Drei angebliche „Terrorakte“ der Jahre 1966 und 1967 – die Zerstörung eines Lügengebäudes

Dass italienische Geheimdienste seit jeher auch in „schmutzige Kriegsführung“ verwickelt waren, einschließlich der Fälschung und Verdrehung von Tatsachen, ist in einer Vielzahl von Publikationen belegt worden.

Ein wissenschaftlich untermauertes Werk räumt mit italienischer Zweckpropaganda auf

Nun ist im EFFEKT-Verlag in Neumarkt/Südtirol ein Buch erschienen, dessen Verfasser, der Historiker und Militärsachverständige Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner anhand von wissenschaftlichen Untersuchungen und Durchführung von Sprengversuchen durch gerichtlich beeidete Sachverständige aufdeckt, dass einige angebliche „Terrorakte“ des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) der Jahre 1966 und 1967 in Wahrheit getürkt waren. Es dürfte sich bei den italienischen toten Militärpersonen um Opfer tragischer Unfälle gehandelt haben, die nachträglich zu Opfern von „Anschlägen“ erklärt wurden.

Hubert Speckner: „Pfitscherjoch, Steinalm, Porzescharte - Die drei „merkwürdigen Vorfälle“ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre in den Jahren 1966 und 1967“
Hubert Speckner: „Pfitscherjoch, Steinalm, Porzescharte – Die drei „merkwürdigen Vorfälle“ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre in den Jahren 1966 und 1967“

Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner
Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner

Die drei „merkwürdigen Vorfälle“ der „Bombenjahre“ in Südtirol – die Explosionen im Pfitscherjoch-Haus, in der Kaserne der Guardia di Finanza auf der Steinalm nahe dem Brenner sowie auf der Porzescharte zwischen Osttirol und Belluno – stellen einen traurigen „Höhepunkt“ des Südtirol-Konfliktes in den 1960er Jahren mit insgesamt acht Todesopfern unter den italienischen Sicherheitskräften dar.

Trotz berechtigten Zweifeln am präsentierten Ablauf dieser „Vorfälle“, beharrt das „offizielle“ Italien bis heute auf der Schuld von insgesamt elf Aktivisten des „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) aus Südtirol und Österreich.

Eine intensive wissenschaftliche Befassung mit den drei Vorfällen zeigt hingegen deutlich den politischen Hintergrund dieser „offiziellen“ Schuldzuweisung. Diese wissenschaftliche Befassung betrifft einerseits die Analyse der sicherheitsdienstlichen- und Gerichtsakten zu den „merkwürdigen Vorfällen“ und andererseits die fachlichen Beurteilungen durch Sachverständige für Sprengtechnik, die zudem durch Sprengversuche überprüft wurden. In dem Buch finden sich die gutachtlichen Stellungnahmen dieser Sachverständigen.

Hubert Speckner:
„Pfitscherjoch, Steinalm, Porzescharte – Die drei „merkwürdigen Vorfälle“ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre in den Jahren 1966 und 1967“
EFFEKT-Verlag in Neumarkt/Südtirol
Umfang: 284 Seiten, Preis ab Verlag: ab EURO 25,00

Hier geht es zur Internet-Seite des EFFEKT-Verlages:
https://effekt-shop.it/shop/buecher/pfitscherjoch-steinalm-porzescharte/

Über diese Enthüllungen hat der Historiker Prof. Dr. Dr h.c. Reinhard Olt nachstehenden Beitrag zur Verfügung gestellt, den wir dankend veröffentlichen:

Gewichtige Erträge der historischen Forschung: 

Unabweisliche Nachweise für die Unschuld von Freiheitskämpfern an aufsehenerregenden  Vorfällen des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre

Von Prof. Dr. Dr h.c. Reinhard Olt

Es gehört zu den wissenschaftlichen Sternstunden, wenn es sich ergibt, dass die historische Forschung hervorbringt, was ihre ureigene Aufgabe und Zweckbestimmung sein sollte, nämlich neue Einblicke auf Handlungen und Einsichten in Geschehnisse zu eröffnen, für die bis dato gemeinhin galt, es seien alle Tatbestände und Zusammenhänge bereits klar gewesen und in der Geschichtsschreibung quasi amtlich oder unverrückbar dargestellt worden. Nicht selten spielt dabei die Entdeckung und akribische Analyse bisher unbekannter oder gar ignorierter Archivalien die entscheidende Rolle. 

Brisante Verschlussakten

Der Militärhistoriker Hubert Speckner stieß im Rahmen seiner Forschungen auf äußerst brisante Verschlussakten im Österreichischen Staatsarchiv. Als er sie erschloss, erschien insbesondere ein von italienischer Seite als blutigstes Attentat Südtiroler Widerstandskämpfer der 1960er Jahre gebrandmarkter Vorfall, den Rom als Hebel benutzte, um Wiens angestrebte EG-Assoziation zu unterlaufen, in einem gänzlich anderen Licht. Denn Speckner erkannte alsbald, dass die auch von der österreichischen Regierung gehorsam akzeptierten italienischen Beschuldigungen gegen die der Tat bezichtigten und in Österreich in Haft genommenen Personen, Erhard Hartung, Peter Kienesberger und Egon Kufner, äußerst zweifelhaft waren. 

Die Aktivisten des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS) sollen italienischer Behauptung zufolge den Mast einer Überlandleitung gesprengt und eine Sprengvorrichtung im unmittelbar benachbarten Gelände angebracht haben, bei deren Detonation vier italienische Militärangehörige getötet und einer schwer verletzt worden seien. 

Die BAS-Leute waren später in einem Prozess in Florenz in Abwesenheit zu hohen (Kufner) bis lebenslangen Haftstrafen (Hartung, Kienesberger) verurteilt, in Österreich hingegen freigesprochen worden, woraufhin nach staatsanwaltschaftlichem Einspruch Bundespräsident Kirchschläger zur hellen Empörung Roms die Einstellung des Verfahrens verfügte. 

Speckner hatte im Jahr 2013 in seiner umfangreichen Studie „Zwischen Porze und Roßkarspitz …‘ Der ,Vorfall‘ vom 25. Juni 1967 in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“ (Wien 2013) aufgrund zahlreicher Aktenstücke den Nachweis führen können, dass sich besagtes Geschehen an der Porzescharte keinesfalls so abgespielt haben konnte, wie es von Italien offiziell dargestellt wurde. Es gab und gibt begründete Verdachtsmomente, dass die italienischen Militärangehörigen überhaupt nicht auf der Porzescharte zu Tode gekommen sein dürften, sondern auf einem in der Nähe befindlichen italienischen Manövergelände für Verminungsübungen und Sprengungen. Es zeigten sich gewichtige Indizien, die dafür sprechen, dass das Geschehen auf der Porzescharte einschließlich der nachträglichen Schaffung eines künstlichen „Tatortes“ mit hoher Wahrscheinlichkeit dem italienischen Militärgeheimdienst zuzuschreiben sein dürfte. 

Bereits in seiner 2016 erschienenen aufsehenerregenden Studie „Von der ‚Feuernacht‘ zur ,Porzescharte‘…. Das ,Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“ (Wien 2016) hatte Speckner mehr als 50 Fälle untersucht, welche sich im Rahmen des brisanten Südtirol-Konflikts zwischen Dezember 1955 bis März 1970 zugetragen hatten. 

Seine darin luzide aufbereitete und minutiös ausgebreitete Aufarbeitung der Geschehnisse machte deutlich, wie weit und gravierend die offiziellen italienischen Darstellungen von der Aktenlage des von im Staatsarchiv aufgefundenen sicherheitsdienstlichen Bestandes abwichen. Zudem ergänzte er seine Befunde aus den Primärquellen der österreichischen Staatspolizei (StaPo) mit den in zahlreichen Gesprächen mit den Freiheitskämpfern des BAS gewonnenen Aussagen. Die von Speckner erschlossenen sicherheitsdienstlichen Akten erbrachten in vielen dieser Fälle neue Erkenntnisse und Ergebnisse.

Expertisen anerkannter Fachleute

Schließlich stellt Speckner im Zusammenwirken mit fundierten Expertisen amtlich anerkannter Fachleute in seinem soeben im Verlag effekt! (Neumarkt a.d. Etsch) erschienenen Buch mit dem Titel „Pfitscherjoch Steinalm Porzescharte – Die drei ,merkwürdigen  Vorfälle‘ des Höhepunktes der Südtiroler Bombenjahre 1966 und 1967“ in rationaler und wissenschaftlich begründeter Weise jene echoreichsten, blutigsten Fälle wieder vom Kopf auf die Füße und führt damit deren amtliche italienische Darstellungen ad absurdum. 

Der Fall Pfitscherjoch

So im Falle eines todbringenden Ereignisses am Pfitscherjoch, das sich am 23. Mai 1966 ereignet hatte. Die ehemalige hölzerne und später durch einen Steinanbau erweiterte ehemalige Schutzhütte am Pfitscherjoch diente als Stützpunkt für die italienische Finanzwache (Guardia di Finanza) sowie für Carabinieri und Alpini-Soldaten. Dort war infolge einer Explosion ein Angehöriger der Finanzwache ums Leben gekommen. Laut der „offiziellen“ italienischen Version des Geschehens habe dieser während des Patrouillengangs die Tür zum Schutzhaus geöffnet, worauf eine Sprengladung von ungefähr 50 kg Sprengstoff explodiert sei. 

Wie bei ähnlich gelagerten Vorfällen in den 1960er Jahren „wussten“ italienische Medien wie Politik sofort, dass die „gewaltige“, das Gebäude nahezu völlig zerstörende Explosion von „terroristi“ verursacht worden sei. Tatsächlich wurde aber nur der leichte Holzhütten-Teil zerstört, der Steinbau blieb stehen. Noch heute hält das Museum der Finanzer-Truppe in seiner offiziellen Darstellung fest: „der Anschlag, der auch den Einsturz der Kaserne zur Folge hatte, entpuppte sich als Werk der Südtiroler Separatistenorganisation Befreiungsausschuss Südtirol (BAS)“, welche „die gewaltige Ladung wenige Tage zuvor installiert“ habe. Und alsbald wurden die vier „Puschtra Buibm“ („Pusterer Buben“) Siegfried Steger, Josef Forer, Heinrich Oberleiter und Heinrich Oberlechner als Täter beschuldigt.

Der Beurteilung mehrerer damaliger Sprengsachverständiger – darunter eines Experten des Entschärfungsdienstes des österreichischen Innenministeriums – zufolge weist die Aufnahme des Getöteten ebenso wie die Fotos von der zerstörten Holzhütte ursächlich auf eine Gasexplosion in der Küche der Schutzhütte hin, währenddessen sich das Opfer in der Toilette direkt neben dem Explosionsherd aufgehalten haben dürfte. Auch das auf den offiziellen Tatortfotos der Guardia di Finanza zu erkennende eingesackte Dach der Hütte widerspreche mit aller Deutlichkeit der Verwendung von Sprengstoff, noch dazu in der erwähnten Menge von 50 kg: diesfalls wäre das Dach, anstatt in sich zusammenzusacken, vielmehr in Trümmern in die Luft geflogen. 

Man sieht auf diesem Bild des Pfitscherjoch-Hauses, dass nur die leichte Holzkonstruktion zerstört wurde, der im Hintergrund sichtbare steinerne Anteil des Hauses jedoch stehen blieb. Das Dach wurde nicht in Trümmern durch die Luft weggeschleudert, sondern war in sich zusammengesackt. (Bild aus Dem Buch von Hubert Speckner.)
Man sieht auf diesem Bild des Pfitscherjoch-Hauses, dass nur die leichte Holzkonstruktion zerstört wurde, der im Hintergrund sichtbare steinerne Anteil des Hauses jedoch stehen blieb. Das Dach wurde nicht in Trümmern durch die Luft weggeschleudert, sondern war in sich zusammengesackt. (Bild aus Dem Buch von Hubert Speckner.)

Die von Speckners aus den von ihm entdeckten und erstmals ausgewerteten Archivalien ermittelten Ergebnisse, wonach sich der Pfitscherjoch-Vorfall „also kaum so zugetragen haben konnte wie von offizieller italienischer Seite dargestellt“, ist von unlängst vorgenommenen, mit modernen naturwissenschaftlich-sprengtechnischen  Instrumentarien fußenden umfangreichen Untersuchungen durch Experten erhärtet worden. Ihre Expertisen kommen der Wahrheit des Geschehens zweifelsfrei am nächsten und dürfen somit als bewiesen gelten. So allein schon durch die Fallbeurteilung des gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Sprengtechnik, Mag. Max Ruspeckhofer, der in seinem Beitrag „COLD CASE PFITSCHERJOCH – Wie ein Unfall zu einem Anschlag wurde“ kurz und bündig feststellt: „Wenn man alle diese Dinge in Betracht zieht, bleibt eigentlich nur mehr eine einzige Schlussfolgerung übrig: Es handelte sich bei diesem Ereignis nicht um ein Attentat, bei dem bewusst der Tod von Menschen in Kauf genommen wurde, sondern um einen tragischen Unfall“. 

Eine letztvergewissernde Expertise durch den gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Sprengwesen, Prof. Dr. Ing. Harald Hasler wurde zudem durch dessen ballistische Berechnungen in Bezug auf das Verhalten von Personen bei Explosionen auf Grundlage der international anerkannten Basisliteratur TNO Green Book (Methods for the determination of possible damage to people and objects resulting from releases of hazardous materials) komplettiert. Diese Expertise untermauert nicht nur Ruspeckhofers Befund, sondern stellt die amtliche italienische Darstellung gänzlich in Abrede. Vielmehr steht für ihn zweifelsfrei fest, dass aufgrund der festgestellten technischen Tatsachen und Sachverhalte zweifelsfrei klar [ist], dass sich der aktenkundig beschriebene Vorfall am 23. Mai 1966 am Pfitscherjoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so NICHT ereignet haben kann. Alle Indizien sprechen eindeutig für eine Gasexplosion. Sachverhaltsdarstellungen, Fachbeurteilungen und entscheidende Schlussfolgerungen aus den vorliegenden Akten sind in keinster Weise nachvollziehbar, mangelhaft und unterliegen keinen fachlich fundierten und objektiv ermittelten gerichtsverwertbaren Erkenntnissen.“

Der Fall Steinalm

Analog dazu ergaben sich für Speckner wie für die beigezogenen Sachverständigen in der „Causa Steinalm“ ähnlich geartete Ergebnisse. Knapp fünf Monate nach dem Geschehen rund um das Pfitscherjoch-Haus waren zufolge einer Explosion in einem kasernierten Stützpunkt der Guardia di Finanza (Finanzwache) auf der Steinalm nahe dem Brennerpass zwei Finanzwache-Soldaten ums Leben gekommen, ein Schwerverletzter starb wenige Tage später. Bis heute werden in Italien drei BAS-Aktivisten, darunter der legendäre Freiheitskämpfer und Schützenmajor Georg („Jörg“) Klotz, des „blutrünstigen Anschlags“ bezichtigt und politisch sowie justizamtlich der Tat beschuldigt. Die Grundschulleherin Rosa Klotz, die Ehefrau von Georg Klotz, war daraufhin verhaftet und für 14 Monate eingekerkert worden. Ihre sechs minderjährigen Kinder waren Verwandten und Nachbarn überstellt worden. 

