Hohe „Landesehrung“ für einen Totengräber der Selbstbestimmung Südtirols

Das Schloss Tirol ist ein Symbol für die Landeseinheit Tirols. Die SVP-Parteispitze ließ dort einen „Totengräber“ der Selbstbestimmung „ehren“.

Eine fragwürdige Ehrung mit schwammiger Begründung

Am 5. September 2018 fand auf Schloss Tirol, von dem das ganze Land seinen Namen hat, und welches eigentlich für die unzerstörbare Landeseinheit steht, eine höchst fragwürdige „Ehrung“ statt. Geehrt wurde ein Mann, der sich nicht für die Landeseinheit, sondern gegen die Landeseinheit Tirols engagiert hat.

Das Land Südtirol – sprich: die Parteispitze der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) – verlieh dem Leiter des Völkerrechtsbüros im österreichischen Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Dr. Helmut Tichy, den „Großen Verdienstorden“ des Landes Südtirol.

Die vom Südtiroler Landespresseamt am 5. September 2018 veröffentlichte Begründung für diese Ehrung war mehr als schwammig:

„Wann immer Südtirol um rechtliche Unterstützung ersuchte, war Botschafter Tichy zur Stelle. Helmut Tichy ist mit seinen umfassenden Fachkenntnissen im Völkerrecht und zusätzlich auch im Europarecht ein unverzichtbarer Berater und rechtspolitisch gewichtiger Unterstützer des Landes Südtirol.“

Die Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete am 6. September 2018 über die „Ehrung“ des Dr. Tichy (ganz rechts im Bild). Wohl mangels konkreter Fakten bezeichnete  die Zeitung Tichy kurzerhand als „Freund“ und beschrieb seine angeblichen Verdienste mit folgenden Worten:

„Helmut Tichy hat als Völkerrechtler und österreichischer Botschafter Südtirols mittels Kleingedrucktem geschützt und weiterentwickelt…“

Tichy selbst wusste in seiner Dankesrede auch nicht mehr über seine eigenen Verdienste zu berichten, als dass er Südtirol „immer vor Augen“ habe.

Der Südtiroler Heimatbund (SHB) wies auf die politischen Hintergründe hin

Roland Lang
Roland Lang

Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen politischen Häftlingen Südtirols gegründete Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung eintritt, wusste jedoch sehr wohl eine plausible Erklärung für diese seltsame „Ehrung“ zu liefern.

Der SHB-Obmann Roland Lang veröffentlichte am 3. September 2018 nachstehende Presseerklärung, welche von bedeutenden Internet-Nachrichtenportalen wie „Unser Tirol 24“, „SÜDTIROL NEWS“ und „SALTO“ verbreitet wurde:

Hohe „Landesehrung“ für einen Totengräber der Selbstbestimmung Südtirols

Am 5. September 2018 wird auf Schloss Tirol dem österreichischen Ministerialbeamten Dr. Helmut Tichy der „Große Verdienstorden des Landes Südtirol“ feierlich verliehen werden. Diese Ehrung erfolgt aber ausschließlich aus wahltaktischen Gründen, um die unterwürfige Politik der SVP gegenüber Rom zu bestätigen und das Selbstbestimmungsrecht ad Acta legen zu können, stellt SHB-Obmann Roland Lang fest.

Begründet wird die Verleihung des höchsten Landesordens an Dr. Tichy damit, dass er als Leiter des Völkerrechtsbüros im österreichischen Außenministerium „stets zur Stelle“gewesen sei, „wann immer Südtirol um rechtliche Unterstützung ersuchte.“(„Dolomiten“ vom 31. 8. 2018)

Am 18. November 2016 unterstützte Dr. Helmut Tichy den Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher bei dessen Ablehnung der Selbstbestimmung für Südtirol.

Er erklärte nämlich im November 2016 anlässlich der Gedenkveranstaltung „70 Jahre Pariser Vertrag“ in Bozen, dass Südtirol sein Selbstbestimmungsrecht bereits „in der Form weitgehender Autonomie“ausübe. (Quelle: RAI- Tagesschau sowie „Dolomiten“ vom 18. November 2016).

