Der Faschismus lebt – Hoffentlich bringt die neue Regierung eine Wende!
Italien – wie es bisher sang und lachte
In Rom wurde am 13. Juni 2018 durch den Gemeinderat Roms beschlossen, eine Straße nach dem Alt- und Neofaschisten Giorgio Almirante zu benennen – Nach heftigen Protesten der Jüdischen Gemeinde ruderte die Bürgermeisterin Raggi zurück und hob den Beschluss auf
Am 15. Juni 2018 berichtete das Internetportal UNSER TIROL 24:
Rom schafft faschistische Straßennamen ab – SHB erfreut
Dass bei faschistisch klingenden Straßennamen in Italien oft mit zweierlei Maß gemessen werde, sei offensichtlich. Zu dieser Ansicht ist der Südtiroler Heimatbund gelangt, als er die Geschehnisse zur Straßenbenennung in Rom mit jener in Bozen verglichen hat.
Giorgio Almirante zählte als Südtirol-Hasser und Rassist – In Rom wurde für einige Stunden eine Straße nach Giorgio Almirante benannt. Der römische Stadtgemeinderat segnete diesen Entschluss dank der Stimmen von Fratelli d’Italia und der Fünf-Sterne-Bewegung ab. Almirante war nicht nur ein Faschist, sondern auch ein Südtirol-Hasser erster Güte und ein Rassist. Almirante war einer der zehn Unterzeichnern des Manifests der rassistischen Wissenschaftler im Jahre 1938, mit dem in Italien die Verfolgung jüdischer Mitbürger begründet wurde.
Auch die beim Votum durch ihre Abwesenheit glänzende Bürgermeisterin Raggi begrüßte die Entscheidung zuerst ausdrücklich, ruderte dann aber nach heftigen Protesten sofort zurück. Gott sei Dank wurde dieser Beschluss dann sofort wieder aufgehoben. Das ist sowohl ein Zeichen europäischer Reife als auch ein Sieg der Vernunft.
Bozen soll Beispiel Roms folgen
In Bozen gibt es etwa mit der dem faschistischen Militärkaplan gewidmeten Reginaldo-Giuliani- oder der Amba-Alagi-Straße viele Straßenbezeichnungen faschistoider Herkunft, die mit geografischen Toponymen oder Protagonisten an das menschenverachtende System erinnern, so der SHB
Renzo Caramaschi, seines Zeichens Bozens Bürgermeister, sollte nach Ansicht des Heimatbundes dem Beispiel Roms folgen und alle faschistisch klingenden Straßenbezeichnungen in der Südtiroler Landeshauptstadt annullieren. Aber vermutlich sei er mit dem Betrachten der Rechnung, was die Sanierung des Markuslöwen und der römischen Wölfin für den Steuerzahler gekostet habe, zu sehr beschäftigt. (Anmerkung: Faschistische Denkmäler, welche der italienische Bürgermeister Bozens derzeit restaurieren lässt.) Somit habe er keine Zeit für diesen demokratischen und überfälligen Akt, mutmaßt Lang.
Soweit der Bericht von UNSER TIROL 24. Wir dürfen dazu ergänzen:
Der Faschismus lebt in Italien
Abgesehen davon, dass Südtirol bis heute einen wahren Saurier-Jurassic Park faschistischer Denkmäler beherbergt, findet in Italien auch sonst eine laufende Verherrlichung des Faschismus statt. Einschlägige Strafgesetze werden mit südländischer Heiterkeit und Leichtigkeit nicht angewendet.
Ebenso werden Mussolini-T-Shirts, Mussolini-Wein und Mussolini-Statuetten öffentlich zum Verkauf angebotenAm 11. Juni 2016 griff die Paolo Berlusconi, dem Bruder des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, gehörende italienische Tageszeitung „Il Giornale“ (Auflage täglich 140.000 Stück), zu einer besonderen Werbemaßnahme. Sie legte ihrer Wochenendausgabe Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ bei.
Dass dieses, von „Il Giornale“ nun auch am Kiosk vertriebene Buch und sein Verfasser sich in nationalistischen Kreisen Italiens großer Beliebtheit erfreuen, ist verständlich. Man muss nur die Südtirol herabsetzenden Passagen in dem auch sonst schwer genießbaren Bekenntniswerk Hitlers lesen. Italienische Neofaschisten und Super-Nationalisten haben wahrlich allen Grund, „Adolfo“ als ihren großen Freund zu feiern.
Den Tupfen auf das I setzte die italienische Tageszeitung „Il Tempo“, als sie am 30. Dezember 2017 den „Duce“ Benito Mussolini zum „uomo dell’anno“ – zum „Mann des Jahres“ kürte und diese Wahl groß auf der Titelseite präsentierte. Er sei viel lebendiger gegenwärtig, als die derzeitigen italienischen Politiker, hieß es dazu in dem Leitartikel. Unnötig zu sagen, dass auch diese Verherrlichung unbestraft blieb.
Öffentlichen Protest dagegen erhob in Presseaussendungen Roland Lang, der Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Südtiroler politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol fordert.
Er demonstrierte auch mit einem Plakat „Il Sudtirolo non e Italia“ – „Südtirol ist nicht Italien“ – vor dem Kolosseum in Rom. Bilder dieser Aktion wurden in zahlreichen italienischen Medien veröffentlicht und brachten das Südtiroler Anliegen einer breiten italienischen Öffentlichkeit zur Kenntnis.
Eine wichtige Dokumentation des Südtiroler Schützenbundes (SSB)
Auch dem „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) ist es ein Anliegen, über den „lebendigen Faschismus in Südtirol“ aufzuklären. Er hat darüber eine Dokumentation veröffentlicht, welche >hier< geöffnet und heruntergeladen werden kann.
Weitere Informationen des SSB finden sich auf dessen Internetseite: schuetzen.com
Hoffnungen auf die neue Regierung und auf Freunde in Italien
In Südtirol wie auch in Österreich hat man die Hoffnung, dass sich die Verhältnisse unter der neuen Regierung bestehend aus der „5 Sterne Bewegung“ und der „Lega“ verbessern beziehungsweise normalisieren.
Die Regierung hat immerhin angekündigt, der Masseneinwanderung nach Europa Einhalt gebieten zu wollen und vor allem die „Lega“ hat in Richtung Südtirol erklärt, Verständnis für Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen zu haben. Dies wäre eine Politik, die in diametralem Gegensatz zu allen bisherigen alt- und neofaschistischen Positionen stehen würde. Diese Haltung würde aber auch der Gesinnung vieler Italiener entsprechen, die in Umfragen bereits kundgetan haben, dass sie mit einem „Los von Rom“ der Südtiroler einverstanden sind.
Im Jahre 2014 hat das Meinungsforschungsinstitut/Istituto Sondaggi DEMETRA in einer italienweiten repräsentativen Umfrage folgende Frage gestellt:
„In der Provinz Bozen wird vielfach der Wunsch nach Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes geäußert. Sind Sie damit einverstanden, dass die Bevölkerung der Provinz Bozen mit einem Referendum auf friedliche und demokratische Weise über ihre Selbstbestimmung entscheiden kann?“
71,8 Prozent der Befragten haben darauf mit „JA“ geantwortet!
Neues aus dem Mafia-Land
Bild: In Südtirol plakatierte die „CasaPound“-Bewegung die Losung „Bolzano ist Italien“ und rief zu Demonstrationen für den Erhalt der faschistischen Denkmäler auf.
In dem schönen Badeort Ostia vor den Toren Roms hat die Mafia fest Fuß gefasst. Der bekannte Mafia-Boss heißt Carmine Spada und wurde im vergangenen Jahr zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe wegen Erpressung und Mafia-Zugehörigkeit verurteilt. Insgesamt wurden 7 Mitglieder des wegen Gewalttätigkeit berüchtigten Spada-Clans bereits zu Freiheitsstrafen von insgesamt 56 Jahren Haft verurteilt. Es sind aber noch Mitglieder des Clans sehr unbehelligt tätig, wie ein Ereignis jüngst zeigte.
Der Spada-Clan pflegt gute Freundschaft zu Repräsentanten der neofaschistischen „CasaPound“-Bewegung, welcher ein spektakulärer Wahlsieg in Ostia gelang.
Es gibt Bilder, welche herzliche Umarmungen zwischen „CasaPound“-Politikern und Spada-Clan-Leuten zeigen.
Jetzt aber bewegen neue Fernsehbilder die italienische Öffentlichkeit: Der für den Sender RAI recherchierende Reporter Daniele Piervincenzi wollte Roberto Spada, den Bruder des Bosses Carmine Spada in Ostia nach seinen Verknüpfungen zur neofaschistischen „CasaPound“-Bewegung befragen.
Roberto Spada antwortete, indem er – unbeeindruckt von der Fernsehkamera – nach vorne sprang und dem Journalisten mit einem Kopfstoß die Nase brach.
Danach ergriff Roberto Spada einen Schlagstock, prügelte auf den Reporter ein und jagte ihn die Straße entlang.
Der Reporter hatte eine gebrochene Nase und andere Gesichtsverletzungen davongetragen, sowie auch Hiebe auf den Rücken einstecken müssen.
Die italienische Justiz reagierte auf ihre Weiser: Roberto Spada blieb auf freiem Fuß. Die von ihm verursachten Verletzungen wurden als nicht ausreichend schwerwiegend beurteilt.
Da können auch die zuständigen Staatsanwälte und Richter in der Nacht ruhig schlafen und müssen sich keine Sorgen machen, wenn es an der Tür klingelt.
Südtiroler Schützen gegen den Jurassic Park des Faschismus
Südtirol besitzt einen Saurier-Jurassic Park. Dieser beherbergt im Gegensatz zu dem Science-Fiction-Horror- und Abenteuerfilm des Regisseurs Steven Spielberg keine wiedererschaffenen lebenden Saurier. Er beherbergt alte abgestorbene Saurier, nämlich die faschistischen Denkmäler, welche Mussolini zur Verherrlichung seines Regimes in Südtirol hatte errichten lassen. Diese waren auch dazu bestimmt gewesen, der einheimischen Bevölkerung klar zu machen, wer hier in diesem Lande das Sagen hatte.
von Hans Santner
Südtiroler Schützenbund protestiert gegen Renovierung eines Völkermord-Verherrlichungsdenkmals
Vertreter des italienischen Staates und seiner angeblich so ruhmreichen Streitkräfte halten dort nach wie vor nationalistischen Feiern ab und legen beispielsweise vor dem steinernen Alpini-Denkmal in Bruneck – von der einheimischen Bevölkerung wegen seiner Kapuze spöttisch „Kapuziner-Wastl“ genannt – Kränze zum Andenken an jene italienischen Krieger nieder, welche in Äthiopien eine weitgehend wehrlose Bevölkerung überfallen, gefoltert, massakriert und mittels Giftgas teilweise ausgerottet hatten. Zu diesen wenig ruhmreichen „Kriegern“ hatten die Soldaten der italienischen Alpini-„Divisione Pusteria“ gehört, zu deren „Ehren“ das Andenken errichtet worden war.
