Ein Dokumentarwerk enthüllt Hintergründe in der Südtirol-Politik
Dieser Tage ist ein neues, spannend zu lesendes Dokumentarwerk erschienen. Es wurde am 13. April 2019 durch den Autor Dr. Helmut Golowitsch auf einer Buchpräsentation in Innsbruck vorgestellt.
Neuerscheinung
Helmut Golowitsch: „SÜDTIROL – OPFER GEHEIMER PARTEIPOLITIK“
Schriftenreihe zur Südtiroler Zeitgeschichte – Band 2
Leopold Stocker Verlag Graz – Stuttgart
ISBN 978-3-7020-1772-9
Das Werk ist im Buchhandel erhältlich. HIER zur Buchbestellung beim Stocker Verlag.
Über den Autor:
Bereits 2017 hatte der Verfasser Dr. Helmut Golowitsch seine Dokumentation „Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis“ vorgestellt. Darin hatte er anhand von Geheimdokumenten die Geschichte des „Ausverkaufs“ Südtirols an Italien nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch führende österreichische Bundespolitiker erforscht.
In der nun vorliegenden Fortsetzung „Südtirol – Opfer geheimer Parteipolitik“ widmet sich der Verfasser der Fortsetzung dieser Politik in den 1960er Jahren. Diese vollzog sich unter Umgehung der Tiroler Landespolitiker sowie der staatlichen Institutionen auf der Ebene geheimer Absprachen zwischen bestimmten ÖVP-Bundespolitikern und Politikern der „Democrazia Cristiana“ (DC). Rom blockierte damals den Beitritt Österreichs in den gemeinsamen europäischen Markt. Unter diesem erpresserischen Druck des EWG-Vetos fand sich Bundeskanzler Dr. Josef Klaus auch zu geheimer Zusammenarbeit mit italienischen Sicherheitsdiensten und zu gesetzlich nicht gedeckten Maßnahmen gegen exilierte Südtiroler und eigene österreichische Staatsbürger bereit.
All dies wurde auf der Buchpräsentation in Innsbruck vorgestellt.
Bedeutende Zeitzeugen und Fachleute waren der der Einladung des Andreas Hofer Bundes Tirol gefolgt und hatten an der anschließenden Podiumsdiskussion teilgenommen.
Im Publikum sah man noch Sven Knoll, den Landtagsabgeordneter der Süd-Tiroler Freiheit und deren Pressesprecher Cristian Kollmann, den Experte für die Umsetzung der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler, DDr. Franz Watschinger, den Landeskommandanten des Südtiroler Schützenbundes Elmar Thaler und Univ. Prof. Dr. Erhard Hartung als früher betroffenen Zeitzeugen.
Der Autor Dr. Helmut Golowitsch sprach dem Historiker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner seinen großen Dank für dessen bahnbrechende Forschungsarbeit und die kollegiale Unterstützung durch Übermittlung wertvoller Dokumente und Akten aus.
In der Podiumsdiskussion erklärte Dr. Bruno Hosp, dass dieses Werk in Einblick in große Ungerechtigkeiten gebe, welche die Menschen damals ertragen mussten. Ihnen widerfahre nun Gerechtigkeit und die Geschichte werde endlich wahrheitsgetreu dargestellt.
Dr. Eva Klotz dankte dem Autor und dem Historiker Dr. Hubert Speckner für ihren Einsatz, mit welchem sie der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und der Wahrheit einen großen Dienst erwiesen hätten.
Dr. Franz Pahl erklärte: „Der Historiker Helmut Golowitsch stellt die Wahrheitsfrage, er schürft in der Tiefe, räumt täuschende Kulissen ab, zerpflückt geschönte Mythen und liefert beweiskräftiges Originalmaterial schwarz auf weiß. Wer sich der Wahrheit stellt, hat niemals etwas zu verlieren, sondern nur zu gewinnen, vor allem aber Selbstachtung und die Achtung aller Zeitgenossen.”
Dokumentation zum Inhalt
Der angebliche „Terroranschlag“ auf der Porze-Scharte
Als es am 25. Juni 1967 auf der Porzescharte im Grenzgebiet zu Österreich zu einem angeblichen „Terroranschlag“ kam, welcher auf der italienischen Seite Menschenleben zum Opfer fielen, blockierte Italien den von Österreich angestrebten EWG-Beitritt. Rom forderte von der Regierung in Wien ultimativ, dass in der Südtirol-Frage den Vorstellungen der italienischen Regierung folge.
