Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte

Vorwort, sowie Anmerkungen und Bilder von Georg Dattenböck

Einer Untersuchung des Südtiroler Landesinstituts für Statistik ASTAT aus dem Jahre 2015 zufolge herrschen bei der Vornamensgebung für Neugeborene immer noch die einheimisch-christlichen Namen vor, wenngleich seltsamste exotische Vornamen aus aller Welt, die keinerlei Bezug zur Tiroler Identität haben, manche Leser auch schon irritiert haben mögen.

Sprache ist Heimat. Aus ihr gewinnt man das Bewusstsein der eigenen Identität. In unserem SID-Beitrag zur Muttersprache haben wir auf den Literaturwissenschaftler, Germanisten, Volkskundler und Schriftsteller Ignaz Vinzenz Zingerle, Edler v. Summersberg (* 6. Juni 1825 in Meran, † 17. September 1892 in Innsbruck,) Bezug genommen.

Ignaz Vinzenz Zingerle
Ignaz Vinzenz Zingerle, Edler v. Summersberg

Zingerle hatte darauf hingewiesen, dass die deutsche Sprache gerade in Süd-Tirol mitentscheidend geprägt wurde und dies in engem Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung geschah. Er machte dies an vielen Beispielen deutlich, , die er in einem wissenschaftlichen Beitrag anführte.

Vielfach wurden wir nach unserem SID-Beitrag über die Lage der Muttersprache gebeten, diese wertvolle kulturgeschichtliche Arbeit „Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte“, welche 1856 in Stuttgart, in der von Franz Pfeiffer herausgegebenen „Vierteljahresschrift für deutsche Alterthumskunde ‚Germania‘“ erschienen war, in einem SID wieder öffentlich zu machen. Gerne kommen wir dieser Bitte nach.

Prof. Ignaz v. Zingerle: Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte

„Scheinbar Geringfügiges wird oft in der Geschichte bedeutungsvoll und wirft Licht auf Zustände, die sonst in Dunkel gehüllt wären. Dies gilt auch von den Personen- oder Taufnamen, die der Geschichtsforscher kaum eines Blickes oder einer Bemerkung würdigt.

Diese kleinen, verachteten Wörter spiegeln uns oft die Geschichte, die politischen und religiösen Sympathien, die Bildung ihrer Zeit. Was hier im Allgemeinen bemerkt ist, gilt auch für die Taufnamen, die im Mittelalter in Tirol geschöpft und gegeben wurden.

Die Sitte, daß patriotische Väter ihren Söhnen den Namen des regierenden Fürsten oder des künftigen Thronfolgers beilegen, blühte schon im Mittelalter. Die Kaisernamen Konrad, Heinrich, Friedrich, Otto, Rudolf begegnen darum am öftesten; nebst diesen finden sich in Tirol die Namen der Landesfürsten Meinhard und Sigmund am zahlreichsten.

Allein nicht nur Verehrung gegen bestimmte Heilige oder weltliche Gebieter hatte die Wahl der Taufnamen Einfluß, sondern auch die Lieblingslectüre bedingte sehr oft die Benennung eines Kindes.

Ältern, die für einen Dichter hochbegeistert waren, legten dessen Namen ihren Kindern bei; andere, die für eine Dichtung schwärmten, benannten ihre Kinder nach den Helden derselben. Dadurch wird es möglich, aus den Taufnamen auf die Lectüre des Zeitalters und auf die Bewunderung dieses oder jenes Dichtwerkes zu schließen, und in dieser Beziehung will ich die Taufnamen, wie sie das Mittelalter in meiner Heimat liebte, des Nähern besprechen.

„Am bekanntesten und beliebtesten, erzählt von Jung und Alt, waren die wunderbaren ewigen Mähren der Heldensage, die vom hohen Norden bis hinunter zu den wälschen Marken gesagt und gesungen wurden“.

Bis in den hohen Norden strahlte die Dietrich-Sage: eine Holzschnitzerei auf der Kirchentür in Valthjofsstad in Island um 1250. Kopenhagen, Nationalmuseum. Aus: Hans Friedrich Blunck: „Die nordische Welt“, Berlin.

Zingerle:

„Unter diesen stand der ostgothische Sagenkreis Tirol am nächsten. Saß ja der Amelungentrost zu Bern nahe bei Tirol und bestand in unseren Bergen die lobebären Abenteuer, zu denen uns die alten Lieder melden. Der kluge Hildebrand hatte seine Burg am grünen Gardasee und ritt mit seinem Herrn oft die Etsch herauf ins heutige Tirol. Kein Wunder deshalb, wenn Kinder die Namen dieser hochberühmten Helden, deren Thaten männiglich bekannt waren, erhielten.

Oft schon begegnet uns der Name, den Dietrichs Vater Dietmar trug. Nur beispielshalber führe ich Dietmar de Helbling 1299, Dietmar von Katzenzungen 1328, Dietmar von Vintl 1237 an. Es ließe sich sehr leicht eine große Anzahl von Edlen, die diesen Namen führten, nachweisen.

Ungleich häufiger, beinahe zahllos, kommt der Name Dietrich, des berühmtesten Amelungen, vor, z.B. Dietrich von Lienz (12. Jhdt.), Dietrich de villa S. Martini 1202, Dietrich de Zobl 1340. Dieser beliebte Name findet sich auch oft in den Formen Dieto und Dietelinus wieder“.

Relief am Hauptportal von St. Zeno in Verona: Kampf zwischen Dietrich (Theoderich) und Odoaker, rechts die Ermordung des Odokaer (Bild aus: Georg Pfeilschifter: Theoderich der Große; Mainz 1910).

Zingerle:

„An des großen Amelungen [des Ost-Gotenkönigs Dietrich] Seite stand der kluge Hildebrand, der den Herrn auf allen Zügen begleitete und sein Waffenmeister und Rathgeber war. Wie beliebt sein Name in Tirol war, mögen folgende Belege zeigen.

Ich fand Hildebrand von Weineck 1194, Hildebrand de Firmian I. 1242 und II. 1323, Hildebrand de Helbling 1277, Hildebrand de Krakofel 1256, Hildebrand von Latsch 1161, und einen Zweiten 1222, Hildebrand von Liechtenberg 1292, einen anderen 1330, Hildebrand de Caldes 1390, Hildebrand von Fuchs 1430 und 1519, Hildebrand Rasp 1370, und 1460, Hildebrand de Greifenstein 1311, Hildebrand de Niederthor 1185, Hildebrand von Perchtingen 1267 und 1320, Hildebrand von Mils 1288. In der Familie der Grafen von Brandis allein sind mir sechs Hildebrande bekannt. –

Den Namen Herbrand, den Hildebrands Vater und ein Held Dietrichs, sowie Sintrams Vater führten, trugen Herbrand de Milun 1145 und Herebrand von Anras 1305.

Des Waffemeisters Sohn Alebrand findet sich vertreten durch Alebrand von Nän 1468 und Alebrand von Caldonazi 1257.

Von den Helden, die den Preis der Amelungen umgaben und ihn nach Worms und auf andere Abenteuer begleiteten, finden sich folgende in Taufnamen wieder:

a. Wolfhart, Wolfhart von Fuchs 1346 und 1434, Wolfhart Zobl 1370, II. 1422, Wolfhart von Koburg 1490, Wolfhart Mexner 1374, Wolfhart de Niderndorf 1324 (?).

b. Wittich, B. Wittich de Monte 1270 Wittich ob dem Berge 1420, Wittich de Mellûn 1164,

Wittich von Matrei 1254 (?), Wittich de Völthurns 1221, Wittich de Bozen 1245.

c. Alphart, B. Alphart de Greifenstein 1350, Alphart von Goldeck 1392.

d. Eckart, z .B. Eckart von Ried 1361, Eckart von Garnstein 1162, Eckart von Intechingen 1257, Eckart von Villanders, Ekcart von Trostburg.

Von den übrigen Namen des ostgothischen Heldenkreises konnte ich nur Heime in Heime de Rischon 1154 finden“.

Anmerkungen von Georg Dattenböck:

Der Name Hildebrand ist uns erstmals im Text des „Hildebrands-Liedes“ überliefert – hier die ersten zwei Zeilen. Das ‚Lied‘ schildert einen dramatischen Schwertkampf zwischen Vater und Sohn und den schweren Seelenkampf Hildebrands, der in seinem Wehruf an Irmingot gipfelt:

‚Ich hörte das sagen, daß sich die Herausforderer einzeln trafen, Hildebrand und Hadubrand, zwischen den Heeren, Sohn und Vater. Sie sahen nach ihrem Panzer, schlossen ihr Schirmhemd, gürteten sich ihr Schwert um, die Reisigen über die Ringe, da sie zu jenem Streit ritten…‘.

In der nordischen ‚Thidrekssaga‘ ist ‚Brynhild‘ die Herrin einer Burg: diese war dadurch berühmt, daß auf dem Gestüt der Burg die wertvollsten Hengste gezüchtet wurden. Der Name ‚Brynhild‘ bedeutet: ‚die im Brustpanzer Streitende/Kämpfende‘. Mit ‚Brynhild‘ wurde deshalb, nach Ansicht des Verfassers, die Römische Armee bezeichnet: die röm. Legionäre trugen Brustpanzer, die Germanen nicht, wie diese wissenschaftlich exakt nachgebaute Rüstung eines römischen Offiziers zeigt.  Die Germanen nannten diese Brustpanzerbrunni-hiltja‘, in der Sage ist es „Brynhild‘. (Foto: G. Dattenböck).

Nahe des Kastells Vemania war eine Pferdezuchtanstalt der Römischen Armee im heutigen Betmauer in Schwaben: ‚Brynhildes Gestüt‘. In dieser Burg ‚Brynhilds‘ lebte auch jener in der Sage erwähnte Rossezüchter Studder mit seinem Sohn Heime. Schon in Heimes Kindheit erkannte sein Vater, daß Heime nicht sein Erbe antreten wird.

Heime beschloß als junger Mann, Dietrich von Bern zum Zweikampf herauszufordern. So ritt er mit seinem Hengst ‚Rispe‘ und seinem Schwert namens ‚Blutgang‘ zur Berner Klause, wo er sich in einem äußerst harten Zweikampf dem Dietrich geschlagen geben mußte. Trotz seiner Niederlage schloß  Heime sich der Schar von Dietrichs Schwertgenossen an.

Heime brachte als Geschenk für Dietrich den herrlichen Hengst ‚Falke‘ aus Vaters Gestüt nach Bern, den auch Dietrich ritt. Dietrich schenkte im Gegenzug Heime sein Schwert ‚Nagelring. Ist es nur reiner Zufall, daß wenig südlich des ehemaligen Römerkastell Vemania in Schwaben, der Ort ‚Nagelringen an der ehemaligen römischen Heerstraße liegt? Dieses römische Reiterkastell Vemania liegt 35 km vor Bregenz. Der dem Kastell nahe Ort Heimenkirch soll seinen Namen dem Germanenfürsten Heimo verdanken. Bei Heimenkirch und drei weiteren Orten fanden sich Reste römischer Burgi (Wachtürme), die zwischen den größeren Kastellen im Abstand von ~2 km standen. Das Römerkastell Vemania war der historische Kern der im Jahre 1043 erstmals erwähnten Stadt Isny und war Teil der Kette von Kastellen des spätantiken Donau-Iller-Rhein-Limes der ehemals römischen Provinz Raetia II. Diese römischen Kastelle wurden unter Kaiser Diokletian ab 280 als Ersatz für den aufgegebenen obergermanisch-rätischen Limes eingerichtet. Die in Isny stationierten römische Reiterei hatte den ~40 Kilometer langen Grenzabschnitt bis Bregenz (Brigantium) zu überwachen.

