Stachel im Fleisch der Politik

Allen Widrigkeiten zum Trotz halten die Schützen im Süden des 1919 geteilten Landes an der Wiedervereinigung Tirols fest.

von Reinhard Olt

Wer sich mit historischen Publikationen zum Thema (Süd-)Tirol befasst und die mediale Berichterstattung der letzten Jahre verfolgt hat, konnte den Eindruck gewinnen, mit der 1969 zustande gekommenen und 1972 statutarisch verankerten Selbstverwaltung für die „Provincia autonoma di Bolzano – Alto Adige“  und dem unlängst in Meran, Bozen und Wien politisch-medial beweihräucherten Rückblick auf „25 Jahre  österreichisch-italienische Streitbeilegung“ von 1992 sei die seit Ende des Ersten Weltkriegs schwärende Wunde der Teilung Tirols ein für allemal geschlossen. Weit gefehlt. Demoskopische Erhebungen förderten zutage, dass  in Österreich – insbesondere im Bundesland Tirol – wie  im von Italien 1918 annektierten südlichen Teil Tirols das Empfinden historischen Unrechts sowie das Gefühl der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit nach wie vor ausgeprägt sind.

Teilung Tirols
Nach wie vor wird die Teilung Tirols von vielen Österreichern als zu ändernder Unrechtszustand empfunden

Die große Mehrheit aller Befragten bekundete auch das Verlangen nach (einem Referendum zwischen Brenner und Salurner Klause über die) Ausübung des sowohl nach dem Ersten, als auch nach dem Zweiten Weltkrieg der dortigen Bevölkerung verweigerten Selbstbestimmungsrechts. Dafür sprachen sich sogar viele der befragten ethnischen Italiener in der benachbarten Provinz Trient aus, mit der Bozen-Südtirol in einer „Regione Autonoma Trentino-Alto Adige“ zwangsvereint ist.  In Südtirol selbst waren sich die Befragten – trotz unterschiedlicher Vorstellungen der maßgeblichen politischen Kräfte über die anzustrebende weitere Entwicklung des Landes (Vollautonomie; Freistaat; Rückgliederung an Österreich) –  mehrheitlich darüber einig, dass dessen Zukunft jedenfalls in der Unabhängigkeit von Italien, mithin im „Los von Rom“, zu suchen sei.

Österreicher für Südtirol

Österreicher für Selbstbestimmungsgrecht Südtirols
Im Jänner 2015 stellte der Vorstand des „Südtiroler Heimatbundes“, einer von ehemaligen Südtiroler politischen Häftlingen gegründete Vereinigung, zusammen mit Prof. Dr. Olt (2. von rechts), der Öffentlichkeit eine Aufsehen erregende Meinungsumfrage vor, wonach die überwiegende Mehrheit der Österreicher nach wie vor für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt.

Dass Loslösung von Italien im öffentlichen Raum ein Diskussionsthema ist und bleibt, dafür sorgen – neben drei deutschtiroler Oppositionsparteien, die seit der Landtagswahl von 2013 im Parlament zu Bozen zusammen 10 von 35 Abgeordneten stellen – der Südtiroler Heimatbund (SHB), die Vereinigung ehemaliger Freiheitskämpfer, sowie vor allem der Südtiroler Schützenbund (SSB).

Dieser mitgliederstarke Traditionsverband, dessen Wurzeln ins frühe 16. Jahrhundert zurückreichen, tritt in Treue fest für die Bewahrung der Tirolität im fremdnationalen Staat sowie unerschütterlich für die Aufrechterhaltung des Ziels der Landeseinheit ein. Wiewohl politisch gänzlich unabhängig, bilden mehr als 6000 Mitglieder, von denen über 5000 in 140 Schützenkompanien sowie in 3 Schützen(musik)kapellen aktiv sind, mitsamt  Familienangehörigen ein ansehnliches gesellschaftliches Potential.

Wann und wo immer sie aufmarschieren in ihrer pittoresken Montur – sie sind eine Augenweide fürs Publikum. Im alpinen Tourismus würden ihre Farbtupfer fehlen, träten sie nicht in Kompaniestärke oder gar noch größeren Formationen auf, wenn es gilt, gelebte Tradition augen- und ohrenfällig werden zu lassen. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass zwischen Oberbayern und Welschtirol (Trentino) beheimatete Schützenformationen an den meisten Urlaubsorten von Besuchern allzu gerne als folkloristische Draufgabe auf ihren wohlverdienten Ferienaufenthalt empfunden werden.

Wer indes einmal einen Blick in eine Ortschronik oder gar in ein Geschichtsbuch wirft, dem wird sich die historische Dimension des Schützenwesens alsbald erschließen. Dies gilt samt und sonders für jene Landstriche im Dreieck zwischen Konstanz, Kufstein und Ala am Gardasee, die einst die „Gefürstete Grafschaft“ respektive das „Land im Gebirg’“, wie es oft in Urkunden bezeichnet wird, mithin das alte Tirol ausmachten. Überall dort geht die Existenz der Schützen auf das sogenannte Landlibell Kaiser Maximilians I. (1459–1519) zurück.

Der „letzte Ritter“, wie man ihn auch nennt, erließ 1511 jenen urkundlich verbrieften Rechtsakt, in welchem er die Freiheiten der Tiroler Stände festlegte und damit zugleich das Wehrwesen und also die Organisation der Landesverteidigung durch Aufgebote städtischer und ländlicher Bewohner mitsamt einer Aufteilung der Mannschaftskontingente regelte. Das Landlibell legte fest, dass die Tiroler nicht verpflichtet waren, für einen Herrscher außerhalb der Landesgrenzen in den Krieg zu ziehen. Dafür sicherten die Stände zu, bei Feindeseinfall Tirol zu verteidigen.

Landlibell
Das „Landlibell“ von 1511 regelte für die kommenden Jahrhunderte die Landesverteidigung Tirols und war die entscheidene Grundlage der Landesverteidigung von 1809

Andreas Hofer

Weithin bekannt wurde das Tiroler Schützenwesen vor allem durch die Abwehrkämpfe während der kriegerischen Einfälle der Bayern 1703 sowie der Franzosen (nebst ihrer bayerischen Verbündeten) in den Jahren 1796/97 und 1809. Die Bergisel-Schlachten unter dem aus dem Südtiroler Passeiertal stammenden Kommandanten und Volkshelden Andreas Hofer – plastisch und drastisch nachzuverfolgen am „Riesenrundgemälde“ im Tirol-Panorama, einem eigens 2010 errichteten Museum am gleichnamigen Berg nahe Innsbruck – trugen wesentlich dazu bei, dass der Mythos vom wehrhaften Bergvolk, das selbst Napoleon trotzte, in ganz Europa bekannt wurde.