Italien beschuldigte fälschlicher weise österreichische Staatsbürger, auf der Porze-Scharte im österreichisch-italienischen Grenzgebiet Minenfallen gelegt und dadurch 4 italienische Soldaten getötet zu haben.
Der Historiker und Mitglied der Österreichischen Landesverteidigungsakademie, Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner hat dazu wesentliche Akten im österreichischen Staatsarchiv entdeckt, die der Forschung bislang noch nicht bekannt waren. Er hat sie dem Autor Dr. Golowitsch zugänglich gemacht, vor allem aber auch selbst wissenschaftlich ausgewertet.
Die von Dr. Speckner entdeckten Akten sind ein wesentliches Fundament der neuen Dokumentation.
Dr. Speckner hat selbst in einem Aufsehen erregenden Werk dargelegt, dass die italienischen Darstellungen dem angeblichen „Attentat“ nicht stimmten und sich die Dinge nicht wie behauptet abgespielt haben konnten.
In der nun vorliegenden Dokumentation von Dr. Helmut Golowitsch werden zwei neue Sprengsachverständigen-Gutachten wiedergegeben, welche die Untersuchungsergebnisse von Dr. Speckner aufgrund der physikalischen Gegebenheiten voll bestätigen.
Österreichische Zeugen: Keine Tatspuren am „Tatort“
Einen Tag am 26. Juni später hatte sich der Lienzer Bezirkshauptmann Dr. Othmar Doblander zusammen mit dem Bezirksgendarmerie-Kommandanten Scherer mit einem Hubschrauber zu dem unmittelbar an der österreichischen Grenze gelegenen angeblichen „Tatort“ hinauffliegen lassen.
Er konnte überhaupt keine „Tatspuren“ feststellen. Es waren auch keine Italiener in dem gesamten Gebiet zu sehen. Nach einer solchen „Tat“ hätten zahlreiche mit der Spurensicherung befasste Polizeibeamte auf der Porzescharte sein müssen. Nichts! Keine Spuren, keine Tatortkommission!
Am 26. Juni besichtigten ein oder mehrere Berichterstatter der „Tiroler Tageszeitung“ den angeblichen „Tatort“ auf der Porzescharte. Das Ergebnis dieser Ortsbegehung bestätigte die Beobachtungen des Bezirkshauptmannes Doblander, die damals freilich nicht öffentlich bekannt waren. Die TT“ berichtete am 27. Juni 1967: Der angebliche „Tatort war völlig unberührt und es gab keinerlei „Tatort“-Spuren.
Es gibt noch weitere Zeugenaussagen von Mitarbeitern der österreichischen Verbundgesellschaft, die ebenfalls bestätigen, dass es zunächst auf der Porzescharte keinen „Tatort“ gab.
Waren die Toten Opfer einer Verminungs-Übung?
Damalige Berichte der einheimischen Bevölkerung lauteten dahingehend, dass die italienischen Toten Unfallopfer einer Verminungsübung auf dem nahe gelegenen italienischen Militärgelände im Gebiet des Kreuzbergpasses gewesen waren.
Dieses italienische Militärgelände war das Übungsgebiet italienischer Spezialeinheiten. So übte dort eine Spezialeinheit „Sabotatori-Paracadutisti“ („Fallschirmjäger – Saboteure“), zu deren Aufgaben das Legen von Minenfallen gehörte.
Nachstehen damalige Schlagzeilen der „Tiroler Tageszeitung“:
Demnach hätten die Italiener die Körper der Verunfallten dazu benutzt, um nachträglich einen „Tatort“ zu arrangieren, Österreicher zu beschuldigen und die Republik Österreich politisch unter Druck zu setzen. Dokumente und Augenzeugenberichte stützten diese These. Um dafür endgültige und detaillierte Beweise zu erhalten, wäre aber ein Zugang in die italienischen Geheimdienstarchive nötig. Dieser wird wohl nie gewährt werden.
Ein Österreicher darf „Bekennerschreiben“ finden
Als der „Tatort“ fertig war, ließ man den österreichischen Polizeioberstleutnant namens Alois Massak zu einer „Untersuchung“ zu. Er durfte eine kleines Holzgehäuse mit einer Zündvorrichtung finden, welches seltsamer Weise die Minenexplosion so unbeschadet überlebt hatte, dass auf dem Holzdeckel ein Bekennerschreiben des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) deutlich lesbar war. Ein Foto dieses „Beweisstückes“ durfte Massak seiner Regierung übermitteln.
