Gedenken an Peter Mayr
Jedes Jahr gedenken wir am 20. Februar des Todestages von Andreas Hofer im Jahr 1810. Am gleichen Tag und fast zur gleichen Stunde wurde, unweit der Talferbrücke in Bozen, Andreas Hofers enger Kampfgefährte Peter Mayr, der „Wirth an der Mahr“, ebenfalls erschossen. Diesem redlichen und unbeugsamen Mann, der zu Unrecht weitgehend in Vergessenheit geraten ist, ist die nachstehende Dokumentation gewidmet.
„Ich will mein Leben durch keine Lüge erkaufen!“
Ein historischer Bericht von Georg Dattenböck
„Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht, // Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, // Wenn unerträglich wird die Last – greift er // Hinauf getrosten Muthes in den Himmel, // Und hohlt herunter seine ewgen Rechte, // Die droben hangen unveräusserlich // Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst …“ (Friedrich Schiller, Drama Wilhelm Tell)
Peter Mayr und seinen Mitstreiter war es im Freiheitskampf von 1809 vor allem um Folgendes gegangen:
- um die Bewahrung der verbrieften Freiheiten, niedergelegt im „Tiroler Freiheitsbrief“;
- um den Erhalt der Wehrhoheit, niedergelegt im Landlibell von 1511;
- um den Erhalt der kulturellen und damit auch religiösen Identität des Volkes;
- um den Erhalt des von Napoleon erstmals 1808 abgeschafften Landesnamens Tirol.
Peter Mayrs Familiengeschichte wurde erforscht
Peter Mayr wurde am 15. August 1767 am Köhlhof in Siffian am Ritten (nördlich Bozens) als Sohn des Peter Mayr (1741–1806) und seiner Frau Maria Unterhofer (1743–1815) die vom Hof Doppelbauer in Oberbozen stammte, geboren.
In der von Königin Maria Theresia 1774 im Land eingeführten Grundschule lernte Peter das Lesen und Schreiben und erhielt eine religiöse Bildung.
Wie der Stammbaum der Familie zeigt, stammte Peter Mayr aus einem alten Tiroler Bauerngeschlecht. Das Wappen erhielt die Familie von Kaiser Karl V. im Jahre 1555 verliehen, als Dank für geleistete Dienste. Die Familie brachte immer wieder Männer hervor, die das Richteramt ausübten, so auch Peters Vater, der als letzter Blutbannrichter am Ritten wirkte.
Das Wirtshaus an der Mahr
Der von der rätischen Sprachwurzel „la’mara“ hergeleitete Name Mahr, in der Bedeutung „Erdrutsch, Überschwemmungsgebiet“, ist über ein mittelhochdeutsches „Mette“ in der tirolerischen Mundart zu „Mahr“ geworden. Das Gebiet um und das Wirtshaus an der Mahr weist eine lange Geschichte auf:
1173 schenkte Frau Gisela von Latzfons „in der Merre“ dem Kloster Neustift Leibeigene;
1212 wird eine Kirche zum hl. Jakob an der Mahr genannt;
1225 fand ein Ritterturnier in „ein velt din merre“ zwischen dem Minnesänger Ulrich von Lichtenstein und Udalschalk von Potzen statt; der Bozner verlor dabei einen Finger;
1396 wird ein Weingut des Niderchoflacher an der Maerre genannt;
1656 war Ulrich Rändl der „Wirt an der Märe“;
1780 war Claudia Peer Besitzerin des Mahrerwirt;
1803 waren Johann und Maria Öler die Wirtsleute an der Mahr;
1804 am 8. November, erwarb Peter Mayr, Kölensohn in Siffian Am Ritten, das Wirtshaus, nachdem er vorher das Wirtshaus „Zum Weißen Kreuz“ (genannt „beim Schober“) südlich von Klausen gelegen, besessen hatte.
Das uralte Wirtshaus an der Mahr wurde ein Treffpunkt all jener Tiroler, die sich über die französische Besatzung und deren maßlose Übergriffe: die zwangsweise Aushebung von Rekruten, über Diebstähle, Raub, Vergewaltigungen und Morde, über die verhasste Abschaffung alter Rechte, über die vielen neuen Steuern, über die Verbote religiösen Brauchtums und über das provokant-anmaßende Verhalten der neuen Obrigkeiten empörten.
Geheime Zusammenkünfte fanden im „Schmiedhäusl“ neben dem Mahrwirt statt, an denen auch Andreas Hofer teilnahm: so beim „Bauernkonvent“ am 25. November 1807, auf dem beschlossen wurde, Anordnungen der Besatzer betreffend kirchlicher Angelegenheiten nicht zu befolgen und „die Schänder der Gotteshäuser“ zum Schutze des Glaubens aus dem Lande zu vertreiben. Eine zunächst friedlich an den bayerischen König Max I. gerichtete Bittschrift wurde von den Behörden beschlagnahmt und die Unterzeichner wurden verwarnt.
Das blutige Drama des Tiroler Aufstandes war somit von den Franzosen selbst und deren willigen, bayerischen Vasallen vorprogrammiert.
