Die „Guten Hirten“ Tirols in Not und Bewährung

Bild: Kanonikus Michael Gamper – ein guter „Gute Hirte“ Tirols und ein Kämpfer für die Rechte seines Volkes

Die Weigerung des Nordtiroler Diözesanadministrators und möglichen Bischofs von Innsbruck, Monsignore Mag. Bürgler, eine Tafel zur Erinnerung an den selbstlosen christlichen Blutzeugen Franz Innerhofer christlich  segnen zu lassen, hat in Nord- und Südtirol große Bestürzung unter zahlreichen Gläubigen hervorgerufen.

Der Marlinger Lehrer Franz Innerhofer war 1921 in Bozen von tobenden, prügelnden und schießenden Faschisten ermordet worden, während er erfolgreich versucht hatte, einen 8jährigen Buben aus seiner Schule vor deren Wüten zu retten.

Auf noch größeres Unverständnis unter vielen Gläubigen ist die Empfehlung des Administrators gestoßen, anstelle der Gedenktafel die damaligen faschistischen Mörder zu segnen, weil die höchste Form des Segens die Segnung der Verfolger sei, die man nicht verurteilen oder schelten, sondern nur segnen solle.

Mit solchen Botschaften stellt sich Innsbrucker Diözesanadministrator in einen unübersehbaren Gegensatz zu jenem Tiroler Klerus, welcher bislang die fürsorgliche Hirtenrolle gegenüber der Gemeinschaft treu wahrgenommen hatte.

Siehe hier die Dokumentation aus dem letzten SID: weiterlesen

Die Aufgabe des „Guten Hirten“ – Naturrecht und Menschenrechte

In der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ vom 6. Mai 2017 hat Pater Olaf Wurm zeitlos Gültiges zur Rolle nicht nur des geistlichen „Guten Hirten“ in der Gemeinschaft der Mitmenschen ausgesprochen. Auszugsweise seien seine Worte hier wiedergegeben:

Es geht also nicht um die doktrinäre Leitung einer ziellosen „Herde“, sondern es geht um die Mitverantwortung gegenüber der Gemeinschaft und den Mitmenschen, um das stetige Bemühen, moralisches Vorbild zu sein, es geht um Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft.

Dies ist eine sittliche Forderung nicht nur an die Kleriker, sondern auch an uns alle.

Vorbild Kanonikus Michael Gamper

Als der geistliche Vorkämpfer für die Rechte seines Volkes und Herausgeber der „Dolomiten“, Kanonikus Michael Gamper, im Jahre 1956 starb, widmeten ihm die „Dolomiten“ einen Nachruf, den bestimmte hohe Geistliche heute wieder lesen sollten.

In diesem Nachruf hieß es über den Kanonikus:

Die von Kanonikus Gamper verkörperte sittliche Haltung hat der Tiroler Klerus in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, wenn es um die Belange des gegen alle Menschenrechte geteilten Landes Tirol und seiner Mitbürger ging.

In Zeiten äußerster Not während der Zeit des Faschismus, des Nationalsozialismus und der Fortführung der faschistischen Politik nach 1945 in Südtirol, waren diese Priester wahre Leuchtfeuer in düsterer Nacht.

Die katholische Soziallehre als Stütze

Dabei stützten sich diese Priester auf die katholische Soziallehre, welche davon ausgeht, dass die Schöpfung der Welt untrennbar mit einem natürlichen und universal gültigen Naturrecht verbunden ist, welches göttlichen Ursprungs und dem von Menschen gesetzten Recht übergeordnet ist.

Auch die österreichische Rechtsordnung anerkennt das Naturrecht. So hieß es schon in § 16 des 1812 geschaffenen österreichischen „Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs“ (ABGB) ausdrücklich: „Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte…“

Die Respektierung der Menschenrechte ist darüber hinaus in zahlreichen österreichischen Verfassungsgesetzen festgelegt. Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen (UN-Menschenrechtscharta) unterstrich im Jahre 1948 die Bedeutung des Naturrechts, ohne welches es heute keine Verankerung der allgemeinen Menschenrechte in zahlreichen staatlichen Verfassungen geben würde.

Zu diesen Menschenrechten zählt auch das Recht der Völker und Volksgruppen auf Selbstbestimmung, auch wenn betroffene Staaten dies ständig zu relativieren und zu bestreiten versuchen.

Der Aufruf des „Andreas Hofer-Bundes“

In dem Wissen, dass man nicht die Haltung des gesamten Tiroler Klerus mit der des Innsbrucker Administrators und einiger Gesinnungsgenossen gleichsetzen darf, hat der „Andreas Hofer-Bund Tirol“ in einigen Aussendungen bereits solche herausragende Beispiele vorgestellt und darum gebeten, man möge weitere benennen.

Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum und im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck finden sich zu diesem Thema wahre Schätze, die von den Befürwortern der Landesteilung freilich gerne übergangen und verschwiegen werden.

Der SID mach sie hiermit öffentlich.

1945: Sämtliche SVP-Bezirke, der Fürstbischof von Brixen und alle Südtiroler Seelsorger fordern die Landeseinheit

In der zweiten Hälfte des Jahres 1945 war das weitere Schicksal Südtirols noch nicht entschieden.

Am 11. September 1945 sollte in London die erste alliierte Außenministerkonferenz zur Vorbereitung des italienischen Friedensvertrages beginnen. Um vor Beginn der Konferenz die Haltung Tirols darzulegen, entschlossen sich die politischen Parteien, am 4. September 1945 eine Großkundgebung in Innsbruck abzuhalten, zu der die den Tirolern gewogene französische Besatzungsmacht ihre Zustimmung erteilte.

Zur gleichen Zeit forderten alle Bezirksobleute der neu gegründeten „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) sowie ausnahmslos alle Südtiroler Seelsorger von den Alliierten die Wiederherstellung der Tiroler Landeseinheit.  Im Sommer 1945 waren in Südtirol diese Unterschriftensammlungen für die Rückkehr Südtirols zu Österreich durchgeführt worden, die schon den Charakter einer schriftlichen Volksabstimmung gehabt hatten.

Diese Bitte des Südtiroler Geistlichkeit war begleitet von einem Memorandum des Fürstbischofs von Brixen, Johannes Geisler.

Über den Fürstbischof Johannes Geisler und seinen Einsatz für Heimat und Mitmenschen hat der anerkannte Kirchenhistoriker Josef Gelmi eine herausragende Biographie geschaffen. (Verlag A. Weger, Brixen 2003)

Die Erklärungen der SVP-Bezirks- und Ortsobmänner Südtirols, von denen eine hier wiedergegeben ist, liegen als Originale im Tiroler Landesarchiv auf. (Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Amt der Tiroler Landesregierung, Referat Südtirol, Jahr ca. 1957-1990, Karton 26)

Bezüglich der Unterschriften der Südtiroler Seelsorger hieß es in der Landhauskorrespondenz und über die Petition des Fürstbischofs Geisler weiter:

In der „Landhauskorrespondenz“ vom Herbst 1945 informierte die Tiroler Landesregierung die Öffentlichkeit über die Forderung aller Bezirke der Südtiroler Volkspartei sowie der Südtiroler Geistlichen einschließlich des Fürstbischofs D. Johannes Geisler nach Selbstbestimmung. (LHK Landhauskorrespondenz, Sonderausgabe „Südtirol ruft Österreich“, Innsbruck undatiert.)

