Letzter Abschied von einem mutigen Freiheitskämpfer und treuen Freund

Der am 22. Februar 1932 geborene Sepp Mitterhofer vom Unterhasler-Hof in Meran Obermais hat uns am 21. November 2021 nach kurzer schwerer Krankheit drei Monate vor seinem 90. Geburtstag für immer verlassen.

Teilnahme am Freiheitskampf – Folter und Haft

Er hatte als junger Bursche nach dem Zweiten Weltkrieg die Fortführung der faschistischen Unterdrückungspolitik in Italien durch das angeblich nun demokratische Italien erleben müssen.

Der junge Sepp Mitterhofer
Der junge Sepp Mitterhofer

Die Sterbeanzeige.
Die Sterbeanzeige

Er war dem von Sepp Kerschbaumer gegründeten „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) beigetreten und hatte sich an den nicht gegen Menschen gerichteten demonstrativen Anschlägen beteiligt, welche die Weltöffentlichkeit auf das Unrecht aufmerksam machten. Seinen Idealismus bezahlte Sepp Mitterhofer nach der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961 mit Verhaftung und Folter. In einem aus dem Gefängnis an den Landeshauptmann Dr. Magnago gerichteten Brief hat er das Unfassbare geschildert, das er erleben musste. Daraus einige Auszüge:

„Im Ganzen musste ich zwei Tage und drei Nächte strammstehen ohne etwas zu Essen, Trinken und zu Schlafen. … Mit Fußtritten wurde ich an den Füßen und am Hintern bearbeitet und auf den Zehen herumgetreten…. Am meisten geschlagen wurde mir ins Gesicht, dass ich so verschwollen wurde, dass ich später nicht mehr den Mund aufbrachte zum Essen. Die Arme wurden mir am Rücken hochgerissen, dass ich laut aufschrie vor Schmerz. Einmal musste ich mich halbnackt ausziehen, dann wurde ich so lange mit Fausthieben bearbeitet bis ich bewusstlos zusammenbrach…. Öfters musste ich stundenlang vor brennende Scheinwerfer stehen und hineinschauen bis mir der Schweiß herunter rann und die Augen furchtbar schmerzten. Man zog mich an den Ohren und riss mir Haare büschelweiße vom Kopf. … Der Rücken musste glatt an der Mauer angehen, kaum, dass ich mich rührte oder mit den Zehenspitzen etwas herausrutschte, so schlug mich ein Carabiniere der vor mir stand, mit dem Gewehrkolben auf die Zehen oder auf den Körper.“

Dieser Brief befindet sich in den SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen
Dieser Brief befindet sich in den SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen

Im Mailänder Prozess wurde Sepp Mitterhofer zu 12 Jahren verurteilt, von denen er 8 Jahre im Kerker verbüßen musste. Weder Folter noch Haft konnten ihn brechen.

Sepp Mitterhofer im Gefängnis
Sepp Mitterhofer im Gefängnis

Weiterführung des Kampfes mit politischen Mitteln

Als er entlassen wurde, führte er den Kampf für die Freiheit und Einheit Tirols mit politischen Mitteln weiter. Er übernahm die Obmannschaft in dem von seinem Kameraden Hans Stieler geführten „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), an dessen Gründung er zusammen mit anderen ehemaligen politischen Häftlingen beteiligt gewesen war. Das satzungsmäßige Ziel des SHB ist

„die Durchsetzung des seit 1919 verwehrten Selbstbestimmungsrechtes, das die Entscheidung über die Wiedervereinigung des geteilten Tirol bis zur Salurner Klause zum Gegenstand hat.“

Erfolgreicher Einsatz für die ehemaligen politischen Häftlinge

In den kommenden Jahrzehnten setzte er sich erfolgreich für die ehemaligen politischen Häftlinge ein. Mit Hilfe des Rechtsanwaltes und Abgeordneten Dr. Karl Zeller und anderer Personen des öffentlichen Lebens konnte dank seines Einsatzes 1995 die Löschung der Hypotheken des Staates Italien auf die Besitztümer ehemaliger politischer Häftlinge und die Wiedererlangung der bürgerlichen Rechte erreicht werden.

Zu deren politischer Rehabilitierung trug auch eine von Sepp Mitterhofer zusammen mit Günther Obwegs 2000 veröffentlichte Dokumentation mit Zeitzeugenberichten und Dokumenten aus dem Südtiroler Freiheitskampf bei.

Sepp Mitterhofer – Günther Obwegs: „… Es blieb kein anderer Weg…“, Auer 2000
Sepp Mitterhofer – Günther Obwegs: „… Es blieb kein anderer Weg…“, Auer 2000

Mitgestaltung des Landesfestzuges von 2009 in Innsbruck

Auf politischem Gebiet blieb Sepp Mitterhofer ebenfalls unermüdlich tätig. Es war maßgeblich auch seiner Mitwirkung zu verdanken, dass 2009 der zum Gedenken an den Freiheitskampf von 1809 in Innsbruck veranstaltete Landesfestzug gegen den anfänglichen Widerstand der Nordtiroler Landesregierung nicht zu einer belanglosen Trachtenmodenschau verkam, sondern zu einem mächtigen Bekenntnis zur Tiroler Landeseinheit unter der Devise „Los von Rom!“ wurde.

Sepp Mitterhofer auf dem Landesfestzug
Sepp Mitterhofer auf dem Landesfestzug

Unermüdlicher Einsatz für die Landeseinheit

Unter der SHB-Obmannschaft Sepp Mitterhofers sind zahlreiche Publikationen, darunter auch sensationelle Meinungsumfragen in Nord- und Südtirol erschienen und es wurden wichtige politische Initiativen ergriffen. Unter anderem sprach Sepp Mitterhofer im Österreich-Konvent des Österreichischen Parlamentes über das Selbstbestimmungsrecht und das Streben nach der Tiroler Landeseinheit. Der FPÖ-Südtirol-Sprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer überreichte ihm bei dieser Gelegenheit in Anwesenheit des SVP-Abgeordneten Dr. Franz Pahl eine Ehrenurkunde als Dank für seinen unermüdlichen Einsatz.

Von links nach rechts: Dr. Franz Pahl, Sepp Mitterhofer, Werner Neubauer.
Von links nach rechts: Dr. Franz Pahl, Sepp Mitterhofer, Werner Neubauer.

Auf vielen Veranstaltungen und Diskussionen, auch im Fernsehen, erinnert unser Sepp die Öffentlichkeit immer wieder daran, dass der Verbleib bei Italien kein unabänderliches Schicksal ist, sondern dass wir alle aufgerufen sind, in unserer Geschichte ein neues Kapitel aufzuschlagen und Rom Ade zu sagen.

Im Jahre 2011 übergab Sepp Mitterhofer die Obmannschaft im „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) an Roland Lang und wirkte weiterhin hilfreich mit, auch bei der Gestaltung der Dokumentarausstellung in Bozen über den Freiheitskampf.

Sepp Mitterhofer und Roland Lang in der BAS-Ausstellung in Bozen.
Sepp Mitterhofer und Roland Lang in der BAS-Ausstellung in Bozen.

Am 25. November 2021 fand unter zahlreicher Beteiligung der Bevölkerung und vor allem seiner Schützenkameraden die Verabschiedung auf dem Friedhof von Untermais statt.

(Die Bilder vom Begräbnis hat dankenswerter Weise der Burggräfler Schütze F. Garbellini zur Verfügung gestellt)
(Die Bilder vom Begräbnis hat dankenswerter Weise der Burggräfler Schütze F. Garbellini zur Verfügung gestellt)

Frau Dr. Eva Klotz, die ehemalige Landtagsabgeordnete und Tochter des verstorbenen Freiheitskämpfers Georg Klotz, sprach auch im Namen des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) berührende Worte:

 „Liebe Trauerfamilie, werte Trauergemeinschaft!

‚Die Schwachen kämpfen nicht. Die Starken kämpfen vielleicht eine Stunde lang. Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese sind unentbehrlich!‘ Diese Aussage stammt nicht von einem Kriegstreiber, sondern vom bekannten deutschen Schriftsteller Bertold Brecht.

Sepp hatte seinen verstorbenen Kameraden bei einer Rede im Friedhof von St. Pauls versprochen, sich für das gemeinsame Ziel „Los von Rom“ einzusetzen, solange er lebe und die Kraft dazu habe.

 Das hat Sepp getan, unermüdlich und unerschütterlich. Sein ganzes Leben war geprägt von dieser Verbindlichkeit. Treue und Gewissen waren für ihn nicht delegierbar!

Sein ganzes politisches Wollen und Handeln war durchdrungen von der Liebe zur Heimat. Folgendem Leitspruch ist er in vorbildlicher Weise bis zur letzten Konsequenz treu geblieben: ‚Wer seine Heimat liebt, beweist es einzig durch die Opfer, die er für diese zu bringen bereit ist!‘ Der Opfer hat Sepp große und unzählige gebracht!

Die Ehrerweisung und Würdigung seiner Lebensleistung durch das offizielle Tirol ist ihm versagt geblieben. Das schmälert aber nicht den Wert und die Bedeutung seiner Lebensleistung, sondern offenbart viel Kleinmut und so manche Erbärmlichkeit diesseits und jenseits der Unrechtsgrenze!

Sepp war und bleibt darüber erhaben!

Die heutige Ehrerweisung hier möge den Angehörigen Trost und Kraftquell sein. Die Verneigung Tausender aus dem Volk wird sicher nicht das Letzte gewesen sein für diesen großen Sohn des Landes Tirol!

Pfiati, Sepp!“

Der aus Südtirol stammende Hermann Unterkircher, Obmann der „Andreas Hofer-Bundes“ in Deutschland und Vizeobmann des „Andreas Hofer-Bundes Tirol“, nahm „in tiefer Trauer Abschied von einem großen Freund, Patrioten und großen Tiroler.“

Er habe Mitterhofer bei den Tagungen der Gruppe für die Selbstbestimmung, welche dieser im Waltherhaus in Bozen leitete, als stetigen Warner vor der fortschreitenden Italienisierung seiner Heimat Südtirol und als bescheidenen, immer freundlichen und aufopferungsvollen Kämpfer für seine Heimat erfahren.

„Möge er ruhen in Frieden im Himmel über Tirol und es sei ihm auch im Tode versichert, dass wir für seine Ziele in seinem Sinne weiterarbeiten werden.“

Für die Schützen sprach der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes Renato Desdorides:

„Lieber Sepp!

Du warst ein mutiges Vorbild für viele Mitbürger, Freunde und Schützenkameraden

Du warst ein geradliniger Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes. Du warst ein unbeugsamer Kämpfer für die Freiheit unseres Landes. Wir tragen mit dir – lieber Sepp – heute ein Stück Tirol zu Grabe, ein Stück Tirol – für das du und viele Mitstreiter unerschrocken gekämpft haben, ein Stück von dem Tirol zu Grabe – von dem wir alle geträumt und dafür gekämpft haben.“

Er schloss mit den Worten: „Deine gesetzten Ziele konnten nicht alle erreicht werden, aber sei versichert, lieber Sepp, wir werden dein Wirken für die Heimat immer in Ehren halten und deinen lebenslangen Einsatz für die Selbstbestimmung stets würdigen und wachhalten.

Und als Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes kann ich dir versichern: Noch ist nicht alles verloren – wir geben nicht auf – dein Einsatz für Tirol wird unvergessen bleiben.“

Die Enkelin Maria Bradlwarter verlas einen sehr ans Herz gehenden Lebenslauf ihres Großvaters.

Darin hieß es zum Schluss:

„Ohne Zweifel kann man sagen, dass Opa sein Leben der Wiedervereinigung Tirols verschrieben hat und dies immer ehrenamtlich und uneigennützig! Dafür gebührt ihm Respekt und Anerkennung. Er ist immer seiner Linie treu geblieben und hat seinen Standpunkt auch in schwierigen Situationen unbeirrt vertreten.“

Aus Österreich war auch der frühere Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer in Vertretung des erkrankten jetzigen FPÖ-Südtirolsprechers Peter Wurm aus Österreich gekommen, um Sepp Mitterhofer die letzte Ehre zu erweisen.

Dieses Bild zeigt links den Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), Roland Lang, und rechts von ihm Werner Neubauer.
Dieses Bild zeigt links den Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), Roland Lang, und rechts von ihm Werner Neubauer.

Auch der Südtirol-Sprecher der ÖVP, Hermann Gahr, war bei der Beerdigung zugegen.

Der Abschied von dem unermüdlichen Kämpfer und treuen Freund Sepp Mitterhofer war ergreifend. Wir gedenken des Verstorbenen in Trauer.

Über ihn und sein Lebenswerk ist eine ausführlichere Publikation in Vorbereitung, die wir der Öffentlichkeit vorstellen werden.

Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)




Mussolini bleibt Ehrenbürger in zahlreichen italienischen Gemeinden

Bild Mussolini: Deutsches Historisches Museum, Berlin, Fotograf: Scherl, bearbeitet durch SID

Im Jahre 1919 hatte der ehemalige Sozialist Benito Mussolini die faschistische Bewegung gegründet, die ihre Bezeichnung von dem „fascio“ ableitete, dem italienischen Namen für das Rutenbündel mit der Doppelaxt, welches von den Amtsdienern getragen wurden, die Liktoren hießen. In der Regierungszeit des Faschismus ab 1922 hatten sodann zahlreiche Gemeinden in Italien den faschistischen Diktator Mussolini zu ihrem Ehrenbürger ernannt. Nach 1945 entzogen viele Gemeinden dem mittlerweile von kommunistischen Partisanen Getöteten gefahrlos die Ehrenbürgerschaft, eine beträchtliche Anzahl von Gemeinden hielt dieselbe aber weiterhin bis heute aufrecht.

Heute noch führen dutzende italienische Gemeinden offen die Ehrenbürgerschaft des „Duce“ an, darunter befindet sich die bedeutende Stadt Bologna, deren Gemeinderat erst im Juni vergangenen Jahres den Entzug der Ehrenbürgerschaft abgelehnt hatte.

Am 30. September 2021 bekräftigte nun auch der Gemeinderat von Pezzana in der oberitalienischen Region Piemont mit einem Beschluss die Aufrechterhaltung der Ehrenbürgerschaft Mussolinis, wie das Internetportal „Unser Tirol 24“ am 1. Oktober 2021 zu berichten wusste.

Ein passendes Jubiläum: Vor 100 Jahren begann der faschistische Terror

Die Gemeinde Pezzana hat sich für ihren Beschluss ein passenden Jubiläumsjahr ausgesucht. Das Jahr 1921 war gekennzeichnet von den ausufernden Gewalttaten der Faschisten gegen Andersdenkende in ganz Italien.

Faschistische „squadristi“, ausgerüstet mit dem „manganello“ – dem hölzernen Schlagstock.
Faschistische „squadristi“, ausgerüstet mit dem „manganello“ – dem hölzernen Schlagstock.

In Südtirol richteten sich ihre Übergriffe gegen alle Heimattreuen. Am 24. April 1921 überfiel eine aus dem Süden herangekarrte Faschistenhorde einen Trachtenumzug in Bozen und ermordeten den Lehrer Franz Innerhofer, der ein Kind hatte in Sicherheit bringen wollen. Italienisches Militär beschützte die Täter und sorgte für deren unbehelligten Abzug.

Der faschistische Schlägertrupp, von dem der Lehrer Franz Innerhofer ermordet wurde.
Der faschistische Schlägertrupp, von dem der Lehrer Franz Innerhofer ermordet wurde.

Es kam zu weiteren faschistischen Gewalttaten in zahlreichen Südtiroler Ortschaften, wo Faschisten, die vor allem aus dem Trentino kamen, öffentliche Versammlungen von Südtirolern überfielen oder in Gaststätten eindrangen und dort die Gäste bedrohten oder misshandelten. Es kam auch zu tätlichen Angriffen auf die Südtiroler Parlamentsabgeordneten Dr. Eduard Reut-Nicolussi und Dr. Wilhelm von Walther.

Schlagzeilen in deutschen Zeitungen Südtirols, die bald verboten werden sollten.
Schlagzeilen in deutschen Zeitungen Südtirols, die bald verboten werden sollten.

Die italienischen Behörden duldeten gewaltsame Übergriffe und setzten bereits eine Entnationalisierungspolitik in Gang, welche viele spätere faschistische Maßnahmen vorwegnahm. (Siehe: Josef Fontana: „Unbehagen. Südtirol unter der Zivilverwaltung 1. August 1919 – 28. Oktober 1922“, Innsbruck 2010, S. 159ff)

Der Faschismus lebt in Italien

Die Haltung der italienischen Gemeinden, welche die Ehrenbürgerschaft ihres offenbar geliebten  „Duce“ aufrecht erhalten, fügt sich ein in eine auch sonst laufende Verherrlichung des Faschismus.

In Bozen steht ein faschistisches „Siegesdenkmal“, dessen Säulen aus faschistischen Liktorenbündeln bestehen, dem damaligen Parteisymbol des „Partito Fascista“. Man stelle sich vor, in Österreich oder Deutschland würden heute noch mit Hakenkreuzen geschmückte Denkmäler stehen!

Das faschistische Siegesdenkmal in Bozen.
Das faschistische Siegesdenkmal in Bozen.

Von dem Finanzamt in Bozen grüßt bis heute der „Duce“ mit dem „saluto romano“ – dem faschistischen Gruß – die Alpini, welche vor dieser Kulisse gerne Gedenkveranstaltungen abhalten.

Man kann bis heute in ganz Italien CD’s mit faschistischen Kampfgesängen – „inni fascisti“ – und „Mussolini-Kalender“ kaufen.

Der öffentlich gezeigte Faschistengruß gehört zur Normalität in Italien, wie es singt und lacht.

Einschlägige Strafgesetze werden mit südländischer Heiterkeit und Leichtigkeit nicht angewendet.

Da verwundert es auch nicht, dass im Dezember 2017 die italienische Tageszeitung „Il Tempo“ Mussolini zum „Mann des Jahres“ – „L’uomo dell‘anno“ – wählen konnte, ohne dass die Behörden einschritten. Er sei viel lebendiger gegenwärtig als die derzeitigen italienischen Politiker, hieß es dazu in dem Leitartikel.

Selbstverständlich wird auch das architektonische Erbe des Faschismus im heutigen Italien – und nicht nur in Südtirol – hoch in Ehren gehalten. Hierbei wird sein Name nicht verschwiegen, sondern weiterhin verehrend präsentiert.

Auf dem heutigen „Foro Romano“ – dem früheren „Foro Mussolini“ – in Rom grüßt sein Name von einem Obelisken und auf dem steinernen Boden den Besucher.

Da verwundert es auch nicht, dass in besagtem „Foro“ in einem „Ehrensalon“ am Sitz des heutigen Olympischen Komitees ein riesiges Fresko nach wie vor den „Duce“ und seine faschistische Gefolgschaft verherrlicht.