Der nach Österreich geflüchtete Georg Klotz wurde ohne jeden Beweis von den Italienern zum „Attentäter“ der Steinalm erklärt. Seine Frau Rosa wurde als „Komplizin“ verhaftet und 14 Monate lang eingekerkert. 
Der nach Österreich geflüchtete Georg Klotz wurde ohne jeden Beweis von den Italienern zum „Attentäter“ der Steinalm erklärt. Seine Frau Rosa wurde als „Komplizin“ verhaftet und 14 Monate lang eingekerkert.

Wenngleich damals schon mehrere Gutachten von Sachverständigen die Explosion einer Gasflasche sowie die Detonation einer Kiste mit Handgranaten in deren unmittelbarer Nähe, als ursächlich für den Tod der Finanzer sowie die Zerstörung des Stützpunktes ansahen, blieb und bleibt Rom geradezu doktrinär bei seiner Hergangsversion und der Täterbeschuldigung und wies, wie stets bei derartigen Vorfällen, Wien eine „Mitschuld“ zu, da die österreichischen Behörden zu wenig gegen den Terrorismus unternommen hätten. 

Dass diese offizielle römische Schuldzuschreibung zu verwerfen ist, zeigt eigentlich allein schon Speckners Durchleuchtung des damaligen Vorfalls. Zudem untermauert die eigens durchgeführte neue wissenschaftlich begründete Begutachtung durch den Sachverständigen Hasler seine aktenmäßig erschlossenen historischen Ergebnisse. Hasler stellt nämlich aufgrund seiner umfangreichen Befunde, einer forensischen, kriminaltechnischen Analyse sowie der Bewertung der angeführten einzelnen Sachverhalte unumwunden fest, „dass sich der aktenkundig beschriebene Vorfall am 9. September 1966 auf der Steinalm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so NICHT ereignet haben konnte“. Infolgedessen verwirft er die dem damaligen Gerichtsverfahren und Urteil zugrundlegenden Ergebnisse italienischer Gutachter, indem er konstatiert, sie unterlägen „keinen fachlich fundierten und objektiv ermittelten gerichtsverwertbaren Schlussfolgerungen“.

Der Fall Porzescharte

Schließlich der an Tragik und Verwerflichkeit des amtlichen Wirkens italienischer Politik wohl kaum zu übertreffende „Fall Porzescharte“.

In einer Auflistung von (nach heutigen Erkenntnissen angeblichen) Terroranschlägen, die einer Wien übermittelten diplomatischen „Verbalnote“ des römischen Außenministeriums vom 18. Juli 1967 beigeheftet ist, wird das Geschehen auf der Porzescharte am 25. Juni 1967 wie folgt „klar und eindeutig“ beschrieben: „Sprengung des Mastes einer Hochspannungsleitung durch eine mit Uhrwerk versehene Sprengvorrichtung. Während des Lokalaugenscheins tritt der Alpini-Soldat Armando Piva auf eine Tretmine und verursacht eine Explosion. Infolge der schweren Verletzungen stirbt der Soldat kurz darauf im Zivilkrankenhaus von Innichen. Gegen 15 Uhr desselben Tages gerät eine Feuerwerker-Truppe nach Säuberung des um den Hochspannungsmast gelegenen Geländes in eine weitere Minenfalle. Die Explosion verursacht den Tod des Karabinierihauptmanns Francesco GENTILE, des Fallschirmjägerleutnants Mario DI Legge und des Fallschirmjäger-Unteroffiziers Olivo TOZZI [sic!, der richtige Name ist DORDI], sowie schwere Verletzung des Fallschirmjäger-Feldwebels Marcello FAGNANI. Am Tatort wurde ein Gerät mit der Aufschrift B.A.S. aufgefunden.“

Schon von Anfang an hatten sich jedoch äußerst auffällige Widersprüche gezeigt. Bereits am 26. Juli, also einen Tage nach den ersten italienischen Meldungen, die österreichische Stellen übermittelt worden waren, ließ sich der Osttiroler Bezirkshauptmann Dr. Doblander mit einem Hubschrauber  an den Ort des Geschehens bringen. Das Ergebnis seines Erkundungsfluges meldete die Sicherheitsdirektion für Tirol an das österreichische Innenministerium: „Der Bezirkshauptmann schließt, mit 100 %-iger Sicherheit‘ aus, dass in der Nähe dieses Mastes eine andere Explosion erfolgt ist. Es konnten weder Fußspuren noch Blutspuren noch irgendwie andere Spuren festgestellt werden, die darauf hindeuten würden, dass sich hier mehrere Menschen befunden haben. Der italienische Grenztrupp soll aber aus 25 Personen bestanden haben. Die Anwesenheit dieser 25 Personen in der Nähe dieses Mastes hält der Bezirkshauptmann auf Grund der Bodenlage und -beschaffenheit für ausgeschlossen.“ 

Bericht der Sicherheitsdirektion für Tirol an das österreichische Innenministerium.
Bericht der Sicherheitsdirektion für Tirol an das österreichische Innenministerium.

Dieser Bericht deckte sich mit dem Inhalt eines Aktenvermerk der Tiroler Sicherheitsdirektion aufgrund von Angaben der Österreichischen Verbundgesellschaft, wonach zwei deren Monteure aus dem Standort Lienz in Begleitung eines Gendarmeriebeamten am 27. Juni auf der Porzescharte zur Schadensbegutachtung an der Leitung von Lienz nach Pelos waren. In besagtem Aktenvermerk wurde daraufhin festgehalten: „Im näheren Bereich des Mastes auch auf italienischem Gebiet konnte außer einem Zettel, italienisch beschriftet, einigen Drähten, keine Spuren gefunden werden, die auf Minenexplosionen und vor allem auf das Verunglücken von Menschen schließen lassen. Es wäre anzunehmen, dass in solchen Fällen Verbandreste, Blutspuren oder ähnliches wahrnehmbar gewesen wäre. Außer einem weit entfernten Posten in der meist besetzten Kaverne aus dem 1. Weltkrieg waren im gesamten Bereich weder Grenzschutzorgane, Militär noch Arbeiter zu bemerken.“ 

 

Bericht der Sicherheitsdirektion für Tirol an das österreichische Innenministerium.
Bericht der Sicherheitsdirektion für Tirol an das österreichische Innenministerium.

Der „blutigste Terrorakt“

Fest steht, dass die alsbald für „den blutigsten Terrorakt“ verantwortlich gemachten und in Innsbruck in Untersuchungshaft genommenen Aktivisten des Südtiroler Freiheitskampfs Erhard Hartung (Arzt), Peter Kienesberger (Elektriker) und Egon Kufner (Soldat) in der betreffenden Nacht im Juni 1967 gemeinsam in der Nähe des Geschehens waren. Sie waren am 24. nach Einbruch der Dunkelheit – um vom Alpini-Stützpunkt Forcella Dignas aus nicht gesehen zu werden –, in Richtung Porzescharte aufgestiegen, um, wie sie stets beteuerten, dort einen verwundeten Südtiroler BAS-Mann zu übernehmen. 

Kienesberger hatte eine geheim übermittelte schriftliche Mitteilung aus Südtirol erhalten, wonach ein verwundeter Südtiroler auf der Porzescharte abgeholt und nach Österreich in medizinische Behandlung gebracht werden sollte. Deshalb war auch der junge Arzt Dr. Hartung mitgekommen, um eine Versorgung auf dem Transport zu gewährleisten. Allerdings hatte in dem Schreiben das sonst verwendete Code-Wort gefehlt, weswegen Kienesberger schon von Anfang an misstrauisch gewesen war.

Die Gruppe brach das Vorhaben dann ab aufgrund einer Wahrnehmung nur kurz sichtbarer Lichter in der Höhe. Kienesberger war zu dem Schluss gekommen, dass die Gruppe in eine italienische Falle gelockt werden sollte. 

Buchautor Speckner arbeitete heraus, dass Kienesbergers Wahrnehmung, in dieser Nacht nicht allein dort gewesen zu sein, der Wirklichkeit entsprochen haben dürfte. 

Vehement stellten Hartung und Kufner, die beiden noch Lebenden – Kienesberger verstarb 2015 – das von italienischer Seite unterstellte Ziel und Delikt der gezielten Tötung von Angehörigen der italienischen Sicherheitskräfte mittels Minen stets in Abrede. Die in Italien in Abwesenheit verurteilten, in Österreich hingegen freigesprochenen beiden lebenden Aktivisten beteuern in aller Klarheit, mit dem Tod der vier italienischen Soldaten am 25. Juni 1967 nicht das Geringste zu tun zu haben. Dies wird in den österreichischen Gerichtsverfahren von einem damals von den Verteidigern initiierten Gutachten sowie von den in Speckners Buch vorgelegten jüngsten Sachverständigen- Expertisen untermauert.

Die in Österreich freigesprochenen Angeklagten (v.l.n.r.) Egon Kufner, Dr. Erhard Hartung und Peter Kienesberger.
Die in Österreich freigesprochenen Angeklagten (v.l.n.r.) Egon Kufner, Dr. Erhard Hartung und Peter Kienesberger.

Nach italienischer Darstellung der Ereignisse um den 25. Juni 1967, welche unter Druck, dem sich Wien nicht widersetzte, vom politischen Österreich und dessen Sicherheits- sowie partiell auch Justizorganen letztlich übernommen worden war, soll die Gruppe Kienesberger in der Zeit von nur einer halben Stunde den Strommast direkt an der Grenze doppelt vermint und zwei perfekt getarnte Sprengfallen derart optimal verlegt haben, dass sie ihr mörderisches Ziel erreicht hätten. Diese Durchführung in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit ist nach Erkenntnis von Sachverständigen bereits ein Ding der Unmöglichkeit.

Wie sich in Speckners vorliegendem Buch zeigt, missachtet die italienische Darstellung die sicherheitsdienstliche Aktenlage sowie die sprengtechnischen und naturwissenschaftlichen Bedingungen des Geschehensablaufs auf der Porzescharte. Diese werden in den darin enthaltenen gutachterlichen Stellungnahmen der Sprengsachverständigen Ruspeckhofer und Hasler ausführlich erörtert. So resümiert der Sprengsachverständige Max Ruspeckhofer die von ihm angestellten umfänglichen sprengtechnischen Analysen und fasst deren Ergebnisse unumwunden in der aussagekräftigen Feststellung „ein Attentat das keines war“ zusammen.

Der Sprengsachverständige Harald Hasler stellte nach vier Jahren umfangreicher wissenschaftlicher Feldversuche Rekonstruktionen zu dem Vorfall und den beschriebenen Sachverhalten im Detail zusammen. 

Bild links: Der Sprengsachverständige Max Ruspeckhofer. Bild rechts: Der Der Sprengsachverständige Harald Hasler bei einer Begehung auf der Porzescharte. (Bild aus Dem Buch von Hubert Speckner.)
Bild links: Der Sprengsachverständige Max Ruspeckhofer. Bild rechts: Der Sprengsachverständige Harald Hasler bei einer Begehung auf der Porzescharte. (Bild aus Dem Buch von Hubert Speckner.)

In forensischen Untersuchungen wurden die aufgrund der vorhandenen Akten sich ergebenden Sachverhalte mit modernsten, aus naturwissenschaftlich-sprengtechnischen Erkenntnissen gewonnenen Methoden auf Plausibilität sowie Reproduzierbarkeit hin überprüft und bewertet sowie schließlich den offiziellen aktenkundigen Darstellungen gegenübergestellt. Der Gutachter stellte zusammenfassend fest: „Aufgrund der sehr umfangreichen Befundaufnahme, der Feldversuche/Rekonstruktionen sowie Detailanalysen der einzelnen Sachverhalte zu den aktenkundigen Angaben der Ereignisse vom 25. Juni 1967 auf der Porzescharte kann […]mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass sich die Ereignisse so NICHT ereignet haben können. Die dokumentierten Ereignisse sind nicht im Ansatz reproduzierbar, absolut unerklärbar und nicht im Ansatz nachvollziehbar. […] Praktische Feldversuche bei denen die Sprengung vom 25.06.1967 mehrmals mit ballistischer Gelatine, humanoiden  Dummies und Indikatoren nach den Aktenangaben wissenschaftlich hinterfragt und nachgestellt wurden“, belegten dies „eindeutig und zweifelsfrei“.

Einer vielen Sprengversuche mit humanoiden „Dummies“, bei denen sich zeigte, dass die Auswirkungen auf deren Körper ganz andere waren, als in den italienischen offiziellen Darstellungen behauptet worden war. Der Sprengsachverständige Harald Hasler hat die Ergebnisse seiner Versuche in einer Dokumentation auf 461 Seiten mit zahlreichen Dokumentarbildern sowie Berechnungs- und Messwertdarstellungen veröffentlicht.
Einer vielen Sprengversuche mit humanoiden „Dummies“, bei denen sich zeigte, dass die Auswirkungen auf deren Körper ganz andere waren, als in den italienischen offiziellen Darstellungen behauptet worden war. Der Sprengsachverständige Harald Hasler hat die Ergebnisse seiner Versuche in einer Dokumentation auf 461 Seiten mit zahlreichen Dokumentarbildern sowie Berechnungs- und Messwertdarstellungen veröffentlicht.

Speckners mit bisher unbekannten sowie mit aus dem Wirken der Gutachter entstandenen Illustrationen ausgestattete Buch schließt mit einem anlassbezogenen pointierten Überblick über jene überaus beachtenswerten geheimdienstlichen Aktivitäten in Italien, welche vor allem im Zusammenhang mit der Südtirol-Problematik von Belang und Substanz sind. 