Am 28. August berichtete das Nachrichtenportal UnserTirol24, dass der „Kapuziner-Wastl“ in Bruneck seine Feder an seinem steinernen Hut verloren habe. Ein Unbekannter hatte sie abgebrochen.
In dem Artikel hieß es weiter:
„Es ist nicht die erste Attacke auf den sogenannten „Kapuziner Wastl“. Ursprünglich war das faschistische Denkmal eine überlebensgroße Alpini-Statue, zu deren Füßen, als Sinnbild der Unterjochung ,ein „Eingeborener“ lag. Südtirol-Aktivisten hatten das Monument in den 60ern Jahren mehrmals gesprengt.
Das umstrittene Denkmal wurde zu Ehren der Alpini-Soldaten errichtet, die in den italienischen Kolonialkriegen für die Eroberung und Unterwerfung von Äthiopien gekämpft haben. Bis heute finden dort Kranzniederlegungen statt, die für großen Unmut in der Bevölkerung sorgen.“
Umgehend meldete sich der italienische Vizebürgermeister der Stadt Bruneck, Renato Stancher, zu Wort und verkündete, dass das Denkmal auf Kosten der Gemeinde Bruneck restauriert würde.
Dagegen protestierte der „Südtiroler Schützenbund“ öffentlich. Der ehemalige Landeshauptmann Durnwalder (SVP) forderte dass möglichst alle faschistischen Denkmäler in Südtirol beseitigt werden sollten und auch der Bürgermeister von Bruneck, Roland Griessmair (SVP) lehnte zusammen mit der Gemeindevertretung die Restaurierung des Faschistendenkmals auf Kosten der Südtiroler ab.
Der Landeskommandant des „Südtiroler Schützenbundes“, Elmar Thaler, begrüßte diese Entscheidung. Das Nachrichtenportal „Unser Tirol 24“ berichtete über Thalers Stellungnahme:
„Die Aktion des Vizebürgermeisters sei völlig daneben gewesen, nicht zuletzt auch, weil sich das Denkmal auf Staatsgrund befinde und die Rienzstadt keinen Anlass dazu hätte.
Erfreulich sei in diesem Zusammenhang die Aussage von Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder, wonach das Alpinidenkmal aus der unrühmlichen Zeit des Faschismus in eine Kaserne versetzt werden sollte. Wie richtig Durnwalder mit seiner Aussage liegt, zeigt die Tatsache, dass die winzigen erklärenden Täfelchen vor dem Faschistendenkmal ohne Wirkung geblieben sind. Ansonsten wäre wohl keinem Italiener mehr in den Sinn gekommen, ein menschenverachtendes Denkmal von Schmutz zu befreien und es wieder instand zu setzen – man hätte es dem Verfall preisgegeben, so der Schützenbund in einer Aussendung.
Laut Schützenbund zeigt Stanchers Vorpreschen, dass es in Südtirol immer noch Zeitgenossen gibt, welche sich von den faschistischen Denkmälern nicht trennen können. Somit sei der Kapuziner-Wastl das beste Bespiel dafür, dass eine Historisierung der Relikte aus vergangenen Tagen misslungen sei.
Dem Vorschlag von Ex-Landeshauptmann Luis Durnwalder schließt sich der Südtiroler Schützenbund an und fordert den Staat Italien und die Alpinivereinigung ANA auf, ihr faschistisches Denkmal in die Lugramani-Kaserne zu verlegen, wo es gereinigt und die abgeschlagene Alpinifeder wieder aufgeklebt werden könnte. Dort würden zudem auch die jährlichen Kranzniederlegungen für die Angriffskriege Italiens gegen Abessinien/Äthiopien und Russland die Öffentlichkeit nicht mehr stören.“(UT24 31. August 2017)
Der Protest der Schützen hatte Erfolg gehabt
Auch in der Vergangenheit haben die Schützen wiederholt gegen die zahlreichen in Südtirol bestehenden und von der Staatsmacht behüteten und gepflegten faschistischen Denkmäler protestiert und damit die öffentliche Erörterung dieses für Rom unangenehmen Themas aufrecht erhalten.
Vielen Landsleuten ist noch die große Schützendemonstration von 2008 in Erinnerung.
Am 8. November 2008 fand in Bozen eine denkwürdige Protestkundgebung „Gegen Faschismus für Tirol“, statt zu welcher der „Südtiroler Schützenbundes“ aufgerufen und eingeladen hatte.
Auf dem Bozener Waltherplatz hatte sich eine riesige Menge von etwa 4.000 Schützen und Zivilisten versammelt.
Der Landeskommandant der Südtiroler Schützen, Paul Bacher, erläuterte in seiner Rede, worum es ging – um die in Südtirol immer noch stehenden, zum Teil monumentalen Denkmäler, die zur Verherrlichung des Faschismus errichtet worden waren:
„Wir haben die Nase voll von einem Staat, der diese Relikte duldet und von Politikern die nichts dagegen unternehmen“, rief Bacher aus. „Italien hat sich als einziges EU-Land nie vom Faschismus distanziert und sich nie für die Verbrechen bei uns Tirolern entschuldigt.“
Der Landeskommandant sprach dann die Schande der faschistischen Denkmäler in Südtirol an, welche alle Jahre wieder von den staatlichen Behörden liebevoll renoviert wurden. Er forderte deren Abriss.
Es gab in den letzten Jahren noch zahlreiche weitere öffentliche Aktionen der Schützen gegen den weiterbestehenden faschistischen „Jurassic Park“ in Südtirol.
Weitere Informationen zu den Schützen
Über diese und viele andere mutige Aktionen der Südtiroler Schützen berichtet der bekannte Historiker und Publizist Prof. Dr. Reinhard Olt in einem Dokumentarwerk. Darüber hat er dem Südtiroler Informationsdienst diesen Artikel „Stachel im Fleisch der Politik“ zur Verfügung gestellt.
Weitere Informationen zum Alpini-Denkmal in Bruneck
Im Jahre 2009 veröffentlichte der Buchdienst Südtirol eine Dokumentation über das Alpini-Denkmal in Bruneck unter dem Titel „Denkmal der Schande“ und im gleichen Jahre veröffentlichte die Zeitschrift „Der Tiroler“ eine Dokumentation unter dem Titel „Weg mit dem Völkermord-Schandmal“. Beide Dokumentationen können hier als pdf-Dateien aufgerufen und auch abgespeichert werden:
Welschtirol und der italienische Irredentismus (Teil 2)
Eine kritische Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung
von Georg Dattenböck
Vor dem Ersten Weltkrieg
Als am 21. November 1916, nach einer Regierungszeit von nahezu 68 Jahren, der greise österreichische Kaiser Franz Joseph I. aus dem Haus Habsburg-Lothringen, König von Böhmen und Apostolischer König von Ungarn in Wien starb, ging ein geschichtliches Zeitalter zu Ende: Tirol gehörte seit der Zeit der Völkerwanderung zum Herzogtum Bayern und seit 1363, als Margarete Maultasch von Tirol ihr Land im Einvernehmen mit den Landständen ihrem nächsten Verwandten, dem Habsburger Rudolf, dem Stifter übergab, zu Österreich.
Franz-Josef wurde am 2. Dezember 1848, nachdem sein Vater auf das Amt verzichtete, auf Wunsch der kaiserlichen Familie und nach den revolutionären Erhebungen breiter Volksschichten, im Alter von achtzehn Jahren Kaiser von Österreich. Als erste Maßnahme und als ein Menetekel, hob der junge Kaiser alle gegebenen Verfassungszugeständnisse auf und regierte ab 1851 wieder absolutistisch und zentralistisch. Die Regierung wollte nicht mehr oder weniger, als das abgewirtschaftete und verhasste „System Metternich“ wieder in Kraft setzen.
Das erwachende Nationalbewusstsein der Völker
Als Flammenschrift an der politischen Wand standen an erster Stelle bereits die soziale Frage, dann der Freiheitswille und auch der (teilweise von außen) geschürte Nationalismus der vielen Völkerschaften der Monarchie.
Niemand wollte und konnte damals diese Flammenschrift, Vorbote des zermalmenden Orkans von 1914, lesen und die Botschaft verstehen. Auch dann noch nicht, als der für die ungarischen Aufständischen 1848 als Schneidergeselle arbeitende János Libényi am 18. Februar 1853 auf der Bastei in Wien ein Messerattentat auf den jungen Kaiser verübte.
Die politischen Feinde der Monarchie im Untergrund jubelten: Am 18. März 1853 erschien die anonyme Schmähschrift eines Italieners und in Wien sang der verhetzte Mob:
„Auf der Simmeringer Had (Heide) hat’s an Schneider verwaht. Es g’schieht ihm scho‘ recht, warum sticht er so schlecht?“
1859 erfolgte die Niederlage der österreichischen Armee im „Sardinischen Krieg“. Sardinien-Piemont wollte das Königreich Lombardo-Venetien von österreichischer Herrschaft befreien und sich selbst einverleiben. Das Vorhaben gelang, Österreich verlor den Krieg in blutigen Schlachten.
Am 3. Juli 1866 folgte die schwere Niederlage der österreichischen Armee bei Königgrätz gegen Preußen im Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland. Der Kaiser wurde dadurch zum Ausgleich mit den aufsässigen Ungarn und zur Umwandlung des bislang von Wien aus regierten Kaiserstaates Österreich in zwei konstitutionelle Monarchien gezwungen: Die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn entstand, unter törichter Missachtung der nationalen Wünsche aller anderen Völkerschaften.
Bewegungen im Untergrund: „Carbonari“ und Freimaurer
Italien war seit dem Ende des antiken Römischen Reiches im Jahre 476 bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nur ein geographischer Begriff, aber keine Nation, kein staatsrechtlicher Begriff.
