Neuerscheinung: zeitgeschichtliches Werk enthüllt parteipolitisch motivierte Südtirol-Geheimdiplomatie

Der renommierte Historiker und Publizist Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt stellt die in Buchform erschienene Dokumentation „Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis“ von Dr. Helmut Golowitsch vor.

Konspirative politische Händel zu Ungunsten Südtirols

 Wie ein bisher weitgehend im Dunkel verborgener Emissär das Nachkriegsgeschehen zwischen Wien und Rom hinter den Kulissen zu beeinflussen vermochte

von Reinhard Olt

Die Brenner-Grenze ist wieder da. Unter völkerwanderungsartig anschwellendem Zustrom afrikanisch-orientalischer Migranten über die „Italien-Route“ nach Mitteleuropa nimmt der enge Gebirgseinschnitt wieder seine Rolle als neuralgisches Kontroll-Areal am Übergang zum Bundesland Tirol ein, welches seit dem Schlagbaum-Abbau nach Österreichs EWG-Beitritt  (1. Januar 1995) als  obsolet galt.  Verschwunden war sie ja nicht wirklich, sondern lediglich „nicht mehr spürbar“, wie eine medial widerhallende stereotypisierte Politformel besagte und eher oberflächliche Betrachtung von Fahrzeuginsassen darüber hinwegrollender Automobilkolonnen  nahelegte.

Ob unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich die Chance für die in vielfachen eindrücklichen Willensbekundungen der Bevölkerung sowie die in politischen und kirchlichen Petitionen zum Ausdruck gebrachte Forderung nach Wiedervereinigung des 1918/19 geteilten Tirols bestand, ist unter Historikern umstritten. Unumstritten ist, dass das Gruber-De Gasperi-Abkommen vom 5. September 1946,  Grundlage für die (weit später erst errungene) Autonomie der „Provincia autonoma di Bolzano“,  dem die regierenden Parteien sowie der zeitgeistfromme Teil der Opposition in Wien, Innsbruck und Bozen heute den Rang einer „Magna Charta für Südtirol“ zubilligen, sich für Österreichs Politik jahrzehntelang als  „furchtbare Hypothek“ (Bruno Kreisky) erwies.

Das Gruber-Degasperi-Abkommen („Pariser Abkommen“) vom 5. September 1946 umfasst lediglich 40 Maschinschreibzeilen und besteht weitgehend aus unpräzisen Absichtserklärungen. Als Karl Gruber den Intentionen der Westalliierten folgend dieses Papier unterschrieb und damit die bis dahin offizielle österreichische Forderung nach Selbstbestimmung preisgab, hatte er vorher weder die Regierung in Wien informiert, geschweige denn eine Zustimmung des Nationalrats eingeholt.

 Gruber und De Gasperi

Allem Anschein nach fügte sich der österreichische Außenminister  Gruber seinerzeit ebenso seinem italienischen Gegenüber Alcide De Gasperi  wie den drängenden Siegermächten, um überhaupt etwas mit nach Hause bringen zu können. Es waren jedoch  nicht allein die aus der (geo)politischen Lage herrührenden Umstände und die Unzulänglichkeiten des damals zur Pariser Friedenskonferenz entsandten österreichischen Personals sowie das mitunter selbstherrliche Gebaren Grubers respektive der Druck, den die (west)alliierten Siegermächte auf die Beteiligten ausübten und schließlich ein anderes als das von den (Süd-)Tirolern erhoffte Ergebnis zeitigten. Eine soeben erschienene  Dokumentation des Zeithistorikers Dr. Helmut Golowitsch zeigt, dass auch hinter den Kulissen Akteure emsig und weitgehend inkognito am Geschehen beteiligt waren.

Insbesondere ein Kärntner Unternehmer übte einen bisher weithin unbekannten und im Blick auf das von der weit überwiegenden Bevölkerungsmehrheit in beiden Tirol sowie in ganz Österreich erhoffte Ende der Teilung des Landes fatalen Einfluss aus. Sein lautloses Mitwirken inkognito erstreckte sich nahezu auf den gesamten für den Südtirol-Konflikt zwischen Österreich und Italien bedeutsamen Geschehensablauf vom Kriegsende bis zur sogenannten „Paket“-Lösung Ende der 1960er Jahre, bisweilen lenkte er ihn in bestimmte Bahnen.

Hinter den Kulissen

Rudolf Moser
Der Pappe-Fabrikant Rudolf Moser aus Sachsenburg in Kärnten, ein geborener Wiener, wirkte im Hintergrund als Unterhändler auf parteipolitischer Ebene

Der Mann hieß Rudolf Moser, war 1901 in Wien geboren und in der christlich-sozialen Bewegung politisch sozialisiert worden. In Sachsenburg (Kärnten) leitete er die „A. Moser & Sohn, Holzstoff- und Pappenfabrik“, und als Industrieller gehörte er der vor allem auf die regierende Österreichische Volkspartei (ÖVP) stark einwirkenden Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft an. Mit dem ersten Bundeskanzler Leopold Figl, den er als seinen „engsten Jugendfreund“ bezeichnete, verband ihn wie er vermerkte, „in allen Belangen …. stets gegenseitige und vollständige Übereinstimmung und Treue“.

 

Rudolf Moser und Leopold Figl
In der Zeit des österreichischen Ständestaates der Ersten Republik war Rudolf Moser „Gauführer“ der „Ostmärkischen Sturmscharen“ in Kärnten-Osttirol. Sein Freund, der spätere österreichische Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP), hatte das gleiche Amt in Niederösterreich inne (Bild rechts).

