So wurden die Südtiroler Freiheitskämpfer gefoltert
Der verstorbene Freiheitskämpfer Hermann Anrather aus Kurtatsch
Bericht aus Anlass des Todes von Hermann Anrather
Wie der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) in einer Aussendung mitteilte, ist der ehemalige Freiheitskämpfer Hermann Anrather, Schneidermeister aus Kurtatsch, in der Nacht auf den 10. November verstorben.
Bereits in den 1950er Jahren hatte er zusammen mit anderen späteren Freiheitskämpfern spektakuläre Protestaktionen gegen die Fortsetzung der faschistischen Entnationalisierungspolitik in Südtirol durchgeführt. Eine besonders Aufsehen erregende Aktion war das Abbrennen eines großen Feuerkreuzes in den Herz-Jesu-Nächten in den Grauner Wänden oberhalb des Dorfes.
Die Treue zur Heimat hatte ihm nach der „Feuernacht“ des 11. auf den 12. Juni 1961 Folter und Gefängnis beschert. Er war ebenso wie viele andere „amtsbekannten“ heimattreuen Südtiroler verhaftet und dann in der Carabinieri-Kaserne in Kurtatsch schrecklich gefoltert worden.
Ein Anwalt und Regionalratsabgeordneter brachte die Folterungen an die Öffentlichkeit
Was Hermann Anrather nach seiner Verhaftung widerfahren war, gelangte erstmals an das Licht der Öffentlichkeit, als der aus Rovereto stammende Trentiner Abgeordnete Dr. Sandro Canestrini am 18. Jänner 1962 im Regionalrat in Trient Folterberichte zweier verhafteter Südtiroler Freiheitskämpfer verlas. Diese Briefe waren ihm in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und Strafverteidiger zugekommen. In der Folge sollte sich Canestrini in den Strafprozessen gegen Südtiroler Freiheitskämpfer als mutiger Verteidiger erweisen.
Über die von Canestrini öffentlich gemachten Folterungen berichteten die „Dolomiten“ und die „Tiroler Tageszeitung“ am 20. Jänner 1962:
In seinem Brief aus dem Gefängnis schilderte Anrather die erlittene Folter: „Ich musste mit der linken Hand oben stehen, und man hatte mir dauernd mit der Hand und Faust ins Gesicht geschlagen u. ins Gesicht gespien. Mit einen vierkantigen Stock schlug man mir auf den Händen, Unterarm und am Oberschenkel weil ich nicht imstande war gerade zu stehen….Wurde zirka eine Stunde lang ohne Rücksicht geschlagen wie am Vortage. Zusezlich gab man mir Fustritte und schlug man mir mit der Faust an dem Geschlechtsteil“, so Anrather in seinem Brief.
Weiter heißt es: „Mit einer Zange hate man mir die Finger gequetscht, sowie bei den Haaren gezogen das dem Carabiniere ein Handvoll Haare in die Hand gebliben ist. Als ich vertig und erschöpft war, wurde mir mein erstes Protokol geschrieben, wo ich auch zugegeben hätte das ich meine Mutter umgebracht habe, wen sie mich danach gefragt hätten.“
Haft für Anrather
Anrather erstattete Anzeige gegen seine Folterer. Er wurde trotz des erfolterten „Geständnisses“ am 16. Juli 1964 in Mailand zu 2 Jahren und 8 Monaten Kerker verurteilt, in der Berufungsinstanz wurde die Strafe am 30. Juni 1966 auf 7 Jahre und 4 Monate angehoben. Am 2. Juni 1969 begnadigte der italienische Staatspräsident unter dem Vorzeichen der gewünschten Annahme des „Südtirolpakets“ durch die Südtiroler Volkspartei eine Reihe von Häftlingen, darunter Hermann Anrather.
Freiheit für die Folterknechte
1963 hatte Dr. Sandro Canestrini als Anwalt der gefolterten Südtiroler Häftlinge im Trienter Carabinieriprozess die Vertuschungs-Praktiken des Staates, der Carabinieri und der Gerichtsbehörden an den Pranger gestellt und im Gerichtssaal erklärt, dass das Dulden der Tortur jenem rassistischen Denken entspringe, aus welchem einst der Faschismus und der Nationalsozialismus entstanden seien.
Die Folterknechte waren freigesprochen und anschließend staatlich geehrt und ausgezeichnet worden.