Der Faschismus lebt – Hoffentlich bringt die neue Regierung eine Wende!
Italien – wie es bisher sang und lachte
In Rom wurde am 13. Juni 2018 durch den Gemeinderat Roms beschlossen, eine Straße nach dem Alt- und Neofaschisten Giorgio Almirante zu benennen – Nach heftigen Protesten der Jüdischen Gemeinde ruderte die Bürgermeisterin Raggi zurück und hob den Beschluss auf
Am 15. Juni 2018 berichtete das Internetportal UNSER TIROL 24:
Rom schafft faschistische Straßennamen ab – SHB erfreut
Dass bei faschistisch klingenden Straßennamen in Italien oft mit zweierlei Maß gemessen werde, sei offensichtlich. Zu dieser Ansicht ist der Südtiroler Heimatbund gelangt, als er die Geschehnisse zur Straßenbenennung in Rom mit jener in Bozen verglichen hat.
Giorgio Almirante zählte als Südtirol-Hasser und Rassist – In Rom wurde für einige Stunden eine Straße nach Giorgio Almirante benannt. Der römische Stadtgemeinderat segnete diesen Entschluss dank der Stimmen von Fratelli d’Italia und der Fünf-Sterne-Bewegung ab. Almirante war nicht nur ein Faschist, sondern auch ein Südtirol-Hasser erster Güte und ein Rassist. Almirante war einer der zehn Unterzeichnern des Manifests der rassistischen Wissenschaftler im Jahre 1938, mit dem in Italien die Verfolgung jüdischer Mitbürger begründet wurde.
Auch die beim Votum durch ihre Abwesenheit glänzende Bürgermeisterin Raggi begrüßte die Entscheidung zuerst ausdrücklich, ruderte dann aber nach heftigen Protesten sofort zurück. Gott sei Dank wurde dieser Beschluss dann sofort wieder aufgehoben. Das ist sowohl ein Zeichen europäischer Reife als auch ein Sieg der Vernunft.
Bozen soll Beispiel Roms folgen
In Bozen gibt es etwa mit der dem faschistischen Militärkaplan gewidmeten Reginaldo-Giuliani- oder der Amba-Alagi-Straße viele Straßenbezeichnungen faschistoider Herkunft, die mit geografischen Toponymen oder Protagonisten an das menschenverachtende System erinnern, so der SHB
Renzo Caramaschi, seines Zeichens Bozens Bürgermeister, sollte nach Ansicht des Heimatbundes dem Beispiel Roms folgen und alle faschistisch klingenden Straßenbezeichnungen in der Südtiroler Landeshauptstadt annullieren. Aber vermutlich sei er mit dem Betrachten der Rechnung, was die Sanierung des Markuslöwen und der römischen Wölfin für den Steuerzahler gekostet habe, zu sehr beschäftigt. (Anmerkung: Faschistische Denkmäler, welche der italienische Bürgermeister Bozens derzeit restaurieren lässt.) Somit habe er keine Zeit für diesen demokratischen und überfälligen Akt, mutmaßt Lang.
Soweit der Bericht von UNSER TIROL 24. Wir dürfen dazu ergänzen:
Der Faschismus lebt in Italien
Abgesehen davon, dass Südtirol bis heute einen wahren Saurier-Jurassic Park faschistischer Denkmäler beherbergt, findet in Italien auch sonst eine laufende Verherrlichung des Faschismus statt. Einschlägige Strafgesetze werden mit südländischer Heiterkeit und Leichtigkeit nicht angewendet.
Ebenso werden Mussolini-T-Shirts, Mussolini-Wein und Mussolini-Statuetten öffentlich zum Verkauf angebotenAm 11. Juni 2016 griff die Paolo Berlusconi, dem Bruder des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, gehörende italienische Tageszeitung „Il Giornale“ (Auflage täglich 140.000 Stück), zu einer besonderen Werbemaßnahme. Sie legte ihrer Wochenendausgabe Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ bei.
Dass dieses, von „Il Giornale“ nun auch am Kiosk vertriebene Buch und sein Verfasser sich in nationalistischen Kreisen Italiens großer Beliebtheit erfreuen, ist verständlich. Man muss nur die Südtirol herabsetzenden Passagen in dem auch sonst schwer genießbaren Bekenntniswerk Hitlers lesen. Italienische Neofaschisten und Super-Nationalisten haben wahrlich allen Grund, „Adolfo“ als ihren großen Freund zu feiern.
Den Tupfen auf das I setzte die italienische Tageszeitung „Il Tempo“, als sie am 30. Dezember 2017 den „Duce“ Benito Mussolini zum „uomo dell’anno“ – zum „Mann des Jahres“ kürte und diese Wahl groß auf der Titelseite präsentierte. Er sei viel lebendiger gegenwärtig, als die derzeitigen italienischen Politiker, hieß es dazu in dem Leitartikel. Unnötig zu sagen, dass auch diese Verherrlichung unbestraft blieb.
Öffentlichen Protest dagegen erhob in Presseaussendungen Roland Lang, der Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Südtiroler politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol fordert.
Er demonstrierte auch mit einem Plakat „Il Sudtirolo non e Italia“ – „Südtirol ist nicht Italien“ – vor dem Kolosseum in Rom. Bilder dieser Aktion wurden in zahlreichen italienischen Medien veröffentlicht und brachten das Südtiroler Anliegen einer breiten italienischen Öffentlichkeit zur Kenntnis.
Eine wichtige Dokumentation des Südtiroler Schützenbundes (SSB)
Auch dem „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) ist es ein Anliegen, über den „lebendigen Faschismus in Südtirol“ aufzuklären. Er hat darüber eine Dokumentation veröffentlicht, welche >hier< geöffnet und heruntergeladen werden kann.
Weitere Informationen des SSB finden sich auf dessen Internetseite: schuetzen.com
Hoffnungen auf die neue Regierung und auf Freunde in Italien
In Südtirol wie auch in Österreich hat man die Hoffnung, dass sich die Verhältnisse unter der neuen Regierung bestehend aus der „5 Sterne Bewegung“ und der „Lega“ verbessern beziehungsweise normalisieren.
Die Regierung hat immerhin angekündigt, der Masseneinwanderung nach Europa Einhalt gebieten zu wollen und vor allem die „Lega“ hat in Richtung Südtirol erklärt, Verständnis für Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen zu haben. Dies wäre eine Politik, die in diametralem Gegensatz zu allen bisherigen alt- und neofaschistischen Positionen stehen würde. Diese Haltung würde aber auch der Gesinnung vieler Italiener entsprechen, die in Umfragen bereits kundgetan haben, dass sie mit einem „Los von Rom“ der Südtiroler einverstanden sind.
Im Jahre 2014 hat das Meinungsforschungsinstitut/Istituto Sondaggi DEMETRA in einer italienweiten repräsentativen Umfrage folgende Frage gestellt:
„In der Provinz Bozen wird vielfach der Wunsch nach Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes geäußert. Sind Sie damit einverstanden, dass die Bevölkerung der Provinz Bozen mit einem Referendum auf friedliche und demokratische Weise über ihre Selbstbestimmung entscheiden kann?“
71,8 Prozent der Befragten haben darauf mit „JA“ geantwortet!
Anschluss 1938: Der Beginn einer Katastrophe – auch für Südtirol
Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen zusammen mit starken Sondereinheiten von Polizeikräften in Österreich ein, die sofort Verhaftungen und Deportationen „reichsfeindlicher“ Personen einschließlich Menschen jüdischer Abstammung vorzunehmen begannen.
Am 13. März 1938 beschloss nach dem Rücktritt des bisherigen Bundeskanzlers Dr. Schuschnigg die neue österreichische „Anschluss-Regierung“ unter Seyß-Inquart die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“
Adolf Hitler war bereits am 12. März 1938 in Linz eingetroffen, und setzte unter dem Beifall riesiger Zuschauermengen seinen Triumphzug nach Wien fort.
Die seit der Weltwirtschaftskrise in Elend lebenden Österreicher wussten von dem Wirtschaftsaufschwung im deutschen Reich, welcher durch die antizyklische Wirtschafts- und Investitionspolitik des Reichsbankpräsidenten und Reichswirtschaftsministers Hjalmar-Schacht angekurbelt worden war. Nun erwarteten sich die Menschen auch für Österreich Vollbeschäftigung und ein Ende der Not.
Hätten die Menschen geahnt, in welche Katastrophe Hitler sie und ganz Europa führen würde, wäre die Stimmung wohl eine andere gewesen.
Die seltsame Rolle der Bischöfe und des Sozialdemokraten Dr. Karl Renner
Um den Anschluss vor der Weltöffentlichkeit zu legitimieren, ordnete Hitler für den 10. April 1938 eine Volksabstimmung über den „Anschluss“ an.
Es ist heute üblich, nahezu ausschließlich das damalige Fehlverhalten der Masse der Bevölkerung zu verurteilen, ohne die Rolle der damaligen Führungspersonen in den verschiedenen politischen Lagern zu werten. Diese mussten jedoch mehr Kenntnisse als der Durchschnittsbürger über das Wesen des NS-Reiches besessen haben. Trotzdem kam es von deren Seite zu massiven Unterstützungen des Anschlusses – nicht an ein demokratisches Deutschland, sondern an die NS-Diktatur.
Die freudige Zustimmung der Bischöfe zu dem Wirken der NSDAP und zu dem Anschluss
Am 18. März übersandte Kardinal Innitzer eine Proklamation der österreichischen Bischöfe an den NS-Gauleiter Bürckel und schrieb in einem Begleitbrief: „Sie werden aus ihr (der Proklamation) sehen, dass wir Bischöfe aus freiem Willen und nicht gezwungen unsere nationale Pflicht erfüllt haben. Ich weiß, dass dieser Erklärung eine gute Zusammenarbeit folgen wird.“ Der Brief schloss mit „Heil Hitler“, vom Kardinal eigenhändig über seinen Namen geschrieben.
Die übermittelte Erklärung der Bischöfe lautete:
„Aus innerster Überzeugung und mit freiem Willen erklären wir unterzeichneten Bischöfe der österreichischen Kirchenprovinz anlässlich der großen geschichtlichen Geschehnisse in Deutsch-Österreich:
Wir erkennen freudig an, dass die nationalsozialistische Bewegung auf dem Gebiet des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie der Sozial-Politik für das Deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten Schichten des Volkes Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir sind auch der Überzeugung, dass durch das Wirken der nationalsozialistischen Bewegung die Gefahr des alles zerstörenden gottlosen Bolschewismus abgewehrt wurde.
Die Bischöfe begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren besten Segenswünschen und werden auch die Gläubigen in diesem Sinne ermahnen. Am Tage der Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständlich nationale Pflicht, uns als Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen, dass sie wissen, was sie ihrem Volk schuldig sind.
Wien, am 18. März 1938.
Unterzeichnet von Innitzer und Bischöfen Österreichs.“
Selbstverständlich ließ es sich die NS-Propaganda nicht nehmen, den Innitzer-Brief und die Erklärung der Bischöfe auf großen Plakaten in ganz Österreich zu verbreiten.
Dr. Karl Renner: Öffentliches JA zum Anschluss!
Der in der Zeit des Ständestaates von der politischen Tätigkeit ausgeschlossene ehemalige sozialdemokratische Staatskanzler Dr. Karl Renner war immer noch eine bedeutende Persönlichkeit und eine politische Ikone seiner Genossen.
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen ergriff Dr. Renner selbst die Initiative und bot von sich aus den neuen Machthabern die propagandistische Unterstützung des Anschluss-Projektes an. Am 3. April 1938 erschien in der Tageszeitung „Neues Wiener Tagblatt“ ein Interview mit Renner, welches nicht anders als eine Aufforderung verstanden werden konnte, bei der bevorstehenden Volksabstimmung mit „JA“ zu stimmen.
Renner erklärte unter anderem:
„Ich habe als erster Kanzler Deutschösterreichs am 12. November 1918 in der Nationalversammlung den Antrag gestellt und zur nahezu einstimmigen Annahme gebracht: ‚Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik.‘
Ich habe als Präsident der Friedensdelegation zu St-Germain durch viele Monate um den Anschluß gerungen … seit 1919 in zahllosen Schriften und ungezählten Versammlungen im Lande und im Reiche den Kampf um den Anschluß weitergeführt.
Obschon nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne, errungen, ist der Anschluß nunmehr doch vollzogen, ist geschichtliche Tatsache, und diese betrachte ich als wahrhafte Genugtuung für die Demütigungen von 1918 und 1919, für St-Germain und Versailles.
Ich müßte meine ganze Vergangenheit als theoretischer Vorkämpfer des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen wie als deutschösterreichischer Staatsmann verleugnen, wenn ich die große geschichtliche Tat des Wiederzusammenschlusses der deutschen Nation nicht freudigen Herzens begrüßte. …
Als Sozialdemokrat und somit als Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen, als erster Kanzler der Republik Deutschösterreich und als gewesener Präsident ihrer Friedensdelegation zu St-Germain werde ich mit Ja stimmen.“
Karl Renner musste zu diesem Zeitpunkt gewusst haben, dass die Führungsebene der Sozialdemokratie im Reich bereits in den Konzentrationslagern saß. Er musste von den Judenverfolgungen gewusst haben. Ihm konnte insgesamt nicht entgangen sein, dass es sich 1938 nicht um einen Anschluss Österreichs an ein demokratisches und föderalistisches Deutschland handelte, sondern um den Anschluss an eine sich immer hemmungsloser entwickelnde Diktatur.
Für Renner selbst hatte seine Erklärung die angenehme Folge, dass er während des gesamten Krieges von der Gestapo unbehelligt blieb, in kein Konzentrationslager verschleppt wurde und somit nach Kriegsende wieder als sozialistischer Spitzenpolitiker zur Verfügung stehen konnte.
Renner nach dem Krieg: Das „JA“ zum Anschluss war eine sozialrevolutionäre Handlung gegen den Nationalsozialismus gewesen
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Dr. Karl Renner sein Verhalten auf skurrile Weise zu rechtfertigen versucht. In seinem Nachlasswerk „Österreich von der Ersten zur Zweiten Republik“ (Bd. II, Wien 1953, S. 202f) erklärte Renner, dass sein opportunistisches Verhalten eigentlich klassenkämpferisch-sozialrevolutionär motiviert gewesen sei. Man habe sich im engen Kreis beraten und sei zu folgender Schlussfolgerung gelangt: Die Arbeiterklasse müsse zuerst die NS-Herrschaft erleben, um dann von ihr enttäuscht zu werden. Dann würde sie entschlossen den Kampf aufnehmen. Durch „diese Beratungen im engen Kreis“ ermutigt, habe Renner dann seine Erklärung abgegeben.
Das Abstimmungsergebnis
Nach damaligen offiziellen Angaben hatten 4,45 Millionen Menschen abgestimmt und 99,7 Prozent hatten für den Anschluss gestimmt. An die 360.000 Menschen waren allerdings aus rassischen, politischen oder anderen Gründen von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen. (Angaben aus: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 523)
Das von den Bischöfen und von „politischen Vorbildern“ wie Dr. Karl Renner so tatkräftig geförderte Ergebnis war natürlich Wasser auf die Mühlen der NS-Propaganda gewesen.
Es verwundert nicht, dass in diesem Gedenkjahr die meisten Politiker und Publizisten die Rolle der damaligen Protagonisten verschwiegen haben und sich lieber über das Fehlverhalten des einfachen Volkes verbreitert haben. Eine rühmliche Ausnahme bildet hier allerdings der ehemalige Salzburger ÖVP-Landeshauptmann und Historiker Univ.-Prof. Dr. Franz Schausberger, welcher am 7. März 2018 in der „Wiener Zeitung“ einen Gastbeitrag über den Anschluss unter dem Titel „Deutschnational waren sie irgendwie alle – Die Rolle der österreichischen Parteien von dem ‚Anschluss‘ 1938“ veröffentlichte, in welchem er Renners Rolle nicht verschwieg: „Renner bot den Nazis sogar an, in einer Plakataktion und in Zeitungen Propaganda für ein ‚Ja‘ bei der ‚Anschluss‘-Abstimmung zu machen.“
Die große Täuschung und der Weg in die Katastrophe
Auch in Nordtirol und Südtirol wurde der Anschluss auch von zahlreichen Menschen begrüßt, welche selbst ideologisch mit dem Nationalsozialismus nichts gemein hatten.
In seinem Parteiprogramm hatte Hitler „den Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker“ gefordert gehabt.
Nun stand Deutschland am Brenner und daher war die Erwartungshaltung groß, dass bald auch die Rückkehr Südtirols in ein gemeinsames Vaterland zu erwarten sei. In Tirol verbreitete sich das möglicher Weise bewusst in Umlauf gesetzte Gerücht, Italien habe Südtirol bedingungslos an Deutschland abgetreten. Diese Mär gelangte bis nach Südtirol, wo auf den Bergen Freudenfeuer entfacht wurden.
Als nach wenigen Tagen der Gauleiter Hofer das Gerücht dementierte, schlug die Stimmung um. In Innsbruck bedrohten Menschenmengen das italienische Konsulat und mussten durch die Polizei zerstreut werden.
Hitler war Mussolini dankbar und ergeben
Was die Menschen bislang nicht gewusst hatten, war, dass Hitler sein großes Vorbild Mussolini abgöttisch bewunderte und diesem zutiefst ergeben war.
Hitler hatte sowohl ideologisch wie symbolisch den Faschismus komplett kopiert. Dies äußerte sich in der Übernahme der Bezeichnung „Duce“-„Führer“ ebenso, wie im Nachäffen der Äußerlichkeiten. Aus dem „Saluto Romano“, dem „Römischen Gruß“, wurde der „Deutsche Gruß“. Die SA trug nach faschistischem Vorbild „römische“ Standarten und das Braunhemd analog zu dem faschistischen Schwarzhemd.
Was die Menschen ferner nicht wussten, war, dass Hitler bereits seit Jahren immer wieder in Gesprächen mit italienischen Diplomaten und Politikern um eine enge Zusammenarbeit mit Mussolini geworben und dabei mehrfach versichert hatte, er verstehe es, dass die Aufrechterhaltung der Brennergrenze für Italien unerlässlich sei.
Was die Menschen nun bei Hitlers Einmarsch nicht wussten, war, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Vertrauensmann Hitlers in Rom bei dem Diktator Benito Mussolini weilte. Es war dies Prinz Philipp von Hessen, ein Schwiegersohn des italienischen Königs und Gruppenführer der SA sowie Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP.
Am 11. März 1938 überreichte der Prinz dem Duce Mussolini einen Brief Hitlers, in welchem Hitler mitteilte: „Ich ziehe jetzt eine klare Grenze gegenüber Italien. Es ist der Brenner. Diese Entscheidung wird niemals weder in Zweifel gezogen noch angetastet werden.“ (Aus den Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 21)
Gleichzeitig informierte der Prinz den italienischen Diktator darüber, dass Hitler nun in Österreich einmarschiert sei, um den Anschluss zu vollziehen. Mussolini reagierte freundschaftlich.
Umgehend ließ Prinz Philipp eine Telefonverbindung aus Rom zu Adolf Hitler in Linz herstellen, welcher hasardiert und bis zuletzt nicht gewusst hatte, ob Italien gegen seinen Einmarsch in Österreich nicht doch militärisch reagieren würde.
Prinz Philipp berichtete Hitler, er käme soeben zurück aus dem Palazzo Venezia, dem Regierungssitz Mussolinis. Der Duce habe die ganze Sache sehr freundlich aufgenommen und er lasse Hitler herzlich grüßen.