Die historischen Grundlagen des Tiroler Schützenwesens
In einer Urkunde Kaiser Maximilians I. vom 23. Juni 1511 wurde, mit der Zustimmung der Tiroler Landstände bestimmt, daß die Tiroler, jedoch nur zur Verteidigung ihres Landes, Kriegsdienst zu leisten hatten. Dieses sogenannte Landlibell regelte die Aufstellung eines Schützenaufgebots und eines Landsturms und war bis zum Jahr 1918, im Lauf der Zeit mit einigen Änderungen, immer ein Teil der Tiroler Landesverfassung.
Erstmals trat Peter Mayr in das Licht der Öffentlichkeit, als er sich als Kommandant der Schützen am Ritten bewährte. Das Schützenaufgebot vom Ritten unter seinem Kommando wehrte bereits am 3. April 1797 die versuchte Besetzung des Ritten durch eine französische Einheit ab, die Franzosen mussten sich nach Bozen zurückziehen. Die damals entstandenen Kampflieder der Schützen sind provokant und mobilisierend, wie z. B. das „Lied im Franzosen-Rummel 1796“, dessen Text (hier folgend die ersten drei von acht Strophen) lautet:
Den Stutzen hear, beym Soggara.
Was wöll’n denn d’Franzosen?
Hö! moanen sie mit ihrem Gschroa,
Mier haben ’s Hearz in d’Hosen!
An schwanzigen Tyrolar Bua
Darfst du nit dreymal fragn;
Weard er dir wirsch, aft schau nur zue,
Er nimpt di glei bam Kragen.Die Walschen! ja, daß Gott erbarm,
seyn freila pure Heiter,
Sihst afa den Tyrolar Arm?
Huj! nur koan Schritt mea weiter.
Ja, sproz nur einer Tuifelsboan,
Mier wöll’n dirs schon drahnen,
Was ’s Stutzl nit derthuet: der
thoan die Stoaner-Krafellahnen.Für üns ists krad a Kirchtatanz.
Denn mier – mier halten zsamen,
und lieben Gott und Kaiser Franz
Und ünser Landl Amen.
A hab’n mier ünsrer Alten Lehr
Bey weiten nit vergessen,
Die haben sich mit Ruam und Ehr,
Mit zwean auf oamal gmessen.(Aus: Sandra Hupfauf/Silvia Maria Ebner: „Liedgeschichten. Musik und Lied in Tiroler Politik und Gesellschaft 1796-1848“, Innsbruck 2013)
Der Aufstand 1809
Über die Erhebung der Tiroler im Jahre 1809 berichtete die „Innsbrucker Zeitung“ ausführlich.
Damals wurden 380 Schützenkompanien in den Standeslisten des Jahres 1809 aufgeführt. Das waren an die 36.000 Schützen mit Gewehren und rund 40.000 Stürmer, die jedoch nur mit Hacken, Sensen, Morgensternen und Picken sehr mangelhaft bewaffnet waren.
Die 1809 erfolgte Aufhebung des Landlibells durch die Franzosen bzw. deren bayrische Vasallen, sowie die Zwangsaushebung von Tiroler Rekruten in Axams für den Dienst in der französischen Armee, führte geradewegs in den Aufstand.
In der „Festschrift zur Wiedererrichtung des Peter Mayr Denkmals in Bozen 21. Februar 2010“ (Herausgeber: Schützenkompanie Bozen), die hier vom Verfasser zu den folgenden Zitierungen herangezogen wird, ist über das Schicksal von Peter Mayr u.a. zu lesen:
„Als dann Anfang April 1809 der Aufstand losbrach, war Peter Mayr an den beiden ersten Befreiungen des Landes im April und im Mai beteiligt. In den beiden Bergiselschlachten am 25. und 29. Mai befehligte er die Pfeffersberger. Ebenso bedeutend wie seine militärische Rolle war in dieser Zeit seine politische als gewählter Vertrauensmann der Stadt und Umgebung von Brixen.
Bei der dritten Befreiung Tirols, der eigentlichen Ruhmestat von 1809, wurde Peter Mayr dann zu einer entscheidenden Führerpersönlichkeit. Nach der Niederlage von Wagram hatte Erzherzog Karl im Waffenstillstand von Znaim (11. Juli 1809) Napoleon die militärische Räumung Tirols zusagen müssen. Nach dem Abzug der regulären österreichischen Truppen waren die Tiroler auf sich allein gestellt, viele verzagten und wollten den Kampf aufgeben. Nichts schien die französischen und bayerischen Truppen aufhalten zu können, die beinahe kampflos in Innsbruck einrückten und sich anschickten, auch den Süden des Landes zu besetzen. In dieser aussichtslosen Lage trafen sich am 2. August 1809 der Mahrwirt Peter Mayr und der Sternwirt Peter Kemenater von Schabs beim Kreuzwirt Martin Schenk in Brixen. In ihrem als „Schwur der Drei“ bekannten Treffen gelobten sie sich Treue im Kampf um die Freiheit Tirols und bereiteten den Widerstand in der Sachsenklemme vor, der die entscheidende Wende brachte.“
In der Festschrift heißt es weiter: „Die Tiroler konnten am 4. und 5. August unter der Führung von Peter Mayr, Pater Joachim Haspinger und Josef Speckbacher die vor allem aus Sachsen und Thüringern bestehende Division Rouyer, die von Innsbruck nach Süden durchstoßen wollte, nördlich von Franzensfeste zurückwerfen und ihr schwere Verluste zufügen. Von 2000 Soldaten waren 1000 gefallen oder, zumeist verwundet, in Gefangenschaft geraten. Die Tiroler hatten kaum 100 Mann verloren. Dieser beachtliche Erfolg (wie auch der ähnlich verlaufene Kampf bei der Pontlatzer Brücke im Oberinntal) rüttelte das ganze Land auf und ließ die Zahl der Kampfeswilligen rasch wieder ansteigen. Auch Marschall Lefebvre, der mit 7000 Mann den Durchbruch nach Süden doch noch erzwingen wollte, scheiterte nach erbitterten Kämpfen in der Gegend von Sterzing und zog sich schließlich nach Innsbruck zurück.