Die von Fürstbischof Johannes Geisler genannten Erklärungen der Südtiroler Priester, in denen sie bezeugten, dass es der einhellige Wunsch der gesamten Bevölkerung ihrer Pfarrgemeinde sei, wieder mit Nordtirol vereinigt zu werden, waren auf heimlichem Weg über die von den Italienern streng kontrollierte Grenze nach Nordtirol zur „Landesstelle für Südtirol“ bei der Tiroler Landesregierung gebracht worden. Von dort waren diese Dokumente in Kopien zusammen mit der Petition des Fürstbischofs von Brixen dem britischen Ministerpräsidenten Attlee sowie den anderen alliierten Regierungschefs übermittelt worden.

Die beeindruckende Sammlung der Originale befindet sich heute im Tiroler Landesarchiv. (Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Amt der Tiroler Landesregierung, Referat Südtirol, Jahr ca. 1957-1990, Karton 26)

1945: Die Nordtiroler Geistlichkeit ist solidarisch

Die Nordtiroler Geistlichkeit hatte im Juli 1945 das Begehren der Südtiroler mit einer eigenen von hohen Klerikern unterzeichneten Petition an die alliierten Siegermächte unterstützt und gebeten, „einem friedlichen, braven, an Freiheit gewöhnten Volke seinen sehnlichsten Wunsch nach Widervereinigung mit den Brüdern in Nordtirol und Österreich nicht zu versagen.“

Aus der Denkschrift des Nordtiroler Klerus. (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck. Bibliothek.)

Der bischöfliche Kanzler Kassian Lechleitner (Bild links) hatte die Denkschrift der Nordtiroler Geistlichkeit unterzeichnet. Der Verfasser war der katholische Priester Monsignore Franz Kolb (Bild rechts). Dieser hatte bereits im Ersten Weltkrieg als Feldkurat an der Südfront gestanden und war nach dem Krieg von den faschistischen Behörden wegen seiner tirolischen Gesinnung aus Brixen nach Österreich abgeschoben worden. Danach war er als Religionslehrer in Innsbruck und Volders tätig. Als Nationalratsabgeordneter in Wien hatte er am 23. Februar 1928 vor dem Parlament eine Rede gehalten, in der er die faschistische Politik angeprangert hatte. Kolb war Landeskurat der Nordtiroler Schützen und trat mit ganzer Kraft und aus vollem Herzen für die deutsche und ladinische Volksgruppe in Südtirol ein. Er starb im Jahre 1959, kurz vor der großen Landesfeier, an deren Vorbereitung er mit aller Kraft mitgewirkt hatte.

1946: „Gebetsstürme“, Volkswallfahrten und Bittprozessionen in Südtirol

Am 1. Mai 1946 in Paris beschlossen die alliierten Außenminister, die Wiederherstellung der Tiroler Landeseinheit abzulehnen. Damit kamen die Westmächte Italien entgegen, das sie in die westliche Bündnisgemeinschaft einbinden wollten. Daraufhin riefen Fürstbischof Johannes Geisler und der Klerus Südtirols zu „Gebetsstürmen“ und zu Volkswallfahrten für die Wiedervereinigung Tirols auf.

Am 5. Mai 1946 strömten zu dem Fest des Diözesanpatrons St. Kassian viele tausende Menschen aus allen Tälern des Eisack und der Rienz in die alte Bischofstadt Brixen, um die Fürbitte des Patrons zu erflehen und um der Welt den ungebrochenen Willen des Volkes zu zeigen.

Die Wallfahrer in der Hofburg in Brixen

Am gleichen Tag flehten tausende Gläubige in Meran den Himmel um Hilfe an. Die „Dolomiten“ berichteten darüber am 6. Mai 1946:

Am 30. Juni 1946 fand vor der durch Bombenangriffe halb zerstörten Stadtpfarrkirche in Bozen eine große und ergreifende Herz-Jesu-Feier statt.

Der Waltherplatz in Bozen konnte die riesige Menschenmenge kaum fassen

Am Abend kündeten rund um Bozen die Feuer von der religiösen Treue und der Sehnsucht des Landes nach Freiheit.

Viele weitere Bittprozessionen und Wallfahrten fanden in ganz Südtirol statt.

Aus „Dolomiten“ vom 15. April 1946

Aus „Volksbote“ vom 9. Mai 1946

Aus „Volksbote“ vom 9. Mai 1946

 

 

Aus „Dolomiten“ vom 16. April 1946

1946: Fürstbischof Geisler und die SVP fordern von den alliierten Mächten das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol

Am 22. Mai 1946 richteten Fürstbischof Geisler und der junge SVP-Organisationsleiter Friedl Volgger einen letzten verzweifelten Appell an alle alliierten Außenminister. Sie trugen die Bitte vor, Gerechtigkeit walten zu lassen und Südtirol im Sinne der verkündeten „Atlantic Charter“ das Selbstbestimmungsrecht zuzugestehen.

Nachstehend das Faksimile des Schreibens, welches an den britischen Außenminister Ernest Bevin ergangen war:

Bericht der „Tiroler Nachrichten“ über den letzten verzweifelten Versuch Geislers, die Landeseinheit zu retten

Der geistliche Widerstand gegen die geplante kulturelle Auslöschung der Südtiroler

Die machtpolitischen Erwägungen der Alliierten waren stärker gewesen als die moralischen Appelle der Süd- und Nordtiroler Geistlichkeit.

Als es in der Folge darum ging, der von Rom im faschistischen Geist fortgeführten Entnationalisierung und Entrechtung entgegen zu treten, war die Tiroler Geistlichkeit Jahrzehnte lang eine unermüdliche Stütze des Tiroler Widerstandswillens.

Allen voran wirkte der Herausgeber der „Dolomiten“, der unvergessliche Kanonikus Michael Gamper, der wiederholt nicht nur seine Landsleute ermuntert und aufgerüttelt, sondern auch die Schutzmacht Österreich mit dem Hinweis auf den drohenden „Todesmarsch“ der Volksgruppe öffentlich in die Pflicht genommen hat.

Sein Werk dauert bis heute fort. Natürlich wurden auch die „Dolomiten“ im Laufe der Zeit in innenpolitische Auseinandersetzungen der deutsch-ladinischen Volksgruppe verwickelt. Selbstverständlich muss diese Zeitung heute auch einer gewissen gesellschaftspolitischen Breite offen stehen. Dabei hat sie aber eine wichtige Generallinie gewahrt.

Man kann im Rückblick sagen, dass ohne das jahrzehntelange Eintreten der „Dolomiten“ für die Rechte Südtirols die Geschichte des Landes anders, und zwar viel schlechter, verlaufen wäre.