Hitler fiel ein Stein von der Brust. Er erwiderte: „Dann sagen Sie Mussolini bitte, ich werde ihm das nie vergessen. … Nie, nie, nie. Wenn die österreichische Sache jetzt aus dem Weg geräumt ist, bin ich bereit, mit ihm durch dick und dünn zu gehen, das ist mir alles gleichgültig. … ich mache jetzt auch jedes Abkommen -, ich fühle mich jetzt auch nicht mehr in der furchtbaren Lage, die wir doch eben militärisch hatten für den Fall, daß ich in den Konflikt gekommen wäre. Sie können ihm jetzt nur mal sagen, ich lasse ihm wirklich herzlich danken, ich werde ihm das nie, nie vergessen … Ich werde ihm das nie vergessen.“ (Das Gespräch ist als Niederschrift überliefert in den Akten des Internationalen Militärtribunals Nürnberg und wiedergegeben in: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 280f)
Anfang Mai 1938 besuchte der dankbare Hitler seinen Freund Mussolini in Rom. Am 9. Mai 1938 berichtete das Parteiorgan „Völkischer Beobachter“, was Hitler am 7. Mai 1938 in einer Rede in Rom verkündet hatte:
„Belehrt durch die Erfahrung zweier Jahrtausende wollen wir beide, die wir nun unmittelbare Nachbarn geworden sind, jene natürliche Grenze anerkennen, die die Vorsehung und die Geschichte für unsere beiden Völker ersichtlich gezogen haben. Sie wird dann Italien und Deutschland, durch die klare Trennung der Lebensräume der beiden Nationen, nicht nur das Glück einer dauernden Zusammenarbeit ermöglichen, sondern auch als Brücke gegenseitiger Hilfe und Unterstützung dienen. Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, daß es deshalb die von der Natur zwischen uns beiden aufgerichtete Alpengrenze für immer als eine unantastbare ansieht.“ (Wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 26)
Das Raubgut als „Brücke“ der Verständigung
Bereits in dieser Äußerung Hitlers ist die auch heute so oft zu hörende Propagandaformel enthalten, wonach Raubgut als „Brücke“ der Verständigung zwischen Räuber und Beraubtem dienen solle.
Der Gott sei Dank unvollendet gebliebene Ethnozid
Hitler hatte den Weg freigegeben, eine „endgültige Lösung“ der Südtirol-Frage durch Ethnozid, einen kulturellen Völkermord ohne körperliche Vernichtung der Betroffenen, herbei zu führen.
Es war dies das Projekt der „Option“ mit anschließender Umsiedlung der „Geher“ in das Reich und Italianisierung der „Bleiber“.
Im Auftrag Hitlers begannen hochrangige NS-Funktionäre hinter den Kulissen mit Rom das kommende Optionsabkommen auszuhandeln. Mit dessen Vollzug sollten die Südtiroler 1939 dann vor eine schreckliche Entscheidung gestellt werden: Verlust der Heimat und Erhaltung des Volkstums oder Verbleib in der Heimat bei Verlust des Volkstums.
Die Option sollte unendliches Leid über die deutsch-ladinische Volksgruppe bringen und diese auch spalten.
Etwa 76 000 von etwa 211 000 Südtiroler, die für das Reich optiert hatten, wurden über den Brenner ausgesiedelt, dann stoppten die Kriegsereignisse diese schreckliche Aktion, an welche später eine Postkarte exilierter Südtiroler erinnerte.
Von den Ausgesiedelten konnte nach dem Krieg bis 1952 nur rund ein Drittel wieder in die Heimat zurückkehren.
„Erdbebensicherung“ des faschistischen Siegesdenkmals in Bozen
„Furberia“ all’Italiana
Das italienische Wort „furberia“ bezeichnet eine besondere Schlauheit und Verschlagenheit. Eine solche „furberia“ demonstriert das Kulturministerium in Rom mit der Ankündigung, in das faschistische Siegesdenkmal in Bozen 735.000 Euro für dessen „Erdbebensicherung“. und Generalsanierung zu investieren. Dem Kulturministerium zufolge ist Südtirol offenbar ein Erdbebengebiet. Die „Erdbebensicherung“ sei notwendig, denn schließlich handle es sich um ein „Kulturgut“.
Ein auf Wunsch Mussolinis errichtetes Denkmal
Das auf ausdrücklichen Wunsch Mussolinis errichtete und 1928 als Symbol des Faschismus und der „Italianita“ Südtirols eingeweihte „Monumento alla Vittoria“ ist mit steinernen „Liktorenbündeln“, dem Symbol der Faschistischen Partei, des „Partito Fascista Italiano“, geschmückt.
Es stellt zudem eine steinerne Beleidigung der Südtiroler dar. An der Stirnseite des Denkmals schießt eine „Siegesgöttin“ einen Pfeil gegen den „barbarischen Norden“ ab. Darunter findet sich folgende lateinische Inschrift:
„Hic patriae fines siste signa. Hinc ceteros excoluimus lingua legibus artibus.“
(Übersetzt: „Hier an den Grenzen des Vaterlandes setze die Zeichen. Von hier aus bildeten wir die Übrigen durch Sprache, Gesetze und Künste.“).
Ursprünglich war anstelle von „ceteros“ („die Übrigen“) das Wort „barbaros“ („die Barbaren“) vorgesehen gewesen. Trotz der abgemilderten Wortwahl blieb die Aussage unmissverständlich: Das faschistische Italien habe den unterworfenen Bewohnern des Landes erstmals Zivilisation und Kultur gebracht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das „Siegesdenkmal“ dadurch „entfaschistisiert“, dass eine auf Mussolini verweisende Inschrift entfernt wurde.
Nun konnte das „Siegesdenkmal“ seiner ursprünglichen Zweckbestimmung gemäß weiterhin als Kulisse für militärische Aufmärsche und neofaschistische Kundgebungen dienen.
Protest der „Süd-Tiroler Freiheit“
Die Landtagsfraktion der „Süd-Tiroler Freiheit“ wies in einer Presseerklärung darauf hin, dass die Südtiroler insgesamt 1.220.000,00 Euro für Erdbebenopfer in Mittelitalien gespendet hätten.
„Nicht nur alle antifaschistisch gesinnten Menschen, sondern auch die wahren Erdbebenopfer werden verhöhnt!“, so der Vorwurf der „Süd-Tiroler Freiheit“.
Von der Caritas der Diözese Bozen/Brixen hat sie nun auf Anfrage erfahren, dass Süd-Tirol für die Opfer der jüngsten Erdbeben in Mittelitalien bis zum 31. Dezember 2017 insgesamt 1.220.147,54 Euro gespendet haben. Hinzukommen die Gelder, die das Land Süd-Tirol zusätzlich bereitgestellt hat, deren genaue Höhe mit einer Landtagsanfrage herausgefunden werden soll.
Der Landtagsabgeordnete Bernhard Zimmerhofer und der Sprecher der STF-Ortsgruppe Bozen, Cristian Kollmann, bezeichnen es, so wörtlich, „als unglaubliche Dreistigkeit, mit der das zum architektonischen Kulturgut uminterpretierte Siegesdenkmal praktisch unzerstörbar gemacht werden soll, während im Erdbebengebiet in Mittelitalien die Schäden bei Weitem noch nicht behoben sind!“
Soweit die Presseerklärung der „Süd-Tiroler Freiheit“.
Tatsächlich sind bis heute in den Erdbebengebieten Mittelitaliens die durch Erdbeben verursachten Bauschäden der letzten beiden Jahre zum größten Teil noch nicht behoben. Begründung: In Rom fehlt das Geld!
Die Sanierung des faschistischen Protztempels in Bozen unter dem Vorwand der Herstellung der Erdbebensicherheit ist eine Verhöhnung der dortigen betroffenen Erdbebenopfer.
Protest der Freiheitlichen
Walter Frick, der freiheitliche Bezirksobmann von Bozen Stadt und Land, nahm ebenfalls zu dem römischen Vorhaben Stellung:
„Schon wieder hat man seitens des italienischen Staates einen neuen Vorwand gefunden, um das nach seinem Begriff als „Kulturgut“ bezeichnete, aber für die deutsch-ladinische Bevölkerung als Geschichtsverfälschung empfundene sogenannte „Siegesdenkmal“ auf Erdbebensicherheit prüfen zu lassen, um somit wieder Geld beim Ministerium für Kulturgüter locker machen zu können.
Anderseits hat der italienische Staat kein Geld für geschichtsträchtige Bauten in ganz Italien, aber für das soggenannte „Siegesdenkmal“ in Bozen kann das Ministerium für Kulturgüter ohne weiteres 735.000 Euro aufbringen. … Italien ist voll mit Kunstschätzen wie wohl kaum ein anderes Land in Europa. Aber der Staat hat kein Geld, um sie zu erhalten, und setzt sie somit zum Teil dem Verfall aus. Aber in Südtirol laufen die Uhren anders, hier wird sehr wohl Geld für eine Geschichtsverfälschung, wie es das sogenannte Siegesdenkmal eine ist, bereitgestellt.
Tatsache ist, dass man mit dem Vorwand, das Denkmal sei nicht erdbebensicher, wiederum erhebliche Summen von Steuergeldern für diesen faschistischen Bau bereitstellen wird. Dieses Bauwerk ist bis heute unverändert geblieben und verkörpert weiterhin durch faschistische Symbole und rassistische Inschriften die faschistische Ideologie und wird somit auch von der deutsch-ladinischen Bevölkerung abgelehnt.“
Soweit die Presseerklärung der Südtiroler Freiheitlichen.
Das „Siegesdenkmal“ wurde auch in den vergangenen Jahren immer wieder mit Steuergeldern renoviert, damit es eine schöne Kulisse für italienische nationalistische Aufmärsche abgeben kann.
Die nunmehrige Begründung der Herstellung einer „Erdbebensicherheit“ übertrifft an „furberia“ aber alle bisherigen Vorgangsweisen.
Ein Denkmal in Innsbruck für das erste Todesopfer des Faschismus in Südtirol
Foto: Erich Staudinger
Vorwort des Herausgebers
Ich möchte dieser Ausgabe des SID vier Sätze voranstellen:
„Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie!“ (Friedrich Schiller)
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Grundgesetz der BRD, Artikel 1)
Mord verjährt nicht (Strafgesetzbuch)
„Du sollst nicht morden“ (Bibel)
Der nachstehende Artikel sowie die dazugehörigen Dokumentationen befassen sich mit dem von den Faschisten verübten brutalen und ungesühnten Mord an einem selbstlosen christlichen Tiroler.
Er befasst sich auch mit der Nichtaufarbeitung von Seiten des italienischen Staates sowie der notwendigen Gedenkkultur und Trauerarbeit in unserem Land.
Am Samstag, 22. April 2017, wurde in Innsbruck ein neues Denkmal für den am 24. April 1921 in Bozen von Faschisten ermordeten Lehrer Franz Innerhofer im Rahmen einer bewegenden Gedenkfeier enthüllt. Der unermüdliche Einsatz von Winfried Matuella, Obmann des „Andreas Hofer Bundes“ (AHB), und die Hilfe weniger Idealisten machten die Errichtung des neuen Denkmals möglich.
Bereits 1931 war vom damaligen „Andres-Hofer-Bund“ eine Gedenktafel an einer Mauer am Rennweg in Innsbruck angebracht worden. Dieses war aber von den Nationalsozialisten 1938 entfernt und in das Volkskunstmuseum entsorgt worden – man hatte den italienischen Diktator und Hitler-Freund Mussolini nicht vor den Kopf stoßen wollen.
Erstaunliches ist über das Geschehen im Vorfeld der Gedenkfeier 2017 zu berichten: Die schroff ablehnende Haltung des Administrators und mutmaßlichen nächsten Bischofs der Diözese Innsbruck gegenüber der Bitte um Unterstützung. Es fand sich in der Folge auch kein Priester, der es gewagt hätte, entgegen den Wünschen Diözesan-Administrators die religiöse Segnung vorzunehmen. Der geneigte Leser wird sich anhand der dokumentierten Fakten und der Aussagen der Diözesanleitung hier selbst sein moralisches Urteil über diese Verhaltensweisen bilden.
Trotz alledem war es eine sehr bewegende Feier und alle Demokraten und Antifaschisten sollten den idealistischen Organisatoren Dank aussprechen!
Georg Dattenböck
Ein Denkmal in Innsbruck für das erste Todesopfer des Faschismus in Südtirol
Am 24. April 1921 wurde in Bozen der Marlinger Lehrer und Schulleiter Franz Innerhofer von Faschisten ermordet. Dieser hatte einen 8jährigen Marlinger Buben vor tobenden Faschistenhorden in Sicherheit gebracht, welche aus Italien angereist waren, um den Trachtenumzug der Bozner Messe schießend, Bomben werfend und prügelnd zu überfallen. Dabei wurde Franz Innerhofer selbst von den Faschisten im Hausflur des Ansitzes Stillendorf in Bozen meuchlings erschossen. Dieser blutige Tag mit einem Toten und vielen Verletzten ging in die Geschichte als „Bozner Blutsonntag“ ein.
Eine Dokumentation über die Ermordung Innerhofers findet sich hier.
2017: Die Neuerrichtung einer würdigen Gedenkstätte
Eine im Jahre 1931 am Rennweg in Innsbruck von dem damaligen „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ errichtete Gedenktafel war 1938 von den Nationalsozialisten abgerissen und in das Depot des Volkskunstmuseums entsorgt worden, wo ihr Anblick die Anhänger des Hitler-Freundes Benito Mussolini nicht mehr beleidigen konnte.
Während in Südtirol nach 1945 das Andenken an Franz Innerhofer vor allem auf Initiative der Schützen wachgehalten wurde, geriet dieser in Nordtirol schon nahezu in Vergessenheit.
Nachdem der von den Nationalsozialisten aufgelöste „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ im Jahre 1994 unter dem Namen „Andreas Hofer-Bund Tirol“ (AHB) wiedergegründet worden war, bemühte sich der damalige Obmann Josef Felder nahezu 20 Jahre lang vergeblich um die Wiedererrichtung der 1938 aufgelösten Gedenkstätte für Innerhofer.
In einem Arbeitsbericht des jetzigen Obmannes des „Andreas Hofer-Bund Tirol“, Winfried Matuella, heißt es dazu:
„Beinahe 20 Jahre hat sich der damalige Obmann des AHBT Ing. Josef Felder bemüht, als er durch Zufall die Schrifttafel des abgetragenen Denkmales, schamhaft hinter dem Getäfel einer Bauernstube versteckt im Volkskunstmuseum in Innsbruck entdeckte.Zahlreiche Ansuchen um Wiedererrichtung an Bund, Land und Stadt Innsbruck wurden entweder ignoriert, abgelehnt, oder man wurde mit fadenscheinigen Ausreden vertröstet. Bei persönlichen Vorsprachen bei Politkern erging es einem nicht anders. Der eine meinte sie gehöre da hin, der zweite meinte, sie gehöre ganz wo anders hin, der dritte meinte, so was kann man heute überhaupt nicht mehr aufstellen. Beinahe 20 Jahre vergingen und das Denkmal stand immer noch nicht.“
Der Durchbruch
In dem Bericht heißt es weiter: „Bis der Vorschlag von der Laurin-Stiftung (Anm.: Eine Stiftung, die sich vor allem auch für die menschenrechtliche, soziale und kulturelle Anliegen Südtirols einsetzt) kam, das Denkmal dort am Tummelplatz an jener Stätte aufzustellen, an der aller durch die Teilung Tirol verstorben, gefoltert oder der Heimat Vertriebenen gedacht wird. Dieser Vorschlag wurde vom jetzigen Obmann des Bundes, Ing. Winfried Matuella, mit Begeisterung aufgenommen, da die Stiftung auch den Großteil der Finanzierung übernahm. Vergebliches Bemühen, die Originaltafel, die wir als Eigentum des AHBT betrachten, frei zu bekommen, führte dazu, dass eine Kopie hergestellt werden musste.“
Der Grundeigentümer der Gedenkstätte am Tummelplatz, die Familie Wittauer, gab gerne ihre Genehmigung und stellte den Grund kostenlos zur Verfügung.
Der immerhin schon 80 Lebensjahre zählende Winfried Matuella führte sodann unter Mithilfe treuer Kameraden die Planung und die Denkmalerstellung durch.
22. April 2011: Die Denkmalenthüllung
Die geplante priesterliche Segnung des Denkmals musste aufgrund der ablehnenden Haltung der Diözese Innsbruck und deren Administrators entfallen. Auch der Pfarrer von Amras verweigerte die Segnung.
Über dieses Geschehen liegt ein Schriftverkehr mit der Diözese Innsbruck vor, aus welchem hervorgeht, in welchem Ausmaß diese Vertreter der Kirche sich bereits dem heutigen Zeitgeist willig ergeben haben.
Auch Nordtirols Landespolitiker zeigten wenig Interesse an der Veranstaltung. Wie Winfried Matuella in seinem Arbeitsbericht vermerkt, gab es von ihnen wenig Echo. „Viele haben es sogar unterlassen, überhaupt zu antworten.“
Als sich am 22. April 2011 mehr als 100 Teilnehmer auf dem Innsbrucker Tummelplatz vor der noch mit einer rot-weiß-roten Fahne verhüllten Gedenktafel trafen, befanden sich unter ihnen außer den AHB-Mitgliedern auch Schützen aus Nordtirol, Südtirol und aus Welschtirol (dem heutigen „Trentino“), sowie Vertreter der Südtiroler Oppositionspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ sowie des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB). Der SHB ist eine von ehemaligen politischen Häftlingen und Südtiroler Freiheitskämpfern gegründete Vereinigung, welche sich für die Wiedererlangung der Landeseinheit Tirols einsetzt. Auch einige ehemalige Freiheitskämpfer der 1960er-Jahre waren gekommen, wie beispielsweise Univ. Prof. Dr. Erhard Hartung. Regierungsmitglieder der Landesregierungen waren keine zu sehen.
Die Grußworte des Südtiroler Heimatbundes
Der AHB-Obmann Winfried Matuella begrüßte die Teilnehmer an der Feier. Dann verlas der ehemalige politische Häftling Meinrad Berger die Grußworte des SHB-Obmannes Roland Lang, welcher wegen eines Krankheitsfalles in der Familie selbst nicht hatte kommen können.
Roland Lang zeigte in seinen Grußworten auf, dass die italienischen Behörden nie an der Ahndung der Mordtat interessiert gewesen waren:
„Im damals noch demokratischen Italien wurde dieser Mord nie verfolgt und nie gesühnt. Laut Erzählungen von verstorbenen Bozner Bürgern soll der Mörder von Innerhofer der faschistische Squadrist Lino Mariotti gewesen sein. Obwohl im Laufe der Jahre die Identität des Innerhofer- Mörders genauestens bekannt war, konnte dieser danach am Obstmarkt, mit Wohlwohlen der Behörden, unbehelligt einen Verkaufsstand betreiben.
Alles Tirolerische, besonders aber die Trachten, waren den Faschisten beim Überfall auf dem Messeumzug ein Dorn im Auge. Auch 50 Jahre später scheute sich das nunmehr demokratischen Italien nicht, gegen die Tiroler Trachten vorzugehen.
Am 22. April 1961, also auf den Tag genau heute vor 56 Jahren, verbot Innenminister Scelba den Südtiroler Schützen das Tragen ihrer Tracht. Der damalige Landeskommandant Karl Mitterdorfer verglich das Verbot zu Recht mit der Unterdrückung unter dem Faschismus!
Den Schutz eines Kindes bezahlte der Lehrer mit einer tödlichen Revolverkugel in seinen Rücken. Mit seinem Tode wurde der Mensch Franz Innerhofer zum Helden der Menschlichkeit.
Es freut mich, dass heute im nördlichen Teil Tirols des Opfers von Franz Innerhofer gedacht wird. Er bleibe uns allen in lebendiger Erinnerung als ein Beispiel mutiger Menschlichkeit, der auch in großer persönlicher Gefahr verantwortungsvoll handelte. Ehre und Dank seinem Andenken!
In Vertretung des Südtiroler Heimatbundes danke ich dem Andreas-Hofer-Bund Tirol unter seinem Obmann Ing. Winfried Matuella für diese selbstlose Initiative der Wiedererrichtung des Gedenksteins für Franz Innerhofer.“
Die Rede des Jugendvertreters Matthias Hofer
Dann sprach der junge Olanger Gemeinderat Matthias Hofer von der „Süd-Tiroler Freiheit“ als Vertreter der Jugend.
Hofer sagte:
„Liebe Landsleute,
wenn wir uns heute hier versammeln, um eine würdige Gedenkstätte für Franz Innerhofer, dem ersten Tiroler Todesopfer des Faschismus, zu enthüllen, dann tun wir dies, auch in Bewusstsein, dass vor allem wir junge Tiroler die Zukunft auf ein freies und ungeteiltes Tirol richten müssen.“
„Die patriotische Jugend im Süden wird immer stärker“, berichtete Hofer. „Der Begriff Heimat ist wieder was wert und darauf können wir stolz sein.“ In Zeiten der Globalisierung würden immer mehr junge Menschen Heimatbewusstsein entwickeln.