Im 18. Jahrhundert entstanden vor allem in Süditalien geheime Sekten mit radikaler politischer Tendenz, die radikalste Gruppierung waren die „Carbonari“, deren Riten sich an jene der Freimaurerei anlehnten.
„An Stelle der Loge trat bei den „Köhlern“ die „Hütte“, in denen den ‚guten Vettern‘, so nannten sich die Mitglieder, als heiligste Pflicht der Kampf gegen die Tyrannei verkündet wurde, oder, wie die Carbonari das in ihrer symbolischen Sprache ausdrückten: ‚die Jagd auf die Wölfe des Waldes‘. Man hat in der Folge oft behauptet, die Carboneria sei mit der Freimaurerei identisch gewesen. Aber das ist nicht der Fall.“ [Lennhof/Posner: Internationales Freimaurerlexikon; unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1932, Spalte 760ff, Wien-München 1980].
Die italienische Freimaurerei vertrat nicht wie die deutsche Freimaurerei eine utopische Vorstellung eines Weltbürgertums, sondern war nicht nur aus der Sicht der österreichischen Behörden durchaus irredentistisch/nationalistisch. Dies wird durch viele freimaurerische Bekundungen dokumentiert, wie zum Beispiel durch die feierliche Enthüllung des Dante-Alighieri-Denkmal in Trient, welches als sogenanntes Trienter „Trutzdenkmal“ die Italianität Welschtirols unterstreichen sollte.
Der bekannteste Freimaurer seiner Zeit war der Irredentist und Revolutionär Giuseppe Garibaldi. Er wurde später Großmeister des ‚Grande Orients d’Italia‘. Andere waren Camillo Cavour, Schöpfer der italienischen Verfassung, Giuseppe Mazzoni, auch ein berühmter Großmeister, oder der Revolutionär Giuseppe Mazzini.
Den Irredentisten im italienisch-sprachigen Teil der Monarchie, die Teile des Bürgertums, kleinere Teile des Adels, der Geistlichkeit und Arbeiterschaft, aber kaum die Bauernschaft umfassten, kann man Gewandtheit, oft List und Ausdauer sowie Unerschütterlichkeit nicht absprechen:
„Sie waren Meister im ununterbrochenen Kleinkrieg gegen die österreichischen Behörden. Letztere waren gewiß nicht immer konsequent; sie zeigten aber, besonders an Verhältnissen nach dem ersten Weltkrieg gemessen, im allgemeinen und meistens eine Milde, Nachsicht und Geduld sowie Fairness, über die man heute noch staunt. Dank und Anerkennung ist ihnen von der Gegenseite dafür nicht geworden“ [Hans Kramertz: „Das Dante-Aligherie-Denkmal in Trient im Rahmen des italienischen Irredentismus“; in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Band 58, Dezember 1950].
Ein späterer Faschist als Vorkämpfer imperialistischer Unterdrückung
Die ohne Zweifel für das Schicksal Tirols unheilvollste Person war der 1865 in Rovereto geborene Ettore Tolomei. Er studierte in Florenz Geschichte und Geographie, wurde ein glühender Nationalist und Mitglied der ‚Dante Alighieri Gesellschaft‘.
Ettore Tolomei, der von seinem geliebten „Duce“ Mussolini ehrenhalber zum faschistischen Senator befördert werden sollte, sah seine Lebensaufgabe darin, die Grenzen Italiens auf den Alpenhauptkamm zu verlegen, dadurch das historisch gewachsene Tirol zu zerstören und die Ladiner und die Deutschen südlich des Brenner unter italienische Fremdherrschaft zu bringen. Er scheute dabei vor keinen historischen und Ortsnamen-Fälschungen, zurück, die teilweise skurrilen und lächerlichen Charakter annahmen.
Seine erlogene „Erstbesteigung“ des eher unbedeutenden, aber am nördlichsten im Alpenhauptkamm gelegenen Glockenkarkopfes mit der grotesken Umbenennung des Gipfels in „Vetta d’Italia“ („Gipfel Italiens“) hatte historische Bedeutung. Bei den Pariser Friedensverhandlungen am Ende des Weltkrieges wurde von der italienischen Delegation eine Landkarte mit diesem Namen vorgelegt. Dies machte angeblich großen Eindruck – oder politisch willkommenen und vorgetäuschten Eindruck – auf den US-Präsidenten Wilson. Auch hier darf man Verlogenheit und Täuschung nicht ausschließen.
Bereits in der ersten Ausgabe der von ihm gegründeten Zeitschrift „La Nazione Italiana“ hatte Tolomei seine unheilvolle Lügenpropaganda begonnen. In der Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“ präsentierte Tolomie seine geschichtlichen Lügen und gefälschten Ortsnamen, womit er die „Italianität“ des deutschen und ladinischen Südtirols „wissenschaftlich“ begründete.
Die Abschaffung des wahren und geschichtlichen Namens Tirol sowie die Umwandlung aller deutschen und ladinischen Orts- und Flurnamen in erfundene italienische Namen war sein Programm. Für die Landesbezeichnung griff Tolomei auf den kurzzeitig unter Napoleon verwendeten Namen „Alto Adige“ – „Hoch-Etsch“ – zurück.
Es gelang Tolomei und seinen Helfern jedoch trotz vieler Anstrengungen bis Mitte des 1. Weltkrieges nicht, die italienische Wissenschaft, besonders die „Geographische Gesellschaft“ und sogar die Mehrheit der politischen Führung Italiens, vom „wissenschaftlichen“ Wert seiner Publikationen zu überzeugen. Erst als er trotz heftiger Proteste Mitglied der „Geographischen Gesellschaft“ wurde, sollte sich dann unter dem Eindruck des gewonnenen Krieges und vor allem unter dem Einfluss des Faschismus rasch die Einstellung dieser Vereinigung wandeln.
In Österreich hatte man die Entwicklung und die drohenden Gefahren nicht rechtzeitig erkannt
Die lodernde Flammenschrift an der Wand war vom Kaiser Franz Joseph und seinem Führungskreis, trotz vieler ernsthafter Warnungen, immer noch nicht verstanden worden, als der italienische Anarchist Luigi Lucheni die Gattin Franz Josephs, Kaiserin Elisabeth („Sissy“), am 10. September 1898 in Genf mittels einer Feile mit eiskaltem Vorbedacht ermordete. [Luigi Lucheni / Santo Cappon: Ich bereue nichts! Die Aufzeichnungen des Sissi-Mörders; Taschenbuch, 2000]
Lucheni hatte sich den russischen Adeligen und Anarchistenführer Michail Alexandrowitsch Bakunin (*1814, †1876 in Bern) als anarchistisches Vorbild gewählt. Bakunin hatte 1861 mit Guiseppe Garibaldi Verbindung aufgenommen und sich 1864 in Italien niedergelassen. Er war durch Empfehlungsschreiben von G. Mazzini und Aurelio Saffi in die revolutionären italienischen Kreise eingeführt worden und hatte 1864 in Italien die „Internationale Bruderschaft“, die Keimzelle der Anarchisten Italiens, begründet.
Der Historiker Otto Weiß stellte in einem historischen Beitrag „Deutschlandbild der Italiener von der Schlacht bei Königgrätz bis zur Reichsgründung“ [In: „Deutsche Italienbilder und italienische Deutschlandbilder in der Zeit der nationalen Bewegungen 1830-1870“, Berlin 1991] die Frage:
„Wie sahen die ‚Deutschen‘ im Urteil und Empfinden der Italiener zwischen 1866 und der deutschen Reichsgründung aus? Als Quellen für seine gründliche Analyse untersuchte Weiß die gesamte damalige Presse, „dann auch programmatische Artikel in Zeitschriften und Flugschriften, die sich speziell mit Deutschland, insbesondere mit dem Verhältnis Deutschlands zu Italien befassen“.
Auf S. 257 zitierte Weiß eine hier im Kontext dieses Buches wichtige italienische Flugschrift des Jahres 1869, worin u.a. zu lesen ist:
„Damit die beiden Völker ihrer Aufgabe nachkommen könnten (…)müssten sie gemeinsam Tirol von Österreichern befreien. Der Brenner soll zur Grenze, nein zum Ort der Begegnung beider Völker werden.“
(Diese durchaus heuchlerische Interpretation des Brenners als „Ort der Begegnung“ hört und liest der aufmerksame Zeitgenosse auch heute noch in vielerlei Abwandlungen in den Medien! In erster Linie nicht von Seiten italienischer Politiker, sondern vor allem von den politischen Repräsentanten der Republik Österreich und Südtirols, die damit seit Jahrzehnten ihre ständige Verzichtspolitik in Südtirol-Fragen rechtfertigen und als moralischen Fortschritt verkaufen.)
Die Ermordung des Thronfolgers
Am 28. Juni 1914 wurden der seit 1896 zum Thronfolger bestimmte Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este und seine Gattin, Sophie Gräfin Chotek v. Chotkowa und Wognin, seit 1909 Herzogin von Hohenberg, in Sarajevo vom 19jährigen Schüler Gavrilo Princip mit Hilfe der Untergrundorganisation „Mlada Bosna“ und der serbischen Geheimorganisation „Schwarze Hand“ mit Pistolenschüssen ermordet.
Auch zu diesem Zeitpunkt kam es zu keinem entschlossenen und eigenverantwortlichen Handeln der dazu unfähigen Regierung in Wien. Zudem hatte sich wegen des Jahrzehnte langen politischen Versagens der maßgeblichen Eliten die „politische Großwetterlage“ bereits gegen das österreichische Kaiserhaus gewandt. Der überforderte alte Kaiser erklärte Serbien den Krieg, die lange aufgestellten Fallen schnappten zu, der 1. Weltkrieg entbrannte.
Die nationalistischen Kräfte des mit Österreich-Ungarn und mit dem deutschen Reich im „Dreibund“ verbündeten Italien hatten auf eine solche Situation gewartet. Nun entbrannte die Kriegstreiber-Propaganda mit voller Wucht, bis es 1915 zum Bündnis-Bruch seitens Rom und zum italienischen Überfall auf den eigenen Verbündeten kam.