Das fortgeführte Erbe und Vermächtnis Gampers wirken bis heute segensreich nach. Dieser Linie fühlen sich zwar heute nicht mehr alle Kirchenoberen verpflichtet, aber zahlreiche Priester im Lande wirken in ihren Predigten, in ihren Tätigkeiten in der Gemeinde und als Schützenkuraten weiter in diesem Sinne.

Sie sind die „Guten Hirten“ und das Herz der christlichen Gemeinde.




Ein Denkmal in Innsbruck für das erste Todesopfer des Faschismus in Südtirol

Foto: Erich Staudinger

Vorwort des Herausgebers

Ich möchte dieser Ausgabe des SID vier Sätze voranstellen:

Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie!“ (Friedrich Schiller)

Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Grundgesetz der BRD, Artikel 1)

Mord verjährt nicht (Strafgesetzbuch)

Du sollst nicht morden“ (Bibel)

Der nachstehende Artikel sowie die dazugehörigen Dokumentationen befassen sich mit dem von den Faschisten verübten brutalen und ungesühnten Mord an einem selbstlosen christlichen Tiroler.

Er befasst sich auch mit der Nichtaufarbeitung von Seiten des italienischen Staates sowie der notwendigen Gedenkkultur und Trauerarbeit in unserem Land.

Am Samstag, 22. April 2017, wurde in Innsbruck ein neues Denkmal für den am 24. April 1921 in Bozen von Faschisten ermordeten Lehrer Franz Innerhofer im Rahmen einer bewegenden Gedenkfeier enthüllt. Der unermüdliche Einsatz von Winfried Matuella, Obmann des „Andreas Hofer Bundes“ (AHB), und die Hilfe weniger Idealisten machten die Errichtung des neuen Denkmals möglich.

Bereits 1931 war vom damaligen „Andres-Hofer-Bund“ eine Gedenktafel an einer Mauer am Rennweg in Innsbruck angebracht worden. Dieses war aber von den Nationalsozialisten 1938 entfernt und in das Volkskunstmuseum entsorgt worden – man hatte den italienischen Diktator und Hitler-Freund Mussolini nicht vor den Kopf stoßen wollen.

Erstaunliches ist über das Geschehen im Vorfeld der Gedenkfeier 2017 zu berichten: Die schroff ablehnende Haltung des Administrators und mutmaßlichen nächsten Bischofs der Diözese Innsbruck gegenüber der Bitte um Unterstützung. Es fand sich in der Folge auch kein Priester, der es gewagt hätte, entgegen den Wünschen Diözesan-Administrators die religiöse Segnung vorzunehmen. Der geneigte Leser wird sich anhand der dokumentierten Fakten und der Aussagen der Diözesanleitung hier selbst sein moralisches Urteil über diese Verhaltensweisen bilden.

Trotz alledem war es eine sehr bewegende Feier und alle Demokraten und Antifaschisten sollten den idealistischen Organisatoren Dank aussprechen!

Georg Dattenböck

Ein Denkmal in Innsbruck für das erste Todesopfer des Faschismus in Südtirol

Franz Innerhofer

Am 24. April 1921 wurde in Bozen der Marlinger Lehrer und Schulleiter Franz Innerhofer von Faschisten ermordet. Dieser hatte einen 8jährigen Marlinger Buben vor tobenden Faschistenhorden in Sicherheit gebracht, welche aus Italien angereist waren, um den Trachtenumzug der Bozner Messe schießend, Bomben werfend und prügelnd zu überfallen. Dabei wurde Franz Innerhofer selbst von den Faschisten im Hausflur des Ansitzes Stillendorf in Bozen meuchlings erschossen. Dieser blutige Tag mit einem Toten und vielen Verletzten ging in die Geschichte als „Bozner Blutsonntag“ ein.

Eine Dokumentation über die Ermordung Innerhofers findet sich hier.

2017: Die Neuerrichtung einer würdigen Gedenkstätte

Eine im Jahre 1931 am Rennweg in Innsbruck von dem damaligen „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ errichtete Gedenktafel war 1938 von den Nationalsozialisten abgerissen und in das Depot des Volkskunstmuseums entsorgt worden, wo ihr Anblick die Anhänger des Hitler-Freundes Benito Mussolini nicht mehr beleidigen konnte.

Während in Südtirol nach 1945 das Andenken an Franz Innerhofer vor allem auf Initiative der Schützen wachgehalten wurde, geriet dieser in Nordtirol schon nahezu in Vergessenheit.

Eine Dokumentation darüber findet sich hier.

Zwanzig Jahre vergebliches Bemühen

Nachdem der von den Nationalsozialisten aufgelöste „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ im Jahre 1994 unter dem Namen „Andreas Hofer-Bund Tirol“ (AHB) wiedergegründet worden war, bemühte sich der damalige Obmann Josef Felder nahezu 20 Jahre lang vergeblich um die Wiedererrichtung der 1938 aufgelösten Gedenkstätte für Innerhofer.

In einem Arbeitsbericht des jetzigen Obmannes des „Andreas Hofer-Bund Tirol“, Winfried Matuella, heißt es dazu:

„Beinahe 20 Jahre hat sich der damalige Obmann des AHBT Ing. Josef Felder bemüht, als er durch Zufall die Schrifttafel des abgetragenen Denkmales, schamhaft hinter dem Getäfel einer Bauernstube versteckt im Volkskunstmuseum in Innsbruck entdeckte. Zahlreiche Ansuchen um Wiedererrichtung an Bund, Land und Stadt Innsbruck wurden entweder ignoriert, abgelehnt, oder man wurde mit fadenscheinigen Ausreden vertröstet. Bei persönlichen Vorsprachen bei Politkern erging es einem nicht anders. Der eine meinte sie gehöre da hin, der zweite meinte, sie gehöre ganz wo anders hin, der dritte meinte, so was kann man heute überhaupt nicht mehr aufstellen. Beinahe 20 Jahre vergingen und das Denkmal stand immer noch nicht.“

Die im Volkskunstmuseum Innsbruck verborgene Originaltafel wurde nicht freigegeben

Der Durchbruch

In dem Bericht heißt es weiter: „Bis der Vorschlag von der Laurin-Stiftung (Anm.: Eine Stiftung, die sich vor allem auch für die menschenrechtliche, soziale und kulturelle Anliegen Südtirols einsetzt) kam, das Denkmal dort am Tummelplatz an jener Stätte aufzustellen, an der aller durch die Teilung Tirol verstorben, gefoltert oder der Heimat Vertriebenen gedacht wird. Dieser Vorschlag wurde vom jetzigen Obmann des Bundes, Ing. Winfried Matuella, mit Begeisterung aufgenommen, da die Stiftung auch den Großteil der Finanzierung übernahm. Vergebliches Bemühen, die Originaltafel, die wir als Eigentum des AHBT betrachten, frei zu bekommen, führte dazu, dass eine Kopie hergestellt werden musste.“

Der Grundeigentümer der Gedenkstätte am Tummelplatz, die Familie Wittauer, gab gerne ihre Genehmigung und stellte den Grund kostenlos zur Verfügung.