„Die Jugend lässt sich nicht mehr verbiegen und sie glaubt nicht mehr, dass Heimat unmodern ist, während alles Fremde gut zu sein hat.
Gerade in einem fremden Staat müssen wir uns das Recht herausnehmen, unsere Tiroler Heimattreue hochzuhalten und es ist nicht verboten sich zu seiner Heimat zu bekennen und auch stolz auf diese Heimat zu sein. Daher werden wir auch in Stolz und Friedfertigkeit die Zukunft dieser Heimat gestalten.“
Hofer schloss mit den Worten: „Wenn wir das alle im Herzen tragen, wenn wir das in uns aufnehmen, dann wissen wir, dass Tirol mehr ist als eine Modemarke und dass Tirol ein Bekenntnis ist, das die Menschen in ihrem Herzen tragen.
In diesem Sinne: Auf in die Freiheit!
Alles für Tirol!“
Die Rede des Landtagsabgeordneten Sven Knoll
Die Hauptrede hielt der Südtiroler Landtagsabgeordnete Sven Knoll von der „Süd-Tiroler Freiheit“, welcher in Burggräfler Tracht erschienen war.
Nach einem Rückblick auf das Geschehen des „Bozner Blutsonntags“ wies Knoll darauf hin, dass damals kein einziger der faschistischen Verbrecher zur Rechenschaft gezogen wurde.
Dann führte Knoll weiter aus:
„Franz Innerhofer war das erste Opfer des italienischen Faschismus in Süd-Tirol, aber er war leider nicht das letzte Opfer. Denken wir nur an die Katakombenlehrer, an die unzähligen jungen Süd-Tiroler, die für Mussolinis Großmachtphantasien im Abessinien-Feldzug und beim Angriff gegen die Sowjetunion ihr Leben lassen mussten, aber denken wir auch an die Süd-Tiroler Freiheitskämpfer der 50er und 60er Jahre, die wohl als die letzten Opfer des italienischen Faschismus anzusehen sind.
Mit Gesetzen, die noch aus der Zeit des Faschismus stammten, wurden sie verfolgt, gefoltert und eingekerkert. Ja manche sogar im Auftrag des italienischen Staates ermordet!
Selbst in den 70er Jahren erfolgten noch in Abwesenheit der Angeklagten, menschenrechtswidrige Verurteilungen zu lebenslanger Haft, welche die Rückkehr der im Exil lebenden Freiheitskämpfer nach Süd-Tirol, bis heute unmöglich machen.
Der Mörder von Franz Innerhofer wurde nie gefunden, oder sagen wir es anders, er wurde nie gesucht. Er ist längst tot und hat sich einem höheren Gericht verantworten müssen, welches ihm wohl seiner gerechten Strafe zugeführt hat.
Was aber nicht tot ist, ist der Geist des Faschismus, der hinter diesem Mord steht.
Im Bozner Rathaus sitzen seit der letzten Wahl wieder bekennende Faschisten im Gemeinderat, die Mussolini als den größten Staatsmann des Jahrhunderts feiern.
Für jede Stadt, für jedes, Dorf, für jeden Bach, ja selbst bis hinauf auf jeden Berggipfel gibt es noch immer faschistische, italienisch klingende Ortsnamen, die bis heute alleinige amtliche Gültigkeit haben und dabei nur einen einzigen Zweck erfüllen, nämlich, und so steht es wörtlich im Gesetzesdekret ‚Süd-Tirol schnell und nachhaltig zu italienisieren‘.
Damit aber nicht genug, in Bozen wird gerade mit Steuergeldern ein Relief von Benito Mussolini auf Hochglanz poliert, welches den Siegeszug des Faschismus verherrlicht.“
Franz Innerhofer habe nicht weggesehen, sondern sich dem Faschismus, im wahrsten Sinn des Wortes, in den Weg gestellt.
„Es braucht daher Erinnerungsorte wie diesen hier, damit im Bewusstsein der Öffentlichkeit Unrecht nicht zu Recht wird und Menschen wie Franz Innerhofer nicht umsonst gestorben sind.
Vor allem aber braucht es wieder aufrechte Tiroler nördlich und südlich des Brenners, die sich nicht länger davor scheuen, das Unrecht auch beim Namen zu nennen, denn solange Süd-Tirol noch zu Italien gehört und am Brenner eine Unrechtsgrenze Tiroler im Norden von Tirolern im Süden trennt, wird es keine Gerechtigkeit und auch keinen dauerhaften Frieden geben.“
Die Feier schloss mit der Tiroler Landeshymne, dem „Andreas Hofer-Lied“.
Der „Bozner Blutsonntag“ und die Ermordung des Lehrers Franz Innerhofer
Am 24. April 1921 wurde in Bozen der Marlinger Lehrer und Schulleiter Franz Innerhofer von Faschisten ermordet. Dieser Tag ging in die Geschichte als „Bozner Blutsonntag“ ein.
Der 1884 in Marling geborene Lehrer Franz Innerhofer hatte im Ersten Weltkrieg mit den Burggräfler Standschützen an der Front gestanden. Nach dem Krieg war er neben seiner Tätigkeit als Lehrer- und Schulleiter ehrenamtlich für das Allgemeinwohl in seiner Heimatgemeinde tätig. Er war Kirchenorganist, kümmerte sich um den Kirchenchor und den musikalischen Nachwuchs und war Trommler in der Musikkapelle Marling.
Innerhofer wurde das Opfer einer geplanten faschistischen Gewaltorgie gegen friedliche Südtiroler. Der Faschismus war eine Bewegung, die am 23. März 1919 von dem ursprünglich politisch linken Sozialisten und späteren „Duce“ Benito Mussolini in Mailand als Kampfbund „Fascio di Combattimento“ gegründet wurden war. Der Name „fascio“ hatte ursprünglich das römische Rutenbündel mit Axt bezeichnet, welches von den Amtsdienern und Leibwächtern, den Liktoren, als Symbol ihrer Amtsgewalt öffentlich getragen worden war.
Die junge Bewegung des Faschismus, die sich extrem nationalistisch ausrichtete, war entschlossen, so rasch als möglich die Macht im Staat zu übernehmen – wenn nötig, mit allen Mitteln.
Die geplante Generalprobe in Bozen
Die Generalprobe für die Machtübernahme in Rom in fand in Bozen statt. Hier sollten bereits zahlreiche Vertreter des Staates ihre Parteilichkeit zugunsten der Faschisten zeigen.
Anlass dazu war die von 19. bis 26. April dauernde Bozner Messe, welche die seit dem Krieg darniederliegende Wirtschaft in Südtirol durch neue Impulse beleben sollte.
Die Wirtschaft hatte aber auch kulturelle Rahmenveranstaltungen eingeplant, darunter einen für den 24. April 1921 angesetzten Südtiroler Trachtenfestzug, der durch die Bozner Altstadt ziehen und dann in Schloss Ried bei Runkelstein mit einem Volkstrachtenfest seinen Ausklang finden sollte. Diese Darstellung Tiroler Brauchtums widersprach der von den Faschisten propagierten „Italianita“ Südtirols und erregte ihren Zorn.
Feierliche Versprechungen der Behörden
Die „Bozner Nachrichten“ berichteten am 27. April 1921:
„Schon Tage vorher waren von unten herauf aus Verona u. s. w. Hilfstruppen bestellt worden und als man am Sonntag vormittags diese seltsamen Gesellen mit Totschlägern, Bombenkiste und Sanität johlend aufmarschieren sah, da wurden allerhand Befürchtungen laut. Aber die staatlichen Behörden hatten von höchster Stelle die feierliche Versicherung gegeben, daß nichts geschehen werde; auf dem Waltherplatz wurde über Befehl des königlichen Statthalters die Trikolore gehißt und so hoffte man, daß diese Desperados, deren Aufzug allein schon hätte genügen sollen, sie hinter Schloß und Riegel zu setzen, nur als eine Art Demonstrationsgarde erschienen waren. Aber unsere Leichtgläubigkeit sollte fürchterlich enttäuscht werden.“
Am 24. April 1921, dem Tag des Festumzugs, trafen weitere faschistische Terrortrupps in Bozen ein. Die Bozner Zeitung „Der Tiroler“ berichtete darüber am 26. April 1921:
„Als am Sonntag um 8 Uhr morgens mehrere hundert Faschisten, und selbst die Veroneser Faschistengruppe ‚Squadra disperatissima‘, von weitem gleich erkenntlich an ihren schwarzen Zipfelhauben, ausgerüstet mit Totschlägern, Revolvern und sogar mit Handgranaten, dem aus dem Süden gekommenen Zuge entstiegen und unter faschistischen Kampfliedern und Drohrufen gegen die Deutschen im allgemeinen und den Bürgermeister Dr. Perathoner im besonderen über den Waltherplatz zogen, da konnte sich auch der unverbesserlichste Optimist keiner Täuschung hingeben, daß ein Attentat gegen uns Südtiroler Deutsche und namentlich gegen Bozen geplant sei. Die Faschisten zogen mit Vorantragung einer Fahne und unter dem Gebrüll von Hetzliedern durch die Stadt und bekundeten ganz offen ihre Absicht, den Terror nun auch nach Bozen zu tragen.“
Die Faschisten wurden von den Carabinieri nicht in ihre Schranken gewiesen und entwaffnet, sondern ganz im Gegenteil mit Hochachtung begrüßt.
Offiziere und Carabinieri salutierten vor den Faschisten
Am 26. April 1921 veröffentlichte die Südtiroler „Landeszeitung“ einen Augenzeugenbericht, in welchem es hieß:
„Die Behörde wußte, daß die 500 Faschisten, die nach Bozen gekommen waren, die offenkundige Absicht hatten, die Veranstaltungen der Bozner Messe gewaltsam zu stören; sie wußte, daß diese Plattenbrüder schwer bewaffnet waren.“
Der Zuzug der faschistischen Gewalttäter nach Bozen sei „in geschlossenen Kompanien“ erfolgt, welche ihre „drohend geschwungenen Mordwaffen“ offen zur Schau getragen hätten.
„Als sie … unter Drohrufen auf Bozen und auf die Deutschen mit hochgeschwungenen Keulen, Revolvern und Handgranaten die Straßen durchzogen, leisteten Karabinieri und konsigniertes Militär … den Salut, das heißt, sie grüßten die vorüberziehenden Apachen in reglementmäßiger Weise wie es vor offiziellen Institutionen geschieht.“
Der Überfall – 50 Schussverletzungen
Dann begann um 13 Uhr des 24. April 1921 der von den italienischen Behörden genehmigte Festumzug mit seinen Trachtengruppen durch Bozen. Wie die „Bozner Nachrichten“ am 27. April 1921 berichteten, war es
„ein rührend schönes Bild, als Männer und Frauen, Kinder und Greise im Farbenschmuck ihrer heimischen Festkleidung, blumengeschmückt mit lachenden Augen sich zum Zuge ordneten.“
Der Festumzug führte durch die innere Stadt. Plötzlich drängten sich Faschisten in den Festumzug zwischen die Tiroler, die sich aber nicht provozieren ließen und ruhig weiterzogen. „Da ertönte plötzlich von einem Hause auf dem Obstmarkt ein schriller Pfiff,“ hieß es in dem Bericht der „Bozner Nachrichten“,
„gleich darauf explodierte eine Bombe und die Fascisten, die am Obstmarkt auf der Lauer lagen begannen nun wie Rasende die völlig wehrlose Bevölkerung zu massakrieren. Bomben wurden geworfen, blindlings wurde aus Revolvern und Schießstöcken in die Menge geschossen und mit Indianergeheul fielen die Rasenden mit ihren Totschlägern über Festzügler und Zuschauer ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes her. Eine fürchterliche Panik entstand, die Leute stoben schreiend und hilferufend auseinander und hinterdrein stürmten pfeifend und brüllend, schießend und knittelschwingend wie losgelassene Teufel die traurigen Helden des Tages. An die fünfzig Schußverletzungen konnten bisher festgestellt werden und es ist geradezu ein unglaubliches Wunder zu nennen, daß der Tod keine schrecklichere Ernte gehalten hat.“
53 Personen mussten im Spital und in häuslicher Pflege behandelt werden. (Eine namentliche Auflistung der Verletzten findet sich in der Broschüre „24. April 1921 – Der Bozner Blutsonntag“, Neumarkt a. d. Etsch 2011, S28f)
Die Ermordung Franz Innerhofers
Der Lehrer Franz Innerhofer hatte als Trommler der Musikkapelle Marling an dem Festumzug teilgenommen. Als er ermordet wurde, war er 36 Jahre alt.
„Und das alles geschah vor den Augen jener bewaffneten Hüter der staatlichen Ordnung“, hieß es in dem Bericht der „Bozner Nachrichten“ vom 27. April 1921. „Und dann geschah das Entsetzliche. Der Oberlehrer Franz Innerhofer aus Marling, der, von mehreren Mordbuben verfolgt, ein achtjähriges Knäblein retten wollte und sich in den Hof des Ansitzes Stillendorf flüchtete, wurde meuchlings aus teuflischer Mordlust erschossen. Die Kugel drang dem edlen Manne mitten ins Herz und eine junge Frau wurde zur Witwe, ein wenige Tage altes Kind zur Waise. … Die Regierung aber, die genau gewußt hat, was für Gäste der Eisenbahnzug aus dem Süden am Sonntag vormittags ausgespien hat, die Regierung … hat nichts getan, dieses bestellte Blutbad zu verhindern.“
Carabinieri und italienisches Militär schützten und verabschiedeten die Gewalttäter
Die „Südtiroler Landeszeitung“ berichtete am 26. April 1921, dass es nach dem faschistischen Überfall zu Raufereien zwischen den Tätern und Deutschen gekommen war. Hierbei
„traten Militär und Karabinieri offenkundig für die Faschisten ein und verhafteten die Deutschen…. Besonders klar und kraß trat die Mitschuld der Behörde an den Taten der Bombenwerfer und Revolverhelden hervor, als diese nach der Bluttat auf den Bahnhof zogen und dort im Amtsgebäude (Hotel Viktoria) auf die Abfahrt des Zuges warteten. Die Mörder marschierten dann mit Gesang und Hohnrufen auf die Bevölkerung vollständig bewaffnet auf den Bahnhof, wobei Frauen und Kinder in rohester Weise bei Seite gestoßen wurden. Als sich an dem das Geleise absperrenden Planken (beim Frachtenmagazin) eine Menge von Leuten ansammelte … gingen die dahinter stehenden Faschisten mit Steinwürfen gegen die harmlosen Leute vor, ohne daß Militär oder Carabinieri sie auch nur gehindert hätten. Im Gegenteil: Augenzeugen haben gesehen, wie diese ‚Sicherheitsorgane‘mit Lachen den Gewalttaten zusahen.“
Auch die in Bozen erscheinende Zeitung „Der Tiroler“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 26. April 1921, was nach den Gewalttaten gegen die Festumzugsteilnehmer weiter geschah:
„Die Faschisten setzten sich vor dem Hotel (Anm.: Hotel Kaiserkrone) an die dort aufgestellten Tische, wo bereits Offiziere ihrer harrten. Ihre Waffen auf die Tische legend erzählten sie sich laut brüstend von ihren Verbrechen, und die Offiziere unterhielten sich aufs freundlichste mit den Kerlen.“
„Der Tiroler“ berichtete weiter:
„Als die Zeit gekommen war, daß die Faschistenbande wieder heimfahren wollte, zog sie unter dem ehrenden Geleite von Offizieren zum Bahnhofe, vor dem sie nochmals Aufstellung nahmen und Reden schwangen, die von nationalistischem Gehetz nur so sprühten. Endlich stiegen sie unter Geschrei in den Zug ein. Bei der Abfahrt ließen die Kerle nochmals ihrem Deutschenhasse die Zügel ‚schießen, indem sie mit ihren Revolvern herumfeuerten, als ob es mit den bereits verübten Bluttaten noch immer nicht genug wäre. Bei dieser Schießerei wurde denn auch noch ein Mann getroffen, und zwar ein in den Überetscher Zug eingestiegenen Bauer namens Kofler aus Eppan. Die Kugel drang dem Manne durch den Hals. Es ist nur einem ganz besonderen Glück zuzuschreiben, daß das Projektil weder die Schlagader noch den Halswirbel traf. Aber trotzdem ist die Verletzung schwerer Natur. Endlich verließ der Schnellzug, in dem zwei Waggons von der Mordgesellschaft besetzt waren, die Station. Aber die Bande setzte die Schießerei aus den Waggonfenstern auch während des Ausfahrens aus der Station noch fort, bis dieBahnbrücke über den Eisack passiert war. Während die einen schossen, schwangen die anderen ihre Knüttel aus den Fenstern.“
„Des Totenopfers Heimfahrt“
Unter dieser Überschrift berichtete die „Südtiroler Landeszeitung“ am 27. April 1921 über die letzte Reise Franz Innerhofers:
„Der Tote lag in der städtischen Leichenkapelle aufgebahrt. Eine Fülle von Blumen hüllte den Sarg ein. … Pilgerzüge zu Tausenden besuchten den Märtyrer des Deutschtums.“
Am Nachmittag des 26. April 1921 erfolgte die Überführung des Toten auf den Friedhof seines Heimatortes Marling. Die „Südtiroler Landeszeitung“ berichtete, dass „eine ganz ungeheuerlich große Menschenmenge“ an dem Trauerzug teilnahm. „Im Laufe des Zuges werden es wohl leicht 10.000 Menschen gewesen sein.“
In der ganzen Stadt Bozen hingen schwarze Trauerfahnen aus den Giebeln der Häuser. In Gries und in allen anderen Orten, durch welche sich der Trauerzug bewegte, läuteten die Kirchenglocken und „unabsehbare Menschenmassen“ erwiesen dem Toten die letzte Ehre. In den einzelnen Ortschaften waren bewaffnete Carabinieri und Militär mit Maschinengewehren zu sehen.
Am Abend des 26. April 1921 wurde Franz Innerhofer im Marlinger Schulhaus aufgebahrt. Am nächsten Tag folgten „die Angehörigen und eine unabsehbare Menge von Leitragenden“ dem Sarg und nahmen an der Bestattungsfeier im Marlinger Friedhof teil, wie die „Südtiroler Landeszeitung“ vom 29. April 1921 berichtete. „Dann erklang mächtig und erhebend, von allen gesungen die erste Strophe des Andreas Hoferliedes in den glanzvollen Frühlingsmorgen hinaus, hinauf zu den beschneiten Firnen:
Es blutete der Brüder Herz,
Ganz Deutschland, auch, in Schmach und Schmerz,
Mit ihm sein Land Tirol!“
Der Weg in die Rechtlosigkeit
Am 25. April 1921 fand eine große Protestversammlung statt, die mitten in Bozen auf dem Waltherplatz hätte stattfinden sollen. Das passte jedoch den italienischen Behörden nicht. Unter dem Schutz einer Maschinengewehrabteilung räumten die Carabinieri den Platz und die Menschenmassen mussten auf den Viehmarktplatz ausweichen, wo die Ansprachen der Vertreter der verschiedenen Parteien gehalten wurden.
Wie die „Südtiroler Landeszeitung“ am 26. April 1921 berichtete, überwachte das italienische Militär die Veranstaltung und hatte vorsichtshalber sogar Artillerie auf dem Virgl postiert.
Die Südtiroler Presse berichtete ausführlich über die Protestversammlung und auch über die in verschiedenen Gemeinderäten beschlossenen Protestresolutionen.
Am 26. April 1921 berichtete die „Südtiroler Landeszeitung“, dass die italienische Staatsanwaltschaft einen Aufruf der Südtiroler Parteien über die blutigen Vorgänge des Sonntags in Bozen beschlagnahmt und dessen Veröffentlichung verboten habe.
Am 2. Mai 1921 wurden die Südtiroler Zeitungen „unter Androhung von Gewaltmaßnahmen im Falle der Verweigerung“ gezwungen, eine Kundmachung des italienischen Generalkommissariats zu veröffentlichen, in welcher es hieß, das die italienische Regierung keine offene oder versteckte „Hetze“ von politischen Parteiführern und Zeitungen „gegen das italienische Volk“ dulden und diese mit „Rücksichtslosigkeit“ verfolgen und „mit strengsten Strafen“ ahnden werde.