Der tagelang anhaltende Widerstand der Tiroler wäre nicht möglich gewesen, wenn Peter Mayr nicht den Nachschub bestens organisiert hätte. Der verfolgte Lefebvre musste sich am 13. August bei Innsbruck zum Kampf stellen. Diese dritte Bergiselschlacht, in der Peter Mayr mit Pater Haspinger das Zentrum kommandierte, endete mit einem Aufsehen erregenden Erfolg der zahlenmäßig unterlegenen Tiroler gegen die erfolgsgewohnten Franzosen und Bayern. Marschall Lefebvre mußte abziehen, Tirol war wieder frei.“
In der Festschrift heißt es weiter: „Der zum Unterkommandanten ernannte Peter Mayr widmete sich in der folgenden Zeit der Regentschaft Hofers der Hilfe für die vom Krieg schwer getroffene Bevölkerung vor allem im Unterinntal. In Brixen betrieb er die Wiedererrichtung des Priesterseminars. Mit dem am 14. Oktober 1809 in Wien geschlossenen Frieden, der die Abtretung Tirols bestätigte, hatte Napoleon aber die Hände frei, um Tirol mit einem gewaltigen Truppenaufgebot endgültig zu unterwerfen.
Die vierte Bergisel-Schlacht am 1. November 1809 war angesichts der Übermacht der Feinde rasch verloren. Viele Landesverteidiger sahen die Sinnlosigkeit weiteren Widerstandes ein und gaben auf. Andreas Hofer selbst schwankte zwischen Aufgabe und Fortsetzung des Kampfes.“
Das dramatische Ende des Aufstandes
Nur mehr tief Verzweifelte konnten nach der letzten, verlorenen Bergisel-Schlacht noch ernsthaft an einen Sieg gegen eine übermächtige französische Armee denken. Ein Mann namens Johann Nepomuk Maria von Kolb (*1757 in Innsbruck, †Petra 1813), war einer Jener, die Andreas Hofer sogar unter Gewaltandrohung drängten, den bereits aussichtslosen Kampf fortzusetzen. Der Zeitzeuge, Freiherr von Hormayr, charakterisierte Kolb u.a. so:
„… Commandant von Lienz, Nepomuk von Kolb, aus einer guten Familie, ehehin ständischer Steuereinnehmer, aber um unordentlicher Verwaltung willen von diesem Amt entfernt, ein hirnverbrannter Anarchist von den tollsten Einfällen…“ (Joseph von Hormayr: „Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyroler im Kriege 1809; 2. Theil, 2. Auflage Brockhaus Leipzig 1845, S. 361)
Hormayr berichtete schonungslos über die damalige Lage, wonach Hofer, auch auf Grund der Einwirkungen von Fanatikern, den Überblick verlor:
„Alle die nachfolgenden schwankenden und widersprechenden Schritte Hofer’s tragen das Gepräge seiner eigenthümlichen Unentschlossenheit, Leichtgläubigkeit und Kurzsichtigkeit, des heftigen Widerstreites der verschiedenen Parteien und Persönlichkeiten, die ihn hin und her rissen… Einige Verworfene, des Tyroler Namens unwürdig, wollten fortgesetzten Widerstand, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen und ihre Flucht zu decken…
Der Vicekönig (Eugen Napoleon) sendete den General Rusca ins Pusterthal. Am 3. November rücken diese in Sillian ein. Den Oberbefehl führt Baraguey d’Hilliers, der die Unruhen in Krain gestillt hatte. Kolb predigte noch immer und zwar unter Androhung der Todesstrafe den hartnäckigsten Widerstand gegen diese ‚letzte Anstrengung der ohnmächtigen Feinde‘. Die Mutter Gottes sei ihm erschienen, sie werde helfen. Der Commandant Stöger, der zur Niederlegung der Waffen ermahnt hatte, sei ein vom Feinde mit 20,000 Fl. erkaufter Verräther und vogelfrei. Wirklich mußte sich Stöger zu den Franzosen flüchten. Seine warnenden Briefe an Hofer fing Kolb auf und belog den guten Sandwirth: der Erzherzog Johann rücke schon gegen Sachsenburg heran, man höre schon im Pusterthale den Donner seines Geschützes. – Die Bauern zogen sich in die Mühlbacher Klause zurück und dieselben befehligte Peter Mayr, Wirth in der Mahr; Kolb tobte und brüllte… An Lebhaftigkeit, Gewandtheit und Keckheit, an volksthümlicher Beredsamkeit gebrach es ihm gar nicht, eben so wenig an einer ledernen Stirn, wenn er auf der Lüge ertappt war.“ (Joseph von Hormayr: „Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyroler im Kriege 1809; 2. Theil, 2. Auflage Brockhaus Leipzig 1845, S. 495ff)
Andreas Hofer, aber auch Peter Mayr, durch lokale Siege in einigen Gefechten und durch Kolb und Andere ermutigt, erhofften sich ein nochmaliges Eingreifen der österreichischen Armee. Mayr wollte das Eisack- und Pustertal halten und die Aufrufe zum Widerstand fanden wieder Gehör. General Moreau wurde mit 2000 Mann in Brixen eingeschlossen und Peter Mayr versuchte, noch am 25. November, Brixen zu stürmen: es war vergeblich, Mayr gab den Kampf schließlich auf.