Was gemäß Hofzeremoniell als wichtig erschien – während der Staat dem Zerfall entgegen wankte
Die absolute Starrheit und der moralische Verfall des kaiserlichen Hofstaates in Wien hatten sich beim schäbigen Begräbnis des ermordeten designierten kaiserlichen Ehepaares dokumentiert:
„Die Trauerfeiern wurden vom Hof wegen der nicht standesgemäßen Heirat bewusst bescheiden gehalten, die Presse sprach von einem ‚Begräbnis III. Klasse‘. Ein vollständiges Staatsbegräbnis kam für einen Thronfolger ohnehin nicht in Frage, dies stand nur dem Monarchen selbst zu. Für die Herzogin von Hohenberg war eine Bestattung in der Kapuzinergruft nicht möglich, und eine Ausnahmeregelung durch Kaiser Franz Joseph war nicht zu erwarten. Er konnte dem Thronfolger die morganatische Ehe gegen seinen Willen nicht verzeihen.
Da Franz Ferdinand dies gewusst hatte, aber unter allen Umständen an der Seite seiner Gattin begraben werden wollte, hatte er bereits zu Lebzeiten vorgesorgt und in seinem Schloss Artstetten eine Gruft errichten lassen. [Austria-Forum: „Franz Ferdinand von Österreich-Este“].
Der ermordete Thronfolger hatte ein modernes Staats-Konzept vertreten
Der Ermordete hatte als einer der wenigen Mitglieder des Kaiserhauses die vielen Zeichen an der Wand gesehen: Er hatte die Monarchie grundlegend neugestalten und die Völker Österreichs in einer Föderation auf ethnischer Grundlage vereinen wollen. Das war ein modernes Konzept gewesen, welches zu einer Lösung der ethnischen Fragen durch einen Föderalismus ähnlich jenem der Schweiz hätte führen können. Seine Ermordung 1914 und der Tod des greisen Kaisers 1916, sowie die Niederlage von Österreich-Ungarn 1918 waren das tragische Ende eines großen Staates, einst die vielhundertjährige Führungsmacht Deutschlands im Herzen Europas.
Feldmarschall Conrad von Hötzendorf hatte die italienische Gefahr erkannt gehabt
Österreichs Feldmarschall Conrad von Hötzendorf, bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 der Chef des Generalstabes für die gesamte bewaffnete Macht Österreich-Ungarns, hatte mehrmals einen Präventivkriege der Monarchie gegen die erkannten Gefährder Italien und Serbien gefordert gehabt. Conrad spielte eine wichtige Rolle in der Julikrise, die zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte. Er urteilte über den Irredentismus [“Aus meiner Dienstzeit 1906-1918“, S. 24, Wien-Berlin-Leipzig-München 1921]:
„So gering die Zahl der Italiener in Österreich-Ungarn auch war, so bedeutungsvoll wurde sie durch die hartnäckige Agitation ihrer politischen Führer, die letzten Endes die Vereinigung der von Italienern bewohnten österreichisch-ungarischen Gebiete mit dem Königreich Italien anstrebten. Sie fanden bei Italien die lebhafteste Unterstützung.
Zwar nötigte das zwischen Österreich-Ungarn und Italien bestehende Bündnis die offiziellen Kreise Italiens, die Beziehungen zur irredentistischen Bewegung nach außen hin zu verleugnen, nichtsdestoweniger fanden sie italienischerseits vollste Förderung“
„Von den (Im Jahre 1890) 697.000 Italienern Österreich-Ungarns bewohnten 22.000 das Gebiet von Fiume, 16.000 Dalmatien, 294.000 das Küstenland, 362.000 Tirol. Im Küstenland bildeten sie hauptsächlich die Bevölkerung der Städte (Triest, Görz, Pola, Parenzo, Rovigno etc.), während das Land rings um diese von Slawen bewohnt war; in Tirol hatten sie den Süden des Landes inne, davon große Teile, die einst deutsch waren, allmählich aber verwelscht wurden.
Die italienische Landbevölkerung, dann auch der Adel waren zum größten Teile österreich-patriotisch gesinnt, ein Großteil der reicheren Gutsbesitzer (signori) sowie der bürgerlichen Kreise aber war ausgesprochen dem Irredentismus ergeben, der überdies auch im Klerus und selbst in der Beamtenschaft seine Vertreter fand.
Die Tendenzen dieser Partei hatten so sehr die Vereinigung mit Italien zum unverrückbaren Ziele, daß jedes Entgegenkommen, jeder versöhnliche Versuch ein vergebenes Bemühen war, ja jede Konzession die irredentistischen Bestrebungen nur zu fördern vermochte. Trotzdem ging die Regierung, in großer Schwäche, diesen Weg. Italien versäumte es nicht, den Irredentismus wach zu erhalten, ihn auszunützen und dem großen Ziele einer wesentlichen territorialen Erweiterung auf Kosten Österreich-Ungarns dienstbar zu machen.“
Ein österreichischer Offizier berichtet über die italienische geheimdienstliche Wühlarbeit
Ein ehemaliger österreichischer Offizier, der seit 1906 mit Unterbrechungen in „einem Grenzort Südtirols, der eine bekannte Hochburg der Irrendenta war“, seinen Militärdienst im Abwehr- und Nachrichtendienst verrichtete, beschrieb anschaulich das dort von ihm Erlebte [„Kämpfer an vergessenen Fronten“, bearbeitet und herausgegeben von Wolfgang Foerstner. S. 558ff, Berlin 1931].
Er berichtete u.a.:
Italienische Offiziere sagen Krieg voraus
„In den meisten Geschäftsauslagen waren Büsten des italienischen Königs oder Garibaldis, niemals aber ein Bild unseres eigenen Herrschers zu sehen. (…) Während meiner mehrjährigen Abwesenheit von Tirol hatten die Italiener so ziemlich alle Grenzübergänge mit Sperrforts versehen, die aber alle in ihrer Anlage den offensiven Charakter erkennen ließen. (…) Von italienischen Offizieren konnte man nach dem Tripoliskrieg [Anm. Hg.: dieser begann mit der italienischen Kriegserklärung am 29. September 1911 und endete mit dem Frieden von Ouchy am 18. Oktober 1912. In ihm trat das Osmanische Reich Tripolitanien, die Cyrenaika und den Dodekanes an Italien ab.] vielfach die Äußerung hören, der Tripoliskrieg sei nur als Vorschule für den nun bald kommenden Krieg gegen Österreich, den man zu Erlangung von Trient und Triest führen werde, anzusehen.
Steigerung der Spionagetätigkeit
Tatsächlich war damals in Südtirol auch eine wesentliche Steigerung der italienischen Spionagetätigkeit zu verzeichnen, was immer ein Zeichen ist, daß sich irgendetwas vorbereitet. (…)
Wie es diesbezüglich aussah, lässt wohl am besten die Tatsache erkennen, daß damals in einem Monat in Südtirol vierzig italienische Offiziere zugleich auf Urlaub weilten, die sich in unserem Grenzbereich als Touristen herumtrieben und dabei nicht nur selbst auskundschafteten, sondern auch unsere italienische Grenzbevölkerung verhetzten und zur Spionage verleiteten. (…)
In den letzten Jahren vor dem Ausbruch des Weltkrieges arbeitete der italienische Nachrichtendienst in Tirol mit Hochdruck und bediente sich dabei mit großem Erfolg jener Bewegung, welche man als Irredenta bezeichnete, und welche sich die Losreißung der von Italienern bewohnten Grenzgebiete der Monarchie zum Ziele gesetzt hatte. (…)
Da wir mit Italien im Dreibundvertrag standen und offiziell das herzlichste Einvernehmen zwischen unseren Staaten herrschte, durfte unser Abwehrdienst nur mit größter Rücksichtnahme vorgehen, um den Nachbar durch ein zu scharfes Vorgehen nicht zu verstimmen, und konnte daher nur in ganz krassen Fällen von Spionage einschreiten. (…)
Die Benutzung irredentistischer Vereinigungen
Der italienische Nachrichtendienst bediente sich zu seinen Zwecken aber auch in sehr geschickter Weise der zahlreichen irredentistischen Vereine auf unserem Gebiet. So konnten wir feststellen, daß der „Klub Alpino Tridentino“ im Auftrage des „Touring Club Italiano“, der vom italienischen Generalstab für Spionagezwecke eine jährliche Subvention von 25.000 Lire bezog, eine genaue Wegekarte des ganzen Grenzgebietes anlegte und alle im Grenzgebiete vorhandenen Hochgebirgswege bis zur Grenze markierte, welche Markierung dann auf italienischer Seite von den Alpinitruppen fortgesetzt wurde. Der Verein baute auch an einigen wichtigen Übergangspunkten des Grenzgebietes eigene Schutzhütten, die immer reichlich mit Lebensmittel versehen waren, so daß sie sehr brauchbare Depots darstellten. Die in Südtirol bestehenden Sportvereine waren fast ausschließlich irredentistisch und standen ganz unter dem Einfluss der Vereine des benachbarten Königreichs. [Anmerkung: Unter „Südtirol“ wurde im alten Österreich nicht das heutige Südtirol verstanden, sondern Welschtirol, das heutige „Trentino“.] Diese Vereine ließen sich im Laufe der Zeit alle eigene Uniformen anfertigen, die selbstverständlich in Schnitt und Farbe ganz der italienischen Uniform nachgebildet waren, so daß jeder, der so einen Verein sah, den Eindruck hatte, daß es ein reichsitalienischer sei. Derartig uniformierte Vereine gab es in Südtirol etwa 75. (…)
Horten von Waffen
Eine von der Abwehrstelle im Frühjahr 1914 durchgeführte Überprüfung der im südlichen Landesteil ausgegebenen Waffenpässe ergab, daß in den drei an Italien grenzenden Bezirken Pässe für 6000 Gewehre und 5000 Revolver und Pistolen ausgestellt worden waren. Diese Menge war hinreichend, um die genannten uniformierten Vereine vollkommen mit Waffen auszurüsten. Italien konnte also damit rechnen, daß es in einem Kriege mit uns in Südtirol gleich ein ganz italienisch uniformiertes und dabei auch noch bewaffnetes Freikorps zur Verfügung haben werde, das einen Aufmarsch unserer Truppen im südlichen Landesteil empfindlich stören, wenn nicht gar verhindern konnte“.