Angesichts solch pfleglichen Umganges mit der Vergangenheit muss man es schon respektieren, dass auch aus Italien hin und wieder eine ernste Ermahnung an die Deutschen kommt, die Vergangenheit endlich sorgsam aufzuarbeiten und dass Verfechter des Selbstbestimmungsrechts für Südtirol gerne als Friedensstörer und „nazisti“ bezeichnet werden.




Gedenken an das vergessene Opfer einer Bluttat

Tafel auf einem Gedenkkreuz für Peter Wieland in Niederolang.

Vor 55 Jahren wurde am 28. September 1966 der 18jährige Bauernsohn Peter Wieland vom Zischtlerhof in Niederolang zu Grabe getragen. Er war das Opfer einer schrecklichen Bluttat geworden. Roland Lang, der Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB), hat dazu eine Dokumentation verfasst, die wir hier wiedergeben.

Der Befehl des Innenministers Taviani: „Sparare a vista“ – „Auf Sicht schießen“ – General Ciglieri: „Menschenjagd“

Im Kampf gegen die damaligen Südtiroler Freiheitskämpfer hatte der italienische Innenminister Taviani dem Militär und den staatlichen Sicherheitsdiensten außerordentliche Handlungsfreiheiten eingeräumt.

Am 12. September 1966 erklärte er vor der italienischen Abgeordnetenkammer in Rom:

„Ich kann dem Parlament und dem Lande versichern, dass präzise Anordnungen vorhanden sind, die keine Missverständnisse offen lassen, keine Beschränkungen, kein Zögern!“

Am 14. September erklärte der Carabinieri-General Ciglieri, daß Italien seine Wachsamkeit vervielfachen müsse.

„Jetzt haben wir den Punkt erreicht, wo es um Menschenjagd geht!“
(„Kurier“, Wien, l5.September 1966)

Am 15. September 1966 ergriff Innenminister Taviani vor der italienischen Abgeordnetenkammer erneut das Wort. Allen Einsatzkräften sei der Befehl erteilt worden, auf „bereits bekannte Terroristen – deren Fotos zu Tausenden an die Sicherheitsorgane verteilt worden seien, auf Sicht zu schießen (sparare a vista), sowie auch gegen jene Individuen von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, welche sich in die Nähe von Kasernen und militärischen Einrichtungen begeben und auch dem Halteruf von Wachposten nicht Folge leisten.“ („Dolomiten“, 16. September 1966)

Der Tod des jungen Peter Wieland – laut einem Bericht der „Dolomiten“ war es eine regelrechte Hinrichtung gewesen

Am 24. September 1966 wurde der erst 18 Jahre alte Peter Wieland aus Niederolang im Pustertal Opfer des an die italienischen Sicherheitskräfte ergangenen verschärften Schießbefehls.

Peter Wieland befand sich auf dem Weg zu einer Musikprobe mit Freunden in dem Gasthof „Waldruh“ am Ortsrand von Olang. Er ging über eine Wiese darauf zu, da wurde er von einer Alpini-Patrouille angeschossen und blieb im Wiesengrund liegen.

Laut einem Bericht der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 27. September 1966 war es sodann zu folgendem Geschehen gekommen:

Eine Desinformation: Es sei ein „unglücklicher Sturz“ gewesen

Unmittelbar nach dem Geschehen hatten die italienische Nachrichtenagentur ANSA sowie das von der italienischen Regierung finanziell unterstützte Bozener Nationalistenblatt „Alto Adige“ eine gezielte Desinformation über den Tathergang veröffentlicht: „Ein bei dem ENEL-Kraftwerk Wache stehender Alpino hatte einen im Buschwerk sich herumtreibenden Schatten gesehen: Er hat das vorgeschriebene „Halt dort!“ („alto la“) gerufen, worauf hin der Unbekannte die Flucht ergriff. Daraufhin hat der Alpino zwei Schüsse in die Luft abgefeuert und hat dann den Unbekannten verfolgt, welcher Hals über Kopf flüchtend stolperte, zu Boden stürzte und sich am Kopf verletzte.

Als man ihn erreichte, lag er leblos am Boden. Der Alpino und seine Kameraden, die auf die Schüsse hinauf herbei geeilt waren, sind ihm beigestanden und haben ihn nach Bruneck in das Spital gebracht, wo der junge Mann den Sanitätern übergeben wurde. Wenig später starb er, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Er wurde als der 18jährige Peter Wieland aus Olang identifiziert.“ („Alto Adige“ vom 25. September 1966)

Peinliche Fragen der „Dolomiten“

Der Bericht der „Dolomiten“ vom 27. September 1966 über die kaltblütige Erschießung Wielands hatte die Lügenblase aber platzen lassen. Tatsächlich gab es in der Nähe des Tatortes weder ein E-Werk noch eine militärische Anlage. Die Tageszeitung „Dolomiten“ stellte dann in einem Kommentar noch einige Fragen:

Die Antwort der italienischen Behörden auf diese unangenehmen Fragen war Schweigen. Man hat nie etwas von einer behördlichen Untersuchung gehört. Nichts über die Ausforschung der Zeugen, nichts über irgendwelche Einvernahmen. Das war mehr als seltsam. Immerhin hatten die „Dolomiten“ – ganz offenkundig auf Augenzeugenberichten beruhend – eine Tatversion geschildert, die als Mord aufgefasst werden konnte. Die Tageszeitung „Dolomiten“ wurde nie wegen ihres Berichtes geklagt. So kam es auch zu keiner öffentlichen gerichtlichen Aussage des Augenzeugen, welcher die „Dolomiten“ unterrichtet hatte. Der italienische Staat ließ einfach Gras über die unangenehme Sache wachsen.

Das Begräbnis

Am 28. September 1966 bewegte sich nach der Einsegnung des Sarges durch den Ortspfarrer Kritzinger und andere Priester der Trauerzug von Peter Wielands Heimathof zum Friedhof. Die traurigen Weisen zweier Musikkapellen klangen weithin über die Fluren. Den Sarg trugen junge Burschen des Sportvereins Olang, welchem an die 1200 Menschen folgten. Trauergäste waren aus vielen Orten Südtirols gekommen. Am Grab wurden viele Kränze und Blumen niedergelegt, die Südtiroler politischen Häftlinge hatten einen Kranz geschickt mit rot-weißen Nelken, welche die Landesfarben symbolisierten.

Die Beerdigung Wielands und das Familiengrab, in welchem er liegt. (Bilder Südtiroler Heimatbund)
Die Beerdigung Wielands und das Familiengrab, in welchem er liegt. (Bilder Südtiroler Heimatbund)

Bischof Gargitters „herzliches Verzeihen“ – Zurückhaltung der Südtiroler Politiker

Der damalige Diözesanbischof von Brixen, Josef Gargitter, rief nach dem Tode Peter Wielands in einem Aufruf an die „lieben Diözesanen“ dazu auf, endlich die „Gesinnungen der Zwietracht, Gefühle des Hasses“ hinter sich zu lassen, unsere Herzen bereiten zu herzlichem Verzeihen und uns entschließen, der christlichen Liebe, dem ersten und Hauptgebot des Christentums, Raum zu geben in Wort und Tat.“ (Zitiert aus „Dolomiten“ vom 29. September 1966).

Es gab kein Drängen der SVP-Führung auf Untersuchung, keine Bitte um österreichische Unterstützung, keine Protestmaßnahmen – es gab nichts! Man stand in Verhandlungen um das künftige Autonomiepaket. Da durfte man Rom wohl nicht vor den Kopf stoßen.

Nur der SVP-Bezirk Pustertal hatte damals den Mut, in einer Todesanzeige Peter Wieland als Opfer „der unmöglichen Zustände in unserer Heimat“ zu bezeichnen.

Eine Mitteilung des Nordtiroler Landeshauptmannes Wallnöfer

Dem Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer (ÖVP) lag der Tod Wielands trotz des Schweigens der Südtiroler Politiker auf der Seele und er wollte den toten Jungen nicht sofort in „herzlichem Verzeihen“ vergessen. Er brachte am 23. Oktober 1966 in einer Südtirol-Besprechung in Salzburg, an welcher Vertreter der Bundesregierung teilnahmen, den Fall zur Sprache. Er berichtete, er habe erfahren, dass drei italienische Soldaten gesagt hätten, „jetzt müsse einmal ein Südtiroler fallen“, woraufhin wenig später Peter Wieland von einer Alpinistreife erschossen worden sei, „möglicherweise auf kürzeste Entfernung.“ (Österreichisches Protokoll über die Südtirolbesprechung in Salzburg am 23. Oktober 1966, wiedergegeben in: Rolf Steininger: „Südtirol zwischen Diplomatie und Terror 1947-1969“, Band 3, Bozen 1999, S. 525)

Das, was den Nordtiroler Landeshauptmann hier bewegte, war aber für die damalige österreichische Regierung des Bundeskanzlers Dr. Josef Klaus (ÖVP) kein Thema. Das Schicksal Peter Wielands war damals für die hohe Politik ein Störfaktor, den man möglichst schnell vergaß.

Der Bruder des Getöteten im Rückblick: Es war kein Versehen!

Am 16. Juli 2011 veröffentlichte die Tageszeitung „Dolomiten“ ein Interview mit Johann Wieland, dem Bruder des Getöteten.

Johann Wieland glaubt bis heute nicht an ein damaliges „Versehen“ des italienischen Militärs.
Johann Wieland glaubt bis heute nicht an ein damaliges „Versehen“ des italienischen Militärs.

Heute ist nach mehr als einem halben Jahrhundert das damalige Geschehen kaum noch bekannt. Mit diesem Beitrag möchte der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) des getöteten Peter Wieland gedenken und sein tragisches Schicksal der Vergessenheit entreißen

Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB

Hinweis für Besucher in Bozen:

In der Ausstellung „BAS Opfer für die Freiheit“ des „Südtiroler Geschichtsvereins“ in Bozen, Lauben 9, wird auch das Schicksal von Peter Wieland dokumentiert. Darüber hinaus bietet die Ausstellung wesentliche und hochinteressante Informationen über die dramatischen Ereignisse der damaligen Zeit.




Hermine Orians Wunsch nach österreichischer Staatsbürgerschaft bleibt unerfüllt

Bild: Hermine Orian

In diesem „SID“ muss ein äußerst bedrückender Vorgang geschildert werden: die inzwischen im 103. Lebensjahr stehende Frau Hermine Orian, die während der Faschistenzeit in ständiger Gefahr als „Katakomben“-Lehrerin tätig war, wünscht sich nichts sehnlicher, als die österr. Staatsbürgerschaft wieder zu erlangen.

Ein Bericht von Georg Dattenböck

Frau Orian wurde noch als österr. Staatsbürgerin, am 23. April 1919, als erstes von sechs Kindern in Kurtatsch, geboren.

Im Alter von 13 Jahren begann Hermine Orian im Untergrund gegen die Verbrechen des faschistischen Regimes zu kämpfen und unterrichtete, trotz staatlicher Verbote und Terrors, im Geheimen die Kinder des Dorfes in deren Muttersprache.  Hermine Orian und viele mutige Frauen wie sie es war, verdankt Südtirol den Erhalt der Identität, der Sprache und Kultur.

Südtirol gehörte zur Zeit ihrer Geburt noch staatsrechtlich zu Österreich und es saßen damals noch drei Abgeordnete aus Südtirol im österreichischen Parlament: Dr. Eduard Reut-Nicolussi, Dr. Aemilian Schöpfer und Dr. Leopold Molinari.

Dr. Reut-Nicolussi hielt in einer leidenschaftlichen, vom Schmerz über das Diktat bestimmten Debatte im Nationalrat, eine Aufsehen erregende Rede über das harte Schicksal Südtirols und beschwor die von allen Spitzenpolitikern versprochene geistige Landeseinheit mit Südtirol, das sich mit der Teilung des Landes Tirol und der Fremdherrschaft in Südtirol nie abfinden werde.

Die Familie Orian und alle Südtiroler wurden, gegen ihren erklärten Willen, in den faschistischen Staat einverleibt. Frau Orian ist eindeutig als ein Opfer des Faschismus zu sehen. Bei ihr liegen berechtigte Gründe für die Ablehnung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, wie: schwere Straftaten, schwere Finanzverbrechen, terroristische Aktivitäten oder Versuche, die österreichische Demokratie zu schädigen, selbstverständlich nicht vor.

Im Gegenteil: sie hatte durch ihre mutige, opfervolle Tätigkeit für ihre Heimat in den Katakomben-Schulen, sehr viele damalige Südtiroler Kindern vor dem staatlich geplanten Ethnozid – der geplanten kulturellen Auslöschung der deutschen und ladinischen Volksgruppe – bewahrt.

Im „Neuen Schenna-Magazin“ 2020 war ein Bericht von Sebastian Marseiler über Frau Orian zu lesen, daraus wird hier folgend in Auszügen zitiert:

„Ihr Heimatort Kurtatsch war, wie ganz Südtirol, italienisch besetzt. Aus der Besetzung wurde Annexion und Italianisierung. Diese bestimmte ihr Leben als Kind und junge Frau. Übermächtig sind die Erinnerungen daran für die rüstige Hundertjährige.

‚Hab mit der Mama immer gesungen beim Rebenbinden‘, sie hat Zugochsen führen müssen, hinunter und hinauf von den Mösern (Feuchtwiesen), wo die Türgg (Mais) Äcker waren. Sie hat noch das Glück, drei Jahre deutschen Kindergarten bei strengen Klosterfrauen zu besuchen. Dann aber kam die italienische Volksschule: ‚Anfangs haben wir gar nichts verstanden!‘

Deutsch zu sprechen ist verboten in der Schule. Die Folge: die Kinder lernen weder das Italienische richtig und Deutsch überhaupt nicht. Ein kleiner Ausweg ist die Katakomben-schule, geheimer Deutschunterricht, den Hermine ‚heimlich, mit zehn Jahren besucht‘.

Angst vor den Carabinieri? ‚Die waren zu bequem, groß auf die Suche zu gehen, die haben den ganzen Tag nur zum Fenster hinausgeschaut‘.

Geheimer „Katakombenunterricht“
Geheimer „Katakombenunterricht“

 Hermine lernt so gut und schnell, dass die Lehrerin sie nach drei Jahren fragt, ob sie nicht selbst unterrichten möchte. So kam es, dass Hermine im stolzen Alter von dreizehn Jahren selbst heimliche Lehrerin wurde. Die Mutter hat dann, während Hermine Unterricht hielt, draußen auf der Straße am Waschtrog die Wäsche gewaschen.

‚Aber die Carabinieri, alle Süditaliener, sind nie gekommen, die waren schlecht zu Fuß‘ – und Frau Hermine lacht. Das Gesicht der Hundertjährigen strahlt, während sie vergilbte Bilder zeigt vom Volkstanz auf der Wiese oben auf dem Fennberg: ‚Ist wunderschön gewesen damals!‘

Dann aber zogen sich dunkle Wolken über Kurtatsch und ganz Südtirol zusammen: im unseligen Abkommen zwischen Hitler und Mussolini mussten die Südtiroler sich entscheiden, entweder die Heimat zu verlassen oder zu bleiben und vollkommen italianisiert zu werden. Ein Riss ging durch die Südtiroler bis hinein in die Familien. Für die schulpflichtigen Kinder der Deutsch-Optanten gab es jetzt Unterricht in deutscher Muttersprache.

Hermine wächst nun ganz offiziell in die Rolle als Lehrerin hinein. Und sie tut noch mehr: sie gibt den jungen Burschen, die zur Wehrmacht einrücken müssen, elementaren Rechtschreib-unterricht, damit sie von der Front wenigstens einigermaßen verständlich nach Hause schreiben können. (…)

Aus so einem Kontakt entstand die ‚Briefliebe‘ zu ihrem Alfons, ihrem späteren Mann, der erst anderthalb Jahre nach Kriegsende heimkommt. Überall in der Verwaltung fehlen Fachkräfte, Alfons besucht mit Erfolg einen Schnellkursus für den Posten als Gemeindesekretär. Mehrere Stellen stehen zur Auswahl, Alfons entscheidet sich für Schenna. Hermine folgt ihm.

‚Die Wohnverhältnisse waren anfangs katastrophal!‘, erinnert sich Hermine, Schenna war ein Bauerndorf, ‚und die Leute schon a pissl, ja, komisch halt‘. Heimweh gehabt nach Kurtatsch? ‚A pissl Heimweh hat man immer!‘

Ort und Schloss Schenna (Historische Postkarte)
Ort und Schloss Schenna (Historische Postkarte)

Unter großen Anstrengungen bauen sie sich ihr Häuschen an der Hauptstraße, vermieten ein paar Betten. Wie einen Schatz hütet Hermine die Gästebücher mit den begeisterten Eintragungen, Zeichnungen sind darunter und Unterschriften honoriger Gäste.

Hermine gibt den Lehrberuf auf, um sich der Erziehung der Kinder und später der Betreuung der Gäste zu widmen. Ist ihr sicher nicht leichtgefallen, der Abschied von der Schule: ‚Kinder hab ich immer gern gehabt‘. Ein großer Schicksalsschlag ist der frühe Tod eines ihrer Söhne, der an einer verschleppten Verletzung durch das Fallschirmspringen stirbt. Nicht minder schwer trifft sie der Herztod ihres geliebten Alfons. „Eigentlich habe ich genug gelebt und ich habe nur einen Wunsch: Schnell zu sterben!“ Aber wenn sie wieder aufwacht am Morgen, „danke ich Gott für den Tag. Und bin glücklich, dass ich bei mir daheim bin!‘“

Der vergebliche Antrag der Hermine Orian

Zu Beginn des Jahres 2011 wurden mehr als 21.000 Unterschriften durch eine „Bürgerinitiative zur Erlangung der doppelten Staatsbürgerschaft“ im österreichischen Parlament eingereicht.

Ein Teil der Sammelmappen mit den Unterschriften
Ein Teil der Sammelmappen mit den Unterschriften

Eine Antragstellerin war die Katakomben-Lehrerin Hermine Orian aus Schenna, damals bereits 92 Jahre alt. Sie möchte ihre österr. Staatsbürgerschaft wieder zurück.

Ihr Ansuchen ging auch an den Bundespräsidenten und den Bundeskanzler Österreichs.

Nachdem die Gutachten einzelner österreichischer Ministerien bestätigten, dass die doppelte Staatsbürgerschaft ohne weiteres möglich sei und auch ein Rechtsgutachten von Dr. Günther Obwexer von der Universität Innsbruck zum selben Schluss kam, war die Umsetzung für jene Südtiroler, die diese Staatsbürgerschaft wollen, nur mehr eine Frage des politischen Anstandes. Der fehlte bisher allen Verantwortlichen in Österreich.