Kolb, der fanatisch noch weiterkämpfte, flüchtete, nachdem er die Aussichtslosigkeit begriff, nach Wien. Dort wurde er als politisch Unwillkommener von den Wiener Behörden nach Brünn abgeschoben und unter Polizeiaufsicht gestellt. Er ließ sich schließlich in Petra bei Konstantinopel nieder, wo er 1813 an der Cholera starb.
Die grausame Rache der Franzosen
Die Bozner Schützen berichten in ihrer Festschrift: „Die Rache von General Severoli war schrecklich. Er ließ rings um Brixen 150 Höfe und Ansitze in Brand stecken, die Bewohner mußten sämtliche Habseligkeiten in den Häusern lassen und zusehen wie sie verbrannten. In Vahrn wurde dabei das junge Besitzerehepaar des Gallhofes erschossen. Nun richtete sich die Verfolgung gegen alle, die in der zweiten Novemberhälfte und Anfang Dezember noch gekämpft hatten. Vizekönig Eugene Beauharnais hatte am 12. November verkündet, daß jeder, der fünf Tage nach dieser Kundmachung noch mit der Waffe in der Hand angetroffen werde, erschossen werde.
Mehrere Aufständische, die bei den letzten Gefechten um Brixen in Gefangenschaft geraten waren, wurden in Bozen erschossen, 30 von ihnen wurden zu lebenslänglicher Festungshaft verurteilt und starben meist in den Gefängnissen. Drei Führer der Aufständischen, Johann Kircher von St. Leonhard, Bartlmä Pichler von Milland und Ignaz Haller von Neustift wurden am Brixner Domplatz erschossen, auf Kolb und Mayr wurde ein Kopfgeld ausgesetzt.“
Auch Peter Mayr fiel, wie Andreas Hofer, dem Verrat zum Opfer
Der von den Franzosen gesuchte Mayr verbarg sich im Leitererhäusl in Feldthurns, nur ein wenig oberhalb seines Wirtshauses. Jedermann wußte in Feldthurns vom Versteck, es dauerte trotzdem Wochen, bis ein Verräter namens Johann Pichler ihn an die Franzosen um 50 Gulden Judaslohn verriet. Am 8. Februar 1810 wurde Mayr festgenommen und am nächsten Tag in die Fronfeste St. Afra nach Bozen verbracht, wo schon Hofer kurz inhaftiert war. Ein Kriegsgericht verurteilte Peter Mayr am 14. Februar zum Tod.
Seine schwangere Frau Maria, die mit den Kindern nach Bozen kam um Peter beizustehen, richtete an den kommandierenden General Louis Baraguey d’Hilliers ein Gnadengesuch.
General Louis Baraguey d’Hilliers wollte Peter Mayr retten
Als Randnotiz muss hier vom Verfasser auf die Rolle des General Baragueys, als damaliger Oberbefehlshaber der französischen Truppen in Südtirol, bei der erstmals durchgeführten Erhebung der Sprachen, Sprachgrenzen und Sprecherzahlen in Südtirol und im Norden Italiens, durch das „Büro für Statistik“ im französischen Innenministerium hingewiesen werden. Von diesem Pariser Ministerium aus wurde von 1806 bis 1812 an „einer umfassenden Erhebung von Daten über alle im Kaiserreich gesprochenen Sprachen und Dialekte“ gearbeitet. (siehe dazu: Sven Koedel „Die napoleonische Sprachenerhebung in Tirol und Oberitalien in den Jahren 1809 und 1810“, in der vom Ladinischen Institut „Micurá de Rü“ herausgegebenen Zeitschrift „Ladinia 2010“, S. 11-49)
Als Ziel wurde für Tirol die die Beschaffung von Informationen über die Sprachgrenzen und die deutschen Sprachinseln angegeben. „So berichtet Baraguey d’Hilliers in einem Brief v. 4. April 1810, in der Administration des Etschkreises einen lebhaften Eifer für die Nachforschungen über die Dialekte der Valsugana entfacht zu haben“. (Koedel, a. a. O., S. 30)
Jedenfalls gibt diese sehr wertvolle Arbeit von Koedel einen tiefen Einblick in die damaligen Verhältnisse!
General Louis Baraguey d’Hilliers (1764-1813) legte im Gegensatz zu anderen französischen Generälen den aufständischen Tirolern gegenüber ein anständiges Verhalten an den Tag. Im Dezember 1809 verzichtete er auf einen Einmarsch in den Vinschgau, nachdem eine Ergebenheitserklärung abgegeben wurde. Der Ehefrau und dem Sohn von Andreas Hofer schenkte er nach deren Festnahme bald wieder die Freiheit und er besuchte Andreas Hofer in der Haft in Bozen. 1810 wurde der General von Napoleon nach Katalonien versetzt, anschließend kämpfte er in Napoleons Angriffskrieg gegen Russland, er starb 1812 in Ungnade als Gouverneur in Berlin.