Das Landlibell galt im Kern bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, und selbst während des Ersten Weltkriegs wurden Tiroler Standschützen stets nur zur Verteidigung der Heimat und eben nicht auf außertirolischen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Daran und an „500 Jahre Landlibell als Geburtsurkunde der Tiroler Schützen“ war  2011 in Innsbruck im Beisein von deren Abordnungen aus eben jenem historischen Tirol – des österreichischen Bundeslandes sowie der italienischen Provinzen Bozen-Südtirol und Trentino – feierlich erinnert worden.

Standschützen
Auch im Ersten Weltkrieg wurden die Standschützen nur zur Verteidigung der Grenzen Tirols eingesetzt

Nirgendwo dort fehlen Schützen bei einer größeren Festveranstaltung. Fast in jeder Gemeinde gibt es eine Kompanie, die bei festlichen Anlässen „ausrückt“ und mittels  Gewehrsalven eines  Schützen-Detachements den Festcharakter lautstark unterstreicht. Heutzutage haben diese Waffen tragenden Tiroler in ihren schmucken, regional und sogar lokal unterschiedlichen Uniformen feindliche Truppen nicht mehr abzuwehren, wenngleich Degen und Karabiner zu ihrer „Standardausrüstung“ gehören. Der wehrhafte Geist ist ihnen indes ganz und gar nicht abhandengekommen, wenn sie sich – im engeren wie im weiteren Sinne – um die „Heimat“ kümmern: Sie initiieren und beteiligen sich aktiv an Renovierungsaktionen für Bauwerke; dasselbe gilt für Reinigungsaktivitäten besonders dort, wo das Wegwerfgut des Massentourismus  zu beseitigen ist.

Vor allem aber engagieren sie sich in der sozialen Fürsorge für ältere Mitbürger. Trotz äußerlicher Verschiedenheit, wie sie an Gewand und Hüten, an Uniform-/Tracht- und Hutschmuck sowie an ihren Fahnen auszumachen ist, eint sie Tradition und Heimatverbundenheit, wie sie sich in den Grundsätzen des Schützenwesens manifestieren (dazu gehören „Treue zu Gott und dem Erbe der Väter“, „Schutz von Heimat und Vaterland“ sowie „Einheit des Landes“).

Letzteres führte mitunter zu  Auseinandersetzungen in und zwischen den drei maßgeblichen Schützenverbänden – sehr stark beeinflusst von den in den Tiroler Landesteilen dominanten politischen Kräften respektive regierenden Parteien, von denen im Bundesland Tirol die ÖVP und in der Provinz Bozen-Südtirol deren Pendant SVP seit dem Zweiten Weltkrieg ununterbrochen an der Macht sind.

Dass Streit über die Landeseinheit mittlerweile als „Schnee von gestern“ gelten darf, ist in erster Linie dem Betreiben des SSB und dessen Landeskommandanten Major Elmar Thaler sowie der Mitwirkung seines Pendants im Norden – Major Fritz Tiefenthaler, Kommandant des Bundes Tiroler Schützenkompanien (BTSK) – zuzuschreiben.

Hieß der übergreifende Grundsatz zwischen Nord und Süd in den 1990er  Jahren „geistige und kulturelle Landeseinheit“, so ist in den letzten Jahren, weitgehend inauguriert vom  SSB, immer stärker auch die „politische Einheit des Landes“ in den Mittelpunkt gemeinsamer Zielsetzungen gerückt. Und mit der  Neugründung eines (die ansonsten eigenständigen Schützenverbände Tirols, Südtirols und Welschtirols) vereinigenden „Verbandes Tiroler Schützen“ (VTS)  wurde  die „Landeseinheit Tirols“  in dessen Statut fixiert. Jedes Jahr übernimmt ein anderer Landeskommandant die Führung der darin vereinten mehr als 20.000 Schützen Gesamttirols.

Sichtbarster Ausdruck der Veränderung vom „unpolitischen“ – und von zeitgeistfrommen Zeitgenossen abschätzig „heimattümelnd“ genannten – Charakter zu einem durchaus ernstzunehmenden politischen Faktor in beiden Teilen Tirols war der  „Freiheitsmarsch“ der Schützen 2012 in Bozen. Damit war erstmals auch die personifizierte gesamttirolische Verbandseinheit dokumentiert worden, indem der Südtiroler Landeskommandant Elmar Thaler, der Nordtiroler Fritz Tiefenthaler und der Welschtiroler Giuseppe Corona an der Spitze den farbenprächtigen Zug von Tausenden ihrer Mannen nebst Marketenderinnen und Sympathisanten in gleichem Schritt und Tritt quer durch die Stadt auf den Platz vor das Landhaus (Landtag) zur Abschlusskundgebung führten.

Schützen Bozen 2012

(„Dolomiten“ vom 16. April 2012)

Am 14. April 2012 hatten die Südtiroler Schützen zu einem großen „Freiheitsmarsch – ohne Rom in die Zukunft“ durch Bozen aufgerufen. An die 6.000 Menschen waren gekommen, unter ihnen Abordnungen der Nordtiroler und der Welschtiroler Schützen. An der Spitze des Zuges marschierten die Landeskommandanten der Schützen. Von links nach rechts: Der Nordtiroler Landeskommandant Major Mag. Fritz Tiefenthaler ( „Bund der Tiroler Schützenkompanien“), Landeskommandant Elmar Thaler („Südtiroler Schützenbund“) und Vize-Landeskommandant Giuseppe Corona („Welschtiroler Schützenbund – Federazione Schützen del Welschtirol“).

Dort fassten sie zusammen, was die einzelnen Kompanien in griffige Parolen gekleidet auf Spruchbändern mit sich geführt hatten und was Ziel des demonstrativen, aber gänzlich unmartialisch verlaufenen Aufmarschs sein sollte: Der „Mut zum Bekenntnis und zur Tat“ gipfelte in dem wider Italien gerichteten Bekenntnis „Unser Staat ist das nicht“, respektive im Verlangen „Schluss mit der italienischen Verwaltung“.

