Ehrendes Gedenken an Hans Auer

Abschied von einem Tiroler Freiheitskämpfer

Am 26. Juni 2018 veröffentlichte Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche für das Selbstbestimmungsrecht Südtirols eintritt, nachstehenden Nachruf auf einen verstorbenen ehemaligen Freiheitskämpfer:

Mit Trauer muss der Südtiroler Heimatbund (SHB) das Ableben eines liebenswerten Freundes und unbeugsamen Patrioten mitteilen. Der Freiheitskämpfer Hans Auer ist nicht mehr unter uns, teilt SHB-Obmann Roland Lang in einer Aussendung mit.

Nach der Feuernacht des Jahres 1961 hatte eine riesige Verhaftungswelle die Mehrzahl der Freiheitskämpfer in die Carabinieri-Kasernen unter die Folter und später in Mailand vor Gericht gebracht. In dieser Situation fasste der junge Johann (Hans) Auer aus Sand in Taufers zusammen mit einigen Freunden den folgenschweren Beschluss, Anschläge gegen Strommasten zu begehen. Darüber hat er später Freunden gegenüber ausgesagt:

Hätten wir und Andere den Freiheitskampf nicht fortgeführt, dann hätte die Gefahr bestanden, dass die Opfer unserer Kameraden von 1961 umsonst gewesen wären. Wir haben es als unsere Pflicht angesehen, durch die Anschläge den Druck auf die Staatsmacht und ihre Politik weiter aufrecht zu halten.

 Pusterer brutal von den Carabinieri gefoltert

Im März 1967 wurde Hans Auer zusammen mit anderen jungen Pusterern verhaftet und in die Carabinieri-Kaserne von Bruneck verbracht.

Die italienische Tageszeitung Alto Adige berichtete groß über die Verhaftung des jungen Hans Auer und seiner Freunde.Was dort mit ihm und seinen Freunden geschah, hat er später in aus dem Gefängnis geschmuggelten Briefen und in Gesprächen geschildert: Tage lang brutale Schläge, Stockhiebe, Fußtritte, herausgeschlagene Zähne, Schlafentzug, Erstickungsversuche, Blendung mit einer Quarzlampe, Durstqualen, Ausreißen eines Zehennagels. Dazu Quälereien am Unterleib, die blutigen Urin zur Folge hatten.

Als Hans Auer viele Jahre später auf einer Veranstaltung in Österreich aus einem damaligen Folterbrief das Erlebte vorlesen sollte, verschlug es ihm angesichts der schrecklichen Erinnerungen die Sprache. Er brachte kein Wort heraus und sein Sohn Hannes musste den Brief verlesen.

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In dem oben abgebildeten Brief hieß es:

„Liebe Landsleute! Da ich mich nun weit einiger Zeit in Haft befinde, so kann ich jedoch meine schlimmeren ersten Tage nie mehr vergessen. Ich will es auch nicht für mich behalten, sondern es soll auch die Öffentlichkeit erfahren, mit welchen Mitteln die italienische Polizei bei meinen Verhören vorgegangen ist.