Der Emissär

In Italien, wohin seine Firma gute Geschäftskontakte unterhielt,  hielt sich Moser häufig für länger auf und kam mit namhaften Persönlichkeiten des Staates ebenso wie mit katholischen Kreisen und dem Klerus in engen Kontakt. Moser, den auch Papst Pius XII. mehrmals in Rom persönlich empfing, wirkte zudem als Vertrauensmann des Vatikans. Insofern nimmt es nicht wunder, dass sich der die italienische Sprache mündlich wie schriftlich nahezu perfekt beherrschende und absolut diskret agierende Moser nach 1945  geradezu ideal für die Aufnahme, Pflege und Aufrechterhaltung einer trotz Südtirol-Unbill dennoch äußerst belastbaren Verbindung zwischen ÖVP und Democrazia Cristiana (DC) eignete, die sich weltanschaulich ohnedies nahestanden. Dazu passte, dass er sich der Rolle des (partei)politischen Postillons und verdeckt  arbeitenden Unterhändlers mit geradezu missionarischem Eifer hingab.

Verkaufte „Herzensangelegenheit“

Das erste für das Nachkriegsschicksal der Südtiroler bedeutende und in seiner Wirkung fatale Wirken Mosers ergab sich im Frühjahr 1946. Während nämlich die österreichische Bundesregierung offiziell – besonders Kanzler Figl, der in seiner Regierungserklärung am 21. Dezember 1945 vor dem Nationalrat gesagt hatte:

„Eines aber ist für uns kein Politikum, sondern eine Herzenssache, das ist Südtirol. Die Rückkehr Südtirols nach Österreich ist ein Gebet jedes Österreichers“ 

Die  Selbstbestimmungslösung mittels Volksabstimmung verlangte, die Außenminister Gruber gegenüber den Siegermächten und dem Vertreter Italiens in Paris bis dahin einigermaßen aufrecht erhalten hatte, wurde Rom auf der Ebene parteipolitischer Beziehungen vertraulich darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich Wien gegebenenfalls auch mit einer Autonomielösung anstelle eines Plebiszits  einverstanden erklären könne. Das Signal dazu gab Figl via Moser, der über  Vermittlung eines  Priesters aus dem Trentino den gebürtigen Trientiner De Gasperi am 3. April 1946  im Palazzo del Viminale, dem  Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten,  zu einer ausgiebigen geheimen Unterredung traf.

Als Bundeskanzler Figl (Bild rechts) in Innsbruck die Südtiroler Unterschriften für die Rückkehr Südtirols zu Österreich entgegen nimmt und verkündet „Wir wollen unser Südtirol wieder!“, hat der Geheimunterhändler Rudolf Moser (links im linken Bild) dem italienischen Ministerpräsidenten Degasperi (auf dem linken Bild im Vordergrund) bereits die Bereitschaft der Bundesregierung zum Verzicht auf Südtirol übermittelt.

Dass das Duo Figl/Moser  damit Grubers Aktivitäten konterkarierte, dürfte auch dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass die beiden ÖVP-Politiker  Figl und  Gruber  einander sozusagen „in herzlicher Abneigung“ zugetan waren. Dass es dem Kanzler  primär um gutnachbarschaftliche politische (und wirtschaftliche) Beziehungen Wiens zu Rom sowie vielleicht mehr noch um freundschaftliche Verbindungen zwischen seiner ÖVP mit De Gasperis DC zu tun war und dass er damit der alldem entgegenstehenden Sache Südtirols – wider alle öffentlichen Bekundungen und Verlautbarungen – schadete, spricht Bände.

 Widersprüchliches Gebaren

Dieses widersprüchliche politische Gebaren sollte sich, wie die von dem oberösterreichischen Forscher Helmut Golowitsch erstellte Dokumentation zeigt, unter allen auf Figl folgenden ÖVP-Kanzlern bis in die für das österreichisch-italienische Verhältnis äußerst schwierigen 1960er Jahre fortsetzen, unter der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus ihren Kulminationspunkt erreichen  und darüber hinaus – wie man als Beobachter späterer Phasen hinzufügen muss – gleichsam eine politische Konstante bilden, der in aller Regel die beanspruchte Schutz(macht)funktion Österreichs für Südtirol untergeordnet worden ist. Allen damals führenden ÖVP-Granden stand Rudolf Moser als emsig bemühtes, lautlos werkendes und wirkendes Faktotum zur Seite: Sei es als Organisator konspirativ eingefädelter Spitzentreffen inkognito – mehrmals in seinem Haus in Sachsenburg – , sei es als Emissär, mal als besänftigender Schlichter, mal operierte er als anspornender Impulsgeber. Mitunter war er verdeckt als Capo einer geheimen ÖVP-Sondierungsgruppe unterwegs oder auch gänzlich unverdeckt als Mitglied einer offiziellen ÖVP-Delegation auf DC-Parteitagen zugegen. Und nicht selten nahm er die Rolle eines Beschwichtigers von ÖVP-Politikern und -Funktionären wahr.

Geheime Treffen

So regte er die erste geheime Begegnung Figls mit De Gasperi an, wie aus einem mit Briefkopf des Kanzlers versehenen Schreiben vom 16. Juli 1951 an Moser hervorgeht. Das „inoffizielle Zusammentreffen“  fand im August 1951 – der genaue Tag ließ sich nicht rekonstruieren – im Hinterzimmer eines Gasthauses am Karerpass in Südtirol statt, wohin der in Matrei (Osttirol) sommerfrischende österreichische und der in Borgo (Valsugana) urlaubende italienische Regierungschef reisten, um sich „auf halbem Wege“ und „nach außen hin zufällig“ zu treffen. Über Inhalt und Ergebnis dieses ersten Geheimtreffens, worüber es keine Aufzeichnungen gibt – und weiterer konspirativer Begegnungen mit anderen Persönlichkeiten – wurden weder  Süd- noch Nordtiroler Politiker informiert.  Während des gesamten Zeitraums, für die Golowitschs Dokumentation steht, agierten ÖVP-Kanzler und ÖVP-Parteiführung  unter gänzlichem Umgehen der dem südlichen Landesteil naturgemäß zugetanen Tiroler ÖVP.

