Gedenken an den Freiheitskämpfer Georg Klotz
Stefan Zelger, Mitglied der Landesleitung und Fraktionssekretär der Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ im Landtag und Regionalrat hat dieser Tage einen berührenden Nachruf auf den Freiheitskämpfer Georg Klotz veröffentlicht.
Die „Süd-Tiroler Freiheit“ ist nicht nur eine wahlwerbende Partei, sondern auch eine ideelle Bewegung, welche im Herbst 1989 u.a. von Dr. Eva Klotz, der Tochter von Georg Klotz, und dem Landesrat Dr. Alfons Benedikter, gegründet um für die Unabhängigkeit Süd-Tirols von Italien einzustehen. Sie vertritt bis heute den Freiheitsgedanken, für den Georg Klotz vielfach das Leben aufs Spiel gesetzt hatte.
Wir bringen diesen Nachruf, ergänzt durch einige historische Bilder:
Stefan Zelger:
In ehrendem Gedenken: Vor 45 Jahren starb Jörg Klotz
„Familienvater, Schützenmajor, Freiheitskämpfer, Staatsfeind: Vor 45 Jahren, am 24. Jänner 1976, starb Georg Klotz (von vielen Jörg genannt) im Nord-Tiroler Exil. Klotz war einer der wichtigsten Akteure des Freiheitskampfes der 1960er-Jahre. Die Süd-Tiroler Freiheit erinnert in Demut und Dankbarkeit an Jörg Klotz und seinen Kampf für die Freiheit Süd-Tirols.
Jörg Klotz wuchs im vom Faschismus geprägten und unterdrückten Süd-Tirol auf. Im Zweiten Weltkrieg kam Klotz als Unteroffizier der Wehrmacht in Norwegen, an der Eismeerfront und in Russland zum Einsatz.
Nach US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft kehrte Klotz in die Heimat zurück und widmete sich mit voller Leidenschaft dem Wiederaufbau des Schützenwesens. Klotz schloss sich dem „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) unter Sepp Kerschbaumer an, denn Süd-Tirol wurde von Italien nach wie vor unterdrückt und majorisiert. Die faschistische Politik wurde im demokratischen Italien mit subtileren Mitteln fortgesetzt.
Um Verhaftung und Folter zu entgehen, floh Klotz nach der Feuernacht nach Österreich, um von jenseits der Unrechtsgrenze den Freiheitskampf fortführen zu können. Für Italien wurde Klotz zum Staatsfeind Nummer 1. Einen von Italien geplanten Mordanschlag auf einer Hütte im Passeiertal überlebte Klotz schwer verletzt. In Österreich stand Klotz unter der Beobachtung der Staatspolizei und wurde mehrere Male verhaftet. In Italien wurde er in Abwesenheit zu insgesamt 52 Jahren Haft verurteilt. Von der Politik im Stich gelassen, zog er sich als Köhler ins Ruetztal zurück. Am 24. Jänner 1976 ereilte ihn der frühe Tod. Tausende Landsleute erwiesen Klotz die letzte Ehre.
Die Süd-Tiroler Freiheit dankt Jörg Klotz und allen Freiheitskämpfern für die Opfer, die sie für die Heimat erbrachten. Auch wenn es nicht ihr Ziel war, so würde es die Autonomie in dieser Form ohne die Freiheitskämpfer heute nicht gegeben. Die Bewegung wird sich auch weiterhin mit voller Kraft für das Ziel einsetzen, das auch Klotz und seine Mitstreiter hatten: die Loslösung Süd-Tirols von Italien!“
Soweit der ehrende Nachruf der „Süd-Tiroler Freiheit“.
Wir dürfen zur Ergänzung einem seiner damaligen Mitkämpfer das Wort geben:
Peter Kienesberger aus Gmunden war in den Jahren des Freiheitskampfes mit Georg Klotz im bewaffneten Einsatz. Ihr Ziel war es nicht, italienische Soldaten zu verletzen oder zu töten. Sie hatten sich aber bewaffnet und waren gewillt, sich nicht widerstandslos festnehmen zu lassen, um dann Folterknechten übergeben zu werden.
Laut Kienesberger hatten Fritz Molden und Wolfgang Pfaundler, die bereits im antinazistischen Widerstand Erfahrungen gesammelt hatten, sowie Georg Klotz und die Gruppe der „Pusterer Buam“ dieses Konzept von Anfang an vertreten und in der Folge auch umgesetzt. Dem war damals von der Gruppe um Kerschbaumer entgegen gehalten worden, daß eine solche Kampfesweise im dicht besiedelten Mitteleuropa nicht möglich sei.
