die aber gerade aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit jedem etwas bieten. Es handelt sich um halbe Verheißungen, die vielleicht in politische Forderungen ummünzbar sind, die aber niemandem zur wirklichen Gefahr werden, zumindest auf absehbare Zeit.“ (Peter Hilpold: „Die Sezession – zum Versuch der Verrechtlichung eines faktischen Phänomens“; In: Peter Hilpold (Hrsg.): „Das Selbstbestimmungsrecht der Völker – Vom umstrittenen Prinzip zum vieldeutigen Recht?“, Bad 10 der Reihe „Völkerrecht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht“, Frankfurt/M.-Berlin-Bruxelles-New York-Oxford-Wien 2009, S. 28f)
„Indem das Völkerrecht Vorfälle dieser Art nicht regelt,“ sagt Hilpold, „akzeptiert es den Lauf der Dinge. Dann, wenn sich die sezedierende Einheit durchsetzt, liegt es im Sinne des Effektivitätsgrundsatzes wohl im Interesse der Staatengemeinschaft, den Neustaat in ihren Kreis aufzunehmen.“ (Peter Hilpold, a. a. O.: S. 20)
Hierbei handele es sich aber „um faktische Ereignisse, die sich einer rechtlichen Regelung entziehen.“ (Peter Hilpold, a. a. O.: S. 40)
Eine Änderung trat ein, als sich der Kosovo am 17. Februar 2008 zu einem unabhängigen und souveränen Staat erklärte und dieser in der Folge von zahlreichen Staaten, darunter die meisten EU-Länder, anerkannt wurde.
Am 22. Juni 2010 veröffentlichte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag auf Verlangen der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein Gutachten („Advisory Opinion“), in welchem er feststellte, dass die Unabhängigkeitserklärung das Völkerrecht nicht verletzt habe.
Bezug nehmend auf dieses Urteil nahm der Professor für Völkerrecht an der Universität Montreal, Daniel Turp, auf Einladung der Landtagsfraktion „Süd-Tiroler Freiheit“ am 18. Oktober 2014 in einem Vortrag zu der Bedeutung dieses IGH-Gutachtens für Südtirol Stellung.
Professor Turp betonte in seinem Referat, dass Süd-Tirol das Recht auf Selbstbestimmung zustehe und sich Italien nicht hinter dem Argument der „territorialen Integrität“ verstecken dürfe!
Daniel Turp berichtete, dass die Bevölkerung Quebecs bereits zwei Mal(!) über die Unabhängigkeit des Landes von Kanada abgestimmt habe. Zuletzt sei dies 1995 geschehen. Jedes Mal habe es eine knappe Mehrheit für den Erhalt des Status Quo gegeben. Die Bevölkerung von Quebec habe aber damit gezeigt, dass Selbstbestimmung nicht zwangsläufig eine einmalige Chance sein müsse.
Der Professor für Völkerrecht und ehemalige Abgeordnete zum kanadischen Parlament unterstrich, dass ein Staat nicht auf seiner territorialen Integrität beharren könne, wenn ein Volk in diesem Staat die Unabhängigkeit wünsche. Als Meilenstein nannte er das Beispiel Kosovo bzw. das entsprechende Urteil des Internationalen Gerichtshofes. Dieser attestierte in Bezug auf den Kosovo, dass die einseitige Unabhängigkeitserklärung nicht als Verstoß gegen das Völkerrecht anzusehen sei.
Parallelen sah Turp auch in Bezug auf Katalonien und Süd-Tirol:
„Obwohl Artikel 5 der italienischen Verfassung besagt, dass die Republik „eins und unteilbar“ ist (ebenso Artikel 2 der spanischen Verfassung) und damit signalisiert, dass das Süd-Tiroler Volk die territoriale Integrität Italiens nicht in Frage stellen darf, ist das Süd-Tiroler Volk meines Erachtens Inhaber des Rechts auf Selbstbestimmung und darf, in Anwendung dieses Rechts, ein souveräner und unabhängiger Staat werden!“
Italien solle, so Turp, das Recht des Süd-Tiroler Volkes anerkennen, die Sezession anzustreben und zu verwirklichen, um ein unabhängiger Staat zu werden, oder mit dem österreichischen Land Tirol wiedervereint zu werden.
IV) Die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechtes – Nicht auf die UNO hoffen!