Eduard Wallnöfer
Als der Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer erkennen musste, dass die Tiroler ÖVP von der Wiener Parteizentrale in Südtirol-Angelegenheiten ständig übergangen wurde, plante er eine Abspaltung der Nordtiroler ÖVP von der „Mutterpartei“ nach CSU-Vorbild.

Das ging sogar so weit, dass der legendäre  Landeshauptmann Eduard Wallnöfer wegen „wachsender Unstimmigkeiten mit der Wiener Parteizentrale“  – insbesondere während der Kanzlerschaft  des Josef Klaus, zu dem er ein „unterkühltes Verhältnis“ gehabt habe (Michael Gehler  –  eine „Unabhängige Tiroler Volkspartei“ (nach Muster der bayerischen CSU)  ernsthaft in Erwägung zog.  Indes war der aus dem Vinschgau stammende Wallnöfer   – nicht allein wegen der Südtirol-Frage, aber vor allem in dieser Angelegenheit  –  dem   Außenminister und nachmaligen Kanzler  Bruno Kreisky (SPÖ)  ausgesprochen freundschaftlich verbunden.

Delikate Besuche

Für das zweite  Geheimtreffen Figls mit De Gasperi am 18. und 19. August 1952 sorgte Moser, der es arrangiert hatte, auch eigens dafür, den  Ministerpräsidenten inkognito über den Grenzübergang Winnebach nach Osttirol zu schleusen und von dort aus auf sein Anwesen in Sachsenburg (Bezirk Spittal/Drau) zu geleiten. Während zweier Tage unterhielten sich De Gasperi und Figl bei ausgedehnten Spaziergängen unter vier Augen, niemand sonst war zugegen.

Moser (links im Bild) begrüßt den italienischen Ministerpräsidenten Degasperi bei dem Geheimtreffen vor seinem Haus in Sachsenburg.

Anschließend finden bei ausgedehnten Spaziergängen vertrauliche Unterredungen zwischen Degasperi und Figl statt.

In einem späteren Rückblick, angefertigt zu Weihnachten 1973, vermerkte  Moser:

„Seit 1949 gab es in meinem Kärntner Landhaus gar viele Zusammenkünfte, Besprechungen, Beratungen und Konferenzen, aber nicht selten wurden auch in fröhlichem Zusammensein weitreichende Beschlüsse gefaßt. Im Gästebuch dieses ,Hauses der Begegnung‘, wie es vielfach genannt wurde, gibt es von den delikaten Besuchen fast keinerlei Eintragungen, weil ja jedwede Dokumentation vermieden werden sollte.“

Julius Raab und Rudolf Moser
Moser (rechts im Bild) begrüßt Bundeskanzler Julius Raab vor seinem Haus in Sachsenburg.

Auf Figl folgte Julius Raab. Auch er war in Sachsenburg zu Gast, bediente sich Mosers Diensten hinsichtlich Italiens aber kaum. Das war auch gar nicht erforderlich, denn die politischen Prioritäten Wiens waren während Raabs Ägide vornehmlich auf das Ausverhandeln des Staatsvertrags (1955) und damit das Wiedererlangen der Souveränität gerichtet. Was dazu führte, dass es –  worüber in Bozen und Innsbruck  Unmut herrschte  –  in der Südtirol-Politik zu keinen nennenswerten Aktivitäten oder Initiativen mehr kam.

Handreichung für Folterer

Nach De Gasperi, mit dem sich Moser auch weiterhin freund(schaft)lich austauschte, wechselten in Italien die Regierungschefs beinahe jährlich; bis 1981 war das Amt des „Presidente del Consiglio dei Ministri“ stets  sozusagen  ein „Erbhof“ der DC. Bis zum Abschluss des Südtirol-Pakets 1969 unter Mario Rumor, der zwischen 1968 und 1970 drei wechselnden, DC-geführten und dominierten (Koalitions-)Regierungen vorstand, hatten sieben DC-Regierungschefs 14 Kabinetten vorgestanden. Mit allen pflegte(n) Moser (und die ÖVP) mehr oder weniger enge Kontakte.

Mario Scelba
Den italienischen Innenminister Mario Scelba (DC), mit dessen Wissen und Billigung verhaftete Südtiroler in den Carabinieri-Kasernen durch „Spezialisten“ verhört und dabei schrecklich gefoltert wurden, bezeichnete Moser als seinen „guten Freund“.

Zu Mario Scelba, der später   traurige Berühmtheit erlangte, weil unter seiner  Billigung 1961 in Carabinieri-Kasernen  politische Häftlinge aus den Reihen des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) gefoltert worden waren und er als damaliger Innenminister den Folterknechten  dazu  „freie Hand“ („mani libere“) gelassen hatten, waren sie ebenso intensiv wie zu Fernando Tambroni, Antonio Segni, Amintore Fanfani und Aldo Moro. 1962 hatte Moser ein  geheimes Treffen zwischen dem stellvertretenden DC-Generalsekretär Giovanni Battista Scaglia sowie der DC-Fraktionsvizechefin  Elisabetta Conci  und ÖVP-Generalsekretär Hermann Withalm sowie Außenamtsstaatssekretär Ludwig Steiner eingefädelt, das in seinem Beisein  am 12. Mai in der am Comer See gelegenen „Villa Bellini“ der mit ihm  befreundeten Papierfabrikantin Anna Erker-Hocevar  stattfand. Einmütiger Tenor des Treffens: Südtiroler „Friedensstörer“ seien „gemeinsame Feinde“ und als solche „unschädlich zu machen“.

In dieser Villa am Lago di Como fand 1962 das von Moser arrangierte Geheimtreffen österreichischer ÖVP-Politiker und italienischer DC-Politiker statt.