In Anlehnung an den November 1989 in der damaligen DDR hieß es auch auf rotweißen Spruchbändern, die der Tiroler Adler zierte: „Wir sind das Volk“. Womit zugleich das Verlangen nach Wiedervereinigung des seit Ende des Ersten Weltkriegs geteilten Tirols Ausdruck fand. All das verdichtete sich in den beiden markanten Parolen von der „Ausübung des Selbstbestimmungsrechts“ und der „Verabschiedung aus Italien“, mithin dem „Los von Rom“. Es fehlte auch nicht an Schelte für „Politiker, die der Landeseinheit im Wege stehen“. Vom SSB initiierte und organisierte „Unabhängigkeitstag“ in Meran 2013 und in Bruneck 2016,  zu denen sich Vertreter zielgleicher nationaler Minderheiten aus EUropa einfanden, gerieten zu selbstbewussten Manifestationen wider assimilatorische Entnationalisierung sowie des unbedingten Willens zur Selbstbehauptung und des Verlangens nach Verwirklichung des in der UN-Charta verankerten Selbstbestimmungsrechts.

Unabhängigkeitstag in Meran 2013

Unabhängigkeitstag in Meran 2013
Unabhängigkeitstag in Meran 2013

Unabhängigkeitstag in Bruneck 2016

Unabhängigkeitstag in Bruneck 2016
Unabhängigkeitstag in Bruneck 2016

Die Schützen wissen, dass sie mit derartigen Aktivitäten mitunter auf Ablehnung stoßen: nicht allein in Rom (zur Gänze) sowie (weithin) in der politischen Klasse Wiens und Innsbrucks, sondern auch und vor allem bei der SVP. Die 1945 gegründete „Sammelpartei“ hat sich längst  mit den obwaltenden, weil  mitgestalteten Verhältnissen arrangiert. Dem Arrangement fiel das in ihren Parteistatuten als Gründungszweck und hehres Verwirklichungsziel verankerte Selbstbestimmungsbegehr „realpolitisch“ ebenso zum Opfer wie ihr die einst auch von ihr als höchsten Daseinszweck propagierte Landeseinheit faktisch obsolet geworden ist. Dies legte die seit der Streitbeilegung 1992 immer öfter ins Auge stechende, dem Machterhalt dienende und für Funktions- und Amtsträger sowie dem sozial und ökonomisch nutznießenden Teil der eigenen Wählerklientel einträgliche Maxime des „Kompromisses um jeden Preis“ offen. Man tritt der gegenwärtigen SVP-Führung  und dem Gros ihrer Parlamentarier gewiss nicht zu nahe, wenn man sie als italophil bezeichnet.

Dass dies zwangsläufig zu Konflikten mit dem Schützenbund führen muss(te), dessen Wiedergründung ohne Beistand und Rückhalt der SVP 1957 kaum denkbar gewesen wäre und zu dessen erstem Kommandanten infolgedessen der damalige Landeshauptmann Dr. Alois Pupp bestimmt worden war, ist in den letzten Jahren häufig zutage getreten. Das Wiederaufleben des im italienischen Faschismus verbotenen Schützenwesens geschah gegen den hartnäckigen Widerstand des „demokratischen Italiens“, das – in Südtirol übrigens bis heute –  zäh sein geistiges faschistisches Erbe verteidigt.  In Rom war und ist man sich der Bedeutung des Schützenwesens bewusst, dessen traditioneller Daseinszweck auf Bewahrung der Identität und Freiheit der Tiroler sowie auf Wiedererlangen der Landeseinheit gerichtet ist.

Von den 1950er bis zu den frühen 1980er  Jahren herrschte hinsichtlich dieser Ausrichtung weithin Übereinstimmung mit der SVP, zudem bestand  eine gewisse personelle Identität. Man tut wohl niemandem Unrecht, wenn man den SSB bis zur zäsuralen „Schützenrevolte“ auf der denkwürdigen Landesversammlung  (dem Parteitag) 1986 in Meran als eine der SVP-„Vorfeldorganisationen“ charakterisiert. Das hat sich seitdem fundamental geändert. Zwischen SVP und SSB, der sich von ihr emanzipierte und mehr und mehr zum Stachel im Fleische der Politik wurde, ist heute der Bruch unübersehbar.

Die Schützen haben wieder und wieder bewiesen, dass sie trotz (gesellschafts)politischen Gegenwinds an ihrem historisch begründeten und legitimierten Auftrag sowie an ihrem tradierten Wertegefüge festhalten und standfest bleiben. Daher ist es vornehmlich ihnen zu danken, dass das letzte Wort bezüglich der Zukunft (Süd-)Tirols wohl noch lange nicht gesprochen ist.

Standhaft im Gegenwind. Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes
Olt, Reinhard: „Standhaft im Gegenwind. Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes“ Neumarkt a.d. Etsch (Effekt GmbH) 2017, 364 Seiten, Hardcover, Format 260×235 mm, illustriert, ISBN 978-88-97053-39-2; Preis 25,- Euro

Mein soeben erschienenes Buch „Standhaft im Gegenwind“. Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes“ legt all dies faktengesättigt offen. Wobei  eine Fülle exklusiver Informationen aufgeboten werden konnten, die man sowohl in  der journalistischen, als auch in der bisherigen wissenschaftlichen Publizistik vergeblich sucht. Diese facettenreiche Publikation über den Südtiroler Schützenbund stellt daher zugleich eine detaillierte Beschreibung  der  ins österreichisch-italienische Verhältnis eingebetteten politischen Handlungen beider Tirol dar. Mithin schließt die Darstellung auch eine Lücke in der Aufarbeitung der jüngeren Zeitgeschichte.

