Sensationsfund: Originalschreiben von Freiheitskämpfer Andreas Hofer entdeckt
Ein sensationeller Quellenfund wurde im Frühjahr 2019 gemacht: MMag. Dr. Matthias Egger entdeckte im Innsbrucker Stadtarchiv 31 unbekannte Schreiben des Oberkommandanten Andreas Hofer an das Stadtmagistrat der Tiroler Landeshauptstadt. Diese Briefe zeichnen erstmals ein authentisches, unverfälschtes Bild des berühmtesten Freiheitskämpfers der Tiroler Geschichte.
„Dem löb. Stadtmagistrat wird nochmals und die letzte Erinnerung gemacht – daß wofern die verlangte 10.000 Gulden bis in die Zeit von einer Stunde nicht erlegt werden, der Unterzeichnete die Stadt verlassen und dieselbe ihrem Schicksal preisgegeben werde. Der Magistrat wird doch den Drang selbst einsehen – Was soll ich anfangen ohne Geld? Ich bring niemand vorwärts, wenn ich den Leuten nichts geben kann, und zuletzt haben wir von unsern eignen Leuten die größten Excessen und Unordnungen. Machen sie also Mittel – oder ich gehe –
Innsbruck den 20t. 8bewr 1809.
Andere Hofer“
Buchbesprechung von Georg Dattenböck:
„Machen Sie also Mittel oder ich gehe“
Andreas Hofer und die Innsbrucker Stadtpolitik im Jahr 1809
Den beiden bekannten Tiroler Historikern, dem Innsbrucker Stadtarchiv/Stadtmuseum-Mitarbeiter MMag. Dr. Mathias Egger und dem Brixener Stadtarchivar Mag. Dr. Andreas Oberhofer gelingt es in dieser ungemein aufschlussreichen Veröffentlichung des Innsbrucker Stadtarchivs, die Zeit vom kurzen Wirken Hofers in Innsbruck des Jahres 1809 dem Leser sehr nahe zu bringen.
Über das Motiv der Edition schreibt Dr. Egger im Vorwort:
„Rasch war uns beiden klar, dass dieses spannende Quellenkorpus eine eingehende Bearbeitung verdient. Am Beginn stand die Idee, im Hinblick auf den bevorstehenden 210. Todestag Andreas Hofers eine kleine Sonder-ausstellung für das Stadtmuseum Innsbruck zu konzipieren. Diese konnte am 20. Februar 2020 eröffnet werden.“
Bedingt durch die Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 musste auch das Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck bereits nach wenigen Tagen, am 16.3.2020, seine Türen für alle Besucher der Ausstellung schließen.
Auch deshalb muss man dem Tyrolia-Verlag für die Veröffentlichung der Briefe Hofers sehr dankbar sein! Dem historisch Interessierten war zwar durch Aufzeichnungen einiger Mitstreiter Hofers, u.a. von Josef Freiherr von Hormayr [„Das Land Tyrol und der Tyrolerkrieg von 1809. Theil 1–2“, 1845], bekannt, dass Hofer mit der Innsbrucker Stadtregierung manchen Streit hatte. Doch durch diesen Aufsehen erregenden Fund der Originalschreiben Hofers und teilweise auch von Antworten des Gemeindevorstandes an Hofer, verfasst zwischen dem 23. August und 21. Oktober 1809, wird uns erstmals ein sehr lebensnahes und unmittelbares Zeugnis über die Streitpunkte und die heftige Sprache in der Auseinandersetzung bekannt.
Dem immer geradlinig und der jeweiligen Lage nach stets impulsiv handelndem Sandwirt, platzte bei seinen (sicherlich berechtigten) Forderungen nach mehr Geld, nach mehr Waffen und nach mehr Mitstreitern, in seinen Briefen an manch engstirnig-kleinliche Vertreter der Stadtregierung, vielfach der Kragen: der selbsterklärende Buchtitel, entnommen aus einem dieser 31 gefundenen Schreiben, beweist es.
So schreibt Dr. Egger, sehr bemerkenswert, zur Aktualität vom damaligen Freiheitskampf und von Hofers Leben und Sterben auch noch in der Jetztzeit in seinem Vorwort:
„Dass die Themen ‚Anno neun‘ und ‚Andreas Hofer‘ aber dennoch eine gewissen Aktualität besitzen, zeigt sich etwa in der Eröffnung eines neuen Museum in der Zitadelle in Mantua an jener Stelle, an der der Sandwirt am 20. Februar 1810 hingerichtet wurde …“
Der Abdruck der Original-Briefe ab Seite 69 steht natürlich im Mittelpunkt dieses auch graphisch sehr übersichtlich gestalteten und herausragend gut gelungenen Buches.