Univ.-Prof. DDDr. Waldemar HUMMER vom Institut für Völkerrecht, Europarecht und Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck hat für die Südtiroler Landesregierung ein Rechtsgutachten unter dem Titel „Selbstbestimmungsrecht für Südtirol im Lichte des Völkerrechts der Gegenwart“ verfasst, in welchem er darauf hinweist, dass die völkerrechtliche Lehre hinsichtlich des Rechtes auf Sezession gespalten ist (S. 560). Ein Tel der Wissenschaftler vertrete die These, dass nur schwere Menschenrechtsverletzungen Sezessionsbestrebungen legitimieren könnten, wobei diese Wissenschaftler sich über die dazu notwendige Schwere der Menschenrechtsverletzungen nicht einig seien.
Diese Wissenschaftler verweisen die Betroffenen auf den Weg einer völkerrechtlich nicht näher definierten sogenannten „inneren Selbstbestimmung“, die sich in Form innerstaatlicher Autonomien oder schlicht auch nur in Form von Gewährung individueller Menschenrechte umsetzen lasse.
Hummer weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass das Selbstbestimmungsrecht ein dynamisches und nie erlöschendes Recht sei, welches keinesfalls durch eine Autonomie konsumiert und damit für die Zukunft aufgehoben werden könne. Zudem sei die „Gewährleistung individueller Grund- und Menschenrechte kein Ersatz für das Recht eines Kollektivs – das die Voraussetzungen eines ‚Volkes‘ erfüllt“, sein könne, in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Normen „seinen zukünftigen politischen Status in freier Wahl zu bestimmen.“ (S. 564)
Die negative Haltung der Vereinten Nationen und ihrer Mitgliedstaaten zum Sezessionsrecht beruht laut Hummer auf „vorwiegend politischen Motiven, die rechtliche Überlegungen klar in den Hintergrund drängen.“ (S. 569) So wurden Sezessionsansprüche entweder überhaupt als völkerrechtswidrig qualifiziert oder deren Behandlung in den Organen der Vereinten Nationen abgelehnt. Es gebe daher, so Hummer, „keinerlei Anlass zur Hoffnung auf Unterstützung oder gar positive Erledigung eines auf territoriale Sezession gerichteten Anspruchs Südtirols durch die Vereinten Nationen.“ (S. 571)
Die Praxis der UNO in einer Reihe von Fällen habe deutlich gemacht, „dass von dieservon Staatsinteressen getragenen Organisationkaum Unterstützung sezessionistischer Selbstbestimmungsbewegungen erwartet werden kann.“ (S. 573 f)
Nach der bisherigen Praxis gelte das in Bezug auf Südtirol wohl auch für den Fall der Nichteinhaltung von Paket-Bestimmungen durch den italienischen Staat. (S. 582)
Theoretisch könnte ein Staat den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen wegen Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes für Südtirol anrufen. Erstens werde sich kein dazu bereiter Staat – auch nicht Österreich – finden und zweitens könne der Ausschuss dann keine Verfügungen treffen, sondern nur seine wohl wenig effizienten „guten Dienste“ anbieten. Das sei „ein Umstand, der in schonungsloser Weise die mangelnde Effizienz des Verfahrens bloßlegt.“ (S. 586) Eine Individualbeschwerde sei ebenfalls wenig zielführend.
Hummer spricht daher von „unklaren prozessualen Beschwerdevoraussetzungen betreffend die Geltendmachung des Selbstbestimmungsrechtes.“ (592)
Aus der sehr gründlichen Analyse Hummers ergibt sich, dass ein erfolgreicher Weg zur Selbstbestimmung kein rein rechtlicher einer Klage vor europäischen oder Instanzen der Vereinten Nationen sein kann.
V) Der politische Weg zur Selbstbestimmung
Der Weg zur Selbstbestimmung muss und wird also ein vorwiegend politischer sein, wenngleich man in der Öffentlichkeit auch auf die völkerrechtliche Legitimität des Sezessionsstrebens hinweisen wird.
Die öffentliche Meinung hat sich in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Bis 1989 hatte man geglaubt, dass das Thema Sezession durch Selbstbestimmung mit dem Ende des Kolonialzeitalters erledigt sei. Der Zerfall der UdSSR brachte eine neue Situation. Voll Staunen sah die Welt, wie sich im Wege praktizierter Selbstbestimmungen neue politische und wirtschaftliche Einheiten bildeten. Der Bürgerkrieg in Jugoslawien ab März 1991 und die nachfolgenden Veränderungen der politischen Landkarte erwiesen erneut die Wirksamkeit des sezessionistischen Selbstbestimmungsrechtes.