Die Gattin des Generals wollte helfen
Die Gattin des Generals Baraguey, eine deutsche Frau aus Mainz, befreundete sich mit Anna von Giovanelli aus Bozen. Anna war die Tochter des Johann von Vintler zu Platsch und Runkelstein und Gattin des Ritters Josef von Giovanelli zu Gerstburg und Hörtenberg, welcher dem Herren- und Ritterstand angehörte. Die lombardische Familie Giovanelli stammte ursprünglich aus Bergamo.
Während der Kriegsjahre von 1796 bis 1801 und 1805 hatte sich Josef von Giovanelli um die Landesverteidigung von Tirol verdient gemacht. Als der Aufstandsplaner Josef von Hormayr, dessen Großmutter eine Elise von Giovanelli war, mit den Spitzen der österreichischen Armee Bozen erreichte, nahm ihn Josef von Giovanelli in seinem Haus auf. Von dort aus koordinierte Hormayr den Aufstand und das Haus Giovanelli wurde eines der Zentren der Tiroler Patrioten um Andreas Hofer. (Joseph von Hormayr: „Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyroler im Kriege 1809; 2. Theil, 2. Auflage Brockhaus Leipzig 1845)
Baragueys Frau wirkte auf Grund des Drängens ihrer Freundin Anna von Giovanelli stark auf ihren Gatten zu Gunsten von Peter Mayr ein. Dies zeigte Wirkung, denn der General selbst war bereits zweimal von französischen Revolutionären verhaftet worden und immer nur knapp Hinrichtungen entgangen. Er hatte wohl auch deshalb Verständnis für Mayrs triste Lage. Durch die Feldzüge und seine Ehefrau hatte er aber auch das redlich-offene Wesen der Mehrheit aller Deutschen sehr zu schätzen gelernt.
Die „Staats- und Gelehrtenzeitung des Hamburgischen unparteyischen Korrespondenten“ gehörte damals zu den größten und einflussreichsten Zeitungen (erschienen 1712 bis 1934). Sie vertrat Glaubhaftigkeit, Sachlichkeit und, soweit unter der Besatzung möglich, auch eine Unparteilichkeit. In Nr. 41 v. 13.3.1810 schrieb diese Zeitung über General Baragueys Gattin:
„Die edle Gemahlin von Baraguey d’Hilliers genießt hier allgemeine Liebe und Achtung. Diese durch Kopf und Herz vortreffliche Dame hilft, wo sie kann, tröstet und unterstützt die Unglücklichen – jedermann hat zu ihr freien Zutritt.“
Der General hob das Urteil auf – Peter Mayr wollte keine Lüge sagen
General Baraguey und seinen Offizieren war auch die meist sehr gute Behandlung französischer Verwundeter und Gefangener durch die Tiroler bestens bekannt.
Deshalb hob er unter dem Vorwand eines Formfehlers das bereits ergangene Urteil gegen Peter Mayr auf. Baraguey wollte damit auch die Tiroler Bevölkerung für sich gewinnen und die angespannte Lage beruhigen.
Mayr wurde über seinen Anwalt eine Erklärung nahegelegt, daß er vom Erlass des Vizekönigs Eugen Napoleon vom 12. November keine Kenntnis gehabt habe. Mayr, so der Gedanke von General Baraguey, sollte durch diese Notlüge vor Gericht sein Leben retten.
Wie auch andere Männer in der Geschichte in ähnlicher Lage, lehnte Peter Mayr dieses Ansinnen jedoch ab:
„Die Erfüllung der für meine Rettung gestellten Bedingung ist unmöglich. Ich habe von den Friedensbestimmungen gewußt und eben deshalb zu den Waffen gegriffen, um einen Verzweiflungskampf zu wagen; ich bin der Wahrheit und den Geboten Gottes treu geblieben mein Leben lang und werde nie durch eine Lüge mein Leben erkaufen…“. (Zitiert nach Johann Staffler: „Das deutsche Tirol und Vorarlberg, topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen“ Bd.II, S. 104, Innsbruck 1847)
(Dazu eine Anmerkung des Verfassers: Der griechische Staatsmann Perikles (490 – 429 v. Chr.) sagte in einer Rede auf die Gefallenen: „Ich rede nicht dem Wahn das Wort, daß der Tod vor dem Feind köstlich sei. Ich rede einer Wahrheit das Wort, daß es zu allen Zeiten unentrinnbarer Zwang ist, das, was man liebt, verteidigen zu müssen. Auch mit dem Leben.“)
Peter Mayrs religiöser Glaube, der ihm vor dem Tod die Angst nahm, seine tiefe Liebe zum freien Land der Väter und – trotz aller erlebten bitteren Enttäuschungen – seine Treue zum Kaiserhaus in Wien sowie sein Beharren auf dem moralischen Recht zum Widerstand gegen die Vergewaltigung seines Landes, zwangen ihn wohl, im Angesicht des nahen Todes nicht zu lügen.