Frau Orian steht für alle Südtiroler und deren Nachkommen, die gegen ihren Willen die österr. Staatsbürgerschaft verloren haben und diese nun zurück möchten.

Sehr späte Gerechtigkeit gegenüber NS-Opfern – nicht jedoch gegenüber Südtirolern

Seit 2020 haben direkte Nachkommen von NS-Opfern, gleich welcher ethnischen Herkunft, ein gesetzliche Recht auf die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Dieses Gesetz berücksichtigt auch jene, die in Italien, Ungarn, Serbien, Kroatien und Slowenien geboren wurden. Nach dem neuen Gesetz sind auch die Nachkommen von weiblichen Holocaust-Überlebenden berechtigt, die Staatsbürgerschaft zu erlangen.

Vielen NS-Opfern zwischen 1933 und 1945 wurde bedauerlicher Weise zunächst nach dem Krieg die Staatsbürgerschaft verweigert oder sie wurden gezwungen, ihre österreichische Staatsbürgerschaft, nach der Einwanderung in ein anderes Land, aufzugeben.

Ihren Nachkommen wurde in der Frage der Staatsbürgerschaft nun sehr späte Gerechtigkeit zuteil, die den Südtirolern jedoch weiterhin verweigert wird.




Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler von Kanzler Kurz beerdigt

Italien hat im Jahre 1992 und erneut im Jahr 2006 mit Gesetzen bekräftigt, dass Angehörige der italienischen Minderheit in Kroatien und Slowenien auch die italienische Staatsbürgerschaft als Doppelstaatsbürgerschaft erhalten können. Die österreichischen Freiheitlichen fordern das gleiche Recht für die Südtiroler

Wie die Tagezeitung „Dolomiten“ am 25. November 2009 berichtete, forderten die österreichischen Freiheitlichen mit ihrem damaligen Südtirol-Sprecher Werner Neubauer in einem Entschließungsantrag im Österreichischen Nationalrat, den Südtirolern die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.

Nun meldete sich der Abgeordnete und sogenannte Südtirol-Sprecher der „Österreichischen Volkspartei“ (ÖVP), Hermann Gahr, zu Wort und lehnte gegenüber der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler ab. Da müsste man die gesetzliche Rechtslage ändern, zudem sei ein Konflikt mit Rom vorprogrammiert und schließlich gebe es viel wichtigere andere Dinge zu tun. („Dolomiten“ vom 25. November 2009)

Ablehnung durch die Regierungspartei ÖVP

(Aus „Dolomiten“ vom 25. November 2009)
(Aus „Dolomiten“ vom 25. November 2009)

Abgeordnete der Südtiroler Volkspartei fordern Einführung der Möglichkeit der österreichischen Staatsbürgerschaft

Im Dezember 2009 forderten die Abgeordneten der Südtiroler Volkspartei (SVP) Siegfried Brugger und Karl Zeller von Österreich die Einführung der Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler. („Dolomiten“-Internetseite „Südtirol Online“ vom 17. Dezember 2009) Diese Forderung wurde auch von den Landtagsparteien „Süd-Tiroler Freiheit“ und den „Freiheitlichen“ unterstützt.

Der Nordtiroler ÖVP-Landeshauptmann lehnt ab

Am 24. Dezember 2009 legte der Nordtiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) seinen Südtiroler Landsleuten ein besonderes Weihnachtsgeschenk unter den Weihnachtsbaum, indem er in einem Interview in der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ die Forderung nach einer möglichen Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler als „Populismus“ ablehnte.

Der Südtiroler Landeshauptmann Durnwalder für die Doppelstaatsbürgerschaft – die ÖVP wieder dagegen

Am 5. Jänner 2010 berichtete die „Tiroler Tageszeitung“, dass auch der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler einfordere und der sogenannte ÖVP-Südtirol-Sprecher Hermann Gahr erneut schwere Bedenken dagegen äußere. Man würde damit „eine Lawine auch in anderen Ländern lostreten und es sei sehr schwer, die Doppelstaatsbürgerschaft im Zusammenhang mit der europäischen Integration zu argumentieren.“

In der „Tiroler Tageszeitung“ vom 15.01.2010 erklärt der ÖVP-„Südtirolexperte“ Andreas Khol, Italien sähe in einem solchen Schritt „natürlich einen feindseligen Akt, der die freundschaftlichen, gutnachbarlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern abrupt beenden würde.“

(Aus „Tiroler Tageszeitung“ vom 15. Jänner 2010)
(Aus „Tiroler Tageszeitung“ vom 15. Jänner 2010)

Am 18. Januar 2010 meldet der „Freiheitliche Pressedienst“ (fdp), dass der FPÖ-Südtirol-Sprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer Folgendes erklärt habe:

„Die Südtirolpolitik des von der ÖVP besetzten österreichischen Außenministeriums besteht darin, in Komplizenschaft mit dem italienischen Außenminister Frattini jegliche Bewegung in der Südtirolfrage zu verhindern, die Rom unangenehm ist.“

Vor einigen Tagen habe er nämlich Außenminister Spindelegger (ÖVP) persönlich auf die Frage der Doppelstaatsbürgerschaft angesprochen und eine verblüffend offene Antwort erhalten: „Spindelegger erklärte mir unverblümt, dass es für ihn nicht in Frage komme, Italien zu verärgern.“

Mehr als 21.000 Unterschriften für die Doppelstaatsbürgerschaft

Im Februar 2011 wurden in Wien den im österreichischen Nationalrat vertretenen Parteien mehr als 21.000 Unterschriften unter einer Petition für die Ermöglichung einer Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler überreicht.

Wie die „Tiroler Tageszeitung“ am nächsten Tag berichtete, stand die ÖVP jedoch „dem Ansinnen eher distanziert gegenüber.“

Ein eindeutiges positives Gutachten

Am 24. Mai 2011 stellte der Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer vom Institut für Europarecht und Völkerrecht Universität Innsbruck in einem Gutachten fest, dass der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Südtiroler rechtlich grundsätzlich möglich sei. Es müssten lediglich entsprechende Änderungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes beschlossen werden. („Tiroler Tageszeitung“ vom 31. Mai 2011)

Südtiroler Landtag und namhafte Völkerrechtsexperten für Einführung der Doppelstaatsbürgerschaft

Am 9. März 2012 nahm der Südtiroler Landtag mit großer Mehrheit einen Beschlussantrag der „Süd-Tiroler Freiheit“ an und sprach sich für die Einführung der Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler aus.

Am 23. März 2012 berichteten die „Dolomiten“, dass namhafte Verfassungs- und Völkerrechtsexperten gegenüber dem Südtirol-Unterausschuss des Österreichischen Nationalrates erklärt hätten, dass es keine rechtlichen Hindernisse für den „Doppelpass“ gebe.

ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz gegen Doppelstaatsbürgerschaft

Am 2. Juli 2015 berichteten die „Dolomiten“ jedoch, dass in Österreich der neue Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte: „Österreich hat sich dazu verpflichtet, Doppelstaatsbürgerschaften zu vermeiden.“

Am 29. Jänner 2016 berichteten die „Dolomiten“, dass der Südtirol-Unterausschuss des Österreichischen Nationalrates unter der Federführung des Abgeordneten Hermann Gahr (ÖVP) einen freiheitlichen Antrag um die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler mehrheitlich mit den Stimmen der ÖVP abgelehnt habe.

Südtiroler Altmandatare legen eine Denkschrift vor

Am 15. Februar 2018 stellten die Altmandatare der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) Karl

Ferrari, Georg Pardeller, Bruno Hosp, Franz Pahl und Siegfried Brugger auf einer Pressekonferenz in Bozen eine Denkschrift vor, in welcher in 70 Punkten dargelegt wurde, dass der Doppelpass für Südtiroler ein „Herzensanliegen und eine staatenverbindende Bereicherung“ sei.

Druck aus Rom – die türkis-grüne Koalitionsregierung ist willfährig

Am 18. September 2018 meldete die Tageszeitung „Dolomiten“, dass man in Rom aber anders dachte und den „Druck gegen Österreichs Pläne zur Einführung eines Doppelpasses für Südtiroler“ verschärfe.

Wie man in Rom offenbar zu Recht erwartet hatte, war die türkis-grüne Koalitionsregierung in Wien darauf bedacht, die Freunde in Italien nicht vor den Kopf zu stoßen. Am 7. Juli 2020 veröffentlichten die „Dolomiten“ ein Interview mit dem österreichischen Außenminister Schallenberg, in welchem dieser erklärte: „Die doppelte Staatsbürgerschaft steht nicht im Regierungsprogramm und wird nicht weiter verfolgt.“




Feuernacht – Die Notwehr eines Volkes

Unter diesem Titel hat nun Roland Lang, der Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) eine zusammenfassende Dokumentation über das dramatische Geschehen in Südtirol vor 60 Jahren veröffentlicht.

Dazu hat der „Südtiroler Heimatbund“ nachstehende Pressemitteilung herausgegeben:

Vor 60 Jahren erschütterte ein Ereignis Europa und lenkte das Interesse der ganzen Welt auf die von Italien seit Ende des Weltkrieges ungebrochen fortgesetzte faschistische Politik der staatlich geförderten Unterwanderung und Unterdrückung Südtirols.

In Südtirol wurden in der Herz-Jesu-Nacht des 11. auf den 12. Juni 1961 an die 40 Hochspannungsmasten gesprengt oder schwer beschädigt.

Der „Donnerschlag“ der Feuernacht vereitelte das Vorhaben eines geplanten Ausbürgerungsgesetzes – eines wahrhaft gigantischen Anschlages auf die deutsche und ladinische Volksgruppe – und zwang die römische Regierung, in Verhandlungen mit der SVP eine politische Lösung zu suchen. Der Preis, den zahlreiche Freiheitskämpfer bezahlten, war jedoch ein schrecklicher: Folter, Tod, Erniedrigung – in einem Ausmaß, welches man im zivilisierten Mitteleuropa nach Hitler und Mussolini nicht mehr für möglich gehalten hatte.

Roland Lang, der Obmann des von ehemaligen Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), hat das damalige dramatische Geschehen in mehreren Presseaussendungen einer breiten Öffentlichkeit wieder in Erinnerung gerufen und eine Zusammenfassung nun in Buchform veröffentlicht. Das Werk ist reich bebildert und mit Dokumenten in Faksimile-Wiedergabe ausgestattet, die von einer historischen Arbeitsgruppe zusammengestellt wurden.

Ausschnitt aus dem Buch.

Der SHB-Obmann Roland Lang (links im Bild) zusammen mit dem ehemaligen Freiheitskämpfer Sepp Mitterhofer aus Meran-Obermais, der 1961 in der Carabinieri-Kaserne in Meran schrecklich gefoltert worden war und der anschließend 8 lange und harte Jahre in den Kerkern von Bozen, Vicenza, Mailand und Trient verbringen musste.
Der SHB-Obmann Roland Lang (links im Bild) zusammen mit dem ehemaligen Freiheitskämpfer Sepp Mitterhofer aus Meran-Obermais, der 1961 in der Carabinieri-Kaserne in Meran schrecklich gefoltert worden war und der anschließend 8 lange und harte Jahre in den Kerkern von Bozen, Vicenza, Mailand und Trient verbringen musste.

„Was diese Männer zusammen mit ihren Frauen für die Heimat geleistet und erlitten haben, darf nicht der Vergessenheit anheimfallen“, erklärt Roland Lang im Vorwort über die Freiheitskämpfer der 1960er Jahre. „Ihnen ist die heutige Autonomie maßgeblich zu verdanken, hat Landeshauptmann Dr. Silvius Magnago immer wieder betont.

Ihre Aktionen haben die staatlich geförderte italienische Zuwanderung aus dem Süden zum Stillstand gebracht und in der Folge hat sogar wieder eine Abwanderung stattgefunden.

An diesen Freiheitskämpfern ist der perfide Plan der „Politik der 51 Prozent“ gescheitert, welcher die Südtiroler in ihrer eigenen Heimat zur rechtlosen Minderheit hätte machen sollen.“

In dieser Broschüre werden vier über das Internet verbreitete Dokumentationen des SHB über die Vorgeschichte, die Durchführung und die Auswirkungen der „Feuernacht“ veröffentlicht. Besonders bewegend ist der vierte Teil der Dokumentation, welcher die Reaktion des italienischen Staates – die entsetzlichen Folterungen in den Carabinieri-Kasernen – beschreibt.

Der italienische Staat hatte in der Folge angesichts des weltweiten Aufsehens das alte Regime der Unterdrückung nicht weiterführen können. Unter dem Druck weiterer Geschehnisse konnte zwar die ersehnte Selbstbestimmung für Südtirol nicht erreicht werden, aber immerhin führte die Errichtung einer wesentlich verbesserten Autonomie zu einer Entspannung, zu dem Ende des gewaltsamen Widerstandes und zu erträglichen demokratischen Verhältnissen.

Roland Lang
Obmann des SHB

Roland Lang: Feuernacht – Die Notwehr eines Volkes
88 Seiten, 14 x 21 cm, gebunden, Effekt Buch, Neumarkt 2021
ISBN 978-8-897005-377-4
EURO 17,50Bestellungen: http://effekt-shop.it/shop/buecher/feuernacht/

Besuchen Sie auch die Internetseite des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB):
https://www.suedtiroler-freiheitskampf.net/

 




Mehrheit der Italiener für Abschaffung der faschistischen Ortsnamensgesetzgebung in Südtirol

Bild Ortstafel: Südtiroler Schützenbund

Traurige Jubiläen als Anlass für eine repräsentative Meinungsumfrage mit Aufsehen erregendem Ergebnis

Vor 98 Jahren trat am 23. März 1923 das von dem faschistischen Diktator Benito Mussolini und dem italienischen König unterzeichnete Königliche Dekret Nr. 800 in Kraft, welches den Südtiroler Gemeinden amtliche italienische Namen verpasste, die zum Großteil von dem faschistischen Ortsnamensfälscher und pseudowissenschaftlichen Scharlatan Ettore Tolomei frei erfundenen worden waren. 1940 sollte ein Mussolini-Dekret diese Rechtslage nochmals bestätigen und an die 8.000 zum größten Teil erfundene italienische Orts- und Flurnamen als verbindlich und amtlich erklären.

Veröffentlichung der aufgezwungenen faschistischen Ortsnamen in der Zeitung „Der Landsmann“ vom 24. Oktober 1925.
Veröffentlichung der aufgezwungenen faschistischen Ortsnamen in der Zeitung „Der Landsmann“ vom 24. Oktober 1925.

Am 8. August 1923 wurden mit einem faschistischen Dekret die Bezeichnungen „Süd-Tirol“, „Deutschsüdtirol“, „Tirol“, „Tiroler“ und sämtliche übrige Ableitungen verboten. Dies geschah in Durchführung der vom Großrat des Faschismus am 12. März 1923 beschlossenen „Maßnahmen für das Hochetsch zum Zwecke einer geordneten, schnellen und wirksamen Aktion zur Assimilierung und Italianisierung“. Einzig und allein für zulässig erklärt wurden die Bezeichnungen „Alto Adige“ und „Atesino“ sowie die entsprechenden deutschen Rückübersetzungen „Oberetsch“ und „Etschländer“.

Postkarten mussten überdruckt werden, damit der Name „Südtirol“ durch „Alto Adige“ ersetzt wurde.
Postkarten mussten überdruckt werden, damit der Name „Südtirol“ durch „Alto Adige“ ersetzt wurde.

Roland Lang ist Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche für die Erhaltung der Identität und für das Recht Südtirols auf Selbstbestimmung eintritt.

Er und seine Mitstreiter wollten wissen, wie die Italiener von heute über die faschistische Ortsnamensgesetzgebung denken, die unverständliche Weise noch immer in Kraft ist. Der SHB beauftragte daher das renommierte italienische Meinungsforschungsinstitut „Demetra“ mit der Erstellung einer repräsentativen Umfrage in ganz Italien, mit Ausnahme der Region Trentino-Südtirol.

Ein sensationelles Ergebnis

FRAGE 1

Wären Sie damit einverstanden, wenn auch in der Autonomen Provinz Bozen die faschistischen Ortsnamendekrete abgeschafft würden, damit die ursprünglichen Namen wiederhergestellt werden?

FRAGE 2

Wären Sie damit einverstanden, wenn, anstelle des für die autonome Provinz Bozen verwendeten Namens „Alto Adige“, offiziell im Italienischen der authentische Name „Sudtirolo“ verwendet würde?

Die Antworten ergaben ein klares Bild. Erstens wären 65 Prozent der Befragten mit der Abschaffung der faschistischen Ortsnamendekrete und der folglich amtlichen Wiederherstellung der historisch fundierten Ortsnamen einverstanden. Ebenso einverstanden wären, zweitens, 60 Prozent mit dem amtlichen Gebrauch von „Sudtirolo“ anstelle von „Alto Adige“.

Nun ist die Landespolitik gefordert

In einer Pressemitteilung stellte der Heimatbundobmann Roland Lang fest, dass er in dem Ergebnis seine Vermutung bestätigt sieht, dass die Italiener, besonders jene außerhalb Südtirols, einer Lösung der Ortsnamenfrage im historischen und wissenschaftlichen Sinne durchaus offen gegenüberstehen. Die Meinung, dass die Italiener mehrheitlich an den faschistischen Dekreten und an den ebensolchen Ortsnamen festhalten wollen, sei mit dieser Umfrage klar widerlegt, freut sich Lang. Nun gehe es darum, dass auch die Landesregierung und insbesondere die Verantwortlichen im Tourismus Mut und Weitsicht zeigen, indem sie vermehrt auf die authentischen Ortsnamen inklusive „Sudtirolo“ setzen und auf die Faschismus-lastigen und nur scheinbar italienischen Ortsnamen, angefangen bei „Alto Adige“, verzichten.

Das Ergebnis liegt als Broschüre vor

Zu diesem Zweck hat der Heimatbund eine Broschüre herausgebracht, in der die exakte Fragestellung der Umfrage nachzulesen ist und deren Antworten nach Gebiet, Geschlecht, Alter und Bildungsgrad der Befragten aufgeschlüsselt sind. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Zustimmung zur Abschaffung der faschistischen Ortsnamendekrete und zur Wiederherstellung der authentischen Ortsnamen inklusive des Gebrauchs von „Sudtirolo“ mit steigendem Bildungsgrad der Befragten ebenso ansteigt. Auch enthält die Broschüre die wesentlichsten Hintergrundinformationen zur Thematik. Sie wurden vom Südtiroler Ortsnamenexperten Cristian Kollmann ausgearbeitet.

Der Südtiroler Heimatbund wird die Broschüre den politischen Verantwortlichen und den Tourismusverbänden zukommen lassen. „Die Broschüre möge den Entscheidungsträgern als Argumentationshilfe dienen und sie zur Überzeugung gelangen lassen, dass es auch im Bereich der Ortsnamengebung auf Authentizität und nicht auf Aufgesetztheit ankommt, und dass dies von den Italienern mehrheitlich begrüßt würde“, sagt Roland Lang.