Am 10.3.1967 wurde ich abends mit hinterlistigem Vorhaben in die Karabinieri Kaserne von Sand in Taufers gebracht. Lange Zeit wurde ich dort mit Drohungen verhört. Da mußte ich zwei Nächte in einer kalten Zelle verbringen, wobei ich mir starke Erkältungen zuzog. Wurde dann gefesselt nach Bruneck gebracht. Nach langem Verhör mußte ich ungefähr drei Stunden, mit den beiden Zeigefingern an die Wand haltend, mit den Füßen zwei Schritte zurücktreten und so auf den Schuhspitzen stehen. Als ich vor Schwäche einsackte schlugen sie auf mich drauf los, und rissen mich mit Gewalt hoch und wieder mußte ich das selbe machen, bis ich wirklich am Ende war. So mußte ich die Hände in die Höhe halten, nebenbei wurde mir ins Gesicht geschlagen, mit den Handkanten in die Rippen und auch mit den Fäusten in den Magen daß ich gar nicht mehr schreien konnte. Sie drohten mir daß ich nur mehr in Stücke nach Hause kommen werde. Sie verbanden mir die Augen, so eng es ging und fesselten mich. Sie führten mich in der Kaserne hin und her, auf und ab und endlich einem Ausgang zu, zu dem Auto und fuhren einen Feldweg entlang. Als wir am Ziel ankamen wurde ich radikal in eine Art Baracke gezogen. Ich stößte bald da und dort mit dem Kopf an die Wand. Ich mußte mich neben einen Hocker auf den Boden setzen, die Hände banden sie mir gefesselt über den Hocker hinten hinunter auf den Boden. Einer stand mir vorne auf die gebundenen, ausgestreckten Beine während einer von hinten die Hände immer tiefer gegen den Boden zog oder trieb. Einer packte meinen Hals von hinten und drückte meinen Oberkörper über den Hocker rückwärts daß ich glaubte jeden Augenblick müßte mein Körper und meine Knochen entzwei sein. Sie schlugen mir nebenbei ins Gesicht und mit den Fäusten überall hin, wo es ihnen Spaß machte. Sie lachten mit offenen Herzen, sie verspotteten mich und hießen mich dies und jedes. Es waren mindestens sechs von der Polizei unter denen selbstverständlich auch ein Deutscher. Nach langem Quälen brachten, brachten sie mich niedergemacht in das bereitstehende Auto und fuhren mich wieder in die Karabinieri Kaserne von Bruneck. Es war früh am Morgen als es bereits graute. Ich weiß nicht wie lange das alles gedauert hatte. Wurde dann mit hassenden Händen in eine Kanzlei gebracht und banden mir die Binde von den Augen. Schwankend stand ich da fast ohnmächtig ihnen eine lange Zeit gegenüber. Ich war das reinste Spielzeug für sie. Tage lang quälte mich der Durst, mein Mund war trocken wie Staub daß ich kaum ein Wort herausbrachte. Sie fragten mich, obwohl sie es genau wußten, ob ich Durst habe? Meine Antwort war selbstverständlich mit ‚Ja’. Sie brachten mir nach einiger Zeit ein Bier, als ich es für den größten Durst fast leerte, mußte ich feststellen daß mir schlecht, wie betäubend wurde. Es ist mit unwissentlich, wie lange ich ihnen wie ein Stück Holz zur Verfügung stand. Später wurde mir bewußt daß ich in eine Zelle gebracht wurde. Mit schwerem leidtragenem Schmerze verbrachte ich Tage und Nächte ohne Schlaf! Später wurde ich mit gebundenen Händen in eine Kanzlei geführt und durchsucht, dann nach Bozen in Gerichtsgefängnis überführt, wo ich auch öfters den Verhören zugezogen wurde. Endlich erhielt ich da meine Zelle wo ich nun meine jetzige Ruhe zu hoffen vermag. Doch all dies Geschehen ertrug ich aus Liebe und Treue zu meiner Heimat ‚Südtirol’ und werde desto inniger und eifriger zu ihr stehen doch auch keinen Zweifel daran verlieren oder haben.

Auer Hans, geb. 9.6.1944“

 

Hans Auer im Gefängnis
Hans Auer im Gefängnis

Schwere Krankheit bis zu seinem Tod

Als Hans Auer zusammen mit seinen Kameraden 1969 in Bologna vor Gericht gestellt wurde, hatte er bereits Anzeige gegen seine Folterer erstattet. Dies hatte ihm eine zusätzliche Anklage wegen „Verleumdung der Carabinieri“ eingetragen. In dem Urteil, welches ihn zu 27 Jahren Haft verdammte, wurde er als Lügner hingestellt.