Wie sehr die Dietrichüberlieferung in Tirol nach wie vor beheimatet ist, zeigt dieses große Gemälde aus dem Jahre 1537 an der Außenwand des ‚Riesenhauses‘ in Reith bei Seefeld. Prof. Dr. Hermann Reichert schrieb in seinem Beitrag ‚Heime in Wilten und in der Thidrekssaga‘ (S. 508 in: ‚Studien zum Altgermanischen‘. Festschrift für Heinrich Beck): „Somit ergibt sich als wahrscheinlicher Befund: Tirol hatte im 13. Jahrhundert mit Niederdeutschland die Heldenfigur Heimo/Heime gemeinsam; die niederdeutsche Quelle hält Tirol für die ‚historische‘ Heimat.“
Das riesige Gemälde auf der Hausmauer zeigt sehr anschaulich den Kampf des ‚Thyrsus‘ (Dietrich) gegen den ‚Eindringling Heimo‘. (Foto: G. Dattenböck).

Zingerle:

Öfters zeigt sich Fasold, der nach der Vilkina-Saga zu den Helden Dietrichs zählt, nach Wackernagels Lügenmärchen, Ottokar von Steiermark und Eckenausfahrt ein Riese war und zu Dietrichs Gegner gehörte, in den Genealogien tirolischer Geschlechter, als Fasold von Frundsberg 1252, Fasold von Trens 1312 und ein zweiter des Namens 1272.

Aber nicht nur nach Dietrich und seinen Helden wurden Namen geschöpft, sondern Degenkinder wurden sogar nach seinem Helm benannt. Hildegrin hieß der Helm, den König Otnit und später Dietrich von Bern trug, und sein Name findet sich in Geschlechtsregistern wieder. Mir begegnete Hildegrin von Rischon 1170 und ein Hildegrin von Niderndorf 1324.

Neben und mit den Dietrichsagen waren die Nibelungenlieder ohne Zweifel in unseren Bergen sehr bekannt und die Namen der bedeutendsten Helden der Nibelungen kehren auch in alten Personennamen wieder. Vor allem begegnet uns der strahlende Siegfried in Namen, wie Siegfried de Serentina 1166, Siegfried von Tschöz 1227, drei Siegfriede von Rothenburg (I. 1192, II. 1209, III. 1264), Siegfried von Goldeck 1231, Siegfried von Gerwig 1327, Siegfried de Rischon 1322, Siegfried von Fuchs 1257.

Von den Namen der burgundischen Könige fand ich Günther öfters, darunter Gundachar von Niwenburg 1246. Der Name des grimmen Hagen findet sich häufig, z.B. Hagen von Matrei 1254, [Anm.: dieser ist ident mit] Hagen von Fragenstein 1254.

Ungleich öfter begegnet man dem Namen Rüdegers, des bis zum Tod treuen Markgrafen von Pechelarn. Z.B. Rüdeger von Niderndorf 1259, Rüdeger von Castelrut 1331, Rüdeger von Grießingen 1255, II. 1350, Rüdeger de Intechingen 1236, Rüdiger de Helbling 1329, Rüdeger de Rischon 1170, drei Rüdeger von Langenmantel (I. 1165, II. 1200, III. 1262), Rüdeger de Albeins 1236. Rüdeger von Trens 1312, Rüdiger von Matrei 1218, Rüdeger de Metz 1208, Rüdeger de Millûn 1208.

Beinahe ebenso lebte Volker, der ritterliche Sänger, in Taufnamen fort, als Volker de Flachsberg 1231, II. 1333, Volker de Chemenaten 1236, II. 1287, Volker de Niderthor 1296.

Von den übrigen Helden findet sich Piligrin, der fromme Bischof von Passau (Pilgrin Juckl 1361, Piligrin de Castelrut I. 1240, II. 1287, Pilgrin von Torrant 1140, Pilgrin von Falkenstein I. 1297, II. 1330, III. 1366, Piligrin de Mellûn 1308) und Etzel (Etzel von Tschengla 1255, fünf Etzel von Enna bis 1347) vertreten.

Von den im Nibelungenliede vorkommenden Frauennamen begegnet uns Uta in den verschiedenen Formen Uta, Guta, Juta sehr oft (Guta de Alwines 1152, Juta de Aufenstein 1293, Guta de Castelrut 1142, Guta Karlinger 1310, Juta de Brausnberg, Uta von Matrei – dieser Name findet sich auch im Orte Utenheim/Outinheim im Jahre 970).

Auch Helka, des Etzels erste Gattin, an der ‚vil maeger juncfrowen lip verweiset was‘, klingt in vielen Frauennamen nach, als Helka von Rodank 1244, Helka von Goldeck I. 1250, II. 1280, Helka von Stegen 1344, Helka von Starkenberg 1210, Helka von Matrei 12(..), Helka von Katzenzungen 1319, Helka de Cumpan 1382. Die Namen Chriemhilde und Brünhilde fand ich in ihrer vollständigen Form nicht, desto öfter die Verkürzung Hilde, als Hilda von Maienburg 1322, Hilda von Tschengls 1329 u.a.

Daß der Name Sigmund in Tirol häufig vorkam, ist schon oben berührt worden. Schließlich glaube ich hier bemerken zu müssen, daß auch ein Nibelinus von Maienburg sich findet.

Die Helden und Frauen der Gudrun finden sich in folgenden Namen vertreten:

a. Horand, in Horand von Gorjach 1347, Horand von Trautmannsdorf

b. Hildeburg ist ein so häufiger Name, daß es genügt, nur einige Beispiele anzuführen: Hildeburg von Lichtenstein 1304, Hildeburg Stuck 1260, Hildeburg von Köstlan

c. Herwig konnte ich nirgends finden, desto öfter Gerwig, als: Gerwig de Matrei 1365, Gerwig de Montalbon 1215, Gerwig von Lichtenstein 1288, Gerwig von Liebenberg 1310, Gerwig von Rotenstein 1478“.

 

Das Walther-Denkmal auf dem Walther-von der-Vogelweide-Platz in Bozen. 1889 wurde es von Heinrich Natter geschaffen. Bild:: Von Doug Knuth from Woodstock, IL – Bolzano 1-12Uploaded by AlbertHerring, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org

Zingerle:

„Unzähliche Male kehrte der Name Walter, den der von Ekkehart besungene Königssohn aus Aquitanien und der vielseitigste der Minnesänger führten, z. B. Walter de Rodank 1123, Walter von Rubin 1162, Walter von Naturns 1308, Walter von Partschins 1303, Walter de Porta 1142, Walter von Vintl 1309, Walter de villa s. Martini 1276, Walter de Millûn 1164.

Aber nicht nur die Helden und Frauen deutscher Sage und deutscher Heldendichtung klingen in den tirolerischen Taufnamen des Mittelalters weiter, sondern auch die Dichter der Tafelrunde fanden ihre Verehrer und ihre Namensträger. Hoch vor allen gepriesen scheint der Name Parzival gewesen zu sein. In der für die deutsche Literatur und Kunst hochbegeisterten Familie der Annaberger (Anton v. Annaberg 1420-80, der als Jüngling am Rhein und in Burgund für Wissenschaft und Poesie begeistert wurde, legte eine Bibliothek auf seinem Schloß an) kommen meines Wissens allein drei dieses Namens vor (1429-1660). Ebenso führen drei Edle von Weinsack diesen Namen I. 1352, II. 1394, III. 1491. Schon im 11. Jahrhundert begegnet uns ein Parzival de Caldes (1007), später finden wir Parzival de Saleck 1357, Parzival de Tschöz 1219 u.a.

An den Parzival und Titurel zugleich erinnert der Name der schönen Sigrune, die dem Maienglanz bei thaunassen Blumen glich und deren Herzen Ehr und Heil entblühte (Titurel Str. 32). Er war der beliebteste Frauenname und fand sehr viel Trägerinnen in den ersten Familien des Landes, z.B. Siguna von Kolb 1299 und 1366, von Stufels 1327, von Heuberg 1459, von Hettingen 1391, von Perchtingen 1312, von Tschöz 1364, von Villanders 1375, von Pitrich 14(..), von Gözens 1477, von Braunsberg 1286, von Eps 1430 (?), von Freundsberg 1560.

Wie der von Wolfram gefeierte Ritter des h. Grals waren Tristan und Isolde, die der liebe Meister Gottfried so reizend und heiter besungen hat, gar wohl gekannt und geehrt. Dies zeigen uns die alten Fresken auf Runkelstein bei Bozen, dies das häufige Vorkommen derselben in Taufnamen.  So finden wir Tristan de Maienburg 1305 und 1312, II. 1329. Isolda de Maienburg 1322, Isolda von Katzenzungen 1333 und 1370, Isolda von Braunsberg 1286, Isolda von Niderthor 140(?). Hier muß bemerkt werden, daß oft der Name Saelde nach Mairhofers Genealogien auch statt Isolda gebraucht wurde, z. B. Selda von Aur 1327, Selda von Voigtsberg 1290, Selda von Parnberg 1416“.

Schloß Runkelstein liegt nahe bei Bozen auf einem Felsen hoch über der Talfer, am Eingang zum Sarntal und im Gemeindegebiet von Ritten. Runkelstein bewahrte seinen mittelalterlichen Charakter, wurde 1237 durch die Brüder Friedrich und Beral von Wangen neu erbaut. 1385 erwarben die Brüder Franz und Niklaus Vintler die Burg und begannen 1388 mit dem Umbau und der Ausmalung. Sehr bekannt sind die Malereien von Tristan und Isolde um 1410, sowie die des Artusritters Garel vom blühenden Tal. Ebenso finden sich u.v.a. auch Malereien von Dietrich von Bern, von Siegfried und von Dietleib von Steier. (Foto: G. Dattenböck.)

Die berühmten Iwein-Fresken in Schloß Rodenegg, über deren Maltechnik und kunsthistorische Bedeutung Helmut Stampfer und Oskar Emmeregger das Buch „Die Ywain-Fresken von Schloss Rodenegg“ im Athesia-Verlag, Bozen 2016, veröffentlich haben, könnten in ihrer Entstehungszeit noch in die Lebenszeit des Hartmann v. Aue fallen (†~zwischen 1210 und 1220). Nach brieflicher Mitteilung des Breisgauer Forschers Prof. Dr. Peter Volk ‚taucht der keltische Name Iwein bereits 1147/1155 in Vill vor der Burg Rodenegg auf … und damit war wahrscheinlich auch die Geschichte von Iwa(i)n bereits bekannt‘. Hartmann v. Aues Romane Erec und Iwein entstanden ~1165 und ~1177. ‚Iwein, ein deutscher Ritter, rettete 1183 die Festung Karak (in Palästina), vor einer Überrumpelung durch Saladin‘, schrieb Reinhold Röhricht in: „Die Deutschen im Heiligen Land“, S. 48, Innsbruck 1894.

Zingerle:

„Von anderen Namen aus dem Kreis der Tafelrunde fand ich sehr häufig Artus und einmal Ginovre (Anna Ginovre von Annenberg † 1667), ferner Gawein (Gawein de Maienburg 1288, Gawein Botsch 1390); Lanzelot (Lanzelot von Thurn in Glurns 1370), Wigalois (de Niderhaus 1314), Iwein (Iwein de Rothenstein 14(..).

Die so oft vorkommenden Namen Karl und Roland (Roland von Lichtenstein im 13. Jahrhundert, Roland von Schrifenstein 1497, Roland von Mareit 1349) erinnern uns an die kärlingischen Sagen.