Der immerhin schon 80 Lebensjahre zählende Winfried Matuella führte sodann unter Mithilfe treuer Kameraden die Planung und die Denkmalerstellung durch.

22. April 2011: Die Denkmalenthüllung

Die geplante priesterliche Segnung des Denkmals musste aufgrund der ablehnenden Haltung der Diözese Innsbruck und deren Administrators entfallen. Auch der Pfarrer von Amras verweigerte die Segnung.

Über dieses Geschehen liegt ein Schriftverkehr mit der Diözese Innsbruck vor, aus welchem hervorgeht, in welchem Ausmaß diese Vertreter der Kirche sich bereits dem heutigen Zeitgeist willig ergeben haben.

Eine Dokumentation über dieses Geschehen findet sich hier.

Auch Nordtirols Landespolitiker zeigten wenig Interesse an der Veranstaltung. Wie Winfried Matuella in seinem Arbeitsbericht vermerkt, gab es von ihnen wenig Echo. „Viele haben es sogar unterlassen, überhaupt zu antworten.“

Transparente auf dem Zufahrtsweg zum Tummelplatz wiesen darauf hin, worum es heute geht.

Die Teilnehmer versammelten sich zur Gedenkfeier (Foto Staudinger)

Als sich am 22. April 2011 mehr als 100 Teilnehmer auf dem Innsbrucker Tummelplatz vor der noch mit einer rot-weiß-roten Fahne verhüllten Gedenktafel trafen, befanden sich unter ihnen außer den AHB-Mitgliedern auch Schützen aus Nordtirol, Südtirol und aus Welschtirol (dem heutigen „Trentino“), sowie Vertreter der Südtiroler Oppositionspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ sowie des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB). Der SHB ist eine von ehemaligen politischen Häftlingen und Südtiroler Freiheitskämpfern gegründete Vereinigung, welche sich für die Wiedererlangung der Landeseinheit Tirols einsetzt. Auch einige ehemalige Freiheitskämpfer der 1960er-Jahre waren gekommen, wie beispielsweise Univ. Prof. Dr. Erhard Hartung. Regierungsmitglieder der Landesregierungen waren keine zu sehen.

Die noch mit der österreichischen Flagge verhüllte Gedenktafel

Der AHB-Obmann Winfried Matuella begrüßte die Erschienenen

Die Grußworte des Südtiroler Heimatbundes

Der AHB-Obmann Winfried Matuella begrüßte die Teilnehmer an der Feier. Dann verlas der ehemalige politische Häftling Meinrad Berger die Grußworte des SHB-Obmannes Roland Lang, welcher wegen eines Krankheitsfalles in der Familie selbst nicht hatte kommen können.

Anstelle des verhinderten SHB-Obmann Roland Lang (Bild links), überbrachte der Südtiroler ehemalige politische Häftling Meinrad Berger (Bild rechts) dessen Grußworte. (Foto Staudinger)

Roland Lang zeigte in seinen Grußworten auf, dass die italienischen Behörden nie an der Ahndung der Mordtat interessiert gewesen waren:

„Im damals noch demokratischen Italien wurde dieser Mord nie verfolgt und nie gesühnt. Laut Erzählungen von verstorbenen Bozner Bürgern soll der Mörder von Innerhofer der faschistische Squadrist Lino Mariotti gewesen sein. Obwohl im Laufe der Jahre die Identität des Innerhofer- Mörders genauestens bekannt war, konnte dieser danach am Obstmarkt, mit Wohlwohlen der Behörden, unbehelligt einen Verkaufsstand betreiben.

Alles Tirolerische, besonders aber die Trachten, waren den Faschisten beim Überfall auf dem Messeumzug ein Dorn im Auge. Auch 50 Jahre später scheute sich das nunmehr demokratischen Italien nicht, gegen die Tiroler Trachten vorzugehen.

Am 22. April 1961, also auf den Tag genau heute vor 56 Jahren, verbot Innenminister Scelba den Südtiroler Schützen das Tragen ihrer Tracht. Der damalige Landeskommandant Karl Mitterdorfer verglich das Verbot zu Recht mit der Unterdrückung unter dem Faschismus!

Den Schutz eines Kindes bezahlte der Lehrer mit einer tödlichen Revolverkugel in seinen Rücken. Mit seinem Tode wurde der Mensch Franz Innerhofer zum Helden der Menschlichkeit.

Es freut mich, dass heute im nördlichen Teil Tirols des Opfers von Franz Innerhofer gedacht wird. Er bleibe uns allen in lebendiger Erinnerung als ein Beispiel mutiger Menschlichkeit, der auch in großer persönlicher Gefahr verantwortungsvoll handelte. Ehre und Dank seinem Andenken!

In Vertretung des Südtiroler Heimatbundes danke ich dem Andreas-Hofer-Bund Tirol unter seinem Obmann Ing. Winfried Matuella für diese selbstlose Initiative der Wiedererrichtung des Gedenksteins für Franz Innerhofer.“

 

Die Rede des Jugendvertreters Matthias Hofer

Dann sprach der junge Olanger Gemeinderat Matthias Hofer von der „Süd-Tiroler Freiheit“ als Vertreter der Jugend.

Matthias Hofer

Hofer sagte:

„Liebe Landsleute,

wenn wir uns heute hier versammeln, um eine würdige Gedenkstätte für Franz Innerhofer, dem ersten Tiroler Todesopfer des Faschismus, zu enthüllen, dann tun wir dies, auch in Bewusstsein, dass vor allem wir junge Tiroler die Zukunft auf ein freies und ungeteiltes Tirol richten müssen.“

„Die patriotische Jugend im Süden wird immer stärker“, berichtete Hofer. „Der Begriff Heimat ist wieder was wert und darauf können wir stolz sein.“ In Zeiten der Globalisierung würden immer mehr junge Menschen Heimatbewusstsein entwickeln.

„Die Jugend lässt sich nicht mehr verbiegen und sie glaubt nicht mehr, dass Heimat unmodern ist, während alles Fremde gut zu sein hat.

Gerade in einem fremden Staat müssen wir uns das Recht herausnehmen, unsere Tiroler Heimattreue hochzuhalten und es ist nicht verboten sich zu seiner Heimat zu bekennen und auch stolz auf diese Heimat zu sein. Daher werden wir auch in Stolz und Friedfertigkeit die Zukunft dieser Heimat gestalten.“

Hofer schloss mit den Worten: „Wenn wir das alle im Herzen tragen, wenn wir das in uns aufnehmen, dann wissen wir, dass Tirol mehr ist als eine Modemarke und dass Tirol ein Bekenntnis ist, das die Menschen in ihrem Herzen tragen.

In diesem Sinne: Auf in die Freiheit!