Die Tageszeitung „Dolomiten“ bezeichnete den Spruch des Gerichtes in Bologna als „unfaßbares Urteil“.Dass Hans Auer nicht im Gefängnis sterben musste, sondern nach einigen Jahren wieder zu seiner Familie heimkehren konnte, war einer Amnestie im Zuge der politischen „Paket“-Autonomielösung zu verdanken.

Bis zu seinem Tod nach schwerer Krankheit hat Hans Auer unwandelbar zu seiner Heimat und deren Recht auf Freiheit gestanden. Wir verneigen uns vor diesem großen Sohn Tirols und den großen Opfern, die er erbracht hat.

Der Abschied von dem Freiheitskämpfer Hans Auer

Am den 29. Juni, um 14 Uhr von der Kirche in Mühlen ausgehend, setzte sich ein schier endloser Trauerzug zum Trauergottesdienst um 14.30 Uhr in die Pfarrkirche von Taufers in Bewegung. Viele Mitbürger und Schützenkameraden aus dem ganzen Land sowie die Vertreter des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) erwiesen Hans Auer die letzte Ehre.

Als einziger österreichischer Politiker war der freiheitliche Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer nach Südtirol zu dem Begräbnis von Hans Auer angereist.

 Von den Südtiroler Politikern waren Vertreter der Oppositionsparteien „Süd-Tiroler Freiheit“ und der „Freiheitlichen“ erschienen.

Die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP), einst eine Sammelpartei aller Südtiroler, glänzte durch Abwesenheit.

Über Verabschiedung des Freiheitskämpfers Hans Auer hat Werner Neubauer einen ehrenden Bericht verfasst, welcher nachstehend auszugsweise wiedergegeben ist:

„Die Kirche in Taufers hatte wohl schon lange nicht mehr solchen Zustrom erfahren. Sie war zum Bersten voll und vor den Toren standen in Schweigen gehüllt, noch hunderte Menschen, um einen aus ihrer Gemeinde, Johann Auer, den „Jösile Hons“, in würdigem Rahmen auf seinem letzten Weg zu verabschieden.

Die Kirche konnte die Trauergäste nicht fassen. Noch auf dem Vorplatz standen hunderte Menschen. Foto: W. Neubauer

Alle Angehörigen der Familie Auer waren anwesend, als Sohn Hannes den Nachruf seines Vaters in der Kirche zu Gehör brachte. In bewegenden Worte schilderte er die schweren Jahre vom Zeitpunkt der Geburt im Jahr 1944 und der Nachkriegszeit in Südtirol.

Unter den Trompetenklängen des „Ich hatte‘ einen Kameraden“ und der „Tiroler Landeshymne“ verabschiedete die so zahlreich erschienene Trauergemeinde ihren großen Tiroler am Kirchen-Friedhof. Unter den Trauergästen befanden sich auch zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Politik. Aus Südtirol nahmen Eva Klotz LAbg. a.D., der LAbg. Bernhard Zimmerhofer sowie Landesparteiobmann der Freiheitlichen, Andreas Leiter-Reber, Dr. Florian von Ach, F-Generalsekretär, Ex-LAbg. Pius Leitner und der Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang an den Trauerfeierlichkeiten teil.

Der freiheitliche Südtirol Sprecher NR Werner Neubauer war zu diesem Anlass aus Österreich angereist. Zahlreiche Abordnungen von Schützenverbänden gaben ihrem Schützenkameraden das letzte Geleit.

Als einziger österreichischer Politiker war der FPÖ-Südtirolsprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer zu der Verabschiedung des Freiheitskämpfers Hans Auer erschienen. Der Abg. Neubauer ist auch Mitglied der Südtiroler Schützenkompanie Gries.

Es ist eine Schande des offiziellen Südtirols, keinen namhaften Vertreter zur Verabschiedung Hans Auers entsandt zu haben.

