Die italienischen Geheimdienste und die „Strategie der Spannung“

Neuere zeitgeschichtliche Veröffentlichungen haben sensationelle Enthüllungen über die provokatorische Rolle italienischer Geheimdienste in den 1960er Jahren gebracht.

Zu dem lange Zeit als mysteriös betrachteten Geschehen auf der Porze-Scharte im Jahre 1967 hat Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt nachstehende Untersuchung zur Verfügung gestellt. Der Autor lehrt an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Eötvös-Loránd-Universität (ELTE) in Budapest

 Italienische Manipulationen

50 Jahre nach dem Vorfall auf der Porzescharte wäre es höchst an der Zeit, dass Österreich für die völlige Rehabilitierung der damals zu Unrecht Verurteilten sorgte

 Von Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt

Reinhard Olt
Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt

Am Abend des 24. Juni 1967 steigen der Arzt Dr. Erhard Hartung, der Elektrotechniker  Peter Kienesberger und der Unteroffizier des österreichischen Bundesheeres Egon Kufner auf zur Porzescharte.  Der als unbewacht geltende Grenzkamm zwischen dem Osttiroler Bezirk Lienz und der italienischen Provinz Belluno wurde seinerzeit von Kämpfern des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS) als Nachschub- und Fluchtweg benutzt.

Kienesberger, der Anführer der Gruppe, war, wie die drei später aussagten, kurzfristig davon verständigt worden, dass auf der Porzescharte  ein verwundeter BAS-Aktivist zur Weiterbehandlung in Österreich übernommen werden müsse. Daher nähern sie sich bis auf eine ungefähre Gehzeit von einer halben Stunde dem Grenzgebirgsübergang zwischen Österreich und Italien. In einer geschützten Mulde lässt Kienesberger seine Kameraden zurück und tastet sich noch ein Stück Wegs weiter nach oben, um , wie üblich, Funkkontakt mit den am Grat vermuteten wartenden Südtirolern aufzunehmen. Doch Antworten auf Funksignale bleiben aus, stattdessen gewahrt er oben kurz aufscheinendes Licht von einer Taschenlampe oder einem Feuerzeug und vernimmt Geräusche sowie Stimmen. Dies kommt ihm ungewöhnlich vor, denn Südtiroler Kameraden hatten sich stets lautlos verhalten und kein Licht gebraucht, weshalb Kienesberger der Sache misstraut, sie abbricht und mit seinen Kameraden in die Ortschaft Obertilliach zurückkehrt. Dort besteigt die Gruppe eine Stunde nach Mitternacht, mithin am 25. Juni,  jenen von dem Studenten Christian Genck chauffierten VW Käfer, mit dem sie  gekommen waren.

Just am  25. Juni sollen – so die offizielle und letztlich für die Gruppe verhängnisvolle italienische Darstellung – auf besagter Porzescharte (ital. Benennung „Cima Vallona“) vier italienische Soldaten zu Tode gekommen und einer verletzt worden sein. Aufgeschreckt von einer nächtlichen Detonation seien sie  zum Grenzübergang geeilt, wo – wie ein Jahr zuvor – ein Strommast gesprengt worden war. Einer der Männer, der Alpini-Soldat Armando Piva, war  diesen Angaben zufolge durch die Detonation einer vergrabenen Sprengfalle schwer verletzt worden und noch am selben Tag gestorben. Angehörigen einer eingeflogenen Spezialeinheit sei dasselbe passiert: Carabinieri-Hauptmann Francesco Gentile und die Fallschirmjäger Mario di Lecce und Olivo Dordi hätten eine zweite Sprengfalle ausgelöst: Dabei seien sie getötet sowie ihr Kamerad Marcello Fagnani, ein vierter Angehöriger des Kommandos,  schwer verwundet worden.

Die italienische Presse nahm von Anfang an die offizielle Version als gegeben hin, wonach die Toten auf der Porzescharte Opfer eines mörderischen Anschlags von „Terroristen“ gewesen seien.

Freispruch in Österreich, lebenslang in Italien

Des von Politik, Sicherheitsbehörden und Militär in Italien und Österreich sowie in Medien beider Länder und darüber hinaus so genannten „blutigsten Attentats des Südtirol-Terrorismus“ werden daraufhin  der im Zusammenhang mit früheren BAS-Aktionen namhafte  Kienesberger, der bis dahin unauffällige  Dr. Hartung sowie  Kufner bezichtigt, (in Österreich) inhaftiert und schließlich sowohl in Österreich, als auch in Italien angeklagt. In Florenz lautet das Urteil für Kienesberger und Hartung lebenslänglich, Kufner soll für 24 Jahre hinter Gitter.  Die drei  waren durch „Geständnisse“ belastet worden, welche zwei im Keller der Carabinieri-Kaserne in der Bozner Drusus-Straße gefolterte österreichische BAS-Aktivisten unterzeichnet hatten.

Die „Behandlungen“ durch mehrere Folterer und in  mehrtägiger Dunkelhaft – über einen Tisch gespannt und mit brutalen Schlägen auf die Genitalien  sowie der Drohung der „Erschießung auf der Flucht“ gefügig gemacht, um nur weniges aus dem „Werkzeugkasten“ der besonders bei Südtirolern angewandten „Cautio criminalis“ –  ließen sie Protokolle unterschreiben, welche der berüchtigte Bozner Untersuchungsrichter Mario Martin, den nicht nur der Schriftsteller Rolf Hochhuth sowie der Strafrechtler Ingo Müller oder der Kriminologe Arthur Kreuzer einen „furchtbaren Juristen“ nennen würden, zu deren Anklage verwendete; zudem waren sie im Verfahren zu Florenz von Bedeutung(Erschütternd ein Zeitzeugenbericht hier und hier.)

Die florentinischen Urteilssprüche ergingen in Abwesenheit der Angeklagten und fußten auf Gesetzen aus der Zeit des italienischen Faschismus. Aufgrund späterer  Erkenntnisse/Urteile österreichischer und deutscher Höchstgerichte verstieß das Verfahren in Florenz vor allem dadurch, dass die Angeklagten nicht zur Hauptverhandlung geladen wurden und ihnen weder die Anklageschrift noch das Urteil zugestellt worden war, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).