Die Hinrichtung des unbeugsam Wahrheitsliebenden
Der 43jährige Wirt an der Mahr wurde um die Mittagszeit des 20. Februar 1810, unweit der Talferbrücke in Bozen und fast zur gleichen Zeit wie Andreas Hofer in Mantua, von einem Exekutionskommando der Franzosen erschossen. Den überlieferten Berichten nach nahm Peter Mayr, wie auch sein Oberkommandant Hofer, das über ihn verhängte Todesurteil sehr gefasst entgegen. Gelassen ging Mayr auf den Richtplatz, mit einem Kreuz in der Hand und seinem Hut unter dem Arm. Der Tiroler Aufstandsplaner und Zeitzeuge Josef von Hormayr schrieb über diese Haltung in Bezug auf Hofers Ende:
„So wenig Hofer das Todeswort des Kriegsgerichts erwartet hatte, vernahm er dieses Urtheil doch ohne die Miene zu verändern mit erhebender, alle Anwesenden sichtbar überraschender Gelassenheit und religiöser Resignation“ (Joseph von Hormayr: „Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyroler im Kriege 1809; 2. Auflage Brockhaus Leipzig 1845, S. 514)
Eine feindliche Zeitung berichtete über das Ende von Peter Mayr
Die dem bayrischen Königshaus und damit dem Bündnis mit Frankreich verpflichtete „Münchner politische Zeitung“ vom 5. März 1810 berichtete über die Exekution von Peter Mayr und das Schicksal von Tiroler Aufständischen:
„Der reiche Wirth von der Mahr unweit Brixen, bey der Talferbrücke, Namens Peter Mayer, welcher am 20. d. dieß nach dem Urtheilspruch eines Kriegsgerichts vor hiesiger Stadt erschossen wurde, war ein Vater von 5 lebendigen Kindern, und das 6te trägt sein trostloses Weib noch unter dem Herzen. Aus seinen Verhören ergab sich, daß er ein Gespann des verruchten Kolb war, der in der Gegend von Brixen so viel angerichtet hat. Peter Mayer gestand in den Verhören immer mehr, als man von ihm zu wissen verlangt, und erklärte wiederholt, daß er den Tod nicht fürchte. Wirklich ging er sehr entschlossen, mit einem Kruzifix in der Hand, und mit dem Hut unter dem Arm, von einer großen Menge Volks begleitet, auf den Richtplatz. Nachmittags wurde er auf dem Gottesacker begraben. Seinem Beichtvater gab er den Auftrag, die Gemeinden um Brixen herum wegen Allem, was er ihnen Leid gethan, um Verzeihung zu bitten: Sein Weib erhielt die Erlaubniß, mit ihren Kindern wieder auf die Wirthschaft zu ziehen; diese ist aber rein ausgeplündert. – Der Sohn des Sandwirths Hofer, der bisher als Gefangener im hiesigen Spital lag, und zu seinem Vater nach Mantua abgeführt werden sollte hat nunmehr auf vielseitige Fürbitte die Erlaubniß erhalten, zu seiner Mutter nach der Heimath zurückzukehren. – Die Insurgenten von Bozen und Gries, die im verflossenen September als Kriegsgefangene nach Mantua abgeführt wurden, sitzen noch daselbst. Mehrere derselben sind inzwischen bereits gestorben.“
Anmerkungen sind zu dieser Meldung nötig: Abgesehen von geographischer Unkenntnis des Schreibers über die Lage des Gasthofs Wirth an der Mahr ist der psychologisch ausgefeilte und suggestive Versuch bemerkenswert, dem Leser nahezubringen, daß Mayr der „reiche Wirth“ war, der seine in tiefe Not geratene Familie ganz offensichtlich ohne einen Funken von Gewissen kaltblütig im Stich gelassen hatte.
Die Schuld an dem Unheil, welches über das Land gekommen war, wurde in diesem Bericht den Aufständischen zugewiesen und es wurde auch verschwiegen, wer das Wirtshaus an der Mahr ausplünderte.
Es wurde auch verschwiegen, daß es die deutsche Gattin des Generals Baraguey war, die sich bei ihrem Gemahl für die Heimkehr von Hofers Sohn zu seiner Mutter stark gemacht hatte.
Die Benennung der Aufständischen als „Kriegsgefangene“ hingegen liest man sonst sehr selten und auch der letzte Satz berichtet eine Wahrheit: kerngesunde Männer, die noch kurz zuvor die Kraft hatten, die ungeheuren Strapazen der schweren Kämpfe durchzustehen, starben im Kerker wie die Fliegen. Der Hunger, die Kälte des Steinbodens auf dem sie schlafen mussten, die generell sehr harte Behandlung und die bangen Gedanken der Eingekerkerten an die ungewisse, düstere Zukunft ihrer Höfe und Familien, hatte sie schnell dahin gerafft. Hunderte waren eingekerkert, dutzende wurden erschossen und viele Tausende starben in den Kämpfen oder an den Folgen von schweren Verwundungen und Krankheiten.
Die Gedenkstätten für Peter Mayr
Gedenkstein vor dem Wirtshaus an der Mahr
Nach seinem Tod wurde Peter Mayr vom Tiroler Volk und den Patrioten des übrigen Österreich keinen Tag vergessen. An historischer Stelle, vor seinem Wirtshaus an der Mahr wurde, 100 Jahre nach seinem Tod, ein Gedenkstein für ihn errichtet, am Wirtshaus selbst und in Mayrs Geburthaus in Siffian am Ritten wurden Gedenktafeln enthüllt.