Moser bekundete stets, man müsse, wie er selbst, beseelt sein vom Willen „engster vertraulicher Zusammenarbeit …mit den aufrechten Europäern und jenen Christen, welche den Mut haben, solche der Tat zu sein“  sowie beitragen zur „gemeinsamen Verurteilung jeder Äußerung von unzeitgemäßem Nationalismus und unchristlichen Gewalttaten“ und mithelfen, jene Kräfte zu isolieren und auszuschalten,  „die unbedingt Gegner einer Einigung, einer Versöhnung sind“.  An Scelba schrieb er am 16. September 1961, er möge „im Alto Adige  jene wahnsinnigen Radikalen  isolieren, welche mit verbrecherischen Taten sich als Handlanger des Bolschewismus erweisen“.

ÖVP-Geheimdiplomatie

Mosers Engagement ging so weit, dass er sich nicht scheute, daran mitzuwirken, hinter dem Rücken des damaligen Außenminister Kreisky (SPÖ) sozusagen „christdemokratische Geheimdiplomatie“ zu betreiben und dessen mit Giuseppe Saragat ausgehandeltes „Autonomie-Maßnahmenpaket“  zu desavouieren, welches die Südtiroler Volkspartei (SVP) dann auch am 8. Januar 1965  für „zu mager“ befand und infolgedessen verlangte, es müsse nachverhandelt werden. Schon am 6. Januar 1962  hatte er in einer an zahlreiche ÖVP-Politiker und -Funktionäre verschickten „Südtirol-Denkschrift“ bemerkt, Kreisky betreibe „eine dilettantisch geführte Außenpolitik.“  Das bezog sich just auf den seit den verheerenden Auswirkungen des Gruber-De Gasperi-Abkommens ersten zielführenden und erfolgreichen Schritt der Wiener Südtirol-Politik, nämlich der Gang Kreiskys 1960 vor die Vereinten Nationen. Die Weltorganisation zwang mittels zweier Resolutionen Italien zu „substantiellen Verhandlungen zur Lösung des Streitfalls“ mit Österreich, womit der Konflikt zudem internationalisiert und der römischen Behauptung, es handele sich um eine „rein inneritalienische Angelegenheit“ die Grundlage entzogen worden war.

Ludwig Steiner und Kurt Waldheim

In den Rom-freundlichen Kreisen der Bundes-ÖVP war dies jedoch mit Unwillen registriert  worden. Zunächst hatte ÖVP-Staatssekretär Ludwig Steiner versucht, Kreisky zu bewegen,

die österreichische UNO Initiative zurückzunehmen“,  denn „seiner Meinung nach  habe Italien in einer UNO Debatte d[er]z[ei]t. eine bessere Stellung und im übrigen solle man  nicht die westlichen Freunde Österreichs strapazieren.“

Kreisky vermerkte über  Steiner :

„Seit seinem Eintritt als Staatssekretär haben die Intrigen gegen die gemeinsame Außenpolitik in hohem Maße zugenommen.“

Ebenso vergeblich wie Steiner hatten auch (der spätere ÖVP-Außenminister) Kurt Waldheim und der damalige Leiter der Politischen Abteilung des Außenministeriums,  Heinrich Haymerle, versucht, Kreisky, wie dieser festhielt,  

„in stundenlangem Gespräch zu überreden, dass wir uns jetzt aus der Affäre ziehen sollten … Andernfalls würde Österreich als ein Störenfried betrachtet werden, und dies wäre uns keineswegs zuträglich“.

Rudolf Moser und Kurt Waldheim
Rudolf Moser (links) mit Außenminister Dr. Kurt Waldheim (rechts)

Mosers vielfältiges und nicht eben einflusslos gebliebenes Wirken  beschränkte sich indes nicht auf die eines Kontaktknüpfers oder Verbindungsmannes zwischen ÖVP und DC. Er betätigte sich auch auf  internationalem  Parkett  und vertrat die ÖVP auf den seit 1947 stattfindenden jährlichen Parteikongressen der DC sowie auf den Jahrestagungen  der „Nouvelles Équipes Internationales“ (NEI), die sich 1965 in  „Union Européenne des Démocrates-Chrétiens“ (EUDC) / „Europäische Union Christlicher Demokraten“ (EUCD) umbenannte. Die von Gegnern als „Schwarze Internationale“ verunglimpfte  EUCD ging  1998 in der Europäischen Volkspartei (EVP) auf.

Josef Klaus beugt sich römischem Druck

Der italophile Moser ist nicht selten als politischer Stichwortgeber auszumachen, wenn es um den Versuch der in Wien Regierenden – insbesondere der von der ÖVP gestellten Bundeskanzler der ersten 25 Nachkriegsjahre – ging, sich des mehr und mehr als lästig empfunden Südtirol-Problems zu entledigen. Dies trifft in Sonderheit auf die „Ära Klaus“ zu. Rudolf  Moser fungierte just in der Südtirol-Causa als dessen enger Berater und wirkte, wie stets zuvor, als graue Eminenz. Die Regierung Klaus ließ sich – von Rom in der von Wien angestrebten  EWG-Assoziierung  massiv unter Druck gesetzt – auf (verfassungs)rechtlich äußerst fragwürdige (bis unerlaubte) Händel ein, so beispielsweise auf die auf sicherheitsdienstlicher Ebene mit italienischen Diensten insgeheim verabredete Weitergabe polizeilicher Informationen über Südtiroler, obwohl dies für politische Fälle unzulässig war. Das Wiener Justizministerium und die für Rechtshilfe zuständigen Institutionen wurden dabei kurzerhand übergangen. Für all dies und einiges mehr gab Klaus, der hinsichtlich der Südtirol-Frage ähnlich dachte wie sein deklarierter Freund Rudolf Moser, allen Forderungen der italienischen Seite bereitwillig nach. Moser hatte alles getan, um im Sommer 1966 ein geheimes Treffen in Predazzo, wohin Klaus im Anschluss an seinen üblichen Urlaub (in Bonassola an der Ligurischen Küste) reiste, mit Aldo Moro zustande zu bringen.

Bundeskanzler Dr. Josef Klaus (ÖVP) zusammen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro (DC) 1965 bei einem Treffen in Taormina.