Ehre und Unehre

Abschließend ist festzuhalten, dass der Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit des einschlägig ausgewiesenen Autors das Hauptverdienst zukommt, in gründlichen Forschungsarbeiten den Nachweis erbracht zu haben, dass die behaupteten „Anschläge“ von 1966 und 1967 auf dem Pfitscherjoch, der Steinalm und der Porzescharte keineswegs unter die Verantwortung der Freiheitskämpfer des BAS rubriziert werden dürfen. Die damaligen Geschehnisse seien wahrscheinlich als Folge von Unfällen zu verbuchen und deren Instrumentalisierung als „Terrorakte“ seien den von höchsten Stellen, Amtsträgern und Politikern des Staates angeordneten oder gebilligten Umtrieben italienischer Geheimdienste zuzuordnen. 

Die italienischen Medien folgten willig den offiziellen staatlichen Darstellungen. So fragte diese Sonntagsausgabe des „Corriere della Sera“ noch im Jahre 1969: Wer sind die Mörder unserer 4 Soldaten?“
Die italienischen Medien folgten willig den offiziellen staatlichen Darstellungen. So fragte diese Sonntagsausgabe des „Corriere della Sera“ noch im Jahre 1969: Wer sind die Mörder unserer 4 Soldaten?“

Es gereicht Italien ebenso wie einer gewissen Spezies der Historiker- und Politologenzunft wenig zur Ehre, dass es trotz Widersprüchlichkeiten und nachgewiesener Unrichtigkeiten unnachgiebig die Absicht zu verfolgen scheint, an den überholten italienischen Darstellungen festzuhalten. 

Und allen in die Südtirol-Frage involvierten Amts- und Funktionsträgern in Politik, Justiz, Wissenschaft und Medien Österreichs und Tirols als Ganzes ist leider der Vorwurf nicht zu ersparen, angesichts aller neuen Erkenntnisse, die sie aufrütteln müssten, vor diesem untragbaren Zustand die Augen zu verschließen.

Dem SID zugegangene Stellungnahme von Prof. Dr. med. Erhard Hartung:

Prof. Dr. Erhard Hartung (rechts) zusammen mit dem damaligen österreichischen Justizminister Univ.-Prof Dr. Hans Richard Klecatsky.
Prof. Dr. Erhard Hartung (rechts) zusammen mit dem damaligen österreichischen Justizminister Univ.-Prof Dr. Hans Richard Klecatsky.

Meine seit 1967 aktenkundigen Feststellungen, dass ich nichts mit dem angeblichen Attentat auf der Porzescharte zu tun habe, sind nun bewiesen. Die Herausgabe des von Dr. Speckner und anderen Autoren verfassten Buches „Pfitscherjochhaus, Steinalm, Porzescharte“ ist für die in Italien in Abwesenheit zu Unrecht Verurteilten und somit auch für mich ein Geschenk Gottes. Die Verfasser weisen aufgrund durchgeführter wissenschaftlicher Versuche fundiert nach, dass wir nicht für die im Titel genannten angeblichen „Anschläge“ verantwortlich sein können, denen nach italienischen Behauptungen insgesamt acht italienische Soldaten zum Opfer gefallen sein sollen. Hier wird deutlich, dass Italien den Tod dieser vermutlich bei sprengtechnischen Militärübungen verunglückten Soldaten den Südtiroler Freiheitskämpfern zur Diffamierung und juristischen Verfolgung unterschoben hat.

Durch die nach neusten Untersuchungen erworbenen Kenntnisse wird bewiesen, dass diesbezügliche -sowohl in Österreich als auch in Italien- erfolgten Inhaftierungen von Südtiroler Freiheitskämpfern und die gegen sie erhobenen Gerichtsverfahren ungerechtfertigt waren und wider besseres Wissen erfolgten. 

Zur Erinnerung möchte ich darauf hinweisen, dass Mitangeklagte und ich durch erpresste Aussagen der österreichischen Staatsbürger Schafferer und Humer, die 1967 von den Carabinieri schwer gefoltert wurden, unter Verdacht gesetzt wurden, an der Porzescharte Sprengfallen eingerichtet zu haben. Diese unwahren Behauptungen wurden 1967 in gesetzeswidriger Weise in Zürich österreichischen Staatspolizisten übermittelt. Deshalb wurden wir in Österreich inhaftiert und gerichtlich verfolgt, obwohl bekannt war, dass diese Aussagen durch Folter erzwungen worden waren. 

In Italien wurden wir unter Anwendung der alten faschistischen Strafprozessordnung in Abwesenheit mit bis zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt, jedoch in derselben Angelegenheit von ordentlichen österreichischen Gerichten in Anwesenheit und nach gründlichen Einvernahmen und Untersuchungen freigesprochen. Sowohl österreichische als auch deutsche Gerichte erkannten unabhängig voneinander, dass die italienischen Abwesenheitsurteile menschenrechtswidrig waren, da sie gegen die europäischen Rechtsnormen verstießen. Eine Zustellung von Ladung, Anklageschrift und Urteil war nicht erfolgt! Dass in Italien gegen mich ein Prozess geführt worden war, habe ich nur aus Medienberichten erfahren.

Die in dem nun vorliegenden Dokumentarwerk geschilderten Sprengversuche und Sachverständigengutachten haben „das Lügengebäude der italienischen Geheimdienste … zum Einsturz gebracht“, wie der ehemalige Südtiroler Landesrat Dr. Bruno Hosp (SVP) in seinem Vorwort feststellt.

Dr. Bruno Hosp (links) und Dr. DR. h.c. Franz Pahl.
Dr. Bruno Hosp (links) und Dr. DR. h.c. Franz Pahl.

Der ehemalige SVP-Regionalratspräsident und Landtagsabgeordnete Dr. Dr. h.c. Franz Pahl kommt in seinem Vorwort zu dem gleichen Schluss. Speckner habe in seinem Werk aufklärend „Tatsachen gegen das Lügennetz“ der italienischen Geheimdienste gesetzt. Die „Anschläge“ auf Pfitscherjoch, Steinalm und Porzescharte seien „das beschämende Werk der italienischen Geheimdienste und ihrer Helfer.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Dank sagen möchte ich aber den Sachverständigen und Verfassern dieser Dokumentation.

Prof. Dr. med. Erhard Hartung

Während seiner Untersuchungshaft schrieb Dr. Erhard Hartung aus dem Gefängnis an seinen Vetter Klaus in Deutschland. In dem Brief hieß es unter anderem:

„Innsbruck, 28.11.68. 

Lieber Klaus! 

Für Deine zahlreichen Briefe, Gedanken – besonders aber, dass Du Dir die Mühe gegeben hast, Mama und mich zu besuchen, habe meinen aufrichtigen Dank. Ich habe mich sehr gefreut Dich gesund und wohlauf zu sehen. Für Mama wirst Du auch eine Stütze gewesen sein – ich glaube, Mendi wird durch meine Inhaftierung mehr mitgenommen als ich selbst. Und gerade dieser Gedanke macht es einem schwerer. 

Nun bin ich schon fast fünf Monate hier – ganz alleine und nur von mir selbst lebend – d.h. von meinem Geist, von meiner Phantasie. … Und trotzdem ist das Leben hier wie unter einer Käseglocke, wo Dir jeden Moment die Luft auszugehen droht – dennoch habe ich die Kraft auch das durchzustehen, denn es muss weitergehen. Ein vor Gott reines Gewissen ist mir die größte Beruhigung und lässt mich keinen Prozess fürchten. So sehe ich in der kommenden Verhandlung kein Damoklesschwert, sondern Tage, in denen mir im Zuge der Wahrheitsfindung Gerechtigkeit widerfahren wird. 

Es hat mich gefreut zu sehen, dass die ganze Familie geschlossen zu mir steht und dass mich keiner meiner Freunde verlassen hat, im Gegenteil auch sie sind alle von meiner Unschuld überzeugt. Zu Weihnachten habe ich sehr schöne Post von vielen Gelehrten und Dichtern aus allen deutschen Landen bekommen. Sie alle sprechen mir Mut zu und freuen sich über meine aufrechte Haltung und Wertverbundenheit.“

Schlussbemerkung

In Speckners Buch ist nun wissenschaftlich nahgewiesen, dass für den Tod von acht italienischen Soldaten, das sind knapp über 50% aller während der 1960er Jahre in Südtirol „gefallenen“ Italiener, der BAS mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. 

Mit den anderen, während dieser Zeit „gefallenen“ Italienern, verhält es sich ähnlich: In keinem einzigen Fall konnte von der italienischen Justiz oder dem Militär objektiv nachgewiesen werden, dass der BAS deren Tod verursacht hat. Bis heute ist ein guter Teil der diesbezüglichen behördlichen Akte in Italien unter Verschluss und selbst für die Wissenschaft nicht zugänglich. Das wird wohl seine guten Gründe haben.




Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr

wünschen wir allen unseren Lesern!

Der Bezirk Brixen des Süd-Tiroler Schützenbundes hat einen reich bebilderten, wunderschönen Ganzjahreskalender für alle Jahre herausgegeben. Wir haben 10 Stück geschenkweise erhalten und geben diese Exemplare kostenlos weiter an jene 10 Leser, die als erste an unsere Adresse schreiben und ein Zusendung wünschen. Bitte melden Sie sich:

                                                              presse@suedtirol-info.at

Alles Gute, Glück und Gesundheit!

Georg Dattenböck
Herausgeber




Sepp Kerschbaumer-Gedenken in St. Pauls

Bild: Südtiroler Schützenbund

Am Donnerstag, den 8. Dezember 2022, wurde in St. Pauls traditionsgemäß der verstorbenen und lebenden Tiroler Freiheitskämpfer der 1960er Jahre gedacht. 

Rund 2.000 Marketenderinnen, Schützen und Tiroler Landsleute waren der gemeinsamen Einladung des Südtiroler Heimatbundes und des Südtiroler Schützenbundes gefolgt. 

Sie gedachten des Gründers des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS), des Frangarter Kaufmannes Sepp Kerschbaumer, und seiner Kameraden wie Franz Höfler, Anton Gostner, Luis Amplatz, Jörg Klotz und Kurt Welser.

Die Feier begann mit der Frontabschreitung der Schützen durch den Bürgermeister von Eppan, Wilfried Trettl, den Landeskommandanten des Südtiroler Schützenbundes, Major Roland Seppi, den Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB), Roland Lang und den Gedenkredner, Ehrenlandeskommandant Major Elmar Thaler.

Die Musikkapelle Frangart begleitete anschließend die Marketenderinnen und Schützen durch die Gassen von St. Pauls zum Kirchgang in die Pfarrkirche. Pater Reinald Romaner zelebrierte die Heilige Messe und würdigte die christliche Lebensführung Sepp Kerschbaumers.

Bild: Südtiroler Schützenbund
Bild: Südtiroler Schützenbund

Nach dem Kirchgang marschierten die Teilnehmer zum Friedhof, wo er SHB-Obmann Roland Lang die Anwesenden begrüßte. Neben den Schützen waren auch viele Teilnehmer aus der Zivilbevölkerung der Einladung gefolgt. Die starke Teilnahme breiter Bevölkerungsschichten unterstreicht, dass die Verdienste von Sepp Kerschbaumer und seine Mitstreiter für unser heutiges Südtirol breite Anerkennung finden und unbestritten sind.

Der ehemalige Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Elmar Thaler, bei seiner Gedenkrede. (Bild Südtiroler Schützenbund)
Der ehemalige Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Elmar Thaler, bei seiner Gedenkrede. (Bild Südtiroler Schützenbund)

Der Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB) Roland Lang (links) und der Landeskommandanten des Südtiroler Schützenbundes, Major Roland Seppi (am Mikrophon). (Bild Südtiroler Schützenbund.)
Der Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB) Roland Lang (links) und der Landeskommandanten des Südtiroler Schützenbundes, Major Roland Seppi (am Mikrophon). (Bild Südtiroler Schützenbund.)

Der Ehrenlandeskommandant und Gedenkredner Elmar Thaler unterstrich in seiner Rede die Bedeutung des Opfertodes Sepp Kerschbaumers für die Geschichte Südtirols. Es gehe nach wieder darum, Einsatz für die Heimat zu zeigen und sich Sepp Kerschbaumer zum Vorbild zu nehmen.

Auch der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Schützenmajor Roland Seppi, würdigte Kerschbaumer und seine Kameraden.

Im Anschluss der Gedenkrede spielte die Musikkapelle Frangart das Lied vom „Guten Kameraden“. 

Die Ehrensalve feuerte die Schützenkompanie Sepp Kerschbaumer Eppan ab. Abgeschlossen wurde die sehr würdige Gedenkfeier mit der Tiroler Landeshymne und der österreichischen Bundeshymne.

Ansprache von Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)

„Ich begrüße alle Tirolerinnen und Tiroler, Marketenderinnen und Schützen aus allen Teilen Tirols, Heimatbundmitglieder und Volksvertreter!

En salüde y benodü a düc i scizeri y la jont de dötes les vals dla Ladinia.

Un Benvenuto ai Tirolesi di madrelingua italiana, alle Marketenderinnen e ai Schützen! Anche a tutti gli altri amici! Grazie per la vostra partecipazione.

Liebe Landsleute!

Jedes Jahr kommen wir zu diesem würdigen Gedenken an Sepp Kerschbaumer zusammen. Wir erinnern uns eines beispielhaften Mannes, der sein Leben selbstlos in den Dienst der Heimat stellte und Opfer der Staatsgewalt wurde. 

Wir verneigen uns vor Frauen und Männern, die alles für die Heimat opferten. 

Einige Tage nach der Sepp-Kerschbaumer Gedenkfeier des vergangenen Jahres hat der italienische Staatspräsident den Pusterer Bua Heinrich Oberleiter begnadigt. 

Willkommen Heinrich in der Heimat, für die Du so viele Opfer und Entbehrungen in Kauf genommen hast!

Aber Sepp Forer und Siegfried Steger dürfen noch immer nicht einreisen. Wo bleibt der Einsatz unserer Politiker für eine Generalamnestie?

In diesem Jahr jährte sich zum 100. Mal die Machtergreifung des Faschismus. 

Dem Faschismus war jedes Mittel Recht, die Südtiroler zu schikanieren bzw. ihre Identität auszulöschen. Höhepunkt war das mit Hitler-Deutschland ausgehandelte Optionsabkommen.