In Österreich hingegen wurden die Drei freigesprochen. Der  Freispruch war – wider gewisse justizielle Bemühungen, welche heute weithin als konstruiert, politisch beeinflusst und zudem auf fingierten italienischen „Beweismitteln“ beruhend gelten dürfen, die Täter mittels Schuldnachweis zu überführen – letztlich auf ein mittels Sachverständigengutachten  untermauertes Hauptargument der Verteidigung zurückzuführen.

Dieses förderte zutage, dass die den Dreien zur Last gelegten Taten im mehrfach bezeugten Zeitrahmen nicht zu bewerkstelligen war, wofür die Anwälte  das gutachterliche Weg-Zeit-Diagramm ins Feld führen konnten.  Ein weiteres von der Staatsanwaltschaft auf dem Einspruchswege in Gang gesetztes Gerichtsverfahren ließ der österreichische Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger 1975 endgültig einstellen.

Kufner, Hartung und Kienesberger auf der Anklagebank im österreichischen Porze-Prozess.

Neue Forschungsergebnisse stellen vieles in Frage

Die italienische Verurteilung vom 15. Mai 1970 ist indes  nach wie vor in Kraft; Würden Hartung und Kufner nach Italien reisen – Kienesberger ist am 14. Juli 2015 verstorben – müssten sie mit Verhaftung rechnen. Sie gelten nach wie vor als „Terroristen“, „Attentäter“, „Mörder“ – nicht allein im Stiefelstaat und dessen (zumindest unter rechtshistorischem Aspekt) fragwürdiger Justiz, sondern auch weithin in der Publizistik und, was ebenso schlimm ist,  in der wissenschaftlichen Südtirol-Geschichtsschreibung. Die  vor vier Jahren publizierten akribischen Forschungsergebnisse des österreichischen Militärhistorikers Hubert Speckner („Zwischen Porze und Roßkarspitz…“ Der „Vorfall“ vom 25. Juni 1967 in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten; Wien, Verlag Gra&Wis, 2013 ) zur Causa  vermochten daran wenig zu ändern.

In dieser Dokumentation wies der Historiker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner anhand der Aktenlage akribisch nach, dass die Ereignisse auf der Porzescharte nicht so stattgefunden hatten, wie es von italienischer Seite behauptet wurde und dass die von Italien Beschuldigten nicht die „Täter“ gewesen sein konnten.

Zu hoffen ist, dass  seine jüngst erschienene, großformatige Publikation (Von der „Feuernacht“ zur „Porzescharte“. Das „Südtirolproblem“ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten; Wien, Verlag

In dieser weiteren Dokumentation untersuchte der Historiker Speckner eine Reihe angeblicher „Attentate“ Südtiroler „Terroristen“, welche sich in Wahrheit als Anschläge geheimdienstlicher Provokateure oder italienischer Neofaschisten herausstellten.

Gra&Wis, 2016), in welcher Speckner auf nahezu 800 Seiten anhand zahlreicher damaliger Geschehnisse offenlegt, wie Italien (nicht nur) während der „Bombenjahre“ in Südtirol manipulierte und täuschte, das zeitgeschichtliche Bild endlich zu revidieren vermag.  Seine Erkenntnisse, Ertrag  langjähriger umsichtiger und disziplinierter Quellenstudien im Österreichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik – Auswertung von  der breiteren Öffentlichkeit nicht zugänglichen Beständen der Staatspolizei (StaPo) und der Justiz sowie von einschlägigen Dokumentationen des Entschärfungsdienstes des Innenministeriums sowie von „streng geheimen“ Beständen des Verteidigungsministeriums über den Einsatz des Bundesheeres an der Grenze zu Italien anno 1967 –  unter Einbeziehung neuerlicher Expertisen von Spreng(mittel)sachverständigen und mehrerer militärfachlicher Erkundungen des Geländes rund um die Porzescharte, zeigen nämlich klipp und klar, dass die amtliche italienische Darstellung von einst nie und nimmer der Wahrheit entspricht.

Justitielle Fernwirkung

Es wäre daher an der Zeit, von Wien, Innsbruck und Bozen aus alles zu unternehmen, um Rom dazu zu bewegen, besagtes florentinisches Fehlurteil, das eines Rechtsstaats(anspruchs) unwürdig ist,  zu annullieren.  Zumal da es  jüngst  in einer anderen Causa  just ad personam Hartung ganz offensichtlich auf eine höchst zweifelhafte mehrinstanzliche justitielle Entscheidungen zwischen Bozen, Trient und Rom seine negative zeitliche Fernwirkung entfaltete. Wie das? Die von der in Australien lebenden Österreicherin Dr. Helga Christian gegründete „Laurin-Stiftung“ greift seit Jahren in Nöten befindlichen Personen, Verein(igung)en und Verbänden Südtirols ideell und finanziell unter die Arme, was gewissen Politikern, politisch-korrekten Journalisten und den Interessen der römischen Staatsmacht vorauseilend willfahrenden Justizbeamten im „Alto Adige“ ein Dorn im Auge war und ist.  Weshalb (der vermeintliche „Porze-Attentäter“) Hartung,  Kuratoriumsmitglied der Stiftung, unlängst wiederum in Italien zu einer sechsmonatige Haftstrafe verurteilt worden ist, wohin ihn Österreich indes immerhin nicht ausliefert.

Was gegen Italiens Darstellung spricht

Im Rückblick auf die Geschehnisse von vor nunmehr 50 Jahren ist es Speckners Forschungsergebnissen zufolge höchst zweifelhaft, ob seinerzeit die vier „Attentatsopfer“ überhaupt auf der Porzescharte zu Tode gekommen waren. Weder die österreichische noch die italienische Seite legte in den in Österreich stattgehabten Gerichtsverfahren Totenscheine, Obduktionsbefunde oder eine amtliche Tatortbeschreibung vor.