Reinhard Olt
Prof. Dr. Reinhard Olt bei der Vorstellung seines Buches am 2. Mai 2017 im Bozener Waltherhaus




„Standhaft im Gegenwind“

Das ist der Titel eines neuen Buches des Publizisten und Historikers Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Michael Olt, welches am 29. April 2017 auf der Bundesversammlung des Südtiroler Schützenbundes der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Auch die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete darüber:

Reinhard Olt

Eine höchst informative Darstellung der jüngeren Zeitgeschichte Südtirols

Olt hat mit seinem Werk eine Lücke in der Aufarbeitung der jüngeren Zeitgeschichte Südtirols geschlossen. Sein Buch schildert nicht nur die Entwicklung des Südtiroler Schützenwesens, es ist auch eine detaillierte – sich aber nicht in Nebensächlichkeiten verlierende – Darstellung der jüngeren Zeitgeschichte Tirols und liefert eine Fülle von Informationen, die man in zahlreichen anderen Publikationen so nicht vorfindet. Die zeitgeschichtlichen Informationen werden ergänzt durch Bilder, die zum Teil erstmals veröffentlicht werden.

Von den Anfängen zur Gegenwart

Ausgehend von der Schilderung der historischen Ursprünge des Tiroler Schützenwesens und dessen prägenden Beiträgen zur Wehrhaftigkeit, zum Freiheitswillen und somit zur Identität Tirols kommt der Verfasser rasch auf die jüngeren Zeitläufte zu sprechen.

Militärisch trat das Tiroler Schützenwesen letztmals im Jahre 1915 in Erscheinung, als die für den regulären Kriegsdienst zu alten oder zu jungen Freiwilligen in den Reihen der Standschützen Tirol an der Hochgebirgsfront erfolgreich gegen den Überfall des vertragsbrüchigen Königreichs Italien verteidigten.

Die Annexion Südtirols führte zur Auflösung des Schützenwesens und zur Beschlagnahme seines Eigentums durch Italien.

Georg Klotz
Der Schützenmajor und spätere Freiheitskämpfer Georg Klotz

Nach 1945 gelang es Patrioten wie dem unvergesslichen Schützenmajor und späteren Freiheitskämpfer Georg Klotz, das Schützenwesen in Südtirol neu zu beleben. Dies geschah gegen den andauernden Widerstand eines Staates, der zäh sein geistiges faschistisches Erbe verteidigte und den Schützen mit zahlreichen Schikanen und Verboten Steine in den Weg legte.

In Rom war man sich der Bedeutung des Schützenwesens bewusst. Dessen geistiges Erbe war die Bewahrung der Identität, der Freiheit Tirols und das Streben nach Wiedergewinnung der Landeseinheit. Es ging um den Schutz der Heimat. In den Augen der römischen Politiker war dies natürlich Hochverrat. Die Schützen traten für ihre Ziele nun mit geistigen statt militärischen Waffen ein.

Die Reihen der Schützen bildeten sich vorwiegend aus den „kleinen Leuten“ des Landes. Sie waren nicht bestechlich. Sie lebten nicht von der Politik, sondern brachten persönliche Opfer. Ihnen konnte man im Gegensatz zu manchen Parteipolitikern nicht augenzwinkernd politische Gegengeschäfte vorschlagen oder sie durch persönliche Zuwendungen korrumpieren.

Professor Dr. Olt zeichnet nach, wie „Klotz und mutige Gleichgesinnte“ nach der gewaltigen Volkskundgebung von Sigmundskron von 1957 den „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) ins Leben riefen. Dabei stand ihnen die damalige Sammelpartei aller Südtiroler, die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) zur Seite. Der Landeshauptmann Dr. Alois Pupp wurde erster Landeskommandant.

Das Freiheitsstreben des Landes sichtbar gemacht

Das Freiheitsstreben des südlichen Tirols wurde der ganzen Welt vor Augen geführt, als die Schützen auf dem großen Landesfestumzug von 1959 in Innsbruck nicht nur der Taten Andreas Hofers und seiner Mitstreiter vor 150 Jahren gedachten, sondern eine riesige schmiedeeiserne Dornenkrone unter begeisterter Zustimmung der Bevölkerung durch die Straßen Innsbrucks trugen. Die Dornenkrone drückte den Schmerz über die Landesteilung aus – und die Bevölkerung verstand dies sehr gut.

Dornenkrone
Die Dornenkrone von 1959

In Rom reagierte man wie zu Mussolinis Zeiten mit Ausrückungsverboten, Versammlungsverboten, Verbot der Schützentrachten, Fahnenverboten und allen sonst erdenkbaren Schikanen.

Der „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) musste seine Tätigkeit einstellen. Diese Maßnahmen waren aber nur Teil einer viel größeren Repression, welche die gesamte deutsche und ladinische Bevölkerung Südtirols traf und zu einer unhaltbaren Situation führte, die sich zunächst in einzelnen Anschlägen und schließlich 1961 dann in der „Feuernacht“ des Freiheitskampfes entlud.

Persönliche Opfer

Luis Amplatz
Luis Amplatz wurde von einem Agenten im Auftrag des italienischen Staates ermordet

Zahlreiche Schützen wurden verhaftet, von den Carabinieri schwer gefoltert und gingen für viele Jahre ins Gefängnis. An den Folgen der erlittenen Folter starb der Schütze Franz Höfler. Der Schütze Luis Amplatz wurde im Auftrag der italienischen Polizei von einem Agenten heimtückisch im Schlaf ermordet, während der Schütze Georg Klotz sich schwer verletzt retten konnte.

Die Zeit des Freiheitskampfes war auch die Zeit der Unterdrückung des Schützenwesens im südlichen Tirol. Erst ab 1967 konnte der „Südtiroler Schützenbund“ wieder in Erscheinung treten und tat dies in alter Grundsatztreue.

Lösen aus Bevormundung

 Der zeitgeschichtliche Berichterstatter Prof. Dr. Olt schildert, wie die Schützen sich aus der Vormundschaft der SVP befreiten, als die Partei sich immer mehr zur Erfüllungspolitik gegenüber Rom bereitfand. Die Schützen indes waren nicht bereit, in ihrer Montur lediglich als farbenprächtiger Aufputz für Parteiveranstaltungen zu dienen. So kam es zu einer allmählichen Loslösung von der SVP.

Verfolgung durch die Staatsmacht

1987 demonstrierte ein überparteiliches Komitee, dem sowohl einige SVP-Funktionäre als auch Schützen angehörten, in Wien anlässlich der internationalen KSZE-Konferenz für das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler.