Die italienische Freimaurerei beteiligte sich intensiv an den Kriegsvorbereitungen
Daß auch die italienische Freimaurerei am Kriegseintritt Italiens 1915 nicht unbeteiligt war, erkennt man an den Worten des damaligen Großmeisters der italienischen Logen. Bereits am 14. Juli 1914 sprach er „von der Gefährdung der nationalen Interessen, von der Möglichkeit der Vervollständigung der nationalen Einheit (…) Auf eine Anfrage des Deutschen Großlogenbundes vom 5. November 1914, ob die in den Zeitungen veröffentlichten Mitteilungen über dreibundfeindliche Kundgebungen der italienischen Maurer wahr seien, antworteten diese zunächst vieldeutig (…)
Als am 5. Mai 1915 das Denkmal der tausend Garibaldiner in Quarto eingeweiht wurde – Gabriele d’Annunzio hielt die dieFestrede – umrahmten die Fahnen von 400 italienischen Logen den Festplatz. Neun Tage später trat Italien in den Weltkrieg ein. Der Großorient sprach in einer Botschaft von einem lang erwarteten Ereignis, das er begrüßte“ [Lennhof/Posner: Internationales Freimaurerlexikon; unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1932, Spalte 765, Wien-München 1980].
Wie lebendig das damalige, von Hass und Vernichtungswillen geprägte Gedankengut der Irredentisten auch heute noch ist, erkennt man im Gedenken an das Leben und Sterben des Irredentisten Cesare Battisti: Seine Gedenktafel in Rom, seine Büsten im „Siegesdenkmal“ in Bozen und in Verona, die Gedenkplatte an seinem Geburtshaus in Trient und sein Grabmal im Battisti-Mausoleum in Trient dokumentieren die ungebrochene Verehrung des am 11. Juli 1916 in Trient gehängten sozialistischen Irredentisten.
Battisti hatte – im Gegensatz zum Faschisten Ettore Tolomei – nicht den Alpenhauptkamm als Italiens Grenze gefordert, sondern eine Grenzziehung entlang der realen Sprachgrenze.
Dieser Forderung von Battisti können sich heute noch alle am Frieden und guter Nachbarschaft interessierten Österreicher und Italiener anschließen.
Im Ersten Weltkrieg hatte der österreichische Staatsbürger Battisti als Offizier im italienischen Heer gegen Österreich-Ungarn gekämpft und war von den Östereichern gefangen genommen worden.
Es war eine menschliche Tragödie und politische Kurzsichtigkeit, dass dieser Mann nach seiner Gefangennahme als österreichischer Deserteur hingerichtet und nicht begnadigt wurde. Diese Engstirnigkeit der österreichischen Militärjustiz und der österreichischen Staatsführung wirkt in tragischer Weise bis heute nach. Ausgerechnet das Gedenken an einen Mann, der keine Unterdrückung anderer Nationalitäten anstrebte, wird heute von italienischen Nationalisten und Faschisten dazu missbraucht, die „Heiligkeit“ der Brennergrenze zu behaupten.
Benito Mussolini hatte 1935 auf dem Doss Trento ein Denkmal für Cesare Battisti errichten lassen und damit das Andenken an diesen Mann für faschistisch-nationalistische Zwecke missbraucht.
Unbekannte Welschtiroler schrieben in einer Nacht folgenden Text auf das Denkmal:
„O kleiner Cesare, du bist umsonst gestorben, weil das Trentino nie italienisch war und nie italienisch sein wird.“
In der Folge wurde der Text auch als Flugblatt verbreitet.
Welschtiroler Schützen verteidigten Tirol
Welschtiroler Schützenkompanien verteidigten im 19. und im 20 Jahrhundert mehrmals heldenhaft ihre Heimat gegen italienische Einfälle.
Bis heute in Welschtirol und in Südtirol keine Volksabstimmung!
In Italien wird immer stolz betont, dass die Einigung des Stiefel-Staates durch Volksabstimmungen in den jeweils dazu gewonnenen Gebieten legitimiert wurde.
Dabei ist Folgendes interessant:
Es gab nach dem Ersten Weltkrieg in Südtirol und in Welschtirol keine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zu Italien.
Ganz offenbar befürchtete man nach dem Ersten Weltkrieg in Rom, dass in Welschtirol vor allem die Landbevölkerung mit ladinischen und deutschen Wurzeln mehrheitlich gegen einen Anschluss an das Königreich Italien stimmen würde.
Die Stimmen italienisch-nationalistisch gesonnener städtischer Intellektueller und Gewerbetreibender wären nicht ausreichend für einen römischen Sieg in einem Plebiszit gewesen.
Rom zog also die Vorsicht vor – bis heute!!!
Denn in Welschtirol erwacht wieder eine Rückbesinnung auf ladinische und deutsche Wurzeln.
Die Rückbesinnung auf die alten Wurzeln
Um diese Rückbesinnung verstehen zu können, ist ein Blick auf die Geschichte der Bevölkerungsentwicklung notwendig.
Welschtirol war in den ländlichen Gebieten vorwiegend ladinisch undvor allem in den Rodungsgebieten der Seitentäler seit dem 12. und 13. Jahrhundert auch deutsch geprägt. Lediglich in größeren Orten und Städten setzte sich ein vergleichsweise kleiner aus dem Süden zugewandeter italienischer Bevölkerungsanteil fest: Intellektuelle, Kaufleute und Handwerker.
Sprachenkarte
Eine Sprachenkarte Gesamttirols mit der Darstellung der Situation um 1500 verdeutlicht dies:
Die Namen der Trentiner Bischöfe
Auch ein Blick in das Namensregister der Bischöfe von Trient ist interessant:
Um 800 nach Christi Geburt finden wir einen Hiltigard, um 827 einen Heimpert, um 850 einen Udalschalk, um 880 einen Adelgis. Dann folgen die Bischöfe Fridebert, Gisulf, Bertald, Konrad.
Weitere Bischofsnamen absolut nicht italienischer Herkunft: Lantram, Arnald, Rainoard, Udalrich, Hatto, Heinrich, Bernward, Gebhard, Adelpret, Altmann, Eberhard und so fort und so weiter. Bis in das 19. Jahrhundert finden wir zahlreiche solche deutschen Namen. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts folgen ausschließlich italienische Namen.
Bis heute hat sich auch in einigen Sprachinseln ein alter bajuwarischer Dialekt, das sogenannte „Zimbrische“ erhalten:
Sprachliche Italianisierung durch italienischen Klerus
Das ladinische und deutsche Siedlungsgebiet reichte einst auch weit über das südliche Tirol hinaus in den oberitalienischen Raum hinein. Es erstreckte sich bis zum alten Berne (Verona). Germanische Einwanderungswellen der Langobarden, Franken und Bajuwaren prägten diesen Kulturkreis bis über das Mittelalter hinaus. In der Folge wurden immer wieder neue Einwanderer aus dem Norden zur Rodung weiter Waldgebiete und zur Schaffung einer bäuerlichen und städtischen Kulturlandschaft ins Land gerufen.
Eine hervorragende Darstellung hat dazu Bernhard Wurzer in seinem Standardwerk „Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien“ (Athesia-Verlag Bozen, 5. Auflage 1983) geliefert.
Wenn in früheren Zeiten Priestermangel herrschte, so rief man vor allem deutsche Priester aus dem Norden ins Land, welche die Sprache der deutschen Einwohner sprachen. Das änderte sich radikal, als im deutschen Norden der Protestantismus um sich griff.
Nun zogen die Bischöfe von Triernt es vor, Priester aus dem italienischen Süden ins Land zu holen, die nicht von dem von Martin Luther verbreiteten Bazillus angesteckt waren.
Diese Priester sprachen Italienisch, predigten Italienisch, tauften die Kinder auf italienische Vornamen und italianisierten in den Tauf- und Sterberegistern auch die Familiennamen.
So wurde beispielsweise aus dem in Welschtirol weit verbreiteten Familiennamen „Nikolaus“ der Familienname „Nicolussi“. Seitenlinien dieser „Nicolussi“ behielten bis heute vielfach deutsche Zusatznamen bei: Reut-Nicolussi, Nicolussi-Leck.
Auch der von Grundschulunterricht wurde in italienischer Sprache gehalten. Im 19. Jahrhundert mögen auf der Seite dieser Priester auch noch nationalistische Antriebe die sprachlichen Italianisierungsmaßnahmen verstärkt haben.
Heute erstarkt das Bewußtsein eigener Identität
Der Welschtiroler Schützenbund gründet neue Kompanien oder nimmt Wiedergründungen ehemaliger Kompanien vor. Das Tirol-Bewußtsein südlich der Salurner Klause erstarkt deutlich.
In zahlreichen Internet-Portalen betonen immer mehr Welschtiroler, dass sie sich als Tiroler und Österreich zugehörig fühlen:
„Tirol ist nicht Italien“, verkündet diese Darstellung im Internet. Und: „93 Jahre löschen nicht 8 Jahrhunderte aus“
Südtirol und der Faschismus
Vor 90 Jahren nahm das Unheil seinen Lauf
Ein Südtirol-Freund, Herr Wolfgang Schimank, hat aus Anlass dessen, dass sich im Jahr 2016 der Tod des letzten deutschen Bürgermeisters von Bozen zum 90. Mal jährte, nachstehenden Beitrag gesandt, den wir hier gerne veröffentlichen:
Der 90. Todestag des letzten deutschen Bürgermeisters in Bozen
Ich möchte an den letzten deutschen Bürgermeister von Bozen erinnern. Am 17. April 2016 jährt sich sein 90. Todestag.
Julius Perathoner, geboren am 28. Februar 1849 in Dietenheim bei Bruneck, war von 1894 bis 1922 Bürgermeister der Stadt Bozen.
Bis 1918 gehörten Welsch- und Südtirol zum Habsburger Reich. In Südtirol lebten laut einer Volkszählung im Jahre 1910 Italiener, die lediglich 3% der Bevölkerung ausmachten. Julius Perathoner setzte sich für ein friedliches Zusammenleben der deutschen, der ladinischen und der italienischen Volksgruppen ein.
Am 1. / 2. Oktober 1922 wurde Perathoner durch den Marsch auf Bozen durch italienische Faschisten gewaltsam aus seinem Amt entfernt. Seitdem bekleideten nur noch Italiener dieses Amt in Bozen.
Der „Marsch auf Bozen“ war die Blaupause für Mussolinis Marsch auf Rom. Durch die von den italienischen Faschisten betriebenen Bevölkerungsaustausch hat sich das Antlitz Bozens dramatisch verändert. Heutzutage sind 75% der Bozner italienischer Abstammung. Dieses erdrückende Übergewicht spürt man als Außenstehender nicht, da in Bozen die deutschsprachige Landesregierung mit ihren vielen Ämtern ansässig ist.