Innenminister Dr. Franz Hetzenauer  (ÖVP) und Dr. Stocker von der Sicherheitsdirektion Tirol (Fernschreiben  an das Innenministerium vom 28.06 1967),  sowie der Osttiroler Bezirkshauptmann Dr. Othmar Doblander ( Bericht  vom 27.06.1967), die unmittelbar nach der italienischen Geschehensmeldung  unabhängig voneinander den Tatort besichtigten und dort nichts gewahrten, was nach Tod und Verderben aussah, wurden nicht zu den 1968 beginnenden mehrinstanzlichen Prozessen geladen und ihre Berichte offensichtlich bewusst zurückgehalten.

Diese belegen, dass der angebliche Tatort ungesichert war und anders aussah, als ihn die eingesetzte italienisch-österreichische „Untersuchungskommission“ vorfand, die ihn erst nach zehn Tagen (sic!) in Augenschein nahm.  Was den (parteifreien) damaligen österreichischen Justizminister Prof. Dr. Hans Richard Klecatsky († 23. 04. 2015) davon überzeugt sein ließ, dass es sich bei dem „angeblichen Attentat um eine rein inneritalienische Manipulation auf der Porzescharte“ handelte, womit er aber in der ÖVP-Regierung Klaus kein Gehör fand.

Aus den von Speckner erstmals ausgewerteten Quellen  geht hervor,  dass sich in den  Erhebungen dieser „Untersuchungskommission“ zahlreiche Unstimmigkeiten finden und dass sich vieles von dem, was den damaligen Justizverfahren gegen die „Attentäter“ zugrunde gelegt worden war, so nicht ereignet haben konnte.  Es ergaben sich aus seiner Untersuchung objektive Befunde, welche den Aussagen von Zeugen,  besonders jenen des italienischen Militärs, diametral entgegenstehen. Andere Befunde lassen sich  nicht zweifelsfrei klären/objektivieren, da italienische (Geheimdienst-)Akten – weil „Secreto di Stato“ (Staatsgeheimnis) – unzugänglich sind.

Manöver-Unglück  oder „Gladio“-Aktion?

Ob es sich tatsächlich um ein Attentat, um ein Manöver-Unglück auf dem Kreuzbergsattel (ital. „Passo di Monte Croce di Comelico“), wo das italienische Heer eine Verminungsübung durchführte, oder um eine Falle für Südtiroler Freiheitskämpfer  gehandelt hat, in die dann, bedingt durch schlechte Koordination, eigene Leute hineinliefen, oder ob es  eine Geheimdienst- bzw. „Gladio“-Aktion im Rahmen der „Strategie der Spannung“ war, bei der selbst das Leben eigener Leute in Kauf genommen ward: Das dürfte erst verifizierbar sein,  wenn Italien die entsprechenden Archivalien, sofern nicht ohnehin längst vernichtet, freigibt. Erhebliche Zweifel an der offiziellen Version hegten neben österreichischen Blättern – zumindest anfangs –  auch italienische Journalisten wie etwa Giuseppe Gaddi.

Der Wiener „Expreß“ meldete,  die österreichischen Behörden gelangten immer mehr zu der Überzeugung, dass der angebliche „Terroristenanschlag“ in Wahrheit ein Unglück gewesen sei:

„Inzwischen sind Zweifel an der Echtheit des Attentats aufgetaucht. Die österreichischen Behörden glauben immer mehr, daß der Terroristenanschlag ein Unglück war. Aussagen bestätigen, daß zur Zeit der Explosion italienische Fallschirmjäger ganz in der Nähe eine militärische Übung abhielten. E-Werks-Angestellte hätten auch keinerlei Fußspuren am Tatort feststellen können.“

Und die „Tiroler Tageszeitung“, alles andere als den Südtiroler Freiheitskämpfern wohlgesonnen, blieb aufgrund eigener Recherchen beharrlich dabei, dass es sich bei dem Vorfall um ein Unglück gehandelt

Altlandeshauptmann Wendelin Weingartner

habe: Der sich ständig widersprechende Kommandant des zuständigen IV. Armee-Korps, General Marchesi, und die ebenso wechselnden Aussagen der amtlichen italienischen Nachrichtenagentur ANSA seien dafür Hinweis genug.

Tatsächlich hatte ANSA am Nachmittag des 26. Juni, also ein Tag nach dem Vorfall auf der Porzescharte, gemeldet, die vier Soldaten seien bei einem „Manöver-Unglück“ (!) am Kreuzbergsattel ums Leben gekommen seien. Wenig  später wurde diese Meldung zurückgezogen, statt des Unglücks nun ein Attentat  und als Ort des Geschehens die Porzescharte genannt.

Nordtirols Altlandeshauptmann Wendelin Weingartner rügte in einem Beitrag in der Südtiroler „ZETT – Zeitung am Sonntag“ am 8. September 2013 eine Publikation der „Europaregion Südtirol-Tirol-Trentino“, in welcher die italienische Version des Geschehens auf der Porzescharte unkritisch wiedergegeben wurde.

Vorwand, Wien unter Druck zu setzen

Plausibel begründet lautet daher eine von Speckners Hypothesen, die auf dem unweit gelegenen Kreuzbergsattel einem Unfall zum Opfer Gefallenen könnten herbeigeschafft worden sein, um im damals angespannten bilateralen Verhältnis Rom-Wien Österreich der „Begünstigung von Terroristen“, ja selbst des „Staatsterrorismus“ zu bezichtigen. Politisch nahm Italien das angebliche „Porze-Attentat“ zum Vorwand, um sein Veto gegen den Beginn von Verhandlungen über Österreichs EWG-Assoziierungsbegehr einzulegen.

Außenminister Amintore Fanfani hatte die italienische Delegation bei der Hohen Behörde der Montanunion, dem Vorgängerorgan der EG-Kommission, am 28. Juni angewiesen, sich der Aufnahme von Verhandlungen mit Österreich, dessen Regierung am 15. Dezember 1966 einen entsprechenden Antrag gestellt hatte, so lange  zu widersetzen, bis Wien bewiesen habe, dass sein Staatsgebiet „nicht länger als Operationsbasis der Terroristen diene, die in Italien Attentate verübten“.