Die italienische Justiz packte daraufhin den immer noch in Geltung befindlichen faschistischen Repressionsparagraphen 269 des Strafgesetzbuches („Staatsfeindliche Tätigkeit im Ausland“) aus der Mottenkiste der Geschichte und ließ die Demonstrationsteilnehmer verhaften.

Die Spitze der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) verhielt sich ebenso wie die österreichische Regierungspartei ÖVP mehr als zurückhaltend, um in Rom nicht unliebsam anzuecken.

Letztendlich musste das skandalöse Verfahren nach dem alten Faschistenparagraphen, welches mittlerweile in ganz Europa Aufmerksamkeit erregt hatte, wieder eingestellt werden.

Die Schützen hatten sich die Schneid nicht abkaufen lassen. Im Frühjahr 1991 demonstrierten sie in Bozen für die Entfernung des faschistischen „Siegesdenkmals“ und ließen sich weder durch Anpöbelungen junger italienischen Neofaschisten, noch durch Strafbescheide der italienischen Justiz beeindrucken.

Auch auf dem Alpenregionsfest in Matrei bekräftigten die Schützen ihre Botschaft.

Fernsehübertragungen machten die Tatsache des Weiterbestehens faschistischer Denkmäler in Südtirol in ganz Europa bekannt.

Die Schützen standen und stehen zu ihren Überzeugungen

Am 15. September 1991 fand auf den Wiesen oberhalb des Brennerpasses, welcher das Land Tirol bis heute teilt, eine von der SVP-Spitze abgelehnte Großkundgebung unter der Devise „Nachdenken über Tirol“ statt. Viele tausende Schützen aus allen Landesteilen bekundeten ihr Eintreten für die Selbstbestimmung.

Prof. Dr. Olt schildert in seinem reich bebilderten Werk auch weitere Initiativen der Schützen und öffentliche Kundgebungen, die wiederum Gerichtsverfahren unter Verwendung alter faschistischer Repressionsparagraphen nach sich zogen.

Die Schützen ließen und lassen sich von solchen Schikanen nicht abschrecken. Sie demonstrieren gegen das Weiterleben des Faschismus in Südtirol, gegen die Faschistendenkmäler und fordern öffentlich die Abschaffung der erfundenen faschistischen Ortsnamen

Doppelspiel der Politiker

Die akribische Zeitgeschichtsschreibung Olts fördert zutage, wie die Bestrebungen der Schützen von einigen Politikern südlich wie nördlich des Brenners auf der öffentlichen Bühne vor den Kulissen lauthals gelobt und hinter den Kulissen hintertrieben und sabotiert wurden.

Deutlich wurde diese Taktik, als im Jänner 2006 die Landeskommandanten der Südtiroler wie der Nordtiroler Schützen dem österreichischen Nationalratspräsidenten Andreas Khol (ÖVP) eine Petition überreichten. In dieser wurde erbeten, dass die Republik Österreich einen Passus in ihre Verfassung aufnehme, in welchem das Bekenntnis Österreichs zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts für die Südtiroler festgeschrieben werden sollte.

Das Bedeutsame an der Petition: 113 von insgesamt 116 Südtiroler Bürgermeistern sowie zahlreiche Amtskollegen aus Nord- und Osttirol hatten dieses Begehren mit ihrer Unterschrift bekräftigt.

 

 

 

Andreas Kohl

 

Berichterstattung in den „Dolomiten“ vom 24. Jänner 2006

Der Zeithistoriker Olt schildert im Detail, wie diese Resolution von einigen ranghohen Politikern zunächst vor der Presse laut gelobt, dann aber im Verborgenen sabotiert und letztlich mithilfe eines Geschäftsordnungstricks nicht einmal im Österreichischen Nationalrat behandelt wurde. In ähnlicher Weise wurde mit der Forderung verfahren, die Schutzmachtfunktion Österreichs in der Bundesverfassung zu verankern.

Virtuelle „Landeseinheit“ in den Köpfen statt tatsächlicher Landeseinheit

Das Bestreben, nur ja keine Verstimmung in die Beziehungen zu Rom einfließen zu lassen, führte in der Folge zu seltsamen Selbstdarstellungen von Politikern.  Politiker wie Andreas Khol verkündeten und verkünden bis heute unverdrossen, dass die „Landeseinheit“ in der EU bereits erreicht sei. Es gehe nur noch darum, die Grenzen in den „Köpfen und Herzen“ zu beseitigen.

Die Tatsache, dass die italienische Staatsmacht auch nach der Petition der Schützen und Bürgermeister wiederum auf einschüchternde Weise strafrechtlich ermitteln ließ, zeigt die Lächerlichkeit des Versuchs auf, die reale Landesteilung zu leugnen.

Die Schützen widerstehen dem Gegenwind

Eine Politik dauernder Willfährigkeit gegenüber Rom hat in Südtirol zu katastrophalen Ergebnissen geführt. Die einstmals durch ihre Geschlossenheit starke Sammelpartei SVP ist heute geschwächt und hat den Anspruch auf die Gesamtvertretung der Volksgruppe verloren.

Längst schon tritt diese Partei nicht mehr für die Selbstbestimmung Südtirols ein und hat damit ihren Gründungsauftrag aufgegeben.

Prof. Dr. Olt schildert in seinem packend geschriebenen und mit zahlreichen Zeitdokumenten ausgestatteten Werk, wie der Südtiroler Schützenbund durch zahlreiche Auftritte und Aktionen die Forderung des „Los von Rom“ nicht verstummen lässt. Sowohl die Teilnehmerzahlen als auch das publizistische Echo bewirken, dass das Verlangen nach Loslösung von Italien im öffentlichen Raum ein Diskussionsthema bleibt. Meinungsumfragen haben mehrfach bekräftigt, dass im Falle einer Volksabstimmung diese wohl nicht zugunsten Roms ausgehen dürfte.

Prof. Dr. Olt, der als Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ viele Jahre hindurch die Entwicklung in Südtirol vor Ort beobachtet und darüber berichtet hat, entrollt vor dem Leser ein spannendes Szenarium von höchster Aktualität. Wer dieses Buch gelesen hat, kann die jüngsten politischen Entwicklungen in Südtirol besser verstehen. Es ist auch ein tröstliches Buch, denn es berichtet vom Mut und von der Zuversicht unserer Landsleute im von nicht wenigen für besetzt erachteten Süden.