Blinder Hass: Ein Gedenk-Kranz muss in Stücke gehackt werden
Daß die Südtiroler Bevölkerung auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht bereit war, sich willenlos mit der Landesteilung abzufinden, wurde am Abend des 20. Februar 1946 sichtbar, als einem Bericht des SVP-Organs „Volksbote“ zufolge anlässlich des Gedenkens an den Tod Andreas Hofers im Lande „überall die Feuer zum Himmel“ loderten. Es „schien am 20. Februar abends das ganze Land in Brand gesteckt zu sein. Durch das Etschtal zwischen Bozen und Meran brannten zahllose Feuer im Tal herunten und an den Hängen. … Von Meran aus gesehen war es so, als wenn die Berge rings um die Stammburg Tirol zu brennen und zu lohen begännen …
Im Talkessel von Brixen brannten hunderte von Feuern in allen Berghöhen … Tausende von Raketen stiegen zum Himmel, da und dort Inschriften und Sinnbilder mit Feuer gezeichnet.
Das gleiche Schauspiel durch das ganze Pustertal. Von Mühlbach angefangen überall stiegen Raketen auf, vielfach sah man die tirolischen Symbole, ein flimmerndes Herz Jesu oder dergl. … Von St. Lorenzen her wetterleuchtete es förmlich und die Gegend von Bruneck war ein Feuerbecken. Auf einer Höhe über Bruneck standen in Flammenschrift der Landesnamen und darüber wiederum das Zeichen des Herzens Jesu. Im Hochpustertal war es nicht anders … Wiederum hat das Volk wie so oft in seiner Geschichte mit Feuerzeichen in den Himmel geschrieben was seine Seele zu tiefst bewegt.“ („Volksbote“ vom 28. Februar 1946)
Gegen diese landesweiten, feurigen Bekundungen hatten die italienischen Behörden nichts unternehmen können, denn diese Äußerungen des Volkswillens waren zu mächtig. Bei einer kleineren, lokalen Aktion wurden sie jedoch umgehend tätig. In der Nacht vom 20. auf den 21. Februar 1946 war von Unbekannten ein Kranz aus Nadelzweigen – auf Tirolerisch „Taxenkranz“ genannt – am Denkmal von Mayr niedergelegt worden.
Der Kranz trug eine Schleife in den Tiroler Farben und auf einem Stück Karton die Inschrift:
„Des Helden Vermächtnis an unser Geschlecht:
‚Für Glaube und Heimat, für Sitte und Recht!‘‘“
Wie das SVP-Organ „Volksbote“ am 28.2.1946 berichtete, erschienen am 21. Februar 1946 die Carabinieri und zwangen die Wirtsleute des Gasthauses an der Mahr, den Kranz in Stücke zu hacken.
Dies war einer der vielen täglichen Nadelstiche, Gemeinheiten und Tiefschläge, die damals von den Südtirolern zu ertragen waren und die dazu beitrugen, den überhitzten Dampfkessel Südtirol in der „Feuernacht“ des Jahres 1961 platzen zu lassen, mit einem Donnerschlag, welcher die internationale Öffentlichkeit auf die unerträglichen Verhältnisse in Südtirol aufmerksam machte.
Ein Denkmal in Bozen
Bereits am 30. September 1900 wurde, nach einem Entwurf des Architekten Ritter Georg von Hauberisser, am Pfarrplatz in Bozen, wo Peter Mayr bestattet worden war, ein Denkmal enthüllt, das unter einem neugotischen, mit einem Kruzifix geschmückten Oberbau ein Relief trug, das die Gefangennahme Mayrs durch die Franzosen darstellte. Die Einweihung des Denkmals am 30.9.1900 wurde, trotz Regens, zu einem großen patriotischen Fest, wobei besonders die Rede des Historikers Hirn beeindruckte.
Unter dem Relief war folgender Text angebracht:
„Hier ruht Peter Mayr, Wirth an der Mahr. Im Jahr 1809 Landsturm-Commandant, geboren zu Siffian am 15. August 1767. Von den Franzosen am 20. Februar 1810 auf der Holzreife zu Bozen standrechtlich erschossen, nachdem er es verschmäht hatte, Leben und Freiheit durch eine Lüge zu erkaufen. R.I.P.“
An den Seiten des Denkmals sind Weggefährten und Kampfgenossen Peter Mayrs angeführt, die ebenfalls in Bozen erschossen wurden: Am 17.12.1809 waren am Johannesplatz (heute Waltherplatz) die Anführer Georg Ganeider, Zellenwirt in Villnöß, und Simon Rieder, Plankelbauer in Feldthurns, hingerichtet worden.
Am 21.12.1809 hatten hier Franz Burger aus Österreich, Matthias Frener, Schmied aus Pardell, Heinrich Koch aus Württenberg und Josef Markreich aus Ungarn ihr Leben gelassen.
Diese ehemaligen Soldaten hatten als „Sandwirts-Dragoner“ vor allem berittene Kurierdienste für Andreas Hofer geleistet und hatten mit Peter Mayr am 8.11.1810 in der Mühlbacher Klause gekämpft und dort die Kanonen der Tiroler bedient und waren beim Gefecht am 5.12.1810 in Klausen den Franzosen in die Hände gefallen.
Verbot der Einweihungsfeier für das restaurierte Denkmal und eine Prügelorgie
Bei der Bombardierung Bozens im Zweiten Weltkrieg war 1943 der helmförmige Aufsatz zerstört und das Denkmal schwer beschädigt worden. Es wurde wieder restauriert. Die für Samstag, 20.2.1960 geplante Einweihungsfeier zum Abschluss des Gedenkjahres „150 Jahre Freiheitskrieg“ wurde vom Regierungskommissar im Auftrag Roms kurzfristig verboten!