Bericht der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ vom 30. Juni 1967 über das italienische EWG-Veto

Am 1. Juli unterrichtete er seine Botschafter in den EWG-Staaten, dass Rom weitere Verhandlungen Österreichs mit der EWG nicht zulassen werde, bis Wien widerlegen könne, dass sein Territorium „zur Vorbereitung und Verherrlichung von Terrorakten sowie Beherbergung für die Südtirol-Attentäter“ diene.

Im Zeichen des italienischen Kampfes gegen die sogenannten „Südtirol-Terroristen“ wurde das vermeintliche Ereignis auf der Porzescharte also genutzt, um Österreich politisch unter Druck zu setzen. Infolgedessen erhielt das Bundesheer  den Auftrag, unter dem Kennwort „Grenzeinsatz Süd“ den Gendarmerie-Einheiten bei Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen zu assistieren.

Das österreichische Bundesheer wurde eingesetzt, um die italienische Grenze zu schützen.

Bericht im „SPIEGEL“ vom 17. Juli 1967

Regierung Klaus: Staatspolitisch notwendige Vorgangsweise

Die ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus (1966-1970) war sichtlich bemüht, den Konflikt möglichst rasch beizulegen. Der Tiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer (1963-1987), sein Parteifreund, musste Einsicht für die „staatspolitisch notwendige Vorgangsweise“ zeigen, wenngleich er  BAS-Leute in Schutz nahm und ihnen die Flucht nach Bayern ermöglichte.

Der aus Tirol stammende Innenminister Franz Hetzenauer (ÖVP) war in einer delikaten „Zwittersituation“, wie er es selbst nannte. Österreich übernahm noch vor Erstellung des ersten „Tatort“-Protokolls der italienisch-österreichischen „Untersuchungskommission“ auf der Porzescharte mit Ministerratsbeschluss vom 4. Juli die offizielle italienische Darstellung, erklärte das Ereignis zu einem „Anschlag“ und fahndete nach den vermeintlichen Attentätern. Wiewohl das von Italien an Österreich übergebene „Beweismaterial“ mehr Zweifel hätte entstehen lassen als Klarheit erbringen müssen, wurden die drei „Tatverdächtigen“ Kienesberger, Hartung und Kufner verhaftet. Und im Rahmen der österreichischen Porzescharten-Prozesse wurden  Richter von Regierungsseite  nachweislich  darauf aufmerksam gemacht, dass eine Verurteilung  „außenpolitisch von Vorteil“ wäre.

 „Strategie der Spannung“

Der Vorfall auf der Porzescharte passte im Rahmen der gesamten Südtirol-Problematik auch nur allzugut in die „Strategie der Spannung“. Mit der „strategia della tensione“ trachteten verschwörerische Kreise – organisiert in geheim(bündlerisch)en Vereinigungen neofaschistischen Zuschnitts wie „Ordine nuovo“ und Avanguardia Nazionale“, aber auch verankert in Teilen italienischer Dienste sowie des geheimen „Gladio“-Netzwerks des Militärs – danach, die gesellschaftliche Unterfütterung für einen (letztlich erfolglos gebliebenen) Wechsel in Italien hin zu einem autoritären Regime zu bereiten. Im Rahmen dieser Strategie gab es durchaus nicht wenige „getürkte“ Attentat(sversuch)e, von denen Senator Marco Boato im 1992 veröffentlichten parlamentarischen Untersuchungsbericht auch auf Südtirol bezogene auflisten ließ.

Der Beginn des parlamentarischen Untersuchungsberichts des Senators Marco Boato, in welchem dieser geheimdienstliche Verwicklungen in eine „Strategie der Spannung“ darstellte.

Höchst aufschlussreich sind Passagen,  in denen die Namen der besonders in die verschwörerischen Südtirol-Aktivitäten involvierten Personen aufgelistet sind  und in denen der Carabinieri-Oberst Amos Spiazzi bekundet, dass „der Staatsapparat in den Südtirol-Terrorismus involviert gewesen“ sei.

Schon 1990 hatte der venezianische Untersuchungsrichter Felice Casson  aufgrund seiner Recherchen in den Archiven des Militär-Abschirmdienstes SISMI die Existenz einer „geheimen komplexen Struktur innerhalb des italienischen Staates“ aufgedeckt, 622 Gladio-Mitglieder namhaft gemacht und herausgefunden, dass

– Mitarbeiter des SISMI respektive der Vorgängerorganisationen SID und SIFAR

– Mitglieder neofaschistischer Organisationen wie „Avanguardia Nazionale“ und „Ordine Nuovo“

– Angehörige des Gladio-Netzwerks, die u. a. in Gruppierungen wie API (Associazione Protezione Italiani) und MIA (Movimento Italiani Alto Adige) wirkten,

zwischen 1960 und 1980 „zahlreiche politisch motivierte Terroranschläge und Morde in Italien begangen“ hatten. Oberster Drahtzieher war General Giovanni De Lorenzo, ursprünglich Leiter des Militärgeheimdienstes SIFAR, danach Kommandeur der Carabinieri-Truppe, aus der heraus er Vertrauensleute ins Gladio-Netz einschleuste.

Geheim(dienstliche)e Umtriebe

Der Gladio-Prozeß  in Rom 1994 warf ein bezeichnendes Licht auf die Umtriebe De Lorenzos und seiner Mannen, auch in Südtirol. Angeklagt waren unter anderen General Paolo Inzerilli, ehemaliger SISMI-Chef und Kommandeur der illegalen Gladio-Einheiten sowie das Gladio-Mitglied Francesco Stoppani. Eigens dazu angeworben, sollte Stoppani Kienesberger entweder nach Italien entführen oder liquidieren. Inzerilli hatte in dem Verfahren die früheren Minister Attilio Ruffini und Virginio Rognoni – beide bekleideten in diversen Kabinetten Ministerämter –  beschuldigt, von alldem gewusst zu haben.  Schließlich und endlich stellte Peppino Zangrando,  als Präsident der Belluneser Anwaltskammer von hoher Reputation,  in der „Causa Porzescharte“, in der er jahrelang recherchiert hatte, ein Attentat des BAS  in Abrede. 1994 wollte er den Fall neu aufrollen, sein Wiederaufnahmeantrag scheiterte aber an der Staatsanwaltschaft.