Von Namen, die auch berühmte Dichter des Mittelalters tragen, findet sich am zahlreichsten Freidank (Freidank von Vals 1336, Freidank Göszl 1454, Freidank von Auhofen 1358, Freidank Stegen 1295, Freidank Stuck 1316), was uns nicht überraschen darf, da Freidanks Bescheidenheit in Tirol sehr bekannt und geschätzt war.

Ein Vellenburger führte den Namen Wolfram (im 14.Jhdt.). Nebst Gotfried begegnen uns öfters Hartman: Hartman de Stufels 1319; Hartman von Langenmantel 1330, Hartman Stuck 1260, und Werner: Werner von Millûn I. 1142, II. 1192, Werner de Varn 1280, Werner de Hettingen I. 1301, II. 1327, III. 1331, Werner de Völs 1120., Werner Fink von Katzenzungen I. 1260, II. 1288, III. 1318, Werner de Albeins 1143, Werner de Räsina 1176.

Aus den angeführten Beispielen, die ich in Mairhofers Genealogien de tirolischen Adels entnahm, zeigt sich, daß die Namen der berühmtesten Helden der deutschen Dichtungen des Mittelalters wohl bekannt und als Taufnamen sehr beliebt waren.

Mit dem 15. Jahrhundert verschwinden mehr und mehr die alten Namen, wie die Kenntniß der alten heimischen Dichtung und Sage allmählich erlosch. An die Stelle der ehrwürdigen schönen Namen der Altvorderen treten Benennungen wie Balthasar, Melchior, Kaspar, Eva, Zacharias, Justina, Elias, Achatius, Erasmus, Eustachius, Gabriel, Tobias, Potentiana, Ossara und ähnliche.

Freuen würde es den Verfasser dieser Zeilen, wenn er durch sie nicht nur das Augenmerk auf die reichen Namen des Mittelalters gelenkt, sondern auch dazu beigetragen hätte, den einen oder den andern wieder in Gebrauch zu rufen. Schließlich sei noch bemerkt, daß die uralten Namen Ortwein, Siegwein und Kuprian in Tirol als Geschlechtsnamen heutzutage noch vorkommen“.

Anmerkungen von Georg Dattenböck: Wissenschaftler zur Heldendichtung Tirols

Ich darf anmerken, daß bedeutende Historiker und Literaturwissenschaftler davon überzeugt sind, daß „Tirol zu jenen Gebieten des deutschen Sprachraumes gehört, wo sich die Heldendichtung länger als anderswo der Gunst der literarisch Interessierten erfreute“ (Dr. Egon Kühebacher: „Deutsche Heldenepik in Tirol. König Laurin und Dietrich von Bern in der Dichtung des Mittelalters“; Vorwort S. 5, Athesia-Verl. 1979).

Für das Epos Laurin und das Eckenlied ist es, laut Kühebacher, „jedenfalls wesentlich, daß die heldenepische und ritterlich-höfische Schicht auf volkstümlichem Südtiroler Erzählgut größtenteils ladinischer Herkunft ruht.“

Eugen Thurnher schrieb Wahres (Südtirols deutsche Dichtung, S. 68 in: Südtirol – Eine Frage des europäischen Gewissens; Hg. Franz Huter, München 1965): Es ist kein Zufall, daß die Entstehung einer eigenständigen deutschen Literatur aufs Engste mit dem Südtiroler Raum verbunden ist.

Das „Ambraser Heldenbuch“ wurde zwischen den Jahren 1504 bis 1516 von Hans Ried, Zöllner am Eisack, im Auftrag des Kaisers Maximilian I. abgeschrieben. Für unser Wissen über die gesamte mittelhochdeutsche Dichtung ist dieses Buch von unschätzbarem Wert, denn hier werden uns die mittelhochdeutschen Epen „Kudrun“, „Biterolf und Dietleib“, Hartmanns von Aues „Erec“, sowie „Meier Helmbrecht“  und das Nibelungenlied überliefert.

Abbildungen aus: Ambraser Heldenbuch; Digitale Bibliothek der Österreichischen Nationalbibliothek.

In Burg Obermontani im Vinschgau wurde eine Abschrift des Nibelungenliedes durch Johann Chrysanth Weber (*1798 in Lienz, †1859 in Frankfurt/M., Lehrer am Gymnasium in Meran und Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung), gerettet und befindet sich jetzt in Berlin.

Der kulturelle Tiroler Raum

Bei der Betrachtung des Kulturraums Tirol dürfen wir nicht nur von den Gebieten des heutigen Nord-, Ost- und Südtirols  ausgehen. Man muss auch Welschtirol, das heutige Trentino, und auch die südlich davon gelegenen ehemaligen deutschen Sprachinseln und auch die ladinischen Siedlungsgebiete als wesentlichen deutsch-ladinischen Kulturraum mit einbeziehen.

Karte aus: Bernhard Wurzer: „Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien“, S. 151, Verlag Athesia, Bozen 1983. (Zum Vergrößern der Karte bitte anklicken.)

Diese wissenschaftlich fundierte Karte, erstellt von Dr. Egon Kühebacher, dokumentiert das ab dem 16. Jahrhundert stetige Schrumpfen des deutsch-ladinischen Sprachgebietes südlich Salurns und zwischen Etsch, Brenta und Piave. Auf den 1960 gegossenen Glocken der Kirche „Maria, Hilfe der Christen“ ist z.B. die alte Fersentaler Mundart verewigt. Auf der Petrusglocke steht: „Lo beldrn, sceldrn, taldrn der Gotterhear richtet ὸlls uh. Gaschenk wan Stefan Rodler“. Auf der Marienglocke: „Haile Maria Kriegen pitt wer ins orma Sinter in Lem ὸnt et Tὸёt“. Auf der Michaelsglocke: „“Engeler ὸlla wa Gott helwt ins wiёrt ins ὸlla anau en Hibl. (als Stifter): Pfoff Jackl Heuwer Zöhrn“ (Bernhard Wurzer, S. 59).

Der im Tal der Piave auf obiger Karte eingezeichnete Ort Feltre bezeichnet jene in der deutschen Sage bekannte ‚Fritilaburg‘ (althochdeutsch: Felters): das war der Hauptort der ab 400 nach Norditalien eindringenden Lugier. Dort, auf dem Berg Aurin (Odins Berg), wurde 1875 die Königsschale des letzten Vandalenkönigs Gelimer († 534) gefunden – jetzt wird dieses Kleinod in Paris aufbewahrt.

In der ‚Thidrekssaga‘ wird Eckehards Vater Hache, der in Fritilaburg lebte, mit: ‚Aurlunga trausti‘ (Harlungentrost) benannt. Hache war ein Blutsverwandter des Hildebrand. Eckehard wird in ‚Dietrichs Flucht‘ als ‚Harlunge man‘, im Epos ‚Rosengarten‘ wird er von Hildebrand als ‚Herr der Harlungen‘ bezeichnet. Mit diesen ‚Harlungen‘ der Sage sind nach Ansicht des Verfassers die historischen Harrier, ein Teilstamm der Lugier/Vandalen, gemeint.

Noch im 16. Jahrhundert war das Bistum Trient mehrheitlich deutsches Sprachgebiet. Im 11. und 12. Jahrhundert verboten, aus machtpolitischen Erwägungen, die Bischöfe v. Trient ihren Untertanen, sich mit welschen Frauen oder Männern südlich der „Berner Klause“ zu verheiraten: die Kaiser hatten großes Interesse, daß die Bischöfe v. Trient die für das Reich lebenswichtige Straße durch das Etschtal immer beherrschten.

Im Vorwort des ‚Codex Wangianus‘, benannt nach dem berühmten Fürstbischof v. Trient, Friedrich v. Wangen (aus Wangen bei Bozen stammend,*~1175; †6.11.1218 in Akkon, Galiläa) wird berichtet:

‚Um den Bischof von Trient an seinen Grenzen mehr zu sichern, übertrug ihm der Kaiser das feste Schloß Garda unter der Bedingung, keinem Lombarden oder Veronesen die Obhut desselben anzuvertrauen‘.

Urkunden im ‚Codex Wangianus‘ dokumentieren ebenfalls die alte deutsche Sprachgrenze ‚Berner Klause‘:

‚16.8.1198: Brianus, Sohn Aldrighets v. Castelbarco, verkauft dem Bischofe Konrad v. Trient für 2200 Pfund Berner sein Schloß zu Castelbarco und sein Haus zu Pratalia. Der Bischof ertheilt ihm beide wieder zu Lehen, für ihn und seine männlichen Nachkommen, und in deren Ermangelung auch für die weiblichen, woferne sie nicht nach der Lombardei oder Veroneser-Mark heiraten. In Ermangelung aller Nachkommenschaft fällt das Lehen von Castelbarco auf die Schwestern des Brianus und deren Erben, woferne auch diese nicht nach der Lombardei oder der Veroneser-Mark heiraten; Pratalia aber fällt dem Bisthume anheim‘.

‚1203: Die Brüder Nikolaus und Heinrich von Egna übergeben dem Bischofe Konrad v. Trient das alte Schloß Egna, welches bisher ihr und ihrer Vorfahren Allod [eigener Besitz] gewesen war. Der Bischof ertheilt ihnen hierauf dasselbe Schloß wieder zu Lehen, auf ihre männlichen und weiblichen Deszendenten [Nachkommen], doch sollen letztere sich nicht von der Veroneser-Klause abwärts verheiraten‘. (Rudolf Kink: „Codex Wangianus. Urkundenbuch des Hochstiftes Trient“, S. 135, 153; Wien 1852).

Foto aus: www.satgeo.zum.de/satgeo/beispiele/garda/gardasee.htm

Ab der Völkerwanderungszeit, bis in das 16. Jahrhundert, lag die alte deutsche Sprachgrenze 20 Kilometer nördlich Veronas bei der „Berner Klause.“ An dieser militärstrategisch entscheidenden Stelle, wo viele entscheidende Kämpfe stattfanden, lag der „Schlüssel“ zum Eintritt aller Heere nach Italien bzw. nach Tirol!

Meinen Forschungen nach, war in der ‚Berner Klause‘ der historische Sitz des Hildebrand, Gefolgsmann des Dietrichs v. Bern.

Der berühmteste Tiroler Sagenforscher, Karl Felix Wolf schrieb ebenfalls: „Die Klause liegt nicht weit von Verona, das in der deutschen Heldensage Berne genannt wird; darum heißt sie bei den Deutschen: Berner Klause, bei den Italienern: Chiusa di Verona. Darum fühlen wir uns, wenn wir die Klause betreten, vor allem mit Dietrich v. Bern verbunden. Auf dieser (westlichen) Seite der Schluchten befindet sich eine feste Burg, die im Spätmittelalter als mächtige, runde Bastei ausgebaut worden ist und heute noch ungebrochen dasteht. Diese – oder die von ihr nicht weit entfernte Burg ze Garte am Gardasee – muß Arnold v. Lübeck gemeint haben, als er im 12. Jhdt. seine ‚Slawenchronik‘ schrieb und bemerkte, daß bei der ‚Veronensium Clusa‘ ein sehr starkes Bollwerk stehe, das vor uralten Zeiten her als der Sitz Hildebrands bezeichnet werde“ (Karl Felix Wolff: „Dolomitensagen“; S. 555ff, Innsbruck 1913).




Ein vorbildliches Werk der Heimatpflege!

Außer den Freiheitskämpfen von 1809 hat kaum ein Geschehen die Tiroler Identität so geprägt, wie die tragischen Ereignisse des Ersten Weltkrieges. Nach einem unglaublich blutigen Opfergang im Osten sah sich das Land Tirol dem hinterlistigen Überfall durch den bisherigen Verbündeten Italien ausgesetzt. Diesem neuen Feind hatte Tirol zunächst nichts entgegen zu stellen, als die für den regulären Militärdienst zu jungen Burschen und zu alten Männer, die nun als Standschützen die Heimat verteidigten.