Die vollständige Broschüre kann auf der Internetseite des Südtiroler Heimatbundes (SHB) eingesehen werden:
https://www.suedtiroler-freiheitskampf.net/mehrheit-der-italiener-gegen-faschistische-ortsnamendekrete-und-fuer-sudtirolo/

Ein Kommentar zum Ergebnis der Umfrage

Warum stellt die Ortsnamengebung in Südtirol überhaupt ein Problem dar, und wie könnte dieses Problem gelöst werden?

Der Südtiroler Ortsnamenexperte Dr. Cristian Kollmann versucht, auf diese Fragen Antworten zu finden.

Deutschland = Germania, Südtirol = Alto Adige?

Südtirol ist offiziell ein dreisprachiges Land. Daher ist es nur folgerichtig, wenn sich die Dreisprachigkeit auch in der Ortsnamengebung widerspiegelt. Dies ist landläufig die Meinung vieler Bürger – innerhalb und außerhalb Südtirols.

Auf den ersten Blick und ohne Kenntnis der historischen Hintergründe ist man sicher geneigt zuzustimmen. Südtirol heißt auf Italienisch „Alto Adige“, so wie z.B. Deutschland auf Italienisch „Germania“ heißt.

Doch so einfach ist die Sachlage dann doch nicht. „Germania“ ist seit alters der im Italienischen verwendete Name für Deutschland und geht direkt auf das Lateinische zurück.

„Alto Adige“ dagegen klingt zwar italienisch, hat aber einen ideologischen Hintergrund. Mit diesem Begriff sollte unter dem Faschismus und soll de facto bis heute aus italienischer Sicht die Existenz eines Tiroler Landesteiles auf italienischem Staatsgebiet in Abrede gestellt werden.

„Alto Adige“, das ins Deutsche rückübersetzt „Hochetsch“ oder „Oberetsch“ bedeutet, steht für das Konzept der irredentistischen Naturgrenztheorie: Die Etsch fließt vom Alpenhauptkamm gen Süden und mündet in die Adria. Das Gebiet der „hohen“ oder „oberen“ Etsch gehört somit naturgemäß zu Italien. Im italienischen Staatsgebiet darf es kein „Tirolo“ geben. Der Name „Südtirol“ hingegen entstand ursprünglich als Teilbezeichnung des Landes Tirol. Entsprechend wurde der südliche Tiroler Landesteil im Italienischen selbstverständlich als „Tirolo meridionale“ (ab der ersten Hälfte des 18. Jhs.), „Tirolo del Sud“ (ab der ersten Hälfte des 19. Jhs.) oder „Sudtirolo“ (ab der 2. Hälfte des 19. Jhs.) bezeichnet.

Tirol war nie einsprachig.

Ja, Südtirol ist offiziell ein dreisprachiges Land. Überhaupt war Tirol in seiner gesamten Geschichte, auch schon in vorrömischer Zeit, nie einsprachig. Aber ebenso ist es wahr, dass speziell das Gebiet des heutigen Südtirols, nie flächendeckend deutsch-italienisch besiedelt war. Dies ist es de facto bis heute nicht.

Die faschistischen Ortsnamendekrete.

Um eben den Eindruck zu erwecken, dass das Gebiet des heutigen Südtirols kontinuierlich seit der Römerzeit flächendeckend romanisch bzw. italienisch besiedelt sei, wurden während der Zeit des italienischen Faschismus Dekrete erlassen, mit denen für die neu eroberte Provinz „Alto Adige“ italienische Ortsnamen festgelegt wurden. So wurden beispielsweise am 8. August 1923 die Bezeichnungen Süd-Tirol, Deutschsüdtirol, Tirol, Tiroler und sämtliche übrige Ableitungen verboten. Dies geschah in Durchführung der vom Großrat des Faschismus am 12. März 1923 beschlossenen „Maßnahmen für das Hochetsch zum Zwecke einer geordneten, schnellen und wirksamen Aktion zur Assimilierung und Italianisierung“. Einzig und allein für zulässig erklärt wurden die Bezeichnungen Alto Adige und Atesino sowie die entsprechenden deutschen Rückübersetzungen Oberetsch und Etschländer. Mit drei weiteren Dekreten (1923, 1940, 1942) wurden insgesamt über 10.000 Orts- und Flurnamen in italienischer Sprache festgelegt, wobei diese Namen größtenteils Konstruktionen oder, auf der Grundlage alter, meist mittelhochdeutscher Belege, Rekonstruktionen darstellten. Die seit Jahrhunderten kontinuierlich überlieferten und historisch entwickelten deutschen und ladinischen Orts- und Flurnamen blieben außer Acht und wurden folglich amtlich nicht zugelassen.

Deutsche und ladinische Namen sind immer noch nicht amtlich.

An der Situation der Südtiroler Ortsnamengebung hat sich – trotz Pariser Vertrags und Südtiroler Autonomiestatuts – bis heute de iure nichts geändert. De facto dürfen die deutschen und ladinischen Ortsnamen auf Landesebene zwar verwendet werden, doch wurde deren Amtlichkeit nie mit einem Landesgesetz bestätigt. Umgekehrt wird die Existenz der deutschen und ladinischen Ortsnamen vom Staat Italien mittlerweile zwar nicht mehr bestritten, gleichzeitig wird jedoch signalisiert, dass die faschistischen Ortsnamendekrete und damit die größtenteils nur zum Schein italienischen Ortsnamen nicht in Frage gestellt werden dürfen.

Das Aostatal zeigt, wie es geht.

Dabei gibt es in Italien eine Region, die gezeigt hat, dass es auch anders geht: Die autonome Region Aostatal, die offiziell zweisprachig französisch-italienisch ist. Die aostanische Ortsnamengebung ist jedoch, bis auf den Namen der Hauptstadt Aoste/Aosta, ausschließlich Französisch und somit, im Gegensatz zur Ortsnamengebung in Südtirol, durchwegs authentisch.

Zwar wurden im Aostatal, ähnlich wie in Südtirol, im Jahr 1939 mit einem faschistischen Dekret die autochthonen Ortsnamen verboten und durch neue italienische ersetzt, doch unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg wurden die konstruierten italienischen Ortsnamen in mehreren Etappen abgeschafft und die historisch fundierten Namen wieder hergestellt. Seit 1987 ist dieser Prozess abgeschlossen. Dennoch bleibt das Aostatal offiziell eine zweisprachige Region, aber die offizielle Ortsnamengebung gibt es historisch bedingt nur auf Französisch und nur in wenigen Ausnahmen zusätzlich auf Italienisch.

Man sieht hier sehr deutlich: Mehrsprachigkeit der Bevölkerung oder eines Gebiets bedeutet nicht automatisch Mehrsprachigkeit in der Ortsnamengebung. Dasselbe gilt für das Gebiet des heutigen Südtirols. Doch die Ortsnamengebung harrt hier bis heute einer Lösung. Das Aostatal hat gezeigt, wie es geht. Für eine äquivalente Lösung in Südtirol bedarf es „nur“ historischen Wissens, kulturellen Bewusstseins, politischen Willens und Mutes. Das Ergebnis der Umfrage zeigt sehr deutlich: Die Italiener würden einer Lösung der Ortsnamenfrage klar mehrheitlich aufgeschlossen gegenüberstehen.

Dr. Cristian Kollmann




Wolfgang Mozarts drei Reisen von Salzburg durch Tirol nach Italien

Wo ist Dein Grab? Wo duften die Cypressen?
Wo prangt der wappenstolze Marmorstein?
Hat denn die Welt den heil‘gen Ort vergessen,
der Deine Hülle schließt im Dunkel ein?

(Georg Nikolaus Nissen: „Biographie W. A. Mozart’s“, Anhang, Leipzig 1828. Georg Nikolaus Nissen, * 22. Januar 1761 in Haderslev, † 24. März 1826 in Salzburg, war ein dänischer Diplomat und früher Mozart-Forscher. Als Ehemann von Mozarts Witwe Constanze wurde er zu einem der ersten Mozart-Biographen.)

Einleitende Bemerkungen von Georg Dattenböck

Wolfgang Amadé Mozart fällt in die äußerst kleine Gruppe jener Menschen, der, mit genialer, schöpferischer Geisteskraft ausgestattet, am 27. Jänner 1756 in Salzburg den Menschen dieses Planeten für immer geschenkt wurde.

Der 14-jährige Mozart. Detail aus einem Ölgemälde von Saverio dalla Rosa (1745–1821) 1770 (Privatsammlung, Lausanne) https://rmc.library.cornell.edu/mozart/images/Mozart_Verona.htm

Dass Mozart, wie es sein Biograph Nissen traurig im Gedicht mitteilte, kein vorzeigbares Grab fand, ist angesichts der überragenden Liebe von vielen hunderten Millionen Menschen zu seiner Musik und seinem Wesen nicht das Entscheidende: Denn Mozart wird, solange die Welt sich dreht und Kulturwesen sich an seiner herrlichen Musik erfreuen, ewig leben.

Mozarts Mysterien- und Weihespiel „Die Zauberflöte“ gehört zu jenen unvergesslichen Erlebnissen, wo sich die menschliche Seele mit den Schwingungen dieser Musik vereint.

Unten folgt ein herausragender, kulturhistorischer Beitrag über „Mozart in Tirol“, den wir, mit Erlaubnis des Verfassers, Herrn Prof. Dr. Manfred Schneider, hier in Teilen abdrucken dürfen. (den vollständigen Beitrag findet der Leser hier.

Vorstellung des Autors:

Herr Prof. Dr. Manfred Schneider wurde 1948 in Baumkirchen/Tirol geboren und studierte an der Universität Innsbruck Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie. 1977 promovierte er, von 1971 bis 1981 arbeitete er als Studienassistent und von 1978 bis 1981 hielt er an der Universität Innsbruck Vorlesungen und Übungen zu Harmonielehre, Paläographie, sowie zu den Werken von J.S. Bach und Gustav Mahlers.

1982 gründete er das „Institut für Tiroler Musikforschung“ und auch, zusammen mit Frau Dr. Hildegard Herrmann-Schneider, den „Akademischen Musikverein für Tirol“, dessen Obmann er wurde. Unter seiner Leitung erbrachte dieses Institut bedeutende Leistungen für die Erforschung und Dokumentation der Musiktraditionen Tirols, die auch vielfache internationale Anerkennung gefunden haben!

Als Leiter der Musiksammlung wurde Prof. Dr. Schneider 1984 an das Tiroler Landesmuseum „Ferdinandeum“ berufen., wo er u.v.a. tausende musikalische Quellenbestände in Tiroler Dorfkirchen vor akutem Verlust bewahrte, viele Ausstellungen organisierte und ab 1986 als Leiter des Tiroler Volksliedarchivs umfangreiche Erhebungen im Bereich der Volksliedforschung in Südtirol leitete. Diese intensiv durchgeführte Forschungsaktion erbrachte den unglaublichen Bestand von über 6.000 Liedaufzeichnungen, 30.000 handschriftliche Lieddokumente wurden kopiert (näheres s.: www.volkslied.at)

Ab 1988 wurde von ihm das „Tiroler Weihnachtssingen“ organisiert, es wurde österreichweit übertragen. Es würde hier den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, seine Kultur erhaltende und Kultur schaffende, segensreiche Arbeit für Tirol und Österreich im Detail vorzustellen. Die vielen Ehrungen und Auszeichnungen, die Prof. Dr. Schneider im Laufe seines Lebens erhielt, sprechen allein für sich. (Mehr über sein Leben s. unter: https://portraits.musikland-tirol.at/content/portraets/drmanfredschneider/)

1991 wurde die Ausstellung „Mozart in Tirol“ im Tiroler Landesmuseum „Ferdinandeum“ in Innsbruck mit bildenden Künstlern, begleitendem Musikprogramm und anschaulichen Dokumentationen von Mozarts Aufenthalten und Reisen durch Tirol eröffnet, sie wurde vom Rundfunksender Ö1 zu den besten Ausstellungen im Mozartjahr 1991 gezählt.

 Prof. Dr. Manfred Schneider und Frau Dr. Hildegard Herrmann-Schneider, 2006.
Prof. Dr. Manfred Schneider und Frau Dr. Hildegard Herrmann-Schneider, 2006.

„Mozart in Tirol“

 (Begleittext zu der Mozart-Ausstellung im Mozart-Jahr 1991 – wiedergegeben mit wenigen kleinen Kürzungen)

 von Prof. Dr. Manfred Schneider

„Wolfgang Amadé Mozarts erste Begegnung mit Tirol ereignete sich in den Wintertagen 1769, als er mit seinem Vater zur ersten von drei Reisen nach Italien aufbrach und notwendigerweise das Alpenland durchqueren musste. Ziel der Reise war das „gelobte“ Land der Musik, wo Leopold Mozart sich nicht nur Kompositionsaufträge, sondern möglicherweise sogar eine ehrenvolle Anstellung für seinen begnadeten Sohn erhoffte.

Karte von Mozarts drei Reisen durch Tirol und seinen Aufenthalten.
Karte von Mozarts drei Reisen durch Tirol und seinen Aufenthalten.

Die Raststationen in Tirol waren demnach kurz bemessen und zumeist der üblichen Reiseroute entsprechend. Im Dezember 1769 traten die Mozarts ihre erste, vom 13. Dezember 1769 bis 28. März 1771 dauernde Reise nach Italien an.

Waidring war auf jeder Italienreise Leopold und Wolfgang Amadé Mozarts auf der Hinfahrt die erste, bei der Heimkehr die letzte Ortschaft in Tirol. Sie wurde von Salzburg aus erreicht über Bad Reichenhall und Lofer. Nach Waidring folgte als nächste bedeutende Tiroler Station, bevor man in das Inntal gelangte, St. Johann. In einem Brief berichtete Leopold Mozart seiner Frau über eine Mittagsrast in Waidring am 13. August 1771.
Waidring war auf jeder Italienreise Leopold und Wolfgang Amadé Mozarts auf der Hinfahrt die erste, bei der Heimkehr die letzte Ortschaft in Tirol. Sie wurde von Salzburg aus erreicht über Bad Reichenhall und Lofer. Nach Waidring folgte als nächste bedeutende Tiroler Station, bevor man in das Inntal gelangte, St. Johann. In einem Brief berichtete Leopold Mozart seiner Frau über eine Mittagsrast in Waidring am 13. August 1771.

Die erste Übernachtungsstation auf Tiroler Boden war am 14. Dezember Wörgl, nachdem sie mittags in St. Johann gespeist hatten. Am folgenden Tag trafen Wolfgang Amadé und Vater Leopold bereits gegen Abend in Innsbruck ein, nachdem sie mittags in Schwaz eine Rast eingelegt hatten.

Ansicht von St. Johann in Tirol, um 1795; Johann Zoller, Aquarell mit Federzeichnung, 295 x 395 mm. Auf ihrer ersten Italienreise erreichten die Mozarts St. Johann in Tirol am zweiten Tag zu Mittag. Auf ihrer zweiten und dritten Italienfahrt gelangten sie bereits am Abend ihres ersten Reisetages nach St. Johann und übernachteten hier.
Ansicht von St. Johann in Tirol, um 1795; Johann Zoller, Aquarell mit Federzeichnung, 295 x 395 mm. Auf ihrer ersten Italienreise erreichten die Mozarts St. Johann in Tirol am zweiten Tag zu Mittag. Auf ihrer zweiten und dritten Italienfahrt gelangten sie bereits am Abend ihres ersten Reisetages nach St. Johann und übernachteten hier.

Ansicht von Wörgl, um 1860; Adolf Obermüllner – Georg Michael Kurz, Stahlstich, 83 x 114 mm. Am 14. Dezember 1769, dem zweiten Abend auf ihrer ersten Italienreise, war Wörgl für die Mozarts die erste Übernachtungsstation auf Tiroler Boden.
Ansicht von Wörgl, um 1860; Adolf Obermüllner – Georg Michael Kurz, Stahlstich, 83 x 114 mm. Am 14. Dezember 1769, dem zweiten Abend auf ihrer ersten Italienreise, war Wörgl für die Mozarts die erste Übernachtungsstation auf Tiroler Boden.

Blick auf Schwaz und das Unterinntal, um 1750; Christoph Anton Mayr – Johann Sebastian & Johann Baptist Klauber, Radierung, 369 x 465 mm.
Blick auf Schwaz und das Unterinntal, um 1750; Christoph Anton Mayr – Johann Sebastian & Johann Baptist Klauber, Radierung, 369 x 465 mm.

 Der Mietwagen des fürsterzbischöflichen Vizekapellmeisters Leopold Mozart und seines vor kurzem zum Konzertmeister ernannten 13-jährigen Sohnes, hatte demnach von Salzburg bis Innsbruck zwei Tage benötigt. Die Gäste stiegen im Gasthof „Weißes Kreuz“ ab, dessen Besitzer Jakob Philipp Pichler ein angesehener Mann und Bürgermeister der Stadt Innsbruck war.

Ein Empfehlungsschreiben des Salzburger Domherrn Ignaz von Spaur (1724-1779), eines Bruders des angesehenen, in Innsbruck residierenden Reichsgrafen Johann Nepomuk Graf Spaur (1724-1793), öffnete den Mozarts den Zugang zum Innsbrucker Adel. Der Empfang war jedenfalls sehr herzlich, und schon am folgenden Tag debütierte der junge Mozart in einem Konzert, das im Palais des Grafen Leopold Franz Reichsgraf Künigl (1726-1813) stattfand. Diese Form eines kleinen „Hauskonzerts“ bzw. einer „Akademie“ in einem Adelshaus war das Höchste, was Innsbruck damals als Konzertveranstaltung anbieten konnte. Wenn davon die Rede ist, Wolfgang habe „ein sehr schönes conzert prima vista gespielt“, so bezieht sich dies auf ein Klavierkonzert, das, wie damals üblich, von einem kleinen Ensemble begleitet wurde. Die Musiker rekrutierten sich aus der Dienerschaft des Hauses, vielleicht ergänzt durch Dilettanten oder Berufsmusiker, die an Kirchenchören angestellt waren. Wolfgang Amadé vermerkte in seinen Reiseaufzeichnungen einige Personen, die er in Innsbruck kennengelernt hatte, die in den Briefen des Vaters nicht vorkommen:
Herrn Haindl Violinist [Franz Sebastian Haindl (1727-1812)],
Herrn Falk Organist [Georg Paul Falk (1713-1778)],
seine Frau und sein Sohn [Josef Benedikt Falk (1757-1828)],
Herrn Schauer, Waldhornist beym Regiment Bigazzi
[Franz Josef Schauer (1720-1790)].