Auch Sepp Kerschbaumer bekam die faschistische Unterdrückung am eigenen Leib zu spüren: Bei einem Wiesenfest 1934 in St. Pauls sang er mit anderen Jugendlichen Tiroler Lieder. Der faschistische Präfekt Mastromattei hatte ihn daraufhin nach Süditalien verbannt. Erst im Spätherbst 1935 kam der 22-jährige junge Kaufmann Sepp Kerschbaumer von seiner ersten Verurteilung wieder nach Hause. 

Beinahe auf den Tag genau 100 Jahre später hat Italien wieder eine Rechtsregierung. Bedenklich waren bereits die ersten Personalentscheidungen der Wahlsiegerin Meloni. So unter anderem, dass Ignazio La Russa Senatspräsident geworden ist – ein Mann, der stolz darauf ist, dass in seinem Wohnzimmer eine Mussolini-Statue steht.

Der SHB hat im Juli 2022 in einer Italienweiten Umfrage zum hundertsten Jahr der Machtergreifung des Faschismus seine Befürchtungen bestätigt erhalten: Mehr als die Hälfte der Befragten, 55,8%, erklärten, dass der Faschismus in Italien immer noch nicht aufgearbeitet ist.  

Einhellig mit mehr als 85% die Verurteilung einiger Verbrechen der Faschisten, wie Konzentrationslager, Rassengesetze und Giftgas. Auch die Unterdrückung der Minderheiten wird mit 87 % verurteilt.

Aber bei Südtirol und den faschistischen Relikten wackelt der zur Schau getragene Antifaschismus: Mehr als die Hälfte der Befragten sehen das Siegesdenkmal, Beinhäuser und die Relikte als Zeichen der italienischen Italianità, die die Südtiroler gefälligst zu respektieren haben.

Südtirols Schützen haben gemeinsam mit dem Heimatbund und vielen Demokraten am 1. Oktober in Bozen ein klares Zeichen gegen den Faschismus gesetzt. Vielen Dank dafür!

Vergessen wir nicht: Meloni trat als 15-Jährige in die Jugendorganisation des Movimento Sociale Italiano (MSI) ein, einer Partei, die nach dem zweiten Weltkrieg von Faschisten gegründet worden war. 2012 gründete sie dann die Partei Fratelli d’Italia, die in ihrem Symbol noch heute eine Flamme hat, welche an das Grab Mussolinis erinnert. Meloni betonte immer wieder, dass sie stolz auf das Wappen sei.

Italien hat vor 45 Jahren, am 25. Oktober 1977, mit Gesetz Nr. 881 die UNO-Menschenrechtspakte ratifiziert und damit zu geltendem staatlichem Recht erklärt. 

Artikel 1 besagt: „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechtes entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“ 

Außerdem erklärte damit Italien, die in diesem Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen zu gewährleisten.

Wann will Italien diese Verpflichtung endlich einhalten? Wir werden Rom jedenfalls immer wieder daran erinnern und es immer wieder neu fordern! Das sind wir all jenen schuldig, die wie Kerschbaumer alles für die Heimat gegeben haben!

Ich ersuche nun den Ehrenlandeskommandant Elmar Thaler um die Gedenkrede

Ich möchte nun Pater Reinald Romaner um ein Gebet bitten.“

Zur Erinnerung:

Das Leben Sepp Kerschbaumers

Sepp Kerschbaumer. Gemälde von Rudolf Comploier.
Sepp Kerschbaumer. Gemälde von Rudolf Comploier.

Sepp Kerschbaumer wurde am 9. November 1913 in Frangart bei Bozen geboren. Am 10. September 1934 wurde der 22 Jahre alte Kaufmannsohn, wie damalige Zeitungsberichte belegen, mit weiteren 9 Burschen und zwei Mädchen von Geheimagenten und Carabinieri verhaftet und in Ketten in das Bozner Gefängnis eingeliefert. Die Jugendlichen wurden beschuldigt, am Tag vorher, am Sonntag, den 9. September, beim Wiesenfest der Musikkapelle St. Pauls verbotene deutsche Lieder gesungen zu haben. 

Mitte Oktober 1934 wurden die Burschen und Mädchen ohne Verteidigung von der faschistischen Verbannungskommission einvernommen und verurteilt. Die beiden Mädchen wurden für fünf Jahre unter Polizeiaufsicht gestellt. Die zehn Burschen wurden zu mehreren Jahren Verbannung nach Süditalien verurteilt. Sepp Kerschbaumer war zu zwei Jahren Verbannung nach Lagonegro in Süditalien verurteilt worden. 

Sepp Kerschbaumer (Bildmitte) zusammen mit Freunden auf einer Radtour im Jahre 1934
Sepp Kerschbaumer (Bildmitte) zusammen mit Freunden auf einer Radtour im Jahre 1934

Aus einem Bericht der Innsbruck erscheinenden Zeitung „Der Südtiroler“ vom 1. Dezember 1934
Aus einem Bericht der Innsbruck erscheinenden Zeitung „Der Südtiroler“ vom 1. Dezember 1934

Ab 1957 protestierte Kerschbaumer mit Flugzetteln gegen die fortgesetzte faschistische Politik der Unterdrückung und geförderten Massenzuwanderung aus dem Süden. Er hisste die verbotene Tiroler Fahne auf dem Kirchturm in Frangart und letztendlich gründete er zusammen mit verzweifelten Landsleuten, die keinen anderen Ausweg mehr sahen, den „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS). 

Es kam zu den Verzweiflungsanschlägen der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961, die letztlich auf lange Sicht eine gewaltige Wende in der Politik einleiten sollten, zunächst aber zu Massenverhaftungen und schweren Folterungen führten.

Die verbotene Tiroler Fahne auf dem Kirchturm in Frangart. Für das öffentliche Zeigen der Tiroler Farben wurde Sepp Kerschbaumer nach Paragraph 654 des immer noch Geltung befindlichen faschistischen Strafgesetzbuches (Codice Penale“ von 1930) wegen „aufhetzender Kundgebung“ zu 10 Tagen Haft verurteilt. Der Staatsanwalt hatte in der Verhandlung die Tiroler Fahnen als „stracci“ - als „Fetzen“ - bezeichnet.
Die verbotene Tiroler Fahne auf dem Kirchturm in Frangart. Für das öffentliche Zeigen der Tiroler Farben wurde Sepp Kerschbaumer nach Paragraph 654 des immer noch Geltung befindlichen faschistischen Strafgesetzbuches (Codice Penale“ von 1930) wegen „aufhetzender Kundgebung“ zu 10 Tagen Haft verurteilt. Der Staatsanwalt hatte in der Verhandlung die Tiroler Fahnen als „stracci“ – als „Fetzen“ – bezeichnet.

Verhaftung und Folterung Sepp Kerschbaumers 

Am 15. Juli 1961 wurde der Gründer und Kopf des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS), der Frangarter Gemischtwarenhändler und Kleinbauer Sepp Kerschbaumer, verhaftet, in die Carabinieri-Kaserne von Eppan gebracht und schwerstens misshandelt. 

Der ebenfalls verhaftete Josef Fontana aus Neumarkt im Unterland wurde Sepp Kerschbaumer am 17. Juli 1961 um 17 Uhr abends gegenübergestellt. Der Eindruck, den Kerschbaumer auf ihn machte, konnte er kaum in Worte fassen. Was er sah, war „ein Mensch in seiner tiefsten Erniedrigung.“ (Josef Fontana / Hans Mayr: „Sepp Kerschbaumer“, Bozen 2000, S. 146) 

Sepp Kerschbaumer wurde aus dem Kreis seiner Familie gerissen. Vor ihm lagen Folter, Haft und Tod.
Sepp Kerschbaumer wurde aus dem Kreis seiner Familie gerissen. Vor ihm lagen Folter, Haft und Tod.

Martin Koch aus Bozen und Sepp Kerschbaumer (rechts) sind verhaftet worden und werden nun in die Carabinieri-Kaserne eingeliefert. 
Martin Koch aus Bozen und Sepp Kerschbaumer (rechts) sind verhaftet worden und werden nun in die Carabinieri-Kaserne eingeliefert.

Sepp Kerschbaumer hat das, was mit ihm geschehen war, am 4. September 1961 in einem Schreiben geschildert, welches keinen Adressaten trug und aus dem Gefängnis hinaus geschmuggelt und der Südtiroler Volkspartei übergeben wurde. 

Der Brief liegt heute im Südtiroler Landesarchiv in Bozen unter den Archivalien der Südtiroler Volkspartei.

Der Briefanfang
Der Briefanfang

Der Brief lautet:

„Gefängnis Bozen, 4. September 1961

Schildere hier die Mißhandlungen, die ich beim Verhör durch die Karabinieri von Eppan und dort selbst erleiden mußte. Sofort nach der Verhaftung am 15. Juli 1961 als ich in der Frühe um 6-7 Uhr in die Kaserne eingeliefert wurde, wurden an mich verschiedene Fragen gestellt die ich verneinte. 

Daraufhin wurde ich in ein anderes Lokal geführt, wo ich sofort mit Hände hoch stehen mußte, in dieser Position mußte ich von 7 Uhr früh bis 2 Uhr Nachmittag, um welche Zeit ich dann bis 6 Uhr abends in die Zelle gesperrt wurde. Dann ging es wieder von 6 Uhr abends bis 3 Uhr in der Früh gleich wie zuvor. 

So mußte ich im ganzen 16 Stunden mit erhobenen Händen stehen. Als ich die Arme nicht mehr ganz in die Höhe halten konnte, riß man sie mir wieder empor, zu alldem wurde ich in dieser Zeit immer wieder im Gesicht in der Brust und am Rücken mit der flachen Hand oder den Fäusten geschlagen, zudem wurde ich immer wieder auf das gemeinste verspottet, nicht nur ich, sondern besonders auch unser ganzes Volk samt Führung, in der letzten Zeit der Mißhandlung war ich so mit meinen Kräften darnieder, daß ich mich nur mehr mit der größten Mühe aufrecht erhalten konnte. 

Ich schwitzte und zitterte am ganzen Leibe und war so erschöpft, daß ich nur mehr einen Wunsch hatte, nämlich zu sterben. Als ich den Karabinieri sagte, sie sollen mich frisch umbringen, wurden sie erst recht prutal. 

Beim späteren Verhör wurde mir immer wieder mit der Streckbank gedroht.

Dies entspricht alles der reinen Wahrheit und ich kann es gar nicht so schrecklich schildern, wie es in Wirklichkeit sich alles zugetragen hat.

Sepp Kerschbaumer, geb. am 9. 11. 1913 in Frangart“

(Wörtliche Wiedergabe des Originalbriefes. SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen)

Das Ende des Briefes
Das Ende des Briefes

Mit ihm sein Land Tirol

Im Ersten Mailänder Südtirolprozeß im Jahre 1964 wuchs Sepp Kerschbaumer als Hauptangeklagter über sich hinaus. 

Er verwandelte das Gerichtsverfahren in ein Tribunal über die römische Politik in Südtirol und er beeindruckte damit nicht nur die deutschen und österreichischen Medien, sondern auch die Weltpresse. 

Sepp Kerschbaumer wurde in Mailand am 16. Juli 1964 zu 15 Jahren und 11 Monaten Haft verurteilt und nach dem Prozess in das Gefängnis von Verona verlegt. Dort starb er am 7. Dezember 1964 im Alter von 51 Jahren – viel zu früh – der Herztod, für den wohl auch die erlittene Folter mit ursächlich gewesen war. 




Neuerscheinung: Rosa Pöll – Die Frau des Freiheitskämpfers

Im Südtiroler EFFEKT! VERLAG ist ein Buch erschienen, in welchem die ehemalige Südtiroler Landtagsabgeordnete Dr. Eva Klotz das bewegte Leben ihrer Mutter Rosa Pöll-Klotz schildert.

Hier kann das Buch direkt über den Verlag bestellt werden: https://effekt-shop.it/shop/buecher/rosa-poell/

Buchvorstellung

Eva Klotz: „Rosa Pöll – Die Frau des Freiheitskämpfers“ 

Zeit: Dienstag, 29. November 2022, 19 Uhr
Ort:  Kolpinghaus Bozen, Josefssaal

Ablauf der Veranstaltung:

  • Gesanglicher Gruß
  • Eröffnung und Moderation durch den Verlagsleiter Elmar Thaler
  • Einführung durch die Autorin Eva Klotz
  • Gesangliche Einlage
  • Vorstellung durch die Historikerin Dr. Margareth Lun
  • Lesung aus dem Buch
  • Abschließende Worte und gesanglicher Ausklang
  • Umtrunk

Das Leben einer tapferen Frau 

Die 1920 geborene Rosa Pöll war die Tochter eines Bergbauern in Ulfas. Als Kind erlebte sie den Faschismus und erhielt heimlichen „Katakombenunterricht“ in deutscher Sprache. Dieses Erlebnis prägte sie und bewog sie, selbst Lehrerin zu werden.

Rosa Pöll-Klotz zusammen mit ihrem Mann Georg Klotz
Rosa Pöll-Klotz zusammen mit ihrem Mann Georg Klotz

1950 heiratete sie den späteren Freiheitskämpfer Georg Klotz, den Mitgründer des Südtiroler Schützenbundes. Als ihr Jörg nach der Feuernacht des Jahres 1961 flüchten musste, hielt sie die Familie zusammen und zog unter ärmlichen Verhältnissen sechs Kinder groß. Darunter war ihre Tochter Eva, die ihr jetzt mit diesem Buch ein Denkmal der Erinnerung setzt.

Die Autorin Dr. Eva Klotz
Die Autorin Dr. Eva Klotz

Rosa Pöll-Klotz musste Terror und die Demütigungen durch die Carabinieri in ihrem Haus und stundenlange Kontrollschikanen erdulden. Sie ließ sich nicht brechen.

Rosa Pöll-Klotz zusammen mit ihren Kindern auf dem Begräbnis von Luis Amplatz. Das Mädchen mit den langen Zöpfen auf dem Bild ist ihre Tochter Eva.
Rosa Pöll-Klotz zusammen mit ihren Kindern auf dem Begräbnis von Luis Amplatz. Das Mädchen mit den langen Zöpfen auf dem Bild ist ihre Tochter Eva.

Sie nahm zusammen mit ihren Kindern an dem Begräbnis des ermordeten Freiheitskämpfers Luis Amplatz teil und besuchte ihren Mann Georg Klotz im österreichischen Exil. 