Aus späterer Sicht, sagt Kienesberger, müsse man jedoch sagen, dass Pfaundler und Molden die Situation richtig eingeschätzt hätten. Das Nichtobsiegen dieser Linie sei im Rückblick eine große Fehlentscheidung im BAS gewesen. Es sei mit den Verhaftungen nach der Herz-Jesu-Nacht dann alles so gekommen, wie Pfaundler, Molden und auch Klotz es befürchtet hätten: Einer nach dem anderen wurden die Attentäter ausgehoben und verhaftet. Zwei Einsätze, bei denen Kienesberger zusammen mit Georg Klotz im Sommer und Herbst 1961 dabei war, hätten nachträglich bewiesen, daß die von Pfaundler und Molden vorgeschlagene Kampfart durchaus möglich war.
Auch nach ihrem offiziellen Ausscheiden aus der Führungsebene des BAS hielten Molden, Pfaundler und Bacher weiterhin Kontakt zu tatkräftigen Einsatzgruppen und unterstützten diese.
Beispielsweise sei es 1961 zu einem denkwürdigen Treffen gekommen, das Kienesberger so schildert:
Im August und September 1961 hätten Klotz und er zwei militärisch geplante Einsätze im Passeier und Rabenstein durchgeführt, wobei es auch zu einem Feuerwechsel mit italienischen Truppen gekommen sei. Die Freiheitskämpfer hätten absichtlich über die Köpfe der italienischen Soldaten hinweg geschossen, diese dadurch aber in Deckung gezwungen und sich so ihren ungehinderten Abzug erkämpft.
Dann ging es wieder über die Grenze zurück. Kienesberger schildert:
„Klotz und ich wurden einige Zeit nachher nach Alpbach gebracht. Mit dabei waren Pfaundler, Schimpp, Schwarzenbacher (ein Zollbeamter; Anm. d. Red.) und Franz Sigmund. Pfaundler war schon in Alpbach, der Rest fuhr in den Autos von Schimpp und Sigmund. In Alpbach wurden wir Molden und Bacher (dem späteren ORF-Generalintendanten und Mitarbeiter Fritz Moldens; Anm. d. Red.) vorgestellt, bzw. ich. Klotz kannte beide schon.
Schon bei der Fahrt wurden wir über die Bedeutung des Treffens informiert. Es ging vor allem darum, ausführlich zu schildern, wie diese beiden Partisanenaktionen durchgeführt worden waren. … Molden begrüßte Klotz überschwänglich herzlich und auch mich. Er bedankte sich für meinen Mut, daß ich als Österreicher bereit war, solche gefährlichen Einsätze mitzumachen. Er ließ sich von Klotz ausführlich den gesamten Einsatz schildern, Ausrüstung, Grenzübergang, Verhalten der Bevölkerung, Verpflegung aus der Bevölkerung, Gegenmaßnahmen der Italiener. … Besonders imponierte Molden die Schilderung, daß wir oft tagelang unsere schweren Rucksäcke nicht tragen mußten, weil sich immer wieder Bauern fanden, die uns stückweise begleiteten und weiterreichten. Molden sagte auch immer wieder, dies sei der Beweis, daß seine (und Pfaundlers Ansichten) richtig waren. Molden bedankte sich am Ende nochmals, bot, dies auch an die anderen Teilnehmer weiterzusagen, und ließ sich von Klotz die geheime Anschrift geben. (Scheibenhof Mutters). Er sandte auch unmittelbar eine Kiste besonders guten Wein zu Klotz als Zeichen des persönlichen Dankes für diese Einsätze.“ (Gedächtnisprotokoll Peter Kienesberger vom 6. 8. 1996, in: Otto Scrinzi, Hrsg.: „Chronik Südtirol“, Graz – Stuttgart 1996, S. 170)
Die Tochter Dr. Eva Klotz schrieb die Biographie ihres Vaters
Im September 2002 stellte die Südtiroler Landtagsabgeordnete Dr. Eva Klotz auf dem Bergisel bei Innsbruck die von ihr verfasste Biographie ihres Vaters vor: Eva Klotz: „Georg Klotz – Freiheitskämpfer für die Einheit Tirols“.
Der Verleger war der ehemalige antinazistische Widerstandskämpfer Fritz Molden, der als Freund, Unterstützer und Mitstreiter ihres Vaters nun das Erinnerungsbuch in seiner Wiener „Molden Verlag GmbH“ herausbrachte.
Er saß bei der Buchpräsentation auch zusammen mit der Tochter und dem Innsbrucker Rechtsanwalt und Stadtrat Dr. Wilhelm Steidl am Präsidiumstisch.
