Italienischer Verwaltungsgerichtshof urteilt: Eintreten für Selbstbestimmung erlaubt
Der SHB-Obmann Roland Lang vor dem Kolosseum in Rom
Im August 2016 hatte der Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründete Vereinigung, bei der Gemeindeverwaltung in Rom den Antrag gestellt, in der italienischen Hauptstadt 1000 Plakate mit der Aufschrift „Il Sudtirolo non è Italia“ öffentlich anzubringen.
Die Gemeindeverwaltung hatte das Ansuchen als rechtlich nicht zulässig angelehnt. Dagegen hatte sich der SHB mit der Hilfe von Rechtsanwalt Dr. Rottensteiner aus Bozen gewehrt und Rekurs beim Verwaltungsgericht Latium eingelegt. Diesem Rekurs wurde am 21. Dezember 2016 vollinhaltlich stattgegeben: Das Verwaltungsgericht Latium folgte der Argumentation von RA Rottensteiner und urteilte in einem Vorentscheid, dass die Botschaft „Il Sudtirolo non è Italia“ weder beleidigend noch in irgendeiner Weise verfassungswidrig sei. Zudem hat das Gericht festgestellt, dass dieser Spruch vollinhaltlich von der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit gedeckt ist.
Bericht in den „Dolomiten“ vom 28. Dezember 2917
Der Vorentscheid vom Dezember 2016 wurde nunmehr durch ein ausführliches Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt.
Meilenstein für die Pressefreiheit – SHB siegt vor römischem Verwaltungsgericht
Unter diesem Titel veröffentlichte Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), am 16. Mai 2017 nachstehenden Presedienst:
Bozen – Der Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB), Roland Lang, ist erfreut, dass nach dem positiven Vorabentscheid des Verwaltungsgerichtes Latium vom Dezember 2016 hinsichtlich der Plakataktion „Il Sudtirolo non è Italia“ nun gleich eine zweite, noch wichtigere Entscheidung desselben Gerichtes vorliegt.
„Mit dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Latium, dem wichtigsten Verwaltungsgericht Italiens, vom Mai 2017 wurde ganz klar festgestellt, dass das Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler niemals strafrechtlich belangt werden kann. Mehr noch: dieser Einsatz für ein Menschenrecht darf von den Behörden auch nicht behindert werden“, so Lang.
Insbesondere fällt ein Satz dieses Urteils ins Auge, der hier vollständig zitiert werden muss: Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass es „in der italienischen Rechtsordnung kein Gesetz gibt, dass die Gedankenfreiheit hinsichtlich der Unabhängigkeit oder der Selbstbestimmung eines Territoriums des Staates einschränkt oder die Propaganda von Unabhängigkeitsideen verbietet, („Nel nostro ordinamento non esiste alcuna norma che limiti la libertà di manifestazione del pensiero in merito all’indipendenza ovvero alla autodeterminazione di qualsivoglia articolazione territoriale dello Stato o che comunque vieti la propaganda di idee indipendentiste“)“, so Lang.
Damit straft das Verwaltungsgericht Latium alle diejenigen Lügen, die die Südtiroler Selbstbestimmungsbewegung seit vielen Jahren immer wieder strafrechtlich verfolgen möchten. Zudem ist dieses Urteil auch von großer Bedeutung für die Selbstbestimmungsbewegungen im Veneto, der Lombardei, in Triest und allen anderen Teilen Italiens, die sich nach Freiheit sehnen.
In Brescia läuft derzeit eine Gerichtsverhandlung gegen 34 Selbstbestimmungsaktivisten. Laut dem dortigen Staatsanwalt sei bereits das Streben nach Unabhängigkeit eine Straftat. Das nun vorliegende Urteil des Verwaltungsgerichtes Latium stellt nun ausdrücklich klar, dass das Streben nach Unabhängigkeit, selbstverständlich im Rahmen der bestehenden Gesetze, keine Straftat darstellt.
„Es ist ein großer Sieg für den Rechtsstaat und ein großer Sieg für die Meinungsfreiheit“, so Roland Lang abschließend, der ausdrücklich dem Bozner Anwalt Dr. Ewald Rottensteinerund dem römischen Rechtsanwalt Dr. Massimo Colarizi, die den SHB in diesem Verfahren so erfolgreich vertreten haben, für ihren Einsatz dankt.
Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes
Die Bedeutung des Urteils
Tatsächlich hat dieses Urteil eine außerordentliche Bedeutung. 1945 hatte das postfaschistische Italien die Staatsschutzbedingungen des faschistischen Strafgesetzbuches „Codice Penale“ von 1930 übernommen.
Zu den wichtigsten Bestimmungen des „Codice Rocco“ gehörten die „Delikte gegen die Persönlichkeit des Staates“ auf, die mit langjährigen Kerkerstrafen, mit dem Tod oder lebenslangem Zuchthaus zu ahnden waren:
- Beleidigung der italienischen Nation
- Beleidigung der italienischen Fahne
- antinationale Aktivität
- politischer Defaitismus
- Beleidigung des Staatsoberhauptes
- subversive und antinationale Propaganda
- Bildung von geheimen Gesellschaften
- Auf die Beleidigung der italienischen Nation oder der italienischen Fahne standen 3 Jahre Kerker.
Der berüchtigte Artikel 241
Wer aber versuchen sollte, ein Territorium vom italienischen Staat abzutrennen, verfiel nach Artikel 241 der Todesstrafe.
Nach 1945 wurde die Todesstrafe durch die Strafe lebenslänglicher Kerkerhaft ersetzt.
Erst im Jahre 2005 wurde die lebenslange Haft durch eine Mindeststrafe von 12 Jahren ersetzt.
In dem Text des Art. 241 hieß es nun, dass es sich bei den strafbaren Handlungen um „atti violenti“ – „gewaltsame Akte“ – handeln müsse, die das Ziel hätten „das Territorium des Staates oder einen Teil desselben der Souveränität eines fremden Staates zu unterstellen oder die Unabhängigkeit und Einheit des Staates zu beeinträchtigen.“
Es sind seit dieser Reform nur gewaltsame Handlungen strafbar.
Das menschenrechtskonforme und friedliche Eintreten für die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts ist nicht mehr strafbar.
Es ist in diesem Zusammenhang interessant, einen Blick auf die Jahrzehnte hindurch geübten Methoden der politischen Justiz in Südtirol zu werfen.
Eine Dokumentation über die italienische Justiz als politische Waffe findet sich hier.