Alles für Tirol!“

Die Rede des Landtagsabgeordneten Sven Knoll

Sven Knoll

Die Hauptrede hielt der Südtiroler Landtagsabgeordnete Sven Knoll von der „Süd-Tiroler Freiheit“, welcher in Burggräfler Tracht erschienen war.

Nach einem Rückblick auf das Geschehen des „Bozner Blutsonntags“ wies Knoll darauf hin, dass damals kein einziger der faschistischen Verbrecher zur Rechenschaft gezogen wurde.

Dann führte Knoll weiter aus:

„Franz Innerhofer war das erste Opfer des italienischen Faschismus in Süd-Tirol, aber er war leider nicht das letzte Opfer. Denken wir nur an die Katakombenlehrer, an die unzähligen jungen Süd-Tiroler, die für Mussolinis Großmachtphantasien im Abessinien-Feldzug und beim Angriff gegen die Sowjetunion ihr Leben lassen mussten, aber denken wir auch an die Süd-Tiroler Freiheitskämpfer der 50er und 60er Jahre, die wohl als die letzten Opfer des italienischen Faschismus anzusehen sind.

Mit Gesetzen, die noch aus der Zeit des Faschismus stammten, wurden sie verfolgt, gefoltert und eingekerkert. Ja manche sogar im Auftrag des italienischen Staates ermordet!

Selbst in den 70er Jahren erfolgten noch in Abwesenheit der Angeklagten, menschenrechtswidrige Verurteilungen zu lebenslanger Haft, welche die Rückkehr der im Exil lebenden Freiheitskämpfer nach Süd-Tirol, bis heute unmöglich machen.

Der Mörder von Franz Innerhofer wurde nie gefunden, oder sagen wir es anders, er wurde nie gesucht. Er ist längst tot und hat sich einem höheren Gericht verantworten müssen, welches ihm wohl seiner gerechten Strafe zugeführt hat.

Was aber nicht tot ist, ist der Geist des Faschismus, der hinter diesem Mord steht.

Im Bozner Rathaus sitzen seit der letzten Wahl wieder bekennende Faschisten im Gemeinderat, die Mussolini als den größten Staatsmann des Jahrhunderts feiern.

Für jede Stadt, für jedes, Dorf, für jeden Bach, ja selbst bis hinauf auf jeden Berggipfel gibt es noch immer faschistische, italienisch klingende Ortsnamen, die bis heute alleinige amtliche Gültigkeit haben und dabei nur einen einzigen Zweck erfüllen, nämlich, und so steht es wörtlich im Gesetzesdekret ‚Süd-Tirol schnell und nachhaltig zu italienisieren‘.

Damit aber nicht genug, in Bozen wird gerade mit Steuergeldern ein Relief von Benito Mussolini auf Hochglanz poliert, welches den Siegeszug des Faschismus verherrlicht.“

Franz Innerhofer habe nicht weggesehen, sondern sich dem Faschismus, im wahrsten Sinn des Wortes, in den Weg gestellt.

Es braucht daher Erinnerungsorte wie diesen hier, damit im Bewusstsein der Öffentlichkeit Unrecht nicht zu Recht wird und Menschen wie Franz Innerhofer nicht umsonst gestorben sind.

Vor allem aber braucht es wieder aufrechte Tiroler nördlich und südlich des Brenners, die sich nicht länger davor scheuen, das Unrecht auch beim Namen zu nennen, denn solange Süd-Tirol noch zu Italien gehört und am Brenner eine Unrechtsgrenze Tiroler im Norden von Tirolern im Süden trennt, wird es keine Gerechtigkeit und auch keinen dauerhaften Frieden geben.“

Die Feier schloss mit der Tiroler Landeshymne, dem „Andreas Hofer-Lied“.

Presseecho

Bericht in der Südtiroler „Zeitung am Sonntag“ vom 24. April 2017

Bericht in den „Dolomiten“ vom 24. April 2017

Bericht in der österreichischen „Kronen Zeitung“ vom 27. April 2017

Fotos

Der Innsbrucker Pressefotograf Erich Staudinger (Mail: erich.staudinger@chello.at) hat hervorragende Bilder von der Einweihungsfeier ins Internet gestellt.




Der „Bozner Blutsonntag“ und die Ermordung des Lehrers Franz Innerhofer

Am 24. April 1921 wurde in Bozen der Marlinger Lehrer und Schulleiter Franz Innerhofer von Faschisten ermordet. Dieser Tag ging in die Geschichte als „Bozner Blutsonntag“ ein.

Franz Innerhofer

Der 1884 in Marling geborene Lehrer Franz Innerhofer hatte im Ersten Weltkrieg mit den Burggräfler Standschützen an der Front gestanden. Nach dem Krieg war er neben seiner Tätigkeit als Lehrer- und Schulleiter ehrenamtlich für das Allgemeinwohl in seiner Heimatgemeinde tätig. Er war Kirchenorganist, kümmerte sich um den Kirchenchor und den musikalischen Nachwuchs und war Trommler in der Musikkapelle Marling.

 

Innerhofer wurde das Opfer einer geplanten faschistischen Gewaltorgie gegen friedliche Südtiroler. Der Faschismus war eine Bewegung, die am 23. März 1919 von dem ursprünglich politisch linken Sozialisten und späteren „Duce“ Benito Mussolini in Mailand als Kampfbund „Fascio di Combattimento“ gegründet wurden war. Der Name „fascio“ hatte ursprünglich das römische Rutenbündel mit Axt bezeichnet, welches von den Amtsdienern und Leibwächtern, den Liktoren, als Symbol ihrer Amtsgewalt öffentlich getragen worden war.

Die junge Bewegung des Faschismus, die sich extrem nationalistisch ausrichtete, war entschlossen, so rasch als möglich die Macht im Staat zu übernehmen – wenn nötig, mit allen Mitteln.

Die geplante Generalprobe in Bozen

Die Generalprobe für die Machtübernahme in Rom in fand in Bozen statt. Hier sollten bereits zahlreiche Vertreter des Staates ihre Parteilichkeit zugunsten der Faschisten zeigen.

Anlass dazu war die von 19. bis 26. April dauernde Bozner Messe, welche die seit dem Krieg darniederliegende Wirtschaft in Südtirol durch neue Impulse beleben sollte.

Die Wirtschaft hatte aber auch kulturelle Rahmenveranstaltungen eingeplant, darunter einen für den 24. April 1921 angesetzten Südtiroler Trachtenfestzug, der durch die Bozner Altstadt ziehen und dann in Schloss Ried bei Runkelstein mit einem Volkstrachtenfest seinen Ausklang finden sollte. Diese Darstellung Tiroler Brauchtums widersprach der von den Faschisten propagierten „Italianita“ Südtirols und erregte ihren Zorn.