Die „Südtiroler Landeszeitung“ vom 2. Mai 1921 bezeichnete dies als „Maulkorb“. Nun wurde den Südtiroler klar, dass der vor ihnen liegende Weg bald in die absolute Rechtlosigkeit führen würde. Tatsächlich stand die Machtergreifung des Faschismus unmittelbar bevor, die dann im Oktober 1922 mit der Berufung Mussolinis zum Ministerpräsidenten durch den italienischen König erfolgen sollte. Nahezu alle Südtiroler Tageszeitungen mussten in der Folge ihr Erscheinen einstellen. Ihre kritischen Stimmen verstummten.
Südtirol und der Faschismus
Vor 90 Jahren nahm das Unheil seinen Lauf
Ein Südtirol-Freund, Herr Wolfgang Schimank, hat aus Anlass dessen, dass sich im Jahr 2016 der Tod des letzten deutschen Bürgermeisters von Bozen zum 90. Mal jährte, nachstehenden Beitrag gesandt, den wir hier gerne veröffentlichen:
Der 90. Todestag des letzten deutschen Bürgermeisters in Bozen
Ich möchte an den letzten deutschen Bürgermeister von Bozen erinnern. Am 17. April 2016 jährt sich sein 90. Todestag.
Julius Perathoner, geboren am 28. Februar 1849 in Dietenheim bei Bruneck, war von 1894 bis 1922 Bürgermeister der Stadt Bozen.
Bis 1918 gehörten Welsch- und Südtirol zum Habsburger Reich. In Südtirol lebten laut einer Volkszählung im Jahre 1910 Italiener, die lediglich 3% der Bevölkerung ausmachten. Julius Perathoner setzte sich für ein friedliches Zusammenleben der deutschen, der ladinischen und der italienischen Volksgruppen ein.
Am 1. / 2. Oktober 1922 wurde Perathoner durch den Marsch auf Bozen durch italienische Faschisten gewaltsam aus seinem Amt entfernt. Seitdem bekleideten nur noch Italiener dieses Amt in Bozen.
Der „Marsch auf Bozen“ war die Blaupause für Mussolinis Marsch auf Rom. Durch die von den italienischen Faschisten betriebenen Bevölkerungsaustausch hat sich das Antlitz Bozens dramatisch verändert. Heutzutage sind 75% der Bozner italienischer Abstammung. Dieses erdrückende Übergewicht spürt man als Außenstehender nicht, da in Bozen die deutschsprachige Landesregierung mit ihren vielen Ämtern ansässig ist.
Perathoners Vermächtnis des friedlichen Zusammenlebens der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen hat sich bis heute nur ansatzweise verwirklicht.
Erinnert sei an das Siegesdenkmal, das Alpini-Treffen, an italienische Orts-, Flur- und Straßennamen. In den Geschäften bekommt man fast ausschließlich Produkte zu kaufen, die nur in italienischer Sprache etikettiert sind. Vielen italienischen Boznern sind die Befindlichkeiten der Südtiroler fremd. Immer wieder heißt es „Siamo in Italia!“ (Wir sind in Italien!) Es gibt zwar Gesetze zur Gleichstellung der verschiedenen Sprachen und Volksgruppen. Diese werden von italienischer bzw. von staatlicher Seite schlichtweg ignoriert…
Meiner Meinung nach würden die Rechte aller in Südtirol lebenden Volksgruppen besser berücksichtigt, wenn sich diese Region mit Österreich wieder vereinigt oder ein Freistaat Südtirol gegründet wird. Das wäre sicherlich auch im Sinne von Julius Perathoner.
Wolfgang Schimank
Berlin
Der SID hat sich erlaubt, die Ausführungen von Herrn Schimank noch durch einen historischen Rückblick zu ergänzen:
Es begann 1921 mit dem Bozner Blutsonntag:
Europas Weg in das faschistische Verderben – Deutschlands Weg in den Untergang
SID – Dokumentation: Mussolini und Hitler rissen gemeinsam Europa ins Verderben
Generalproben in Bozen – Machtübernahme in Rom
Der Überfall faschistischer Terrortrupps auf den Festzug der Bozner Messe am 24. April 1921, der einen Toten und an die 50 teils schwer verletzte Opfer forderte, zeigte die Ohnmacht des italienischen Staates, der vor der Gewalt kapitulierte und die Täter nicht zu verfolgen wagte.
Das ermutigte Mussolini, ein Jahr später, Anfang Oktober 1922, noch einmal die Probe auf das Exempel zu machen. Es folgte der zweite Marsch auf Bozen. Faschistenhorden aus der Lombardei, dem Veneto und der Emilia Romagna besetzten das Rathaus in Bozen. Die Regierung in Rom kam in panischer Eile den Forderungen der Faschisten nach, setzte den deutschen Bürgermeister Perathoner ab und stellte die Stadt unter die Leitung eines Regierungskommissars.
Der Staat war reif zur Machtübernahme durch die Faschisten. Am 28. Oktober 1922 kam es zum „Marsch auf Rom“. Es gab keinen Widerstand mehr. Der König betraute Mussolini mit der Bildung einer neuen Regierung, die am 30. Oktober erfolgte.
Ein gelehriger Schüler in Deutschland
In München beobachtete ein gelehriger Schüler die Erfolge seines bewunderten Vorbildes Mussolini. Adolf Hitler ließ – dem Beispiel Mussolinis folgend – im Oktober 1922 vorübergehend die Stadt Coburg von 800 SA-Leuten besetzen.
Am 1. November 1922 berichtete der „Völkische Beobachter“ bewundernd über den „Marsch auf Rom“. Am 9. November 1922 versuchte Hitler mit dem „Marsch zur Feldherrnhalle“ in München die Macht in Bayern an sich zu reißen. Diesem Putsch hätte der „Marsch auf Berlin“ folgen sollen. Die bayerische Polizei und das Militär vereitelten den Staatsstreich. Hitler musste nach kurzer Inhaftierung den längeren Weg der Machterringung durch Wahlen gehen.
Von Anfang an hatte Hitler in Mussolini und seiner faschistischen Bewegung das große Vorbild gesehen, sogar Italiens Bündnisverrat im 1. Weltkrieg gebilligt und die Preisgabe Südtirols als notwendiges Opfer für die Freundschaft und das Bündnis mit dem Faschismus betrachtet.
Der gelehrige Schüler übernahm alle Ideen seines bewunderten Lehrers – vom totalitären Staat bis hin zur Lebensraumpolitik zu Lasten anderer Völker.
Der Weg war vorgezeichnet, der Europa ins faschistische Verderben und Deutschland in den Untergang führen sollte.
Der Maestro und sein Schüler – der gelehrige Hitler kopierte sein Vorbild Mussolini
Die Partei-Armee
Mit der Bürgerkriegsarmee zur Macht
Das Original:
Sturmtruppen – faschistische Miliz
1919: Benito Mussolini gründet die in „Squadre“ gegliederten „Fasci di Combattimento“ („Kampfbünde“), denen zahlreiche ehemalige Soldaten, vor allem Mitglieder der „Arditi“ („Entflammten“, der Sturmtruppen des 1. Weltkrieges angehörten.
Die mit Dolchen und Knüppeln bewaffneten „Squadre“ betätigten sich als Bürgerkriegsarmee und verübten Brandstiftungen, Morde, Massaker.
1921: Umwandlung der „Fasci“ in die „Nationale Faschistische Partei“ („Partito Nazionale Fascista“ – PNF).
1923: Überführung der „Squadre“ in die „Milizia Volontaria per la Sicurezza Nazionale“ (MVSN) („Freiwillige Miliz für die Nationale Sicherheit“) mit polizeilichen Befugnissen.
Später auch militärischer Einsatz.
Hemd als Uniformierung
Das einheitliche Schwarzhemd diente als Uniformierung.
Standarten
Neben Fahnen wurden Standarten als Nachahmung der römischen Legionszeichen eingeführt.
Historische Symbolik
Das altrömische „Rutenbündel“ („Fasces“) als Zeichen römisch-imperialer Macht wird zum Symbol der faschistischen Bewegung und des faschistischen Staates
Die Kopie:
Die „Sturmabteilungen“ (SA)
1920: Gründung der „Sturm-Abteilung“ (SA) als paramilitärischer Verband für öffentliche Demonstrationen, aber auch als Kampftruppe für den Bürgerkrieg.Parallel dazu Gründung der „Schutz-Staffel“ (SS), die später im Krieg militärische Einheiten („Waffen-SS“) stellte.Nach der Machtergreifung Ausübung polizeilicher Funktionen nach faschistischem Vorbild (Verhaftung von Regimegegnern und deren Abführung in Konzentrationslager).
Hemd als Uniformierung
Das einheitliche Braunhemd diente bei der SA als Uniformierung.
Standarten
Neben Fahnen wurden die im deutschen Raum nie üblich gewesenen Standarten nach faschistischem Vorbild eingeführt.
Historische Symbolik
Das germanische Sonnensymbol des „Hakenkreuzes“ wird als Zeichen altgermanischer Größe zum Symbol der nationalsozialistischen Bewegung und des NS-Staates.
Die Ideologie – der korporativ gegliederte Staat
Der Staat wird korporativ bzw. ständisch gegliedert – Absage an den Klassenkampf.
Hierarchische Führungsstruktur mit strikter Befehlskette von oben nach unten.
Der Staat wird korporativ bzw. ständisch gegliedert – Absage an den Klassenkampf.
Hierarchische Führungsstruktur mit strikter Befehlskette von oben nach unten.
Die „Führer“
Der „Duce“ („Führer“)
Mussolini fungierte von Anfang an als „Duce“ („Führer“) der „Fasci“, schließlich als „Duce“ der gesamten Nation und des „Impero“ („Imperium“).
Der „Führer“
Hitler ist der „Führer“ der NSDAP, später des gesamten „Großdeutschen Reiches“.
Die Gleichschaltung – die Einheitspartei
Die Abschaffung der politischen Konkurrenz
Verbot aller Parteien außer des PNF. Die Parteiformationen durchdringen das gesamte öffentliche Leben.
Die Abschaffung der politischen Konkurrenz
Verbot aller Parteien außer der NSDAP. Die Parteiformationen durchdringen das gesamte öffentliche Leben.
Die Staatsjugend
Uniformierte Parteijugend, die zur Staatsjugend umfunktioniert wurde.
Uniformierte Parteijugend (HJ und BdM), die zunehmend zur Staatsjugend umfunktioniert wurde.
Der imperiale Gedanke
Nach dem Raub- und Eroberungskrieg gegen Abessinien verkündete Mussolini am 9. Mai 1936 die Annexion der besetzten afrikanischen Gebiete und den Beginn eines neuen „Impero“ nach römischem Vorbild.
Adolf Hitler verkündete am 1. September 1933 offiziell, dass der von ihm geführte Staat ein „Drittes Reich“ sei, das „tausend Jahre“ dauern werde. Damit wurde der Staat propagandistisch in die Nachfolgetradition des „Römischen Imperiums“ und des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ gestellt.
Imperialistische „Lebensraum“-Ideologie
Neuer Lebensraum im nördlichen Afrika für italienische Siedler.
Neuer Lebensraum in den eroberten und noch zu eroberten Ostgebieten für deutsche Siedler.
Die Rassenideologie
Der Faschismus installierte in seinen afrikanischen Kolonien ein System strenger Rassentrennung und stellte „Rassenschande“ mit Einheimischen unter Strafe. Die Überlegenheit der weißen Rasse wurde propagiert und „Rassenmischung“ gesetzlich verboten. 1938 wurden zusätzliche diskriminierende Rassengesetze erlassen, welche sich direkt gegen die Juden in Italien richteten.
Hitler kopierte Mussolinis Ideen mit den „Nürnberger Rassegesetzen“, welche sich – mangels deutscher Kolonien – vor allem gegen Juden und Zigeuner in Deutschland richteten.
Umsiedlung und Vertreibung
Option und teilweise Umsiedlung der Südtiroler (nur durch den Krieg gestoppt).
Umsiedlungen und Vertreibungen in Afrika, Istrien, Slowenien.
Option und teilweise Umsiedlung der Südtiroler (nur durch den Krieg gestoppt).
Umsiedlungen und Vertreibungen in den Ostgebieten.
Die Säuberung von Namen aus Geschichte und Geografie
Der Name „Tirol“ musste verschwinden. Aus dem südlichen Tirol wurde „Alto Adige“ („Hochetsch“).
Der Namenshinweis auf das Slawentum musste verschwinden. Aus dem italienisch besetzten südlichen Slowenien wurde die „Provincia di Lubiana“.
Der Name „Österreich“ musste dem Namen „Ostmark“ weichen. Aus „Oberösterreich“ und „Niederösterreich“ wurden „Oberdonau“ und „Niederdonau“.
Der Name „Polen“ musste verschwinden. Aus dem deutsch besetzten Teil Polens wurde das „Generalgouvernement“.
Konzentrationslager – Völkermord
Konzentrationslager in Afrika, Italien und auf Mittelmeerinseln.
Völkermord im nördlichen Afrika.
Konzentrationslager in den besetzten Ostgebieten und auf Reichsgebiet.
Völkermord.
Es ist bis heute in Italien guter Brauch, pauschal „die Deutschen“ als Quelle allen Übels in der Geschichte darzustellen. Dies geht einher mit einer Verharmlosung des italienischen Faschismus, die trotz einschlägiger Gesetze strafrechtlich so gut wie nie geahndet wird.
Ein Ministerpräsident Berlusconi konnte sich erlauben, zu behaupten, dass Mussolini seine politischen Gegner schließlich nur in den Urlaub geschickt habe. Gemeint waren die mit Kerkern bestückten und mit Fieberepidemien ausgestatteten Verbannungsinseln im Mittelmeer.
Der vergleichsweise harmlose Faschismus, so wird bis heute in einer Vielzahl italienischer Medien kolportiert, habe den Fehler des Bündnisses mit den Deutschen 1943 rechtzeitig durch den Bündniswechsel korrigiert und die italienische Nation habe sich damit kollektiv und entschlossen auf die Seite des Guten gestellt.
Die hier vorgelegte Dokumentation hat sich erlaubt, dieser wenig anständigen Interpretation zu widersprechen.
Deutschland hat seit 1945 in einem beispiellosen Ausmaß finanzielle Wiedergutmachung zu leisten versucht. Italien hat in Bezug auf die Völkermordverbrechen des Faschismus bis heute nichts getan.
In Deutschland wird der Nationalsozialismus als Unrechtsregime betrachtet, in Italien gibt es neofaschistische Gruppierungen und Parteien, die sich offen zum Faschismus bekennen.
Das ist der wahre Unterschied!
Der „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) warnt vor italienischer Verfassungsreform
Benito Mussolini (rechts) – würde er noch leben – hätte seine Freude an der heutigen Staatsauffassung des „sozialistischen“ Ministerpräsidenten Renzi.
Eine bedrohliche Verfassungsreform faschistoiden Zuschnittes
Am 4. Dezember 2016 findet in ganz Italien – und auch in Südtirol – eine Volksabstimmung über die von dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi („Partito Democratico“-PD) geplante Verfassungsreform statt.
Obwohl es sich bei dem „Partito Democratico“ angeblich um eine „linke“ und „sozialistische“ Partei handelt, sollen mit der geplanten Verfassungsreform die föderalistischen Strukturen Italiens weitestgehend abgeschafft und es soll ein Zentralstaat eingerichtet werden.
Wenn Matteo Renzi dazu eine Mehrheit erhalten würde, wäre dies ein demokratiepolitischer Rückschritt um Jahrzehnte.
Zudem soll mit der neuen Verfassung festgelegt werden, dass bei Parlamentswahlen die stärkste Partei zusätzlich zu ihrem Wahlergebnis automatisch weitere Abgeordnetensitze zugerechnet und damit eine absolute Mehrheit erhalten würde.
Diese Staatsauffassung steht jedenfalls der faschistischen Staatsauffassung eines Benito Mussolini näher als demokratischen Konzepten. Der seinerzeit vom Sozialisten zum Faschisten mutierte Benito Mussolini – würde er noch leben – hätte seine wahre Freude an dem „Sozialisten“ Renzi.
Der Hintergrund für Renzi’s Vorgehen
Renzi lenkt mit seinem Vorgehen von der mehr als schlimmen Wirtschaftslage Italiens ab, an der seine Regierung nicht unschuldig ist. Die drittgrößte Volkswirtschaft im EURO-Verbund hat gerade Griechenland in der Führungsrolle der europäischen Katastrophen-Kandidaten abgelöst. Die Zahlen sind so erschreckend, dass internationale Experten eine wahre Katastrophe befürchten.
Renzi macht nun der Bevölkerung weis, dass die Beseitigung des Föderalismus große Einsparungen bringen würde. Dass das erstklassiger Humbug ist, wissen alle Fachleute. Das Fass ohne Boden ist in Italien der zentrale Staat. Das Problem sind dessen zum Teil mafiose Strukturen. Dort und nicht in den Verwaltungen der Provinzen und Regionen versickern die Milliarden in zum Teil düstere Kanäle.
Welcher Teufel reitet den Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher?
Das fragen sich immer mehr Südtiroler. Arno Kompatscher, den viele Südtiroler mittlerweile als die „Stimme Roms in Bozen“ sehen, propagiert lauthals seine Zustimmung zu der geplanten Verfassungsreform, welche in Hinkunft die Südtirol-Autonomie den Römern zur freien und weitgehend beliebigen Verfügung stellen wird.
Der Landeshauptmann Kompatscher hat nun auch die auf Karriere und Fortkommen bedachten braven Parteifunktionäre der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) dazu gebracht, die Südtiroler dazu aufzufordern, am 4. Dezember 2016 mit „JA“ zu stimmen und damit den von Kompatscher empfohlenen autonomiepolitischen Selbstmord zu unterstützen. Kompatscher ist ein ehemaliger Studienkollege von Renzi und bezeichnet sich selbst als dessen persönlichen Freund. Viele Südtiroler vermuten allerdings gewichtigere Hintergründe.
Am 7. November 2016 stimmten die lammfrommen und wohl auch auf persönliche Karrieren Rücksicht nehmenden SVP-Funktionäre im Parteiausschuss dafür, das von ihrem Parteiobmann gewünschte „JA“ zur Verfassungsreform den Mitbürgern zu empfehlen. Nur 6 Ausschussmitglieder hatten den „Mut“, sich der Stimme zu enthalten – dagegen stimmte keiner!
Die Warnung des „Südtiroler Schützenbundes“
Der „Südtiroler Schützenbund“ umfasst rund 5.100 Schützen und Marketenderinnen, 140 Mitgliedskompanien und 3 Schützenkapellen. – das ist der Südtiroler Schützenbund im Jahre 2016. Er ist eine Organisation, welche die Erhaltung der Heimat als überparteiliche Aufgabe und Verpflichtung betrachtet.
Aus Sorge um die Heimat fordert der Schützenbund nun die Südtiroler auf, dem Landeshauptmann Kompatscher in der gegenständlichen Frage nicht zu folgen und am 4. Dezember 2016 mit „NEIN“ zu stimmen.
Mit nachstehender Stellungnahme begründet der Schützenbund seine Haltung:
Italienische Verfassungsreform: Warum ein Nein angebracht ist
BOZEN – Diesmal geht es um die Zukunft der Südtirolautonomie schlechthin. Am 4. Dezember wird abgestimmt: was steht uns bevor, wenn sich Italien für die neue zentralistische Verfassung entscheidet?
Südtirol habe seine „Schutzklausel“, wird beruhigend verbreitet. Nun soll sie das Allheilmittel gegen jeden zentralistischen Übergriff des Staates sein. Zwar muss das Autonomiestaut angepasst werden. Südtirol werde seine Zustimmung aber nur geben, wenn die „Überarbeitung auf der Grundlage von Übereinkommen“ (sulla base di intese) erfolge.
Wie sicher kann sich Südtirol sein?
Der Südtiroler Schützenbund hat in volkstumspolitischen Fragen stets eine klare Haltung gezeigt. Wir waren dabei immer kritisch gegenüber gefährlichen Experimenten, aber auch stets aufgeschlossen für positive Neuerungen. Worauf bewegen wir uns hier also zu?
Südtirol verliert viele Kompetenzen
Die Befürworter der neuen Verfassung – insbesondere die derzeitige SVP-Führung -stützt sich allein auf die sog. „Schutzklausel“. Wie sieht diese wirklich aus?