Am 12. Oktober 1967 wurde sie verhaftet, weil sie nicht bereit gewesen war, ihren nach Österreich geflüchteten Mann zu verraten und zu belasten. 

Italienischer Zeitungsbericht über die Verhaftung von Rosa Pöll-Klotz.
Italienischer Zeitungsbericht über die Verhaftung von Rosa Pöll-Klotz.

In endlosen Verhören vor einer starken Quarzlampe erblindete sie beinahe. Ihre kleine Tochter Eva wurde ebenfalls verhaftet und stundenlang verhört. Rosa Pöll-Klotz verbrachte 14 Monate lang in Untersuchungshaft. Sie wurde nach ihrer Entlassung unter Polizeiaufsicht mit täglicher Meldepflicht gestellt. Die Wiederaufnahme ihres Lehrerberufes wurde ihr nicht gestattet. Durch das Erteilen von Nachhilfestunden und durch Gelegenheitsarbeiten hielt sie die Familie notdürftig über Wasser.

Erst nach dem Tod ihres Mannes Georg Klotz durfte Rosa Pöll-Klotz im Jahre 1976 wieder unterrichten und konnte sich dadurch eine kleine Alterspension sichern. 

Sie starb im Juni 2022.

In einem Nachruf des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) sagte dessen Obmann Roland Lang: 

„Sie wird uns allen unvergesslich bleiben. Der Herr belohne sie für all das Gute, das sie getan hat!“




Roms unveränderte Zielsetzung: Beseitigung der Identität Südtirols

„Ich rede deutsch, ich denke deutsch, ich träume deutsch. Ich habe einen italienischen Paß, aber fühle mich nicht als Italienerin. Und das wird immer so bleiben.“

(Verena Duregger, freie Journalistin, Autorin und Moderatorin, bei der Vorstellung ihres Buches „Die Pusterer Buben“ am 15. Mai 2014 in der Athesia-Buchhandlung von Bruneck.)

„Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache. Die Entfremdung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten und leichtesten, wenn auch am leisesten vor sich.“

(Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835)

Es ging immer um die sprachlich-kulturelle Auslöschung der deutschen Volksgruppen

Entnationalisierungsmaßnahmen vor und während des Faschismus

Die Entnationalisierungspolitik Roms hatte bereits unmittelbar nach der Inbesitznahme Südtirols Ende 1918 einzusetzen begonnen. Es galt, eine Einheitsnation in einem Einheitsstaat zu etablieren. Hier wurde eine wesentliche Zielsetzung des Faschismus vorweggenommen.

Im Rom wusste man, dass man jene Jahrgänge, die im Weltkrieg die Grenzen des Landes verteidigt hatten, kaum zu nationalistisch begeisterten Italienern umformen konnte. Das Konzept lautete daher, die deutsche und die ladinische Jugend italienischsprachig zu erziehen. 

Die Muttersprache ist nämlich viel mehr als nur ein Mittel zur Verständigung: sie ist das Abbild der Seele, der Ausdruck des Geistes, die Grundlage jeder menschlichen Kultur und des Wesens der Völker! Verliert ein Mensch oder ein Volk die Muttersprache, werden das „Ich“ und „Wir“ verloren! 

Dr. Johann Lauber, Leiter des „Institutes für Integrative Gestalttherapie“ in Wien, erklärte dazu in einem ORF-Interview:

„Gut verwurzelt in der eigenen familiären und ethnischen Herkunft zu sein, gibt uns Menschen Halt. Wenn diese Verbindungen gestört oder unterbrochen sind, macht uns das in der Regel schwach. Ängste oder Depressionen sind dann häufig anzutreffen“.

Noch vor der Machtergreifung des Faschismus wurden von den königlich-militärischen Behörden bereits deutsche Schulen in italienische Schulen mit italienischer Unterrichtssprache umgewandelt. Deutsche Priester, die sich dagegen stellten, wurden behördlich verfolgt.

In der Zeit des Faschismus wurden die deutschen Volksschulen ebenso wie die Kindergärten und Kinderhorte in italienische Einrichtungen umgewandelt. Es war das Verdienst des deutschen Klerus, den geheimen „Katakomben-Unterricht“ unterstützt und selbst in den Pfarrhöfen geheimen deutschen Schulunterricht durchgeführt zu haben. Sie haben maßgeblich den kulturellen Volksmord – den Ethnozid – verhindert.

Priester wurden deshalb überfallen, von Faschisten schwer misshandelt und von den italienischen Behörden mit Ketten gefesselt in die Verbannung geschickt.

Von 1945 bis heute: Die Wahrung des faschistischen Erbes 

Die Betonung der „Italianität“ Südtirols wird nach wie vor von weiten Kreisen der italienischen Bevölkerung begrüßt. Nur so ist es zu erklären, dass bis heute die faschistischen Denkmäler in Südtirol sorgsam vom Staat erhalten und gepflegt werden und als Kulisse für nationalistische Kundgebungen dienen können.

Gedenkfeier von Alpini-Veteranen vor dem faschistischen Alpini-Denkmal in Bruneck, welches die Rolle der Alpini bei dem Völkermord in den afrikanischen Kolonien Italiens verherrlicht. Zu solcher Verherrlichung passt, dass der Alpinioffizier Gennero Sora, der in Abessinien als Massenmörder schreckliche Kriegsverbrechen gegen wehrlose Zivilisten verübt hat, immer noch Ehrenbürger von Brixen ist. (Mitteilung aus: Internetportal Unser Tirol 24, 26. Februar 2020)
Gedenkfeier von Alpini-Veteranen vor dem faschistischen Alpini-Denkmal in Bruneck, welches die Rolle der Alpini bei dem Völkermord in den afrikanischen Kolonien Italiens verherrlicht. Zu solcher Verherrlichung passt, dass der Alpinioffizier Gennero Sora, der in Abessinien als Massenmörder schreckliche Kriegsverbrechen gegen wehrlose Zivilisten verübt hat, immer noch Ehrenbürger von Brixen ist. (Mitteilung aus: Internetportal Unser Tirol 24, 26. Februar 2020)

Alpini feiern vor dem Finanzamt in Bozen, welches mit einem Fries geschmückt ist, auf welchem der reitende „Duce“ Mussolini die Bürger dazu auffordert: „Glauben, gehorchen, kämpfen!“
Alpini feiern vor dem Finanzamt in Bozen, welches mit einem Fries geschmückt ist, auf welchem der reitende „Duce“ Mussolini die Bürger dazu auffordert: „Glauben, gehorchen, kämpfen!“

Nationalistische Feier vor dem faschistischen „Siegesdenkmal“ in Bozen, dessen Säulen als „fasci“ – faschistische Liktorenbündel – gestaltet sind.
Nationalistische Feier vor dem faschistischen „Siegesdenkmal“ in Bozen, dessen Säulen als „fasci“ – faschistische Liktorenbündel – gestaltet sind.

Von 1945 bis heute: Angriffe auf die deutsche Sprache und Kultur

  • „Siamo in Italia!“: Diesen rassistisch angehauchten Satz hören die Südtiroler jeden Tag. Jeden Tag wird ihre kulturelle Identität und ihr Menschenrecht auf Verwendung der Muttersprache mit offen gezeigter Ablehnung staatlicher Stellen in Frage gestellt.
  • Die mehrheitlich von dem Faschisten Tolomei erfundenen italienischen Ortsnamen sind bis heute die amtlichen Namen, die deutschen Bezeichnungen sind nur geduldet.

  • 1993 war die Gleichstellung der deutschen mit der italienischen Sprache bei Gericht in Kraft getreten. 2005 wurde diese Regelung durch eine Beschränkung der Übersetzungen bei zweisprachigen Prozessen wieder ausgehöhlt.
  • Den Südtirolern steht gesetzlich der Gebrauch ihrer Muttersprache im Verkehr mit den Behörden zu. 2005 berichtete jedoch die Austria Presse Agentur APA, dass die italienische Polizei einen Südtiroler bedroht bzw. eingeschüchtert habe, weil er mit ihnen deutsch und nicht italienisch gesprochen habe. Die Staatspolizei habe dabei geltendes Recht nicht nur missachtet, sondern auch dessen Existenz abgestritten. (APA0543 5 AA 0210)
  • *Ebenfalls 2005 untersagte Rom dem Land Südtirol die Verwendung einsprachiger Werbung. (APA0607 5 AA 0127 WA)
  • 2008 wurde die gerichtliche Anzeige eines Südtirolers gegen die Missachtung der Doppelsprachigkeit durch die italienische Post durch die Bozner Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
  • 2009 teilte der Südtiroler Landtagsabgeordnete Sven Knoll der Öffentlichkeit mit, dass Jugendlichen in der Carabinierikaserne in Meran einer „Sonderbehandlung“ unterzogen und mit Gummiknüppeln geprügelt worden seien, nachdem sie gesetzeskonform verlangt hatten, dass die Amtshandlung in deutscher Sprache geführt werde. Einem Jugendlichen sei durch Schläge ins Gesicht die Nase gebrochen worden. (Pressekonferenz in Bozen am 24. Juni 2009)

Schlagspuren bei einem der Jugendlichen. (Foto veröffentlicht von Sven Knoll)
Schlagspuren bei einem der Jugendlichen. (Foto veröffentlicht von Sven Knoll)

  • 2009 hielt Südtirols Landeshauptmann Durnwalder auf einer UNESCO-Veranstaltung in Auronzo seine Begrüßungsworte auch auf Deutsch. Italienische Zuhörer pfiffen ihn aus und der für Italien zuständige Kommissionspräsident der Unesco, Giovanni Puglisi, verglich in einem Interview im Bozner „Corriere dell‘ Alto Adige“ den Landeschef sogar mit dem lybischen Diktator Gaddafi. (APA0220 5 AA 0264 KA)
  • Das Musikstück „Dem Land Tirol die Treue“ ist allgemein bekannt. Als in Lana Schüler Poloshirts mit dieser Aufschrift samt gesticktem Tiroler Adler trugen, mussten sie auf Weisung der Lehrer die Kleider wechseln. 

„Dolomiten“ vom 21. August 2015 
„Dolomiten“ vom 21. August 2015

*2016 gab der SVP-Parlamentarier Hans Berger nach einem Treffen mit dem italienischen Staatspräsidenten gegenüber italienischen Journalisten eine Erklärung ab, in welcher er als Vertreter der deutschen Volksgruppe auch einige Sätze auf Deutsch sagte. Der italienische Radiomoderator Giuseppe Cruciani erklärte daraufhin am 14. Dezember 2016 im Rundfunksender „RADIO 24“: „Parla in te-des-co! Davanti alle telecamere. Parla in tedesco, sono diventato pazzo. Ma come in tedesco? Beh sì, perché dice… si rivolge alla minoranza. No! Esci dal quirinale, parli davanti agli italiani. Poi a casa tua, a Bolzano parli in quella minchia di tedesco di merda. Ma non puoi, cioè… non puoi parlare in tedesco davanti al quirinale. Parli in i-ta-lia-no, non in tedesco. Queste cose mi fanno impazzire.“

Auf Deutsch: „Er spricht Deutsch! Vor den Fernsehkameras. Er spricht Deutsch, ich werde verrückt. Aber warum Deutsch? Ja, er sagt… er wendet sich an die Minderheit. Nein! Verlass den Quirinals-Palast, du sprichst zu den Italienern. Dann, bei dir zu Hause, in Bozen, kannst du dein Scheißdreck von Deutsch sprechen. Aber du darfst nicht, … du darfst nicht Deutsch im Quirinals-Palast reden. Sprich in I-ta-lie-nisch, nicht in Deutsch. Diese Dinge bringen mich zum Durchdrehen.“

*Am 16. September 2021 stellte die „Süd-Tiroler Freiheit“ im Südtiroler Landtag den Antrag, dass die italienische Bezeichnung „Südtirolo“ amtlich anerkannt werde und damit auch neben der vom Faschismus verordneten Bezeichnung „Alto Adige“ verwendet werden könne. Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) lehnte dies ab und die SVP stimmte daher im Landtag zusammen mit italienischen Abgeordneten dagegen.

Dies sind zur Illustration des Geschehens nur einige Beispiele aus einer Flut von Begebenheiten

Eine Rom-hörige politische Führung begünstigt den italienischen Kulturkampf gegen Südtirol

Kein Aktionen für die Wiederherstellung der ausgehöhlten Autonomie

Bereits vor zwei Jahren hat der Jurist Matthias Haller aus Sterzing in seiner Doktorarbeit „Südtiroler Minderheitenschutzsystem“ aufgezeigt, dass Südtirol, bedingt durch staatliche Autonomie-Aushöhlungen, bei rund der Hälfte aller Kompetenzbereiche heute nicht mehr das Niveau von 1992 erreiche. 2022 wurde ihm dafür der „Silvius-Magnago-Preis“ der gleichnamigen Akademie verliehen. („Dolomiten“ vom 15. April 2022)

Man hätte nun annehmen müssen, dass der SVP-Landeshauptmann Arno Kompatscher eine Studienkommission zur Untersuchung dieses Sachverhaltes einsetzen würde, die den Auftrag hätte, die Gewichtung der Mängel zu beurteilen und Vorschläge für die Wiederherstellung der beschädigten Kompetenzbereiche zu machen. Nichts dergleichen geschah!

Stattdessen schwangen LH Arno Kompatscher (SVP), der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und der italienische Außenminister Luigi di Maio auf einer offizielle Jubelveranstaltung unter dem Titel „30 Jahre Streitbeilegung vor den Vereinten Nationen – Südtirols Autonomie als gemeinsame Verantwortung“ salbungsvolle Reden. LH Kompatscher erklärte Südtirol-Autonomie zu einem „Vorzeigemodell“ und forderte gleichzeitig in seltsamem Widerspruch dazu, dass man die verloren gegangenen Kompetenzen wieder herstellen müsse.

In Wahrheit hat Arno Kompatscher im Einklang mit den Wünschen Roms dazu beigetragen, Reformbestrebungen für die Autonomie zu Grabe zu tragen. Ein auf Betreiben von Kompatscher 2016 eingesetzter Autonomiekonvent, dem Fachleute aller Richtungen angehörten, hatte in zahlreichen Sitzungen Vorschläge für die Wiederherstellung und Sicherung er Autonomie erarbeitet und der Landesregierung übermittelt. Alle diese Vorschläge verschwanden auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung. 