Erlittenes Unrecht

Was folgt aus alldem? Der BAS hat 1967 auf der Porzescharte kein Attentat verübt. Die dafür verantwortlich gemachten Personen (Prof. Dr. med. Erhard Hartung, Egon Kufner  sowie der mittlerweile verstorbene Peter Kienesberger)  sind  zu Unrecht verfolgt worden. Ein halbes Jahrhundert nach dem Geschehen, das sich offenkundig anders denn offiziell dargestellt abspielte, wäre es an der Zeit, das florentinische Schandurteil aus der Welt zu schaffen, mit denen sie gänzlich wahrheits- und rechtswidrig  für eine offenkundig nicht begangene Tat verurteilt und damit zu Mördern gestempelt worden sind. Es versteht sich daher eigentlich  von selbst, dass die  trotz Freispruchs (in Österreich) nach wie vor mit dem Makel der Täterschaft behafteten und in ihrer persönlichen (Reise-)Freiheit eingeschränkten Personen endlich offiziell und überdies öffentlich vernehmlich zu rehabilitieren sind.

Ein aus dem Österreichischen Nationalrat (Parlament) heraus an den damaligen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gerichteter dahingehender Versuch des FPÖ-Abgeordneten Werner Neubauer vom 17.12.2013 erwies sich als ergebnislos. Faymann gab sich in seiner schriftlichen Antwort vom 17.02.2014 (GZ: BKA-353.110/0008-I/4/2014) auf Neubauers umfangreichen Fragenkatalog ahnungslos – sowohl gegenüber den Erkenntnissen aus Speckners Forschungsergebnissen, als auch gegenüber Fragen nach eventuell vorliegenden Unterlagen zur „Intervention des Kanzlers Klaus bezüglich der Prozessführung durch den Richter Dr. Kubernat im Dezember 1968 beim Landesgerichtspräsidenten“. Und in allen anderen Fragen erklärte Faymann das Kanzleramt für unzuständig.

Leisetreter am Ballhausplatz

Auch an das österreichische Staatsoberhaupt gerichtete Anfragen erwiesen sich letztlich als nicht zielführend. Der damalige Bundespräsident Dr. Heinz Fischer hatte zwar, „Auftrag gegeben, dieses Buch eingehend zu studieren. Erst nachher wird die Beurteilung der Frage möglich sein, ob sich über den bisher schon bekannten Sachverhalt hinaus neue Gesichtspunkte in dieser Angelegenheit ergeben.“, wie er am 28. August 2013 an den „sehr geehrten Herrn Klubobmann des Freiheitlichen Parlamentsclubs, Abg. z. NR Heinz-Christian Strache, FPÖ Bundesparteiobmann“ schrieb.

Doch am 7. Februar 2014 teilte er diesem  mit: „Wie ich in meinem Schreiben vom 28. August 2013 in Aussicht gestellt habe, wurde dieses Buch von Mitarbeitern der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei durchgelesen. Ein Beweis dahingehend, dass die vom italienischen Geschworenengericht verurteilten Personen nicht ,die Täter gewesen sein konnten‘, ist aus dem Buch nach Ansicht meiner Mitarbeiter nicht eindeutig abzuleiten. Was mögliche Begnadigungen anlangt, darf ich auf die Ihnen bekannten, bisher schon gesetzten Schritte hinweisen. Ich werde dieses Thema bei geeigneten Gelegenheiten auch in Zukunft im Auge behalten.“

Im Wahlkampf erklärte Heinz Fischer, dass unser Handeln Werte brauche. Er ließ offen, welche „Werte“ er meinte.

Auf neuerliches Nachsetzen des Abgeordneten Neubauer (Schreiben vom 1. 12. 2014) ließ Fischer am 12.12. 2014 seinen „Berater für europäische und internationale Angelegenheiten“, Botschafter Dr. Helmut Freudenschuss, antworten (GZ S130040/221-IA/2014).

Darin hieß es, es gehe „nicht um die Bewertung des Buches, sondern ausschließlich darum, ob die darin enthaltenen Ausführungen über die bereits gesetzten Schritte hinaus eine weitere Intervention gegenüber den italienischen Organen nahelegt. Sie wissen sicher, dass der Herr Bundespräsident das Thema der Begnadigungen immer wieder – zuletzt am 11. November 2014 – im Gespräch mit dem italienischen Staatspräsidenten zur Sprache gebracht hat. Die italienischen Vorbedingung – nämlich Gnadengesuche der Betroffenen – ist aber offenbar nicht erfüllbar.

 Unziemliche Empfehlungen und Schande für Österreich

Seit Jahren raten und/oder empfehlen regierende österreichische Bundes- und Landespolitiker (vornehmlich jene Tirols und zuvorderst jene von ÖVP und SPÖ), aber auch Politiker des 1919 von Italien annektierten südlichen Teils Tirols, vorzugsweise jene der Südtiroler Volkspartei (SVP), „Betroffenen“, deren Taten –  seien sie bewiesen oder unbewiesen; seien sie begangen oder nichtbegangen; seien sie von BAS-Aktivisten verübt oder diesen durch italienische Manipulationen untergeschoben worden – bereits ein halbes Jahrhundert und länger zurückliegen, mögen doch bitteschön Gnadengesuche einreichen.   Mit Verlaub – das ist Chuzpe.

Abgesehen davon, dass italienische Staatsoberhäupter längst  Terroristen aus den Reihen  der „Roten Brigaden“ respektive aus dem rechtsextremistischen Milieu begnadigten, sich bisher aber stets ablehnend gegenüber den letzten Verbliebenen Südtirolern wie etwa den legendären „Pusterer Buben“ verhielten, setzt der Gnadenakt für Südtirol deren Gnadengesuch voraus. Alle unrechtmäßig Beschuldigten und zudem menschenrechtswidrig Verurteilten – und um solche handelt es sich bei den drei „Betroffenen“ der „Causa Porzescharte“, von denen nurmehr Univ.Prof. Dr. med. Erhard Hartung und Egon Kufner unter den Lebenden weilen – wären doch von allen guten Geistern verlassen, so sie um Gnade bettelten für eine Tat, die sie nicht begangen haben.