Es war das Verdienst der Männer und Frauen um Sepp Kerschbaumer, Hans Auer, Luis Amplatz und Georg Klotz, dass in diesem Land die deutsche Volksgruppe heute einigermaßen in Frieden leben kann. Dies hat letztlich auch der ehemalige Landeshauptmann Magnago zur Kenntnis nehmen müssen.

Wir verneigen uns vor diesem großen Sohn Tirols und den großen Opfern, die er erbracht hat.

Sein Leben für seine Heimat ist uns allen Auftrag und Verpflichtung.“

Foto: W. Neubauer

 

Foto: W. Neubauer




Gedenken an einen Südtiroler Freiheitskämpfer

 Anton Gostner vor seiner Verhaftung

Der Südtiroler Heimatbund (SHB), eine von ehemaligen politischen Häftlingen Südtirols gegründete Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt, erinnert an den tragischen Tod eines vorher von den Carabinieri schwer gefolterten Südtiroler Freiheitskämpfers und hat dazu nachstehende Pressemitteilung veröffentlicht:

Gostner bei seiner Einlieferung in das Gefängnis.
Gostner bei seiner Einlieferung in das Gefängnis.

Vor 55 Jahren starb Anton Gostner

Der Südtiroler Heimatbund erinnert in diesen Tagen an die 55. Wiederkehr des Todes des Südtiroler Freiheitskämpfers Anton Gostner aus St. Andrä bei Brixen. Der heimatliebende Eisacktaler war an den Sprengstoffanschlägen auf Strommasten beteiligt und von den Carabinieri festgenommen und in den Militärkasernen von Brixen und Eppan schwer gefoltert, misshandelt und psychischer Gewalt durch Schläge ausgesetzt worden. Er starb am 7. Jänner 1962 im Gefängnis von Bozen, berichtet Obmann Roland Lang.

Obwohl er schwer herzkrank war, wurde keine Rücksicht auf seine schwache und angeschlagene Gesundheit genommen. Die Mitgefangenen wie beispielsweise der Ultner Gemeindearzt Josef Sullmann forderten Arzneimittel für eine kurz- bis mittelfristige Besserung des Gesundheitszustands und die Einlieferung ins Krankenhaus, doch dieser Forderung wurde aus menschenverachtenden Gründen keineswegs Folge geleistet, so der SHB.

Sepp Mitterhofer, ein ehemaliger Mithäftling Gostners, erlebte den Tod Gostners.
Sepp Mitterhofer, ein ehemaliger Mithäftling Gostners, erlebte den Tod Gostners.

„Als am 7. Jänner 1962 die Häftlinge im Hof des Kerkers spazieren gingen, klagte Gostner über ein beklemmendes Gefühl in der Brust und einen starken Schmerz im linken Arm. Auf der Krankenstation wurde er kurz behandelt und in die Zelle zurückgebracht. Ich konnte noch ein paar Worte mit dem Brixner sprechen, ehe es ihn nach hinten riss. Nach Luft ringend, wurde er blau im Gesicht und starb. Nach dem die Wärter den toten Freiheitskämpfer und stets fürsorglichen, fünffachen Familienvater forttrugen, blieben die drei anderen Häftlinge völlig niedergeschlagen und sprachlos zurück“, erinnert sich SHB-Ehrenobmann Sepp Mitterhofer.

Nicht zu vergessen ist auch der Hungerstreik der Südtiroler Häftlinge in Bozen und Trient. Eine Woche nach dem Ableben von Gostner begann eine Aktion, mit der die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission verlangt wurde. Doch dieser Forderung, welche auch von Südtiroler Politikern geteilt wurde, wurde auf keinen Fall stattgegeben. Als Gegenleistung der sarkastischen Art und Weise wurden einige Häftlinge nach Verona und Vicenza strafversetzt.