Auf den Seiten 12 bis 68 erfährt der Leser unter den Zwischentiteln:
- Die Ereignisse des Jahres 1809 im Überblick
- Schriftlichkeit und Verwaltung in der Zeit des „Bauernregiments“
- Das Verhältnis zwischen „Bauernregiment“ und Innsbrucker Stadtverwaltung
- Andreas Hofers Briefe und Schreiben: Quellenkundliche Aspekte
- Eigenhändigkeit
- Sprachen der Kommunikation
- Zielgruppen: Nähe und Distanz
- Monologische und dialogische Korrespondenz
- Wege der Kommunikation
- Andreas Hofers Schreiben als Selbstzeugnisse
sehr viele Zusammenhänge über Hintergründe und historische Geschehnisse der kurzen Zeitspanne von Hofers „Bauernregiment“ im Spätsommer und Herbst 1809 in Innsbruck. Der Leser gewinnt viele Erkenntnisse über den Einfluss von Hofers Umfeld auf ihn, man erkennt auch die Motive vieler seiner Mitkämpfer, die ihre Familien, ihre Häuser und Höfe auf damals unbestimmbare Zeit zurücklassen mussten, um beim Kampf um die seit dem Jahre 1342 verbriefte Tiroler Freiheit, sowie für ihre Jahrhunderte alten religiösen Bräuche und politischen Rechte, stets im Kampfe vorne mit dabei zu sein.
Wer waren die zwei wichtigsten Männer, die Hofers Briefe niederschrieben?
„Josef Hirn stellte fest [Hirn, Tiroler Erhebung, 634-635]: Zu seinen Sekretären wählte er [Hofer] Matthias Dalama und den Schullehrer Purtscher, eigentlich die einzigen Nichtbauern in seinem intimen Kreise, die als solche schon in ihrer Tracht – Purtscher trug noch Haarzopf – erkennbar waren. Beide waren fleissige Arbeiter und führten eine hinreichend gewandte Feder. Dalama schrieb vornehmlich Aufrufe und öffentliche Kundmachungen, Purtscher, seit dem 15. August zum Hauptmann ernannt, besorgte die Korrespondenz, die Abfassung von Verträgen und Ausfertigungen der Erledigungen. Hofer selbst, seiner geringen Schreibkunst sich wohl bewußt, begnügte sich meist, seine Unterschrift zu zeichnen, mitunter setzte er ihr einige Worte bei, die den Leser verblüffen.“
Andreas Hofer drängt darauf, zu erfahren, wann eine städtische Kompanie nach Scharnitz ausrücken werde: „An das Stadtmagistrat dahier: Innsbk. D. 27. 7br 1809. Derselbe hat sich augenblicklich auszuweisen, ob und wann die stä[d]tische Compagnie nach Scharnitz ausmarschieren werde. Man erwartet keine weiteren Entschuldigungen. Vom k.k. Obercommando Tyrols Andere Hofer. Ght insprugg muesß im ßicher Ein angedenckhen machen V(on) purer dödigkheit.“
Der Leser kann sich gut in den Zorn Hofers über das Magistrat Innsbruck hineindenken, wenn er folgendes liest (S. 65):
„So heißt es beispielsweise in einem an den Stadtmagistrat adressierten Text vom 17. September 1809: ‚Sehr wenig, wie es mir scheinet, liegt es dem löblichen Magistrate allhier daran, ob wir unser vertheidigtes Land in Sicherheit und Ruhe erhalten oder nicht […]. Die täglichen Beschwerden und Klagen wegen den belöhnten Wächtern und untauglichen Menschen […) zwingen mich Unterzeichneten dazu, an ein löb. Magistrat zu schreiben und zu ermahnen […). Sollte aber dennoch von heutigen Dato eine Beschwerde an mich kommen oder soll ein Gefangener entrinnen, so werde ich das löb. Magistrat zur Verantwortung ziehen und so erkennen, daß das löb. Magistrat statt Patriotismus Unthätigkeit und Falschheit zu unserm Vaterlande bezeige. Ich erbiethe mir daher die genaueste Vollziehung […], widrigenfalls ich mit d. löb. Magistrate andere Maßregeln zu treffen gezwungen bin.‘“
Doch kann man auch lesen:
„Anordnungen von Hofer wurden teilweise schlichtweg ignoriert oder vor Ort in einem bestimmten, der dortigen Situation adäquat scheinenden Sinn ausgelegt. Die Schwierigkeit, sich mit Anordnungen und angedrohtem Zwang Gehör zu verschaffen und auf die Durchsetzung von Anweisungen zu drängen, war somit keineswegs ein städtisch-innsbruckerisches Problem. Sie hing vielmehr von der Akzeptanz von Befehlen und Normen durch die Adressaten im ganzen Land ab, die mit einer Mehrzahl von Faktoren, nicht zuletzt aber dem Verhältnis zwischen Anhängern und Gegnern des ‚charismatischen Herrschers‘ verknüpft war.“
Steckbrief für Andreas Hofer, unterzeichnet vom Oberbefehlshaber der französisch-bayerischen Truppen in Tirol und Vorarlberg, Marschall Pierre Francois-Joseph Levebre, 5. August 1809.
Dieses sehr empfehlenswerte Buch verdient es, von allen an dieser Zeitepoche unserer Geschichte interessierten Menschen, gelesen zu werden. Ich gebe ihm die Note ausgezeichnet!
Matthias Egger / Andreas Oberhofer:
„Machen Sie also Mittel oder ich gehe“
Andreas Hofer und die Innsbrucker Stadtpolitik im Jahr 1809.
216 Seiten, 10 farb. und 2 sw. Abb., 2 Tabellen
und 87 farb. Faksimiles, 22 x 29 cm, Broschure
Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2022
ISBN 978-3-7022-4027-1
€ 29,95