Perathoners Vermächtnis des friedlichen Zusammenlebens der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen hat sich bis heute nur ansatzweise verwirklicht.
Erinnert sei an das Siegesdenkmal, das Alpini-Treffen, an italienische Orts-, Flur- und Straßennamen. In den Geschäften bekommt man fast ausschließlich Produkte zu kaufen, die nur in italienischer Sprache etikettiert sind. Vielen italienischen Boznern sind die Befindlichkeiten der Südtiroler fremd. Immer wieder heißt es „Siamo in Italia!“ (Wir sind in Italien!) Es gibt zwar Gesetze zur Gleichstellung der verschiedenen Sprachen und Volksgruppen. Diese werden von italienischer bzw. von staatlicher Seite schlichtweg ignoriert…
Meiner Meinung nach würden die Rechte aller in Südtirol lebenden Volksgruppen besser berücksichtigt, wenn sich diese Region mit Österreich wieder vereinigt oder ein Freistaat Südtirol gegründet wird. Das wäre sicherlich auch im Sinne von Julius Perathoner.
Wolfgang Schimank
Berlin
Der SID hat sich erlaubt, die Ausführungen von Herrn Schimank noch durch einen historischen Rückblick zu ergänzen:
Es begann 1921 mit dem Bozner Blutsonntag:
Europas Weg in das faschistische Verderben – Deutschlands Weg in den Untergang
SID – Dokumentation: Mussolini und Hitler rissen gemeinsam Europa ins Verderben
Generalproben in Bozen – Machtübernahme in Rom
Der Überfall faschistischer Terrortrupps auf den Festzug der Bozner Messe am 24. April 1921, der einen Toten und an die 50 teils schwer verletzte Opfer forderte, zeigte die Ohnmacht des italienischen Staates, der vor der Gewalt kapitulierte und die Täter nicht zu verfolgen wagte.
Das ermutigte Mussolini, ein Jahr später, Anfang Oktober 1922, noch einmal die Probe auf das Exempel zu machen. Es folgte der zweite Marsch auf Bozen. Faschistenhorden aus der Lombardei, dem Veneto und der Emilia Romagna besetzten das Rathaus in Bozen. Die Regierung in Rom kam in panischer Eile den Forderungen der Faschisten nach, setzte den deutschen Bürgermeister Perathoner ab und stellte die Stadt unter die Leitung eines Regierungskommissars.
Der Staat war reif zur Machtübernahme durch die Faschisten. Am 28. Oktober 1922 kam es zum „Marsch auf Rom“. Es gab keinen Widerstand mehr. Der König betraute Mussolini mit der Bildung einer neuen Regierung, die am 30. Oktober erfolgte.
Ein gelehriger Schüler in Deutschland
In München beobachtete ein gelehriger Schüler die Erfolge seines bewunderten Vorbildes Mussolini. Adolf Hitler ließ – dem Beispiel Mussolinis folgend – im Oktober 1922 vorübergehend die Stadt Coburg von 800 SA-Leuten besetzen.
Am 1. November 1922 berichtete der „Völkische Beobachter“ bewundernd über den „Marsch auf Rom“. Am 9. November 1922 versuchte Hitler mit dem „Marsch zur Feldherrnhalle“ in München die Macht in Bayern an sich zu reißen. Diesem Putsch hätte der „Marsch auf Berlin“ folgen sollen. Die bayerische Polizei und das Militär vereitelten den Staatsstreich. Hitler musste nach kurzer Inhaftierung den längeren Weg der Machterringung durch Wahlen gehen.
Von Anfang an hatte Hitler in Mussolini und seiner faschistischen Bewegung das große Vorbild gesehen, sogar Italiens Bündnisverrat im 1. Weltkrieg gebilligt und die Preisgabe Südtirols als notwendiges Opfer für die Freundschaft und das Bündnis mit dem Faschismus betrachtet.
Der gelehrige Schüler übernahm alle Ideen seines bewunderten Lehrers – vom totalitären Staat bis hin zur Lebensraumpolitik zu Lasten anderer Völker.
Der Weg war vorgezeichnet, der Europa ins faschistische Verderben und Deutschland in den Untergang führen sollte.
Der Maestro und sein Schüler – der gelehrige Hitler kopierte sein Vorbild Mussolini
Die Partei-Armee
Mit der Bürgerkriegsarmee zur Macht
Das Original:
Sturmtruppen – faschistische Miliz
1919: Benito Mussolini gründet die in „Squadre“ gegliederten „Fasci di Combattimento“ („Kampfbünde“), denen zahlreiche ehemalige Soldaten, vor allem Mitglieder der „Arditi“ („Entflammten“, der Sturmtruppen des 1. Weltkrieges angehörten.
Die mit Dolchen und Knüppeln bewaffneten „Squadre“ betätigten sich als Bürgerkriegsarmee und verübten Brandstiftungen, Morde, Massaker.
1921: Umwandlung der „Fasci“ in die „Nationale Faschistische Partei“ („Partito Nazionale Fascista“ – PNF).
1923: Überführung der „Squadre“ in die „Milizia Volontaria per la Sicurezza Nazionale“ (MVSN) („Freiwillige Miliz für die Nationale Sicherheit“) mit polizeilichen Befugnissen.
Später auch militärischer Einsatz.
Hemd als Uniformierung
Das einheitliche Schwarzhemd diente als Uniformierung.
Standarten
Neben Fahnen wurden Standarten als Nachahmung der römischen Legionszeichen eingeführt.
Historische Symbolik
Das altrömische „Rutenbündel“ („Fasces“) als Zeichen römisch-imperialer Macht wird zum Symbol der faschistischen Bewegung und des faschistischen Staates
Die Kopie:
Die „Sturmabteilungen“ (SA)
1920: Gründung der „Sturm-Abteilung“ (SA) als paramilitärischer Verband für öffentliche Demonstrationen, aber auch als Kampftruppe für den Bürgerkrieg.Parallel dazu Gründung der „Schutz-Staffel“ (SS), die später im Krieg militärische Einheiten („Waffen-SS“) stellte.Nach der Machtergreifung Ausübung polizeilicher Funktionen nach faschistischem Vorbild (Verhaftung von Regimegegnern und deren Abführung in Konzentrationslager).
Hemd als Uniformierung
Das einheitliche Braunhemd diente bei der SA als Uniformierung.
Standarten
Neben Fahnen wurden die im deutschen Raum nie üblich gewesenen Standarten nach faschistischem Vorbild eingeführt.
Historische Symbolik
Das germanische Sonnensymbol des „Hakenkreuzes“ wird als Zeichen altgermanischer Größe zum Symbol der nationalsozialistischen Bewegung und des NS-Staates.
Die Ideologie – der korporativ gegliederte Staat
Der Staat wird korporativ bzw. ständisch gegliedert – Absage an den Klassenkampf.
Hierarchische Führungsstruktur mit strikter Befehlskette von oben nach unten.
Der Staat wird korporativ bzw. ständisch gegliedert – Absage an den Klassenkampf.
Hierarchische Führungsstruktur mit strikter Befehlskette von oben nach unten.
Die „Führer“
Der „Duce“ („Führer“)
Mussolini fungierte von Anfang an als „Duce“ („Führer“) der „Fasci“, schließlich als „Duce“ der gesamten Nation und des „Impero“ („Imperium“).
Der „Führer“
Hitler ist der „Führer“ der NSDAP, später des gesamten „Großdeutschen Reiches“.
Die Gleichschaltung – die Einheitspartei
Die Abschaffung der politischen Konkurrenz
Verbot aller Parteien außer des PNF. Die Parteiformationen durchdringen das gesamte öffentliche Leben.
Die Abschaffung der politischen Konkurrenz
Verbot aller Parteien außer der NSDAP. Die Parteiformationen durchdringen das gesamte öffentliche Leben.
Die Staatsjugend
Uniformierte Parteijugend, die zur Staatsjugend umfunktioniert wurde.
Uniformierte Parteijugend (HJ und BdM), die zunehmend zur Staatsjugend umfunktioniert wurde.
Der imperiale Gedanke
Nach dem Raub- und Eroberungskrieg gegen Abessinien verkündete Mussolini am 9. Mai 1936 die Annexion der besetzten afrikanischen Gebiete und den Beginn eines neuen „Impero“ nach römischem Vorbild.
Adolf Hitler verkündete am 1. September 1933 offiziell, dass der von ihm geführte Staat ein „Drittes Reich“ sei, das „tausend Jahre“ dauern werde. Damit wurde der Staat propagandistisch in die Nachfolgetradition des „Römischen Imperiums“ und des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ gestellt.
Imperialistische „Lebensraum“-Ideologie
Neuer Lebensraum im nördlichen Afrika für italienische Siedler.
Neuer Lebensraum in den eroberten und noch zu eroberten Ostgebieten für deutsche Siedler.
Die Rassenideologie
Der Faschismus installierte in seinen afrikanischen Kolonien ein System strenger Rassentrennung und stellte „Rassenschande“ mit Einheimischen unter Strafe. Die Überlegenheit der weißen Rasse wurde propagiert und „Rassenmischung“ gesetzlich verboten. 1938 wurden zusätzliche diskriminierende Rassengesetze erlassen, welche sich direkt gegen die Juden in Italien richteten.
Hitler kopierte Mussolinis Ideen mit den „Nürnberger Rassegesetzen“, welche sich – mangels deutscher Kolonien – vor allem gegen Juden und Zigeuner in Deutschland richteten.
Umsiedlung und Vertreibung
Option und teilweise Umsiedlung der Südtiroler (nur durch den Krieg gestoppt).
Umsiedlungen und Vertreibungen in Afrika, Istrien, Slowenien.
Option und teilweise Umsiedlung der Südtiroler (nur durch den Krieg gestoppt).
Umsiedlungen und Vertreibungen in den Ostgebieten.
Die Säuberung von Namen aus Geschichte und Geografie
Der Name „Tirol“ musste verschwinden. Aus dem südlichen Tirol wurde „Alto Adige“ („Hochetsch“).
Der Namenshinweis auf das Slawentum musste verschwinden. Aus dem italienisch besetzten südlichen Slowenien wurde die „Provincia di Lubiana“.