Zunächst ist es unbestritten, dass alle sekundären Zuständigkeiten, die wir mit der Verfassungsreform von 2001 bekommen haben, wieder an den Staat zurückfallen. Das betrifft wesentliche Bereiche wie Gesundheitswesen, Berufsordnung, Außenhandel, Unterricht an Schulen und Universität, Dienstrecht der öffentlichen Verwaltung, ergänzende Sozialfürsorge. Der Staat wird zentralistisch wie 1948.
Es wird nichts aus dem Steuerföderalismus, der in der Verfassung von 2001 vorgegeben war, aber nie verwirklicht wurde. Nicht weniger bedenklich ist das „nationale Interesse“. Mit Berufung darauf kann der Staat jederzeit zum Schutz der „juridischen und wirtschaftlichen Einheit“ in die Landeskompetenzen eingreifen.
Zudem wird im neu gefassten Art. 117 die Suprematieklausel zwecks Überordnung des Staates verankert. Das uns selten gewogene Verfassungsgericht könnte diese Klausel auch auf die Südtirolautonomie anwenden.
Viele Urteile des Verfassungsgerichts haben unsere Autonomie ohnehin eingeschränkt. Hinzu kommt die gefährliche Ersatzbefugnis, mit der sich der Staat ebenfalls über das Land Südtirol stellen kann.
Diese Ersatzbefugnis wird ausdrücklich in der „Schutzklausel“ festgeschrieben! Wenn zudem das neue Wahlgesetz einmal greift, steht uns die Herrschaft einer einzigen Partei bevor, in der die wenigen Südtiroler Parlamentarier nichts mehr zählen.
Vorrecht des Parlaments
Die „Schutzklausel“ schützt auch nicht vor Eingriffen des römischen Parlaments. Sollte es zwischen Staat und Südtirol keine Einigung bei der Überarbeitung des Autonomiestatus geben, kann das Parlament jederzeit mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit alleine entscheiden. Das hat eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Gianclaudio Bressa schon 2015 klargestellt.
Keine internationale Absicherung der „Schutzklausel“
Die angebliche „Schutzklausel“ bietet also wenig Schutz. Sie ist zudem nicht international abgesichert. Beim letzten Finanzabkommen gab es wenigstens einen Briefwechsel mit dem österreichischen Bundeskanzler Faymann.
Bei der Schutzklausel fehlt hingegen jede internationale Garantie. Sicherheit könnte nur ein diplomatischer Notenwechsel bieten, mit dem sich Italien verpflichtet, bei der Überarbeitung des Autonomiestatuts den Willen Südtirols zu berücksichtigen.
Schwächste „Schutzklausel“, die je angeboten wurde
Als Berlusconi 2005 ebenfalls den Staat zentralisieren wollte, bot er Südtirol eine echte Schutzklausel an: das Autonomiestatut sollte nur „im Einvernehmen“ („previa intesa“) erfolgen dürfen. Das war klarer als „sulla base di intese“(Übersetzung: „auf der Basis von Einvernehmen“), wie es jetzt heißt. Dieses Einvernehmen konnte der Landtag innerhalb von drei Monaten mit einem Veto (Zwei-Drittelmehrheit) verweigern.
Die SVP empfahl dennoch ein „Nein“ beim entsprechenden Referendum, weil sie den Zentralismus als eine Gefahr erachtete.
Dieser Meinung war damals auch Senator Dr. Zeller, der heute, trotz gleicher Zentralisierungsabsicht, aber wesentlich schwächerer Schutzklausel, vehementfür ein „Ja“ eintritt. Seltsam!
(Anmerkung des SID: In Südtirol wird kolportiert, dass die Italiener dem SVP-Senator Dr. Zeller einen Sitz im Verfassungsgerichtshof in Aussicht gestellt haben. Man wird sehen!)
Schutzmacht Österreich nicht angerufen
Warum schaltete die SVP nicht rechtzeitig die Schutzmacht Österreich ein, als im Parlament die neue Verfassung diskutiert wurde? Wollten sich die Parlamentarier nicht an die österreichische Note vom 22. Juni 1992 zur Streitbeendigungserklärung erinnern? Diese Note stellt klar: wenn Italien einseitige Änderungen der Autonomie vornimmt, kann Österreich aktiv werden.
„Weltbeste Autonomie“?
Eine bedenkliche Überschätzung der Südtirolautonomie zeigt überraschenderweise auch der Landeshauptmann mit einer Feststellung in der Sonderausgabe der Landeszeitung „Das Land Südtirol“ (Nr. 1/2016): Südtirol verfüge gewissermaßen über die „weltbeste Autonomie“.Diese Aussage ist sachlich falsch und problematisch. Das Baskenland, Katalonien, die Färöer, Grönland, Ȃland u.a. verfügen über eine weit stärkere Autonomie. Italien könnte sich auf diese weit übersteigerte Aussage berufen.
Bevölkerung vertraut dem Zentralstaat nicht
Die Südtiroler Bevölkerung hat Jahrzehnte lang bitter erfahren, wie wenig sie auf den Zentralstaat Italien vertrauen kann. Als deutsche bzw. ladinische Minderheit in einem fremden Staat hat Südtirol von einem Zentralstaat nichts Gutes zu erwarten.
Würde Südtirol dieser neuen Verfassung zustimmen, würde man in Rom jederzeit sagen können: der Zentralstaat war euer Wunsch, denn ihr habt dafür gestimmt. Das Verfassungsgericht wird dann erst recht im Geist der zentralistischen Verfassung gegen die Autonomie urteilen.
Bekannte italienische Parlamentarier (Bersani, Monti u.a.m.), die im Parlament für die neue Verfassung gestimmt haben, scheuen sich nicht, von der Renzi-Verfassung nun Abstand zu nehmen und zu warnen.
Warum traut sich die SVP nicht, auf eine Wahlempfehlung für das gefährliche „JA“ zu verzichten?
Erfahrene SVP-Politiker werden nicht müde, vor dieser Verfassungsreform zu warnen.
Erneut steht Südtirol an einem Scheideweg. Es empfiehlt sich ein klares NEIN gegen den römischen Zentralismus. Der Südtiroler Schützenbund ruft darum alle Südtiroler auf, am 4. Dezember mit „NEIN“ zu stimmen.
Informationsschrift „20 gute Gründe fürs NEIN“ des „Komitees NO – NEIN“ jetzt als PDF öffnen!
Kulturhistorische Notizen aus gegebenem Anlass
von Georg Dattenböck
Der „Südtirol-Informationsdienst“ (SID) will nicht nur historische und politische Entwicklungen in Südtirol in Vergangenheit und Gegenwart dokumentieren, sondern auch das kulturhistorische Bewusstsein, daß Südtirol ein untrennbarer Teil des deutschen Sprach- und Kulturraumes ist, lebendig erhalten.
Die wahrheitsgemäße Darstellung der eigenen Geschichte stellt einen bedeutenden Teil kulturhistorischer Arbeit dar.
Wahrheit und Lüge – gestern und heute
Die Wahrheit kann durch Verdrehung wie auch durch Verschweigen wichtiger Tatsachen in Lüge umgewandelt werden. Diktaturen haben diese Verfälschungen noch relativ offen vorgenommen. Josef Goebbels, der „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“, hat auf täglichen Pressekonferenzen in seinem Ministerium in „Tagesbefehlen“ der Presse vorgegeben, was dem Volk wie mitgeteilt werden darf. Und in Bella Italia fascista hat man Widerspenstige zum „Erholungsurlaub“ auf Malaria-Fieberinseln im Mittelmehr verschickt. Das mit dem „Erholungsurlaub“ für politische Gegner Mussolinis hat noch der italienische Premierminister Berlusconi allen Ernstes verkündet.
Heute, unter den Vorzeichen der Demokratie, gibt es nach wie vor Nachrichten-Manipulation zu politischen Zwecken. Sie erfolgt aber subtiler.
Es ist dem Obmann des Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), Roland Lang, zu danken, dass er in diesen Tagen in einem Pressedienst aufgedeckt hat, wie die „Südtiroler Landesregierung“ unter Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) in einer offiziellen Druckschrift das Südtiroler Geschichtsbild durch Verschweigen wesentlicher Geschehnissemanipulieren lässt.
Dem Land Südtirol und seinen ergebenen öffentlichen Dienern sei ein Wort von Johann Wolfgang von Goethe, dem letzten großen Dichterfürsten und Zeitenwender deutscher Zunge, in Erinnerung gerufen.
Goethe bemerkte treffend:
„Wer nicht von dreitausend Jahren sich weiß Rechenschaft zu geben, bleib im Dunkeln unerfahren, mag von Tag zu Tage leben.“
(Goethe Gedichte, West-östlicher Divan).
1953: Das offene Wort des Ministerpräsidenten Degasperi
Der allerchristlichste italienische Ministerpräsidenten Alcide Degasperi war ein Politiker der „Democrazia Cristiana“ (DC), der sich am seinen Landsleuten stets als guter Christ präsentieren ließ.
Dieser Mann scheute gleichzeitig nicht davor zurück, in aller Offenheit zu erklären, dass er die faschistische Politik gegenüber den Südtirolern fortzusetzen gewillt war.
Degasperi bekundete das am 25. Mai 1953 in Trient in einer Rede:
„Einmal wenigstens stimme ich auch mit Mussolini überein, der im Jahre 1938 sagte, daß man, um Südtirol zu entdeutschen, die Südtiroler nicht isolieren dürfe…“
Gemeint war damit, dass die Südtiroler auf allen Gebieten der Politik, der Kultur und der Verwaltung fest an die Institutionen des italienischen Staates anbinden müsse und ihnen dabei so wenig eigenen Spielraum wie möglich geben dürfe.
Österreich betonte die Zusammengehörigkeit
Angesichts solcher Äußerungen und der damit verbundenen Politik des lockenden Zuckerbrots und der strafenden Peitsche gegenüber deutschen und der ladinischen Volksgruppe erkannte man in Österreich die existentielle Gefahr einer schleichenden Entfremdung und Abkapselung Südtirols vom deutschen Kulturraum.
Und man steuerte dagegen, indem man die Verbundenheit Südtirols mit Österreich und dem gesamten übrigen deutschen Kulturraum zu stärken versuchte.
Eines der vielen Beispiele dafür ist ein von der österreichischen Regierung gefördertes „Südtiroler Heimatbuch“, welches weite Verbreitung in Österreich und Südtirol fand. Austria Presse-Dienst (APD), Wien 1959
Einunddreißig bedeutende Persönlichkeiten aus Tirol schrieben in diesem Buch Beiträge und es ist es wert, hier ihre Namen in unser Gedächtnis zu holen:
Die Gesamtredaktion hatte der 1928 in Sillian im Hochpustertal geborene Dr. Günther Goller, welcher später Klubobmann der „Österreichischen Volkspartei“ (ÖVP) im Wiener Landtag und Gemeinderat wurde. Er erhielt 1986 die Ehrenbürgerschaft und 1996 das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienst um das Land Wien.
An dem Buch, welche die Verbundenheit Österreichs mit Südtirol stärken sollte, arbeiteten zahlreiche Patrioten aus allen Gebieten der Politik, Wissenschaft und Kultur mit.
Diese Mitarbeiter waren:
Univ.-Doz. Dr. Franz Aubele, Fritz Bieler, Bauernbunddirektor Dr. Anton Brugger, Dr. Franz Colleselli, Dr. Lois Ebner, Prof. Dr. Karl Finsterwalder, Friedrich Föger, Univ.-Prof. Dr. Helmut Gams, Univ.-Prof. DDr. Oswald Gschließer, Dr. Friedrich Haider, Dr. Helmut Heuberger, Dr. Hermann Holzmann, Dr. Annemarie Innerebner, Dipl.-Ing. Dr. Georg Innerebner, Univ.-Prof. Dr. Karl Kurt Klein, Dr. Heinrich Klier, Monsignore Prof. Dr. Franz Kolb, Kustos Prof. Dr. Franz Kollreider, Dr. Anton Leiter, Dr. Hans Matscher, Univ.-Doz. Dr. Georg Mutschlechner, Dr. Helmut Nabl, Landtagsabgeordneter Kammeramtsdirektor Dr. Albin Oberhofer, Chordirektor Prof. Rudolf Oberpertinger, Prof. Karl Paulin, Prof. Dr. Oswald Sailer, Dr. Josef Scheidle, Josef Friedrich Scheidle, Univ.-Prof. Dr. Herbert Seidler und Dr. Richard Staffler.
Die Bekenntnisse der Politiker
In kurzen Vorworten legten zwei bedeutende Politiker ein eindeutiges Bekenntnis zu Südtirol und zu den Rechten der Südtiroler ab.
Wie deutsche Dichter ein Kernland deutscher Kultur sahen
Der Beitrag von Dr. Josef Scheidle: „Berühmte Dichter über Südtirol“, gehört zu den kulturgeschichtlich interessantesten Beiträgen in dem „Südtiroler Heimatbuch“ und soll hier nun folgend in Auszügen wiedergegeben werden.
Der Bericht von Dr. Scheidle beginnt mit
Johann Wolfgang von Goethe (*1749, †1832),
der dreimal nach Südtirol kam. Was Goethe bei seinem ersten Besuch und seiner ersten Fahrt im Jahre 1786 erlebte und empfand, schrieb er in seiner „Italienischen Reise“ ausführlich nieder:
Auf dem Brenner, den 8. September (1786) abends
Hier gekommen, gleichsam gezwungen, endlich an einen Ruhepunkt, an einen stillen Ort, wie ich ihn mir nur hätte wünschen können ... Den Brenner herauf sah ich die ersten Lärchenbäume, bei Schönberg den ersten Zirbel ...
Vom Äußern des Menschengeschlechts habe ich so viel aufgefaßt. Die Nation ist wacker und gerade vor sich hin. Die Gestalten bleiben sich ziemlich gleich: braune, wohlgeöffnete Augen und sehr gut gezeichnete Augenbrauen bei den Weibern: dagegen blonde und breite Augenbrauen bei den Männern. Diesen geben die grünen Hüte zwischen den grauen Felsen ein fröhliches Ansehn …
Jetzt sondere ich Iphigenien aus dem Paket und nehme sie mit in das schöne, warme Land als Begleiterin. Der Tag ist so lang, das Nachdenken ungestört und die herrlichen Bilder der Umwelt verdrängen keineswegs den poetischen Sinn, sie rufen ihn vielmehr, von Bewegung und freier Luft begleitet, nur desto schneller hervor.
Trient, den 11. September 1786früh.
Nachdem ich völlig fünfzig Stunden am Leben und in steter Beschäftigung gewesen, kam ich gestern Abend um acht Uhr hier an, begab mich bald zur Ruhe und finde mich nun wieder imstande, in meiner Erzählung fortzufahren. Am Neunten abends, als ich das erste Stück meines Tagebuchs geschlossen hatte, wollte ich noch die Herberge, das Posthaus auf dem Brenner, in seiner Lage zeichnen, aber es gelang nicht, ich verfehlte den Charakter und ging halb verdrießlich nach Hause. Der Wirt fragte mich, ob ich nicht fort wollte: es sei Mondenschein und der beste Weg … Die Sonne ließ sich wieder blicken, die Luft war leidlich, ich packte ein, und um sieben Uhr fuhr ich weg. Die Atmosphäre ward über die Wolken Herr und der Abend gar schön ….
Mit Tagesanbruch erblickte ich die ersten Rebhügel. Eine Frau mit Birnen und Pfirsichen begegnete mir; und so ging es auf Teutschen los, wo ich um sieben Uhr ankam und gleich weiter befördert wurde.
Nun erblickte ich endlich bei hohem Sonnenschein, nachdem ich wieder eine Weile nordwärts gefahren war, das Tal, worin Bozen liegt. Von steilen, bis auf eine ziemliche Höhe angebauten Bergen umgeben, ist es gegen Mittag offen, gegen Norden von den Tiroler Bergen gedeckt. Eine milde, sanfte Luft füllte die Gegend. Hier wendet sich die Etsch wieder gegen Mittag. Die Hügel am Fuße der Berge sind mit Wein bebaut. Oberlange, niedrige Lauben sind die Stöcke gezogen; die blauen Trauben hängen gar zierlich von der Decke herunter und reifen an der Wärme des nahen Bodens. Auch in der Fläche des Tals, wo sonst nur Wiesen sind, wird der Wein in solchen eng aneinander stehenden Reihen von Lauben gebaut, dazwischen das türkische Korn, das nun immer höhere Stengel treibt. …
Bei heiterem Sonnenschein kam ich nach Bozen. Die vielen Kaufmannsgesichter freuten mich beisammen. Ein absichtliches, wohlbehagliches Dasein drückt sich recht lebhaft aus. Auf dem Platze saßen Obstweiber mit runden, flachen Körben, über die vier Fuß im Durchmesser, worin die Pfirschen neben einander lagen, daß sie sich nicht drücken sollten. Ebenso die Birnen …
Die Bozner Messe bewirkt einen starken Seidenvertrieb; auch Tücher werden dahin gebracht, und was an Leder aus den gebirgigen Gegenden zusammengeschafft wird. Doch kommen mehrere Kaufleute hauptsächlich, um Gelder einzukassieren, Bestellungen anzunehmen und neuen Kredit zu geben, dahin. Ich hatte große Lust, alle die Produkte zu beleuchten, die hier auf einmal zusammengefunden werden; doch der Trieb, die Unruhe, die hinter mir ist, lässt mich nicht rasten und ich eile sogleich wieder fort. …
Roveredo, den 11. September abends. Hier bin ich nun in Roveredo, wo die Sprache sich ab-schneidet.
Die zweite bedeutende Persönlichkeit, die Dr. Scheidle vorstellte, war
Johann Gottfried von Herder (*25. August 1744 in Mohrungen, Königreich Preußen; geadelt 1802, † 18. Dezember 1803 in Weimar)
Herder war Dichter, Übersetzer, Theologe sowie Geschichts- und Kultur-Philosoph. Er war einer der einflussreichsten Schriftsteller und Denker deutscher Sprache im Zeitalter der Aufklärung und zählt mit Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller zu dem klassischen Viergestirn von Weimar.
Herder unternahm im Jahre 1788 eine Reise nach Italien. Am 1. September hielt er sich in Bozen auf. Von dort schrieb er an seine Frau und sodann an seine Kinder. Das siebenjährige Luischen und der fünf jährige Emil antworteten dem Vater.
Alle meine lieben Kinder, Gottfried, August, Wilhelm, Adelbert, Luischen und Emil.
Ich bin jetzt nah an den Grenzen Deutschlands und habe die großen Tiroler Berge beinahe zurückgelegt. Es sind hohe Berge; auf einigen war viel Schnee ...
Jetzt bin ich nun in Bozen, wo heute eine unsägliche Menge Volks ist, weil 19000 Kinder gefirmelt werden sollen, da der Bischof in vielen Jahren nicht gefirmelt hat ...
Da ist nun vor unserem Wirtshaus ‚Zur Sonne‘ ein solcher Obstmarkt, als ihr in eurem Leben nicht gesehen habt, Birnen, Quetschen, Weintrauben, Nüsse, Feigen: denn hier wachsen schon Feigen, und bald werden wir auch dahin kommen, wo die Pomeranzen- und Zitronen-bäume wachsen. 0hdaß ihr hier mit wäret ... Auf den Tiroler Bergen haben wir auch Gemsli springen sehen, auch eins in Innsbruck gegessen und ein zahmes gesehen, das gar niedlich war, seiner Nährerin, einer Bauersfrau, überallhin folgte und so geschlank war, als ich euch allen zu sein wünsche.
Lieber Vater. Kommen Sie balt wieder denn wir haben Sie gar lieb und mögen nicht ohne Sie leben. Die Mutter hat uns auf der Landeharde Botzen gezeigt. Wo so Vile Kinder u. so viel Obst waren, da haben wir recht gewünscht bei Sie zu seyn. Jetzt lerne ich das Lied Jesus meine Zuversicht, u. mir beden alle Tage mit der Mutter.
Luise.
Lieber Vater.
Kommen Sie bald u. haben Sie mich lieb, und erzehlen mir von den Gemslis u. da will ich wieder an ihnen hinaufe klettern, u. ich will Sie auch lieb haben, u. wenn Sie kommen, bringen Sie von die schönen Abrilikosen mit.
Dein getreuer Bruder Emil.