Feierliche Versprechungen der Behörden

Die „Bozner Nachrichten“ berichteten am 27. April 1921:

„Schon Tage vorher waren von unten herauf aus Verona u. s. w. Hilfstruppen bestellt worden und als man am Sonntag vormittags diese seltsamen Gesellen mit Totschlägern, Bombenkiste und Sanität johlend aufmarschieren sah, da wurden allerhand Befürchtungen laut. Aber die staatlichen Behörden hatten von höchster Stelle die feierliche Versicherung gegeben, daß nichts geschehen werde; auf dem Waltherplatz wurde über Befehl des königlichen Statthalters die Trikolore gehißt und so hoffte man, daß diese Desperados, deren Aufzug allein schon hätte genügen sollen, sie hinter Schloß und Riegel zu setzen, nur als eine Art Demonstrationsgarde erschienen waren. Aber unsere Leichtgläubigkeit sollte fürchterlich enttäuscht werden.“

Am 24. April 1921, dem Tag des Festumzugs, trafen weitere faschistische Terrortrupps in Bozen ein. Die Bozner Zeitung „Der Tiroler“ berichtete darüber am 26. April 1921:

Als am Sonntag um 8 Uhr morgens mehrere hundert Faschisten, und selbst die Veroneser Faschistengruppe ‚Squadra disperatissima‘, von weitem gleich erkenntlich an ihren schwarzen Zipfelhauben, ausgerüstet mit Totschlägern, Revolvern und sogar mit Handgranaten, dem aus dem Süden gekommenen Zuge entstiegen und unter faschistischen Kampfliedern und Drohrufen gegen die Deutschen im allgemeinen und den Bürgermeister Dr. Perathoner im besonderen über den Waltherplatz zogen, da konnte sich auch der unverbesserlichste Optimist keiner Täuschung hingeben, daß ein Attentat gegen uns Südtiroler Deutsche und namentlich gegen Bozen geplant sei. Die Faschisten zogen mit Vorantragung einer Fahne und unter dem Gebrüll von Hetzliedern durch die Stadt und bekundeten ganz offen ihre Absicht, den Terror nun auch nach Bozen zu tragen.“

Die Faschisten wurden von den Carabinieri nicht in ihre Schranken gewiesen und entwaffnet, sondern ganz im Gegenteil mit Hochachtung begrüßt.

Offiziere und Carabinieri salutierten vor den Faschisten

Am 26. April 1921 veröffentlichte die Südtiroler „Landeszeitung“ einen Augenzeugenbericht, in welchem es hieß:

„Die Behörde wußte, daß die 500 Faschisten, die nach Bozen gekommen waren, die offenkundige Absicht hatten, die Veranstaltungen der Bozner Messe gewaltsam zu stören; sie wußte, daß diese Plattenbrüder schwer bewaffnet waren.“

Der Zuzug der faschistischen Gewalttäter nach Bozen sei „in geschlossenen Kompanien“ erfolgt, welche ihre „drohend geschwungenen Mordwaffen“ offen zur Schau getragen hätten.

„Als sie … unter Drohrufen auf Bozen und auf die Deutschen mit hochgeschwungenen Keulen, Revolvern und Handgranaten die Straßen durchzogen, leisteten Karabinieri und konsigniertes Militär … den Salut, das heißt, sie grüßten die vorüberziehenden Apachen in reglementmäßiger Weise wie es vor offiziellen Institutionen geschieht.“

Der Überfall – 50 Schussverletzungen

Dann begann um 13 Uhr des 24. April 1921 der von den italienischen Behörden genehmigte Festumzug mit seinen Trachtengruppen durch Bozen. Wie die „Bozner Nachrichten“ am 27. April 1921 berichteten, war es

„ein rührend schönes Bild, als Männer und Frauen, Kinder und Greise im Farbenschmuck ihrer heimischen Festkleidung, blumengeschmückt mit lachenden Augen sich zum Zuge ordneten.“

Die Marlinger hatten eine eigene Trachten- und Musikgruppe für den Festumzug gestellt, in welcher der Lehrer Franz Innerhofer als Trommler mitging.

Der Festumzug führte durch die innere Stadt. Plötzlich drängten sich Faschisten in den Festumzug zwischen die Tiroler, die sich aber nicht provozieren ließen und ruhig weiterzogen. „Da ertönte plötzlich von einem Hause auf dem Obstmarkt ein schriller Pfiff,“ hieß es in dem Bericht der „Bozner Nachrichten“,

„gleich darauf explodierte eine Bombe und die Fascisten, die am Obstmarkt auf der Lauer lagen begannen nun wie Rasende die völlig wehrlose Bevölkerung zu massakrieren. Bomben wurden geworfen, blindlings wurde aus Revolvern und Schießstöcken in die Menge geschossen und mit Indianergeheul fielen die Rasenden mit ihren Totschlägern über Festzügler und Zuschauer ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes her. Eine fürchterliche Panik entstand, die Leute stoben schreiend und hilferufend auseinander und hinterdrein stürmten pfeifend und brüllend, schießend und knittelschwingend wie losgelassene Teufel die traurigen Helden des Tages. An die fünfzig Schußverletzungen konnten bisher festgestellt werden und es ist geradezu ein unglaubliches Wunder zu nennen, daß der Tod keine schrecklichere Ernte gehalten hat.“

Bewaffnete Faschisten waren in den Festumzug eingedrungen und begannen auf ein Signal hin wie rasend Gewalttaten zu verüben.

53 Personen mussten im Spital und in häuslicher Pflege behandelt werden. (Eine namentliche Auflistung der Verletzten findet sich in der Broschüre „24. April 1921 – Der Bozner Blutsonntag“, Neumarkt a. d. Etsch 2011, S28f)

Die Ermordung Franz Innerhofers

Franz Innerhofer
Franz Innerhofer

Der Lehrer Franz Innerhofer hatte als Trommler der Musikkapelle Marling an dem Festumzug teilgenommen. Als er ermordet wurde, war er 36 Jahre alt.

„Und das alles geschah vor den Augen jener bewaffneten Hüter der staatlichen Ordnung“, hieß es in dem Bericht der „Bozner Nachrichten“ vom 27. April 1921. „Und dann geschah das Entsetzliche. Der Oberlehrer Franz Innerhofer aus Marling, der, von mehreren Mordbuben verfolgt, ein achtjähriges Knäblein retten wollte und sich in den Hof des Ansitzes Stillendorf flüchtete, wurde meuchlings aus teuflischer Mordlust erschossen. Die Kugel drang dem edlen Manne mitten ins Herz und eine junge Frau wurde zur Witwe, ein wenige Tage altes Kind zur Waise. … Die Regierung aber, die genau gewußt hat, was für Gäste der Eisenbahnzug aus dem Süden am Sonntag vormittags ausgespien hat, die Regierung … hat nichts getan, dieses bestellte Blutbad zu verhindern.“

Hans Theiner
Diesen Buben, den 8jährigen Hans Theiner aus Marling, hatte Franz Innerhofer vor den faschistischen Gewalttätern in Sicherheit gebracht. Hierbei wurde er im Eingang zu dem Ansitz Stillendorf neben der Herz Jesu-Kirche ermordet.