Standschütze, Michael Senn
Der mit 76 Jahren älteste Standschütze, Michael Senn, „immer noch der beste Schütze in und um ganz Meran“, der bereits 1859 und 1866 gedient hatte. Auf 2.700 Meter Höhe stieg er noch hinauf, er gab den ersten Schuß gegen die anstürmenden Aggressoren ab. Links: In eisiger Höhe eine Feldmesse für die Standschützen.

Die Soldaten der italienischen Armee: 1: Bersaglieri; 2: Alpini; 3: Askari; 4: Lanciere: 5. Infanterie-Offizier (Bild entnommen aus: „Die Geschichte des Weltkrieges“, III. Band, Hg.: Oberst Alois Veltze, Wien o.J.).

Rund 3,5 Millionen gut ausgebildeter Soldaten konnte Italien zum Angriff auf das Kaiserreich bereitstellen. Bei Kriegsbeginn waren die regulären Tiroler Regimenter Großteils an der russischen Front eingesetzt. Zur Landesverteidigung meldeten sich in der ersten Kriegswoche 12.000 Freiwillige, darunter 1.500 Männer zwischen 65 und 70 Jahren und in Masse noch nicht wehrpflichtige Knaben von 12 bis 17 Jahren. Diese Mannschaften hielten in den folgenden Monaten dem ersten Ansturm auf Tirol und auch auf Kärnten stand.

Mit einem Werk, welches vordergründig ein Lokalgeschehen – das „Schicksal der Gemeinde Kiens im Ersten Weltkrieg“ – behandelt, ist dem Herausgeber, der Schützenkompanie Ehrenburg, in Wahrheit eine kulturhistorische und heimatpflegerische Großtat gelungen.

Schützenkompanie Ehrenburg

Am Beispiel des Südtiroler Gemeindeverbandes Kiens entrollt sich vor dem Auge des Lesers die ganze damalige Tragödie des Landes Tirol, welches in der Folge zerrissen werden sollte und dessen südlicher Teil der Knechtschaft und der Unterdrückung durch den Faschismus ausgeliefert wurde.

Georg Dattenböck stellt dieses von Rupert Gietl unter der Mithilfe von Juri Oberlechner, Karl Pfeifhofer, Efrem Oberlechner und anderen Schützenkameraden gestaltete wertvolle Buch unseren Lesern vor.

„Unsere Helden – Schicksal der Gefallenen der Gemeinde Kiens im Ersten Weltkrieg“

Wer heute, irgendwo im deutschen Sprachraum lebend, nun meinen sollte, daß ihn dieses 2017 erschienene Buch, das „den Kriegsteilnehmern und insbesondere der Gefallenen von Kiens, Ehrenburg, St. Sigmund, Getzenberg und Hofern gewidmet“ ist, kaum berühren wird, weil es eine kleine (33,84 km²) Gemeinde im Pustertal bei Bruneck, mit einer Einwohnerzahl von nur 2806 Tirolern betrifft und er diesen Ort vielleicht auch gar nicht kennt, dem muß der Rezensent sagen: Du irrst Dich schwer! Es betrifft uns alle, wer und wo wir auch sind! Auch im Zusammenhang der derzeit geteilten, aber nie teilbaren Heimat, betrifft es unsere Gegenwart und Zukunft!

Juri Oberlechner, einer der sehr verdienstvollen Autoren und Schützenhauptmann, berichtet zu seinem und zum Antrieb seiner vielen ehrenamtlich tätigen Kameraden, dieses Werk zu verfassen:

Genau hundert Jahre nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn hielt die Schützenkompanie Ehrenburg am 23. Mai 2015 in Kiens eine Gedenkfeier ab. Im Besonderen gedachte die Bevölkerung der Tiroler Standschützen, die gemeinsam mit dem deutschen Alpenkorps die angreifenden Italiener an der neu entstandenen Tiroler Front in Schach hielten. Sie waren das so genannte letzte Aufgebot, denn die regulären Truppen Tirols waren größtenteils an der Ostfront im Einsatz. Erinnert wurde auch der tapferen Kaiserjäger, Landesschützen und Landsturmmänner. Viel zu viele von ihnen verloren in den Schlachtfeldern Europas ihr junges Leben, zu viele von ihnen verbluteten im Abwehrkampf an der Südfront oder starben an den Strapazen und Krankheiten in russischer oder italienischer Kriegsgefangenschaft. Beim anschließenden Heldengedenken am Kriegerdenkmal wurde jeder einzelne Name der damals bekannten 129 Kriegstoten der Pfarre Kiens verlesen. Es war ein sehr bewegender Moment.

 

 In den darauffolgenden Wochen ließen uns die Gedanken an unsere Landesverteidiger nicht mehr los. Welche Schicksale stehen hinter diesen vielen Namen, wo kämpften und starben sie, wo liegen sie heute begraben, hinterließen sie Kinder und Frauen? Fragen über Fragen, die es zu beantworten galt. Die Idee zu einem Gedenkbuch für unsere Helden war geboren. (…)

Über zwei Jahre ehrenamtlicher Arbeit, unzählige Stunden und viel Herzblut stecken in diesem Buch. Mit diesem Werk hat die Schützenkompanie Ehrenburg einen Ihrer Aufträge wahrgenommen, sie hat einen wichtigen Teil unserer Landes- und Gemeindegeschichte aufgearbeitet. Wir können uns schwer vorstellen, was unsere Vorfahren alles durchmachen mußten (…)

Dieser sinnlose blutige Krieg nahm für uns Tiroler auch ein bitteres politisches Ende. (…) Gegen den Willen der Bevölkerung wurde eine über Jahrhunderte währende Einheit zerstört. Unser Land wurde annektiert und eine Unrechtsgrenze mitten durch Tirol gezogen. Die Opfer des Ersten Weltkrieges wiegen besonders schwer, denn diese Unrechtsgrenze lebt bis heute fort. Die Kriegerdenkmäler in unserer Gemeinde sollen uns mahnen, den Frieden zu leben, sie sollen uns aber auch ermutigen, für Freiheit und Gerechtigkeit einzustehen…“

 Rupert Gietl, der Verfasser, berichtet: „Es war von Anfang unser Ziel, Geschichte und Geographie des Ersten Weltkrieges aufs Engste miteinander zu verknüpfen. Die zahllosen Namen, welche mit den Menschen und Geschehnissen verbunden sind, sollten einen festen Platz auf der Karte Europas und darüber hinaus bekommen. Dadurch entstand aus der losen Reihe der Gefallenen eine Fortsetzungsgeschichte, die uns von den Schüssen von Sarajevo bis in die 1920er Jahre führte.  (…)

Mit unglaublicher Hilfsbereitschaft wurden uns aus vielen Teilen Europas und darüber hinaus Informationen zur Verfügung gestellt und Hinweise gegeben. Manch ein Helfer machte sich sogar selbst auf den Weg, um ein Grab aufzusuchen oder einen Namen auf einem Friedhof zu ermitteln (…). Am Schluß bleibt uns die Gewißheit, einen kleinen Beitrag gegen das Vergessen geleistet zu haben, auf daß sich solches Leid nie mehr wiederholen möge“.

Der Leser wird am Beginn des Buches, dokumentiert mit vielen uralten Fotos, die friedliche Welt der kleinen Tiroler Weiler und Dörfer in der Gemeinde Kiens im Pustertal vor dem Jahre 1914 nahegebracht, eine Welt, die man sich erst vorstellen und erarbeiten muß.

In weiteren Kapiteln wird dann der interessierte Leser über Tirol und die bewaffnete Macht in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg, über die Streitkräfte Österreich-Ungarns, über die allgemeine Wehrpflicht und die Heeresreformen in Tirol, sowie die Militäreinheiten in Tirol bei Kriegsausbruch, unterrichtet.

Im Kapitel „Die Biographien“ werden u.v.a. die Auswahlkriterien der wichtigsten Quellen, die Listen der Gefallenen, die Truppen- und Kappenabzeichen, dutzende Übersichtskarten über die Todesorte der Gefallenen an allen Kriegsschauplätzen (!!!) abgedruckt, ein Literatur-, Namens-, Orts- und Hofverzeichnis (!!!) gibt eine vorzüglich recherchierte Auskunft. Der Rezensent zählte an die 540 Abbildungen aller Art.

 

Unendliche Mühe wurde sichtlich auf die Sammlung der Sterbebilder der Gefallenen aufgewendet und auf den erstellten Landkarten sieht man den Namen des Gefallenen, hier: Peter Sitzmann, Leitnersohn in Lothen bei St. Lorenzen, Landesschütze im 3. Landesschützenregiment, der beim Kampf unterhalb des Buole-Passes schwer verwundet wurde und am Hilfsplatz bei Zugna gestorben ist.

Dieses Buch geht mit einer Eindringlichkeit, mit einer historischen Ehrlich- und Genauigkeit und einer sehr spürbaren Liebe zur Gemeinschaft der lebenden und gefallenen Tiroler unter die Haut.

Erstmals sehen womöglich viele Familien Gesichter von damals gefallenen Angehörigen wieder, die scheinbar bereits dem immerwährenden Vergessen anheimgefallen wären.

Der Großvater des Rezensenten hatte im Salzburgisch-OÖ. Infanterie-Regiment 59 „Rainer“, den südlichsten Punkt der Tiroler Verteidigungsstellung, den Monte Cimone, auch noch nach der Sprengung eines Teiles des Gipfels durch italienische Mineure, mit verteidigt. Er war mit seinem Regiment, der letzten geordnet abziehenden österreichischen Truppe, mit dem Zuruf an die Bozener: „wir kommen wieder“ nach Hause gezogen.

Der Rezensent wünscht sich in Einklang mit der Gesinnung seines verstorbenen Großvaters, daß dieses Buch viele Auflagen und Leser erleben und daß es Vorbild für ähnliche Projekte in vielen Gemeinden werden möge.

Rupert Gietl:
„Unsere Helden – Schicksal der Gefallenen der Gemeinde Kiens im Ersten Weltkrieg“

Verlag Effekt! Buch 2017
ISBN: 978-88-97053-42-2
€ 29,90




Ein Denkmal in Innsbruck für das erste Todesopfer des Faschismus in Südtirol

Foto: Erich Staudinger

Vorwort des Herausgebers

Ich möchte dieser Ausgabe des SID vier Sätze voranstellen:

Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie!“ (Friedrich Schiller)

Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Grundgesetz der BRD, Artikel 1)

Mord verjährt nicht (Strafgesetzbuch)

Du sollst nicht morden“ (Bibel)

Der nachstehende Artikel sowie die dazugehörigen Dokumentationen befassen sich mit dem von den Faschisten verübten brutalen und ungesühnten Mord an einem selbstlosen christlichen Tiroler.

Er befasst sich auch mit der Nichtaufarbeitung von Seiten des italienischen Staates sowie der notwendigen Gedenkkultur und Trauerarbeit in unserem Land.

Am Samstag, 22. April 2017, wurde in Innsbruck ein neues Denkmal für den am 24. April 1921 in Bozen von Faschisten ermordeten Lehrer Franz Innerhofer im Rahmen einer bewegenden Gedenkfeier enthüllt. Der unermüdliche Einsatz von Winfried Matuella, Obmann des „Andreas Hofer Bundes“ (AHB), und die Hilfe weniger Idealisten machten die Errichtung des neuen Denkmals möglich.

Bereits 1931 war vom damaligen „Andres-Hofer-Bund“ eine Gedenktafel an einer Mauer am Rennweg in Innsbruck angebracht worden. Dieses war aber von den Nationalsozialisten 1938 entfernt und in das Volkskunstmuseum entsorgt worden – man hatte den italienischen Diktator und Hitler-Freund Mussolini nicht vor den Kopf stoßen wollen.