Lebhaft in Erinnerung blieb auch der Trauerzug von der Kirche in St. Andrä, von der die schwarze Trauerfahne wehte. Der Sarg Gostners wurde von Schützen getragen. Brixens Bürgermeister Valerius Dejaco überreichte als Sprachrohr „einer vieltausendköpfigen, stummen Menge“, die sich aus allen Teilen Südtirols zusammengeströmt war, dem Toten den letzten Gruß der „blutenden Herzens vom ganzen Tiroler Volk gesprochen wurde“, berichtet Lang.

Bericht in der „Bunten Illustrierten“
Bericht in der „Bunten Illustrierten“

 

 

Unübersehbar lang war der Trauerzug
Unübersehbar lang war der Trauerzug

Begräbnis 1 Ausschnitt

Als heutzutage unvorstellbar könnte man die Aktion der italienischen Behörden bezeichnen. Eine Abordnung der Nordtiroler Landesregierung mit Landeshauptmann Tschiggfrey und den Landesräten Wallnöfer und Zechtl wurde letzterer am Brenner an der Weiterreise nach Brixen gehindert. Die Delegation zelebrierte dann in der Hofkirche in Innsbruck einen Gedenkgottesdienst für Gostner, so Lang.

Einreiseverbot

Anton Gostner war nach dem Burggräfler Franz Höfler das zweite Opfer der polizeilichen Gewalt gegen Südtiroler, die sich gegen das System und für die Heimat einsetzten. Mögen die Taten der Freiheitskämpfer, die allzu früh ihr Leben lassen mussten, niemals vergessen und ihnen ein ehrendes Andenken gewährt werden, schließt Lang.

Roland Lang
Roland Lang

Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)




Dokumentation: Die Folterung des Anton Gostner

Am 16. August 1961 berichtet der Südtiroler Freiheitskämpfer und fünffache Familienvater Anton Gostner in einem Brief an seinen Rechtsanwalt Dr. Egger über schwere Misshandlungen, die er in italienischen Kerkern erdulden musste:

„Sehr geehrter Herr Dr. Egger!

Anton Gostner vor seiner Verhaftung.
Anton Gostner vor seiner Verhaftung.

Wie Sie mir in Ihrem Brief mitteilten, von dem Geld, das kann ich nicht verstehen und nicht begreifen, denn das muß ein Irrtum sein oder sonst rein von der Luft gegriffen. Ich bin überzeugt, daß es in der ganzen Welt keinen Menschen gibt, der das behaupten kann.
Was meine Mißhandlung betrifft, das möchte ich Ihnen kurz berichten und hier niederschreiben. Ich bin am 20. Mai 1961 verhaftet worden, hier in Bozen.
Wurde beschuldigt, bei Versammlungen im Ausland, bei einem nicht festgesetzten Zeitpunkt teilgenommen zu haben und Geld vom Ausland bekommen zu haben, was alles ein Irrtum oder eine Erfindung ist.
Dann am 18.7.1961 holten mich 3 Carabinieri vom Gefängnis ab und führten mich geschlossen nach Brixen – ohne meine Frage zu beantworten, was mit mir geschehen solle.
Man brachte mich in die Carabinierikaserne von Brixen und verhörte mich dort bis zum nächsten Tag, zirka 10 Uhr. Die Behandlung war nicht gerade die angenehmste. Man gab mir abwechselnd immer mehr oder weniger Schläge. Man stellte mich an die Wand unter die Quarzlampe, mit den Händen immer hoch über dem Kopf, nicht weniger als wenigstens 4 Stunden ununterbrochen, wobei ich drei- oder viermal ohnmächtig wurde.
Man zog mich bei den Haaren auf dem Boden. Man setzte mir Käfer an, auf dem Bauch, deren Gattung ich nicht kenne, sie waren ziemlich groß. Ich denke, sie hatten die Eigenschaft, sich eine Vertiefung zu graben mit den Zangen, was sie auch taten.
Dann brachte man mich nach Eppan, wo es noch weitaus schlimmer war. Man schlug mich so heftig, daß ich oft nicht mehr wußte, wo ich war. Man hat mich nackt ausgezogen, über einen Tisch gelegt, mit dem Kopf nach unten, und schüttete mir drei volle Stunden Salzwasser, vielleicht mit einer Säure gemischt, in den Mund und Nase, daß man fast jede Minute glaubte, ersticken zu müssen, und das immer so lange, bis man ohnmächtig war. Man schlug mich dann nieder, und dann ging es immer wieder auf ein Neues. Man steckte mir brennende Zigaretten in die Nasenlöcher und auf die Stirn, wo man noch heute die Brandwunden erkennen kann. Man riß mir Haare beim Geschlechtsteil aus. So ging es mir mehr oder weniger 10 Tage, bis man mich wieder ins Bozner Gefängnis brachte. Ich möchte Sie bitten, Herr Doktor, sich zu erkundigen, ob das wirklich alles erlaubt ist. Noch dazu mit meinem Herzleiden, was ich habe. Ich könnte es verstehen, wenn ich wirklich ein Verbrecher wäre, aber so kommt es mir schon ein bißchen kraß vor.
Ich danke Ihnen im vorhinaus und grüße Sie
hochachtungsvoll
Gostner Anton.“