Damit lag der Beamte Dr. Tichy auch auf der politischen Linie seines damaligen ÖVP-Außenministers Kurz.

Nun ist es richtig, dass die Ausübung der Selbstbestimmung auch zu einer Autonomie führen kann, wenn sich die Bevölkerung in einer Volksabstimmung mit der Wahlmöglichkeit zwischen „Los von Rom“ und einer „Autonomielösung innerhalb Italiens“ für die zweite Variante entscheidet.

Dr. Helmut Tichy weiß aber sicherlich, dass eine solche Volksabstimmung in Südtirol nie stattgefunden hat.

Das heutige Autonomie-Paket wurde am 23. November 1969 von den Delegierten einer außerordentlichen Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei (SVP) angenommen – also von den Funktionären eines Parteigremiums.

Das Autonomiestatut wurde sodann von dem italienischen Staatspräsidenten mit Dekret Nr. 670 vom 31. August 1972 in Kraft gesetzt. Der Artikel 1 des Statuts bekräftigt auch die politische Einheit „der einen und unteilbaren Republik Italien“, womit jegliches Streben nach Selbstbestimmung als verfassungsfeindlich qualifiziert wird.

 Es ist nicht anzunehmen, dass Dr. Helmut Tichy tatsächlich den Beschluss einer Partei-Delegiertenversammlung für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der gesamten Landesbevölkerung hält.

Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) hat damals am 20. November 2016 in einer Presseerklärung festgehalten, dass Dr. Tichy hier im Sinne der damaligen österreichischen Bundesregierung eine Umdeutung des Begriffes „Selbstbestimmungsrecht“ versucht hat.

Die jetzige „Ehrung“ des dienstergebenen Beamten Dr. Tichy hat wohl wenig mit dessen „Verdiensten“ zu tun.

Sie dient wohl eher dazu, die SVP-Politik der ständigen Erfüllung der Wünsche Roms zu legitimieren. Daher wird die durch Dr. Tichy vertretene Politik der Beerdigung der Südtirol-Frage von Landeshauptmann Dr. Kompatscher und der SVP-Parteispitze als vorbildhaft hingestellt. Man „ehrt“ Dr. Tichy und meint sich selbst.

Einen Großteil der Bevölkerung wird man damit nicht täuschen können. Zu sehr fällt der falsche Zungenschlag auf.

Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)

Eine schwankende SVP und ein williger Dr. Arno Kompatscher

Die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) ist nimmt in Bezug auf die Zukunft des Landes mangels innerer Geschlossenheit oft eine schwankende Haltung ein. Der jetzige Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher hat sich aber in entscheidenden Augenblicken zusammen mit führenden österreichischen ÖVP-Politikern als williger Erfüllungsgehilfe der Interessen Roms erwiesen.

Absage an Selbstbestimmungsbefürworter in Südtirol

Am 3. Mai 2014 veröffentlichte die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ ein Interview mit dem damaligen österreichischen „Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten“ Sebastian Kurz. In diesem Interview teilte Kurz den Südtirolern mit, dass von einem ÖVP-geführten Außenministerium keine Unterstützung für Selbstbestimmungsbestrebungen zu erwarten sei. Kurz sprach sich gegen das Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppen in der Lombardei, im Veneto, in Friaul-Julisch-Venetien und in Südtirol mit folgenden Worten aus:

„Ich halte nichts davon, den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen. Freistaats- und Unabhängigkeitsfantasien führen die Menschen in die Irre – man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen.“

Wie die „Dolomiten“ am 5. Mai 2014 berichteten, wurde Kurz am gleichen Tag auf der Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei in seiner Gastrede in beleidigender Weise noch deutlicher:

„In meiner Heimat, aber auch in Südtirol beobachte ich leider Ewiggestrige, die wieder vom Aufziehen neuer Grenzen träumen“.