Vermutlich haben alle drei Musiker beim Konzert Mozarts in Innsbruck mitgewirkt. Dieses Privatkonzert ist die einzige musikalische Vorstellung des Wunderkinds Mozart in Innsbruck geblieben.  […]

Ansicht von Innsbruck der Hauptstadt in Tyrol, 1786; Peter und Josef Schaffer, Kolorierte Radierung, 358 x 468 mm.
Ansicht von Innsbruck der Hauptstadt in Tyrol, 1786; Peter und Josef Schaffer, Kolorierte Radierung, 358 x 468 mm.

Ansicht der untern Innbrücke und des Guts Sillend ohnweit Innsbruck, um 1786; Josef Schaffer, Kolorierte Radierung, 276 x 363 mm. Auf ihren drei Italienreisen von Salzburg aus führte der Weg für Wolfgang Amadé und Leopold Mozart über Innsbruck. Jedes Mal machten sie hier in beiden Fahrtrichtungen Halt. Vom ersten Innsbrucker Aufenthalt 1769 notierte Wolfgang Amadé Mozart eigenhändig die Namen ehrenwerter Persönlichkeiten, denen er begegnet war.
Ansicht der untern Innbrücke und des Guts Sillend ohnweit Innsbruck, um 1786; Josef Schaffer, Kolorierte Radierung, 276 x 363 mm. Auf ihren drei Italienreisen von Salzburg aus führte der Weg für Wolfgang Amadé und Leopold Mozart über Innsbruck. Jedes Mal machten sie hier in beiden Fahrtrichtungen Halt. Vom ersten Innsbrucker Aufenthalt 1769 notierte Wolfgang Amadé Mozart eigenhändig die Namen ehrenwerter Persönlichkeiten, denen er begegnet war.

Ansicht von Steinach am Brenner, vor 1840; Anonymus, Kreidelithographie, 158 x 210 mm. Steinach am Brenner musste auf jedem Weg in den Süden passiert werden.  In Steinach war 1725 der Maler Martin Knoller geboren worden, der mit größter Wahrscheinlichkeit 1773 das Porträt Mozarts in Mailand bei Karl Josef Graf Firmian schuf.
Ansicht von Steinach am Brenner, vor 1840; Anonymus, Kreidelithographie, 158 x 210 mm. Steinach am Brenner musste auf jedem Weg in den Süden passiert werden.  In Steinach war 1725 der Maler Martin Knoller geboren worden, der mit größter Wahrscheinlichkeit 1773 das Porträt Mozarts in Mailand bei Karl Josef Graf Firmian schuf.

Am Dienstag, den 19. Dezember 1769, setzen Vater und Sohn Mozart nachmittags die Reise nach Italien fort; sie sollte zu einem Triumphzug Wolfgangs werden. Ehrungen und Auszeichnungen erwarteten den jungen Künstler, in Rom die päpstliche Ernennung zum „Ritter vom goldenen Sporn“, in Bologna die Aufnahme in die berühmte „Accademia Filarmonica“, in Verona die Ernennung zum Ehrenkapellmeister der Philharmonischen Akademie.

Das Sterzinger Moos, um 1797; Johann Zoller, Aquarell mit Federzeichnung, 298 x 398 mm.
Das Sterzinger Moos, um 1797; Johann Zoller, Aquarell mit Federzeichnung, 298 x 398 mm.

Am Abend des 21. Dezember 1769 langten die Mozarts glücklich in Bozen an, nachdem sie in Steinach und Brixen genächtigt hatten. Sie nahmen Quartier im Gasthof „Zur Sonne“, einer renommierten Herberge, in der später auch Johann Wolfgang von Goethe und Johann Gottfried Herder abstiegen.

Gesamt-Ansicht von Brixen, um 1830; Frédéric Martens – Friedrich Salathé, kolorierte Aquatinta, 406 x 523 mm. Brixen kommt unter den Aufenthaltsstätten der Mozarts in Tirol auf ihren Italienreisen ein besonderer Rang zu: In der Hofburg, der fürstbischöflichen Residenz, galten die Tage des 11. und 12. Dezember 1771 bei Musik- und Tafelfreuden mit Kanonikus Graf Ignaz von Spaur dem höfischen Divertissement.  Für jede der drei Mozart-Reisen nach Italien ist bei der Hinfahrt eine Nächtigung bezeugt. Eine Übernachtung auf der jeweiligen Rückreise ist für die erste und dritte Reise indiziert. Für die ausgiebige Unterbrechung der zweiten Rückreise in Brixen gab das augenblickliche Verweilen ihres Salzburger Gönners den Ausschlag.
Gesamt-Ansicht von Brixen, um 1830; Frédéric Martens – Friedrich Salathé, kolorierte Aquatinta, 406 x 523 mm. Brixen kommt unter den Aufenthaltsstätten der Mozarts in Tirol auf ihren Italienreisen ein besonderer Rang zu: In der Hofburg, der fürstbischöflichen Residenz, galten die Tage des 11. und 12. Dezember 1771 bei Musik- und Tafelfreuden mit Kanonikus Graf Ignaz von Spaur dem höfischen Divertissement.  Für jede der drei Mozart-Reisen nach Italien ist bei der Hinfahrt eine Nächtigung bezeugt. Eine Übernachtung auf der jeweiligen Rückreise ist für die erste und dritte Reise indiziert. Für die ausgiebige Unterbrechung der zweiten Rückreise in Brixen gab das augenblickliche Verweilen ihres Salzburger Gönners den Ausschlag.

Wie in Innsbruck suchte Vater Leopold den Kontakt zu führenden Kreisen der Stadt, doch blieb in Bozen der Aufenthalt kurz.

Ansicht Bozens, 1840; Frédéric Martens - Friedrich Salathé, Kolorierte Aquatinta, 390 x 500 mm. Jede Italienreise der Mozarts führte hin und zurück über Bozen. Auf der ersten Fahrt von Nord nach Süd 1769 hielten sich Vater und Sohn am längsten in Bozen auf, von Donnerstagabend bis zur Abreise am Samstag.
Ansicht Bozens, 1840; Frédéric Martens – Friedrich Salathé, Kolorierte Aquatinta, 390 x 500 mm. Jede Italienreise der Mozarts führte hin und zurück über Bozen. Auf der ersten Fahrt von Nord nach Süd 1769 hielten sich Vater und Sohn am längsten in Bozen auf, von Donnerstagabend bis zur Abreise am Samstag.

Ansicht von Trient, um 1830; Frédéric Martens, Kolorierte Aquatinta, 402 x 523 mm.
Ansicht von Trient, um 1830; Frédéric Martens, Kolorierte Aquatinta, 402 x 523 mm.

Die Weihnachtszeit verbrachten die Mozarts im gastlichen Rovereto, wo sie am Heiligen Abend ankamen und im Gasthof „Zur Rose“ (heute nicht mehr existent) am „Corso San Rocco“ Aufenthalt nahmen.

Panorama von Rovereto, 1829 (?); Pietro Andreis, Kreidelithographie, 336 x 568 mm. In Rovereto wurde Wolfgang Amadé und Leopold Mozart auf ihrer ersten Italienreise eine enthusiastische Aufnahme zuteil. Die Tage waren mit Gesellschaften und Auftritten wohl voll ausgefüllt, denn Leopold berichtete von den Ereignissen hier nicht gleich aus Rovereto nach Hause, sondern erst aus Verona am 7. Januar 1770.
Panorama von Rovereto, 1829 (?); Pietro Andreis, Kreidelithographie, 336 x 568 mm. In Rovereto wurde Wolfgang Amadé und Leopold Mozart auf ihrer ersten Italienreise eine enthusiastische Aufnahme zuteil. Die Tage waren mit Gesellschaften und Auftritten wohl voll ausgefüllt, denn Leopold berichtete von den Ereignissen hier nicht gleich aus Rovereto nach Hause, sondern erst aus Verona am 7. Januar 1770.

Am Weihnachtsfeiertag waren sie beim Kreishauptmann Nicol Cristani di Rallo (1731-1776) zum festlichen Mittagessen geladen. Die Tischgesellschaft erweiterte sich im Lauf des Nachmittags auf etwa zwanzig Personen, unter ihnen der Bürgermeister Baron Gianbattista Todeschi (1730-1799), Baron Gian Giulio Pizzini (1719-1779) und „Doktor Bridi“, wie Leopold Mozart in seiner Aufzählung der Gäste vermerkt.

Im Palazzo Todeschi, dem Haus des Bürgermeisters in der Via Mercerie 14, gaben Vater und Sohn Mozart ein Konzert; zur Erinnerung wurde 1931 an der Eingangsseite des Palazzo eine Gedenktafel angebracht. Der Seidenfabrikant Baron Pizzini bot dann während der zweiten und dritten Italienreise Gastfreundschaft in Ala. Ein weiteres Konzert spielte Wolfgang am Stephanitag auf der Orgel der Hauptkirche Roveretos, und obwohl nur 6 bis 8 Hauptpersonen gewust haben, dass wir dahin kommen werden, so fanden wir doch ganz Roveredo in der Kirche versammelt, und musten eigens Starke kerl voraus gehen, um uns den Weg auf das Chor zu bahnen: wo wir dann eine halbe viertlstunde zu thun hatten, um an die Orgel zu kommen, weil ieder der nächste seyn wollte: wir waren 4 Tag in Roveredo.

Ansicht von Ala, um 1800; Anonymus, Aquarell, 210 x 296 mm. Zwischen Rovereto und Verona war die Handelsstadt Ala eine reguläre Poststation. Bei jeder Italienreise verlängerte sich der Aufenthalt der Mozarts in Ala. Mehr und mehr faszinierte die künstlerische und freundschaftliche Atmosphäre im Hause Pizzini von Hochenbrunn.
Ansicht von Ala, um 1800; Anonymus, Aquarell, 210 x 296 mm. Zwischen Rovereto und Verona war die Handelsstadt Ala eine reguläre Poststation. Bei jeder Italienreise verlängerte sich der Aufenthalt der Mozarts in Ala. Mehr und mehr faszinierte die künstlerische und freundschaftliche Atmosphäre im Hause Pizzini von Hochenbrunn.

Auch nachdem die Mozarts das Land Tirol verlassen hatten, blieben sie mit ihm durch Persönlichkeiten aufs engste verbunden. Wichtigster Schutzpatron auf ihrer Weiterreise wurde Karl Leopold Graf Firmian. Graf Firmian, einem alten Tiroler Adelsgeschlecht entstammend, war zu dieser Zeit Generalgouverneur der Lombardei.

Karl Josef Graf Firmian (1716-1782); Stich von Jakob Frey nach Martin Knoller, 1781.
Karl Josef Graf Firmian (1716-1782); Stich von Jakob Frey nach Martin Knoller, 1781.

Am 7. Februar 1770 speisten Vater und Sohn Mozart bei ihm in seiner Mailänder Residenz. Am 18. Februar 1770 spielte Wolfgang Amadé Mozart wieder beim Grafen Firmian in Gegenwart des Herzogs Ercole IV Rainaldo d‘Este von Modena und dessen Tochter Ricciarda.

Zu einem besonderen Ereignis gestaltete sich Wolfgang Amadés Auftritt anlässlich einer Soirée des Grafen Firmian, zu der 150 Gäste aus dem Hochadel geladen waren. Vier neue Sopranarien Mozarts nach Texten von Metastasio (u.a. KV 77, 88) werden vorgetragen. Graf Firmian erteilt Mozart den Auftrag zur Komposition des Dramma per musica: Mitridate Rè di Ponto KV 87. Die Uraufführung erfolgt noch im selben Jahr in Mailand, am 26. Dezember 1770. Leopold Mozarts letzter Brief von der ersten italienischen Reise ist datiert mit Innsbruck, 25. März 1771.

Schon wenige Monate später brechen die Mozarts zu ihrer zweiten Italienreise auf. Über den Verlauf der Reise durch Tirol berichtet Leopold Mozart in einem Brief aus Verona vom 18. August 1771 an seine in Salzburg zurückgebliebene Frau: Meinen kleinen Brief aus Botzen wirst du richtig empfangen haben. Nun will ich dir ausführlicher schreiben, der erste tag unserer Abreise [13. August 1771] war ein artiges Mischmasch. Im Kalter lassen wir stehendes fusses ein paar Stückl Dällerfleisch unter der Zeit, als der Postillon den Pferden ein wenig Heu gab, und tranken ein mass recht guten Merzen-biers dazu. In Waidring assen wir eine Suppe und tranken ein gar nicht übles St: Johanser-bier dazu. In St: Johanns assen wir zu nacht, und den 14. [August 1771] speisten wir auf der Post zu Kundl und nachts in Innsprugg.

Kundl, Gasthof Post
Kundl, Gasthof Post

Den 15. mittags in Steinach, nachts in Brixen, den 16. mittags in Botzen, nachts in Trient. Den 17. um 9 uhr Vormittag langten wir in Roveredo an, in der Meinung nachts in Verona zu seyn und die zwei H[erren] Piccini in alla [Ala] auf Mittag zu überfallen. Wir wu[e]rden auch richtig um die Mittags Stunde alda eingetroffen seyn, wenn wir uns nicht erstens bei H[errn] Baron Pizzini in Roveredo /:da auch gleich H[err] Dr. Bridi kam:/ zu lange verweilt und erst um halbe 11 uhr abgereist, und dann auf dem Weeg nicht so viele Hindernisse gehabt hätten: da uns H[err] Lolli der berühmte Violinspieler entgegen kam, und folglich die Postillion die Pferde abwechselten, und überdaß die baurenfuhren und manche hindernisse in engen weegen verursachten. Wir langten demnach erst gegen 1 uhr nach Mittags bey den 2 H[erren] Piccini in Alla an; und ich entschloss mich, schon ehe ich dahin kam, dort zu verbleiben, weil ich es nicht wagen wollte, nach Verona zu gehen, indem sie alda um ave maria Zeit die thore sperren, überdaß die Hitze sehr groß war, und wir in unsern Reisekleidern heut bequemlicher in Alla als in Verona in die Kirche gehen kunnten. In alla unterhielten wir uns mit Musik, oder wir unterhielten vie[l]mehr sie […].
Wir haben ihm viel obligation
, also viel zu verdanken, schreibt Leopold Mozart im selben

Brief über Karl Josef Graf Firmian, den aus tirolischem Adel stammenden und in Mailand

residierenden Gouverneur der Lombardei. Wie bei der ersten Italienreise ist dieser großherzige und kunstliebende Edelmann der große Förderer der Mozarts.

Vater Leopold und Sohn Wolfgang kommen am Abend des 21. August 1771 in Mailand an. Das Hauptinteresse gilt der Auftragsoper „Ascanio in Alba“ KV 111, deren Uraufführung am 17. Oktober in Szene geht. Am 8. November 1771 sind die Mozarts zusammen mit weiteren berühmten Komponisten wie Johann Adolf Hasse und Josef Myslive beim Grafen Firmian zu Tisch geladen.

Nach den Mailänder Erfolgen brechen Vater und Sohn Mozart zu ihrer Rückreise auf und erreichen am 15. Dezember 1771 ihre Heimatstadt Salzburg. Tiroler Übernachtungsstationen waren Ala, Trient, Brixen, Innsbruck.

Aus Brixen berichtet Leopold Mozart seiner Frau in einem Brief vom 11. Dezember 1771: Wir werden erst am Montage eintreffen, weil S[eine] E[minenz] graf [Leopold Maria Josef] Spaur, der uns hier aufhält und euch 1000 Comp[limente] schicket, es nicht anders geschehen lässt.

Die dritte und letzte Italienreise der Mozarts dauerte vom 24. Oktober 1772 bis zum 13. März 1773. Abermals und letztmalig mussten sie das Passland Tirol durchreisen, sie taten es wiederum eilig, um erneut ihr Ziel Mailand zu erreichen. Der einzige kleine Umweg führte von Innsbruck aus ins Königliche Damenstift nach Hall. Darüber schreibt Vater Leopold am 28. Oktober 1772 aus Bozen seiner Frau nach Salzburg:

Sind wir nicht schon erstaunlich weit gereiset, da wir in botzen sind. Den ersten tag sind wir vor 8 uhr in St: Johanns angelangt. Da aber den Sontag darauf keine frühere Messe als das frühammt um 6 uhr war, so kamen wir erst um 7 uhr weg, folglich langten wir erst gegen 19 uhr in Insprugg an. Den Montag blieben wir in Insprugg, und wir fuhren nach Hall Nachmittag spazieren, um das könig[liche] Stift zu sehen, wo uns die frl: schwester der Oberhofmeisterin gra[e]fin Lodron überal herumführte. Der Wolg[ang] spielte in der Kirche die orgel. Den 27 sind wir in Brixen gekommen, und heute um 12 uhr Mittags sind wir hier angelangt. Wir sind hier geblieben, weil wir in der späthesten Nacht bey dem erstaunlichsten Regenwetter, so eben um Mittag angefangen, würden nach Trient gekommen seyn, unterwegs aber kein bequemes anderes Nachtquartier wäre. Morgen um 5 uhr frühe werden wir mit Gottes hilfe nach Trient reisen. In dem traurigen Botzen haben wir den H[errn] F[rater] Vincenz Ranftl im Dominicaner Closter heimgesucht. Er empf[i]ehlt sich ganz Salzb: und befindet sich sehr wohl […] Der Wofg[ang] befindet sich auch wohl; er schreibt eben für die lange Weile ein quadro. Er empfiehlt sich allen.

Hall in Tirol war auf allen Italienreisen der Mozarts ein Durchzugsort. Lediglich auf ihrer dritten Fahrt in den Süden machten sie von Innsbruck aus einen kurzen Abstecher nach Hall ins Königliche Damenstift.
Hall in Tirol war auf allen Italienreisen der Mozarts ein Durchzugsort. Lediglich auf ihrer dritten Fahrt in den Süden machten sie von Innsbruck aus einen kurzen Abstecher nach Hall ins Königliche Damenstift.

Und Wolfgang Amadé Mozart fügt in einer Nachschrift an seine Schwester Nannerl hinzu: Nun sind wir schon zu botzen. schon? erst! Mich hungert, mich durst, mich schläffert, ich bin faul, ich bin aber gesund. Zu Hall haben wir dass stift gesehen, ich habe dort auf der orgel gespielt […] lebe wohl. Schreibe mir was neues, botzen dieß Sauloch.
Die weiteren Tiroler Raststationen auf der Reise nach Mailand waren wie üblich Trient und Rovereto, wo die Mozarts am 29. Oktober 1772 übernachteten, sowie Ala, von wo sie am 1. November 1772 nach Verona weiterreisten und schließlich am 4. November an ihrem eigentlichen Ziel anlangten. Unter den neuen Mailänder Bekanntschaften wird besonders die Begegnung mit dem Tiroler Historien- und Porträtmaler Martin Knoller (1725-1804) bedeutsam.