Ein weiterer bedeutender Dichter, den Dr. Scheidle vorstellte, war
Johann Ludwig Tieck (* 31. Mai 1773 in Berlin; † 28. April 1853 ebenda)
Dieser erholte sich 1805 in Südtirol von einer schwerer Krankheit. Er pries in der Hymne „Bozen“ die Schönheit der Landschaft.
Welche Wonne!
Unten liegt ein Himmelstal
Im Glanz der reinen Sonne.
Wie der Weg sich senkt,
Rücken neue Hügel, Berge vor –
Rundum Glanz und Farbenpracht.
Am Wege hohe Hecken
Von blühenden Granaten,
Glut auf Glut gedrängt.
Wie voll, wie frisch, wie lachend
Hier Kuß an Kuß
Und Liebesgruß
In grünen Zweigen winkt.
Die Gefährten wandeln jubelnd
Und werfen die roten Blüten
Lachend dem Kranken zu.
Plötzlich ertönt,
So scharf und voll
Betäubend fast
Ein Chor von grillenden, schrillenden Stimmen.
Das ist der Zikadengesang,
So oft von alten Dichtern gepriesen ... Doch ebenso plötzlich
Als es begann,
Verstummt es jetzt.
Und ein liebliches Schweigen
Dehnt sich wollüstig,
Liebesatmend.
Durch den Raum des blauen Himmels,
Durch das blühende Tal
Ober die lachenden Gebirge hin,
Und meine Seele
Strebt vergeblich
Worte zu finden,
Ihr stilles Entzücken
Sich und andern zu sagen.
Josef Viktor von Scheffel (* 16. Februar 1826 in Karlsruhe; † 9. April 1886 ebenda, geadelt 1876),
war ein im 19. Jahrhundert viel gelesener deutscher Schriftsteller und Dichter, Autor von Erzählungen und Versepen sowie mehrerer bekannter Liedtexte. Er war indirekter Schöpfer des Begriffes Biedermeier. Scheffel widmete Schloß Runkelstein bei Bozen im Jahre 1855 folgendes Gedicht, welches hier im „Südtiroler Heimatbuch“ wiedergegeben ist:
Noch heute freut’s mich, 0 Runkelstein,
Daß einstmals zu guter Stunden
In der Talfer felsenges Tal hinein
Zu dir den Weg ich gefunden.
Melodisch scholl aus der Tiefe empor
Des Wildbachs entströmendes Tosen,
Am Burgpfad erblühten im lustigen Chor
Glutnelken und wilde Rosen.
Des Runkelsteins verfallen Gebäu
Weiß nichts von Grämen und Trauern
Der Geist der Dichtung, fröhlich und frei,
Nistet in seinen Mauern.
Herr Konrad Vintler einst oben saß,
Dess‘ Kurzweil war, allerwegen
Beim Klang von Laute und Stengelglas
Der freien Künste zu pflegen.
Längst war des Minnelieds Glanz vorbei,
Und anderes wollt‘ sich gestalten,
Drum dacht‘ er, ein künstlerisch Konterfei
Entschwundener Pracht zu behalten.
Viel sinnige Maler malten ihm gern
Die Helden der altdeutschen Lieder;
Noch schauen Herr Hagen und Dietrich von Bern
Vom Söller zum Burghof hernieder.
Und Grau in Grau – dort den Saal entlang,
Wer deutet die Gruppen, die holden?
’s ist Gottfrieds von Straßburg minniger Sang
Von Tristan und Isolden,
Tristan und Isolde auf weitem Meer –
Isolde und Tristan im Walde-
Brangäne lächelt – betrüblich sehr
Steht König Marke der Alte ... Im Rittersaale am hohen Kamin,
Saß lang ich, in Sinnen versunken,
Und habe im feurigen Wein von Tramin
Des Vintlers Gedächtnis getrunken.
Wer immer ins sonnige Etschland fährt,
Halt‘ Einkehr in diesen Räumen.
Und ist ihm eine Isolde beschert,
Mag er von ihr hier träumen.
Paul Johann Ludwig von Heyse (* 15. März 1830 in Berlin; geadelt 1910; † 2. April 1914 in München)
war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf Heyse rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen.
Heyse hielt sich in jüngeren Jahren mit einem kranken Verwandten in Meran auf. Aus diesem Aufenthalt erwuchsen seine „Meraner Novellen“. Nachstehende Schilderung stammt aus der Novelle „Die Unheilbare“:
Ich ging die engen Gäßchen entlang bis zu dem alten Tore, das unter einem verwitterten und von Franzosenkugeln genarbten Turme ins Passeiertal hinausführt. Wie aber da sich Nähe und Ferne vor einem auftut, das ist zum Erschrecken schön und groß und fremdartig. Ich saß wohl eine halbe Stunde auf einem Stein dicht neben dem Tor, wo der steile Pfad gerade hinaufführt auf den Küchelberg und zu dem alten Pulverturme droben, der jetzt ganz friedlich, wie ein ausgedienter Invalide, die Rebengärten bewacht.
Da sah ich, mir gegenüber auf einem Felsenvorsprunge, der aus dem Küchelberg ins Tal der Passer hinaustritt, die Trümmer der Zenoburg und überlegte, ob ich wohl die Kraft hätte, mich die breite Straße bis hinauf zu schleppen, oder mich begnügen sollte, über die steinerne Brücke ans andere Ufer zu kommen, wo man das freundliche Obermais herüberwinken sieht. Eine Frau kam gegangen, die Pfirsiche und Weintrauben im Korb auf dem Kopfe trug. Der kaufte ich einige ab, aß und fühlte mich sehr gestärkt. So machte ich mich auf den Weg, stand alle drei Schritt und sah zur Passer hinab, die so blau und dann wieder mit weißem Schaum tief unter dem Brückenbogen durchfließt.
Wie kühn und traulich zugleich hangen die Weingeländer an den schroffen Uferfelsen, wilde Feigenbäume mit zahllosen schwarzen Früchten, dazwischen das lebendige Wasser, in Rinnen herabgeleitet, kühlt das Laub und treibt hie und da im Vorbeigehen ein Rad, von der Tiefe herauf heben sich die hohen Stämme der Nußbäume und edlen Kastanien, eine unerschöpfliche Triebkraft und Freudigkeit der Natur, wohin man blicken mag.
Besonders auch weidete ich die Augen recht an der kräftigen, bald tiefbräunlichen, bald silbergrauen Farbe des Felsens; und wie malerisch es sich ausnahm, die Menschen in ihrer schönen Tracht den schroffen Küchelberg heruntersteigen oder einen Wagen, vielmehr eine zweirädrige Schleife, mit starken, weißgrauen Ochsen bespannt und mit Rebenlaub beladen, von der Zenoburg herabfahren zu sehen, das alles unter einem Himmel, den ich bisher immer nur für eine schöne Fabel der Maler und Dichter gehalten hatte.
Dies war nur eine Auswahl von Dichtern, die Südtirol geliebt und besungen haben und deren Stimmen uns Dr. Josef Scheidle im „Südtiroler Heimatbuch“ weiter vermittelt hat.
Die Forderungen der heutigen Zeit
Es stünde den heutigen regierenden Politikern der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) gut an, die Verbundenheit zu dem gesamten deutschen Kulturraum zu pflegen und vor allem zu dem Vaterland Österreich. Sie sollten auch von den österreichischen Politikern Solidarität einfordern. Der Hinweis auf das damalige so vorbildliche „Südtiroler Heimatbuch“ kann ihnen hier Anregung und Mahnung sein.
Vor allem sollte der Landeshauptmann Arno Kompatscher von seinen Parteifreunden diesbezüglich in die Pflicht genommen werden. Ein eigener Anstoß ist von ihm wohl kaum zu erwarten.
Es muss doch auch in der SVP noch Leute geben, die ihm klar machen können, dass man seinem Land nicht dient, indem man österreichische Unterstützer des Selbstbestimmungsrechts öffentlich beleidigt und ihnen politischen Misserfolg wünscht.
Es muss in der SVP doch noch Leute mit Tiroler Gesinnung geben, die Kompatscher sagen können, dass es falsch ist, ständig auf den Knien nach Rom zu rutschen und ausgerechnet die italienische Partisanen-Vereinigung zu beauftragen, federführend den Zeitgeschichtsunterricht an Südtirols Schulen mit zu gestalten.
Diese Leute werden nämlich der Südtiroler Jugend alles andere als die Verbundenheit mit dem Vaterland Österreich nahe bringen wollen!
Die Option 1939 und ihre Folgen
Nachdem im jüngsten SID der Beitrag „Hitler und Südtirol – Eine Dokumentation“ erschienen war, wurde von Lesern angefragt, ob wir nicht auch zum Thema der Option von 1939 nähere Informationen geben könnten.
Dankenswerter Weise hat sich Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt, der Germanistik, Osteuropäische Geschichte, Volkskunde und Politikwissenschaft studiert und 27 Jahre der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ angehört hatte, dazu bereit erklärt, einen solchen Beitrag zur Verfügung zu stellen.
Rund 78 Prozent der Berichterstattung über Südtirol gingen während seiner Tätigkeit in der FAZ auf seine Rechnung. Es war ihm stets ein Anliegen, die Interessen der Südtiroler und anderer ethnischer Minderheiten zu vertreten. Seit seinem Ausscheiden aus der FAZ lehrt er an österreichischen und ungarischen Hochschulen.
Im Jahr 2009 wurde Olt mit dem Verdienstorden des Landes Südtirol geehrt, und im Jahr 2013 zeichnete ihn die Republik Österreich mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst aus. Der Nordtiroler Landeshauptmann Günther Platter verlieh ihm ebenfalls anno 2013 den Großen Tiroler Adler-Orden.
Es freut uns, den nachstehenden Beitrag von ihm veröffentlichen zu können. Die Bebilderung wurde durch uns vorgenommen.
Georg Dattenböck Schriftleiter
„Option“ – Hitlers und Mussolinis folgenreicher Schacher mit den Südtirolern.
Eine Rückblende von Reinhard Olt
Für Tiroler ist von den historischen Erinnerungsdaten – neben dem Beginn des Ersten Weltkriegs, an dessen Ende die waffenstillstandswidrige Annexion des südlichen Landesteils durch Italien 1918 und dessen friedensvertragliche Übereignung an den Stiefelstaat im Jahr darauf stand – der alljährliche 21. Oktober als besonders schmerzlicher Gedenktag zu „bewältigen“: An diesem Tag des Jahres 1939 gab der nationalsozialistische deutsche „Führer“ Adolf Hitler seinem faschistischen italienischen Pendant, dem „Duce“ Benito Mussolini, Südtirol preis.
Mit dem damals zwischen Berlin und Rom in Kraft getretenen „Optionsabkommen“ sollte gewährleistet werden, was nach der faschistischen Machtübernahme in Italien 1922 zwischen Brenner und Salurner Klause sowie zwischen Reschen-Pass und Dolomitenstock trotz brutaler Entnationalisierungspolitik nicht erreicht worden war, nämlich die „ewige Italianità“ dieses Landstrichs.
Für dessen Erwerb hatten chauvinistische Irredentisten gemäß der seit Mitte des 19. Jahrhunderts propagierten „Wasserscheiden-Theorie“ unablässig gefochten, und für dessen Einverleibung wechselte Italien 1915 die Seite und trat – gemäß dem Motto „Sacro egoismo“ („Heiliger Eigennutz“) – gegen den aus Deutschem Reich und Österreich-Ungarn bestehenden Zweibund, mit dem es ehedem im „Dreibund“ verbündet war, in den Krieg ein.
Schon in einer seiner weniger bekannten Schriften aus der „Kampfzeit“ – „Die Südtiroler Frage und das Deutsche Bündnisproblem“ (erschienen 1926 in München im NSDAP-Parteiverlag F. Eher) – hatte der „böhmische Gefreite“ Hitler zu erkennen gegeben, daß er die Südtiroler als ein Hindernis auf dem Weg zur Annäherung an den späteren Achsenpartner betrachtete.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938, womit die Wehrmacht am Brenner stand, zerstreute Hitler anlässlich seines Staatsbesuchs italienische Befürchtungen, wonach eine Rückgliederung Südtirols bevorstehen könnte, indem er am 7. Mai 1938 in Rom erklärte: „Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, daß es die von der Natur uns beiden aufgerichtete Alpengrenze immer als eine unantastbare ansieht.“
Diese Erklärung fand in dem am 22. Mai 1939 in Berlin im Beisein Hitlers von den Außenministern Joachim von Ribbentrop und Galeazzo Graf Ciano (Schwiegersohn Mussolinis) unterzeichneten „Stahlpakt“ ihre Bekräftigung. Denn in der Präambel dieses politisch-militärischen Bündnisses zwischen dem Deutschen Reich und Italien hieß es, dass mit den „für immer festgeschriebenen gemeinsamen Grenzen die sichere Grundlage für gegenseitige Hilfe und Unterstützung gegeben“ sei. Und um die in diesem Abkommen genannte „ewige Grenze“ auch „volkstumspolitisch“ zu untermauern, handelten besagter Graf Ciano und Reichsführer-SS Heinrich Himmler unter strikter Geheimhaltung das Optionsabkommen aus.
Es sah vor, daß sich Deutschsüdtiroler und Ladiner in der Provinz Alto Adige („Hochetsch“) sowie jene des zur Provinz Trient gehörenden Südtiroler Unterlandes, aber auch die Bewohner des bis 1918 zu Kärnten gehörenden Kanaltals – es erstreckt sich vom heutigen Grenzübergang Thörl-Maglern/Arnoldstein über Tarvis/Tarvisio bis Pontafel/Pontebba – sowie des Fersentals und Luserns (deutsche Sprachinseln im Trentino) für Italien oder für das Deutsche Reich zu entscheiden hatten: „Optierten“ sie bis zum 31. Dezember 1939 für die deutsche Staatsbürgerschaft, so war damit die Verpflichtung zur Aussiedlung verbunden; entschieden sie sich für die Beibehaltung der italienischen, somit für den Verbleib in der angestammten Heimat, so taten sie dies freilich in der Gewissheit, keinen Schutz mehr für ihre Volksgruppe in Anspruch nehmen zu können.
Schon im Juni 1939 war der Inhalt des schändlichen Abkommens in Südtirol bekannt geworden. Daraufhin traten Vertreter des (der Kirche nahestehenden) „Deutschen Verbandes“ (DV) wie Repräsentanten des (NS-nahen) „Völkischen Kampfrings Südtirols“(VKS), die sich im Bozner Marien-Internat bei Kanonikus Michael Gamper zu einer Beratung getroffen hatten, einhellig dafür ein, geschlossen für den Verbleib in der Heimat zu stimmen. Am 1. August 1939 wurde im Verlautbarungsblatt der Staatsbahnen angekündigt, dass „in nächster Zeit Transporte von Personen und Gütern aus Südtirol in südliche Provinzen abgehen“ sollten. Der römische Statthalter, Präfekt Giuseppe Mastromattei, verkündete in der Zeitschrift „Atesia Augusta“, dass, wer „immer Treue zu Italien und zu den Einrichtungen des Regimes bewiesen“ habe, bleiben dürfe. Dies bedeutete jedoch, dass die meisten der keineswegs faschistisch eingestellten Südtiroler von Deportation in die südlichen Provinzen bedroht waren. Dazu kam, dass laut Arbeitsvermittlungsgesetz nur Italiener als Ersatz für entlassene Deutschsüdtiroler eingestellt werden durften.
Den italienischen Privatbetrieben wurde die Einstellung von Südtirolern verboten, und auch die Obstgenossenschaften durften keine deutschtiroler Saisonarbeiter mehr beschäftigen. Höchste Repräsentanten des faschistischen Staates gaben in öffentlichen Äußerungen zu verstehen, dass die für Italien optierenden Südtiroler nach Sizilien umgesiedelt werden könnten, wo das Regime gerade eine Landreform in Gang gesetzt hatte, wodurch 20 000 neue Bauernstellen geschaffen werden sollten. Späteren Erklärungen der italienischen Behörden, wonach Italien-Optanten in Südtirol verbleiben könnten, wurde nicht mehr geglaubt, vor allem auch, weil eine von Bischof Geisler geführte Delegation, die diesbezüglich bei Mussolini vorsprechen wollte, nicht empfangen worden war. Man sah sich auf Gedeih und Verderb der römischen Willkür ausgeliefert.
In ihrer Verzweiflung hatten sich Vertreter des VKS direkt an Himmler gewandt. Dieser erklärte einer VKS-Abordnung anlässlich einer Begegnung am Tegernsee unverblümt, dass das Deutsche Reich die „Dableiber“, also die Optanten für Italien, ihrem Schicksal, mithin dem unabwendbaren nationalen Untergang, überlassen werde. Der VKS schwenkte nun um und begann, mit reichsdeutscher Unterstützung, für eine möglichst geschlossene Option für das Reich zu werben. Kanonikus Michael Gamper und sein Freundeskreis vom DV und dem Andreas Hofer-Bund (AHB) hingegen waren überzeugt, dass man im Lande bleiben und auf eine Änderung der Verhältnisse hoffen müsse. Die emotionalen Auseinandersetzungen führten zu einer tiefgreifenden Spaltung der Bevölkerung, die durch die Dörfer und teilweise auch durch die Familien ging. Es kam zu gegenseitigen Vorwürfen des „Verrats“, wobei die Deutschland-Optanten als „Heimatverräter“ und die „Dableiber“ als„Volksverräter“ beschimpft wurden.
Von den 246 036 dazu Berechtigten optierten 211 799 für die deutsche Staatsbürgerschaft und Aussiedeln, 34 237 votierten für die Beibehaltung der italienischen und Bleiben. Wer ging, ließ alle unbewegliche Habe zurück. Von den Optanten wurden schließlich etwa 76 000 ausgesiedelt. In ihre Häuser und Höfe, über deren Wert hastig Kommissionen befanden, zogen zumeist Süditaliener ein – der ganze Landstrich sollte ja seinen „deutschen Charakter“ verlieren.
Der Zweite Weltkrieg, an dessen Beginn vor 77 Jahren auch in diesem Zusammenhang zu erinnern ist, verhinderte die vollständige Ausführung der Umsiedlung, die bereits 1941 zum Erliegen kam, ins Deutsche Reich oder ihm angeschlossene respektive von ihm unterworfene Gebiete.
Die Entscheidung für Gehen oder Bleiben war schließlich schon mit der „Operationszone Alpenvorland“ gänzlich obsolet geworden, zu der Südtirol mit der Besetzung Norditaliens gehörte, nachdem Mussolini 1943 vom Faschistischen Großrat abgesetzt worden war und in der „Republik von Salò“ als Satrap Hitlers „regierte“. Berlin fragte fortan nicht mehr nach „Optanten“ oder „Dableibern“. Gestellungsbefehle an die Front erreichten Angehörige beider Lager.
Die Rückkehr der Deutschland-Optanten in ihre Heimat nach Kriegsende stieß auf enorme Schwierigkeiten. Es bedurfte trotz des zwischen dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi und dem österreichischen Außenminister Karl Gruber am 5. September 1946 zu Paris geschlossenen Abkommens („Parier Vertrag“) über die (dann bis 1972 von Rom torpedierte) Autonomie Südtirols, welches auch die „Revision der Option“ zum Gegenstand hatte, zäher Verhandlungen, den zunächst Staatenlosen, überdies als Nazis Gebrandmarkten, die italienische Staatsbürgerschaft wieder zuzuerkennen. Die damals geschlagenen, tiefen seelischen Wunden sind auf beiden Seiten erst nach vielen Jahren wieder vernarbt.
Selbst der von Angehörigen beider Lager gegründeten Südtiroler Volkspartei (SVP), an deren Spitze nachmals für gut drei Jahrzehnte Silvius Magnago stand, ein Optant, fiel es nicht leicht, die Kluft allmählich zu überwinden. Kanonikus Gamper gebührt das Verdienst, durch sein leuchtendes Beispiel der Nächstenliebe und Toleranz die Südtiroler nach Kriegsende wieder zu einer handlungsfähigen Volksgruppe zusammengeführt zu haben.