Carabinieri und italienisches Militär schützten und verabschiedeten die Gewalttäter

Die „Südtiroler Landeszeitung“ berichtete am 26. April 1921, dass es nach dem faschistischen Überfall zu Raufereien zwischen den Tätern und Deutschen gekommen war. Hierbei

„traten Militär und Karabinieri offenkundig für die Faschisten ein und verhafteten die Deutschen…. Besonders klar und kraß trat die Mitschuld der Behörde an den Taten der Bombenwerfer und Revolverhelden hervor, als diese nach der Bluttat auf den Bahnhof zogen und dort im Amtsgebäude (Hotel Viktoria) auf die Abfahrt des Zuges warteten. Die Mörder marschierten dann mit Gesang und Hohnrufen auf die Bevölkerung vollständig bewaffnet auf den Bahnhof, wobei Frauen und Kinder in rohester Weise bei Seite gestoßen wurden. Als sich an dem das Geleise absperrenden Planken (beim Frachtenmagazin) eine Menge von Leuten ansammelte … gingen die dahinter stehenden Faschisten mit Steinwürfen gegen die harmlosen Leute vor, ohne daß Militär oder Carabinieri sie auch nur gehindert hätten. Im Gegenteil: Augenzeugen haben gesehen, wie diese Sicherheitsorgane‘ mit Lachen den Gewalttaten zusahen.“

Auch die in Bozen erscheinende Zeitung „Der Tiroler“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 26. April 1921, was nach den Gewalttaten gegen die Festumzugsteilnehmer weiter geschah:

„Die Faschisten setzten sich vor dem Hotel (Anm.: Hotel Kaiserkrone) an die dort aufgestellten Tische, wo bereits Offiziere ihrer harrten. Ihre Waffen auf die Tische legend erzählten sie sich laut brüstend von ihren Verbrechen, und die Offiziere unterhielten sich aufs freundlichste mit den Kerlen.“

Ausschnitt aus dem Bericht der Bozener Zeitung „Der Tiroler“

„Der Tiroler“ berichtete weiter:

Als die Zeit gekommen war, daß die Faschistenbande wieder heimfahren wollte, zog sie unter dem ehrenden Geleite von Offizieren zum Bahnhofe, vor dem sie nochmals Aufstellung nahmen und Reden schwangen, die von nationalistischem Gehetz nur so sprühten. Endlich stiegen sie unter Geschrei in den Zug ein. Bei der Abfahrt ließen die Kerle nochmals ihrem Deutschenhasse die Zügel schießen, indem sie mit ihren Revolvern herumfeuerten, als ob es mit den bereits verübten Bluttaten noch immer nicht genug wäre. Bei dieser Schießerei wurde denn auch noch ein Mann getroffen, und zwar ein in den Überetscher Zug eingestiegenen Bauer namens Kofler aus Eppan. Die Kugel drang dem Manne durch den Hals. Es ist nur einem ganz besonderen Glück zuzuschreiben, daß das Projektil weder die Schlagader noch den Halswirbel traf. Aber trotzdem ist die Verletzung schwerer Natur. Endlich verließ der Schnellzug, in dem zwei Waggons von der Mordgesellschaft besetzt waren, die Station. Aber die Bande setzte die Schießerei aus den Waggonfenstern auch während des Ausfahrens aus der Station noch fort, bis die Bahnbrücke über den Eisack passiert war. Während die einen schossen, schwangen die anderen ihre Knüttel aus den Fenstern.“

„Des Totenopfers Heimfahrt“

Unter dieser Überschrift berichtete die „Südtiroler Landeszeitung“ am 27. April 1921 über die letzte Reise Franz Innerhofers:

„Der Tote lag in der städtischen Leichenkapelle aufgebahrt. Eine Fülle von Blumen hüllte den Sarg ein. … Pilgerzüge zu Tausenden besuchten den Märtyrer des Deutschtums.“

Am Nachmittag des 26. April 1921 erfolgte die Überführung des Toten auf den Friedhof seines Heimatortes Marling. Die „Südtiroler Landeszeitung“ berichtete, dass „eine ganz ungeheuerlich große Menschenmenge“ an dem Trauerzug teilnahm. „Im Laufe des Zuges werden es wohl leicht 10.000 Menschen gewesen sein.“

Der Trauerzug

In der ganzen Stadt Bozen hingen schwarze Trauerfahnen aus den Giebeln der Häuser. In Gries und in allen anderen Orten, durch welche sich der Trauerzug bewegte, läuteten die Kirchenglocken und „unabsehbare Menschenmassen“ erwiesen dem Toten die letzte Ehre. In den einzelnen Ortschaften waren bewaffnete Carabinieri und Militär mit Maschinengewehren zu sehen.

Die Beisetzung in Marling

Am Abend des 26. April 1921 wurde Franz Innerhofer im Marlinger Schulhaus aufgebahrt. Am nächsten Tag folgten „die Angehörigen und eine unabsehbare Menge von Leitragenden“ dem Sarg und nahmen an der Bestattungsfeier im Marlinger Friedhof teil, wie die „Südtiroler Landeszeitung“ vom 29. April 1921 berichtete. „Dann erklang mächtig und erhebend, von allen gesungen die erste Strophe des Andreas Hoferliedes in den glanzvollen Frühlingsmorgen hinaus, hinauf zu den beschneiten Firnen:

Es blutete der Brüder Herz,
Ganz Deutschland, auch, in Schmach und Schmerz,
Mit ihm sein Land Tirol!“

Der Weg in die Rechtlosigkeit

Am 25. April 1921 fand eine große Protestversammlung statt, die mitten in Bozen auf dem Waltherplatz hätte stattfinden sollen. Das passte jedoch den italienischen Behörden nicht. Unter dem Schutz einer Maschinengewehrabteilung räumten die Carabinieri den Platz und die Menschenmassen mussten auf den Viehmarktplatz ausweichen, wo die Ansprachen der Vertreter der verschiedenen Parteien gehalten wurden.

Wie die „Südtiroler Landeszeitung“ am 26. April 1921 berichtete, überwachte das italienische Militär die Veranstaltung und hatte vorsichtshalber sogar Artillerie auf dem Virgl postiert.

Die Südtiroler Presse berichtete ausführlich über die Protestversammlung und auch über die in verschiedenen Gemeinderäten beschlossenen Protestresolutionen.

Am 26. April 1921 berichtete die „Südtiroler Landeszeitung“, dass die italienische Staatsanwaltschaft einen Aufruf der Südtiroler Parteien über die blutigen Vorgänge des Sonntags in Bozen beschlagnahmt und dessen Veröffentlichung verboten habe.

Am 2. Mai 1921 wurden die Südtiroler Zeitungen „unter Androhung von Gewaltmaßnahmen im Falle der Verweigerung“ gezwungen, eine Kundmachung des italienischen Generalkommissariats zu veröffentlichen, in welcher es hieß, das die italienische Regierung keine offene oder versteckte „Hetze“ von politischen Parteiführern und Zeitungen „gegen das italienische Volk“ dulden und diese mit „Rücksichtslosigkeit“ verfolgen und „mit strengsten Strafen“ ahnden werde.