Kompatscher ist ein Gegner der Forderung nach Doppelstaatsbürgerschaft für die Südtiroler.

Kompatscher unternimmt nichts gegen die andauernde Überflutung des Landes durch Asyltouristen, die nach Erlernen der italienischen Sprache und Erhalt der italienischen Staatsbürgerschaft der italienischen Sprachgruppe zugezählt werden und damit das alte römische Ziel unterstützen, die Südtiroler in ihrem eigenen Land zur Minderheit zu machen.

Doch was kann man von so einem Mann erwarten?

Im Wahlkampf von 2018 warb Kompatscher mit der nichtssagenden Floskel „Gemeinsam dem Morgen entgegen“ um italienische Wählerstimmen.
Im Wahlkampf von 2018 warb Kompatscher mit der nichtssagenden Floskel „Gemeinsam dem Morgen entgegen“ um italienische Wählerstimmen.

In der „TAGESZEITUNG Online“ vom 11. Juni 2014 erklärte Kompatscher auf die Frage, ob er für die deutsche Fußballnationalmannschaft sei: „Ich bin seit jeher Fan der italienischen Nationalmannschaft und drücke ihr … die Daumen.“

Der Rom ergebene Arno Kompatscher hat in einer jüdischen Zeitschrift erklärt: „Mein Geschichtsprofessor im Bozner Realgymnasium, der Historiker Leopold Steurer, ist heute noch mein Mentor und Freund.“ („David-Jüdische Kulturzeitschrift“, Ebenfurth/Österreich, Ausgabe 18, Heft 12803/2021)

Dieser „Mentor und Freund“, der Historiker Leopold Steurer, führt sich ständig als Ankläger gegenüber seinen Landsleuten auf. Überall ortet er Reste „nazistischer“ Gesinnung und prangert diese an.

Der Mentor und Freund Steurer – der „rote Poldi“.
Der Mentor und Freund Steurer – der „rote Poldi“.

Steurer war als Lehrer unter seinen Schülern bereits als der „rote Poldi“ bekannt. Er war ein politischer Freund des linksextremen Alexander Langer, der sich in der noch links von dem „Partito Comunista Italiano“ (PCI) stehenden linksextremen Bewegung „Lotta Continua per il Comunismo“ – „Fortwährender Kampf für den Kommunismus“ – betätigte.

In einem Interview mit dem Südtiroler Wochenmagazin „FF“ vom 25. Jänner 2001 erklärte Steurer seine damalige eigene Gesinnung. Er gab seiner Bewunderung für Rotchina und den Massenmörder Mao Ausdruck : „… da strahlte schon eine gewisse Faszination aus … Die Intellektuellen waren die Verräter, nicht aber die Arbeiter und Bauern, und bei uns haben sich die Intellektuellen als Proletarier gefühlt und auch so gekleidet. Deshalb gab es mit China keinen Widerspruch.“

Das Mao-Regime brachte Millionen Andersdenkende um. „… da strahlte schon eine gewisse Faszination aus.“
Das Mao-Regime brachte Millionen Andersdenkende um. „… da strahlte schon eine gewisse Faszination aus.“

In der Folge wurde  der „rote Poldigrün und kandidierte auch bei Wahlen erfolglos auf grünen Listenplätzen. An seiner politischen Einstellung dürfte sich nicht viel geändert haben. Die kommunistische Senatorin Lidia Menapace von der Partei „Rifondazione Comunista“ („Kommunistische Wiedergründung“) sah sich dazu bewogen, in einer Steurer-Geburtstags-Festschrift einen Beitrag zu veröffentlichen, in welchem sie die „tiefe Freundschaft“ zu „Poldi“ hervorhebt, dem sie alles Gute wünscht und den sie fallweise trifft, um mit ihm an einem „Kampf“ teilzunehmen. (Christoph von Hartungen, Hans Heiss, Günther Pallaver, Carlo Romeo, Martha Verdorfer (Hrsg.): „Demokratie und Erinnerung. Südtirol – Österreich – Italien“, Festschrift für Leopold Steurer zum 60. Geburtstag, Innsbruck-Wien-Bozen 2006, S. S. 236)

Lidia Menapace von der „Rifondazione Comunista“.
Lidia Menapace von der „Rifondazione Comunista“.

Zu dem „roten Poldi“ passt, dass er den Südtiroler Schützenmajor und Freiheitskämpfer Georg Klotz als „Kriminellen“ bezeichnete. (Südtiroler Wochenmagazins „FF“ vom 25. Jänner 2001)

Eine Stimme aus dem Volk

Zu Arno Kompatscher passt, dass er 2022 an dem Gedenkmarsch des Südtiroler Schützenbundes zur Erinnerung an den faschistischen „Marsch auf Bozen“ am 1. Oktober 2022 nicht teilnahm, sondern stattdessen lieber eine Alpini-Versammlung in Bozen besuchte. 

Landeshauptmann Arno Kompatscher (2. von rechts) im Kreis seiner Alpini-Kameraden.
Landeshauptmann Arno Kompatscher (2. von rechts) im Kreis seiner Alpini-Kameraden.

Dazu sei eine Stimme aus dem Volk wiedergegeben, die wohl für sehr viele Mitbürger sprach. Ein Leserbriefschreiber brachte am 20.10.2022 in den „Dolomiten“ den Zorn sehr vieler Südtiroler zum Ausdruck: Es ist immer wieder das gleiche Spiel. Vor 100 Jahren marschierten die Faschisten mit ihren Truppen durch Bozen, besetzten das Rathaus und beendeten die Demokratie. 100 Jahre später marschierten die Alpini am gleichen Wochenende mit Tricolore zum faschistischen Gerichtsplatz und feiern sich und ihre Italianita unter dem Duce-Relief mit Senator Luigi Spagnioli und Landeshauptmann Arno Kompatscher im Tricolore-Meer. Der Historiker Hannes Obermair und der pensionierte Geschichtslehrer Leopold Steurer, deren persönliche Einordnung jedem Südtiroler klar sein dürfte, erkennen hingegen absolut keine Parallelen, sondern unterstellen stattdessen den Schützen, die auf den faschistischen ‚Marsch auf Bozen‘ würdig, historisch korrekt und mahnend erinnert haben, irgendetwas Abstruses. Die Hintergründe sind klar: Irgendwer muss die Bozner Stadtpolitik und den Landeshauptmann decken, die sich lieber in Grün-Weiß-Rot feiern lassen und 100 Jahre nach dem Marsch auf Bozen eine gute Ausrede für ihre fragwürdige ‚Marende‘ bei den Alpini brauchen.“

Die gezielte Umformung der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) unter Kompatscher

Dr. Franz Pahl
Dr. Franz Pahl

Bereits am 24. Mai 2018 hat der ehemalige SVP-Landtagsabgeordnete und Regionalratspräsident Dr. Franz Pahl in dem Internet-Portal „SALTO“ in einem Interview über seine Partei und über Kompatscher gesagt: Es seien wesentliche Grundsätze der Südtirol-Politik und der Volkstumspolitik längst aufgegeben worden. Diese Entwicklung hat mit dem Amtsantritt von Landeshauptmann Arno Kompatscher begonnen und ist inzwischen unter seiner Führung zum System geworden. …

Ich blicke mit größter Sorge auf die Zukunft des Landes, weil wesentliche Grundlagen der Südtirol-Politik nicht mehr existent sind und sogar ins Gegenteil verdreht wurden. Und das ist die Politik von Landeshauptmann Arno Kompatscher.

Somit kann ich nur mit großer Sorge auf die Partei und das Land blicken. Denn es geht letztlich um die Existenz der Südtiroler als Deutsche und Ladiner im fremden Staat Italien.“

Das alles ist eine Tragödie! Leider zeichnet sich kurzfristig keine wesentliche Änderung ab. Es ist zu hoffen, dass endlich positive Gegenkräfte auf breiter Ebene in dieser Partei tätig werden.




Kundgebungen gegen den Faschismus und für die Landeseinheit

Grenzsteinverhüllungen

Mit einer landesweiten „Nachdenkaktion“ hat die „Süd-Tiroler Freiheit“ am 10. Oktober 2022 an die Annexion Süd-Tirols durch Italien vor 100 Jahren gedacht. Am Brenner, in Winnebach, am Reschen, auf dem Staller Sattel, auf dem Pfitscherjoch und auf dem Timmelsjoch wurden die Grenzsteine mit einer Tiroler Fahne verhüllt. Gleichzeitig wurde an den Grenzsteinen eine Tafel angebracht, mit der die zukünftige italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni aufgefordert wird, Süd-Tirol zurückzugeben.

Von links nach rechts: Dr. Eva Klotz, Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle vor dem Grenzstein am Brenner.
Von links nach rechts: Dr. Eva Klotz, Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle vor dem Grenzstein am Brenner.

Auf einer Pressekonferenz am Brenner erklärten die Landtagsabgeordneten der Süd-Tiroler Freiheit, Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle sowie die langjährige Landtagsabgeordnete Dr. Eva Klotz vor den Medien:

Wir nehmen der Unrechtsgrenze heute ganz bewusst ihre Sichtbarkeit und zeigen durch das Verhüllen des Grenzsteins mit der Tiroler Fahne auf, dass wir hier nicht an der Grenze, sondern in der Mitte von Tirol stehen. Italien hat am Brenner nichts verloren!

Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Italien und Europa ist es wichtig daran zu erinnern, dass derartige Unrechtsgrenzen und die Annexion fremder Territorien niemals akzeptiert werden dürfen. Unrecht wird nicht zur Recht, nur weil es lange genug dauert.“

Gedenkmarsch der Schützen – Erinnerung an den faschistischen „Marsch auf Bozen 1922“

Plakette des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB).
Plakette des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB).

Am 1. Oktober 2022 veranstaltete der Südtiroler Schützenbund in Bozen gemeinsam mit dem Südtiroler Heimatbund (SHB) eine Gedenkveranstaltung zu dem vor 100 Jahren durchgeführten faschistischen „Marsch auf Bozen“, bei dem faschistische Milizen aus dem oberitalienischen Raum in Bozen die Macht an sich gerissen, die Kaiserin-Elisabeth-Schule und das Rathaus besetzt und den Bürgermeister, Dr. Julius Perathoner abgesetzt hatten.

Die deutsche Schule war damals in „Scuola Regina Elena“ (Auf Deutsch: „Schule Königin Elena“) umbenannt und 700 deutschen Kindern war die Schule genommen worden. 

An der diesjährigen Gedenkveranstaltung nahmen an die 2.000 Schützen, Marketenderinnen sowie Gäste aus nah und fern teil. Unter den Teilnehmern befanden sich unter anderem auch der Bozner Vize-Bürgermeister Luis Walcher (SVP), die Landtagsabgeordneten Myriam Atz Tammerle (STF), Sven Knoll (STF) und Andreas Leiter-Reber (Freiheitliche).

Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher war leider nicht zu sehen, er besuchte eine Alpini-Versammlung in Bozen.

 

Landeshauptmann Arno Kompatscher (2. von rechts) in Gesellschaft seiner Alpini-Freunde.
Landeshauptmann Arno Kompatscher (2. von rechts) in Gesellschaft seiner Alpini-Freunde.

Nach einem Gedenkmarsch der Schützen durch die Stadt Bozen, wobei an der ehemaligen Kaiserin-Elisabeth-Schule eine Gedenktafel zur Erinnerung an die gewaltsame Besetzung und Umbenennung der Schule gezeigt wurde, folgte die Hauptveranstaltung auf dem Rathausplatz.

Die Begrüßung nahm der Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang, vor. 

 

Bild links: Die von den Schützen präsentierte Gedenktafel. Bild rechts: der SHB-Obmann Roland Lang. (Bilder: Südtiroler Schützenbund.)
Bild links: Die von den Schützen präsentierte Gedenktafel. Bild rechts: der SHB-Obmann Roland Lang. (Bilder: Südtiroler Schützenbund.)

Roland Lang sagte unter anderem:

„Wenn ich mich umsehe, so zeigt dieser politische Trauertag, der mit der faschistischen Besetzung dieses Rathauses seinen Höhepunkt erreichte, doch auf, dass die Rechnung der Faschisten nicht aufgegangen ist!

Ein feiger, zaudernder italienischer König hatte auf Druck der Faschisten am 29. September 1922 die Bestätigung der Wahl von Julius Perathoner zum Bürgermeister widerrufen. Eine Bestätigung, die er als König von Italien vor einigen Monaten selbst unterschrieben hatte. Eine von vielen gesetzeswidrigen Schritten gegen die Südtiroler, denen viele weitere Vertragsbrüche und Schikanen folgen werden. …

100 Jahre nach dem Überfall der Faschisten bestätigt eure Anwesenheit, dass die Rechnung der schwarzen Diktatur nicht aufgegangen ist. Wir sind noch da! Das verdanken wir tapferen Familien und unerschrockenen Geistlichen, die in der Faschistenzeit unsere Sprache und Kultur verteidigt haben. Das verdanken wir aber auch den Freiheitskämpfern der 1960er Jahre, die sich gegen die Fortführung der faschistischen Entnationalisierungspolitik erhoben haben.“

Die Südtiroler Historikerin Margareth Lun, beleuchtete in einem Referat die tragischen Vorgänge des 1. und 2. Oktober 1922 präzise. Der Marsch auf Bozen sei inszeniert gewesen und als Staatsstreich zu werten, weil die Staatsbehörden mitspielten.

Bild links: Historikerin Margareth Lun. Bild rechts: Rechtsanwalt Nicola Canestrini. (Bilder: Südtiroler Schützenbund.)
Bild links: Historikerin Margareth Lun. Bild rechts: Rechtsanwalt Nicola Canestrini. (Bilder: Südtiroler Schützenbund.)

Die Hauptrede hielt der aus Rofreit (ital.: Rovereto) stammende Welschtiroler Rechtsanwalt Nicola Canestrini. Er sagte unter anderem:

„Dem Südtiroler Schützenbund und dem Heimatbund sollte die Gesellschaft dankbar sein. Damit meine ich nicht nur die deutsch- und italienischsprachigen Südtiroler, sondern auch Italiens Gemeinschaft.

Denn es ist Heimatbund und Schützen zu verdanken, dass wir heute ‚gezwungen‘ sind, uns mit dem  100.Jahrestag des Marsches der Faschisten auf Bozen auseinanderzusetzen.