Dass  indes maßgebliche Organe der Republik Österreich, die sich damals schon hasenfüßig und Italien gegenüber unterwürfig verhielten, auch 50 Jahre danach noch ihrer Fürsorgepflicht für zwei ihrer  jahrelang politisch und justitiell verfolgten Staatsbürger (offenkundig)  nicht nachkommen (wollen), darf man mit Fug und Recht eine Schande nennen.




Ein Denkmal in Innsbruck für das erste Todesopfer des Faschismus in Südtirol

Foto: Erich Staudinger

Vorwort des Herausgebers

Ich möchte dieser Ausgabe des SID vier Sätze voranstellen:

Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie!“ (Friedrich Schiller)

Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Grundgesetz der BRD, Artikel 1)

Mord verjährt nicht (Strafgesetzbuch)

Du sollst nicht morden“ (Bibel)

Der nachstehende Artikel sowie die dazugehörigen Dokumentationen befassen sich mit dem von den Faschisten verübten brutalen und ungesühnten Mord an einem selbstlosen christlichen Tiroler.

Er befasst sich auch mit der Nichtaufarbeitung von Seiten des italienischen Staates sowie der notwendigen Gedenkkultur und Trauerarbeit in unserem Land.

Am Samstag, 22. April 2017, wurde in Innsbruck ein neues Denkmal für den am 24. April 1921 in Bozen von Faschisten ermordeten Lehrer Franz Innerhofer im Rahmen einer bewegenden Gedenkfeier enthüllt. Der unermüdliche Einsatz von Winfried Matuella, Obmann des „Andreas Hofer Bundes“ (AHB), und die Hilfe weniger Idealisten machten die Errichtung des neuen Denkmals möglich.

Bereits 1931 war vom damaligen „Andres-Hofer-Bund“ eine Gedenktafel an einer Mauer am Rennweg in Innsbruck angebracht worden. Dieses war aber von den Nationalsozialisten 1938 entfernt und in das Volkskunstmuseum entsorgt worden – man hatte den italienischen Diktator und Hitler-Freund Mussolini nicht vor den Kopf stoßen wollen.

Erstaunliches ist über das Geschehen im Vorfeld der Gedenkfeier 2017 zu berichten: Die schroff ablehnende Haltung des Administrators und mutmaßlichen nächsten Bischofs der Diözese Innsbruck gegenüber der Bitte um Unterstützung. Es fand sich in der Folge auch kein Priester, der es gewagt hätte, entgegen den Wünschen Diözesan-Administrators die religiöse Segnung vorzunehmen. Der geneigte Leser wird sich anhand der dokumentierten Fakten und der Aussagen der Diözesanleitung hier selbst sein moralisches Urteil über diese Verhaltensweisen bilden.

Trotz alledem war es eine sehr bewegende Feier und alle Demokraten und Antifaschisten sollten den idealistischen Organisatoren Dank aussprechen!

Georg Dattenböck

Ein Denkmal in Innsbruck für das erste Todesopfer des Faschismus in Südtirol

Franz Innerhofer

Am 24. April 1921 wurde in Bozen der Marlinger Lehrer und Schulleiter Franz Innerhofer von Faschisten ermordet. Dieser hatte einen 8jährigen Marlinger Buben vor tobenden Faschistenhorden in Sicherheit gebracht, welche aus Italien angereist waren, um den Trachtenumzug der Bozner Messe schießend, Bomben werfend und prügelnd zu überfallen. Dabei wurde Franz Innerhofer selbst von den Faschisten im Hausflur des Ansitzes Stillendorf in Bozen meuchlings erschossen. Dieser blutige Tag mit einem Toten und vielen Verletzten ging in die Geschichte als „Bozner Blutsonntag“ ein.

Eine Dokumentation über die Ermordung Innerhofers findet sich hier.

2017: Die Neuerrichtung einer würdigen Gedenkstätte

Eine im Jahre 1931 am Rennweg in Innsbruck von dem damaligen „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ errichtete Gedenktafel war 1938 von den Nationalsozialisten abgerissen und in das Depot des Volkskunstmuseums entsorgt worden, wo ihr Anblick die Anhänger des Hitler-Freundes Benito Mussolini nicht mehr beleidigen konnte.

Während in Südtirol nach 1945 das Andenken an Franz Innerhofer vor allem auf Initiative der Schützen wachgehalten wurde, geriet dieser in Nordtirol schon nahezu in Vergessenheit.

Eine Dokumentation darüber findet sich hier.

Zwanzig Jahre vergebliches Bemühen

Nachdem der von den Nationalsozialisten aufgelöste „Andreas Hofer-Bund für Tirol“ im Jahre 1994 unter dem Namen „Andreas Hofer-Bund Tirol“ (AHB) wiedergegründet worden war, bemühte sich der damalige Obmann Josef Felder nahezu 20 Jahre lang vergeblich um die Wiedererrichtung der 1938 aufgelösten Gedenkstätte für Innerhofer.