Der Name „Österreich“ musste dem Namen „Ostmark“ weichen. Aus „Oberösterreich“ und „Niederösterreich“ wurden „Oberdonau“ und „Niederdonau“.
Der Name „Polen“ musste verschwinden. Aus dem deutsch besetzten Teil Polens wurde das „Generalgouvernement“.
Konzentrationslager – Völkermord
Konzentrationslager in Afrika, Italien und auf Mittelmeerinseln.
Völkermord im nördlichen Afrika.
Konzentrationslager in den besetzten Ostgebieten und auf Reichsgebiet.
Völkermord.
Es ist bis heute in Italien guter Brauch, pauschal „die Deutschen“ als Quelle allen Übels in der Geschichte darzustellen. Dies geht einher mit einer Verharmlosung des italienischen Faschismus, die trotz einschlägiger Gesetze strafrechtlich so gut wie nie geahndet wird.
Ein Ministerpräsident Berlusconi konnte sich erlauben, zu behaupten, dass Mussolini seine politischen Gegner schließlich nur in den Urlaub geschickt habe. Gemeint waren die mit Kerkern bestückten und mit Fieberepidemien ausgestatteten Verbannungsinseln im Mittelmeer.
Der vergleichsweise harmlose Faschismus, so wird bis heute in einer Vielzahl italienischer Medien kolportiert, habe den Fehler des Bündnisses mit den Deutschen 1943 rechtzeitig durch den Bündniswechsel korrigiert und die italienische Nation habe sich damit kollektiv und entschlossen auf die Seite des Guten gestellt.
Die hier vorgelegte Dokumentation hat sich erlaubt, dieser wenig anständigen Interpretation zu widersprechen.
Deutschland hat seit 1945 in einem beispiellosen Ausmaß finanzielle Wiedergutmachung zu leisten versucht. Italien hat in Bezug auf die Völkermordverbrechen des Faschismus bis heute nichts getan.
In Deutschland wird der Nationalsozialismus als Unrechtsregime betrachtet, in Italien gibt es neofaschistische Gruppierungen und Parteien, die sich offen zum Faschismus bekennen.
Das ist der wahre Unterschied!
Ein Informationsdienst stellt sich vor
In den Jahren 1945 veröffentlichte die von dem vor den Faschisten aus Südtirol geflüchteten Univ.-Prof. Dr. Eduard Reut-Nicolussi geleitete „Landesstelle für Südtirol“ der Nordtiroler Landesregierung eine Reihe wertvoller Dokumentationen, Presseerklärungen und Monatsberichte zur Südtirolfrage. Diese publizistisch-dokumentarische Arbeit war ein wertvolles Hilfsmittel ebenso der österreichischen Staatspolitik wie der verantwortungsvollen Berichtstätigkeit der österreichischen und internationalen Presse.
Im Jahr 1963 wurde der Pressedienst „SID – Südtirol Information Dokumentation“ ins Leben gerufen.
Die Schriftleitung dieses herausragend informativen Pressedienstes hatte der ehemalige Südtirol-Staatssekretär Univ. Prof. Dr. Franz Gschnitzer (ÖVP) übernommen. Als Herausgeber fungierten der Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer ÖVP), der Nordtiroler Landesrat Rupert Zechtl (SPÖ) und der Journalist Benedikt Posch.
Des Öfteren geriet der Pressedienst in Bezug auf Südtirol in Widerspruch zu der Wiener Bundesregierung. Unwandelbar stand jedoch der Landeshauptmann Wallnöfer hinter Gschnitzer und dem von ihm vertretenen Kurs.
Heute ist die Situation in Nordtirol eine völlig andere. Den früheren Pressedienst „SID“ gibt es schon längst nicht mehr. Von der offiziellen Politik wird das Südtirol-Thema als erledigt angesehen, die Ausübung einer „Schutzmachtrolle“ Österreichs gegen römische Autonomie-Aushöhlungen hat sich auf ein bloßes Lippenbekenntnis reduziert.
Es gibt auch seit dem Jahr 2006 keine eigenständige Südtirol-Abteilung mehr im Amt der Tiroler Landesregierung. Das berühmte „Referat S“ unter der Leitung der engagierten Frau Hofrat Dr. Viktoria Stadlmayer ist Geschichte. Und es gibt auch keine regelmäßige amtliche publizistische Tätigkeit mehr in Form von Pressediensten zur Südtirol-Frage.
Um diese Lücke von privater Seite her zu schließen, hat sich ein Kreis von Südtirol-Freunden in Südtirol, Nordtirol und dem übrigen Österreich dazu entschlossen, die notwendige journalistische und dokumentarische Tätigkeit wieder aufzunehmen. Zu diesem Zweck wurde der „SID – Südtirol Informations-Dienst“ erneut ins Leben gerufen. Er wird in unregelmäßigen Abständen häufig erscheinen und Journalisten, Publizisten und anderen Interessierten kostenfrei übersandt werden. Der „SID“ ist kein kommerzielles Unternehmen.
Als Schriftleiter wird es mir ein Anliegen sein, durch seriöse und belegbare Information einen Beitrag dazu zu leisten, dass das Thema des bislang um seine Selbstbestimmung betrogenen südlichen Landesteils von Tirol nicht der Vergessenheit anheimfällt.
Georg Dattenböck
Nicht auf den Knien nach Rom!
Eine Dokumentation
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das nunmehr „demokratische“ Italien ungeniert die alte faschistische Entnationalisierungspolitik weiter betrieben. Eine gesteuerte Masseneinwanderung von Italienern aus dem Süden sollte die Südtiroler im eigenen Land zur entrechteten Minderheit machen, welche durch polizeistaatliche Maßnahmen und durch Terror wehrlos gemacht werden sollte. In den 1960er Jahren hatten junge Südtiroler dagegen einen Widerstandskampf geführt.
Heinrich Oberleiter aus dem Ahrntal war einer dieser Widerstandskämpfer gewesen.
Er hatte aus der eigenen Heimat flüchten müssen. In einem menschenrechtswidrigen Abwesenheitsprozess aufgrund der beibehaltenen faschistischen Strafprozessordnung war er zuerst zu einer langjährigen Haftstrafe und dann in zweiter Instanz zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt worden. Von seiner Verurteilung erfuhr er nur aus der Zeitung, ein Urteil hat er nie erhalten.
Er lebt heute in Deutschland und kann wahrscheinlich nur noch im Sarg in seine Heimat zurückkehren.
Abgelehnte Ehrenbürgerschaft
Ende des Jahres 2015 hatten die beiden Ahrntaler Gemeinderäte der „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF), Erich Kaiser und Benjamin Rauchenbichler, den Beschlussantrag eingebracht, Heinrich Oberleiter die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde zu verleihen. Am 21. Dezember 2015 lehnte die SVP-Mehrheit im Gemeinderat gegen die Stimmen der Ahrntaler Bürgerliste und der „Süd-Tiroler Freiheit“ diesen Antrag ab.
In einer Presseaussendung hielt der Gemeinderat Benjamin Rauchenbichler von der „Süd-Tiroler Freiheit“ fest:
„Es war dies ein Versuch, eine Persönlichkeit zu ehren, welche sich in aufopferungsvoller Weise für seine Heimat und Gemeinde eingesetzt hat und dabei seine persönlichen Bedürfnisse zurückgestellt hat. Daraus resultiert die bis heute andauernde Verurteilung durch den Staat Italien, welcher es Heinrich Oberleiter bis heute nicht ermöglicht, in seine Heimat einzureisen, ohne verhaftet zu werden.
Da die Gemeinde als öffentliches Organ gegen diesen Zustand nichts auszurichten vermag, wurde der Versuch gestartet, Heinrich Oberleiter wenigstens ein Zeichen der Anerkennung zu geben.
Nachdem bereits der Süd-Tiroler Landtag mittels Begehrensantrag beschlossen hat, den Staatspräsidenten und Justizminister um die Begnadigung der Freiheitskämpfer der 60er Jahre zu ersuchen, ist es umso verwunderlicher, dass dieser unser Schritt abgelehnt wurde.
Bereits im Vorfeld der Gemeinderatsitzung haben die 6 Gemeinderäte der Bürgerliste ihre Zustimmung für den Beschlussantrag öffentlich gemacht und mit beiligendem Schreiben begründet. Trotz dieser Stimmen und den Stimmen der Einbringer, wurde der Beschlussantrag jedoch mit 8 Ja Stimmen und 10 Nein Stimmen abgelehnt.
Es ist bedauerlich, dass es der Gemeinderat für nicht notwendig erachtet, eine verdiente Persönlichkeit zu ehren, welche sich für das Wohl der Gemeinde und des gesamten Landes Süd-Tirol eingesetzt hat.
Rauchenbichler Benjamin
Gemeinderat Süd-Tiroler Freiheit Gemeinde Ahrntal“
Initiative für ein Gnadengesuch
Im Frühjahr 2016 forderten die STF-Gemeinderäte, dass die Gemeinde bei dem italienischen Staatspräsidenten ersuchen sollte, nach einem halben Jahrhundert durch einen Gnadenakt einen Schlussstrich unter die tragischen Ereignisse der 1960er Jahre zu setzen, damit Heinrich Oberleiter noch zu Lebzeiten und nicht erst als Toter wieder in seine Heimat kehren könne.
Ein liebedienerischer Brief
Daraufhin sagte der Bürgermeister Klammer zu, ein Gnadengesuch an den italienischen Staatspräsidenten zu richten, welches von allen Gemeinderäten unterzeichnet werden solle.
Die Gemeinderäte der Ahrntaler Bürgerliste und der „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) trauten ihren Augen kaum, als ihnen ein Briefentwurf zur Unterschrift vorgelegt wurde, welcher von Unterwürfigkeit gegenüber Rom gekennzeichnet war, herabsetzende Unwahrheiten über den zu Begnadigenden enthielt und einer italienischen nationalistischen Geschichtsverzerrung Recht gab. Mit dem Betroffenen, Heinrich Oberleiter, hatte der Bürgermeister keinen Kontakt aufgenommen, obwohl dessen Anschrift in Deutschland, seine Telefonnummer und seine Emailadresse in der Gemeinde bekannt waren.
Noch dazu war in dem Brief die Gemeinde Ahrntal nur mit dem von dem Faschisten Tolomei erfundenen Namen „Valle Aurina“ bezeichnet.