Ansicht von Trient, um 1790; Adolf Sommer – J. Eder, Kolorierte Radierung, 191 x 301 mm.
Ansicht von Trient, um 1790; Adolf Sommer – J. Eder, Kolorierte Radierung, 191 x 301 mm.

Knoller, der gewissermaßen als Hofmaler beim Grafen Firmian tätig war und bis zu dessen Tod 1782 in Mailand lebte, hat wohl das ergreifendste und am meisten naturalistische Abbild Mozarts geschaffen. Die Miniatur aus Elfenbein zeigt den damals 16-jährigen Wolfgang nicht in der Lieblichkeit anderer Darstellungen, sondern in unglaublicher Realistik, als blassen, mageren, bereits gealterten Jüngling, dem man die allseitigen Strapazen ansieht. Diese überaus eindrucksvolle und berührende Miniatur war vermutlich in Besitz von Wolfgang Amadés Schwester Nannerl, denn am 2. Juli 1819 notierte sie auf die Rückseite dieses Porträts, dass es Wolfgang zur Zeit seiner dritten Italienreise darstelle. Da ihr Bruder von einer sehr schweren Krankheit aufgestanden sei, sehe er auf dem Bild kränklich und sehr gelb aus. Mozarts Unwohlsein mag auch die Ursache gewesen sein, dass die Instrumentalproben zur Aufführung seiner dritten Mailänder Auftragsoper „Lucio Silla“ KV 135 erst am 19. Dezember 1772 begannen. Die Uraufführung folgte dann rasch, wie üblich wenige Tage später am 26. Dezember. An den Abenden des 21., 22. und 23. Dezember 1772 waren die Mozarts in das Haus ihres Tiroler Gönners Karl Josef Graf Firmian geladen, und Wolfgang spielte allabendlich im Firmian‘schen Palazzo.
Nachdem die Mozarts den eigentlichen Zweck ihrer Reise erfüllt hatten, kehrten sie im März 1773 zurück nach Salzburg. Ihre letzten Tiroler Aufenthalte waren Übernachtungen am 11. März in Brixen und wohl am 12. März in Innsbruck. Danach haben Vater und Sohn Mozart Tirol nie mehr gesehen.

Mozarts Geist blieb jedoch lebendig.“

Mozart und Familie von Johann Nepomuk della Croce um 1780.
Mozart und Familie von Johann Nepomuk della Croce um 1780.




Die Reaktion des Staates auf die Feuernacht: Folter bei den Verhören

Als Abschluss einer vierteiligen Serie über die „Feuernacht“ des Jahres 1961 hat der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) eine Dokumentation über die Folterungen der damaligen politischen Häftlinge veröffentlicht. Der SHB ist eine von ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfern gegründete Vereinigung, die für die Wiedererlangung der Tiroler Landeseinheit eintritt. Gerne geben wir nachstehend seine Dokumentation an unsere Leser weiter.

Liebe Landsleute, liebe Freunde Südtirols!

Die nachstehende Dokumentation ist keine leichte Lektüre. Sie lässt aber begreifen, wieso sich die Situation in den folgenden Jahren auf tragische Weise verschärfte. Es sollte dabei Opfer auf beiden Seiten geben, deren Schicksal zutiefst zu bedauern ist. Wir gedenken ihrer in Trauer.

Geben wir der Hoffnung Ausdruck, dass solche schrecklichen Ereignisse niemals eine Wiederauferstehung erleben mögen und dass wir alle auch in Zukunft unser Verhältnis mit der staatlichen Obrigkeit auf dem Boden der Selbstbestimmung freier und mündiger Bürger in demokratischer und friedlicher Weise regeln können.

Mit Tiroler Gruß!

Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)

Ein geheimer Lehrgang auf dem Monte Bondone

Unmittelbar nach der Feuernacht berief Innenminister Mario Scelba am 14. Juni 1961 eine Sicherheitskonferenz mit den Spitzen der Polizei und der Militärbehörden in Rom ein.

Die italienische Bozener Tageszeitung „Alto Adige“ berichtete, dass Scelba anschließend gegenüber der Presse erklärt habe, dass die Organe der Polizei und der Justiz „perfekt wissen, wie sie vorgehen werden.“

Westlich von Trient führt eine alte österreichische Militärstraße hinauf auf die abgelegene Hochfläche des Monte Bondone mit ihren noch aus der österreichischen Zeit stammenden Kasernenbauten. Kurze Zeit nach der Feuernacht in Südtirol traf dort eine etwa 200 Mann starke Sondereinheit der Carabinieri ein.

Die Militäranlagen auf dem Monte Bondone. (Bild aus österreichischer Zeit)
Die Militäranlagen auf dem Monte Bondone. (Bild aus österreichischer Zeit)

Nach einem Monat zogen die Carabinieri wieder ab in das Bozner Unterland, nach Bozen, Meran und Eppan.

Die Gleichartigkeit der ab diesem Zeitpunkt in den verschiedenen Carabinierikasernen Südtirols angewandten Foltermethoden deutet darauf hin, dass auf dem Monte Bondone eine zentrale Ausbildung in Vernehmungsmethoden stattgefunden hat. Ab nun wurde in Südtirol das ganze aus der Faschistenzeit stammende Repertoire der „cassetta“, der Wasserfolter und anderer Gräuel gekonnt wieder angewendet. Bei der „cassetta“ wurde dem Opfer das Rückgrat überdehnt und es wurden ihm die Arme nahezu aus den Schultergelenken herausgedreht.

Auch zwangsweises Einflößen von Salzwasser oder verdünnter Säure mit den damit verbundenen Atemblockaden und Erstickungsängsten, Bestrahlungen mit höllisch heiß wirkenden Quarzlampen, schwere Prügeleien und tagelanger Schlafentzug und Aufrechtstehen taten ihre Wirkung.

In verschiedenen Kasernen haben Carabinieri unabhängig voneinander gegenüber den Gefolterten die gleiche Aussage gemacht: Innenminister Mario Scelba persönlich habe ihnen freie Hand – „carta bianca“ – gegeben.

Eine Verhaftungswelle brach wie eine Lawine los

Am 28. Juni 1961 veröffentlichte die italienische Bozener Tageszeitung „Alto Adige“ ein Bild über eine Zusammenkunft des Generals der Carabinieri, Giovanni Celi, mit dem Meraner Carabinierikommandanten Hauptmann Guido de Rosa, und dem Kommandanten der Carabinierilegion Bozen, Oberst Pietro Loretelli.

Bild links: Auf diesem Zeitungsbild sind von links nach rechts zu sehen: Oberst Loretelli, General Celi, Hauptmann De Rosa und ein weiterer Offizier. Bild rechts: Innenminister Mario Scelba gab den Carabinieri freie Hand – „carta bianca“.
Bild links: Auf diesem Zeitungsbild sind von links nach rechts zu sehen: Oberst Loretelli, General Celi, Hauptmann De Rosa und ein weiterer Offizier. Bild rechts: Innenminister Mario Scelba gab den Carabinieri freie Hand – „carta bianca“.

Der Carabinierigeneral Celi hatte Erfahrung im Umgang mit Aufständischen. Im italienischen Kolonialkrieg gegen Abessinien hatte er eine Einheit Carabinieri kommandiert. Damals waren Dörfer, Kirchen und ganze Landstriche niedergebrannt und ganze Bevölkerungsgruppen ausgerottet worden. Dieser Spezialist war nun nach Südtirol gekommen, um Anweisungen für das weitere Vorgehen gegenüber mutmaßlichen Attentätern zu erteilen.

Ab 10. Juli brach eine Verhaftungswelle wie eine Lawine los, wobei die Carabinieri aufgrund jahrelanger Beobachtungen und Bespitzelungen sehr genau wussten, auf welche Personen sie zugreifen sollten. An die 140 Südtiroler wurden festgenommen und auf die Carabinieristationen gebracht. Dann begannen die scheußlichen Misshandlungen. Die erzwungenen „Geständnisse“ sollten zur Folge haben, dass im Ersten Mailänder Südtirolprozess am 16. Juli 1964 über 91 Angeklagte insgesamt 431 Jahre Haft verhängt wurden. (Otto Scrinzi: „Chronik Südtirol 1959-1969“, Graz-Stuttgart 1996, S. 388)

Besonders berüchtigte Folterplätze waren die Carabinieristationen von Kurtatsch, Neumarkt und Eppan.
Besonders berüchtigte Folterplätze waren die Carabinieristationen von Kurtatsch, Neumarkt und Eppan.

Als zahlreiche Gefolterte nach Ablegung ihrer erzwungenen „Geständnisse“ in die Gefängnisse eingeliefert wurden, schmuggelten Priester, ihre Anwälte und ihre Angehörigen zum Teil auf Klopapier geschriebene Briefe mit Schilderungen der erlittenen Folterungen heraus. Einige spätere Berichte durchliefen sogar die Gefängniszensur und man wagte angesichts einer bereits losgebrochenen medialen Berichterstattung nicht mehr, solche Berichte zu beschlagnahmen. Diese Dokumente wurden zum Teil nach Nordtirol gebracht und von dem Landeshauptmann Dr. Hans Tschiggfrey Anfang September 1961 nach Wien an den Außenminister Dr. Bruno Kreisky geschickt. Heute befinden sich an die 70 dieser erschütternden Zeitdokumente im Österreichischen Staatsarchiv. Zahlreiche weitere Berichte finden sich auch im Südtiroler Landesarchiv in Bozen und im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck.

Folterberichte aus den SVP-Archivalien im Südtiroler Landesarchiv in Bozen.
Folterberichte aus den SVP-Archivalien im Südtiroler Landesarchiv in Bozen.

In einem beiliegenden Aktenvermerk zu den an Dr. Kreisky übersandten Folterberichten wurden die angewandten Methoden kurz zusammenfassend dargestellt.
An Dr. Kreisky weitergeleitete Folterberichte der Häftlinge. (Österreichischen Staatsarchiv, ÖStA/AdR/BMfAA Pol Südtirol/Südtirol-Panzer 1967-1969, Karton 150)

In einem beiliegenden Aktenvermerk zu den an Dr. Kreisky übersandten Folterberichten wurden die angewandten Methoden kurz zusammenfassend dargestellt.

Am 22. Juli 1961 berichtete der österreichische Menschenrechtsexperte Univ.-Prof. Dr. Felix Ermacora, der mit Dr. Kreisky in sehr gutem Kontakt stand, in den „Salzburger Nachrichten“ anhand ihm zugekommener Folterberichte über das Geschehen in den italienischen Carabinieristationen.

Nun begannen auch andere Medien, darunter das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“, den Dingen nachzugehen.

Aus „DER SPIEGEL“ Nr. 34 /1961.
Aus „DER SPIEGEL“ Nr. 34 /1961.

Ein Beispiel von vielen: Der Folterbericht des Franz Muther

Die Wiedergabe aller Folterberichte würde ein ganzes Buch füllen. Hier können nur wenige Beispiele wiedergegeben werden, darunter auszugsweise der Folterbericht des am 10. Juli 1961 von den Carabinieri verhafteten 39jährigen Elektrikers Franz Muther aus Laas im Vinschgau, der an dem Wiederaufbau des Südtiroler Schützenbundes im Vinschgau als Bezirksmajor maßgeblich beteiligt war.

Bild links: Franz Muther. Bild rechts: Der Anfang seines Briefes an die SVP.
Bild links: Franz Muther. Bild rechts: Der Anfang seines Briefes an die SVP.

Was er in der Carabinieri-Kaserne in Meran erleben musste, hat er am 3. November 1961 in einem Brief an die Landesleitung der Südtiroler Volkspartei geschildert. (Die Rechtschreibfehler sind darauf zurückzuführen, dass Muther zu jener Generation gehörte, die in der Faschistenzeit keinen Deutschunterricht in der Schule bekommen hatte.)

Ausschnitt aus Muthers Brief an die SVP.
Ausschnitt aus Muthers Brief an die SVP.

Hier ein Auszug aus Muthers Leidensbericht:

„Ich mußte die Hände hochhalten, dann schlug er mir mit einem Eisenstäbchen mir auf den Finger. Garzolla rufte dann nach einem gewissen Lungo, dies war ein großer kräftiger Mann, und gab ihn den Befehl mich abzuführen zur, ‚cura speciale‘, wie er sich ausdrückte. Ich wurde wiederum in einem anderem Zimmer gebracht, mit dem Rücken gegen eine Wand gestellt, und von zwei kleine Scheinwerfern, welche auf Augenhöhe, 80 cm. vor mir aufgestellt wurden angestrahlt. Nach kurzer Zeit, als meine Augen genügend geblendet waren, wurde ich in die Mitte des Zimmers gezogen, um mich herum standen ungefähr 6 – 8 Mann in Zivilkleidung und einer in Uniform. Jener in Uniform ging auf mich zu, verhönte, beschimpfte und drohte mich auf das schärfste, dann auf einmal, fasste er mich an die Brust, riss mir das Hemd runter und zugleich Haare aus der Brust. Dann schlug er mit der Faust auf meine Schedeldeke los, zugleich schlug der Lungo an der Seite meines Kopfes, besonders aufs linke Ohr, wo ich heute noch immer Schmerzen habe, und auch schlecht höre. Von anderen erhielt ich Fußtritte im Unterleib, ich konnte nicht mehr sehen mir wurde schwarz vor den Augen. Nach einiger Zeit wurde ich wiederum mit dem Rücken gegen eine Wand gestellt. Diesmal brachten sie einen großen Scheinwerfer, welcher wieder auf Augenhöhe 60 – 80 cm vor mir aufgebaut wurde, ich mußte in die Mitte des Lichtkegel schauen. Jedesmal, wenn mir vor Schmerz die Augen zufielen, erhielt ich Stöße in alle Körperteile, besonders Fußtritte an den Schienbeinen, am rechten Bein sind heute noch die Narben zu sehen. Dieses Bein war längere Zeit angeschwollen und ganz gelb. Diese Tortur vor dem gr. Scheinwerfer dauerte 5 – 6 Stunden ununterbrochen, ich glaubte wahnsinnig zu werden.

Meine Bitte um Wasser wurde hönisch verneint. Als endlich der Scheinwerfer abgeschaltet wurde, glaubte ich, das Augenlicht verloren zu haben, da ich einige Zeit nicht mehr sehen konnte. Ich war am ganzen Körper nass von Schweiß, besonders im Kopf. …

Ich hatte auch ganz roten Urin, auch zwei 2 – 3 Tage noch im Bozner-Gefängnis, wo ich am Sonntag, den 17. Juni eingeliefert wurde.

Wegen Platzmangel möchte ich davon absehen, die Ausdrücke, welche man mir gegenüber, gegen, gegen unsere Volksvertreter und das ganze Deutsche Volk gebrauchte davon absehen. Jedoch sei eines erwehnt, daß jener in Uniform mich anschrie, voi tutti porchi Crucki di Detedescki si dofrebe impicare.“ (Sinngemäß: „Euch deutsche Schweine müsste man alle aufhängen“) …

Die hier angeführten Mißhandlungen entsprechen voll und ganz der Wahrheit. Ich möchte Sie aufrichtig bitten, das Sie alles daransetzen, um weitere solche an das Südtiroler-Volk zu vermeiden. Es wäre noch viel zu sagen aber ich habe kein Papier mehr.

Es zeichnet hochachtungsvoll

Franz Muther, Laas“

(Der Originalbrief liegt in den SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen)

Muthers Mitgefangener Luis Steinegger berichtete später: „Noch zwei Monate nach seiner Folterung floß Blut und Eiter aus seinen Ohren.“ (Schützenkompanie Laas (Hrsg.): „Laaser Schützenbuch“, Auer 2001, S 201)

Als Franz Muther 1964 in Ketten zur Mailänder Gerichtsverhandlung gebracht wurde, musste er wollene Ohrenschützer tragen. Noch immer tat ihm jeder Luftzug weh. In Mailand wurde er am 16. Juli 1964 zu 9 Jahren und 5 Monaten Kerker verurteilt.
Als Franz Muther 1964 in Ketten zur Mailänder Gerichtsverhandlung gebracht wurde, musste er wollene Ohrenschützer tragen. Noch immer tat ihm jeder Luftzug weh. In Mailand wurde er am 16. Juli 1964 zu 9 Jahren und 5 Monaten Kerker verurteilt.

Die Misshandlung von Sepp Mitterhofer – Schläge mit Gewehrkoben

Sepp Mitterhofer vom Unterhasler-Hof in Meran-Obermais war einer der engsten Freunde und Mitverschworenen um Sepp Kerschbaumer gewesen. Am 15. Juli 1961 wurde er von den Carabinieri abgeholt und mit Fußtritten in die Meraner Kaserne hineingestoßen. Was dann geschah, berichtete er am 8. September 1961in einem aus dem Gefängnis hinausgeschmuggelten Brief an den Landeshauptmann Dr. Silvius Magnago:

Sepp Mitterhofer in der Haft im Gefängnis von Trient und der Anfang seines Briefes an Dr. Magnago.
Sepp Mitterhofer in der Haft im Gefängnis von Trient und der Anfang seines Briefes an Dr. Magnago.

„Ich mußte im Gang des ersten Stockes bis in der Früh Habtachtstehen, wenn ich mich auch nur ein bißl bewegte wurde ich von einem Posten mit dem Gewehrkolben geschlagen. Arme, Füße und Rücken schmerzten so stark, daß es mir den kalten Schweiß hertrieb. In den Zimmern nebenan hörte ich dauernd Personen schreien und stöhnen vor Schmerz. Im Ganzen mußte ich zwei Tage und drei Nächte strammstehen ohne etwas zu Essen, Trinken und zu Schlafen. In dieser Zeit wurde ich ungefähr fünfzehnmal verhört und dabei mißhandelt. Mit Fußtritten wurde ich an den Füßen und am Hintern bearbeitet und auf den Zehen herumgetreten. Man drohte, mir Geschlechtshaare auszureißen und Gewichte am Geschlechtsteil anzuhängen. Am meisten geschlagen wurde mir ins Gesicht, daß ich so verschwollen wurde, daß ich später nicht mehr den Mund aufbrachte zum Essen. Die Arme wurden mir am Rücken hochgerissen, daß ich laut aufschrie vor Schmerz. Einmal mußte ich mich halbnackt ausziehen, dann wurde ich solange mit Fausthieben bearbeitet bis ich bewußtlos zusammenbrach. Wie lange ich bewußtlos war weiß ich nicht, als ich wieder zu mir kam war ich ganz naß weil man mich mit Wasser überschüttete. Öfters mußte ich stundenlang vor brennende Scheinwerfer stehen und hineinschauen bis mir der Schweiß herunterrann und die Augen furchtbar schmerzten.