In einem Arbeitsbericht des jetzigen Obmannes des „Andreas Hofer-Bund Tirol“, Winfried Matuella, heißt es dazu:

„Beinahe 20 Jahre hat sich der damalige Obmann des AHBT Ing. Josef Felder bemüht, als er durch Zufall die Schrifttafel des abgetragenen Denkmales, schamhaft hinter dem Getäfel einer Bauernstube versteckt im Volkskunstmuseum in Innsbruck entdeckte. Zahlreiche Ansuchen um Wiedererrichtung an Bund, Land und Stadt Innsbruck wurden entweder ignoriert, abgelehnt, oder man wurde mit fadenscheinigen Ausreden vertröstet. Bei persönlichen Vorsprachen bei Politkern erging es einem nicht anders. Der eine meinte sie gehöre da hin, der zweite meinte, sie gehöre ganz wo anders hin, der dritte meinte, so was kann man heute überhaupt nicht mehr aufstellen. Beinahe 20 Jahre vergingen und das Denkmal stand immer noch nicht.“

Die im Volkskunstmuseum Innsbruck verborgene Originaltafel wurde nicht freigegeben

Der Durchbruch

In dem Bericht heißt es weiter: „Bis der Vorschlag von der Laurin-Stiftung (Anm.: Eine Stiftung, die sich vor allem auch für die menschenrechtliche, soziale und kulturelle Anliegen Südtirols einsetzt) kam, das Denkmal dort am Tummelplatz an jener Stätte aufzustellen, an der aller durch die Teilung Tirol verstorben, gefoltert oder der Heimat Vertriebenen gedacht wird. Dieser Vorschlag wurde vom jetzigen Obmann des Bundes, Ing. Winfried Matuella, mit Begeisterung aufgenommen, da die Stiftung auch den Großteil der Finanzierung übernahm. Vergebliches Bemühen, die Originaltafel, die wir als Eigentum des AHBT betrachten, frei zu bekommen, führte dazu, dass eine Kopie hergestellt werden musste.“

Der Grundeigentümer der Gedenkstätte am Tummelplatz, die Familie Wittauer, gab gerne ihre Genehmigung und stellte den Grund kostenlos zur Verfügung.

Der immerhin schon 80 Lebensjahre zählende Winfried Matuella führte sodann unter Mithilfe treuer Kameraden die Planung und die Denkmalerstellung durch.

22. April 2011: Die Denkmalenthüllung

Die geplante priesterliche Segnung des Denkmals musste aufgrund der ablehnenden Haltung der Diözese Innsbruck und deren Administrators entfallen. Auch der Pfarrer von Amras verweigerte die Segnung.

Über dieses Geschehen liegt ein Schriftverkehr mit der Diözese Innsbruck vor, aus welchem hervorgeht, in welchem Ausmaß diese Vertreter der Kirche sich bereits dem heutigen Zeitgeist willig ergeben haben.

Eine Dokumentation über dieses Geschehen findet sich hier.

Auch Nordtirols Landespolitiker zeigten wenig Interesse an der Veranstaltung. Wie Winfried Matuella in seinem Arbeitsbericht vermerkt, gab es von ihnen wenig Echo. „Viele haben es sogar unterlassen, überhaupt zu antworten.“

Transparente auf dem Zufahrtsweg zum Tummelplatz wiesen darauf hin, worum es heute geht.

Die Teilnehmer versammelten sich zur Gedenkfeier (Foto Staudinger)

Als sich am 22. April 2011 mehr als 100 Teilnehmer auf dem Innsbrucker Tummelplatz vor der noch mit einer rot-weiß-roten Fahne verhüllten Gedenktafel trafen, befanden sich unter ihnen außer den AHB-Mitgliedern auch Schützen aus Nordtirol, Südtirol und aus Welschtirol (dem heutigen „Trentino“), sowie Vertreter der Südtiroler Oppositionspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ sowie des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB). Der SHB ist eine von ehemaligen politischen Häftlingen und Südtiroler Freiheitskämpfern gegründete Vereinigung, welche sich für die Wiedererlangung der Landeseinheit Tirols einsetzt. Auch einige ehemalige Freiheitskämpfer der 1960er-Jahre waren gekommen, wie beispielsweise Univ. Prof. Dr. Erhard Hartung. Regierungsmitglieder der Landesregierungen waren keine zu sehen.

Die noch mit der österreichischen Flagge verhüllte Gedenktafel

Der AHB-Obmann Winfried Matuella begrüßte die Erschienenen

Die Grußworte des Südtiroler Heimatbundes

Der AHB-Obmann Winfried Matuella begrüßte die Teilnehmer an der Feier. Dann verlas der ehemalige politische Häftling Meinrad Berger die Grußworte des SHB-Obmannes Roland Lang, welcher wegen eines Krankheitsfalles in der Familie selbst nicht hatte kommen können.

Anstelle des verhinderten SHB-Obmann Roland Lang (Bild links), überbrachte der Südtiroler ehemalige politische Häftling Meinrad Berger (Bild rechts) dessen Grußworte. (Foto Staudinger)

Roland Lang zeigte in seinen Grußworten auf, dass die italienischen Behörden nie an der Ahndung der Mordtat interessiert gewesen waren:

„Im damals noch demokratischen Italien wurde dieser Mord nie verfolgt und nie gesühnt. Laut Erzählungen von verstorbenen Bozner Bürgern soll der Mörder von Innerhofer der faschistische Squadrist Lino Mariotti gewesen sein. Obwohl im Laufe der Jahre die Identität des Innerhofer- Mörders genauestens bekannt war, konnte dieser danach am Obstmarkt, mit Wohlwohlen der Behörden, unbehelligt einen Verkaufsstand betreiben.

Alles Tirolerische, besonders aber die Trachten, waren den Faschisten beim Überfall auf dem Messeumzug ein Dorn im Auge. Auch 50 Jahre später scheute sich das nunmehr demokratischen Italien nicht, gegen die Tiroler Trachten vorzugehen.

Am 22. April 1961, also auf den Tag genau heute vor 56 Jahren, verbot Innenminister Scelba den Südtiroler Schützen das Tragen ihrer Tracht. Der damalige Landeskommandant Karl Mitterdorfer verglich das Verbot zu Recht mit der Unterdrückung unter dem Faschismus!

Den Schutz eines Kindes bezahlte der Lehrer mit einer tödlichen Revolverkugel in seinen Rücken. Mit seinem Tode wurde der Mensch Franz Innerhofer zum Helden der Menschlichkeit.

Es freut mich, dass heute im nördlichen Teil Tirols des Opfers von Franz Innerhofer gedacht wird. Er bleibe uns allen in lebendiger Erinnerung als ein Beispiel mutiger Menschlichkeit, der auch in großer persönlicher Gefahr verantwortungsvoll handelte. Ehre und Dank seinem Andenken!