(Wiedergegeben in: Helmut Golowitsch: „Für die Heimat kein Opfer zu schwer…“, 2. Auflage, Edition Südtiroler Zeitgeschichte 2012, S. 294ff)

Dol 09 01 62

Die Tageszeitung „Dolomiten“ veröffentlichte Gostners Folterbrief und verlangte Aufklärung
Die Tageszeitung „Dolomiten“ veröffentlichte Gostners Folterbrief und verlangte Aufklärung

Sein Bruder, Engelbert Gostner, schilderte später im 1. Mailänder Prozess eine Gegenüberstellung in Eppan, bei der er zahlreiche Brandwunden im Gesicht seines Bruders sah. Der ebenfalls schwer gefolterte und später nach Österreich geflüchtete Siegfried Graf aus Prad im Vinschgau gab im Oktober 1961 in Österreich eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er den weiteren Leidensweg Anton Gostners schilderte:

„Dort wurde er mit dem Kopf über eine Wanne mit ätzender Säure gehalten. Es wurde eine Decke über seinen Kopf geworfen und er in dieser Lage bis zur Bewußtlosigkeit belassen. Noch nach vielen Wochen war er im Gefängnis in Bozen mit tränenden und vereiterten Augen in Behandlung.“ (Walla, Max (Hrsg.): „Die Schändung der Menschenwürde in Südtirol“, 2. Auflage, S. 95)

Hungerstreik 16 01 62aHungerstreik 16 01 62bProtest NT Landesreg cGebet TN 15 01 62Die Proteste der Tageszeitung „Dolomiten“ und die der Nordtiroler Landesregierung konnten keine Haltungsänderung in Italien bewirken. In den Carabinieri-Kasernen wurde weiter gefoltert.

An den Märtyrer der jüngeren Tiroler Zeitgeschichte, Anton Gostner erinnert heute eine Gedenktafel auf dem Friedhof in St. Pauls.

Gedenktafel St Pauls

 




Vor 70 Jahren: Italienischer Terror in Südtirol – Verbot „separatistischer Kundgebungen“

Der überparteiliche „Südtiroler Schützenbund“, welcher rund 5.100 Mitglieder in 140 Schützenkompanien und 3 Schützenkapellen zählt und laut eigener Aussage „einem klaren volkstumspolitischen Auftrag“ und der „Liebe zur Heimat“ folgend tätig ist, hat einen ebenso interessanten wie erschütternden Beitrag zur jüngeren Südtiroler Landesgeschichte auf seiner Internetseite veröffentlicht, den wir nachstehend wiedergeben.