Aus dem Dunkel ans Licht

Mosers konspiratives Wirken endete 1969/70.  Bevor er sich als Pensionist aufs Altenteil in seine Geburtsstadt Wien zurückzog, hinterließ er seine gesamten Aufzeichnungen, Dokumente und Photographien einem Kärntner Nachbarn. Begünstigt von einem glücklichen Zufall war es  Helmut Golowitsch nach langwierigen Recherchen gelungen, an den zeitgeschichtlich wertvollen Fundus zu gelangen, in den zuvor noch nie ein Historiker ein Auge geworfen hatte.

Ergänzt durch Material aus dem im niederösterreichischen Landesarchiv verwahrten Nachlass  Figls sowie durch einige Dokumente aus dem Österreichischen Staatsarchiv und dem Tiroler Landesarchiv hat er ihn umsichtig aufbereitet, ausgewertet und nunmehr in dieser voluminösen Dokumentation publiziert, worin  er die für die Geschehenserhellung brisantesten Notizen Mosers erfreulicherweise faksimiliert wiedergibt. Alle Moser’schen Dokumente hat Golowitsch zudem zu jedermanns Einblick und Nutzung dem Österreichischen Staatsarchiv übergeben. Seiner Publikation, die ein bisher im Dunkel verborgenes wichtiges Kapitel der mitteleuropäischen Nachkriegsgeschichte ins Licht hebt und, wie der Salzburger Historiker Reinhard Rudolf Heinisch zurecht in seinem Vorwort schreibt, „durch dessen Ergebnisse die tragische Geschichte Südtirols nach 1945 in vielen Bereichen umgeschrieben werden muss“, ist weite Verbreitung zu wünschen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt
Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt

Der Verfasser dieses Beitrages, der Historiker Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt, war von 1985 bis 2012 Redakteur und Österreich-Korrespondent der angesehenen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Er hat etwa 100 wissenschaftliche Publikationen verfasst und lehrt heute an österreichischen und ungarischen Hochschulen. Die Geschichte und das Geschick Südtirols liegen ihm besonders am Herzen. Er ist der Verfasser der reich bebilderten Dokumentation „Standhaft im Gegenwind. Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes.“ (Neumarkt a. d. Etsch 2017 (Effekt-Verlag). ISBN 978-88-97053-39-2)

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Das vorliegende Werk von Helmut GolowitschSüdtirol – Opfer für das westliche Bündnis. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“ sollte in keinem Bücherregal zur Tiroler Geschichte fehlen. Es ist in gebundener Ausgabe im Leopold Stocker Verlag in Graz erschienen, umfasst mit einem Vorwort von Univ.-Prof. Dr. Reinhard R. Heinisch rund 600 Seiten und ist über den Buchhandel mit der IBSN 978-3-7020-1708-8 für 34,80 € erhältlich.

In der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ vom 23.8.2017 wurde Golowitschs jüngstes Werk ebenso anerkennend besprochen. (Klicken Sie auf das Bild um ein PDF dieser Buchbesprechung zu öffnen)

Das Buch wird öffentlich vorgestellt:

Buchpräsentation durch den Autor in Linz

mit Lichtbildern
Mittwoch, 20. September 2017
Beginn: 19:00 Uhr
Volkshaus Kleinmünchen, Dauphinestraße 19, 4030 Linz
Medienpartner: Magazin Info-DIREKT

 

Buchpräsentation durch den Autor in Innsbruck

mit Lichtbildern und Podiumsdiskussion von Zeitzeugen
Einführung und Moderation Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt
Samstag, 23. September 2017
Gasthof Sailer, Saal Tirol, Adamgasse 8, 6020 Innsbruck
Beginn: 19:30 Uhr
Veranstalter: Andreas Hofer Bund Tirol (AHBT)




Einladung zur Buchpräsentation

Neues Buch erschüttert mit aktuellen Enthüllungen zur Preisgabe Südtirols

Buchpräsentation durch den Autor in Linz

mit Lichtbildern
Mittwoch, 20. September 2017
Beginn: 19:00 Uhr
Volkshaus Kleinmünchen, Dauphinestraße 19, 4030 Linz
Medienpartner: Magazin Info-DIREKT

 

Buchpräsentation durch den Autor in Innsbruck

mit Lichtbildern und Podiumsdiskussion von Zeitzeugen
Einführung und Moderation Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt
Samstag, 23. September 2017
Gasthof Sailer, Saal Tirol, Adamgasse 8, 6020 Innsbruck
Beginn: 19:30 Uhr
Veranstalter: Andreas Hofer Bund Tirol (AHBT)

Nachstehend eine Buchbeschreibung von Gerald Danner

Ein wenig Glück hatte dem Autor Dr. Helmut Golowitsch zur Seite gestanden, als er auf brisantes, bislang unbekanntes Aktenmaterial eines Kärntner Fabrikanten stieß. Der bislang nur am Rande erscheinende, aus Wien stammende und nun im kärntnerischen Sachsenburg tätige Pappefabrikant Rudolf Moser stellt sich nach den neuesten Recherchen als geheimer politischer Unterhändler Österreichs heraus. Genauer gesagt, als Unterhändler der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) mit der italienischen Democrazia Cristiana (DC).

Wie zu Beginn des Buches dargestellt wird, kommt es unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 zur Herausbildung der „Nouvelles Équipes Internationales“ einer „christdemokratischen Internationalen“, der allgemeine antikommunistische Strömungen in Westeuropa, gefördert durch den Vatikan und die amerikanische CIA, vorausgingen. Eine herausragende Stellung hierbei hatte der DC-Politiker und italienische Ministerpräsident Alcide Degasperi, der sich bei der Durchsetzung der antikommunistischen Strategie durchaus auch altfaschistischer Kräfte bediente.