Man zog mich an den Ohren und riß mir Haare büschelweiße vom Kopf. …

Der Rücken mußte glatt an der Mauer angehen, kaum, daß ich mich rührte oder mit den Zehenspitzen etwas herausrutschte, so schlug mich ein Karabiniere der vor mir stand, mit dem Gewehrkolben auf die Zehen oder auf den Körper. Einmal mußte ich so im Gang stehen und ein anderesmal stellte man mir noch eine Lampe vor die Nase. Die Füße wurden mir bis zu den Knien lahm, beidesmal wurde ich weggetragen.

(Auszug aus der wörtlichen Wiedergabe des Originalbriefes. SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen)

Der Tod des Franz Höfler

Am 15. Juli 1961 war der Bauernsohn Franz Höfler in Niederlana verhaftet und anschließend in der Meraner Carabinierikaserne schwer misshandelt worden.

Am 26. September 1961 wandte sich Franz Höfler in einem Brief an den Landeshauptmann Dr. Magnago, welcher – wie aus dem Fehlen des Zensurstempels hervorgeht – aus dem Bozener Gefängnis herausgeschmuggelt worden war. Dieser Brief, auch er ein einziger Hilferuf, hatte Magnago tatsächlich erreicht.

Der Anfang des Briefes an Dr. Magnago.
Der Anfang des Briefes an Dr. Magnago.

Der Brief liegt heute bei den SVP-Akten im Südtiroler Landesarchiv und lautet:

„Herr Dr. Silvius Magnago

Da ich hörte, daß Sie den Wunsch geäußert haben nähere Auskunft über die Mißhandlungen zu bekommen, möchte ich hiermit Ihnen folgendes mitteilen.

Bin am Samstag 15. Juli nachts verhaftet worden. Mußte vom Samstag bis Dienstag früh ununterbrochen in Habtachtstellung stehen ohne Essen und Trinken. Am Dienstag wurde ich dann verhört, wo man mir das Unglaublichste vorwarf. Als ich dies alles verneinte, wurde ich dann mit Fußtritten und Fausthieben ins Gesicht überdeckt. Ebenso wurde mir mit dem Gewehrschaft so stark auf die Zehen geschlagen sodaß ich heute noch, nach zwei Monaten, am großen Zehn nicht geheilt bin, und ärztliche Pflege bedarf. Bin dann noch 3 – 4 Stunden unter einer Lampe gestanden und habe daraus Schaden gezogen, da ich in den Augen empfindlich bin und jetzt viel weniger sehe.

Sie haben mir dann noch das linke Ohr losgerissen, wo ich sehr blutete. Am Mittwoch wurde ich dann nochmals zu Boden geschlagen, und ich war fast bewußtlos. Um diesen Mißhandlungen endlich zu entgehen, habe ich dann ein vorgelegtes Protokoll unterschrieben. Da ich schon vor dem Untersuchungsrichter war, habe ich aus den Karabinieriprotokollen entnommen, mit was für Lügendokumente die Polizei versucht hatte mich schuldig zu stempeln.

Ich glaube Sie haben eine kleine Vorstellung von den Art der Mißhandlungen der Polizei. Diese Art von Behandlung wird sicher keine Früchte bringen und keine Liebe den Anderen gegenüber zeitigen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

grüßt Sie in vollen Vertrauen

Franz Höfler“

(Wörtliche Wiedergabe des Originalbriefes. SVP-Archivalien, Südtiroler Landesarchiv Bozen)

Bild links: Der lebende Franz Höfler - Oberjäger der Schützenkompanie Lana. Bild rechts: Der tote Franz Höfler in der Prosektur Bozen. Das Bild wurde heimlich aufgenommen.
Bild links: Der lebende Franz Höfler – Oberjäger der Schützenkompanie Lana. Bild rechts: Der tote Franz Höfler in der Prosektur Bozen. Das Bild wurde heimlich aufgenommen.

Franz Höfler hat sich von den erlittenen Misshandlungen nicht mehr erholt und starb am 22. November 1961 in der Haft an einer Herzblutung durch Einriss der Hauptschlagader.

Der Tod des Anton Gostner

Am 7. Jänner 1962 holte der Tod sein zweites Opfer unter den Südtiroler Häftlingen. Es war der Kleinbauer, Hotelportier und fünffache Familienvater Anton Gostner aus St. Leonhard bei Brixen, welcher in der Carabinierikaserne von Brixen trotz seines Herzleidens unmenschlich gefoltert worden war. Davon hatte er sich nicht mehr erholt. Er starb im Gefängnis an Herzversagen.

Anton Gostner (rechts im Bild) bei seiner Einlieferung in das Gefängnis. (Aus „Alto Adige“)
Anton Gostner (rechts im Bild) bei seiner Einlieferung in das Gefängnis. (Aus „Alto Adige“)

Der damals mit inhaftierte Sarner SVP-Obmann und spätere österreichische Bundesratspräsident Helmut Kritzinger berichtete nach seiner Entlassung und Flucht nach Österreich, welche Folterspuren an dem Körper Gostners er mit eigenen Augen gesehen hatte:

„Eingesperrt wurde Anton Gostner bereits im Mai 1961. Damals wegen eines ganz geringfügigen Verdachtes: angeblich soll er in Innsbruck an einer Versammlung teilgenommen haben usw. Als die große Verhaftungswelle im Juli vorüber war, wurde Gostner Ende August – ich glaube, mich nicht im Datum zu irren – von den Karabinieri aus dem Gefängnis herausgeholt und weggebracht. Wohin und was mit ihm geschah, erfuhren wir erst später … Ich sagte bereits, Gostner wurde weggebracht und nach zehn Tagen kam er wieder nach Bozen. Der Mann war abgemagert wie ein 12-jähriger Junge. An der Stirn hatte er einen großen roten Fleck, an beiden Nasenlöchern trug er Brandwunden. Die Karabinieri, erzählte Gostner, hätten ihm brennende Zigaretten in die Nasenlöcher gesteckt und ebenso die Stirne verbrannt. Er erzählte ausführlich über die Foltermethoden. Auch Salzsäure hatte man bei ihm angewandt. Einmal schob er das Hemd weg und zeigte mir eine Schwellung am Bauch. Diesen Bruch haben mir die Karabinieri aufgeschlagen, erzählte er.

(Bericht Kritzingers an das Referat „S“ des Amtes der Nordtiroler Landesregierung: „Wie Südtiroler von den Carabinieri gefoltert wurden“; Südtirolakten des Referates „S“ der Nordtiroler Landesregierung, Häftlingsakt 3/2, Tiroler Landesarchiv Innsbruck)

Anton Gostner hat am 16. August 1961 in einem Brief an seinen Rechtsanwalt Dr. Egger beschrieben, wie er in den Carabinierikasernen in Brixen und Eppan misshandelt worden war. (Die Rechtschreibfehler sind darauf zurückzuführen, dass Gostner zu jener Generation gehörte, die in der Faschistenzeit keinen Deutschunterricht in der Schule bekam.)

Letzte Seite des Briefes an Rechtsanwalt Dr. Egger. Der Brief liegt in den SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen.
Letzte Seite des Briefes an Rechtsanwalt Dr. Egger. Der Brief liegt in den SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen.

In dem Brief hieß es:

„Man gab mir abwechselnt immer mehr oder weniger Schläge. Man stellte mich an die Wand unter die quarz Lampe, mit den Händen immer hoch über den Kopf, nicht weniger als wenigstens 4 Stunden ununterbrochen, wobei ich 3 oder 4 mal ohnmächtig wurde.

Man ziehte mich bei den Haaren auf dem Boden. Man setzte mir Käfer an, auf dem Bauch, dessen Gattung ich nicht kenne, sie waren ziemlich groß. Ich denke, sie hatten die Eigenschaft, sich eine Vertiefung zu graben mit den Zangen, was sie auch taten.

Denn brachte man mich nach Eppan, woh es noch weitaus schlimmer wahr. Man schlug mich so heftig, das ich oft nicht mehr wusste, wo ich wahr.

Man hat mich nackt ausgezogen, über einen Tisch gelegt, mit dem Kopf nach unten, und schüttete mir 3 volle Stunden Salzwasser, vielleicht mit etwas Säure gemischt, in den Mund und Nase, das man fast jede Minute glaubte, ersticken zu müssen, und das immer solange, bis man ohnmächtig wahr.

Man schlug mich dann nieder, u. dan ging es immer wieder auf ein neues. Man hielt mir brennende Zigaretten in die Nasenlöcher u. auf die Stirn, woh man Heute noch die brand Wunde erkennen kann. Mann riß mier Hare beim Geschlechtsteil aus. So ging es mier, mehr oder weniger 10 Tage, bis man mich wieder ins Bozner Gefängnis brachte.“

(„Dolomiten“ vom 11. Jänner 1962, „Tiroler Nachrichten“, Innsbruck, vom 13. Jänner 1962)
(„Dolomiten“ vom 11. Jänner 1962, „Tiroler Nachrichten“, Innsbruck, vom 13. Jänner 1962)

Der Tod Höflers und Gostners rief Empörung südlich und nördlich des Brenners hervor. Der Südtiroler Landtag forderte eine parlamentarische Untersuchungskommission und die Tiroler Landesregierung in Innsbruck gab eine anklagende Regierungserklärung ab.

Es war alles vergebens. Die italienischen Verhörmethoden wurden auch in den nächsten Jahren bis zum Ende des Freiheitskampfes weiter beibehalten.

Sepp Kerschbaumer – Bericht aus dem Gefängnis und sein viel zu früher Tod

Am 15. Juli 1961 war auch der Kopf und Gründer des „Befreiungsausschusses Südtirol“, Sepp Kerschbaumer aus Frangart verhaftet worden.

Der verhaftete Gründer des „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS), Sepp Kerschbaumer.
Der verhaftete Gründer des „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS), Sepp Kerschbaumer.

Sepp Kerschbaumer hat das, was mit ihm geschehen war, am 4. September 1961 in einem Schreiben geschildert, welches aus dem Gefängnis hinausgeschmuggelt und der Südtiroler Volkspartei übergeben wurde.

Der Brief liegt heute im Südtiroler Landesarchiv in Bozen unter den Archivalien der Südtiroler Volkspartei.

Der Briefanfang
Der Briefanfang

Der Brief lautet:

„Gefängnis Bozen, 4. September 1961

Schildere hier die Mißhandlungen, die ich beim Verhör durch die Karabinieri von Eppan und dort selbst erleiden mußte. Sofort nach der Verhaftung am 15. Juli 1961 als ich in der Frühe um 6-7 Uhr in die Kaserne eingeliefert wurde, wurden an mich verschiedene Fragen gestellt die ich verneinte.

Daraufhin wurde ich in ein anderes Lokal geführt, wo ich sofort mit Hände hoch stehen mußte, in dieser Position mußte ich von 7 Uhr früh bis 2 Uhr Nachmittag, um welche Zeit ich dann bis 6 Uhr abends in die Zelle gesperrt wurde. Dann ging es wieder von 6 Uhr abends bis 3 Uhr in der Früh gleich wie zuvor.

So mußte ich im ganzen 16 Stunden mit erhobenen Händen stehen. Als ich die Arme nicht mehr ganz in die Höhe halten konnte, riß man sie mir wieder empor, zu alldem wurde ich in dieser Zeit immer wieder im Gesicht in der Brust und am Rücken mit der flachen Hand oder den Fäusten geschlagen, zudem wurde ich immer wieder auf das gemeinste verspottet, nicht nur ich, sondern besonders auch unser ganzes Volk samt Führung, in der letzten Zeit der Mißhandlung war ich so mit meinen Kräften darnieder, daß ich mich nur mehr mit der größten Mühe aufrecht erhalten konnte.

Ich schwitzte und zitterte am ganzen Leibe und war so erschöpft, daß ich nur mehr einen Wunsch hatte, nämlich zu sterben. Als ich den Karabinieri sagte, sie sollen mich frisch umbringen, wurden sie erst recht prutal.

Beim späteren Verhör wurde mir immer wieder mit der Streckbank gedroht.

Dies entspricht alles der reinen Wahrheit und ich kann es gar nicht so schrecklich schildern, wie es in Wirklichkeit sich alles zugetragen hat.

Sepp Kerschbaumer, geb. am 9. 11. 1913 in Frangart“

(Wörtliche Wiedergabe des Originalbriefes. SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen)

Ende des Briefes von Sepp Kerschbaumer.
Ende des Briefes von Sepp Kerschbaumer.

Sepp Kerschbaumer hat sich von den Folgen der Misshandlungen nicht mehr richtig erholt und erlag am 7. Dezember 1964 im Gefängnis von Verona einem Herzversagen.

Belobigungen und Belohnungen für den „Geist der Initiative, der Arbeitsamkeit und der Fähigkeit“

Mehr als 60 von den Häftlingen der Folter beschuldigte Carabinieri erhielten am 22. Jänner 1962 im Hauptquartier der Carabinieri-Legion in Bozen eine „feierliche Belobigungen“ durch den Carabinieri-General Giovanni Celi sowie Geldprämien, weil sie sich „durch ihren Geist der Initiative, der Arbeitsamkeit und der Fähigkeit ausgezeichnet haben.“ („L’Adige“, Trient, 23. Jänner 1962)

Nachdem zahlreiche Südtiroler Häftlinge Anzeigen erstattet hatten, wurden einige wenige Carabinieri in Trient vor Gericht angeklagt. Gegen 11 von ihnen wurde das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt, sie hätten Häftlinge lediglich geschlagen. Gegen 10 Carabinieri wurde das Verfahren eröffnet. Sie wurden am 29. August 1963 freigesprochen oder als unter Amnestie fallend betrachtet, obwohl die in Ketten vorgeführten Südtiroler Häftlinge sie schwer belastet hatten. Die Verteidiger der Carabinieri hatten argumentiert, dass die Häftlinge sich ihre Verletzungen zufällig zugezogen oder selbst zugefügt hätten. (Aus dem Bericht „Der Prozess von Trient“ in: „SID – Südtirol Information Dokumentation“ Nr. 12, Schriftleitung Prof. Dr. Franz Gschnitzer, vom 12. September 1963)

Aus „Bunte Illustrierte“ Nr. 38 vom 18. September 1963.
Aus „Bunte Illustrierte“ Nr. 38 vom 18. September 1963.

Die derart „rehabilitierten“ Carabinieri wurden dann am 1. September 1963 von dem Oberbefehlshaber der Carabinieri, General De Lorenzo, in Rom feierlich empfangen und für ihr Verhalten belobigt.

(Aus „Dolomiten“ vom 7. September 1963)
(Aus „Dolomiten“ vom 7. September 1963)

Bis heute hat sich keine italienische Regierung für das damalige Geschehen entschuldigt.

Gedenken an das Leiden des Schützenoffiziers Franz Muther

In sehr schöner Weise gedachte am 26. Juni 2021, dem 35. Todestag von Franz Muther, seine Schützenkompanie in Laas des verstorbenen Freiheitskämpfers, der so viel Schweres durchgemacht hatte. Zahlreiche Schützenabordnungen aus dem Bezirk Vinschgau und viele Mitbürger waren gekommen.

Erfreulich war, dass die SVP-Bürgermeisterin Verena Tröger offen erklärte, dass Franz Muther ein „Freiheitskämpfer“ gewesen sei, „der sich für uns eingesetzt hat“.

Über die Gedenkfeier, die von den Schützen sehr würdig und schon gestaltet worden war, berichtete auch die Tageszeitung „Dolomiten“ am 29. Juni 2021.

In seiner Gedenkrede zitierte der Ehrenkommandant des Südtiroler Schützenbundes, Elmar Thaler“ ausführlich aus dem in der vorliegenden Dokumentation wiedergegebenen Folterbericht Muthers an Landeshauptmann Dr. Magnago. Die Anwesenden waren von dem Geschilderten tief ergriffen.

Ehrenkommandant Elmar Thaler.
Ehrenkommandant Elmar Thaler.

Über Franz Muther sagte Elmar Thaler: „Als Franz Muther am 22. Juni 1986 beerdigt wurde, trugen zwei Schützen und Mitstreiter dem Trauerzug einen Kranz aus Almrosen voran. Darauf hatten sie eine Dornenkrone angebracht. Wohl selten hat ein Kranz so viel über das Leben des Verstorbenen ausgesagt.

Ein Mann, der von allen die ihn gekannt haben, als redlicher und nobler Mensch beschrieben wird, der sich als begeisterter Gründer und Funktionär der Feuerwehr, des Alpenvereins und sogar des Schützenbundes für seine Mitmenschen und insbesondere auch in seiner politischen Tätigkeit für sein Land eingesetzt hatte.

Heimatliebend, schneidig und besonders freiheitsliebend war er, so beschreiben ihn seine Weggefährten– die Berge, die waren sein zu Haus.

Über dem mit Almrosen geschmückten Kranz hatten die Schützen ein Stacheldrahtgeflecht als Dornenkrone angebracht. (Aus „Laaser Schützenbuch“)
Über dem mit Almrosen geschmückten Kranz hatten die Schützen ein Stacheldrahtgeflecht als Dornenkrone angebracht. (Aus „Laaser Schützenbuch“)

 Aber es gab da auch neben all den Alpenrosen auch die Dornenkrone, die zwar nicht über allem stand, aber eben doch sein Leben mitbestimmte. Seine Kindheit, in der in der Schule jedes deutsche Wort verboten war, die Jahre im Krieg, und dann die Enttäuschung, dass das demokratische Nachkriegsitalien in Bezug auf die Behandlung unseres Volkes auch keinen Deut besser war jenes vor dem Krieg.

Das alles hat ihn veranlasst, zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen.

Es war nach Allerheiligen 1961, als Franz Muther zu Papier und Bleistift griff, um der Landesleitung der Südtiroler Volkspartei zu schreiben. Er war das letzte Mal im Sommer, am 10. Juli zu Hause gewesen – an diesem Tag hatten ihn die Carabinieri geholt. Und wenn er jetzt, ein halbes Jahr später endlich schreiben konnte, dann ist das zwei Umständen zu verdanken. Zum einen dem Umstand, dass er die letzten 4 Monate trotz Folter und Misshandlung überlebt hatte und zum zweiten dem Umstand, dass ihm seine engsten Verwandten Schreibzeug ins Gefängnis geschmuggelt hatten.

Jedenfalls schrieb er nun, wie er in den letzten Monaten für seinen Einsatz für die Heimat büßen hat müssen. Die erschütterndsten Passagen dieses Briefes, den wohl einige hier kennen, den sich aber ins Gedächtnis zu rufen von Zeit zu Zeit gut, sprechen auch heute noch Bände. Und sie rütteln uns wieder auf, wenn wir grad nicht mehr wissen, wo wir hingehören, wenn wir zu bequem zu werden drohen, wenn wir vergessen haben oder wir uns selbst wichtiger sind als es die Heimat uns ist.“

Elmar Thaler schloss seine Rede mit den Worten, dass Franz Muther heute keine Stimme mehr habe. „Aber sein Leben, seine Treue spricht auch so Bände. Sein Leben zwischen sprichwörtlichen Alpenrosen und Dornenkrone. Es ist uns heute Vorbild und wird Generationen von Tirolern Vorbild bleiben. Ehre seinem Andenken.“




Das Gedenken an die „Feuernacht“ des Jahres 1961

Liebe Landsleute, liebe Freunde Südtirols!