Erstaunliches ist über das Geschehen im Vorfeld der Gedenkfeier 2017 zu berichten: Die schroff ablehnende Haltung des Administrators und mutmaßlichen nächsten Bischofs der Diözese Innsbruck gegenüber der Bitte um Unterstützung. Es fand sich in der Folge auch kein Priester, der es gewagt hätte, entgegen den Wünschen Diözesan-Administrators die religiöse Segnung vorzunehmen. Der geneigte Leser wird sich anhand der dokumentierten Fakten und der Aussagen der Diözesanleitung hier selbst sein moralisches Urteil über diese Verhaltensweisen bilden.

Trotz alledem war es eine sehr bewegende Feier und alle Demokraten und Antifaschisten sollten den idealistischen Organisatoren Dank aussprechen!

Georg Dattenböck

Ein Denkmal in Innsbruck für das erste Todesopfer des Faschismus in Südtirol

Franz Innerhofer

Am 24. April 1921 wurde in Bozen der Marlinger Lehrer und Schulleiter Franz Innerhofer von Faschisten ermordet. Dieser hatte einen 8jährigen Marlinger Buben vor tobenden Faschistenhorden in Sicherheit gebracht, welche aus Italien angereist waren, um den Trachtenumzug der Bozner Messe schießend, Bomben werfend und prügelnd zu überfallen. Dabei wurde Franz Innerhofer selbst von den Faschisten im Hausflur des Ansitzes Stillendorf in Bozen meuchlings erschossen. Dieser blutige Tag mit einem Toten und vielen Verletzten ging in die Geschichte als „Bozner Blutsonntag“ ein.

Eine Dokumentation über die Ermordung Innerhofers findet sich hier.

2017: Die Neuerrichtung einer würdigen Gedenkstätte

Eine im Jahre 1931 am Rennweg in Innsbruck von dem damaligen „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ errichtete Gedenktafel war 1938 von den Nationalsozialisten abgerissen und in das Depot des Volkskunstmuseums entsorgt worden, wo ihr Anblick die Anhänger des Hitler-Freundes Benito Mussolini nicht mehr beleidigen konnte.

Während in Südtirol nach 1945 das Andenken an Franz Innerhofer vor allem auf Initiative der Schützen wachgehalten wurde, geriet dieser in Nordtirol schon nahezu in Vergessenheit.

Eine Dokumentation darüber findet sich hier.

Zwanzig Jahre vergebliches Bemühen

Nachdem der von den Nationalsozialisten aufgelöste „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ im Jahre 1994 unter dem Namen „Andreas Hofer-Bund Tirol“ (AHB) wiedergegründet worden war, bemühte sich der damalige Obmann Josef Felder nahezu 20 Jahre lang vergeblich um die Wiedererrichtung der 1938 aufgelösten Gedenkstätte für Innerhofer.

In einem Arbeitsbericht des jetzigen Obmannes des „Andreas Hofer-Bund Tirol“, Winfried Matuella, heißt es dazu:

„Beinahe 20 Jahre hat sich der damalige Obmann des AHBT Ing. Josef Felder bemüht, als er durch Zufall die Schrifttafel des abgetragenen Denkmales, schamhaft hinter dem Getäfel einer Bauernstube versteckt im Volkskunstmuseum in Innsbruck entdeckte. Zahlreiche Ansuchen um Wiedererrichtung an Bund, Land und Stadt Innsbruck wurden entweder ignoriert, abgelehnt, oder man wurde mit fadenscheinigen Ausreden vertröstet. Bei persönlichen Vorsprachen bei Politkern erging es einem nicht anders. Der eine meinte sie gehöre da hin, der zweite meinte, sie gehöre ganz wo anders hin, der dritte meinte, so was kann man heute überhaupt nicht mehr aufstellen. Beinahe 20 Jahre vergingen und das Denkmal stand immer noch nicht.“

Die im Volkskunstmuseum Innsbruck verborgene Originaltafel wurde nicht freigegeben

Der Durchbruch

In dem Bericht heißt es weiter: „Bis der Vorschlag von der Laurin-Stiftung (Anm.: Eine Stiftung, die sich vor allem auch für die menschenrechtliche, soziale und kulturelle Anliegen Südtirols einsetzt) kam, das Denkmal dort am Tummelplatz an jener Stätte aufzustellen, an der aller durch die Teilung Tirol verstorben, gefoltert oder der Heimat Vertriebenen gedacht wird. Dieser Vorschlag wurde vom jetzigen Obmann des Bundes, Ing. Winfried Matuella, mit Begeisterung aufgenommen, da die Stiftung auch den Großteil der Finanzierung übernahm. Vergebliches Bemühen, die Originaltafel, die wir als Eigentum des AHBT betrachten, frei zu bekommen, führte dazu, dass eine Kopie hergestellt werden musste.“

Der Grundeigentümer der Gedenkstätte am Tummelplatz, die Familie Wittauer, gab gerne ihre Genehmigung und stellte den Grund kostenlos zur Verfügung.

Der immerhin schon 80 Lebensjahre zählende Winfried Matuella führte sodann unter Mithilfe treuer Kameraden die Planung und die Denkmalerstellung durch.

22. April 2011: Die Denkmalenthüllung

Die geplante priesterliche Segnung des Denkmals musste aufgrund der ablehnenden Haltung der Diözese Innsbruck und deren Administrators entfallen. Auch der Pfarrer von Amras verweigerte die Segnung.

Über dieses Geschehen liegt ein Schriftverkehr mit der Diözese Innsbruck vor, aus welchem hervorgeht, in welchem Ausmaß diese Vertreter der Kirche sich bereits dem heutigen Zeitgeist willig ergeben haben.

Eine Dokumentation über dieses Geschehen findet sich hier.

Auch Nordtirols Landespolitiker zeigten wenig Interesse an der Veranstaltung. Wie Winfried Matuella in seinem Arbeitsbericht vermerkt, gab es von ihnen wenig Echo. „Viele haben es sogar unterlassen, überhaupt zu antworten.“

Transparente auf dem Zufahrtsweg zum Tummelplatz wiesen darauf hin, worum es heute geht.

Die Teilnehmer versammelten sich zur Gedenkfeier (Foto Staudinger)

Als sich am 22. April 2011 mehr als 100 Teilnehmer auf dem Innsbrucker Tummelplatz vor der noch mit einer rot-weiß-roten Fahne verhüllten Gedenktafel trafen, befanden sich unter ihnen außer den AHB-Mitgliedern auch Schützen aus Nordtirol, Südtirol und aus Welschtirol (dem heutigen „Trentino“), sowie Vertreter der Südtiroler Oppositionspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ sowie des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB). Der SHB ist eine von ehemaligen politischen Häftlingen und Südtiroler Freiheitskämpfern gegründete Vereinigung, welche sich für die Wiedererlangung der Landeseinheit Tirols einsetzt. Auch einige ehemalige Freiheitskämpfer der 1960er-Jahre waren gekommen, wie beispielsweise Univ. Prof. Dr. Erhard Hartung. Regierungsmitglieder der Landesregierungen waren keine zu sehen.

Die noch mit der österreichischen Flagge verhüllte Gedenktafel

Der AHB-Obmann Winfried Matuella begrüßte die Erschienenen

Die Grußworte des Südtiroler Heimatbundes

Der AHB-Obmann Winfried Matuella begrüßte die Teilnehmer an der Feier. Dann verlas der ehemalige politische Häftling Meinrad Berger die Grußworte des SHB-Obmannes Roland Lang, welcher wegen eines Krankheitsfalles in der Familie selbst nicht hatte kommen können.

Anstelle des verhinderten SHB-Obmann Roland Lang (Bild links), überbrachte der Südtiroler ehemalige politische Häftling Meinrad Berger (Bild rechts) dessen Grußworte. (Foto Staudinger)

Roland Lang zeigte in seinen Grußworten auf, dass die italienischen Behörden nie an der Ahndung der Mordtat interessiert gewesen waren:

„Im damals noch demokratischen Italien wurde dieser Mord nie verfolgt und nie gesühnt. Laut Erzählungen von verstorbenen Bozner Bürgern soll der Mörder von Innerhofer der faschistische Squadrist Lino Mariotti gewesen sein. Obwohl im Laufe der Jahre die Identität des Innerhofer- Mörders genauestens bekannt war, konnte dieser danach am Obstmarkt, mit Wohlwohlen der Behörden, unbehelligt einen Verkaufsstand betreiben.

Alles Tirolerische, besonders aber die Trachten, waren den Faschisten beim Überfall auf dem Messeumzug ein Dorn im Auge. Auch 50 Jahre später scheute sich das nunmehr demokratischen Italien nicht, gegen die Tiroler Trachten vorzugehen.

Am 22. April 1961, also auf den Tag genau heute vor 56 Jahren, verbot Innenminister Scelba den Südtiroler Schützen das Tragen ihrer Tracht. Der damalige Landeskommandant Karl Mitterdorfer verglich das Verbot zu Recht mit der Unterdrückung unter dem Faschismus!

Den Schutz eines Kindes bezahlte der Lehrer mit einer tödlichen Revolverkugel in seinen Rücken. Mit seinem Tode wurde der Mensch Franz Innerhofer zum Helden der Menschlichkeit.

Es freut mich, dass heute im nördlichen Teil Tirols des Opfers von Franz Innerhofer gedacht wird. Er bleibe uns allen in lebendiger Erinnerung als ein Beispiel mutiger Menschlichkeit, der auch in großer persönlicher Gefahr verantwortungsvoll handelte. Ehre und Dank seinem Andenken!

In Vertretung des Südtiroler Heimatbundes danke ich dem Andreas-Hofer-Bund Tirol unter seinem Obmann Ing. Winfried Matuella für diese selbstlose Initiative der Wiedererrichtung des Gedenksteins für Franz Innerhofer.“

 

Die Rede des Jugendvertreters Matthias Hofer

Dann sprach der junge Olanger Gemeinderat Matthias Hofer von der „Süd-Tiroler Freiheit“ als Vertreter der Jugend.

Matthias Hofer

Hofer sagte:

„Liebe Landsleute,

wenn wir uns heute hier versammeln, um eine würdige Gedenkstätte für Franz Innerhofer, dem ersten Tiroler Todesopfer des Faschismus, zu enthüllen, dann tun wir dies, auch in Bewusstsein, dass vor allem wir junge Tiroler die Zukunft auf ein freies und ungeteiltes Tirol richten müssen.“

„Die patriotische Jugend im Süden wird immer stärker“, berichtete Hofer. „Der Begriff Heimat ist wieder was wert und darauf können wir stolz sein.“ In Zeiten der Globalisierung würden immer mehr junge Menschen Heimatbewusstsein entwickeln.

„Die Jugend lässt sich nicht mehr verbiegen und sie glaubt nicht mehr, dass Heimat unmodern ist, während alles Fremde gut zu sein hat.

Gerade in einem fremden Staat müssen wir uns das Recht herausnehmen, unsere Tiroler Heimattreue hochzuhalten und es ist nicht verboten sich zu seiner Heimat zu bekennen und auch stolz auf diese Heimat zu sein. Daher werden wir auch in Stolz und Friedfertigkeit die Zukunft dieser Heimat gestalten.“

Hofer schloss mit den Worten: „Wenn wir das alle im Herzen tragen, wenn wir das in uns aufnehmen, dann wissen wir, dass Tirol mehr ist als eine Modemarke und dass Tirol ein Bekenntnis ist, das die Menschen in ihrem Herzen tragen.

In diesem Sinne: Auf in die Freiheit!