Die Schützen widerstehen dem Gegenwind. Sie widerstehen Schikanen und Verfolgung, und sie lassen sich durch das Versagen eigener Politiker nicht entmutigen.

Das letzte Wort ist in Bezug auf die Zukunft dieses Landes noch nicht gesprochen. Vor allem auch dank der Schützen!

Das vorliegende Buch des Zeithistorikers Prof. Dr. Olt ist eine fesselnde Darstellung der jüngeren Geschichte des geteilten Landes Tirol und eine wahrhafte Fundgrube an Informationen, die aus der Zeitgeschichtsschreibung und aus der politischen Publizistik bisher ausgeblendet wurden.

Bibliographische Angaben:

Buch: Standhaft im GegenwindReinhard Olt:
Standhaft im Gegenwind – Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes“

Verlag Effekt GmbH
Neumarkt a.d. Etsch 2017

364 Seiten, Format 260×235 mm; Hardcover, illustriert; 25.- Euro

 ISBN 978-88-97053-39-2 




Das schwierige Gedenken an Andreas Hofer

Die Offenbarung der Gesinnungen auf den Andreas Hofer-Feiern

Wie kann man des Freiheitshelden Andreas Hofer gedenken, ohne sich zu Freiheit, Selbstbestimmung und Landeseinheit in der heutigen Zeit zu bekennen?

Einige Politiker haben sich in diesem Jahr anlässlich der Gedenkfeiern mit dieser Frage auseinander gesetzt und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt.

Gesamttirol einschließlich Welschtirols (des heutigen „Trentino“)
Gesamttirol einschließlich Welschtirols (des heutigen „Trentino“)

Um den 20. Februar werden in Tirol bis heute Gedenkveranstaltungen abgehalten. Zu den Südtiroler Andreas Hofer-Feiern des Jahres 2017 hatte der Südtiroler Schützenbund Vertreter verschiedener politischer Richtungen als Redner eingeladen und damit eine die Parteien überspannende Öffentlichkeit mit der Tiroler Landesgeschichte und dem Thema der Landesteilung konfrontiert.

Die Ansprachen waren interessant, denn hier wurde offenbar, welche Kenntnisse über die Landesgeschichte und welche Betrachtungsweisen  gegeben waren.

Hier können nur einige Beispiele aus der Vielzahl der Feiern angeführt werden.

Die Landesgedenkfeier in Meran

Der Zug zum Festplatz
Der Zug zum Festplatz

Der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Elmar Thaler, erinnerte am 19. Februar 2017 in seiner Ansprache bei der Andreas-Hofer-Landesgedenkfeier in Meran sowohl an Andreas Hofer als auch an den Dichter Julius Mosen.

Thaler hob hervor, dass Andreas Hofer sich immer wieder gegen die Fremdherrschaft aufgelehnt habe. Auch die Schützen würden dies tun, indem sie versuchen, die Zukunft des Landes als einfache Bürger mitzugestalten. Der Europäischen Union würde es derzeit jedoch nicht gelingen, die Vorzüge der Regionalität mit dem Gedanken der europäischen Einigung zu verknüpfen. Nichts sei aber endgültig geregelt, was nicht gerecht geregelt sei. Das galt zu Hofers Zeiten und gelte auch heute.

Auf die von den politischen „Grünen“ vom Zaun gebrochene öffentliche Debatte über den Verbleib der christlichen Kreuze in den Schul-Klassenzimmern eingehend, sagte Thaler: „In der Diskussion der vergangenen Wochen, um Identität, um Symbole, die uns wichtig sind, passt es nun ganz gut, wenn wir, anstatt darüber zu sinnieren, was wir in Zukunft alles ändern könnten, welche Zeichen wir in den Klassenzimmern auf- und abhängen, ganz einfach Taten folgen lassen. Und die Gedenkfeier mit einem Wortgottesdienst beginnen.“

Der Schützen-Landeskurat Pater Christoph Waldner rief in diesem Gottesdienst dazu auf, für das Land und all die Frauen und Männer zu beten, die ihr Leben für den Glauben, ihr Land und das Volk eingesetzt hatten. Der Kurat ging dann auf Julius Mosen, den Dichter der Tiroler Landeshymne, ein und sagte: Die Hymne „beschreibt mit dem Sterben unseres Sandwirtes auch seinen besonderen Mut, die Treue zu seinem Volk und sein Gottvertrauen.“

(Aus „Dolomiten vom 20. Februar 2017)

Dann trat der österreichische Ex-Nationalratsabgeordnete DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) aus Völs in Nordtirol an das Rednerpult und legte ein bemerkenswertes Bekenntnis ab:

„Die Forderung nach Selbstbestimmung gibt es seit 1918, seit Südtirol von Österreich getrennt und Tirol geteilt wurde.“ Es könne in Zukunft auch eine Situation eintreten, in welcher eine Region Tirol vorstellbar wäre oder es zu einer Weiterentwicklung zu einem Europa komme, in dem neue Verwaltungseinheiten und politische Einheiten entstehen könnten. „Sollte Südtirol die Schutzmacht Österreich brauchen, wir werden immer dazu bereit sein“, versprach der SPÖ-Politiker.

Das waren Äußerungen, die in der staatsmännischen Tradition eines Dr. Bruno Kreisky standen und von den Anwesenden mit Freude gehört wurden.

Weitere Höhepunkte der von der Kapelle St. Pankraz musikalisch umrahmten Feier waren die Ehrensalven und die Kranzniederlegung vor dem Andreas Hofer-Denkmal in Meran.

DDr. Erwin Niederwieser am Rednerpult in Meran, neben ihm der Schützen-Landeskommandant Elmar Thaler
DDr. Erwin Niederwieser am Rednerpult in Meran, neben ihm der Schützen-Landeskommandant Elmar Thaler

Andreas Hofer Denkmal
Anschließend fanden im „Alten Meraner Kurmittelhaus“ Ehrungen für verdiente Mitglieder und Persönlichkeiten statt.

Roland Lang mit Elmar Thaler
Unter den geehrten Persönlichkeiten befand sich auch Roland Lang (Zweiter von links), Obmann des von ehemaligen politischen Häftlingen und Freiheitskämpfern gegründeten Südtiroler Heimatdienstes (SHB). Ihm wurde der Ehrenkranz des Südtiroler Schützenbundes verliehen.