In der nachstehenden Dokumentation zeigen wir, wie in Südtirol das Gedenken an die ebenso tragischen wie wichtigen Ereignisse der „Feuernacht“ des Jahres 1961 stattgefunden hat.

In der Feuernacht hat sich die Verzweiflung einer Volksgruppe entladen, die Jahrzehnte lang staatlicher Unterdrückung ausgesetzt gewesen war und die den eigenen Untergang vor Augen hatte. Mit dem Schlag der „Feuernacht“ wollten der tief religiöse Frangarter Sepp Kerschbaumer und seine Mitverschworenen die Weltöffentlichkeit auf das Unrecht aufmerksam machen.

Tragischer Weise kam damals der bei dem Straßendienst ANAS beschäftigte Italiener Giovanni Postal ums Leben, als er bei der Salurner Klause eine an einem Baum angebrachte nicht detonierte Sprengladung entschärfen wollte und diese dabei detonierte. Mit der Fällung des Baumes hätte eine symbolische Grenzschranke an der Sprachgrenze dargestellt werden sollen.

Reinhard Gaiser (im Vordergrund) und Roland Lang bei dem Marterle für Giovanni Postal.
Reinhard Gaiser (im Vordergrund) und Roland Lang bei dem Marterle für Giovanni Postal.

Bevor die Gedenkveranstaltungen für die Feuernacht begannen, haben Reinhard Gaiser, Ehrenhauptmann der Schützenkompanie Sepp Kerschbaumer in Eppan sowie ich bei seinem Marterle mit dem Abbrennen einer Kerze und der Niederlegung eines Blumengesteckes auch seines tragischen Todes gedacht.

Zum Gedenken an den von einem italienischen Agenten ermordeten Freiheitskämpfer Luis Amplatz hat der Künstler Hannes Tribus ein Portrait von ihm als Ölgemälde erstellt, welches der Südtiroler Heimatbund nun auf einer Postkarte wiedergegeben hat.

Vorderseite und Rückseite der Postkarte mit dem Bild von Luis Amplatz.
Vorderseite und Rückseite der Postkarte mit dem Bild von Luis Amplatz.

Mit Tiroler Gruß!

Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)

Öffentlicher Dank an die Freiheitskämpfer

Hell strahlte in der Nacht der Dank an die Freiheitskämpfer von 1961.
Hell strahlte in der Nacht der Dank an die Freiheitskämpfer von 1961.

Am 8. Juni 2021 traten Vertreter der Landtagsfraktion „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF), darunter Dr. Eva Klotz, die Tochter des verstorbenen Freiheitskämpfers Georg Klotz, mit großen Buchstaben vor den Südtiroler Landtag. In ihrer Presseerklärung hieß es dazu:

„Die Freiheitskämpfer der 60er Jahre haben ihre Gesundheit und ihr ganzes Leben dafür geopfert, dass wir Süd-Tiroler unsere Volksgruppenrechte erlangten. Ohne die Feuernacht, mit der die Weltöffentlichkeit auf das Süd-Tirol-Problem aufmerksam gemacht wurde, hätte Italien die Autonomieverhandlungen weiter verzögert und die Italianisierung ungehindert fortgeführt. Es ist uns daher ein besonderes Anliegen, den Süd-Tiroler Freiheitskämpfern vor dem Landtag auch offiziell für ihren Einsatz zu danken, so die Landtagsabgeordneten Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle. Das, was die Süd-Tiroler Freiheitskämpfer für unsere Heimat und unser Volk geleistet haben, ist keine Selbstverständlichkeit, ihnen gebührt dafür unser Dank und unsere Anerkennung!

Umso verwerflicher ist es daher, dass jene Freiheitskämpfer, die sich durch ihre Flucht nach Österreich vor Folter, Kerker und gezielter Ermordung retten konnten, noch immer im Exil leben müssen und nicht zu ihren Familien nach Süd-Tirol zurückkehren dürfen. Es ist höchst an der Zeit, endlich einen Schlussstrich unter dieses leidvolle Kapitel zu ziehen und dafür Sorge zu tragen, dass diese Helden unserer Heimat endlich heimkehren dürfen.“

Mit Plakaten und großen Buchstaben vor dem faschistischen „Siegesdenkmal“ in Bozen erinnerte die „Süd-Tiroler Freiheit“ an die Feuernacht.

Die Gedenkfeier in Bruneck

(Bild: Südtiroler Schützenbund)
(Bild: Südtiroler Schützenbund)

Am 11.Juni 2021 fand, veranstaltet von dem Bezirk Pustertal des Südtiroler Schützenbundes, auf dem Rathausplatz in Bruneck eine würdige Feier statt, zu der an die 400 Teilnehmer gekommen waren, um der Feuernacht zu gedenken die sich zum 60. Mal jährte.

Damals als sich Südtirol auf einem Todesmarsch befand, wie es Kanonikus Michael Gamper formuliert hatte, wurden in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni, in ganz Südtirol an die 40 Strommasten gesprengt oder schwer beschädigt. Im Pustertal war die Gruppe der „Puschtra Buibm“ aktiv gewesen. Sie mussten nach Österreich flüchten und erhielten in einem Abwesenheitsprozess, von dem sie nur aus der Zeitung erführen, langjährige Haftstrafen. In einer Videobotschaft berichteten die drei noch lebenden Buibm Sepp Forer, Heinrich Oberleiter und Siegfried Steger über ihren Einsatz in den Sechziger Jahren.

Die ehemalige SVP-Landesrätin Martha Stocker hielt eine Gedenkrede und trat für die Begnadigung der immer zwangsweise aus der Heimat verbannten „Puschtra Buibm“ ein, ebenso wie der Bürgermeister Roland Grießmair, welcher die Grußworte der Stadtgemeinde Bruneck überbracht hatte.

Beleuchtete Strommasten

(Bild: Südtiroler Schützenbund)
(Bild: Südtiroler Schützenbund)

Der Südtiroler Schützenbund ließ im ganzen Land gut sichtbare Strommasten rot beleuchten und gab dazu bekannt: „Damit möchten wir Schützen Dank und Anerkennung für jene Männer und Frauen zum Ausdruck bringen, die für die Freiheit unseres Landes so große Opfer gebracht haben. Nicht zuletzt wurde durch die Feuernacht und den darauffolgenden Ereignissen der Großteil des heutigen Wohlstandes überhaupt erst ermöglicht.

Die rote Beleuchtung soll aber auch an die Polizeigewalt erinnern, der damals unser Volk ausgesetzt war. Durch die Polizeigewalt gab es Verletzte und Tote. Bis heute hat sich das offizielle Italien noch nie für diese Schandtaten entschuldigt. Die stille Beleuchtung steht für die demokratische Diskussion und die gewaltfreie Umsetzung unseres Strebens nach mehr Freiheit und Unabhängigkeit.“

Das Gedenken in Frangart

Mit Plakaten und Inseraten war die Gedenkfeier angekündigt worden. (Bilder: Südtiroler Schützenbund)
Mit Plakaten und Inseraten war die Gedenkfeier angekündigt worden. (Bilder: Südtiroler Schützenbund)

Am 12. Juni 2021 veranstaltete der „Südtiroler Schützenbund“ in Zusammenarbeit mit dem „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), einer von ehemaligen politischen Häftlingen und Freiheitskämpfern gegründeten Vereinigung, die für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt, in Frangart eine Gedenkfeier.

Frangart ist der Heimatort des von den Carabinieri 1961 verhafteten und schwer gefolterten Gründers des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS), Sepp Kerschbaumer. Dieser war in der Folge in italienischer Haft zu Tode gekommen.

Vor dem Kerschbaumer Gedenkstein versammelten sich mehr als 200 Schützen aus Südtirol, aber auch aus Welschtirol. Zahlreiche Zivilisten, darunter sehr viele Jugendliche, waren ebenfalls gekommen.

Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“, begrüßte alle Anwesenden und sagte: Heute gedenken wir der beispiellosen Frauen und Männer, die ihr Leben selbstlos in den Dienst der Heimat stellten und für den Erhalt der Tiroler Volksgruppe in ihrer Eigenart ihre Freiheit, Gesundheit und sogar das Leben hingaben.

Es ist heute allgemein anerkannt, dass diese Politik der rücksichtslosen Überfremdung nur durch die Südtirol-Aktivisten gestoppt werden konnte. Südtirol muss wieder auf den Weg der Sicherung der deutsch- und ladinisch- sprachigen Volksgruppe gebracht werden. Wir müssen uns wieder auf unser Tiroler Wurzeln und die positiven Werte unserer Identität, unseres Brauchtums und unserer Traditionen besinnen.

100 Jahre Zwangsehe mit Italien sind genug. Sie waren schwer genug zu ertragen. Schluss damit!“

Im Rahmen der Feier übergab Roland Lang den Schützen das von Hannes Tribus gemalte Portrait des Freiheitskämpfers Luis Amplatz.

Roland Lang bei seiner Ansprache und das Portrait von Luis Amplatz. (Bild: Südtiroler Schützenbund)
Roland Lang bei seiner Ansprache und das Portrait von Luis Amplatz. (Bild: Südtiroler Schützenbund)

Anschließend folgte ein Wortgottesdienst, der von Diakon Hermann Pirpamer gehalten wurde.

Bild links: Diakon Pirpamer und rechts der ehemalige österreichische Südtirolsprecher Werner Neubauer, der Mitglied der Schützenkompanie Gries ist. Bild rechts: Frau Dr Margareth Lun. (Bilder: Südtiroler Schützenbund)
Bild links: Diakon Pirpamer und rechts der ehemalige österreichische Südtirolsprecher Werner Neubauer, der Mitglied der Schützenkompanie Gries ist. Bild rechts: Frau Dr Margareth Lun. (Bilder: Südtiroler Schützenbund)

Die Historikerin und Leiterin des „Haus der Tiroler Geschichte“ in Bozen, Frau Dr. Margareth Lun sprach anschließend über „Die Frauen und Kinder der Freiheitskämpfer“. Sie berichtete über ihre Begegnungen mit Freiheitskämpfern und deren Frauen bzw. Witwen sowie über Gespräche mit Mitbürgern über den Freiheitskampf.

Elmar Thaler bei seiner Ansprache. (Bild: Südtiroler Schützenbund)
Elmar Thaler bei seiner Ansprache. (Bild: Südtiroler Schützenbund)

Der Ehrenlandeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Elmar Thaler, fragte in seiner Gedenkrede Brennt das Feuer in uns noch?“ und fuhr dann fort: „Seit ich denken kann beschäftigt mich die Frage was unsere Freiheitskämpfer den letztendlich angetrieben hat, diesen schon damals ungleichen Kampf David gegen Goliath zu riskieren. Einerseits scheint es ja verständlich. Nach zwei verwehrten Selbstbestimmungen 1919 und 1946, in einer Situation, in der die eigenen Leute haben auswandern müssen, weil sie keine Arbeit und keine Wohnung bekommen haben, und nachdem die eigenen Heimat vom Staat mit Italienern geflutet worden war – da wird das Feuer freilich gelodert haben.

Andererseits, um dieses Feuer sprichwörtlich in Energie zu verwandeln, braucht es dann doch noch ein wenig mehr. Kerschbaumer selbst hat es einmal in einem Flugblatt geschrieben: „Wir dürfen nicht auf fremde Hilfe hoffen, wenn wir nicht alles getan haben, was in unserer eigenen Kraft liegt.“

Es sei, sagte Thaler, „viel zu selten … ein offizielles Wort des Dankes gekommen, für jene die sich in ganz Tirol, in Österreich und in Deutschland für Südtirol eingesetzt haben und beispielsweise auch heute noch nicht nach Südtirol einreisen dürfen.

Mir läuft es jedes Mal eiskalt über den Rücken wenn ich nur daran denke – und ich habe höchste Hochachtung und Bewunderung vor jedem, der in jener schweren Zeit nicht einfach abgewartet hat, sondern mutig zur Tat geschritten ist und ein hohes Risiko auf sich genommen hat. Nicht nur des persönlichen Scheiterns, sondern auch das Risiko, damit nicht genügend Durchschlagskraft zu haben. Euch dafür zu tadeln ist leicht; deshalb versuchen sich so viele darin.“

Thaler schloss seine Rede mit folgenden Worten: Die Männer, die vor über 60 Jahren ihr Leben für die Heimat gaben, sie haben einen hohen Preis bezahlt. Und damit sie ihn nicht umsonst bezahlt haben, sollten wir einstehen, wofür sie ihr Leben gaben. Für die Freiheit unserer Heimat. So wie es andere Völker in Europa uns versucht haben vorzumachen, hingefallen sind und wieder aufstehen.

Wir dürfen nicht auf fremde Hilfe hoffen, wenn wir nicht alles getan haben, was in unserer eigenen Kraft liegt – mit diesem Bewusstsein gehen wir hinaus, entzünden morgen Bergfeuer und zugleich auch wieder die Feuer in unserem Herzen. Die Worte von Sepp Kerschbaumer sollen uns Vermächtnis bleiben.“

(Bild: Südtiroler Schützenbund)
(Bild: Südtiroler Schützenbund)

Die Gedenkfeier fand ihren Abschluss mit einer Heldenehrung und Kranzniederlegung. Die Ehrenkompanie „Sepp Kerschbaumer“ aus Eppan feuerte eine Ehrensalve ab und dann stimmte die Musikkapelle Frangart das Lied vom „Guten Kameraden“ und die Landeshymne an.

Skurrilitäten

Natürlich durfte bei dem Gedenken an „60 Jahre Feuernacht“ eine zu erwarten gewesene Begleitmusik nicht fehlen.

Das Bozner italienische Nationalistenblatt „Alto Adige“ berichtete mit großer Schlagzeile , dass in „Frangarto“ der „Heimatbund“ dem „Zusammenleben eine Ohrfeige“ verpasst hätte.

Eine ähnliche Meinung wurde von unbekannter Hand auf einem in Welschtirol (Trentino) in italienischer Sprache gehaltenen Plakat des Südtiroler und Welschtiroler Schützenbundes und des Heimatbundes angebracht.

Der handschriftliche Kommentar lautete auf Deutsch: „Die Akte des Terrorismus sind zu verdammen! Die Feuernacht? = Zur Kristallnacht !!!!! (Anm.: Die Nacht, in der in der NS-Zeit Juden grausam verfolgt wurden) Schützen = Nazi schämt euch!!!“

In der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ erklärte der aus Norddeutschland zu uns herab gekommene Historiker Dr. Rolf Steiniger in einem großen Artikel den Lesern, dass sie die Autonomie nicht wegen, sondern trotz der kontraproduktiven Feuernacht bekommen hätten. Dr. Steininger genießt das Wohlwollen der hohen Politik und darf an der landeseigenen „Freien Universität“ in Bozen lehren. Wenn man seiner Argumentation folgt, dann war Rom offenbar von bestem Willen erfüllt, den Südtirolern eine gute Autonomie zu geben und hat dies auch trotz der Feuernacht aus lauter Edelmut getan. Wie wunderschön!

Schade ist nur, dass der damalige Landeshauptmann und Parteiobmann der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) Dr. Silvius Magnago als Südtiroler Chefunterhändler und „Vater der Autonomie“ die Dinge völlig kurzsichtig anders gesehen hat:

Ohne diese Taten keine „19er Kommission“

„Ich gebe auch zu: Wenn diese Taten nicht passiert wären, hätte es keine 19er Kommission gegeben.“ (Magnago am 30. August 1994 in einer „Club 2“-Diskussion im ORF über das Entstehen der vom italienischen Innenminister Scelba ins Leben gerufenen „19er Kommission“, welche sich mit der Ausarbeitung des 2. Autonomiestatutes befasste.)

 Bedeutender Beitrag zur Erlangung der Autonomie

„Die Anschlage von damals und die darauffolgenden Prozesse gehören, genau, wie vieles andere, zur Nachkriegsgeschichte Südtirols und stellen einen bedeutenden Beitrag zu dieser Geschichte und zur Erreichung einer besseren Autonomie für Südtirol dar.“ (Dr. Silvius Magnago im Südtiroler SVP-Parteiorgan „Volksbote“ am 8. April 1976.

 Traurig, dass Staaten sich erst rühren, nachdem Gewalt angewendet wurde

„Die Einsetzung der 19er-Kommission ist sicher unter dem Eindruck des damals Geschehenen erfolgt; es ist nur traurig, feststellen zu müssen, wie so oft auf dieser Welt, Staaten sich erst dann rühren, nachdem Gewalt angewendet wurde, anstatt dass diese zeitgerecht und in Ausübung ihrer demokratischen Befugnisse und Pflichten zum Rechten sehen.“ (Dr. Silvius Magnago. am 24. März 1976 auf der Landesversammlung der SVP in Meran. Quelle: ,,30 Jahre Pariser Vertrag“, herausgegeben von der Parteileitung der Südtiroler Volkspartei (SVP)

 Attentate gaben wesentlichen Anstoß zu ernsthaften Verhandlungen

„Die Attentate der Feuernacht haben einen wesentlichen Anstoß zu ernsthaften Verhandlungen gegeben.“ (Dr. Silvius Magnago am 24. März 1976 auf der Landesversammlung der SVP in Meran. Quelle: FF-Illustrierte Nr. 23, 2011)

 Die 19er Kommission wurde aufgrund der Anschläge gegründet

„Diese Kommission wurde nicht infolge der Proteste Österreichs oder unseres Zutuns gegründet, sondern weil Gewalttaten in Südtirol passiert sind.“ (Magnago im Interview mit der Tageszeitung „KURIER“ vom 6. 12. 1990)

 Anschläge haben zu Verhandlungen und zu dem neuen Autonomiestatut geführt

„Und dann kam es zur Feuernacht. Ich muss hier ganz klar sagen, dass diese Sprengstoffanschläge zu friedlichen Verhandlungen geführt haben und letztendlich zum neuen Autonomiestatut. Hätte es diese Anschläge nicht gegeben, wäre keine 19er Kommission gebildet worden, die die Aufgabe bekommen hat, sich mit der ganzen Autonomieproblematik, sagen wir, zu befassen und der Regierung neue Vorschläge zu unterbreiten.“ (Magnago im Interview in „Dolomiten“ vom 7. August 1991)

Schade, dass Dr. Magnago nicht mehr lebt. Sonst hätte er sich diese falschen Ansichten von Dr. Steiniger korrigieren lassen können.