In ebendieses politische Nachkriegsklima fällt erneut die Südtirolfrage, welche seit der gewaltsamen Annektierung Südtirols durch Italien 1918 ungeklärt ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg hoffen die Tiroler südlich des Brenners bei der Neuordnung Europas durch die alliierten Siegermächte berücksichtigt und an ihr Vaterland Österreich zurückgegliedert zu werden. Die großen Südtirol-Kundgebungen des Jahres 1946 in Innsbruck, Salzburg, Linz, Bozen, Brixen, Meran und Wien werden in diesem Buch bildreich festgehalten und ausführlich dokumentiert. Als Bundeskanzler Leopold Figl bei der Großkundgebung in Innsbruck am 22. April 1946 155.000 Südtiroler Unterschriften für eine Rückkehr zu Österreich überreicht werden, ruft dieser der jubelnden Menge zu

Jawohl Mander, es isch Zeit, wir wollen unser Südtirol wieder!

Zu diesem Zeitpunkt ist aber der Unterhändler Rudolf Moser bereits tätig gewesen. Kurze Zeit vorher, am 03. April 1946, hatte sich Moser mit dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide Degasperi in Rom getroffen. Es war ein auf hoher Ebene bereits gut vorbereitetes Treffen gewesen.

Als Bundeskanzler Figl (Bild rechts) in Innsbruck die Südtiroler Unterschriften für die Rückkehr Südtirols zu Österreich entgegen nimmt und verkündet „Wir wollen unser Südtirol wieder!“, hat der Geheimunterhändler Rudolf Moser (links im linken Bild) dem italienischen Ministerpräsidenten Degasperi (auf dem linken Bild im Vordergrund) bereits die Bereitschaft der Bundesregierung zum Verzicht auf Südtirol übermittelt.

Wie die im Buch veröffentlichten Dokumente, vor allem die handschriftlichen Notizen des Rudolf Moser, offenbaren, hat die ÖVP-Bundesspitze in Wien den Verbleib Südtirols bei Italien bereits akzeptiert. Moser berichtet:

„Italien und Österreich haben beide christlich-demokratische Führung und die Wirtschaft ist zueinander komplementär. Auch haben wir ideologisch den gleichen Gegner. Sollen wir streiten, ob in Salurn ob am Brenner oder sonstwo die Grenze gezogen wird? Mir kommt vor nach diesem schrecklichen Krieg sollte man hierfür nicht Zeit verlieren wegen trennender Grenzen zu streiten vielmehr gemeinsam überlegen in welcher Weise zum Vorteil beider Partner die Grenzen abgebaut und überwunden werden. De Gasperi wird lebhaft und zeigt sich sehr interessiert von dieser Idee.“

In einem späteren parteiinternen Rundschreiben aus dem Jahre 1975 erinnert sich Moser

Die Ursache der Zwistigkeit? SÜDTIROL. Spontan war die Lösung gefunden worden ‚DIESES GEBIET SOLL DIE BRÜCKE WERDEN!‘ in Worten interpretiert: Kein Streit, kein Gegensatz um Verschiebung der Nordgrenze Italiens, aber eine gemeinsame und einvernehmliche Überwindung derselben.“

Beim Lesen dieser Zeilen wird man an das Hitler-Mussolini-Abkommen aus dem Jahre 1939 erinnert. Auch für Hitler durfte Südtirol kein Stolperstein in der Beziehung zwischen den beiden Achsenmächten sein. Nun aber sollten die politischen Kontakte und Verhandlungen aber auf Parteiebene ÖVP-DC stattfinden. Der Unterhändler Moser erklärt Degasperi gegenüber daher auch,

daß ich lediglich als Privatperson mit ihm gesprochen habe, weiters daß Österreich keine wie immer geartete außenpolitische Aktivität entfalten könne, die Fühlungsnahme sich daher vorläufig nur von Partei zu Partei erstrecken könne.

„In der Folge sollte Moser so gut wie alle einflussreichen Persönlichkeiten der DC kennenlernen und durch Jahrzehnte beste Kontakte mit dieser Führungsebene pflegen“, schreibt der Autor Golowitsch.

Die persönlichen Beziehungen zu den einzelnen Parteifunktionären gestalten sich immer herzlicher und umfangreicher, weshalb ich mich seit Sommer 1946 bemühte, daß führende Funktionäre unserer Partei nach Italien kommen mögen, um den Kontakt aufzunehmen

notiert Moser in einer Denkschrift. Tatsächlich organisiert Moser dann 1952 ein geheimes Treffen zwischen Bundeskanzler Figl und Ministerpräsident Degasperi in seinem eigenen Haus in Sachsenburg in Kärnten. Fotos von der Herzlichkeit dieses Geheimtreffens werden in diesem Buch der Öffentlichkeit vorgelegt.

Moser (links im Bild) begrüßt den italienischen Ministerpräsidenten Degasperi bei dem Geheimtreffen vor seinem Haus in Sachsenburg.

Anschließend finden bei ausgedehnten Spaziergängen vertrauliche Unterredungen zwischen Degasperi und Figl statt.

Wie Golowitsch in dieser Dokumentation darstellt, zieht sich die Tätigkeit des geheimen Unterhändlers Moser nahezu durch die ganze Entstehungsgeschichte der Autonomie Südtirols wie ein roter Faden. 1966 erhält Moser als Vertrauensmann der Democrazia Cristiana sogar Einblick in parteiinterne italienische Verhandlungspositionen, welche er zuhause in Wien Bundeskanzler Klaus „schmackhaft“ machen sollte. In einem Brief an den italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro schreibt Moser gar:

Der persönliche Kontakt zwischen den Verhandlungspartnern darf sich nicht auf Kommissionen beschränken, welche zur Lösung begrenzter Aufgaben nominiert werden. Hingegen ist ein kontinuierlicher und ständiger Kontakt zwischen Vertrauensleuten aller Vertragspartner notwendig; das heißt, Delegierte, welche es verstehen, die freundschaftliche Einigung eher zu treffen, bevor daß ein Mißverständnis oder eine übelwollende Aktion irgend einer gegnerischen Strömung, nationaler oder internationaler Art, die guten Beziehungen schädigen oder stören könnte.