Aus „Dolomiten“ vom 3./4. Mai 2014

Ein Jubelbrief des Landeshauptmannes

Der Südtiroler  Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher bedankte sich für diese Worte, die auch seine politische Linie unterstützten, mit einem Jubelbrief, in welchem er behauptete:

„… Ihre Aussagen sind in Südtirol mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Sie haben die Herzen vieler Südtirolerinnen und Südtiroler im Sturm erobert.“

Dem ist nichts hinzuzufügen!




Die Umdeutung des Begriffes „Selbstbestimmungsrecht“ durch die österreichische Bundesregierung und ihre Organe

Das ergreifende Bild von der innigen Begrüßung („Dolomiten“ vom 19. November 2016)

Peinliche Jubelveranstaltung in Bozen: „70 Jahre Pariser Vertrag“

Am 18. November 2016 fand in Bozen eine ebenso sinnlose wie blamable Jubelveranstaltung „70 Jahre Pariser Vertrag“ statt, in welcher der von Außenminister Dr. Kreisky seinerzeit als „furchtbare Hypothek“ bezeichnete Kapitulationsvertrag von 1946 in höchsten SVP-Tönen gelobt wurde.

Es wurde auf dieser Veranstaltung viel leeres Stroh gedroschen. Der EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der wie häufig etwas verkatert wirkte, hatte dem Vernehmen nach sein Redemanuskript im Flugzeug vergessen.

Er wurde bei seiner Ankunft in Bozen von Landeshauptmann Kompatscher geherzt und umarmt. Es war berührend!

Wie wunderbar: „Südtiroler, Italiener und Europäer!“

Juncker erwies sich beim Dreschen von Allgemeinplätzen aber auch ohne Vorlage als sehr tüchtig. „An Südtirol möge er ‚den Identitätsdreiklang‘“, berichtete die Tageszeitung „Dolomiten“. „Sie sind Südtiroler, Italiener und Europäer!“, rief Juncker dem Auditorium zu. Die zum Vortrag bestellten SVP-Funktionäre spendeten freudigen Beifall.

Der italienische Verfassungsexperte Antonio D’Atena verwies auf den „internationalen Modellcharakter“ der schlecht abgesicherten heute mehr denn je gefährdeten Südtirol-Autonomie.

Botschafter Tichy: Ihr habt „höchste Priorität“ – aber lasst uns bitte im Ruhe!

Der Leiter des Völkerrechtsbüros im österreichischen Außenministerium, Dr. Helmut Tichy, zeigte sich als Meister der inhaltlich unverbindlichen Wortgestaltung. Laut „Dolomiten“ gab Tichchy Folgendes von sich:

„Helmut Tichy berichtete, dass Südtirol-Fragen im österreichischen Völkerrechtsbüro immer mit höchster Priorität behandelt würden und stets Chefsache seien.

Nur als ‚ultima ratio‘ sieht Tichy die Möglichkeit für Südtirol, bei Auseinandersetzungen mit Rom den Internationalen Gerichtshof einzuschalten.

Befreundete EU-Staaten würden nie auf diese Möglichkeit zurückgreifen.“

Auf gut Deutsch: Bitte lasst Österreich in Frieden, wenn ihr Probleme mit Rom habt! Wir werden wegen euch kein Prozess-Risiko vor dem IGH auf uns nehmen!

Um den Südtirolern deutlich klar zu machen, dass der derzeitige österreichische Außenminister Kurz und sein ergebener Mitarbeiter Tichy der Meinung sind, die Südtiroler sollten sich alle Selbstbestimmungs-Flausen aus dem Kopf schlagen, gab Tichy der Tageszeitung „Dolomiten“ ein bemerkenswertes Interview:

86-27228583

Dieses Interview veranlasste Roland Lang, den Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung eintritt, zu einem interessanten Meinungsaustausch mit dem Herrn Botschafter Dr. Tichy.