Alles für Tirol!“

Die Rede des Landtagsabgeordneten Sven Knoll

Sven Knoll

Die Hauptrede hielt der Südtiroler Landtagsabgeordnete Sven Knoll von der „Süd-Tiroler Freiheit“, welcher in Burggräfler Tracht erschienen war.

Nach einem Rückblick auf das Geschehen des „Bozner Blutsonntags“ wies Knoll darauf hin, dass damals kein einziger der faschistischen Verbrecher zur Rechenschaft gezogen wurde.

Dann führte Knoll weiter aus:

„Franz Innerhofer war das erste Opfer des italienischen Faschismus in Süd-Tirol, aber er war leider nicht das letzte Opfer. Denken wir nur an die Katakombenlehrer, an die unzähligen jungen Süd-Tiroler, die für Mussolinis Großmachtphantasien im Abessinien-Feldzug und beim Angriff gegen die Sowjetunion ihr Leben lassen mussten, aber denken wir auch an die Süd-Tiroler Freiheitskämpfer der 50er und 60er Jahre, die wohl als die letzten Opfer des italienischen Faschismus anzusehen sind.

Mit Gesetzen, die noch aus der Zeit des Faschismus stammten, wurden sie verfolgt, gefoltert und eingekerkert. Ja manche sogar im Auftrag des italienischen Staates ermordet!

Selbst in den 70er Jahren erfolgten noch in Abwesenheit der Angeklagten, menschenrechtswidrige Verurteilungen zu lebenslanger Haft, welche die Rückkehr der im Exil lebenden Freiheitskämpfer nach Süd-Tirol, bis heute unmöglich machen.

Der Mörder von Franz Innerhofer wurde nie gefunden, oder sagen wir es anders, er wurde nie gesucht. Er ist längst tot und hat sich einem höheren Gericht verantworten müssen, welches ihm wohl seiner gerechten Strafe zugeführt hat.

Was aber nicht tot ist, ist der Geist des Faschismus, der hinter diesem Mord steht.

Im Bozner Rathaus sitzen seit der letzten Wahl wieder bekennende Faschisten im Gemeinderat, die Mussolini als den größten Staatsmann des Jahrhunderts feiern.

Für jede Stadt, für jedes, Dorf, für jeden Bach, ja selbst bis hinauf auf jeden Berggipfel gibt es noch immer faschistische, italienisch klingende Ortsnamen, die bis heute alleinige amtliche Gültigkeit haben und dabei nur einen einzigen Zweck erfüllen, nämlich, und so steht es wörtlich im Gesetzesdekret ‚Süd-Tirol schnell und nachhaltig zu italienisieren‘.

Damit aber nicht genug, in Bozen wird gerade mit Steuergeldern ein Relief von Benito Mussolini auf Hochglanz poliert, welches den Siegeszug des Faschismus verherrlicht.“

Franz Innerhofer habe nicht weggesehen, sondern sich dem Faschismus, im wahrsten Sinn des Wortes, in den Weg gestellt.

Es braucht daher Erinnerungsorte wie diesen hier, damit im Bewusstsein der Öffentlichkeit Unrecht nicht zu Recht wird und Menschen wie Franz Innerhofer nicht umsonst gestorben sind.

Vor allem aber braucht es wieder aufrechte Tiroler nördlich und südlich des Brenners, die sich nicht länger davor scheuen, das Unrecht auch beim Namen zu nennen, denn solange Süd-Tirol noch zu Italien gehört und am Brenner eine Unrechtsgrenze Tiroler im Norden von Tirolern im Süden trennt, wird es keine Gerechtigkeit und auch keinen dauerhaften Frieden geben.“

Die Feier schloss mit der Tiroler Landeshymne, dem „Andreas Hofer-Lied“.

Presseecho

Bericht in der Südtiroler „Zeitung am Sonntag“ vom 24. April 2017

Bericht in den „Dolomiten“ vom 24. April 2017

Bericht in der österreichischen „Kronen Zeitung“ vom 27. April 2017

Fotos

Der Innsbrucker Pressefotograf Erich Staudinger (Mail: erich.staudinger@chello.at) hat hervorragende Bilder von der Einweihungsfeier ins Internet gestellt.




Welschtirol und der italienische Irredentismus (Teil 1)

Der Begriff „Irredenta“ bezeichnete eine politische Bewegung zur Schaffung eines italienischen Nationalstaates und der Angliederung aller von Italienern bewohnten Gebiete an diesen. „Terre irredente“ heißt auf Deutsch: „Unerlöste Gebiete“.

Diese Bewegung musste zwangsläufig zur Konfrontation mit Österreich, beziehungsweise „Österreich-Ungarn“ führen.

Teil I: Hinweis auf ein wichtiges Buch und die Geschichte des Irredentismus

 von Georg Dattenböck

 Dr. Michael Mayr: „Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“, Innsbruck 1916, Verlagsanstalt Tyrolia, Brixen Bozen“

Dr. Michael Mayr: „Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“, Innsbruck 1916, Verlagsanstalt Tyrolia, Brixen Bozen“ Verlag Nabu Press, ISBN-10: 1149323272; ISBN-13: 978-1149323274; € 28,17

Im Jahre 1916 verfasste der Historiker Dr. Michael Mayr (Staatsarchivdirektor und Professor an der Universität Innsbruck) ein Standardwerk über den italienischen Irredentismus. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit waren die Verhältnisse in Tirol – in Welschtirol, welches heute den von den Faschisten verpassten Namen „Trentino“ trägt.

Dieses kritische Werk, welches durchaus auch die von der österreichischen Politik und Verwaltung begangenen Fehler behandelt, ist im Jahre 2010 in einer Neuauflage erschienen:

 

Dr. Michael Mayr: „Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“

Es ist es wert, dass man sich mit seinem Inhalt auseinander setzt.

Ein Wort zum Verfasser des Werkes
„Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“

Dr. Michael Mayr
Dr. Michael Mayr

Michael Mayr wurde am 10. April 1864 in Adlwang in Oberösterreich als Sohn eines Bauern geboren. Er besuchte das Gymnasium der Jesuiten in Linz, maturierte jedoch 1895 im Benediktinerstift in Kremsmünster. Anschließend studierte er Geschichte und Geographie an der Universität in Wien, absolvierte 1889-1891 das „Institut für Österreichische Geschichtsforschung“, war 1891 Stipendiat am „Österreichischen Historischen Institut in Rom“ (Erforschung der Nuntiaturberichte 1560-1572) und wurde 1890 promoviert.

Beamter, Historiker, Abgeordneter

Nach kurzer Tätigkeit im Archiv des k.u.k. Finanzministeriums war Mayr ab 1892 Beamter des Statthaltereiarchivs in Innsbruck und dessen Direktor von 1897 bis 1920.

Im Jahre 1900 wurde Mayr Professor für Neue Geschichte an der Universität Innsbruck.

Mayr war von seiner ursprünglichen politischen Einstellung her ein Liberaler, trat aber dann der „Christlichsozialen Partei“ bei. Er begann seine politische Laufbahn als Abgeordneter zum Reichstag in Wien von 1907 bis 1911, um anschließend von 1908 bis 1914 als Abgeordneter im Tiroler Landtag tätig zu werden. Mayr war 1918 auch Mitglied der „Konstituierenden Nationalversammlung“ Deutschösterreichs.

Als Gesandter Tirols verhandelte Mayr in der Schweiz 1918/19 mit Abgesandten der Siegermächte über eine eigene Republik oder einen Freistaat Tirol.

Um die Einheit Tirols zu wahren, verlangte Mayr damals in der Provisorischen Nationalversammlung mit anderen Abgeordneten das Recht Tirols auf Loslösung von Österreich.

Staatssekretär, Verfassungsrechtler und Staatskanzler

Der erste Staatskanzler der neu gegründeten Republik Deutschösterreich, Dr. Karl Renner, Mitglied der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs“ (SDAPÖ), berief Mayr zum Staatssekretär für die Arbeiten an einer gesamtösterreichischen Verfassung, die Mayr zusammen mit Hans Kelsen, einem der bedeutendsten Rechtsgelehrten, schuf.

Dr. Michael Mayr wurde am 7. Juli 1920 in Nachfolge von Dr. Karl Renner zweiter Staatskanzler bzw. ab 10. November 1920 erster Bundeskanzler Österreichs und ab 22. Oktober, als die Sozialdemokraten aus der Regierung austraten, wurde er zugleich auch Außenminister.

Am 20. November 1920 wurde die Bundesregierung Mayr II, eine Minderheitenregierung der Christlichsozialen mit Unterstützung der Großdeutschen gewählt.

Da sich die österreichische Regierung im Friedensvertrag von Saint-Germain im Jahr 1919 verpflichten mußte, Österreich von Deutschland unabhängig zu erhalten, trat Bundeskanzler Dr. Mayr wegen einer in der Steiermark beabsichtigten Abstimmung über einen Anschluss an das Deutsche Reich von seinem Amt zurück, führte jedoch die Geschäfte bis zur Angelobung der neuen Bundesregierung unter Bundeskanzler Johann Schober am 21. Juni 1921 weiter.

Dr. Michael Mayr starb an einem Herzinfarkt am 21. Mai 1922 in Waldneukirchen bei Steyr, nur 58 Jahre alt, beim Besuch am Hofe seiner Schwester.

Sein Geschichtswerk über den italienischen Irredentismus

Dieses sehr wichtige Buch berichtet über eine über 100jährige Vorgeschichte der Zerreißung Tirols im Jahre 1918. Ohne die Kenntnis dieser Vorgeschichte versteht man die italienische Begehrlichkeit auf Tirol und die erfolgte Aggression kaum. Wer die Tiroler Geschichte vor 1918 kennenlernen und vor allem wissen will, welche Kräfte die Fäden zur Zerstörung der Landeseinheit spannen, kann nicht umhin, Mayrs gründliche Analyse zu lesen. Es ist ein Werk, welches bereits 1916 um Jahrzehnte zu spät erschien und seine Wirkung nicht mehr entfalten konnte, wie man heute im Rückblick bedauernd festhalten muss.

In seinem Vorwort schrieb Mayr, daß

„die deutsche Geschichtsschreibung und die österreichische und deutsche Politik sich um das Wesen und die Entwicklung des italienischen Irredentismus in Österreich in seinem ganzen Zusammenhange bisher verhältnismäßig wenig gekümmert haben, obwohl er bereits die Kriege Italiens gegen Österreich in den Jahren 1848/49, 1859, 1866 und den Verrat Italiens an seinen Bundesgenossen im gegenwärtigen Weltkriege verursacht hat“.

Diese Gedanken sind aus der damaligen Notsituation mitten im Krieg verständlich. Im Abstand von 100 Jahren ist es jedoch auch geboten, die österreichische Politik sehr kritisch zu hinterfragen.

Dazu bitte ich den Leser, den nächsten Beitrag zu lesen!




Die Option 1939 und ihre Folgen

Nachdem im jüngsten SID der Beitrag „Hitler und Südtirol – Eine Dokumentation“ erschienen war, wurde von Lesern angefragt, ob wir nicht auch zum Thema der Option von 1939 nähere Informationen geben könnten.

Dankenswerter Weise hat sich Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt, der Germanistik, Osteuropäische Geschichte, Volkskunde und Politikwissenschaft studiert und 27 Jahre der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ angehört hatte, dazu bereit erklärt, einen solchen Beitrag zur Verfügung zu stellen.

Rund 78 Prozent der Berichterstattung über Südtirol gingen während seiner Tätigkeit in der FAZ auf seine Rechnung. Es war ihm stets ein Anliegen, die Interessen der Südtiroler und anderer ethnischer Minderheiten zu vertreten. Seit seinem Ausscheiden aus der FAZ lehrt er an österreichischen und ungarischen Hochschulen.