Wie Univ. Prof. DDDr. Hummer festgestellt hat, kann das Recht auf Selbstbestimmung als dynamisches immer fortbestehendes Recht nichts als durch die Autonomie konsumiert angesehen werden.
Darüber hinaus haben die SVP und deren politische Exponenten in zahllosen Bekundungen das Selbstbestimmungsrecht als grundlegendes, unverzichtbares und durch keinen Entscheid von außen aufhebbares Recht der Volksgruppe bezeichnet. Diese Bekundungen sind und bleiben bedeutsam ungeachtet der Tatsache, dass die SVP-Politiker sich an die praktische Umsetzung nicht heran wagen.
1983 hat die SVP auf ihrer Landesversammlung durch ausdrücklichen Beschluss einen Bericht des Obmannes Magnago gutgeheißen, in dem es heißt:
„Die Art und Weise und der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechtes hängen von den Bedingungen ab. die sich aus historisch-politischen Möglichkeiten ergeben können.
Sollte sich in Hinkunft eine reale Möglichkeit bieten, eine Änderung herbeizuführen, auch eine Grenzänderung, so wird es die Südtiroler Volkspartei sein, ohne sich dabei von anderen Kräften treiben zu lassen, die von sich aus die Initiative ergreifen wird: dies ganz unabhängig davon, ob wir uns als Volk oder als Volksgruppe bzw. Sprachminderheit bezeichnen können.
Die Landesversammlung erklärt in Anlehnung an die Aussage des außenpolitischen Ausschusses des österreichischen Nationalrates vom 1.10.1946, daß der Pariser Vertrag keinen Verzicht auf die Selbstbestimmung bedeutet. An der Haltung der SVP wird sich diesbezüglich nichts ändern.“
Magnago und die Landesversammlung der SVP bezogen sich hierbei auf eine österreichische Rechtsposition, die von dem Außenpolitischen Ausschuß des österreichischen Nationalrates in einer Entschließung am 1. Oktober 1946 formuliert worden war, nachdem der damalige Außenminister Dr. Gruber dem Ausschuß über den ohne Genehmigung des Nationalrates und des Ministerrates vorgenommenen Abschluß des „Pariser Vertrages“ berichtet hatte. In dieser bis heute nicht aufgehobenen und sogar im Jahre 1992 erneut vom Österreichischen Nationalrat bekräftigten Entschließung heißt es:
„Die mit Italien vereinbarte Regelung, von der nicht feststeht, ob sie die Zustimmung des gesamten Südtiroler Volkes gefunden hat, bedarf noch mancher Interpretation, um als Zwischenlösung angesehen werden zu können.
Die Haltung Österreichs bedeutet in keiner Weise einen Verzicht auf die unveräußerlichen Rechte unseres Staates auf Südtirol. Der Ausschuß gibt der bestimmten Hoffnung Ausdruck, daß eine geänderte Weltlage in Zukunft den Südtirolern die Möglichkeit der Selbstbestimmung über ihre staatliche Zugehörigkeit geben wird.
Er ist daher der Meinung, daß dieses Prinzip der einzige Weg für eine dauernde Lösung der Südtirolfrage ist, die von Österreich als gerecht und befriedigend angenommen werden könnte.“
Die SVP hat sich mittlerweile zur italienischen Integrationspartei entwickelt und die österreichische Bundesregierung will keine Störungen im Verhältnis zu Rom.
Ungeachtet ihres Nicht-Handelns in der praktischen Politik haben aber einzelne SVP-Spitzenpolitiker in der Öffentlichkeit laut über die Selbstbestimmungsfrage nachgedacht und Rom gelegentlich zum passenden Zeitpunkt auch die Rute ins Fenster gestellt.