In Vertretung des Südtiroler Heimatbundes danke ich dem Andreas-Hofer-Bund Tirol unter seinem Obmann Ing. Winfried Matuella für diese selbstlose Initiative der Wiedererrichtung des Gedenksteins für Franz Innerhofer.“

 

Die Rede des Jugendvertreters Matthias Hofer

Dann sprach der junge Olanger Gemeinderat Matthias Hofer von der „Süd-Tiroler Freiheit“ als Vertreter der Jugend.

Matthias Hofer

Hofer sagte:

„Liebe Landsleute,

wenn wir uns heute hier versammeln, um eine würdige Gedenkstätte für Franz Innerhofer, dem ersten Tiroler Todesopfer des Faschismus, zu enthüllen, dann tun wir dies, auch in Bewusstsein, dass vor allem wir junge Tiroler die Zukunft auf ein freies und ungeteiltes Tirol richten müssen.“

„Die patriotische Jugend im Süden wird immer stärker“, berichtete Hofer. „Der Begriff Heimat ist wieder was wert und darauf können wir stolz sein.“ In Zeiten der Globalisierung würden immer mehr junge Menschen Heimatbewusstsein entwickeln.

„Die Jugend lässt sich nicht mehr verbiegen und sie glaubt nicht mehr, dass Heimat unmodern ist, während alles Fremde gut zu sein hat.

Gerade in einem fremden Staat müssen wir uns das Recht herausnehmen, unsere Tiroler Heimattreue hochzuhalten und es ist nicht verboten sich zu seiner Heimat zu bekennen und auch stolz auf diese Heimat zu sein. Daher werden wir auch in Stolz und Friedfertigkeit die Zukunft dieser Heimat gestalten.“

Hofer schloss mit den Worten: „Wenn wir das alle im Herzen tragen, wenn wir das in uns aufnehmen, dann wissen wir, dass Tirol mehr ist als eine Modemarke und dass Tirol ein Bekenntnis ist, das die Menschen in ihrem Herzen tragen.

In diesem Sinne: Auf in die Freiheit!

Alles für Tirol!“

Die Rede des Landtagsabgeordneten Sven Knoll

Sven Knoll

Die Hauptrede hielt der Südtiroler Landtagsabgeordnete Sven Knoll von der „Süd-Tiroler Freiheit“, welcher in Burggräfler Tracht erschienen war.

Nach einem Rückblick auf das Geschehen des „Bozner Blutsonntags“ wies Knoll darauf hin, dass damals kein einziger der faschistischen Verbrecher zur Rechenschaft gezogen wurde.

Dann führte Knoll weiter aus:

„Franz Innerhofer war das erste Opfer des italienischen Faschismus in Süd-Tirol, aber er war leider nicht das letzte Opfer. Denken wir nur an die Katakombenlehrer, an die unzähligen jungen Süd-Tiroler, die für Mussolinis Großmachtphantasien im Abessinien-Feldzug und beim Angriff gegen die Sowjetunion ihr Leben lassen mussten, aber denken wir auch an die Süd-Tiroler Freiheitskämpfer der 50er und 60er Jahre, die wohl als die letzten Opfer des italienischen Faschismus anzusehen sind.

Mit Gesetzen, die noch aus der Zeit des Faschismus stammten, wurden sie verfolgt, gefoltert und eingekerkert. Ja manche sogar im Auftrag des italienischen Staates ermordet!

Selbst in den 70er Jahren erfolgten noch in Abwesenheit der Angeklagten, menschenrechtswidrige Verurteilungen zu lebenslanger Haft, welche die Rückkehr der im Exil lebenden Freiheitskämpfer nach Süd-Tirol, bis heute unmöglich machen.

Der Mörder von Franz Innerhofer wurde nie gefunden, oder sagen wir es anders, er wurde nie gesucht. Er ist längst tot und hat sich einem höheren Gericht verantworten müssen, welches ihm wohl seiner gerechten Strafe zugeführt hat.

Was aber nicht tot ist, ist der Geist des Faschismus, der hinter diesem Mord steht.

Im Bozner Rathaus sitzen seit der letzten Wahl wieder bekennende Faschisten im Gemeinderat, die Mussolini als den größten Staatsmann des Jahrhunderts feiern.

Für jede Stadt, für jedes, Dorf, für jeden Bach, ja selbst bis hinauf auf jeden Berggipfel gibt es noch immer faschistische, italienisch klingende Ortsnamen, die bis heute alleinige amtliche Gültigkeit haben und dabei nur einen einzigen Zweck erfüllen, nämlich, und so steht es wörtlich im Gesetzesdekret ‚Süd-Tirol schnell und nachhaltig zu italienisieren‘.

Damit aber nicht genug, in Bozen wird gerade mit Steuergeldern ein Relief von Benito Mussolini auf Hochglanz poliert, welches den Siegeszug des Faschismus verherrlicht.“

Franz Innerhofer habe nicht weggesehen, sondern sich dem Faschismus, im wahrsten Sinn des Wortes, in den Weg gestellt.

Es braucht daher Erinnerungsorte wie diesen hier, damit im Bewusstsein der Öffentlichkeit Unrecht nicht zu Recht wird und Menschen wie Franz Innerhofer nicht umsonst gestorben sind.

Vor allem aber braucht es wieder aufrechte Tiroler nördlich und südlich des Brenners, die sich nicht länger davor scheuen, das Unrecht auch beim Namen zu nennen, denn solange Süd-Tirol noch zu Italien gehört und am Brenner eine Unrechtsgrenze Tiroler im Norden von Tirolern im Süden trennt, wird es keine Gerechtigkeit und auch keinen dauerhaften Frieden geben.“

Die Feier schloss mit der Tiroler Landeshymne, dem „Andreas Hofer-Lied“.

Presseecho

Bericht in der Südtiroler „Zeitung am Sonntag“ vom 24. April 2017

Bericht in den „Dolomiten“ vom 24. April 2017

Bericht in der österreichischen „Kronen Zeitung“ vom 27. April 2017

Fotos

Der Innsbrucker Pressefotograf Erich Staudinger (Mail: erich.staudinger@chello.at) hat hervorragende Bilder von der Einweihungsfeier ins Internet gestellt.