Nachstehend der Brief:
Übersetzt lautet das Schreiben so:
„Gemeinde Ahrntal – Comune di Valle Aurina
An die Präsidentschaft der Republik
Quirinal-Palast
Rom
zu Handen des höchst geehrten Präsidenten der Republik, Dr. Sergio Mattarella
Steinhaus 06. 04. 2016
Gnadengesuch zugunsten Oberleiter Heinrich, geboren in S. Giovanni di Valle Aurina am 13. 01. 1941
Höchst geehrter Präsident der Republik, Dr. Sergio Mattarella,
wir bitten Sie hiermit, dass Sie in Ausübung Ihrer institutionellen Befugnisse die Möglichkeit in Betracht ziehen, dem Herrn Oberleiter Heinrich die Begnadigung zu gewähren.
Obwohl wir die Schwere der Taten begreifen, wegen derer Oberleiter Heinrich verurteilt wurde, wollen Sie uns gestatten, Ihnen Nachstehendes vorzutragen:
Der Herr Oberleiter Heinrich ist geboren und aufgewachsen im Valle Aurina. Seine Kindheit und die darauf folgende Pubertät fanden in der unmittelbaren Nachkriegszeit am Ende der zwanzigjährigen Zeit des Faschismus statt. Die Armut und der Mangel an Arbeit zwingen ihn dazu, vom zarten Kindesalter an als Bauernknecht bei anderen Familien im Tal zu arbeiten. Seine schulische Ausbildung war kärglich, wenn sie nicht geradezu gefehlt hat. Was aber diese Periode und den Stand der Landbevölkerung charakterisierte, ist vor allem die Hoffnung, dass nach dem Eintritt des Friedens in Europa dieser auch in Südtirol einkehren möge.
Höchst geehrter Präsident, betrachten Sie die damalige Situation: Es gab damals die modernen Kommunikationsmittel wie heute nicht, wo jede Nachricht einen jeden Menschen in wenigen Sekunden erreicht. Zum Zeitpunkt der Taten war die Information charakterisiert durch wenige Zeitungen, aus denen nur wenige Personen Nutzen zogen, weshalb es die konkreten und unmittelbar aufgenommenen Ereignisse waren, welche die Mentalität jener beeinflussten, die im Gebirge hart arbeiteten.
Gestatten Sie uns, nur einige davon aufzuzählen: Es stellte einen Straftatbestand dar, die Tiroler Fahne während traditioneller Festlichkeiten zu hissen und hatte als unmittelbare Folge das Eingreifen der Ordnungskräfte zur Folge. Die Gerichtsbarkeit wurde ausschließlich in italienischer Sprache administriert. Nicht gut Italienisch zu sprechen war ein Motiv für Verspottung. Nichts oder stattdessen wenig wusste der Herr Oberleiter Heinrich von den Verhandlungen zwischen Österreich und Italien am Sitz der Vereinten Nationen und von den Anstrengungen, eine friedliche Lösung zu finden. Zu Beginn der Sechzigerjahre hatte sich für ihn nichts geändert und so wie es von ihm in seiner Alltäglichkeit wahrgenommen wurde, war der Frieden in Südtirol nicht angekommen.
Höchst geehrter Präsident, wir wollen die Geschichte nicht erneut untersuchen und noch weniger die Prozesse: Die Tatsachen sind in den Akten. Es verbleibt aber auch die Tatsache, dass der Herr Oberleiter Heinrich nur Sachschaden verursacht und 1963 seinen Militärdienst für den italienischen Staat abgeleistet hat.
Was wir stattdessen mit diesem Gnadengesuch zugunsten des Herrn Oberleiter Heinrich übermitteln möchten, ist der historische Augenblick, jedoch isoliert und einzigartig, in welchem die Taten ausgeführt wurden. Er selbst erklärt, dass er bereits 1963 nicht mehr davon überzeugt gewesen sei, dass die Beschädigung der richtige Weg sei und dass er heute an die diplomatische Aktivität zur Lösung der Probleme glaube (zit. aus der Autobiographie des Herrn Oberleiter Heinrich, Seite 179).
Der Herr Oberleiter Heinrich ist heute eine alte Person und pflegt mit Hingabe seine kranke Frau. Er hat seine eigenen Kinder und viele andere während der Zeit seiner Pflegevaterschaft großgezogen. Seine lebenslange Strafe (es sind bereits mehr als 50 Jahre vergangen) ist jene, nicht in sein geliebtes Südtirol zurückkehren zu können: Wollen Sie, höchst geehrter Präsident, dieselbe als verbüßt betrachten und dem Herrn Oberleiter Heinrich ein letztes Mal die Möglichkeit gewähren, wieder nach S. Giovanni di Valle Aurina zurückzukehren und seine Familie zu umarmen.
Ein Gnadenakt von Ihnen würde auch jene Leute wie uns stärken, welche überzeugt sind, dass unser Modell des Zusammenlebens – Frucht zahlreicher internationaler diplomatischer Anstrengungen – funktioniert hat und funktioniert zum Ärger jener, welche hingegen trennen und teilen wollen.
Indem wir Ihnen dafür danken, dass Sie dieses Gesuch von uns in Erwägung gezogen haben und indem wir auf Ihre wohlwollende Aufnahme desselben vertrauen, übermitteln wir Ihnen unsere hochachtungsvollen Grüße.
Der Bürgermeister Geometer Helmut Klammer
Der Gemeinderat:“
Protest der Ahrntaler Bürgerliste und der STF-Gemeinderäte
Sowohl die Ahrntaler Bürgerliste-Vertreter als auch die STF-Gemeinderäte verweigerten die Unterschrift. Der GR Benjamin Rauchenbichler stellte in einer Presseaussendung fest:
„Dieser Brief, der den Gemeinderäten zur Unterschrift vorgelegt wurde, war inakzeptabel.
Der rein italienische Text ist voller Rechtschreib- und Grammatikfehler, womit die Gemeinde beim Staatspräsidenten wohl kein gutes Bild machen würde. Außerdem sollte ein offizielles Schreiben einer mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinde auf jeden Fall zweisprachig sein, meinen die STF-Gemeinderäte.
Inhaltlich ist der Brief unhaltbar. Oberleiter wird als ungebildeter, armer Mensch mit mangelhafter, teils komplett fehlender Schulbildung dargestellt, der keine Zeitung las und von den Verhandlungen zwischen Österreich und Italien nichts wusste, was nachweislich nicht stimmt. Die Taten Oberleiters werden als „schwerwiegend“ bezeichnet, was dem Gnadengesuch sicher nicht förderlich ist.
Erst kürzlich hatte Bürgermeister Klammer den Gemeinderäten der Süd-Tiroler Freiheit bei der Behandlung ihres Antrages auf Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Heinrich Oberleiter vorgeworfen, sich nicht vorweg mit allen Fraktionen abgesprochen zu haben. Dies hat auch die SVP bei der Abfassung des Briefes an den Staatspräsidenten unterlassen. Selbst ein Versuch des Landtagsabgeordneten Zimmerhofer, den Bürgermeister zu einer Aussprache zu bewegen, scheiterte an seiner fehlenden Kompromissbereitschaft.
Aus diesen und weiteren Gründen haben die Gemeinderäte der Süd-Tiroler Freiheit beschlossen, das Schreiben der Gemeinde Ahrntal nicht mit zu unterzeichnen.
Benjamin Rauchenbichler
Gemeinderat der Süd-Tiroler Freiheit Ahrntal“
Diese Stellungnahme fand ein Echo in einer Reihe von Medien, darunter in der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“:
Der Protest der Vereinigung ehemaliger politischer Häftlinge: Nicht auf den Knien nach Rom rutschen!
Sehr deutlich fiel auch die Stellungnahme des Obmannes der Vereinigung ehemaliger Südtiroler politischer Häftlinge aus.
In einem „offenen Brief“ an Herrn Manfred Klammer, Bürgermeister der Gemeinde Ahrntal, übt der Südtiroler Heimatbund scharfe Kritik am vorgeschlagenen Brief des Bürgermeisters (UT24 berichtete). Er soll als Gesuch um Begnadigung des ehemaligen Freiheitskämpfers Heinrich Oberleiter an den italienischen Staatspräsidenten geschickt werden.
Im Offenen Brief von SHB-Obmann Roland Lang heißt es wortwörtlich:
In ihrem Begnadigungsansuchen stellen Sie Heinrich Oberleiter dann als Unwissenden dar, dem es in der Abgeschiedenheit der Gebirgsgegend an Informationen über die Verhandlungen zwischen Österreich und Italien, die „zu einer friedlichen Lösung führen sollten“, gemangelt habe. Seiner Autobiographie „Es gibt immer einen Weg“ hätten Sie aber entnehmen können, dass Heinrich Oberleiter zu Beginn der 1960er Jahre viel in Österreich und in Deutschland arbeitete und über die politischen Verhältnisse innerhalb und außerhalb Südtirols informiert war.
Außerdem heißt darin:
Wenn es Unwissenheit gewesen wäre, die Menschen in den Widerstand gebracht habe, so müsste man dem Kreis solcher „Unwissender“ auch die Namen leitender Mitglieder, Unterstützer und Freunde des damaligen „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) hinzufügen: Die Professoren Dr. Helmut Heuberger, Dr. Wolfgang Pfaundler und Dr. Felix Ermacora, den Verleger Dr. Fritz Molden, den ORF-Intendanten Dr. Gerd Bacher, den Senator Dr. Peter Brugger, den Landesrat Dr. Bruno Hosp, den Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer, den Nordtiroler Landesrat Rupert Zechtl und nicht zuletzt den Außenminister Dr. Bruno Kreisky.
Der SHB- Obmann schließt den Brief mit folgenden Sätzen:
Natürlich kann man ein Ansuchen um Begnadigung nicht als Anklageschrift gegen den italienischen Staat verfassen. Man hätte aber einen würdigen Text verfassen können, ohne auf den Knien nach Rom zu rutschen. Man hätte den Staatspräsidenten einfach bitten können, nach 50 Jahren einen versöhnlichen Schlussstrich unter die damaligen tragischen Ereignisse zu ziehen.
Es hätte sich auch gehört, den Text eines solchen Ansuchens mit dem Betroffenen abzusprechen.
Stellungnahme des ehemaligen politischen Häftlings Sepp Mitterhofer (28. April 2016 in den „Dolomiten“) und ergänzende Darstellung der Ahrntaler „Bürgerliste“ (3. Mai 2016 in den „Dolomiten“):