Das Internetportal unsertirol.com veröffentlichte diesen Schriftwechsel:

SHB: Die Umdeutung des Begriffes „Selbstbestimmungsrecht“

20. November 2016

Professor Dr. Helmut Tichy leitet seit 2007 das Völkerrechtsbüro im österreichischen Außenministerium, dessen Minister Sebastian Kurz am 24. Februar 2015 dem Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB) in einem Brief mitgeteilt hatte: „… die Südtirol-Autonomie mit ihrem hohen Maß an Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung ist eine besonders gelungene Form der Selbstbestimmung.“

Roland Lang, Obmann des SHB
Roland Lang, Obmann des SHB

Anlässlich der Gedenkveranstaltung „70 Jahre Pariser Vertrag“ bestätigte Dr. Tichy vom 19. November 2016 die Auffassung seines Ministers. Er sagte dort, die Selbstbestimmung sei durch die Autonomie erfüllt.

Wie steht es um die Menschenrechtspakte?

Dies veranlasste SHB-Obmann Roland Lang dazu, Dr. Tichy am 19. November 2016 in einem Email daran zu erinnern, dass Italien am 25. Oktober 1977, mit Gesetz Nr. 881 die UNO- Menschenrechtspakte ratifiziert und damit zu geltendem staatlichem Recht erklärt hat. Lang schrieb, dass Art. 1 der Pakte besagt:

„Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechtes entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“

Tichy: Selbstbestimmung ist Autonomie

Daraufhin schrieb Dr. Tichy noch am gleichen Tag zurück an Lang:

„Nach österreichischer Auffassung kommt Südtirol jedenfalls das Selbstbestimmungsrecht zu, das aber nicht mit einem Sezessionsrecht verwechselt werden darf.

Dass die Autonomie, die Form, in der Südtirol sein Selbstbestimmungsrecht ausübt, auch verteidigt werden muss, gehört zu ihrem Wesen.“

„Kann dann Südtirol die Inhalte der Autonomie selbst bestimmen?“, fragt sich Lang.

Nun entspann sich noch am 19. November 2016 ein kurzer aber bemerkenswerter Email-Verkehr. Lang schrieb an Dr. Tichy zurück:

„Sie sagen, dass die ‚Autonomie die Form‘ ist, ‚in der Südtirol sein Selbstbestimmungsrecht ausübt‘ und dass dies ‚auch verteidigt werden muss.‘

Wenn nun der Artikel 1 der UNO- Menschenrechtspakte besagt: ‚Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechtes entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung‘,

dann kann das im Sinn ihrer Ausführungen nur bedeuten, dass in Bezug auf die Autonomie die Südtiroler ‚frei über ihren politischen Status‘ und ‚in Freiheit‘ über ‚ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung‘ entscheiden können.

Das bedeutet, dass die Südtiroler selbst festlegen können, wie im Rahmen der Autonomie der ‚politische Status‘ und die ‚wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung‘ gestaltet werden.

Das würde bedeuten, dass der Südtiroler Landtag die Inhalte der Autonomie vorgeben kann und Rom das Ergebnis in Übereinstimmung mit den UNO- Menschenrechtspakten zu akzeptieren hat.

Dieser Gesichtspunkt eröffnet der Südtiroler Politik ganz neue Möglichkeiten.

Sehr geehrter Herr Professor, ich bitte Sie um Ihre geschätzte Stellungnahme hierzu! Und vor allem um Ihre Beurteilung, ob die Republik Österreich auch diese menschenrechtskonforme Vorgangsweise unterstützen würde.“

Tichy: Sie haben mich „missverstanden“ und ich will nichts mehr sagen!

Daraufhin schrieb Dr. Tichy noch am gleichen Tag zurück an Lang:

„Leider haben Sie meine Ausführungen missverstanden. ‎Ich habe ihnen aber eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Südtirol übt sein Selbstbestimmungsrecht bereits aus, in Form weitgehender und von vielen Seiten als Vorbild gesehener Autonomie. Ihren darüber hinausgehenden Interpretationen kann ich mich nicht anschließen.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Tichy“

„Auch ich“, so erklärt Roland Lang abschließend, „habe diesen Worten nichts hinzuzufügen, außer dass deutlich wurde, welche tatsächliche Unterstützung Südtirol derzeit von bestimmten Leuten zu erwarten hat“.