Anfangs hatte der im Mai 1945 von den Alliierten in Bozen eingesetzte italienische Präfekt Bruno De Angelis sogar danach getrachtet, die Aussiedlung der verbliebenen Optanten in die amerikanischen, englischen und französischen Besatzungszonen in Österreich und Deutschland zu erreichen. Dies war an den alliierten Mächten gescheitert. Rom versuchte sodann, mit Kniffen und Tricks die Rückkehr der ausgesiedelten Optanten zu behindern. Welche Methoden dabei angewandt wurden, zeigte etwa die Beschlagnahme des Vermögens jener Deutschland-Optanten, denen Italien 1949 die Wiedererteilung seiner Staatsbürgerschaft unter der durch nichts zu rechtfertigenden Beschuldigung verweigerte, es handele sich durchweg um Nazis. Damit hoffte man, weitere Rückkehrwillige abzuschrecken.
Bis 1952 hatten nur deren 25 000 wieder in die Heimat zurückkehren können. Das war nur rund ein Drittel der Ausgesiedelten.
Erst dem „Dableiber“, Gamper-Vertrauten, ehemaligen KZ-Häftling, nunmehrigen Journalisten und SVP-Abgeordneten im italienischen Parlament Friedl Volgger gelang es mithilfe einer von ihm organisierten alliierten Unterstützung, die römische Regierung dazu zu bewegen, die Vermögensbeschlagnahme wieder aufzuheben.
Für lange Zeit auch stellte sich im deutsch-italienischen Nachkriegsverhältnis die vermögens- und versicherungsrechtliche sowie die technische Abgeltung von Leistungen für Optanten wie ein Sperrriegel in den Weg. Die Optanten hatten sämtliche Guthaben verloren. Die Ablösesummen für ihre zwischen 1939 und 1941 in Südtirol verlassenen Besitztümer waren auf Sperrkonten ohne Verfügungsberechtigung überwiesen worden. In Österreich, das 1938 dem Reich „angeschlossen“ worden war und wohin viele Südtiroler ausgesiedelt wurden, raffte die Geldentwertung die „freien Einlagen“ dahin.
Und in Ansiedlungsgebieten wie Böhmen und dem Elsass waren von Optanten erworbene Liegenschaften als „deutsches Eigentum“ entschädigungslos konfisziert worden.
In Südtirol bemühten sich Josef Zingerle, diözesaner Caritasdirektor von Brixen, Rudolf Freiherr Unterrichter von Rechtenthal, Johannes Schauff von der in Genf ansässigen „Internationalen Katholischen Wanderungskommission“, sowie die SVP-Senatoren Karl Tinzl und Karl Mitterdorfer um Rücksiedlungshilfen für heimkehrwillige Optanten aus der Bundesrepublik.
Erst Anfang der sechziger Jahre konnten ihre Bemühungen mit finanzieller Hilfe Bonns in geordnete Bahnen gelenkt werden, indem Finanzministerium und Bundesausgleichsamt eine „humanitäre Regelung“ entwickelten, in die später das Arbeits- und Sozialministerium eingebunden war. Grundlage dafür war das 14. Lastenausgleichsgesetz, welches 1963 auf „Umsiedlungsgeschädigte und Optanten“ angewandt wurde.
In Bozen wurde ein „Berufungsausschuss für Umsiedlungsgeschädigte“ eingerichtet, über den man das Verfahren zur individuellen Entschädigung nach dem deutschen Reparationsschädengesetz abwickelte, welches in einem 1969 in Kraft getretenen „Abkommen zur Regelung von Kriegsschäden italienischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland und deutscher Staatsangehöriger in der Republik Italien“ seine Anwendung fand.
Letztendlich mündete es in das deutsch-italienische Rentenabkommen von 1976, in welchem eine über die Abgeltung von Vermögensschäden hinausreichende Zubilligung von Ausfallzeiten sowie Rentenleistungen geboten war und nach Beseitigung mancher Schwierigkeiten in Verhandlungsrunden 1983, 1986 und 1991 bis zur endgültigen Befriedung 1998 zum Tragen kommen konnte.
Zu Mitgliedern des Bozner Beratungsausschusses waren Vertreter der Optanten, der Sozialverbände, der Kirche und des öffentlichen Lebens berufen worden. Grundsätzlich wurden Leistungen nach dem Einzelantragsprinzip gewährt. Zahlungen zur Abgeltung von Vermögensansprüchen wurden an Geschädigte oder antragsberechtigte Erben geleistet, Rentenansprüche und -zahlungen im Zusammenwirken mit dem italienischen Rentenversicherungsträger NISF/INPS geregelt; der Berufungsausschuss stellte hierfür die amtlich anerkannten Bescheinigungen aus.
Nach dem Bonner Lastenausgleichsgesetz sind insgesamt 121,3 Millionen Mark bewilligt worden, die deutschen Aufwendungen im Rahmen des Rentenabkommens beliefen sich auf 262 Millionen Mark. Dreißigtausend Akten hatte der Berufungsausschuss angelegt, mehr als fünfzehntausend Anträge bearbeitet; nahezu zehntausend Begünstigte kamen in den Genuss von Zahlungen.
In einer separaten Regelung für Optanten aus dem Fersental und aus Lusern ermöglichte der Berufungsausschuss die Rückübertragung von 27 000 Grundparzellen im Trentino und 1971 den Umtausch von Vermögenswerten auf DM-Basis, die einst in Reichsmark festgesetzt worden waren.
Im Jahr 1999, 35 Jahre nach seiner Gründung und 60 Jahre nach dem unseligen Optionsabkommen, hatte der Berufungsausschuss seine gänzlich ehrenamtliche Tätigkeit beendet. Damit schloss sich ein beklemmendes Kapitel der jüngeren deutsch-italienischen Geschichte, damit war zugleich eine über Jahrzehnte belastende Hypothek auf den Beziehungen zwischen Bonn/Berlin und Rom sowie der beiden Hauptstädte zu Südtirol auf langwierige, aber humanitäre und pekuniäre Weise geräuschlos abgetragen worden.
Ein Beteiligter sah sich hingegen gegenüber den Ansprüchen von Optanten nicht in der Pflicht, wie der damalige Abschlußbericht des Ausschussvorsitzenden festhielt: „Die Verhandlungen um eine Entschädigung seitens der Republik Österreich für die Einbehaltung von cirka 11 000 Wohnungen, die mit Geldern der Südtiroler Umsiedler, gestützt auf Reichsbürgschaften, noch während des Zweiten Weltkrieges für diese errichtet wurden, führten zu keinem Erfolg.“
Weiter hieß es darin: „Es wäre sicherlich opportun, wenn die CA-Bank Innsbruck noch alle Konten der Optanten nach dem Vorbild der Schweizer Banken offenlegen würde.“
Mit in Jahrhunderten gefestigten Banden historisch legitimiert und mit der Jurisdiktion zweier UN-Deklarationen im Rücken gibt sich Wien zwar stets zu Recht als „Schutzmacht“ der Südtiroler aus. Wo es ihr als „Schutzmacht“ aber gut angestanden hätte, zusammen mit Deutschland Rückgrat zu zeigen, da zog sich die Republik Österreich in bewährter Weise auf den von ihr vertretenen, quasi staatsdoktrinären Standpunkt von der „Nichtexistenz als Völkerrechtssubjekt zwischen 1938 und 1945“ zurück – er kostet(e) nichts.
Hitler und Südtirol
Eine Dokumentation
Liebe Leser!
Wir erhalten gelegentlich Zuschriften, welche auf das Verhältnis Hitlers und des Nationalsozialismus zu Südtirol Bezug nehmen. Einige der Leser zeigen sich sehr gut informiert, andere wünschen mehr Information.
Gerade zu diesem Zeitpunkt erreicht uns eine skurrile Nachricht aus Italien: Die Paolo Berlusconi, dem Bruder des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, gehörende italienische Tageszeitung „Il Giornale“, die in einer täglichen Auflage von 140.000 Stück erscheint, hat zu einer schrillen Werbemaßnahme gegriffen: Sie hat ihrer Wochenendausgabe vom 11. Juni 2016 Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ beigelegt.
Der von ehemaligen politischen Häftlingen Südtirols gegründete „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) hat diese Werbeaktion scharf verurteilt. Dessen Obmann Roland Lang erklärte gegenüber der Presse: „Das Ziel der Provokation wurde erreicht. Faschistische Denkweisen oder Weltbilder mit neofaschistischen Nuancen haben aber in einem geeinten und friedlichen Europa des 21. Jahrhunderts nichts verloren.“
Dass dieses, von „Il Giornale“ nun auch am Kiosk vertriebene Buch und sein Verfasser sich bis heute in nationalistischen Kreisen Italiens großer Beliebtheit erfreuen, ist verständlich. Man muss nur die Südtirol betreffenden Passagen in dem nur schwer genießbaren Bekenntniswerk Hitlers lesen. Italienische Neofaschisten und Super-Nationalisten haben wahrlich allen Grund, „Adolfo“ als ihren großen Freund zu feiern. Für uns ist dieses Ereignis jedoch der Anstoß, unseren Lesern nachstehende Dokumentation zu übermitteln.
Ich hoffe, dass wir kritischen Geistern damit dienlich sind.
Georg Dattenböck
Schriftleiter
Hitler und Südtirol Eine Dokumentation
von Jürgen Fingeller
Hitlers Kurswechsel
Vor Mussolinis Machtantritt hatte Hitler in öffentlichen Reden durchaus noch die Rückgabe Südtirols gefordert gehabt. Das stand im Einklang mit dem Parteiprogramm der NSDAP vom 24. Februar 1920, in welchem es hieß:
„1. Wir fordern den Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zu einem Groß-Deutschland.“
In den parteiamtlichen Erläuterungen dazu hatte es geheißen: „Wir verzichten auf keinen Deutschen im Sudetenland, in Südtirol, in Polen, in der Völkerbundkolonie Österreich und in den Nachfolgestaaten des alten Österreich.“ (G. Feder: „Das Programm der NSDAP und seine weltanschaulichen Grundgedanken“, München 1933, S. 42)
Als Benito Mussolini jedoch Ende Oktober 1922 von dem italienischen König zum Ministerpräsidenten ernannt worden war und nun begann, den Staat langsam aber sicher in eine Diktatur zu transformieren, wurde er zum großen Vorbild Adolf Hitlers und der Bündnisgedanke mit Italien trat in den Vordergrund.
Hitler betonte ab nun die Freundschaft und ideologische Verbundenheit mit dem Faschismus und erklärte ab 1922 wiederholt in Reden und Zeitungsinterviews, dass er die Brennergrenze als endgültig betrachte.
Unter der Federführung des vor den Faschisten aus Südtirol geflüchteten Univ.-Prof. Dr. Eduard Reut-Nicolussi wurde von der „Arbeitsstelle für Südtirol“ in Innsbruck eine Zeitung mit dem Namen „Der Südtiroler“ herausgegeben. In einem Sonderdruck dieser Zeitung aus dem Jahr 1932 kritisierte Reut-Nicolussi das Verhalten Hitlers und zitierte aus dessen abfälligen Äußerungen über Südtirol.
Am 10. Oktober 1923 konnte die italienische Zeitung „Corriere Italiano“ ein Gespräch mit Hitler veröffentlichen, in welchem dieser erklärte: „Als Nationalist vermag ich mich durchaus in die italienischen Gedankengänge zu versetzen und verstehe sogar den italienischen Anspruch auf eine gesicherte Grenze.“ (Wiedergegeben in: Karl Heinz Ritschel: „Diplomatie um Südtirol“, Stuttgart 1966, S. 130)
Hitler ahmte Mussolini in allem nach
Hitler begann, die faschistische Bewegung auch äußerlich nachzuahmen, um die Gleichartigkeit der Bewegungen in Deutschland und Italien zu unterstreichen.
Aus dem faschistischen „Saluto Romano“, den hier Militärkaplane der Alpini in der Faschistenzeit vorzeigten, wurde nachahmend der „Deutsche Gruß“.
Die nationalsozialistischen „Sturm-Abteilungen“ (SA), eine Nachahmung der mit Schwarzhemden ausgestatteten Faschistischen Miliz, wurden einheitlich mit Braunhemden eingekleidet. Sie trugen keine Fahnen, sondern Standarten nach altrömischem beziehungsweise faschistischem Vorbild.
Aus dem „Duce“ wurde der „Führer“. Hitler schätzte an Mussolini auch dessen Betonung der angeblichen Überlegenheit der „italischen Rasse“ über die anderen Mittelmeervölker.
In der faschistischen Zeitschrift „Difesa della Razza“ („Verteidigung der Rasse“) wurde die Höherwertigkeit der „italischen Rasse“ über andere Populationen verkündet.
In dem Punkt 25 seines Parteiprogramms forderte Hitler, dem Vorbild Mussolinis folgend, einen berufsständischen Aufbau des Staates und „die Bildung von Stände- und Berufskammern.“
Im Sicherheitswesen sollte auch er auch eine terroristische Geheimpolizei und Konzentrationslager einrichten.
In bevölkerungspolitischer Hinsicht sollte Hitler von dem „Duce“ auch die Idee der Zwangsassimilierung sowie der Umsiedlung und Vertreibung ganzer Völkerschaften übernehmen.
Die von dem „Duce“ propagierte Forderung nach „neuem Lebensraum“ in Afrika wurde bei dem „Führer“ zur Forderung nach „neuem Lebensraum“ im Osten.
Görings Vorschlag: Verzicht auf Südtirol gegen Erhalt von Geld
Da die NSDAP unter ständigem Geldmangel litt, erhoffte Hitler von Mussolini auch eine finanzielle Unterstützung der deutschen Schwesterpartei.
Bereits im September 1923 reiste ein mit einem Bevollmächtigungsschreiben des Generals Ludendorff ausgestatteter Emissär der NSDAP namens Kurt Lüdecke nach Rom, um vergeblich finanzielle Unterstützung für die ständig unter Geldnot leidende NS-Bewegung zu erbitten. (Jens Petersen: „Hitler – Mussolini. Die Entstehung der Achse Berlin-Rom 1933 – 1936“, Tübingen 1973, S. 15)
Noch traute Mussolini den Freundschaftsangeboten der nationalsozialistischen Führung nicht so recht.
Am 8. November 1923 scheiterte der NS-Putsch in München und Hitler bezog für eine kurze Zeit eine Zelle in der Festung Landsberg. Der Führer der SA, Hermann Göring, ging 1924 für eine Zeit lang nach Italien ins Exil. Dort nahm er im Juni 1924 Kontakt mit dem Diplomaten Giuseppe Bastianini auf, welcher Mitglied des „Gran Consiglio del Fascismo“, des „Faschistischen Großrats“ und ein Vertrauter von Benito Mussolini war. Bastianini sollte später Staatssekretär im Außenministerium werden.
Göring trug diesem Mann und anderen hohen faschistischen Funktionären seine Bitte vor: Es ging wiederum um das Geld. Göring erbat ein Zwei-Millionen-Lire-Darlehen für Hitler und die NSDAP. Das war damals eine sehr hohe Geldsumme. Um der faschistischen Seite Sicherheiten über das künftige Verhalten der NSDAP geben zu können, verfasste Göring im August 1924 als „NS-Generalbevollmächtigter in Italien“ einen Entwurf für ein Abkommen zwischen der NSDAP und der Faschistischen Partei. In diesem Papier verpflichtete Göring seine Partei für den Fall, dass sie an die Macht käme oder bedeutende politische Macht in Deutschland erlangen sollte, zu Folgendem:
„… klar zu machen, dass es für sie keine Alto-Adige-Frage gebe und dass sie absolut und ohne Umschweife den Status quo der italienischen Besitzungen anerkenne … Die NSDAP wird ab sofort alles tun, um revisionistischen Bestrebungen in Bezug auf Alto Adige in Deutschland entgegenzutreten …“
Als Gegenleistung erbat Göring eine geheime Anleihe für die NSDAP in der Höhe von 2 Millionen Lire. Er versprach „äußerste Diskretion“. Diese Finanzierung werde „auf unserer Seite lediglich dem Führer unserer Bewegung, dem Vermögensverwalter unserer Partei und dem Unterzeichneten bekannt sein.“ (Vertragsentwurf im Nachlass von Dott. Leo Negrelli von Mussolinis Regierungs-Presseamt. Wiedergegeben in: David Irving: „Göring – Eine Biographie“, Kiel 1986, S. 61f)
Görings erneutes Angebot, den „Südtiroler Irredentismus auszumerzen“
Am 9. März 2006 berichtete die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ über einen sensationellen Fund. Das Südtiroler Landesmuseum Schloss Tirol hatte soeben aus dem Nachlass eines früheren Göring-Freundes, des Hoteliers Rodolfo Walther in Venedig, ein hochinteressantes Schriftstück erworben, aus dem die „Dolomiten“ nun zitierten.
Es handelt sich um ein weiteres Memorandum in italienischer Sprache, welches Göring im November 1924 in Venedig für seinen Gastgeber und Freund Rodolfo Walther verfasste, nachdem Mussolini auf das erste Göring-Memorandum nicht reagiert hatte.
Rodolfo Walther sollte anhand dieses Memorandums dem „Duce“ nochmals das Projekt des Abkommens zwischen der NSDAP und der Faschistischen Partei unterbreiten.
Göring verwies in dem von ihm persönlich unterzeichneten Memorandum darauf, dass Hitler sich von Beginn an jeder irredentistischen Haltung in der Südtirolfrage enthalten habe und dass die Nationalsozialisten bereit seien, ein für alle Mal auf Südtirol offiziell zu verzichten. Wiederum erbat Göring auch finanzielle Hilfe. Dadurch würde man ermuntert sein, so berichteten die „Dolomiten“ über den Inhalt des Schriftstücks, „sich für eine Annäherung an das faschistische Italien weiterhin einzusetzen und jedwede Art des Südtiroler Irredentismus auszumerzen. Hermann Göring schließt mit ‚… della S. E. Ill.ma obbligatissimo Hermann Göring, rappresentante incaricato della Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung Deutschlands.“ (Auf Deutsch: „ … der Ihrer hervorragendsten Exzellenz zutiefst ergebener Hermann Göring, beauftragter Repräsentant der Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung Deutschlands.“)
Unterdrückung der Südtiroler durch Deutschland: Was für ein Vorteil für Italien!
Am 19. September 1924 legte Göring in einem Brief an den faschistischen Journalisten und Mussolini-Vertrauten Dott. Leo Negrelli noch nach: „Denken Sie nur daran, welch ein Vorteil es wäre, wenn eine deutsche Regierung freiwillig jegliche Südtiroler Irredenta unterdrückt und freiwillig Italiens Nordgrenze garantiert?“
Zu einer Unterzeichnung des von Göring vorgeschlagenen Vertrages kam es offenbar aus Gründen der Vorsicht noch nicht, wenngleich Mussolini und seine Gefolgsleute ihn „inhaltlich akzeptierten“, wie Negrelli schriftlich festhielt. (David Irving: a. a. O., S. 63f)
Das italienische Geld fließt
Es begann aber nun das italienische Geld für die NSDAP zu fließen. Der damalige italienische Generalkonsul in München, Giuliano Cora, hat dies in seinen Erinnerungen aufgedeckt: „Wir waren die ersten, welche jene unterstützen, die uns so viel Verderben brachten. Diese Hilfeleistungen liefen nicht über mein Büro. Als ich aber aus einer bayerischen Regierungsquelle davon erfuhr, behinderte ich diese intriganten und unverantwortlichen diplomatischen Dilettanten nach Möglichkeit.“ Wie Cora weiter ausführte, sei er aber aufgrund seiner Opposition gegen die geheimen finanziellen Unterstützungen von München abberufen worden.
Auch der ehemalige Diplomat Pietro Quaroni hat die Geldflüsse zu Hitler bestätigt: „Die Hitler-Bewegung wurde von der italienischen Seite her mit Sympathie betrachtet. Sie wurde auch zumindest einige Male seitens Italiens mit bedeutenden Geldmitteln unterstützt“. (Giuliano Cora: „Un diplomatico durante l’era fascista“, in: Storia e Politica, Jg. 5, 1966, S 88-98. Sowie: Pietro Quaroni: „L’Italia dal 1914 al 1945“, in: „Nuove Questioni di Storia Contemporeanea, Bd. 2, Milano 1968, S. 1225. Diese Beiträge sind in italienischer Sprache wiedergegeben in: Jens Petersen: „Hitler – Mussolini. Die Entstehung der Achse Berlin-Rom 1933 – 1936“, Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Band XLIII, Tübingen 1973, S. 24f. Deutsche Übersetzung durch den Verf.)