Am 12. Juni 1992 gab die ÖVP-Tageszeitung „Neues Volksblatt“ ein Interview mit dem Südtiroler Landeshauptmann Durnwalder wieder, in dem dieser verkündete:
„Wenn man den Südtirolern das Selbstbestimmungsrecht gewährte, dann garantiere ich, daß eine Mehrheit für eine Rückkehr nach Österreich zustande kommen würde. Es ist das natürlichste, daß zusammengehört, was Jahrhunderte zusammen gewesen ist, und der Landeshauptmann von Südtirol sicher für Tirol stimmen würde … Wenn wir morgen zu Österreich kämen, würde es sicher einen gewissen Streit geben, ob Südtirol ein zehntes Bundesland oder wieder mit Tirol vereinigt sein soll. Ich bin überzeugt, daß die Mehrheit gegen ein zehntes Bundesland wäre.“
Wenn des jedoch um praktische Schritte in Richtung Wiedervereinigung geht, nehmen die Spitzen der SVP eine sehr pragmatische ablehnende Haltung ein. Das hat vielleicht auch mit dem Widerwillen zu tun, ein politisches System zu ändern, in dem man sich finanziell sehr gut eingerichtet hat.
Ein klassisches Beispiel hierfür war ein gescheitertes Vorhaben des SVP-Kammerabgeordneten Dr. Ferdinand Willeit, der am 8. August 1991 einen Brief an seine Parteileitung schrieb.
In diesem Brief hatte der Parlamentarier von seiner Partei den Auftrag erbeten, in der römischen Abgeordnetenkammer einen Begehrensantrag für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes in Südtirol einzubringen.
Es bestehe die Gefahr, so Willeit, daß mit der Erklärung der SVP-Landesversammlung, das „Paket“ sei erfüllt, sowie mit der Abgabe der österreichischen Streitbeilegungserklärung die Südtirolfrage von dem italienischen Staat für immer als erledigt und abgetan angesehen werde. „Jede andere Auffassung Südtirols oder Österreichs wird einfach vom Tisch gefegt werden.“
Auch wenn Italien den Antrag auf Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes ablehnen werde, so hätte jedoch allein die Antragstellung schon klargestellt, „daß auch unabhängig von einer eventuellen Streitbeilegungserklärung unsere Zielsetzung die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes bleibt.“ Wenn Italien jedoch zustimmen sollte, so müsste die SVP je nach dem Ausgang der Volksabstimmung dann die Konsequenzen ziehen. („VOLKSBOTE“, Bozen, 26.9.1991)
Während Willeits Brief in der italienischen Presse Schlagzeilen auslöste und durchaus ernst genommen wurde, hatten sich damals die Spitzen der SVP bemüht, abzuwiegeln. Parteiobmann Riz und Landeshauptmann Durnwalder lehnten den Willeit-Vorschlag lauthals ab und aus Österreich verkündete die graue außenpolitische ÖVP-Eminenz, der Paket-Geheimunterhändler Dr. Ludwig Steiner, daß die österreichische Politik im Einvernehmen mit der SVP weiter ausschließlich auf den Paketabschluß ausgerichtet bleibe.
Damit war der Fall für die ÖVP-SVP-Politik erledigt.
Ein Jahr später war es aber gerade der abtretende SVP-Parteiobmann Dr. Riz, der am 21. November 1992 auf der Landesversammlung der SVP wieder auf dieses Thema zurückkam und Rom genau mit dem drohte, was er ein Jahr zuvor als unsinnig abgetan hatte.
Bezugnehmend auf eine Äußerung des italienischen Regionenministers Costa, wonach die Südtirolautonomie eine interne Angelegenheit Italiens sei, erklärte Riz, die Südtiroler würden sich zur Wehr setzen, wenn sich die italienische Regierung in ihrer Politik an die Meinung Costa’s halten sollte. „Dann verlangen wir unsere Unabhängigkeit und werden diese auch ausrufen.“ („DOLOMITEN“, 23.11.1992)
Am 20. Dezember 1992 erklärte der neue SVP-Obmann Dr. Siegfried Brugger in der „ORF-Pressestunde“, daß Österreich und Südtirol an dem Tag, an dem Italien Verhandlungsschritte zur Wiederangliederung Istriens setze, auch die Brennergrenze international wieder zur Diskussion stellen sollten.
Brugger weiter wörtlich: „Und eines ist klar, wenn sich die institutionelle Situation Italiens grundlegend ändert und der Staat zerfällt, dann ist tatsächlich der Augenblick da wo Südtirol sich Gedanken machen muß, wohin es sich in Zukunft bewegen will.“ („DOLOMITEN“, 21.12.1992)
Während die Koppelung der Südtirolfrage mit der Frage Istriens zwar sicher nicht der Weisheit letzter Schluss war, sagte aber Brugger immerhin, daß die Selbstbestimmungspolitik kein Hirngespinst, sondern eine realpolitische Option ist, vor allem für den Fall des Zerfalles des italienischen Staates. Dieser Fall kann aber – wie man heute sieht – durchaus eintreten.