Kompatschers Rede und sein Schneckenhaus

Eine ganz andere Rede hielt der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher (SVP) am 19. Februar 2017 bei der Andreas-Hofer-Feier in dem 400 Seelen-Dorf Penon, an der Südtiroler Weinstraße des Unterlandes.

Er sagte: „Bei der Andreas-Hofer-Feier in Meran sind genügend andere Leute. Außerdem hat man mich nach Penon eingeladen – mit dem Auftrag, die Festrede zu halten.“

Statt auf Hofers Einsatz für Freiheit und Selbstbestimmung des Volkes einzugehen, kritisierte ihn Kompatscher: Der Freiheitskämpfer und Volksheld Andreas Hofer stehe vor allem für Konservatives, „für ein Sich-Verschließen gegenüber Neuerungen.“

Landeshauptmann Arno Kompatscher
Die Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete am 20. Februar 2017 unter diesem Titel über Kompatschers Rede in Penon

Und dann kamen unverbindliche Allgemeinplätze wie diese: „Wir dürfen uns nicht in ein Schneckenhaus zurückziehen, denn im Schneckenhaus gibt es keine Freiheit. Dort gibt es keinen Platz für Freiheit.“ Die Südtiroler seien verwurzelt in Tradition und Heimat. Sie könnten „dadurch gefestigt und mit Selbstbewusstsein können Neuem offen und tolerant begegnen. Das heißt aber nicht, tolerant mit Intoleranten zu sein“, und so fort und so weiter. (Zitiert nach „Dolomiten“ vom 20. Februar 2017)

Die Penoner und vor allem die versammelten SVP-Funktionäre dankten mit verhaltenem Applaus. Dass der stets auf Entgegenkommen gegenüber Rom bedachte Landeshauptmann Kompatscher, der auch nicht gerade als Befürworter der Südtiroler Selbstbestimmung bekannt ist, nur vor einer relativ kleinen statt auf der großen Versammlung in Meran sprechen konnte, hatte für ihn als Redner wahrscheinlich seine Vorteile gehabt. In Meran hätte es womöglich andere Reaktionen gegeben.

Zwei SVP-Bezirksobmänner: Selbstbestimmung und der Wille zur Einheit Tirols

Dass es in der SVP zu den Fragen der Selbstbestimmung und der Freiheit auch andere Positionen als die des Landeshauptmannes Arno Kompatscher gibt, stellten bei den Andreas-Hofer-Feiern zwei SVP-Bezirksobmänner unter Beweis.

In Sarnthein hielt der SVP-Bezirksobmann Christoph Perathoner am 19. Februar 2017 die Festrede auf der Andreas-Hofer-Gedenkfeier und sprach dabei das Thema der Selbstbestimmung für Südtirol an. Die Selbstbestimmung, führte der Redner aus, sei „das Recht eines Volkes, sein Schicksal selbst zu gestalten.“

In Neumarkt im Unterland erklärte der Landtagsabgeordnete und SVP-Bezirksobmann Oswald Schiefer in seiner Gedenkrede: „Durch diese Gedenkfeiern beweisen wir in unserer Gemeinde und den einzelnen Ortschaften den Willen zur Einheit und Geschlossenheit Tirols.“

EX-SPD-Bürgermeister Christian Ude: Hofer nicht verklären!

In Gries bei Bozen hielt der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) die Festrede.

Der ehemalige Münchner Oberbürgermeister oblag Christian Ude nach der Gedenkveranstaltung im Kreise der Schützen.

Wie es einem vermeintlich fortschrittlichen Politiker seines Zuschnittes zukommt, demonstrierte er seine kritische Einstellung gegenüber vaterländischen Themen.

Er sei „kein Freund von Heldengedenken“. Man müsse dem Bestreben von „Deutschnationalen“, Hofer zu vereinnahmen, „unbedingt entgegentreten“, denn „das ist ein völliger Schmarrn“. Bei Andreas Hofer stehe die Liebe zur Heimat im Vordergrund, „aber wir sollen ihn nicht verklären, sondern gemäß unserer realistischen Zeit betrachten“, schloss Ude seine Gedenkrede, in welcher er das Thema der Selbstbestimmung für Südtirol sorgsam vermieden hatte. (Zitiert nach „Dolomiten“ vom 20. Februar 2017)

Warum unsere jetzige Zeit eine „realistische Zeit“ sei im Gegensatz offenbar zu anderen nicht realistischen Zeiten und was diese Formulierung überhaupt bedeuten solle, hatte Ude nicht erklärt.

Ein junger Schütze in Bozen: Gegen Fremdbestimmung, für Einheit und Freiheit!

Matthias Hofer
Matthias Hofer

Für die Zuhörer besser verständlich war das, was der junge Schützen-Oberleutnant Mathias Hofer von der Olanger Schützenkompanie Peter Sigmayr am 19. Februar 2017 bei der großen Feier vor dem Dom in Bozen in seiner Festrede vermittelte:

„Für uns ist vielfach alles selbstverständlich, daher ist es wichtig, dass wir uns immer wieder bewusst werden, dass wir das, was wir haben, diese wunderschöne Heimat und das Recht auf Muttersprache, nicht geschenkt bekommen haben. Dass es Menschen gab, die wie Andreas Hofer den Mut hatten, für unsere Rechte einzustehen, dafür zu kämpfen und sogar mit dem Leben dafür zu bezahlen.“

Der junge Schütze sagte weiter:

„Viele gedenken heute der Freiheitskämpfe und wissen oft gar nicht mehr, warum wir stolz auf unsere Vorfahren sein können. Wir müssen deshalb so stolz darauf sein, weil unsere Vorfahren in schwierigen Zeiten viel an persönlicher Verantwortung auf sich genommen haben, um die Fremdbestimmung zu verhindern, die Einheit und die Freiheit unseres Landes zu retten und so dem Land eine Zukunft zu geben. Ihr Erbe muss uns Auftrag und Verpflichtung sein.

Deshalb brauche es auch heute Menschen, die mutig sind und für das Allgemeinwohl, die Gerechtigkeit, die Freiheit und die Heimat eintreten. (Zitiert nach „Dolomiten“ vom 20. Februar 2017)

FPÖ-Südtirolsprecher und Nationalratsabgeordneter Werner Neubauer in Klausen:
Das Ziel ist die Zusammenführung der Tiroler Landesteile

Am 20.Februar 2017 hielt der österreichische Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer die Festrede auf der Andreas Hofer Gedenkfeier der Schützenkompanie Klausen im Schützenbezirk Brixen.