Im Jahr 2009 wurde Olt mit dem Verdienstorden des Landes Südtirol geehrt, und im Jahr 2013 zeichnete ihn die Republik Österreich mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst aus. Der Nordtiroler Landeshauptmann Günther Platter verlieh ihm ebenfalls anno 2013 den Großen Tiroler Adler-Orden.

Die Verleihung des Ehrendoktorats durch die Eötvös-Lórand-Universität in Budapest an Prof. Dr. Olt (rechts im Bild).
Die Verleihung des Ehrendoktorats durch die Eötvös-Lórand-Universität in Budapest an Prof. Dr. Olt (rechts im Bild).

1.Die Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst an Olt (rechts im Bild) durch den damaligen Wissenschaftsminister Univ.-Prof. Mag. Dr. Karlheinz Töchterle
Die Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst an Olt (rechts im Bild) durch den damaligen Wissenschaftsminister Univ.-Prof. Mag. Dr. Karlheinz Töchterle

Es freut uns, den nachstehenden Beitrag von ihm veröffentlichen zu können. Die Bebilderung wurde durch uns vorgenommen.

Georg Dattenböck
Schriftleiter

„Option“ – Hitlers und Mussolinis folgenreicher Schacher mit den Südtirolern.

 Eine Rückblende von Reinhard Olt

Zerreissung Tirols

Für Tiroler  ist von den historischen Erinnerungsdaten – neben dem Beginn des Ersten Weltkriegs, an dessen Ende die waffenstillstandswidrige Annexion des südlichen Landesteils durch Italien 1918 und dessen friedensvertragliche Übereignung an den Stiefelstaat im Jahr darauf stand – der alljährliche 21. Oktober als besonders schmerzlicher Gedenktag zu „bewältigen“: An diesem Tag des Jahres 1939 gab der nationalsozialistische deutsche „Führer“ Adolf Hitler seinem faschistischen italienischen Pendant, dem „Duce“ Benito Mussolini, Südtirol preis.

Mit dem damals zwischen Berlin und Rom in Kraft getretenen „Optionsabkommen“ sollte gewährleistet werden, was nach der faschistischen Machtübernahme in Italien 1922 zwischen Brenner und Salurner Klause sowie zwischen Reschen-Pass und Dolomitenstock trotz brutaler Entnationalisierungspolitik nicht erreicht worden war, nämlich die „ewige Italianità“ dieses Landstrichs.

Für dessen Erwerb hatten chauvinistische Irredentisten gemäß der seit Mitte des 19. Jahrhunderts propagierten „Wasserscheiden-Theorie“ unablässig gefochten, und für dessen Einverleibung wechselte Italien 1915 die Seite und trat – gemäß dem Motto „Sacro egoismo“ („Heiliger Eigennutz“) – gegen den aus Deutschem Reich und Österreich-Ungarn bestehenden Zweibund, mit dem es ehedem im „Dreibund“ verbündet war,  in den Krieg ein.

Hitler Bündnis Südtirol
Hitlers Programmschrift: Verzicht auf Südtirol

Schon in einer seiner weniger bekannten Schriften aus der „Kampfzeit“ – „Die Südtiroler Frage und das Deutsche Bündnisproblem“ (erschienen 1926 in München im NSDAP-Parteiverlag F. Eher) – hatte der „böhmische Gefreite“ Hitler zu erkennen gegeben, daß er die Südtiroler als ein Hindernis auf dem Weg zur Annäherung an den späteren Achsenpartner betrachtete.

 

Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938, womit die Wehrmacht am Brenner stand, zerstreute Hitler anlässlich seines Staatsbesuchs italienische Befürchtungen, wonach eine Rückgliederung Südtirols bevorstehen könnte, indem er am 7. Mai 1938 in Rom erklärte: „Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, daß es die von der Natur uns beiden aufgerichtete Alpengrenze immer als eine unantastbare ansieht.“

Hitler Mussolini Rom
Hitler und Mussolini in Rom

Diese Erklärung fand in dem am 22. Mai 1939 in Berlin im Beisein Hitlers von den Außenministern Joachim von Ribbentrop und Galeazzo Graf Ciano (Schwiegersohn Mussolinis) unterzeichneten „Stahlpakt“ ihre Bekräftigung. Denn in der Präambel dieses politisch-militärischen Bündnisses zwischen dem Deutschen Reich und Italien hieß es, dass mit den „für immer festgeschriebenen gemeinsamen Grenzen die sichere Grundlage für gegenseitige Hilfe und Unterstützung gegeben“ sei. Und um die in diesem Abkommen genannte „ewige Grenze“ auch „volkstumspolitisch“ zu untermauern, handelten besagter Graf Ciano und Reichsführer-SS Heinrich Himmler unter strikter Geheimhaltung das Optionsabkommen aus.

Sogar mit Briefmarken-Propaganda wurde das Bündnis dem deutschen und dem italienischen Volk angepriesen
Sogar mit Briefmarken-Propaganda wurde das Bündnis dem deutschen und dem italienischen Volk angepriesen

Es sah vor, daß sich Deutschsüdtiroler und Ladiner in der Provinz Alto Adige („Hochetsch“) sowie jene des zur Provinz Trient gehörenden Südtiroler Unterlandes, aber auch die Bewohner des bis 1918 zu Kärnten gehörenden Kanaltals – es erstreckt sich vom heutigen Grenzübergang Thörl-Maglern/Arnoldstein über Tarvis/Tarvisio bis Pontafel/Pontebba – sowie des Fersentals und Luserns (deutsche Sprachinseln im Trentino) für Italien oder für das Deutsche Reich zu entscheiden hatten: „Optierten“ sie bis zum 31. Dezember 1939 für die deutsche Staatsbürgerschaft, so war damit die Verpflichtung zur Aussiedlung verbunden; entschieden sie sich für die Beibehaltung der italienischen, somit für den Verbleib in der angestammten Heimat, so taten sie dies freilich in der Gewissheit, keinen Schutz mehr für ihre Volksgruppe in Anspruch nehmen zu können.

Collage_Hausmauer
Bild links: Bis in abgelegene Täler verbreiteten die Faschisten Angst und Terror. Diese drohende Aufschrift an einer Hausmauer im Ahrntal verkündete: „Wer den Duce antastet, wird die Kugel bekommen!“ Bild rechts: Der faschistische Präfekt Mastromattei verkündete die Drohung der Deportation nach Süden.

Schon im Juni 1939 war der Inhalt des schändlichen Abkommens in Südtirol bekannt geworden. Daraufhin traten Vertreter des (der Kirche nahestehenden) „Deutschen Verbandes“ (DV) wie Repräsentanten des (NS-nahen) „Völkischen Kampfrings Südtirols“(VKS), die sich im Bozner Marien-Internat bei Kanonikus Michael Gamper zu einer Beratung getroffen hatten, einhellig dafür ein,  geschlossen für den Verbleib in der Heimat zu stimmen. Am 1. August 1939 wurde im Verlautbarungsblatt der Staatsbahnen angekündigt, dass „in nächster Zeit Transporte von Personen und Gütern aus Südtirol in südliche Provinzen abgehen“ sollten. Der römische Statthalter, Präfekt Giuseppe Mastromattei, verkündete in der Zeitschrift „Atesia Augusta“, dass, wer „immer Treue zu Italien und zu den Einrichtungen des Regimes bewiesen“ habe,  bleiben dürfe. Dies bedeutete jedoch, dass die meisten der keineswegs faschistisch eingestellten Südtiroler von Deportation in die südlichen Provinzen bedroht waren. Dazu kam, dass laut Arbeitsvermittlungsgesetz nur Italiener als Ersatz für entlassene Deutschsüdtiroler eingestellt werden durften.

Option 2

Option 1
Es war schwer, die Heimat zu verlassen – es war noch schwerer, auf die eigene Identität zu verzichten

Den italienischen Privatbetrieben wurde die Einstellung von Südtirolern verboten, und auch die Obstgenossenschaften durften keine deutschtiroler Saisonarbeiter mehr beschäftigen. Höchste Repräsentanten des faschistischen Staates  gaben in öffentlichen Äußerungen zu verstehen, dass die für Italien optierenden Südtiroler nach Sizilien umgesiedelt werden könnten, wo das Regime gerade eine Landreform in Gang gesetzt hatte, wodurch 20 000 neue Bauernstellen geschaffen werden sollten. Späteren Erklärungen der italienischen Behörden, wonach Italien-Optanten in Südtirol verbleiben könnten, wurde nicht mehr geglaubt, vor allem auch, weil eine von Bischof Geisler geführte Delegation, die diesbezüglich bei Mussolini vorsprechen wollte, nicht empfangen worden war. Man sah sich auf Gedeih und Verderb der römischen Willkür ausgeliefert.

„Die Heimatlosen“. (Zeitgenössisches Gemälde von Thomas Walch)
„Die Heimatlosen“. (Zeitgenössisches Gemälde von Thomas Walch)

In ihrer Verzweiflung hatten sich Vertreter des VKS  direkt an Himmler gewandt. Dieser erklärte einer VKS-Abordnung anlässlich einer Begegnung am Tegernsee unverblümt, dass das Deutsche Reich die „Dableiber“, also die Optanten für Italien, ihrem Schicksal, mithin dem unabwendbaren nationalen Untergang, überlassen werde. Der VKS schwenkte nun um und begann, mit reichsdeutscher Unterstützung, für eine möglichst geschlossene Option für das Reich zu werben. Kanonikus Michael Gamper und sein Freundeskreis vom DV und dem Andreas Hofer-Bund (AHB) hingegen waren überzeugt, dass man im Lande bleiben und auf eine Änderung der Verhältnisse hoffen müsse. Die emotionalen Auseinandersetzungen führten zu einer tiefgreifenden Spaltung der Bevölkerung, die durch die Dörfer und teilweise auch durch die Familien ging. Es kam zu gegenseitigen Vorwürfen des „Verrats“, wobei die Deutschland-Optanten als „Heimatverräter“ und die „Dableiber“ als„Volksverräter“ beschimpft wurden.

Postkarte zum Gedenken an die Option von 1939
Postkarte zum Gedenken an die Option von 1939

Von den 246 036 dazu Berechtigten optierten 211 799 für die deutsche Staatsbürgerschaft und Aussiedeln, 34 237 votierten für die Beibehaltung der italienischen und Bleiben. Wer ging, ließ alle unbewegliche Habe zurück. Von den Optanten wurden schließlich etwa 76 000 ausgesiedelt. In ihre Häuser und Höfe, über deren Wert hastig Kommissionen befanden, zogen zumeist Süditaliener ein – der ganze Landstrich sollte ja seinen „deutschen Charakter“ verlieren.

Umsiedler auf dem Bahnhof Brixen
Umsiedler auf dem Bahnhof Brixen

Es gab herzzerreißende Abschiede
Es gab herzzerreißende Abschiede

Der Zweite Weltkrieg, an dessen Beginn vor 77 Jahren auch in diesem Zusammenhang zu erinnern ist, verhinderte die vollständige Ausführung der Umsiedlung, die bereits 1941 zum Erliegen kam, ins Deutsche Reich oder ihm angeschlossene respektive von ihm unterworfene Gebiete.

Die Entscheidung für Gehen oder Bleiben war schließlich schon mit der „Operationszone Alpenvorland“ gänzlich obsolet geworden, zu der Südtirol mit der Besetzung Norditaliens gehörte, nachdem Mussolini 1943 vom Faschistischen Großrat abgesetzt worden war und in der „Republik von Salò“ als Satrap Hitlers „regierte“. Berlin fragte fortan nicht mehr nach „Optanten“ oder „Dableibern“. Gestellungsbefehle an die Front erreichten Angehörige beider Lager.