Magnago hat auf der Landesversammlung 1983 nicht präzisiert, in welcher Form das Verlangen nach Selbstbestimmung erhoben werden könnte, Riz hat im November 1992 nicht gesagt, wer die Abhaltung einer Volksabstimmung in Südtirol ausrufen könnte. Gemeint kann nur die Südtiroler Volksvertretung, der Landtag in Bozen gewesen sein.
Mögliche Ziele
a) Wiedervereinigung mit Österreich.
Die Frage, ob der Zusammenschluss mit Nordtirol erfolgen, oder ob ein weiteres Bundesland geschaffen werden sollte, könnte in einem zweiten Schritt geklärt werden. Grundvoraussetzung wäre die Bereitschaft Österreichs, wieder mit Südtirol zusammenzugehen und eine entsprechende Verfassungsgesetzgebung vorzunehmen und den Artikel des österreichischen Staatsvertrages für obsolet zu erklären, der die Grenzen Österreichs mit den Grenzen des 1. Jänner 1938 festschreibt.
b) Selbständiger Staat Südtirol (Freistaat) – allenfalls „Liechtenstein-Lösung“.
Diese Lösung könnte auch als „Liechtenstein-Lösung“ angestrebt werden. Zumindest für eine Übergangszeit könnte Südtirol im italienischen Zoll- und Währungsverband verbleiben, sonst aber alle souveränen Rechte in Anspruch nehmen. Die Gefahr dieser Lösung bestünde darin, daß sie sich verewigen könnte. Insbesondere die politisch führenden Kräfte im Lande werden nicht gerne Regierungsgewalt, Macht und Einfluss aufgeben und sich womöglich noch finanziell einzuschränken.
Diese Variante ist trotzdem im Auge zu behalten. Übergangsweise wäre auch eine Art Konföderation zwischen einem selbständigen Staat Südtirol und der Republik Österreich denkbar.
Die Durchsetzbarkeit
Zur Frage der Durchsetzbarkeit des Selbstbestimmungsrechtes hat Univ. Prof. Dr. Ermacora einmal treffend gesagt:
„Recht auf Selbstbestimmung zu haben, ist ein Rechtsproblem, die internationale Anerkennung der Selbstbestimmung ist eine politische Frage, die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts aber eine Machtfrage.“ (Felix Ermacora: „Südtirol und das Vaterland Österreich“, Wien-München 1984, S. 356)
Die Selbstbestimmung Südtirols wird jedenfalls nicht einfach auf Einforderung hinauf gewährt werden. Sie muss politisch errungen werden.
Für Südtirol ist der Weg in eine selbstbestimmte Zukunft somit ein Weg der politischen Durchsetzung, der mancherlei Opfer, Mühen und Entbehrungen abverlangen wird. Die Freiheit wird nicht einfach geschenkt.
Die frühere SVP-Gruppierung „Neue Mitte“ (Willeit, Peterlini, Benedikter, Hosp, Pahl) hatte in einer Studie mit dem Titel „Südtirol 2000“ dazu erklärt:
„Der Weg der direkten Souveränitätserklärung ohne Rücksicht auf die ablehnende zentralstaatliche Haltung ist zu einer normalen Vorgangsweise geworden. Erst in deren Folge wird der Zentralstaat zu Verhandlungen über die tatsächliche Respektierung der Souveränität aufgefordert.“
Es geht also darum, den Zentralstaat vor vollendete Tatsachen zu stellen und dann den Mut und die Ausdauer zu haben, den folgenden Konflikt durchzustehen.
Es ist vollkommen klar, daß auch EU-Staaten sich bemühen werden, die Südtiroler zu entmutigen und Italien in dem Konflikt beizustehen.
Europa im Umbruch
Auf der anderen Seite ist Europa im Umbruch begriffen.
Es kann durchaus sein, dass die von den Staatsmännern der europäischen Nationalstaaten angepeilte Errichtung eines europäischen Zentralstaates mit diktatorischen Zügen an einem neuen Föderalismus scheitern wird. An einem Regionalismus, welcher durch die Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechtes unterhalb der Ebene der EU zur Bildung neuer politischer und verwaltungsmäßiger Einheiten führen wird.
Die Entwicklung in Italien könnte diesen Prozess rascher vorantreiben, wenn der zerfallende italienische Staat sich als kaum noch reformierbar und stabilisierbar erweisen sollte.