Gemeint waren damit die geheimen Verhandlungen unter Umgehung der Außenministerien beider Staaten.

Der von der Wiener ÖVP-Bundesspitze nicht geliebte österreichische Außenminister Bruno Kreisky (SPÖ) schlägt damals nämlich einen konsequenteren Kurs in der Südtirolpolitik ein, als dies von den christdemokratischen Regierungsmitgliedern Österreichs erwünscht ist. 1960 bringt er zu deren Missfallen das Südtirol-Problem vor die UNO.

In einem ÖVP-internen Rundbrief an Parteifunktionäre bekundet Moser 1967 bezüglich der Folterungen von Südtiroler Häftlingen „daß die Folterungen von Südtiroler Seite maßlos aufgebauscht und übertrieben worden sind“. Und: „Hand aufs Herz! Wer wüßte einen Staat, einen einzigen Kulturstaat der Welt zu nennen, wo von Seiten der Polizei noch niemals Übergriffe oder Mißhandlungen vorgekommen seien.

Auf erschütternde Art und Weise deckt Helmut Golowitsch in seinem neuesten Werk auf, welche Auffassungen von bestimmten ÖVP-Bundespolitikern vertreten wurden und wie sich diese hinter den Kulissen auf die Südtirol-Verhandlungen auswirkten, während der Öffentlichkeit harte Verhandlungspositionen gegenüber Italien vorgegaukelt wurden.

Weiterhin dokumentiert der Verfasser eine geheime italienisch-österreichische Zusammenarbeit auf hoher sicherheitsdienstlicher Ebene vor dem Hintergrund des freundschaftlichen Zusammenwirkens der christdemokratischen Parteien. Ab 1966 fanden in regelmäßigen Abständen im neutralen Zürich geheime Besprechungen zwischen sicherheitsdienstlichen Funktionären beider Staaten statt. Darüber hat auch der Historiker Hubert Speckner in seinem Buch „Von der „Feuernacht“ zur „Porzescharte“ bereits berichtet.

Die Züricher Geheimtreffen sind in geheimen Verschlussakten des österreichischen Innenministeriums sogar mit genauen Wortprotokollen dokumentiert.

Der Autor Golowitsch dokumentiert, dass jene Treffen eindeutig rechtswidrig gewesen waren, da sie eine Umgehung offizieller zwischenstaatlicher Rechtshilfeverfahren darstellten. Gemäß einem österreichischen Rechtshilfeerlass von 1959 war nämlich „in politischen Fällen die Rechtshilfe durch Überlassung von Akten nicht nur ausländischen Justizbehörden gegenüber, sondern grundsätzlich an ‚ausländische Behörden‘ ohne jede Ausnahme ohne Bewilligung des Justizministeriums zu verweigern“. Die österreichischen Vertreter betonten auf diesen geheimen „Antiterrorgipfel“ gegenüber den italienischen Delegierten daher immer wieder, dass „diese (über Südtirol-Freiheitskämpfer ausgetauschten) Informationen nicht zum Anlass einer Verhaftung, Verfolgung oder Befragung einer Person, sondern lediglich zu deren Beobachtung genommen werden dürfen.“ Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der österreichischen Seite durfte nicht öffentlich werden. Oberpolizeitrat Dr. Eduard Obrist von der Sicherheitsdirektion Tirol, welcher bei den geheimen Treffen und dem Austausch von Ermittlungsergebnissen anwesend war, flehte die Italiener geradezu an:

Es muss nur sichergestellt werden, daß die direkten Kontakte nicht offenbar werden. Wir halten das sonst bei der Bevölkerung nicht aus.

Die Dokumentation beschreibt das Geschehen bis zum 25. Juni 1967. An diesem Tag wurden im italienisch-österreichischen Grenzgebiet der Provinz Belluno auf der Porzescharte laut offizieller italienischer Darstellung vier italienischen Soldaten durch von „Südtirol-Terroristen“ gelegte Tretminen tödlich verletzt. (Diese Darstellung hat der österreichische Militärfachmann und Historiker Oberst Dr.  Hubert Speckner in seinem Buch „Von der „Feuernacht“ zur „Porzescharte“ mittlerweile gründlich anhand von Fakten widerlegt.)

Das Geschehen auf der Porzescharte wurde aber von der italienischen Seite zum Anlass genommen, offiziell die Assoziierung Österreichs an die EGW zu blockieren und Wien politisch noch stärker unter Druck zu setzen.

Dieses Geschehen wird jedoch in einem Folgeband der vorliegenden Dokumentation behandelt werden, welcher im Frühjahr 2018 erscheinen soll.

In Rom schätzte man die verdeckte Tätigkeit des Geheimunterhändlers und christdemokratischen Freundes Rudolf Moser sehr. 1976 ernannte der italienische Staatspräsident Rudolf Moser zum „Commendatore“ – zum „Ordensritter“ – und verlieh ihm einen hohen italienischen Orden.

Dr. Helmut Golowitsch, hat sich bereits mit Werken wie „Kapitulation in Paris – Ursachen und Hintergründe des Pariser Vertrags 1946“ (Mitautor Walter Fierlinger), „Ortlerkämpfe 1915-1918“ und der zuletzt in zweiter Auflage erschienenen Dokumentation „Für die Heimat kein Opfer zu schwer – Folter – Tod – Erniedrigung: Südtirol 1961-1969“ als Südtirol-Historiker einen Namen gemacht.

Die hinterlassenen Akten des Geheim-Unterhändlers Rudolf Moser wurden durch den Autor mittlerweile an das österreichische Staatsarchiv zur Übernahme in dessen Bestände übergeben und sind somit der Wissenschaft frei zugänglich.