Hitler dankt und bezeugt seine Treue
Auch wenn Hitlers Verzicht auf Südtirol vor allem durch künftige strategische Bündnisüberlegungen motiviert gewesen war, so durfte auch angesichts der materiellen Unterstützung aus Rom kein Zweifel an einer künftigen Bündnistreue Hitlers und der NSDAP aufkommen.
Im 1926 veröffentlichte Adolf Hitler im Münchner Eher-Verlag, in welchem vor einem Jahr bereits der erste Band von „Mein Kampf“ erschienen war, eine Broschüre. Diese trug den Titel „Die Südtiroler Frage und das deutsche Bündnisproblem“, und stellte einen teilweisen Vorabdruck aus dem zweiten Band von „Mein Kampf“ dar, welcher im Dezember 1926 erscheinen sollte. Hitler hatte es aber eilig, seine unwandelbare Treue zu dem Faschismus und Mussolinis Italien zu betonen. Er veröffentlichte daher die Südtirol betreffenden Abschnitte vorweg als Sonderdruck. In seinem Vorwort bezeichnete er Mussolini als „den Mann, der als überragendes Genie das nationale Gewissen Italiens verkörpert.“ Auch wenn es schmerzlich sein sollte, „Volksgenossen an irgend einer Stelle der Erde um das freie Selbstbestimmungsrecht gebracht zu sehen, so wenig dürfen wir das Schicksal von 60 Millionen Menschen schädigen lassen durch Gefühlsmomente“.
Man müsse hier zu Opfern bereit sein. „Die Südtiroler Frage ist für uns ein Problem, das nur im Rahmen der für Deutschland möglichen europäischen Bündnispolitik die richtige Lösung finden kann.“ (Adolf Hitler: „Die Südtiroler Frage und das deutsche Bündnisproblem“, München 1926, S. 6f)
Hitler: „Der Jude“ reitet das Steckenpferd Südtirol
Es gehe darum, das internationale Judentum zu besiegen. Die richtige Lösung, so führte Hitler weiter aus, sei das Bündnis mit dem faschistischen Italien.“ (Adolf Hitler: a. a. O., S. 43) Als weiterer Bündnispartner käme England in Frage, welches kein Interesse daran habe, dass Frankreich „als Wirtschafts- und Militärmacht zur unbedingten herrschenden Hegemonie-Stellung gelangt.“ (Adolf Hitler: a. a. O., S. 22f)
Um aber solche Bündnisse mit Deutschland zu verhindern, reite „der Jude mit außerordentlicher Geschicklichkeit“ ein besonderes Steckenpferd: „Südtirol“. Er werde dabei unterstützt von „jenem allerverlogensten Pack, das, auf die Vergeßlichkeit und Dummheit unserer breiteren Schichten bauend, sich hier anmaßt, eine nationale Empörung zu mimen”. (Adolf Hitler: a. a. O., S. 30)
Mit dieser „Führer“-Aussage wurde jeder innerhalb oder außerhalb der NSDAP, der für Südtirol einzutreten gedachte, entweder zum Dummkopf oder zum Handlanger finsterer Interessen des internationalen Judentums abgestempelt und damit zum Feind erklärt.
Es ließen sich jedoch nicht alle Parteigenossen überzeugen oder einschüchtern. Es kam zu Austritten aus der Partei. Hitler zweifelte aber nicht an der Richtigkeit seiner Linie, die er in der Folge noch bekräftigte.
Hitler verkündet öffentlich den Verzicht auf Südtirol
Am 15. Juli 1928 unterstrich Hitler seine politische Linie in Bezug auf Südtirol und Italien in einer von der Parteileitung der NSDAP einberufenen Versammlung vor 3.000 geladenen Gästen. Er hielt eine Rede, in welcher er die künftige nationalsozialistische Außenpolitik darlegte. Die Innsbrucker Tageszeitung „Tiroler Anzeiger“ berichtete einen Tag später darüber:
„Hitler … trat für ein Bündnis mit Italien ein … Um zum Bündnis mit Italien gelangen zu können, will Hitler Südtirol preisgeben. Südtirol ist, wie er sagte, nicht von mir, sondern von jenen verraten worden, die Deutschland jahrzehntelang so geschwächt haben, daß es unfähig geworden ist, seine sämtlichen Brüder zu verteidigen. Außerdem ist in bindenden Staatsverträgen ein Verzicht auf Südtirol bereits niedergelegt.“
Erstaunlich an dieser Aussage ist, dass Hitler sich bei seinem Verzicht auf Südtirol auf die Zwangsverträge von St. Germain und Versailles berief, deren Aufhebung er unter Punkt 2 seines Parteiprogrammes vom 24. Februar 1920 gefordert hatte: „Wir fordern die Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen, Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und St. Germain.“
In Bezug auf Südtirol betonte Hitler jedoch die Notwendigkeit des Verzichts, da dieser in diesen „bindenden Staatsverträgen bereits niedergelegt“ sei.
Im Gespräch mit Ettore Tolomei: Bekräftigung des Verzichts
Am 14. August 1928 traf sich Hitler über Vermittlung des italienischen Generalkonsulats in München mit dem faschistischen Senator Ettore Tolomei. Das Treffen mit dem Architekten der faschistischen Entnationalisierungspolitik in Südtirol, dem Schöpfer der frei erfundenen italienischen Ortsnamen in Südtirol und engen Vertrauten Benito Mussolinis fand in einer versteckt gelegenen Villa in Nymphenburg am Stadtrand von München statt.
Tolomei fertigte handschriftliche Notizen über sein Gespräch mit Hitler an und berichtete anschließend an Mussolini in Rom:
Hitler wolle „sich eines Tages an der Spitze Deutschlands sehen, ihm sein Programm auferlegen“. Hinsichtlich des von Tolomei auf das Tapet gebrachten Themas der „italienischen Assimilierung des Alto Adige“ äußerte Hitler sich zur Freude Tolomeis eindeutig: „Er sprach sich sehr rüde in Worten, die ich geradezu als grob bezeichnen könnte, aus. („ganz wurst“, „ich pfeif darauf“); jene vier Älpler von Bozen und Meran dürfen Deutschland nicht hindern, das im Spiel seiner außenpolitischen Beziehungen frei sein will, für seine großen Interessen in der Welt … zu sorgen, … wobei man sich von der Behinderung durch kleine gefühlvolle Rückstände befreien muss, wie es gerade die irritierende Frage des Alto Adige ist. … Er legt sich Rechenschaft ab, dass in einem kurzen Zeitraum die größeren Zentren des Alto Adige soweit italianisiert werden, dass sogar die Pangermanisten den Eindruck einer verlorenen Partie erhalten werden und dass folglich die Assimilierung der Hochtäler und der abgelegenen Täler nur eine Frage der Zeit sein wird.“
Tolomei empfahl Mussolini abschließend, jenen Teil der außenpolitischen Konzeption Hitlers zu fördern, „der das absolute Desinteressement an der italienischen Assimilierung des Oberetsch enthält.“ (Wiedergegeben in deutscher Übersetzung in: Karl Heinz Ritschel: „Diplomatie um Südtirol“, Stuttgart 1966, S. 134ff)
Ständige Bekundungen der Freundschaft
Nun kam es zu laufenden Freundschaftbekundungen von beiden Seiten, die bald den Protest der österreichischen Sozialdemokraten hervorriefen. Diese prangerten Anfang 1932 in einer Broschüre mit dem Titel „Südtirol verrecke!!“ die „restlose Preisgabe der Deutschen Südtirols durch die Nationalsozialisten“ an.
Nachstehend ein interessanter Auszug aus dieser Schrift:
Der 28. Oktober 1932 war der 10. Jahrestag des faschistischen „Marsches auf Rom“. Aus diesem Anlass begrüßte der Herzog von Pistoia, ein Vetter des italienischen Königs, auf dem „Siegesplatz“ vor dem „Siegesdenkmal“ in Bozen eine nationalsozialistische Delegation. Nach der Feier zur Erinnerung an die faschistische Machtergreifung posierten dann die Faschisten und Nationalsozialisten gemeinsam vor dem Siegesdenkmal für Erinnerungsfotos.
Am 30 Januar 1933 war Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden. Am 3. Februar 1933 versicherte er dem italienischen Generalkonsul in München, er könne „voll und ganz die strategischen Notwendigkeiten verstehen, die Italien die Aufrechterhaltung der Brennergrenze als unerlässlich erscheinen ließen.“ Jedenfalls dürfe das Schicksal einiger Tausend früherer österreichischer Bürger die Beziehungen zwischen Italien und Deutschland nicht beeinflussen. (Renzo De Felice: „I rapporti tra fascismo e nazionalsocialismo fino all’andata al potere di Hitler (1922 – 1933). Appunt e documenti., Napoli 1971, S. 206f. Wiedergegeben in: Jens Petersen: „Hitler – Mussolini. Die Entstehung der Achse Berlin-Rom 1933 – 1936“, Tübingen 1973, S. 68)
Anfang April 1933 weilte der frischgebackene preußische Ministerpräsident Hermann Göring zusammen mit Vizekanzler Papen auf Staatsbesuch in Rom. Er versichert im Auftrag Hitlers Mussolini erneut, dass man in Berlin die Südtirolfrage für erledigt ansehe. (Jens Petersen: „a. a. O., S. 169)
Bei einem weiteren Staatsbesuch erklärte Göring am 7. November 1933 in Rom gegenüber Mussolini, er könne auch im Namen seines Kanzlers die feierliche Erklärung abgeben, dass die Südtirolfrage niemals von deutscher Seite aufgerollt werden würde. (Mario Toscano: „Storia diplomatica della questione dell’Alto Adige“, Bari 1968, S. 124f)
Am 14. und 15. Juni 1934 kam es in Venedig zu einer ersten persönlichen Aussprache Hitlers mit Mussolini. Bei diesem Treffen war die Südtirolfrage kein Thema, sie war nicht mehr existent.
1934 erschien zur Untermauerung der innigen Freundschaft ein Huldigungsbuch, in welchem die faschistischen Leitfiguren neben den nationalsozialistischen „Führern“ in den höchsten Tönen gepriesen wurden. Dem „vielfältigen Genie“ Benito Mussolini wurde die „ungewöhnliche Größe eines Zyklopen“ bescheinigt und es wurde seine „Genialität“ ebenso wie seine „Menschlichkeit“ hervorgehoben. (Dr. R. O. Stahn und Filippo Bojano (Hrsg.): „Wir haben’s gewagt! Weg und Wollen der Führer in Deutschland und Italien.“, Stuttgart-Berlin 1934, S. 161)
Besuch der Hitler-Jugend in Italien
Nun wurden die guten Beziehungen auch auf den unteren Ebenen ausgebaut. Es gab Treffen auf Parteiebene in Italien und man sah gemeinsame Aufmärsche und Paraden von Faschisten und Nationalsozialisten.
Auch die nationalsozialistische Parteijugend wurde von dem italienischen Staatsminister Ricci, welcher auch Chef der faschistischen Jugend „Balilla“ war, nach Italien eingeladen. Am 15. September 1936 trafen 450 Hitlerjungen in Padua ein, wo sie von den Spitzen der Behörden begrüßt wurden. Den Höhepunkt ihrer Rundreise durch Italien stellte am 20 September 1936 der feierliche Empfang in Rom dar, wo die „Giovani Hitleriani“ zusammen mit ihrem Reichsjugendführer Baldur von Schirach an dem „Duce“ vorbeimarschieren durften.
Die Achse Berlin – Rom
Nachdem Hitler Italien im Abessinien-Krieg unterstützt hatte, schlossen der italienische Außenminister Graf Ciano und der Reichaußenminister Von Neurath am 22. Oktober 1936 ein Abkommen über enge Zusammenarbeit beider Staaten und Regime. Der „Duce“ erklärte in einem Interview für den „Völkischen Beobachter“ vom 17. Januar 1937: „Wir haben die Achse Berlin-Rom geschmiedet.“
Die Freundschaft zwischen den beiden Regimen wurde auf Briefmarken propagandistisch unterstrichen. Der einfache Wehrmachtssoldat bekam die „Tornisterschrift“ von Benito Mussolini mit dem Titel „Der Geist des Faschismus“ eingepackt.
Mussolini: Freundschaft zwischen zwei Demokratien
Am 25. September 1937 traf der „Duce“ Benito Mussolini zu einem Gegenbesuch in München ein. Er wurde feierlich empfangen. Hitler war über den Besuch erfreut, denn er sah sich von dem faschistischen Regime und von Mussolini als ebenbürtig anerkannt. Die Bevölkerung „jubelte den beiden größten Staatsmännern der Gegenwart“ zu, wie das Münchner „8 Uhr-Blatt“ schrieb.
Mussolini ernannte daraufhin den „Führer“ zum „Ehrenkorporal der Faschistischen Miliz“ und „hat ihm damit die höchste Würde und Ehre verliehen, die die Faschistische Bewegung zu vergeben hat.“ („8 Uhr-Blatt“, München, 26. September 1937)
Den krönenden Abschluss fand der Staatsbesuch in Berlin, wo Mussolini am 28. September 1937 auf dem Maifeld eine Rede hielt, in welcher er der Welt versicherte, dass es sich bei Faschismus und Nationalsozialismus um demokratische Systeme handle.
Er betonte die Freundschaft zwischen Italien und Deutschland. Er erklärte: „Weder in Deutschland noch in Italien besteht eine Diktatur, sondern es bestehen Kräfte und Organisationen, die dem Volke dienen. Keine Regierung, in keinem Teil der Welt, hat die Zustimmung des Volkes in solchem Maße wie die Regierungen Deutschlands und Italiens. Die größten und echtesten Demokratien, die die Welt heute kennt, sind die deutsche und die italienische.“
Hitler: Die unantastbare ewige Grenze!
Am 2. Mai 1938 traf Adolf Hitler zu seinem zweiten Staatsbesuch in Italien in einem Sonderzug am Brenner ein und wurde von dem Herzog von Pistoia, einem Vetter des italienischen Königs Vittorio Emanuele III. begrüßt.
Bei der Weiterfahrt nach Rom ließ Hitler die Vorhänge vor den Fenstern seines Salonwagens während der Fahrt durch Südtiroler Gebiet zuziehen.
Da konnte er gar nicht sehen, wie schön die Faschisten die Bahnhöfe (hier im Bild der Bahnhof von Sterzing, das nun „Vipiteno hieß) für ihn geschmückt hatten.
Erst nach Verlassen des Südtiroler Bodens sah der „Führer“ in den Bahnstationen zum Fenster hinaus und ließ sich von den begeisterten Faschisten zujubeln.
In Rom feierten der „Duce“ und der „Führer“ am 7. Mai 1938 nach einer Reihe von Veranstaltungen und Paraden bei einem Abendessen im Palazzo Venezia in Rom die deutsch-italienische Freundschaft.
Hitler unterstrich in einem Trinkspruch die faschistische These von der naturgegebenen Alpengrenze. Er sagte: „Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, dass es … die von der Natur zwischen uns beiden aufgerichtete Alpengrenze für immer als eine unantastbare ansieht, die die Vorsehung und Geschichte unseren beiden Völkern ersichtlich gezogen haben.“ (Zitiert nach: Paul Bruppacher: „Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP“, Teil 2: 1938 bis 1945“, 2. Auflage, Norderstedt 2013, S 39)
Der „Stahlpakt“ für den Untergang
Am 22. Mai 1929 schlossen das Deutsche Reich und das Königreich Italien zur Besiegelung ihrer unzerstörbaren Freundschaft einen militärischen Beistandspakt, der als „Stahl-Pakt“ in die Geschichte einging.
Mit diesem Abkommen verpflichteten sich beide Seiten, dem jeweiligen anderen Partner militärisch zu Hilfe zu kommen, wenn dieser „in kriegerische Verwicklungen mit einer anderen Macht oder anderen Mächten gerät“.
Der Bündnisfall war diesem Abkommen zufolge auch dann gegeben, wenn einer der Bündnispartner einen Angriffskrieg begann, ohne zuvor die Zustimmung des anderen Partners einzuholen.
Dieser Vertrag bewirkte, dass Hitler keineswegs den Rücken im Süden frei bekam, sondern dass er ohne vorherige Konsultationen in die imperialistischen Eroberungsabenteuer Mussolinis in Albanien, Griechenland und Nordafrika mit verwickelt wurde. Für die Briten bedeutete der Vertrag eine verstärkte und unmittelbare Bedrohung ihrer Stellung im Mittelmeer, verbunden mit einer Gefährdung ihrer Nachschublinien zu nahezu allen Gebieten des Empire. Das trug nicht zur Stärkung der ohnedies schwachen Friedensliebe Londons bei, sondern gab den Kriegsbefürwortern Auftrieb.
Die Deutsche Wehrmacht musste nun im Mittelmeerraum einschließlich Nordafrikas überall dort eingreifen, wo der militärisch wenig taugliche italienische Bündnispartner Prügel bezog.
Wie die Tageszeitung „Dolomiten“ am 24. Mai 1939 berichtete, wurde die „Stählerne Schicksalsgemeinschaft“ mit einem großen Treffen faschistischer und nationalsozialistischer Jugendverbände am Brenner gefeiert.
Das letzte Kapitel: Option und Bevölkerungsaustausch als endgültige „Lösung“ der Südtirol-Frage
Nach wie vor war Südtirol ein Stolperstein auf dem gemeinsamen Weg der beiden Diktatoren in das Unglück ihrer Völker.
Die Bevölkerung Südtirols hatte sich als weitgehend resistent gegen alle „Umvolkungs“-Bestrebungen erwiesen.
Der katholische Klerus Südtirols mit dem Brixener Fürstbischof Johannes Geisler an der Spitze hatte sich dabei als Fels in der Brandung erwiesen.
In Südtirol sicherte die Kirche den deutschen Gottesdienst, den deutschen Religionsunterricht und einen Restbestand an deutschem Vereinsleben. Mit Unterstützung zahlreicher Priester förderte sie den heimlichen „Katakombenunterricht“ und die kulturelle Tätigkeit katholischer Jugendgruppen.
Um dem ein Ende zu bereiten, vereinbarten am 23. Juni 1939 nationalsozialistische und faschistische Delegierte unter dem Vorsitz des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, bei einem geheimen Treffen im Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei in Berlin die Umsiedlung der Südtiroler.
Das Dokument ist zur Gänze wiedergegeben in: Benedikt Erhard (Hrsg.): „Option Heimat Opzioni – Eine Geschichte vom Gehen und vom Bleiben“, Wien 1989, S. 139
Die Umsiedlung sollte in noch nicht festgelegte, unter der Herrschaft des Deutschen Reiches stehende Gebiete erfolgen. Der Umsiedlung sollte eine Willenserklärung der Betroffenen vorausgehen, ob sie auswandern, oder im Lande verbleiben wollten.
Das bedeutete, dass die Südtiroler sich entscheiden mussten, entweder
in der Heimat zu bleiben und auf die Bewahrung von Sprache und Volkstum zu verzichten, oder
auszuwandern, die Heimat aufzugeben, dabei aber das Volkstum zu bewahren
Diese Frage sollte die Volksgruppe zutiefst spalten und zu heftigen Auseinandersetzungen führen, deren Vernarbungen heute noch erkennbar sind.
86 Prozent der Südtiroler sollten sich für die Bewahrung ihrer angestammten Sprache und Kultur entscheiden.
Dass in der Folge nur ein Teil der Optanten abwandern musste, war nicht auf die Großzügigkeit Roms zurückzuführen, sondern auf die Kriegsereignisse, die eine weitere Durchführung dieser Art von Vertreibung aus der eigenen Heimat beendeten.
Für die Südtiroler war das ein Glück. Für das deutsche Volk insgesamt und für eine Reihe anderer Völker bedeutete dieser Krieg die denkbar größte Katastrophe.
Dass nach 1945 ein großer Teil der Ausgesiedelten wieder zurückkehren konnte, war ebenfalls nicht der Großzügigkeit Roms zu verdanken, sondern dem Druck der Alliierten, die ansonsten eine Eskalation der Lage befürchteten.
Zum Abschluss sei auf eine Seltsamkeit hingewiesen:
Zu den Verteidigern der faschistisch-nationalsozialistischen „Lösung“ der Südtirol-Frage zählen heute auch einige Personen und Kräfte, die sich selbst bei jeder Gelegenheit als „antifaschistisch“ und „antinazistisch“ darstellen.
Hier endet die rationale Diskussion.
(Eine genauere Darstellung der „Option“ und Umsiedlung muss einer eigenen Dokumentation vorbehalten bleiben.)