Die Rückkehr der Deutschland-Optanten  in ihre Heimat nach Kriegsende stieß auf enorme Schwierigkeiten. Es bedurfte trotz des zwischen dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi und dem österreichischen Außenminister Karl Gruber am 5. September 1946 zu Paris geschlossenen Abkommens („Parier Vertrag“) über die (dann bis 1972 von Rom torpedierte) Autonomie Südtirols, welches auch die „Revision der Option“ zum Gegenstand hatte, zäher Verhandlungen, den zunächst Staatenlosen, überdies als Nazis Gebrandmarkten, die italienische Staatsbürgerschaft wieder zuzuerkennen. Die damals geschlagenen, tiefen seelischen Wunden sind auf beiden Seiten erst nach vielen Jahren wieder vernarbt.

Selbst der von Angehörigen beider Lager gegründeten Südtiroler Volkspartei (SVP), an deren Spitze nachmals für gut drei Jahrzehnte Silvius Magnago stand, ein Optant, fiel es nicht leicht, die Kluft allmählich zu überwinden. Kanonikus Gamper gebührt das Verdienst, durch sein leuchtendes Beispiel der Nächstenliebe und Toleranz die Südtiroler nach Kriegsende wieder zu einer handlungsfähigen Volksgruppe zusammengeführt zu haben.

Der ehemalige KZ-Häftling und Journalist Dr. Friedl Volgger (Bild links) setzte sich zusammen mit Kanonikus Michael Gamper (Bild rechts) uneigennützig und tatkräftig für die Rückkehr seiner Landsleute ein.
Der ehemalige KZ-Häftling und Journalist Dr. Friedl Volgger (Bild links) setzte sich zusammen mit Kanonikus Michael Gamper (Bild rechts) uneigennützig und tatkräftig für die Rückkehr seiner Landsleute ein.

Anfangs hatte der im Mai 1945 von den Alliierten in Bozen eingesetzte italienische Präfekt Bruno De Angelis sogar danach getrachtet, die Aussiedlung der verbliebenen Optanten in die amerikanischen, englischen und französischen Besatzungszonen in Österreich und Deutschland zu erreichen. Dies war an den alliierten Mächten gescheitert. Rom versuchte sodann, mit Kniffen und Tricks die Rückkehr der ausgesiedelten Optanten zu behindern. Welche Methoden dabei angewandt wurden, zeigte etwa die Beschlagnahme des Vermögens jener Deutschland-Optanten, denen Italien 1949 die Wiedererteilung seiner Staatsbürgerschaft unter der durch nichts zu rechtfertigenden Beschuldigung verweigerte, es handele sich durchweg um Nazis. Damit hoffte man, weitere Rückkehrwillige abzuschrecken.

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Wie der italienische Präfekt Bruno de Angelis, selbst ein ehemaliger Faschist, erklärte, sollten nur jene Optanten nach Südtirol zurückkehren dürfen, die der italienischen Staatsbürgerschaft „nicht aus eigenem freien Willen verlustig gegangen sind“ - auf gut Deutsch: keine Optanten sollten zurückkehren können! (Bericht der Zeitung „Dolomiten“ vom 15./16. September 1945)
Wie der italienische Präfekt Bruno de Angelis, selbst ein ehemaliger Faschist, erklärte, sollten nur jene Optanten nach Südtirol zurückkehren dürfen, die der italienischen Staatsbürgerschaft „nicht aus eigenem freien Willen verlustig gegangen sind“ – auf gut Deutsch: keine Optanten sollten zurückkehren können! (Bericht der Zeitung „Dolomiten“ vom 15./16. September 1945)

Bis 1952 hatten nur deren 25 000 wieder in die Heimat zurückkehren können. Das war nur rund ein Drittel der Ausgesiedelten.

Erst dem „Dableiber“, Gamper-Vertrauten, ehemaligen KZ-Häftling, nunmehrigen Journalisten und SVP-Abgeordneten im italienischen Parlament Friedl Volgger gelang es mithilfe einer von ihm organisierten alliierten Unterstützung, die römische Regierung dazu zu bewegen, die Vermögensbeschlagnahme wieder aufzuheben.

Aufruf in der Tageszeitung „Dolomiten“, Rücksiedlungsausschüsse in den Orten zu gründen und den Rücksiedlern nach Kräften zu helfen.
Aufruf in der Tageszeitung „Dolomiten“, Rücksiedlungsausschüsse in den Orten zu gründen und den Rücksiedlern nach Kräften zu helfen.

Für lange Zeit auch stellte sich im deutsch-italienischen Nachkriegsverhältnis die vermögens- und versicherungsrechtliche sowie die technische Abgeltung von Leistungen für Optanten wie ein Sperrriegel in den Weg. Die Optanten hatten sämtliche Guthaben verloren. Die Ablösesummen für ihre zwischen 1939 und 1941 in Südtirol verlassenen Besitztümer waren auf Sperrkonten ohne Verfügungsberechtigung überwiesen worden. In Österreich, das 1938 dem Reich „angeschlossen“ worden war und wohin viele Südtiroler ausgesiedelt wurden, raffte die Geldentwertung die „freien Einlagen“ dahin.

Und in Ansiedlungsgebieten wie Böhmen und dem Elsass waren von Optanten erworbene Liegenschaften als „deutsches Eigentum“ entschädigungslos konfisziert worden.

Plakat des Rücksiedlungsausschusses Brixen aus dem Jahre 1950. Es galt, den Rücksiedlern wieder Wohnungen und Arbeitsplätze zu beschaffen. Hier wurden die im Lande Verbliebenen zu solidarischer Hilfe aufgerufen.
Plakat des Rücksiedlungsausschusses Brixen aus dem Jahre 1950. Es galt, den Rücksiedlern wieder Wohnungen und Arbeitsplätze zu beschaffen. Hier wurden die im Lande Verbliebenen zu solidarischer Hilfe aufgerufen.

In Südtirol bemühten sich Josef Zingerle, diözesaner Caritasdirektor von Brixen, Rudolf Freiherr Unterrichter von Rechtenthal, Johannes Schauff von der in Genf ansässigen „Internationalen Katholischen Wanderungskommission“, sowie die SVP-Senatoren Karl Tinzl und Karl Mitterdorfer um Rücksiedlungshilfen für heimkehrwillige Optanten aus der Bundesrepublik.

Erst Anfang der sechziger Jahre konnten ihre Bemühungen mit finanzieller Hilfe Bonns in geordnete Bahnen gelenkt werden, indem Finanzministerium und Bundesausgleichsamt eine „humanitäre Regelung“ entwickelten, in die später das Arbeits- und Sozialministerium eingebunden war. Grundlage dafür war das 14. Lastenausgleichsgesetz, welches 1963 auf „Umsiedlungsgeschädigte und Optanten“ angewandt wurde.

In Bozen wurde ein „Berufungsausschuss für Umsiedlungsgeschädigte“ eingerichtet, über den man das Verfahren zur individuellen Entschädigung nach dem deutschen Reparationsschädengesetz abwickelte, welches in einem 1969 in Kraft getretenen „Abkommen zur Regelung von Kriegsschäden italienischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland und deutscher Staatsangehöriger in der Republik Italien“ seine Anwendung fand.

Letztendlich mündete es in das deutsch-italienische Rentenabkommen von 1976, in welchem eine über die Abgeltung von Vermögensschäden hinausreichende Zubilligung von Ausfallzeiten sowie Rentenleistungen geboten war und nach Beseitigung mancher Schwierigkeiten in Verhandlungsrunden 1983, 1986 und 1991 bis zur endgültigen Befriedung 1998 zum Tragen kommen konnte.

Während die italienischen Behörden die Rückkehr zahlreicher Optanten zu verhindern trachteten, setzte sich die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) für diese Landsleute voll ein. (Aufruf zu einer Versammlung mit Beratung von Optanten in der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 8. Jänner 1953)
Während die italienischen Behörden die Rückkehr zahlreicher Optanten zu verhindern trachteten, setzte sich die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) für diese Landsleute voll ein. (Aufruf zu einer Versammlung mit Beratung von Optanten in der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 8. Jänner 1953)

Zu Mitgliedern des Bozner Beratungsausschusses waren Vertreter der Optanten, der Sozialverbände, der Kirche und des öffentlichen Lebens berufen worden. Grundsätzlich wurden Leistungen nach dem Einzelantragsprinzip gewährt. Zahlungen zur Abgeltung von Vermögensansprüchen wurden an Geschädigte oder antragsberechtigte Erben geleistet, Rentenansprüche und -zahlungen im Zusammenwirken mit dem italienischen Rentenversicherungsträger NISF/INPS geregelt; der Berufungsausschuss stellte hierfür die amtlich anerkannten Bescheinigungen aus.

Nach dem Bonner Lastenausgleichsgesetz sind insgesamt 121,3 Millionen Mark bewilligt worden, die deutschen Aufwendungen im Rahmen des Rentenabkommens beliefen sich auf 262 Millionen Mark. Dreißigtausend Akten hatte der Berufungsausschuss angelegt, mehr als fünfzehntausend Anträge bearbeitet; nahezu zehntausend Begünstigte kamen in den Genuss von Zahlungen.

In einer separaten Regelung für Optanten aus dem Fersental und aus Lusern ermöglichte der Berufungsausschuss die Rückübertragung von 27 000 Grundparzellen im Trentino und 1971 den Umtausch von Vermögenswerten auf DM-Basis, die einst in Reichsmark festgesetzt worden waren.

Zahlreiche Priester waren uneigennützig bei der Rückführung der Optanten in die Heimat behilflich.
Zahlreiche Priester waren uneigennützig bei der Rückführung der Optanten in die Heimat behilflich.

Im Jahr 1999, 35 Jahre nach seiner Gründung und 60 Jahre nach dem unseligen Optionsabkommen, hatte der Berufungsausschuss seine gänzlich ehrenamtliche Tätigkeit beendet. Damit schloss sich ein beklemmendes Kapitel der jüngeren deutsch-italienischen Geschichte, damit war zugleich eine über Jahrzehnte belastende Hypothek auf den Beziehungen zwischen Bonn/Berlin und Rom sowie der beiden Hauptstädte zu Südtirol auf langwierige, aber humanitäre und pekuniäre Weise geräuschlos abgetragen worden.

Ein Beteiligter sah sich hingegen gegenüber den Ansprüchen von Optanten nicht in der Pflicht, wie der damalige Abschlußbericht des Ausschussvorsitzenden festhielt: „Die Verhandlungen um eine Entschädigung seitens der Republik Österreich für die Einbehaltung von cirka 11 000 Wohnungen, die mit Geldern der Südtiroler Umsiedler, gestützt auf Reichsbürgschaften, noch während des Zweiten Weltkrieges für diese errichtet wurden, führten zu keinem Erfolg.“

Weiter hieß es darin: „Es wäre sicherlich opportun, wenn die CA-Bank Innsbruck noch alle Konten der Optanten nach dem Vorbild der Schweizer Banken offenlegen würde.“

Mit in Jahrhunderten gefestigten Banden historisch legitimiert und mit der Jurisdiktion zweier UN-Deklarationen im Rücken gibt sich Wien zwar stets zu Recht als „Schutzmacht“ der Südtiroler aus. Wo es ihr als „Schutzmacht“ aber gut angestanden hätte, zusammen mit Deutschland Rückgrat zu zeigen, da zog sich die Republik Österreich in bewährter Weise auf den von ihr vertretenen, quasi staatsdoktrinären Standpunkt von der „Nichtexistenz als Völkerrechtssubjekt zwischen 1938 und 1945“ zurück – er kostet(e) nichts.