Dokumentation: Die Folterung des Anton Gostner
Am 16. August 1961 berichtet der Südtiroler Freiheitskämpfer und fünffache Familienvater Anton Gostner in einem Brief an seinen Rechtsanwalt Dr. Egger über schwere Misshandlungen, die er in italienischen Kerkern erdulden musste:
„Sehr geehrter Herr Dr. Egger!
Wie Sie mir in Ihrem Brief mitteilten, von dem Geld, das kann ich nicht verstehen und nicht begreifen, denn das muß ein Irrtum sein oder sonst rein von der Luft gegriffen. Ich bin überzeugt, daß es in der ganzen Welt keinen Menschen gibt, der das behaupten kann.
Was meine Mißhandlung betrifft, das möchte ich Ihnen kurz berichten und hier niederschreiben. Ich bin am 20. Mai 1961 verhaftet worden, hier in Bozen.
Wurde beschuldigt, bei Versammlungen im Ausland, bei einem nicht festgesetzten Zeitpunkt teilgenommen zu haben und Geld vom Ausland bekommen zu haben, was alles ein Irrtum oder eine Erfindung ist.
Dann am 18.7.1961 holten mich 3 Carabinieri vom Gefängnis ab und führten mich geschlossen nach Brixen – ohne meine Frage zu beantworten, was mit mir geschehen solle.
Man brachte mich in die Carabinierikaserne von Brixen und verhörte mich dort bis zum nächsten Tag, zirka 10 Uhr. Die Behandlung war nicht gerade die angenehmste. Man gab mir abwechselnd immer mehr oder weniger Schläge. Man stellte mich an die Wand unter die Quarzlampe, mit den Händen immer hoch über dem Kopf, nicht weniger als wenigstens 4 Stunden ununterbrochen, wobei ich drei- oder viermal ohnmächtig wurde.
Man zog mich bei den Haaren auf dem Boden. Man setzte mir Käfer an, auf dem Bauch, deren Gattung ich nicht kenne, sie waren ziemlich groß. Ich denke, sie hatten die Eigenschaft, sich eine Vertiefung zu graben mit den Zangen, was sie auch taten.
Dann brachte man mich nach Eppan, wo es noch weitaus schlimmer war. Man schlug mich so heftig, daß ich oft nicht mehr wußte, wo ich war. Man hat mich nackt ausgezogen, über einen Tisch gelegt, mit dem Kopf nach unten, und schüttete mir drei volle Stunden Salzwasser, vielleicht mit einer Säure gemischt, in den Mund und Nase, daß man fast jede Minute glaubte, ersticken zu müssen, und das immer so lange, bis man ohnmächtig war. Man schlug mich dann nieder, und dann ging es immer wieder auf ein Neues. Man steckte mir brennende Zigaretten in die Nasenlöcher und auf die Stirn, wo man noch heute die Brandwunden erkennen kann. Man riß mir Haare beim Geschlechtsteil aus. So ging es mir mehr oder weniger 10 Tage, bis man mich wieder ins Bozner Gefängnis brachte. Ich möchte Sie bitten, Herr Doktor, sich zu erkundigen, ob das wirklich alles erlaubt ist. Noch dazu mit meinem Herzleiden, was ich habe. Ich könnte es verstehen, wenn ich wirklich ein Verbrecher wäre, aber so kommt es mir schon ein bißchen kraß vor.
Ich danke Ihnen im vorhinaus und grüße Sie
hochachtungsvoll
Gostner Anton.“
(Wiedergegeben in: Helmut Golowitsch: „Für die Heimat kein Opfer zu schwer…“, 2. Auflage, Edition Südtiroler Zeitgeschichte 2012, S. 294ff)
Sein Bruder, Engelbert Gostner, schilderte später im 1. Mailänder Prozess eine Gegenüberstellung in Eppan, bei der er zahlreiche Brandwunden im Gesicht seines Bruders sah. Der ebenfalls schwer gefolterte und später nach Österreich geflüchtete Siegfried Graf aus Prad im Vinschgau gab im Oktober 1961 in Österreich eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er den weiteren Leidensweg Anton Gostners schilderte:
„Dort wurde er mit dem Kopf über eine Wanne mit ätzender Säure gehalten. Es wurde eine Decke über seinen Kopf geworfen und er in dieser Lage bis zur Bewußtlosigkeit belassen. Noch nach vielen Wochen war er im Gefängnis in Bozen mit tränenden und vereiterten Augen in Behandlung.“ (Walla, Max (Hrsg.): „Die Schändung der Menschenwürde in Südtirol“, 2. Auflage, S. 95)
Die Proteste der Tageszeitung „Dolomiten“ und die der Nordtiroler Landesregierung konnten keine Haltungsänderung in Italien bewirken. In den Carabinieri-Kasernen wurde weiter gefoltert.
An den Märtyrer der jüngeren Tiroler Zeitgeschichte, Anton Gostner erinnert heute eine Gedenktafel auf dem Friedhof in St. Pauls.