Mit einigen wenigen löblichen Ausnahmen … bricht diese Initiative ein allgemeines Schweigen. Und ich sehe hier leider keine offiziellen Stellvertreter jenes Staates, der doch Gründe dafür hätte, hier mit uns am 1. Oktober am Ratshausplatz zu stehen.

Doch war der Marsch auf Bozen die Präambel zur Machtergreifung Mussolini’s in Italien, die Eingangstür für zwei Jahrzehnte verheerender Tyrannei des Faschismus und des Nationalsozialismus  in ganz Europa.“ 

Wer zu dem Unrecht schweige, sagte Canestrini, mache sich mitschuldig. Man wisse heute, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind und dass wir alle einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen sollten. Dieses Zusammenkommen solle ein Bekenntnis zu den Grundwerten sein.

Die Veranstaltung wurde mit der Verlesung eines Manifest beschlossen, in welchem eine offene Debatte über faschistische Relikte und Geschichtsfälschungen in Südtirol gefordert und ein Bekenntnis zu dem Recht auf Selbstbestimmung abgelegt wurde.

Nachklänge

Ein besonderer Südtiroler Historiker als RAI-Kommentator

Die „Radiotelevisione Italiana“ (RAI) ist die öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt Italiens. Sie ist als staatliche Aktiengesellschaft organisiert. Ein Schelm, wer denkt, dass Regierungsparteien Einfluss auf die objektive und faire Berichterstattung haben könnten.

Um diese Fairness auch hinsichtlich der Berichterstattung über den Schützenmarsch in Bozen sicherzustellen, ließ der Sender RAI Bozen am 1. und am 2. Oktober 2022 in der Tagesschau einen besonderen Südtiroler Historiker zu Wort kommen. Es war dies Dr. Hannes Obermair, der in den letzten Jahren für die italienisch regierte Gemeinde Bozen tätig gewesen war. 

Beweise für die Ausgewogenheit und Objektivität von Hannes Obermair

Er ist ein Mann, dessen Objektivität schon 2018 öffentlich sichtbar geworden war, als er als Vertreter der Partei „Grüne Verdi Vërc“ auf der Liste „Liberi e Uguali“ (LeU) („Freie und Gleiche“) für den Senat kandidiert hatte, allerdings, ohne ein Mandat zu erlangen.

Südtiroler sozialdemokratische Zungen setzen bis heute die Unterstellung in die Welt, diese „Freien und Gleichen“ seien als eine kommunistisch orientierte Gruppierung anzusehen gewesen. Das kann natürlich nicht stimmen, da ja Hannes Obermair für sie kandidiert hat.

Als weiterer Beweis für die faire Ausgewogenheit des Hannes Obermair ist anzuführen, dass der im August 1961 Geborene heute als Vorstandsmitglied der Sektion Alto Adige der italienischen Partisanenorganisation des Zweiten Weltkrieges, der „Associazione Nazionale Partigiani d’Italia“ (ANPI) tätig ist. Wie war es jedoch möglich, dass ein nach dem Zweiten Weltkrieges geborener Deutschsüdtiroler ein italienischer „Partisan“ werden konnte?

Ganz einfach: Laut Statut dieser Organisation können ihr auch später geborene italienische „Patrioten“ beitreten, wenn sie und mit ihrer Unterschrift bezeugen, dass sie „Antifaschisten“ sind.

Was der italienische  „Patriot“ und Nachkriegs-„Partisan“ Obermair über den Schützenmarsch zu sagen hatte

Dr. Hannes Obermair am 1. Oktober 2022 in der RAI Südtirol
Dr. Hannes Obermair am 1. Oktober 2022 in der RAI Südtirol

Am 1. Oktober 2022 kam Obermair in der deutschen „Tagesschau 10 nach 10“ des Senders RAI Südtirol erstmals zu Wort, um den Zusehern zu erklären, was es mit dem Marsch der Schützen eigentlich auf sich hatte: 

„Ich empfinde den Marsch der Schützen etwas als schräg, weil er ja einerseits gegen den Faschismus sich richtet, andererseits für Tirol – also das ist ja das Schlagwort – und auch den letzten deutschen Bürgermeister Perathoner ins Schild hebt.

Es ist aber zugleich aus Ausdruck dessen, das es keinen etablierten Antifaschismus in Südtirol gibt, denn es müssten andere Kräfte aufstehen und andere Kräfte müssten gegen den Faschismus marschieren und andere Kräfte müssten in Erinnerung rufen, dass was vor einer Woche in den Wahlurnen geschah, durchaus bedenkliche Züge trägt.“ 

Jetzt wussten die Zuseher, dass der Marsch der Schützen „schräg“ gewesen sei, weil er auch „für Tirol“ durchgeführt wurde und weil er den Bürgermeister Perathoner „ins Schild“ gehoben habe. (Was auch immer das bedeuten mag.)

Obermair hatte auch gefordert, dass es „andere Kräfte“ als jene der Schützen sein müssten, die gegen den Faschismus zu marschieren hätten. Leider hatte er nicht erklärt, was ihn und seine rot-grünen Genossen eigentlich daran gehindert habe, als „andere Kräfte“ gegen den Faschismus zu demonstrieren?

Dr. Hannes Obermair am 2. Oktober 2022 in der RAI Alto Adige
Dr. Hannes Obermair am 2. Oktober 2022 in der RAI Alto Adige

Am 2. Oktober 2022 vertiefte Obermair in der italienischen „Tagesschau“ des Senders RAI Alto Adige (Südtirol) um 14 Uhr 15 seine Aussagen, indem er in italienischer Sprache erklärte: Der 1922 abgesetzte Bozner Bürgermeister Perathoner sei „Antifaschist“ („antifascista“) gewesen, „weil er vor allem Antiitaliener war.“ („perche era anzitutto antiitaliano“.) 

Dafür lieferte er keine Belege. Es blieb nur bei diesem Satz. Vielleicht meinte er, dass bei einer Qualifizierung durch eine herausragende Fachkraft wie ihn sich die Anführung von Beweisen erübrige. 

Ein weiterer besonderer Südtiroler Historiker als Leserbriefschreiber

Der Gedenkmarsch der Schützen rief auch den mittlerweile schon betagten Historiker und ehemaligen Altmarxisten und späteren „Grünen“ Leopold Steurer auf den Plan. Dieser war seinerzeit von dem kommunistischen Genickschuss-Regime des chinesischen Massenmörders Mao fasziniert gewesen, wie er in einem Interview selbst bekannt hatte (Südtiroler Wochenmagazin „FF“ vom 25. Jänner 2001). Unter Kollegen war der damalige Lehrer Steurer mit dem Beinamen „Roter Poldi“ bekannt. 

In der Ausgabe des Südtiroler Wochenmagazins „FF“ vom 25. Jänner 2001 hatte Leopold Steurer ein Interview gegeben, in welchem er den toten Georg Klotz und andere Freiheitskämpfer beschimpfte:

„… Klotz und andere, wo es wirklich um Kriminelle geht und um Terroristen. Die wurden verharmlosend als ‚Aktivisten’, als ‚Südtirol-Aktivisten’, bezeichnet, das muss man sich vorstellen.“

Derlei Beschimpfungen der Südtiroler Freiheitskämpfer der 1960er Jahre hatte Steurer auch in der „Radiotelevisione Italiana“ (RAI) und bei anderen Gelegenheiten in Interviews von sich gegeben.

Eine besondere Glanzleistung hatte Steurer allerdings im Jahre 2009 hingelegt. In einem Buchbeitrag beschuldigte er den „Befreiungsausschuß Südtirol“ (BAS), ohne dafür irgendeinen Beweis vorzulegen, das Andreas-Hofer-Denkmal am Morgen des 1. Oktober 1961 auf dem Bergisel bei Innsbruck in provokatorischer Absicht gesprengt zu haben. Es sollte eine italienische Täterschaft vorgetäuscht werden, um eine „Welle nationaler Empörung“ gegen Italien zu erzeugen. (Leopold Steurer: „Nachwort- historische Hintergründe zur Feuernacht“, in: Manuel Fasser: „„Ein Tirol – zwei Welten. Das politische Erbe der Südtiroler Feuernacht von 1961“, Innsbruck-Wien-Bozen 2009, S. 184)

Leider war Leopold Steurer entgangen, dass bereits im Jahre 1965 der in Italien verhaftete Neofaschist Giorgio Massara gestanden hatte, zusammen mit den jungen Neofaschisten Tazio Sergio Poltronieri, Franco Panizza und Luciano Rolando aus Verona damalige Anschläge in Österreich verübt zu haben. Man hatte bei ihnen in den Wohnungen auch Beweise für ihre Täterschaft des Anschlags auf dem Bergisel gefunden. Am 25. Januar 1969 hatte das Gericht in Verona dann die Angeklagten zu lächerlich geringen Freiheitsstrafen verurteilt. Darüber berichteten damals „Corriere della Sera“, „Alto Adige“ sowie die Südtiroler „Dolomiten“.

Der Südtiroler Historiker Hans Karl Peterlini hat das zeitgeschichtliche Material einschließlich gerichtlicher Akten eingehend analysiert und ist zu dem eindeutigen Urteil gekommen: „Am Bergisel 1961 hat nicht der BAS zugeschlagen, es begann der italienische Gegenterror.“ (Hans Karl Peterlini: „Feuernacht – Südtirols Bombenjahre 1961 – 2011“, Bozen 2011, S. 257)

Trotz solcher Fehlleistung als Historiker sah sich Steurer nun veranlasst, am 11. Oktober 2022 in einem Leserbrief  unter dem Titel „Antifaschismus? Sage mir, mit wem du gehst …“ in der Tageszeitung „Dolomiten“ den Schützen die antifaschistische Haltung abzusprechen. 

Er warf den Schützen vor: Im Jahre 1991, vor 33 Jahren, sei bei dem ersten Schützenmarsch gegen das faschistische Siegesdenkmal in Bozen unter etwa 2.000 Teilnehmern doch tatsächlich ein Schütze „mit Nazi-Auszeichnungen des Zweiten Weltkrieges“ mitmarschiert. 

Na, so etwas! Nach einer solchen, erst 33 Jahre zurückliegenden Handlung eines Schützen, wagen es die Schützen tatsächlich, wiederum gegen den Faschismus zu demonstrieren! Da ist man wirklich sprachlos! 

Allerdings hat der antifaschistische Steurer nicht erklärt, warum nicht er mithilfe seinen roten oder grünen Genossen gegen den Faschismus demonstriert. 

Am 12. Oktober 2022 erschien in den „Dolomiten“ die Antwort des ehemaligen freiheitlichen Südtiroler Landtagsabgeordneten Pius Leitner an Leopold Steurer:




Vor 100 Jahren: Der faschistische Marsch auf Bozen

Vor rund 100 Jahren kündigte sich mit dem berüchtigten „Marsch auf Bozen“ bereits die bevorstehende faschistische Machtergreifung in Italien an.

Am 12. September 1922 hatten die Bozener Faschisten eine Reihe von Forderungen an den Gemeinderat von Bozen gestellt. Unter anderem hatten sie den Rücktritt des deutschbewussten Bürgermeisters Dr. Julius Perathoner verlangt. Perathoner war deshalb zur Zielscheibe der Italiener geworden, weil er am 4. November 1918 von den deutschen Parteien zum Vorsitzenden eines „Südtiroler Nationalrates“ gewählt worden war, der sich vergeblich gegen den Anschluss Südtirols an Italien gestellt hatte. 

Als der Gemeinderat den Bürgermeister nicht absetzte und auch andere Forderungen nicht erfüllte, kamen am 2. Oktober 1922 tausende schwer bewaffnete Faschisten nach Bozen. Sie wurden von keiner Behörde daran gehindert. 

Schlagzeile in den „Bozner Nachrichten“ vom 2. Oktober 1922.
Schlagzeile in den „Bozner Nachrichten“ vom 2. Oktober 1922.

Sie besetzten gewaltsam die deutsche Elisabethschule, tauften sie „Scuola Regina Elena“ (Auf Deutsch: „Schule Königin Elena“) und erklärten, dies sei jetzt die italienische Schule von Bozen. Damit wurde 700 deutschen Kindern die Schule genommen. Dann drangen die Faschisten ins Rathaus ein und zwangen den Gemeinderat zum Rücktritt. Statt dass die italienische Regierung der faschistischen Gewalt mithilfe des Militärs Einhalt gebot, erklärte der König in Rom den Bozener Bürgermeister Dr. Julius Perathoner für abgesetzt. Anstelle des Bürgermeisters und des Gemeinderates wurde ein staatlicher Kommissar als Verwalter eingesetzt.

Links: Die treibende Kraft dieser Aktion war vor allem der aus Apulien stammende politische Sekretär des „fascio“ von Bozen, Achille Starace (ganz links im Bild), der es noch zum Generalsekretär der Faschistischen Partei („Partito Fascista Nazionale“ – PNF) bringen sollte. Rechts: Der abgesetzte Bürgermeister Dr. Julius Perathoner.
Links: Die treibende Kraft dieser Aktion war vor allem der aus Apulien stammende politische Sekretär des „fascio“ von Bozen, Achille Starace (ganz links im Bild), der es noch zum Generalsekretär der Faschistischen Partei („Partito Fascista Nazionale“ – PNF) bringen sollte. Rechts: Der abgesetzte Bürgermeister Dr. Julius Perathoner.

Ein sensationelles neues Buch von Günther Rauch 

Über dieses Geschehen und darüber, was sich in der Folge daraus entwickelte, hat der Südtiroler Historiker Günther Rauch ein herausragendes Werk verfasst.

„Der Marsch auf Bozen“
„Wie der Fall Südtirol Mussolini und Hitler Lust auf mehr machte“

Günther Rauch: „DER MARSCH auf BOZEN. Wie der Fall Südtirol Mussolini und Hitler Lust auf mehr machte.“
Hardcover, 654 Seiten, 14×21,6 cm; reich bebildert
Effekt-Verlag Neumarkt/Südtirol 2022, ISBN 978-8-89-705398-9
€ 27,40

Der Autor Günther Rauch war von 1979 bis 1991 Vorsitzender des „Allgemeinen Gewerkschaftsbundes in Südtirol“, Mitarbeiter des „Europäischen Gewerkschaftsbundes“ (EGB) und auch in führenden Positionen in der Wirtschaft tätig. 