Vor 70 Jahren: Italienischer Terror in Südtirol – Verbot „separatistischer Kundgebungen“

Von: SSB – Online Team, Dienstag, 26. Juli 2016

BOZEN – Am 1. Januar 1946 hatten die alliierten Besatzungsmächte die Verwaltung in Südtirol vorläufig dem italienischen Staat übergeben, über die künftige staatliche Zugehörigkeit war noch keine Entscheidung gefallen. Doch bereits der erste Tag der italienischen Verwaltung brachte die erste Drohung gegen die Südtiroler, als der italienische Präfekt Bruno De Angelis, ein 1945 zum „antifaschistischen Widerstandskämpfer“ mutierter ehemaliger Faschist, eine in den Zeitungen wiedergegebene Botschaft an die Bevölkerung richtete: „Indem die Regierung die Beobachtung der Gesetze verlangt, kann sie auch keine separatistischen Kundgebungen zulassen.“

 Kundgebung unter faschistischem Terror

 Dr. Otto von Guggenberg sprach in Bruneck zu den Versammelten, die sich mit Transparenten am Graben eingefunden hatten. Bald sollten faschistische Gewalttäter die Träger der Transparente angreifen. (Foto aus dem Archiv des Karl von Vogelsang Instituts in Wien)
Dr. Otto von Guggenberg sprach in Bruneck zu den Versammelten, die sich mit Transparenten am Graben eingefunden hatten. Bald sollten faschistische Gewalttäter die Träger der Transparente angreifen. (Foto aus dem Archiv des Karl von Vogelsang Instituts in Wien)

Als Ende März 1946 bekannt wurde, dass der Erzfaschist Ettore Tolomei wieder nach Südtirol zurückkehren und die Leitung des „Istituto di Studi per l’Alto Adige“ übernehmen wollte, protestierten am Graben in Bruneck am 5. April 1946 rund 3.000 Südtiroler dagegen und forderten gleichzeitig das Selbstbestimmungsrecht. Wie die Tageszeitung „Dolomiten“ am 6. April 1946 berichtete, störten randalierende Faschisten die Versammlung mit Pfeifen und Schmährufen und schlugen mit Knüppeln und Stühlen auf die Pustertaler ein. Blutige Verletzungen waren die Folge.

Der Tod des Hölzlerbauern – von einem Carabiniere erschlagen

Sterbebild von Johann Mairhofer
Sterbebild von Johann Mairhofer

Es gab auch einen Toten: Den Bauern Johann Maierhofer, vulgo „Hölzler“ aus Reischach. Nachdem die italienischen Behörden wenig taten, um seinen gewaltsam verursachten Tod aufzuklären und zu ahnden, sammelte die „Südtiroler Volkspartei Pustertal“ Berichte von Augenzeugen. Diese befinden sich heute im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck und liegen dem Südtiroler Schützenbund vor.

Hans Duregger aus Gais gab am 6. April 1946 in der SVP-Geschäftsstelle Bruneck eine eidesstattliche Erklärung ab, die später auf heimlichem Weg in die „Landesstelle für Südtirol“ bei der Tiroler Landesregierung gebracht wurde. In dieser schilderte er, wie sich die Faschisten auf die Träger der Spruchbänder stürzten und wie die Volksmenge dieselben verteidigte. „Darunter war auch der sogenannte ‚Hölzlerbauer‘ von Reischach. Dann folgte dem ‚Hölzlerbauern‘ ein Carabinieri mit dem Gewehr nach und versetzte ihm mit dem Gewehrkolben einen Schlag auf die Schläfe. Er wurde darauf, ohne dass noch ein Lebenszeichen an ihm bemerkbar war, in das Gasthaus ‚Goldener Stern‘ gebracht, Herr Dr. Alfons Brugger (Anmerkung: Arzt in Bruneck) geholt, welcher ihm sofort eine Einspritzung gab, zugleich aber den Ausspruch tat, es sei kein Leben mehr vorhanden.“ Die Tat wurde nie gesühnt.