Das vorliegende Werk von Helmut GolowitschSüdtirol – Opfer für das westliche Bündnis. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“ sollte in keinem Bücherregal zur Tiroler Geschichte fehlen. Es ist in gebundener Ausgabe im Leopold Stocker Verlag in Graz erschienen, umfasst mit einem Vorwort von Univ.-Prof. Dr. Reinhard R. Heinisch rund 600 Seiten und ist über den Buchhandel mit der IBSN 978-3-7020-1708-8 für 34,80 € erhältlich.




Die Stimme Roms in Bozen

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher 
Bild Kompatscher: Wikimedia.org, Dragan Tatic Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (CC BY 2.0), Collage: SID

Südtirols Landeshauptmann – ein Gegner der Selbstbestimmung

„Eigenständigkeit ist vorstellbar“. Die Schlagzeile in dem österreichischen Nachrichtenmagazin NEWS vom 2. Juli 2016 mit einem Zitat aus einem Interview mit Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher („Südtiroler Volkspartei“ – SVP) erweckt auf den ersten Blick einen falschen Eindruck.

Man könnte meinen, der Südtiroler Landeshauptmann sei über Nacht zu einem Befürworter der Selbstbestimmung seiner Volksgruppe mutiert.

Liest man das Interview genauer durch, so kommt man rasch darauf, dass man sich in Rom wegen der Einstellung Kompatschers keine Sorgen zu machen braucht.

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher im Interview mit dem österreichischen Nachrichtenmagazin NEWS
Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher im Interview mit dem österreichischen Nachrichtenmagazin NEWS

Kompatscher: Ein Recht ohne Rechtsfolgen

Von dem Magazin dazu befragt, was er zu der Forderung des FPÖ-Chefs Strache nach Anwendung des Selbstbestimmungsrechts in Südtirol sage, erklärte Kompatscher wörtlich:

„Die Südtiroler haben dieses Selbstbestimmungsrecht schon. Denn dieses Recht ist ein unveräußerbares Recht aller Völker im Sinne der UN-Charta.“

Und dann Kompatschers Rolle rückwärts: „Das ist aber nicht mit einem unmittelbaren Recht gleichzusetzen, jederzeit einen eigenen Staat zu gründen, Grenzen zu verschieben oder eine Sezession durchzuführen.“

Dazu sei „die Zustimmung Italiens“ notwendig.

Kompatscher: Die Südtiroler wollen die Trennung von Italien – es ist aber völlig unrealistisch

„Die Zustimmung Italiens vorausgesetzt“, sagt Kompatscher, „würde sich wohl eine Mehrheit der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung sowohl für die Option eines eigenen Staates als auch für jene eines Zurück zu Österreich aussprechen. Das Szenario ist aber wegen der fehlenden Zustimmung Italiens ohnehin völlig unrealistisch.“

Widerspruch vom Südtiroler Heimatbund: Wille und Mut zur Selbstbestimmung!

Roland Lang

Zu diesen Aussagen Kompatschers äußerte sich  der Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen politischen Häftlingen Südtirols gegründeten Organisation, mit klaren Worten und veröffentlichte nachstehende Pressemitteilung:

Als richtig bezeichnet der Südtiroler Heimatbund die Aussagen in verschiedenen Medien von Landeshauptmann Kompatscher, wonach die Südtiroler Bevölkerung mehr Eigenständigkeit verlange und im Rahmen eines möglichen Selbstbestimmungsreferendums für einen Freistaat Südtirol oder die Rückkehr zu Österreich stimmen würde. Jedoch hat die Geschichte einen Haken, so Obmann Roland Lang.

Kompatscher führte aus, dass Italien nie Südtirol das Recht auf Selbstbestimmung zugestehen würde, da es unrealistisch wäre.

Muss Südtirol praktisch mit Italien in der ersten Klasse untergehen?

Steht das Völkerrecht nicht über dem nationalen Recht?

Und warum muss man sich bei Italien entschuldigen, wenn man das Recht ausüben will? Diese Fragen haben alle längst eine Antwort erhalten, so der SHB.

Sind die Südtiroler ein Volk? Der bekannte österreichische Völkerrechtler Felix Ermacora hat einmal gesagt, dass kein Land einem Volk die Selbstbestimmung verwehren kann, auch Italien Südtirol nicht. Doch verlangen und fordern muss man es.

Wurde die SVP nicht zum Zwecke der Erreichung des Selbstbestimmungsrechtes gegründet?

 

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Am 19. Mai 1945 veröffentlichte die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) in der Tageszeitung „Dolomiten“ ihr Parteiprogramm mit der Forderung nach Selbstbestimmung. Bei den führenden SVP-Politikern von heute scheint das gerne verdrängt zu werden.

Im April 1946 forderten die Südtiroler mit 155.000 Unterschriften die Rückkehr Südtirols zu Österreich. Tatkräftig unterstützt auch vom Südtiroler Klerus.

Wenn man wie Kompatscher das Selbstbestimmungsrecht bei jeder sich bietenden Gelegenheit als unrealistisch hinstellt, so erweist man dem Freiheitsstreben damit einen Bärendienst. Aber den Freunden in Rom wird es sicher gefallen.

Zudem muss man sich ernsthaft die Frage stellen, wieso die Südtiroler Volkspartei das Recht auf Selbstbestimmung im eigenen Statut verankert hat, wenn es sowieso niemals ausgeübt werden darf.

Die SVP soll endlich sagen, ob sie das Selbstbestimmungsrecht überhaupt noch anpeilt oder es nur noch als Altlast in den Statuten hat, schließt der SHB-Obmann Lang.

TT1

UNterschriften an Figl

Unterschriften 2

Österreichs Bundeskanzler Leopold Figl nahm am 22. April 1946 in Innsbruck die nach Österreich geschmuggelten Unterschriften so gut wie aller damals volljährigen Südtiroler entgegen, mit denen diese ihren Willen zur Rückkehr ihres Heimatlandes nach Österreich bekundeten.

Unterschriften 46