Zur Buchvorstellung waren auch ehemalige Kampfgefährten von Georg Klotz gekommen: Peter Kienesberger und die „Pusterer Buam“ Siegfried Steger und Sepp Forer.
In ihrem Buch schreibt Dr. Eva abschließend über ihren Vater:
„Jörg Klotz ist heimgekehrt. Er hat nicht umsonst gekämpft, er hat dazu beigetragen, die tödliche Zuwanderung aus dem Süden zu stoppen. Er hat mit verhindert, daß die Südtiroler in ihrer Heimat zur bedeutungslosen Minderheit und völlig an den Rand gedrängt werden.
Die Freiheitskämpfer haben die Heimat gerettet, haben mit ihrem Opfer den Grundstein für eine bessere Zukunft gelegt.“
Die von seiner Tochter verfasste Lebensgeschichte von Georg Klotz bietet eine Fülle von zeitgeschichtlichem Material und ist fesselnd zu lesen.
Zu den Mitstreitern von Georg Klotz gehörte auch der Innsbrucker Universitätsassistent Dr. Norbert Burger, welcher dem Gründerkreis des Nordtiroler Zweiges des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) angehört hatte und der den im Exil Lebenden finanziell unterstützte, wie seine Tochter Eva in der Lebensgeschichte ihres Vaters berichtet. (S. 335 in der Biographie)
Ein ehemaliger „Kurier“ von Georg Klotz berichtet
Der ehemalige Südtiroler Freiheitskämpfer Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung berichtet, dass er als damaliger Jungmediziner für Georg Klotz heimliche Kurierdienste nach Südtirol geleistet hatte. Er schrieb an unsere Redaktion:
„In der Zeit zwischen 1963 und 1967 habe ich Jörg wiederholt sowohl in Innsbruck und Umgebung als auch in Wien getroffen.
Zumeist war ich im Auftrag von Jörg als Kurier tätig und habe verschiedene Unterlagen und auch „Pakete“ für ihn nach Südtirol transportiert. Da ich zu diesen Zeitpunkt weder den österreichischen noch italienischen Behörden als BAS-Aktivist bekannt war, konnte ich stets unbeschwert über den Brenner nach Südtirol fahren. Dort habe ich die mir von Jörg mitgegebene „Post“ entweder an vereinbarter Stelle deponiert oder bestimmten Personen persönlich übergeben.
Ein Beispiel: Laut meiner Erinnerung wurde ich 1966 im kleinen Ort Frauenfeld (liegt in der Nähe von Sterzing) von italienischen Militär beobachtet als ich einen Bauern (sein Hof liegt recht abseits) aufsuchte. Dieser Bauer stand in Kontakt zu Jörg und hatte zu dem total gesperrten Militärbereich zum Mähen Zutritt. In diesem Bereich unterhielt damals das italienische Militär ein Depot – dieses wollte Jörg mit anderen Freiheitskämpfern „entsorgen“. Diesbezüglich führte ich das Gespräch mit dem Bauern, der Zutritt hatte, wurde aber vom Militär beobachtet und letztlich angehalten und auf die lokale Carabinieri-Station gebracht. Wegen meiner mangelhaften italienischen Sprachkenntnisse und der Tatsache, dass niemand vom Militär gut deutsch sprach, forderte der lokale Carabiniere aus Bozen Unterstützung an. Es kam ein sehr gut deutsch sprechender Maresciallo mit zwei anderen Uniformierten. Sie befragten mich über etwa zwei Stunden zum Grund meines Aufenthaltes und verhielten sich mir gegenüber korrekt. Die Zeit von meiner Festnahme bis zum Kommen dieser Militärpersonen nutzte ich, um mir einen sehr plausiblen, nicht widerlegbaren Grund für mein Gespräch mit dem Bauern auszudenken. Das hat funktioniert und ich durfte wieder gehen.
Öfters habe ich in diesen Jahren im Auftrag von Jörg seine Frau in ihrem Haus in Walten im Passeier unbeobachtet zu Fuß aufgesucht. Später habe ich Eva als junges Mädchen in Deutschland, wo ich bis Mai 1975 im Exil lebte, kennen gelernt. Mit allen Mitgliedern der Familie Klotz hatte ich eine bis heute anhaltende gute, kameradschaftliche, ja sogar freundschaftliche Beziehung und wir freuten uns stets darüber. Wir treffen uns in größeren Abständen zu bestimmten Anlässen. In unseren Herzen tragen wir die Erinnerung an unseren Jörg.“