Berichtsprotokolle der SVP Pustertal. (Tiroler Landesarchiv Innsbruck)
Berichtsprotokolle der SVP Pustertal. (Tiroler Landesarchiv Innsbruck)

Weitere Gewalttaten

Es gab noch weitere schwere Gewalttaten. Maria Auer aus Ahornach bezeugte am 6. April 1946 in einem schriftlichen Bericht an die SVP Pustertal, dass „Siegfried Mutschlechner, ein guter Freund des Johann Auer, Sohn der Obgenannten, von einem Carabinieri einen Schlag durch einen Gewehrkolben ins Gesicht erhielt.“

Hermann Mayr und Richard Leitner aus Bruneck erklärten am 6. April 1946 gegenüber der SVP Pustertal schriftlich, dass drei italienische Zivilisten sie mit Handgranaten bedroht und versucht hätten, Leitner die Brieftasche zu rauben. Mayr konnte fliehen. Dann lief auch Leitner davon. Er schilderte nun in seinem Bericht, was weiter geschah: „Ich war erst zirka 10 Schritte von den Angreifern entfernt, als knapp hinter mir eine Handgranate explodierte. Verwundungen wurden mir keine zugefügt, jedoch hatte die Hose durch Sprengstücke mehrere Löcher.“

Hermann Mayr begegnete etwas später den italienischen Tätern wieder und er wandte sich an zufällig anwesende Carabinieri. „Die Carabinieri griffen nicht sofort ein, sondern erklärten: Faremo domani i conti.“ (Übersetzung: Wir werden die Dinge morgen regeln.)

Hermann Harpf aus Bruneck gab am 6. April 1946 gegenüber der SVP zu Protokoll, dass ein Alpini-Soldat seinem Bekannten Josef Pezzei vier Zähne eingeschlagen und ihm eine Schnittwunde an der Lippe zugefügt habe, weil dieser angeblich gelacht habe, als mehrere Alpini-Soldaten vorbeigingen. Dann sei der Alpini-Soldat mit einem Messer auf Hermann Harpf losgegangen, welcher nun in das Haus seiner Firma flüchtete, wobei ihm „ein ganzer Rudel Alpini nachgelaufen kam.“ Harpf verbarg sich im Haus. Auf der vergeblichen Suche nach ihm wurden „die Kästen der Angestellten erbrochen […] und ihnen dabei Pistolen vorgehalten wurden.“

Ein SVP-Obmann wird angeschossen

 Auf dem Heimweg von der Brunecker Kundgebung kam es zu weiteren Gewalttaten. Am 6. April 1946 berichtete der Ortsausschuss Innichen der SVP an die Bezirksleitung Pustertal, dass der Bezirksobmann-Stellvertreter Franz Strobl, vulgo „Trojer“, mit einem Oberschenkeldurchschuss und zwei Beckenschüssen in das Spital in Innichen eingeliefert worden sei.

In dem Bericht heißt es: „Auf der Straße in Welsberg […] hätten Soldaten oder Carabinieri junge Burschen misshandelt, er wäre auf einen Carabinieri gestürzt, der die Maschinenpistole (Gewehr) in Anschlag brachte, wollte ein Unglück verhindern, riss den Lauf hoch […] daraufhin erhielt er die Schüsse von einem zweiten Carabinieri.“

Dieser Bericht wurde durch mehrere Zeugen schriftlich bestätigt. Eduard Toldt aus Welsberg berichtete, dass Strobl zu Fall gekommen sei und auf dem Boden gelegen habe. „Da näherte sich ihm […] der hiesige Brigadier und schoss dem Strobl stehend, ohne irgendwie behindert oder angegriffen worden zu sein, von hinten drei Schüsse gegen ihn ab.“

Weitere Zeugen bestätigten dies und ergänzten auch, dass Finanzieri und Carabinieri in Welsberg auf heimkehrende Kundgebungsteilnehmer „mit Kolbenhieben“ eingedroschen hätten.

Alle diese Taten wurden nie gesühnt.