Der österreichische Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer ist Mitglied der Schützenkompanie Gries. Hier steht er zusammen mit dem Schützenhauptmann Fabian Baumgartner nach der Kranzniederlegung vor dem Denkmal des Paters Haspinger in Klausen.
Der österreichische Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer ist Mitglied der Schützenkompanie Gries. Hier steht er zusammen mit dem Schützenhauptmann Fabian Baumgartner nach der Kranzniederlegung vor dem Denkmal des Paters Haspinger in Klausen.

Der Abgeordnete Neubauer sprach offen an, was die Gestalt Andreas Hofers für die heutige Zeit bedeutsam macht. Es seien dies die Fragen der Landeseinheit und des Selbstbestimmungsrechts.

Sinn eines solchen Gedenkjahres“, sagte Neubauer, „muss es sein, die Vergangenheit zu respektieren und gerade in der Person Hofers jene Tugenden zu erkennen, die sich im ausgewiesenen Mut, seiner Geradlinigkeit und Tapferkeit, aber auch in der Religion und Liebe zur eigenen Tradition und der Heimat, in besonders hervorragender Weise widerspiegeln.

Das diesjährige Gedenken müssen wir aber vor allem auch zum Anlass nehmen, um über den zukünftigen Weg, der nach der schmerzlichen  Abtrennung der österreichischen Minderheit im südlichen Tirol im Jahre 1919 durch den Vertrag von Paris-Saint Germain, eingeleitet wurde, ernsthafte Gedanken zu fassen.

Das Ziel muss es sein, die drei Tiroler Landesteile wieder zusammenzuführen.“

 Der Abgeordnete Neubauer erinnerte an die Verdienste der Freiheitskämpfer der 1960er Jahre. Bild links: Von links nach rechts: Georg Klotz, Luis Amplatz und Kurt Welser. Bild rechts: Anton Gostner
Der Abgeordnete Neubauer erinnerte an die Verdienste der Freiheitskämpfer der 1960er Jahre. Bild links: Von links nach rechts: Georg Klotz, Luis Amplatz und Kurt Welser. Bild rechts: Anton Gostner

Bild links: Der Freiheitskämpfer Sepp Kerschbaumer. Bild rechts: Der Freiheitskämpfer Franz Höfler
Bild links: Der Freiheitskämpfer Sepp Kerschbaumer. Bild rechts: Der Freiheitskämpfer Franz Höfler

Männern wie Luis Amplatz, Jörg Klotz, Franz Höfler, Anton Gostner und Sepp Kerschbaumer, um nur einige zu nennen, sei es letztlich zu verdanken gewesen, dass der staatlich gesteuerten Unterwanderung Einhalt geboten werden konnte und dass der Abschluss zum Autonomiepaket erreicht wurde. Das sei aber noch nicht das Ende des Weges.

Es geht um das Selbstbestimmungsrecht

„Das Selbstbestimmungsrecht der Völker“, führte Neubauer weiter aus, „ist für uns unteilbar und unverzichtbar. Bis zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes der Südtiroler ist es die historische Aufgabe Österreichs, den Bestand der deutschen und ladinischen Volksgruppen in Südtirol so wie den rechtlichen Status mit allen verfügbaren friedlichen Mitteln zu sichern.“

Die Schützenkompanie Klausen, sagte Neubauer, habe sich den berühmten Tiroler Freiheitskämpfer und Landesverteidiger, den Kapuzinerpater Joachim Haspinger, als Namenspaten gewählt.

Dieses Bild Franz von Defreggers zeigt die Tiroler Freiheitskämpfer Josef Speckbacher, Andreas Hofer und Pater Joachim Haspinger im Jahre 1809 beim Kriegsrat. Vor ihnen sitzt Andeas Hofers Sekretär Kajetan Sweth.
Dieses Bild Franz von Defreggers zeigt die Tiroler Freiheitskämpfer Josef Speckbacher, Andreas Hofer und Pater Joachim Haspinger im Jahre 1809 beim Kriegsrat. Vor ihnen sitzt Andeas Hofers Sekretär Kajetan Sweth.

Dieser habe mehrfach in den Landesaufgeboten die Grenzen Tirols verteidigen geholfen und habe sich als bereits geweihter Priester 1809 am Tiroler Volksaufstand beteiligt.

„Haspinger nahm in der Folge auch an den Bergisel-Schlachten an vorderster Front teil. Er hielt in schwierigsten Situationen durch, führte seinen Kreuzstab als Banner voran. … Er wurde zum Volksführer, später zum Kommandanten. Pater Joachim war von nun an einer der feurigsten Arme des Aufstandes.“

Das im Innsbrucker Landesmuseum Ferdinandeum befindliche Gemälde von J. Koch zeigt Andreas Hofer, Josef Speckbacher und Pater Joachim Haspinger im Tiroler Freiheitskampf von 1809.
Das im Innsbrucker Landesmuseum Ferdinandeum befindliche Gemälde von J. Koch zeigt Andreas Hofer, Josef Speckbacher und Pater Joachim Haspinger im Tiroler Freiheitskampf von 1809.

Pater Haspinger, berichtete Neubauer, habe nach der endgültigen Niederlage der Tiroler Tirol verlassen und 1858 fern seiner Heimat in Salzburg sterben müssen.

Es sei ein Signal der Hoffnung, dass die Schützenkompanie Klausen mit dieser Feier an die ebenso tragische wie heldenhafte Vergangenheit Tirols erinnere und das Andenken an Andreas Hofer begehe.

„Am Grabe Hofers, Speckbachers und Haspingers in der Innsbrucker Hofkirche befindet sich folgender Schwur Tirols:

Ein Volk, dem man die Heimat nahm,
gräbt knirschend seinen Zorn und Gram hier in den Stein der Heldengruft
Und schwört bei Hofers Staub und ruft:
Wir werden rasten und ruhen nicht
bis unsrer Knechtschaft Fessel bricht und Nord und Süd die Bruderhand
sich reichen im deutschen Hofer Land

Es lebe Tirol!“

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