Die „Südtiroler Landeszeitung“ vom 2. Mai 1921 bezeichnete dies als „Maulkorb“. Nun wurde den Südtiroler klar, dass der vor ihnen liegende Weg bald in die absolute Rechtlosigkeit führen würde. Tatsächlich stand die Machtergreifung des Faschismus unmittelbar bevor, die dann im Oktober 1922 mit der Berufung Mussolinis zum Ministerpräsidenten durch den italienischen König erfolgen sollte. Nahezu alle Südtiroler Tageszeitungen mussten in der Folge ihr Erscheinen einstellen. Ihre kritischen Stimmen verstummten.




Wie des Opfertodes Franz Innerhofers bisher gedacht wurde

1971: Anbringung einer Gedenktafel am Ansitz Stillendorf

Das Gedenken an Franz Innerhofer in Südtirol

1971: Anbringung einer Gedenktafel am Ansitz Stillendorf – Gedenken in den folgenden Jahren

Im Jahre 1971 brachte der „Heimatschutzverein Bozen“ am Tatort, in dem Hausflur des Ansitzes Stillendorf in Bozen, eine Gedenktafel an. Seitdem fanden dort immer wieder Gedenkfeiern statt.

Schützen gedachten am 24. April 2003 vor dem Ansitz Stillendorf in Bozen des ermordeten Marlinger Lehrers Franz Innerhofer.

1996: Schützen forderten Umbenennung des Bozner „Siegesplatzes“ in „Franz Innerhofer Platz“

Am 24. April 1996 versammelten sich an die 1000 Schützen aus Süd-, Nord-, und Welschtirol vor dem Ansitz Stillendorf in Bozen und gedachten dort des Ermordeten. Anschließend zogen die Schützen unter wütenden Schreien einiger hundert Neofaschisten zum „Siegesplatz“ vor dem faschistischen „Siegesdenkmal“. Dort gedachten sie ihres Landsmannes Innerhofer und aller Opfer des Faschismus. Sie forderten die Umbenennung des Platzes in „Franz Innerhofer Platz“. An dem Schutzgitter vor dem Faschistendenkmal brachten sie ein diesbezügliches Schild an.

Nach dem Abzug der Schützen wurde diese Tafel von den italienischen Nationalisten in blinder Wut zerstört.

2011: Innerhofer Gedenken in Marling – Altlandeshauptmann Wendelin Weingartner für das Selbstbestimmungsrecht

Am 16. April 2011 fand in Marling eine würdige Gedenkfeier für Franz Innerhofer statt, an der mehr als 500 Menschen teilnahmen. Sein Todestag jährte sich in diesem Jahr zum 90. Male. Zur Feier geladen hatte die Schützenkompanie und die Gemeindeverwaltung von Marling sowie der Südtiroler Schützenbund.

Pfarrer Ignaz Eschgfäller zelebrierte eine Gedenkmesse, die von den Musikkapellen von Marling und St. Walburg musikalisch gestaltet wurde.

Als Ehrengäste sah man die Tochter von Franz Innerhofer, die bekannte Mundartdichterin Maridl Innerhofer, den Nordtiroler Landeshauptmann a.D. Wendelin Weingartner, den SVP-Kammerabgeordneten Karl Zeller sowie die freiheitlichen Landtagsabgeordneten Ulli Mair und Pius Leitner und Eva Klotz (Süd-Tiroler Freiheit).

Der Nordtiroler Altlandeshauptmann Wendelin Weingartner hielt die Gedenkrede

Wendelin Weingartner trat in seiner Rede offen für die Selbstbestimmung ein. „Südtirol hat sich im Haus Italien mittlerweile ein wohliges Zimmer eingerichtet“, sagte Weingartner. Das ändere aber nichts daran, dass „das Haus, in dem sich dieses Zimmer befindet, eigentlich das falsche ist.“ sei. „Vielleicht“, so fuhr Weingartner unter lautem Applaus fort, „vielleicht öffnet sich irgendwann ein Fenster oder eine Tür, durch die Südtirol dieses Haus verlassen könnte“.

Die Dichterin Maridl Innerhofer, der Nordtiroler Altlandeshauptmann Wendelin Weigartner, der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes Paul Bacher und zahlreiche andere Teilnehmer besuchten nach der Feier das Grab Innerhofers.

2011: „Franz Innerhofer Platz“ in Bozen

Franz Innerhofers Tochter
Die Tochter Franz Innerhofers, Maridl Innerhofer, wird von den Schützen herzlich auf dem neuen „Franz Innerhofer Platz“ in Bozen begrüßt.

Die Aktion der Schützen des Jahres 1996 und der ständige politische Druck auf die Bozner Stadtregierung führte letztendlich zu einem Erfolg. Zwar war die italienisch dominierte Stadt Bozen nicht bereit, den Namen des „Siegesplatzes“ zu ändern, jedoch wurde einer kleinen Freifläche vor der Universität der Name „Franz Innerhofer Platz“ verliehen. Am 25. April 2011 wurde in Anwesenheit der der Tochter von Franz Innerhofer, Maridl Innerhofer, des Bürgermeisters von Bozen, Luigi Spagnolli, des Bürgermeisters von Marling und einer Abordnung der Bozner Schützen unter der Teilnahme zahlreicher Gäste die Platzbenennung vorgenommen

Das Gedenken in Nordtirol

1931: Der unerwünschte Gedenkstein in Innsbruck

Die Witwe Innerhofer mit Tochter im Jahre 1931

Der von 1919 bis 1938 bestehende „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ war eine patriotische Vereinigung, der auch namhafte katholische Geistliche angehörten und dessen Ziel die Wiedervereinigung Tirols war. Im Jahr 1931, zehn Jahre nach der Mordtat, ließ der Bund in Innsbruck auf dem Rennweg an der Hofgarten-Mauer eine Gedenktafel für Franz Innerhofer anbringen und in Anwesenheit des Bürgermeisters und Vizebürgermeisters sowie zahlreicher anderer Vertreter des öffentlichen Lebens einweihen. Der Witwe und der Tochter von Franz Innerhofer war die Teilnahme an der Gedenkfeier nicht möglich, da Italien ihnen die Ausstellung von Reisepässen verweigerte.

Die Gedenktafel des Jahres 1931

1931 kamen heimlich andere Verwandte Franz Innerhofers nach Innsbruck, um die Gedenktafel zu sehen

Das Regime des österreichischen Ständestaates wagte es trotz der Freundschaft zu dem faschistischen Diktator Mussolini nicht, diese Tafel zu entfernen. Im Jahre 1938 war das nationalsozialistische Regime weniger zurückhaltend. Man riss die Hofgarten-Mauer ab und entsorgte die Gedenktafel in das Depot des Volkskunstmuseums in Innsbruck. Die Tafel stellte schließlich eine Beleidigung des Hitler-Freundes Mussolini dar. Der „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ wurde behördlich aufgelöst.