Nicht verbieten konnte er den Gedenkgottesdienst am Sonntag, 21. Februar 1960, der mit über 2000 Teilnehmern gefeiert wurde. Als die Besucher aus der Kirche strömten, legten die Grieser Schützen, sowie Fahnenträger der Katholischen Jugend und Nachkommen von Peter Mayr am Denkmal einen Kranz nieder.
Über das, was dann geschah, berichtet der Südtiroler Freiheitskämpfer der 1960er Jahre Siegfried Steger in seinem Buch: „Die Puschtra Buibm“:
„Es folgte Provokation auf Provokation. Vereinzelte Anschläge sorgten nicht für ein Nachdenken der italienischen Politik, sondern ließ diese noch härter vorgehen. Nach einem Anschlag im Vinschgau im Februar 1960 wurden sämtliche Veranstaltungen im ganzen Land verboten, das war gezielt gegen die Andreas-Hofer-Feiern gerichtet. Für Bozen war dies besonders schlimm, weil für den Sonntag, 21. Februar, die Einweihung des neuen Peter-Mayr-Denkmals bei der Pfarrkirche vorgesehen war. Der Bozner Dom war an diesem Tag zum Bersten voll, auch ich hatte es mir nicht nehmen lassen, zu diesem Ereignis nach Bozen zu fahren. Als wir – an die 2000 Kirchgänger – nach der Messe aus dem Dom strömten, stimmten wir das Andreas-Hofer-Lied an, beim Peter-Mayr-Denkmal wurde ein Kranz niedergelegt.
Das genügte, um die Polizei zum Zuschlagen zu bewegen. Von allen Seiten kamen die ‚Celere‘, die schnellen Einsatzautos der Polizei, mit Sirenengeheul angefahren, die Polizisten sprangen herab und schlugen mit Gummiknüppeln auf die Leute ein. Fotoapparate wurden abgenommen, mehrere Kirchgänger verhaftet. Im darauffolgenden Strafverfahren wollte der Staatsanwalt die Verteidigung nicht einmal zu Wort kommen lassen, diese setzte sich aber durch. Drei der Festgenommenen wurden zu bedingten Strafen verurteilt, die anderen freigesprochen. Gegen das Fehlverhalten der Polizei wurde aber nie ermittelt.
Der als ‚Knüppelsonntag‘ in die Südtiroler Geschichte eingegangene Übergriff der Polizei hatte mich tief erschüttert. Mir selbst war nichts passiert, aber unmittelbar in meiner Nähe lag ein junger Bursch in Tracht auf dem Boden, während auf ihn eingeschlagen wurde. Diese Hilflosigkeit gegenüber der staatlichen Macht konnte ich fast nicht ertragen. Am Abend erzählte ich Heinrich Oberlechner davon, spontan rief er aus: ‚Diese Besatzer machen mit uns, was sie wollen!‘ Jetzt weihte ich ihn in alle meine Pläne ein: ‚Da mache ich gerne und sofort mit‘, antwortete er ohne Zögern. Heinrich war bei uns fast wie zu Hause, er war zu dieser Zeit mit meiner Schwester Anna befreundet.“ (Siegfried Steger: „Die Puschtra Buibm“, 2. Aufl., Bozen 2014, S. 56f)
Heinrich Oberlechner beteiligte sich in der Folge in sehr entschlossener Weise an dem Südtiroler Freiheitskampf der 1960er Jahre.
Aus Anlass der 200jährigen Wiederkehr des Todestages von Peter Mayr und seiner Mitstreiter im Jahre 2009 ließ die Schützenkompanie Bozen das Peter Mayr-Denkmal wiederum restaurieren und in seinen ursprünglichen Zustand versetzen.
Weitere Denkmäler
1909 wurde in Brixen eine „Jahrtausendsäule“ eingeweiht, an der ein Bronzerelief die Szene mit Mayrs Frau zeigt, die ihn im Kerker vergeblich zur Notlüge überreden will. 1959 wurde in Brixen, als Ersatz für eine von den Faschisten entfernte Gedenktafel für drei am Domplatz erschossene Anführer von 1809, eine neue Tafel enthüllt, die auch an Peter Mayr erinnert.
Im Gedenkjahr 1984 brachte die Brixner Schützenkompanie „Peter Mayr“ beim Loaterer, wo Mayr gefangen genommen wurde, eine Gedenktafel an.
Im Bozner Stadtteil Gries, im Meraner Stadtteil Untermais sowie im Innsbrucker Stadtteil Wilten wurden Straßen nach Peter Mayr benannt.
Gedenken und Mahnung
Das Gedenken an die Freiheitskämpfer von 1809 schärft auch den kritischen Blick auf die heutigen Verhältnisse und lässt den Gedanken an Selbstbestimmung und Freiheit nicht untergehen. Über die eigene Zukunft entscheiden letztendlich doch die Menschen, die in dem Lande leben.
Für alle Zeiten, auch für uns Heutige und unsere Nachkommen, ist nach wie vor gültig, was Indiens erfolgreicher Freiheitsheld Mahatma Gandhi aussprach:
„Kein Volk kann auf Dauer unterworfen werden, wenn es nicht irgendwann an seiner Unterjochung mitwirkt.“