Wenige Zeit später übergaben die italienischen Behörden ebenfalls ein Foto dieser Selbstbezichtigung der „assassini neonazisti“ – der „neonazistischen Mörder“ der italienischen Presse. Seltsamer Weise hieß es in der Aufschrift auf diesem „Beweisstück“ plötzlich „MUESST“ statt „MUßT“, wie noch in der Aufschrift des an den Österreicher Massak übergebenen Foto des „Beweisstücks“ geheißen hatte. Bei allem Einfallsreichtum arbeiten italienische Geheimdienste offenbar nicht immer sorgsam genug. Hier hatte man wohl zwei ursprünglich angefertigte Vorlagen miteinander verwechselt.
Das EWG-Veto
Rom hatte bereits seit 1963 Wien unter starken politischen Druck gesetzt, indem Österreichs beabsichtigter EWG-Beitritt inoffiziell hinter den politischen Kulissen hintertrieben wurde.
Rom nahm das „Attentat“ auf der Porze-Scharte zum Anlass, am 29. Juni 1967 öffentlich den Beitritt Österreichs in den gemeinsamen europäischen Markt mit einem offiziellen Veto zu blockieren, da Österreich nichts gegen den Südtiroler „Terrorismus“ unternehme.
Rom stellte nun weitgehende Forderungen.
Wien anerkennt italienische Attentats-Version
Die ÖVP stand ab nun unter dem ständigen Druck Roms, ihrer europäischen christdemokratischen Alliierten, aber auch ihres eigenen mächtigen Wirtschaftsbundes. Die ÖVP-Alleinregierung unter Dr. Klaus schwenkte in allen Südtirol-Fragen zunehmend auf die italienischen Vorstellungen ein.
Wien anerkannte nun auch offiziell die italienische Version des angeblichen Geschehens auf der Porze-Scharte.
Die geheime Zusammenarbeit mit den italienischen Sicherheitsdiensten
Unter dem erpresserischen Druck des EWG-Vetos fand sich Bundeskanzler Dr. Josef Klaus unter Umgehung der Rechtshilfe-Vorschriften zu geheimer Zusammenarbeit mit italienischen Sicherheitsdiensten und zu gesetzlich nicht gedeckten Maßnahmen gegen exilierte Südtiroler und eigene österreichische Staatsbürger bereit.
Bundeskanzler Dr. Josef Klaus stand bereits seit Jahren in engem persönlichem Kontakt mit führenden Politikern der „Democrazia Cristiana“ (DC), vertrat die enge politische Anbindung an die Interessen der Westmächte und war nur allzu bereit, Rom gegenüber willfährig zu sein.
In einer Ministerratssitzung erklärte Klaus am 4. Juli 1967 nun, dass alle Südtiroler Freiheitskämpfer – in seiner Diktion „Terroristen“ – hinter „Schloss und Riegel“ gehörten.
In seinem Bestreben, Italien zur Aufhebung seines Vetos gegen Österreichs Eintritt in die „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ (EWG) zu bewegen, nahm es die ÖVP-Alleinregierung Dr. Klaus in Angriff, alle noch in Freiheit befindlichen Südtirol-Aktivisten in geheimer Zusammenarbeit mit den italienischen Sicherheitsdiensten auszuschalten.
*Es wurde das Bundesheer mobilisiert und eingesetzt, um Südtirol-„Terroristen“ bei einem allfälligen Überschreiten der Grenze abzufangen.
*Achtzehnjährige Grundwehrdiener erhielten einen mehr als problematischen Schießbefehl gegen Menschen.
Junge unerfahrene Buben sollten diesem unsäglichen Befehl zufolge auch in der Dämmerung und über größere Distanzen sofort erkennen, wer ein „Sprengstoffverbrecher“ sei und dann „nur auf Beine“ zielen. Gott sei Dank kam es in der Folge jedoch zu keinem derartigen Zwischenfall.
Zwangsaufenthalt für geflüchtete Südtiroler
*Nach Österreich geflüchteten Südtirolern wurden Zwangsaufenthalten angewiesen oder sie wurden unter allerlei Vorwänden in Polizeigewahrsam genommen.
Es gab Protestplakate und Protestkundgebungen gegen die Vorgangsweisen der österreichischen Bundesregierung.
*Da aufgrund der österreichischen Rechtslage eine Rechtshilfe an die italienische Justiz in politischen Fällen nicht zulässig war, wurde dieses Verbot umgangen, indem auf geheimen Treffen italienischer und österreichischer Sicherheitsbeamter in der Schweiz den Italienern das gewünschte Material zur Verfolgung Südtiroler Freiheitskämpfer ausgehändigt wurde.
Es wurden den Italienern Namen, Verhörergebnisse und auch Polizeifotos von Exil-Südtirolern heimlich zur Verfügung gestellt.
Prozess gegen Österreicher – Beweismittelunterdrückung durch das Innenministerium – falsche Zeugenaussage
*Gegen die von Italien in der Causa Porze-Scharte beschuldigten Österreicher Peter Kienesberger, Dr. Erhard Hartung und Egon Kufner wurde ein Prozess angesetzt. Der ÖVP-Innenminister Dr. Hetzenauer enthielt dem Gericht wesentliche in den österreichischen Akten aufliegende entlastende Beweise vor und es kam sogar zu einer Falschaussage eines hohen Polizeibeamten. Den anschließenden Schuldspruch hob allerdings der Oberste Gerichtshof wieder auf und in der folgenden Verhandlung kam es 1971 dann zu einem klaren Freispruch. Eindeutige Beweise hatten ergeben, dass die von Italien Beschuldigten keine Täter waren.
*In Italien kam es ebenfalls zu einem Prozess gegen die drei Österreicher – in Abwesenheit und geführt nach der alten faschistischen Strafprozessordnung. Hier kam es selbstverständlicher Weise zu einer Verurteilung.
Wien duldet Folterungen eigener Staatsbürger
*Angesichts der überaus kooperativen Haltung der Regierung Klaus ließ man in Italien auch gegenüber verhafteten Österreichern alle Hemmungen fallen. Die österreichischen Staatsbürger Hans Jürg Humer und Karl Schafferer wurden schwer gefoltert. Dem österreichischen „Bergisel-Bund“ war ein detaillierter Bericht der Mutter eines der Gefolterten zugekommen. Ihr Sohn hatte ihr bei einem Besuch im Gefängnis flüsternd mitgeteilt, wie schwer er zwecks Erpressung eines Geständnisses gefoltert worden war. Dieser Bericht wurde Bundeskanzler Dr. Josef Klaus und seinem Außenminister Dr. Waldheim übermittelt und verschwand dort auf Nimmerwiedersehen, ohne dass Wien einen Finger für die gefolterten eigenen Staatsbürger rührte. Die Berichte müssen damals vernichtet worden ein, denn sie sind auch heute im Staatsarchiv nicht mehr auffindbar.
Der Autor Helmut Golowitsch – damals Mitarbeiter im Bergisel-Bund – hatte jedoch Kopien verfertigt gehabt, die jetzt in der vorliegenden Dokumentation wiedergegeben sind.
Widerstand von ÖVP-Landespolitikern und des Justizministers
Das geheimdienstliche und sicherheitspolizeiliche Zusammenspiel mit Rom hatte man damals nicht nur vor der österreichischen Bevölkerung, sondern vor allem auch vor den Nordtiroler Landespolitikern geheim gehalten.
Widerstand dagegen leistete der auf Rechtsstaatlichkeit bedachte parteifreie Justizminister Univ.-Prof. Dr. Hans Klecatsky. Er lehnte die Schaffung von Sondergesetzen ab.
Nordtiroler Politiker wie der Landeshauptmann Eduard Wallnöfer (ÖVP) und ehemalige altösterreichische Offiziere wie der oberösterreichische Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner (ÖVP) opponierten ebenfalls gegen die Wiener Linie, ließen Demonstrationen von Südtirol-Freunden zu und unterstützten finanziell die Familien inhaftierter Südtiroler Freiheitskämpfer.
Die vorliegende Dokumentation behandelt die Geschehnisse bis zu dem Jahr 1968. Ein noch in Ausarbeitung befindlicher weiterer Band soll im Herbst erscheinen und Verfolgungen von Südtirolern in Österreich und die politische „Erledigung“ der Südtirol-Frage durch die Autonomie-Lösung und Streitbeilegungserklärung behandeln. Hierbei hat Österreich im Interesse Roms auf eine international-rechtliche Absicherung des Autonomie-„Pakets“ verzichtet, um so die Aufhebung des EWG-Vetos zu erreichen.
Tatsächlich sollte Italien sein Veto gegen einen österreichischen EWG-Beitritt auch erst am 8. Dezember 1969 zurückziehen, nachdem am 22. November 1969 die Landesversammlung der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) das unter Mithilfe Österreichs ausgehandelte, international nicht abgesicherte „Autonomie-Paket“ angenommen hatte.