Vor allem aber ist Günther Rauch ein herausragender Zeithistoriker Südtirols, dessen Werke unverzichtbar sind. Hier seien  nur jene genannt, über die bereits in den Ausgaben des „Südtirol-Information-Dienstes“ (SID) berichtet wurde:

Italiens vergessenes Konzentrationslager“ (21.9.2018);
„Lautlose Opfer“ (13.11.2020);
„Bozner Obstplatz“ (18.5.2021).

Nachfolgend eine Besprechung seines neuesten Werkes

von Georg Dattenböck

Am 23.September 2022 durfte ich im Kolpinghaus in Bozen zusammen mit über 100 Persönlichkeiten aus Süd-, Welschtirol und Österreich die Präsentation des Buches „Der Marsch auf Bozen“ erleben. Dieses ist zweifellos ein nicht nur für Südtirol, sondern für die gesamte Geschichte Europas sehr wichtiges Werk und in mehrfacher Hinsicht eine historisch-politische Bombe!

Rauch liefert bislang unbekannte Details über die enge Zusammenarbeit zwischen Mussolini und Hitler, die nach dem „Marsch auf Bozen“ einsetzte. Dazu gehörte die geheime Finanzierung des politischen Aufstieges der Hitler-Bewegung durch den „Duce“. Der Buchautor belegt alle diese Enthüllungen mit Dokumenten, die er in Archiven aufgespürt und nun erstmalig veröffentlicht hat.

Der Verleger Elmar Thaler berichtete auf der Veranstaltung über das Werden des Buches und die lebhafte und gute Zusammenarbeit mit Günter Rauch. 

Dieses Bild zeigt mich (rechts) zusammen mit dem Verleger Elmar Thaler auf der Veranstaltung.
Dieses Bild zeigt mich (rechts) zusammen mit dem Verleger Elmar Thaler auf der Veranstaltung.

Zum Inhalt des Buches meldeten sich nach der Begrüßung durch Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), bedeutende Persönlichkeiten zu Wort: 

Luis Walcher, Vizebürgermeister der Stadt Bozen und der Landeskommandant-Stellvertreter des „Südtirol-Schützen-Bundes“, Christoph Schmidt lobten den Autor und sein wichtiges Werk. 

Die Lektorin, die bekannte Südtiroler Historikerin Dr. Margreth Lun, betonte in ihrer Rede, dass Günther Rauch die Südtiroler Geschichtsliteratur mit seinem Werk bereichert habe. Alles, was Günther Rauch mit diesem Buch aufgedeckt hat, kann er mit Quellen belegen.“

Von links nach rechts: Roland Lang begrüßte die Versammelten, Dr. Margareth Lun und der Autor Günther Rauch referierten über das Buch.
Von links nach rechts: Roland Lang begrüßte die Versammelten, Dr. Margareth Lun und der Autor Günther Rauch referierten über das Buch.

Der Bozner Rechtswissenschaftler Dr. Josef Perkmann schloss sich dieser Beurteilung voll an und die ehemalige SVP-Landtagsabgeordnete und Historikerin Martha Stocker sowie die ehemalige Landtagsabgeordnete Dr. Eva Klotz sprachen ebenfalls lobende Dankesworte. 

Der Trentiner Alt-Landeshauptmann Carlo Andreotti; bedankte sich bei dem Autor dafür, dass dieser in seinem Werk nicht auf die italienischsprachigen „tirolesi“ im Trentino vergessen habe, denn beide Landesteile hätten eine gemeinsame Geschichte.

Die Rede des Trentiner Alt-Landeshauptmannes Carlo Andreotti wurde von Frau Sartori verlesen. (Bild: UT24)
Die Rede des Trentiner Alt-Landeshauptmannes Carlo Andreotti wurde von Frau Sartori verlesen. (Bild: UT24)

Mussolinis Aufstieg zur Macht – Korruption, Blut und Verbrechen

Rauch präsentiert im 1. Teil seines Buches viele unbekannte, jedoch stets belegte Fakten zu Mussolinis steilem Aufstieg. Im Kapitel „Vom Pazifisten zum revolutionären Kriegstreiber“ zeichnete er mit Genauigkeit das zunächst unglaubliche Doppelgesicht des mit so viel Blut und Verbrechen befleckten Demagogen: 

„Zwei Tage vor der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien (28. Juni 1914) betitelte Mussolini als Chefredakteur des ‚Avanti‘ seinen Leitartikel mit: ‚Nieder mit dem Krieg! Keinen Soldaten und keinen Cent für den Krieg! Koste es, was es wolle! Wenn die gekrönten Häupter die Mobilisierung wollen, dann gibt es Revolution.“

Doch insgeheim war Mussolini für den Krieg: „Die Wandlung Mussolinis vom Pazifisten zum Kriegshetzer hatte, wie man sich vorstellen kann, hohe Wellen geschlagen… Mussolini hatte sich dem ‚sacro egoismo‘, dem ‚heiligen Eigennutz‘ folgend, in die Front der revolutionären Interventionisten, Eroberer und Annexionisten begeben.“

In dem Kapitel „Mit Schmiergeldern Agitrop und Hetzblättern finanziert“ beschreibt Rauch akribisch, dass „innerhalb weniger Tage nach seinem Ausscheiden aus dem ‚Avanti‘ Mussolini eine dreibundfeindliche und kriegshetzerische Zeitung ‚Il Popolo d’Italia‘ (Das Volk Italiens) gründete … Für ihn war der Krieg ein revolutionärer Faktor…“

Dieses von mir im Internet aufgefundene Bild unterstreicht den Bericht von Günther Rauch. Es zeigt die kriegshetzerische Schlagzeile in dem „Quotidiano Socialista“ (der „Sozialistischen Tageszeitung“) „Il Popolo d’Italia“ („Das Volk Italiens“) vom 21. Jänner 1915: „Für den Sozialismus und für den Krieg: Gegen die Fossilien!“
Dieses von mir im Internet aufgefundene Bild unterstreicht den Bericht von Günther Rauch. Es zeigt die kriegshetzerische Schlagzeile in dem „Quotidiano Socialista“ (der „Sozialistischen Tageszeitung“) „Il Popolo d’Italia“ („Das Volk Italiens“) vom 21. Jänner 1915: „Für den Sozialismus und für den Krieg: Gegen die Fossilien!“

Besonders aufschlussreich wird es ab dem Kapitel „Geld wie Heu, das nur abzuholen war.“ Hier wird im Detail beschrieben, wie Mussolini die Millionen seines ersten „Judaslohnes“ im Hotel d’Angletere in Genf von den Vertretern der Entente-Staaten nur abzuholen brauchte. Es war Geld aus den Kassen der alliierten Rüstungsindustrie, den Kriegs- und Spionagefonds Frankreichs und Englands. Allein aus den französischen Geheimdepots flossen 25 Millionen Goldfranken nach Mailand bzw. in eine Genfer Bank. „Der Widerwille gegen die Freimaurerei hat Mussolini nicht gehindert, die Schwelle einer freimaurerischen Loge zu überschreiten, um die Gelder in Empfang zu nehmen, die die französische Regierung ihm 1914 zur Verfügung stellte, um den ‚Popolo d’Italia‘ zu gründen und die Agitation für Italiens Kriegseintritt einzuleiten.“

Hauptzeugen für die bodenlose Korruptheit Mussolinis und seines Verrates an seinem eigenen Land werden von Rauch vielfach zitiert. Rauch berichtet unter Bezugnahme auf Zeitzeugen, dass Mussolini im Jahre 1904 als „junger Vagabund in der französischen Schweiz Spitzeldienste für die französische Polizei geleistet hatte“.

Schweizer Polizeifoto des jungen Benito Mussolini.
Schweizer Polizeifoto des jungen Benito Mussolini.

Wie Mussolini die NSDAP und Hitler finanzierte – und damit den Weg in das Unheil Europas bereitete

In dem 2. Teil des Buches zitiert Günter Rauch einleitend Philipp Scheidemann (1856-1939), den damaligen Reichspräsidenten der Nationalversammlung:

Nationalsozialistische Arbeiterpartei. National? Man erinnere sich der zynischen Preisgabe Südtirols durch Adolf Hitler (…) Hitler sagte am 14.November 1922 in München: ‚Ein klarer Verzicht auf Südtirol ist nötig. In der Politik gibt es keine Sentiments, sondern nur Kaltschnäuzigkeit.‘‘“

Bereits am 17.April 1920 erklärte Hitler in einer Rede im Münchner Hofbräuhaus, dass der „Erbfeind“ Frankreich sei. Am 1. August 1920, berichtet Rauch, ließ Hitler auf einer Veranstaltung in der Rosenau in Nürnberg „das Thema einer italienischen Allianz anklingen … – in einer Zeit, als die italienischen Faschisten mit einem ansatzweise antikapitalistischen Programm bereits ihre Stoßtruppen, die ‚Fasci di combattimento‘, aufbauten.“

Wenige Tage vor der im italienischen Parlament vollzogenen Zerreißung des alten Landes Tirol, am 29.9.1920, sprach Hitler zwei Stunden im Stadtsaal in Innsbruck: „Zu Südtirol schwieg er.“ Die Innsbrucker Volkszeitung stempelte ihn deswegen als „politischen Komödianten ab.“

Mussolini besuchte Deutschland bereits vor seinem Marsch auf Bozen und dem darauf folgenden Marsch auf Rom, Dabei wurden auch Fäden zur NSDAP gesponnen. Rauch berichtet:

Vom 7. bis 17. März 1922 war Benito Mussolini in Begleitung seines Privatsekretärs Alessandro Chiavolini in Berlin und München. Die Reise nach Deutschland erfolgte wenige Monate vor seiner gut in Szene gesetzten republikanischen Abschwörung in Udine, dem Sturm auf das ‚staatenlose‘ Bozen, der Stippvisite nach Budapest zum Faschisten Miklós Horthy, zu den rechten Bewegungen in Prag und London und dem Marsch auf Rom.“

Im Grundsatzprogramm der DAP und der NSDAP war damals noch Forderung auf Rückgabe Südtirol enthalten. Das war Hitler lästig. Rauch berichtet:

„Erst als der lästige Punkt Südtirol von den Nationalsozialisten ad acta gelegt wurde und sich das Einschwenken der Nationalsozialisten auf Mussolinis ethnische Säuberung und Vertreibung als Mittel der Politik längst vollzogen hatte, war im Jahr 1929 in der 5. Auflage des NSDAP-Programms (S. 42) an die Stelle der Worte ‚in Südtirol‘ Elsaß-Lothringen getreten. Diese grundsätzliche Programmänderung war wenige Wochen vor dem im Amtsgericht München am 6. Mai 1929 beginnenden großen Hitler-Prozess gefallen. Bei diesem, wie bei den nachfolgenden Prozessen, ging es um die italienisch-freundliche Haltung Hitlers in der Südtirolfrage, die auf italienische finanzielle Unterstützung an die NSDAP und Waffenlieferungen an die bayerischen Putschisten und Braunhemden zurückzuführen war.“

Die herzliche Komplizenschaft wurde auch öffentlich bekundet. 1932 überbrachte der nationalsozialistische Funktionär Theodor Eicke vor dem „Siegesdenkmal“ in Bozen dem faschistischen Herzog Filiberto Ludovico di Pistoia die persönlichen Grüße Hitlers.
Die herzliche Komplizenschaft wurde auch öffentlich bekundet. 1932 überbrachte der nationalsozialistische Funktionär Theodor Eicke vor dem „Siegesdenkmal“ in Bozen dem faschistischen Herzog Filiberto Ludovico di Pistoia die persönlichen Grüße Hitlers.

Kurz nach dem Ersten Weltkrieg sprach Hitler aus rein taktischen Gründen über das Unrecht der Brennergrenze. In Wahrheit bekämpfte er führende Parteigenossen, die es mit Südtirol ernst nahmen, in späterer Folge mit allen Mitteln, bis hin zum gemeinen Mord.

Rauch berichtet: „Spätestens seit seiner Entlassung aus einer vier Wochen langen Kerkerhaft (wegen Gewalttaten bei einer Versammlung der Bayernbündler) am 4. August 1922 fing Hitler an, sich offen von der alten Überzeugung der Nationalsozialisten zu lösen und ein neues glorifizierendes Licht auf Italien zu lenken.“

Hitler begann, sich an Mussolini und den Faschismus anzubiedern. Sein „glorifizierendes Licht“ auf Mussolinis Italien wird dem Leser immer mehr verständlich, wenn über die von Günther Rauch in vielen Kapiteln aufgedeckten, tausendfach verschlungenen Wege der verdeckten Zusammenarbeit mit den Faschisten und vor allem über die vielen geheimen Wege des Geldflusses zu Hitler liest, die Rauch schonungslos aufdeckt: 

Das mit italienischen Banknoten bezahlte Terrornetzwerk lief in München zusammen… 18 Millionen Mark aus Italien für Hitlers Südtirol-Verrat… Südtirol verrecke: für viele Millionen Lire… Werner Abel enthüllt Hitlers italienische Geldquellen… OVRA-Agenten: Duce finanzierte Hitlers Aufstieg… Italiens Diplomaten gaben unverblümt die NSDAP-Finanzierungen zu“, so lauten einzelne Kapitel-Überschriften.  

Es war bisher schon ansatzweise bekannt gewesen, dass Mussolini den Aufstieg der NSDAP und Hitlers finanziell unterstützt hatte. Das gewaltige und korrupte Ausmaß des Geschehens war aber bisher nicht aufgedeckt worden. Günther Rauch zieht nach vielen Jahrzehnten die verhüllende Decke weg und legt dokumentarisch belegt die umfassende Wahrheit vor. 

Fazit: Man muss dieses Buch von Günther Rauch gelesen haben, um die Beweggründe und die Tiefe des Verrates von Adolf Hitler an Südtirol zu begreifen, der 1939 in dem schändlichen Versuch der Aussiedlung der Südtiroler aus ihrer eigenen Heimat gipfelte. 




Was steht Südtirol unter einer Regierung Meloni bevor?

Bild: via wikipedia.org, Hermann Tertsch y Victor Gonzalez, CC0, Link, Bearbeitung: SID-Redaktion

Am 25. September 2022 ging eine von der italienischen Politikerin Giorgia Meloni und ihrer Partei „Fratelli d’Italia“ angeführte nationalistische Parteien-Allianz („Fratelli d’Italia“, „Lega“, Forza Italia“ und „Noi Moderati“) mit 43,9 % der Stimmen für die Abgeordnetenkammer (112 Sitze von 200 Sitzen)  und 44 % der Stimmen für den Senat (235 Sitze von 400 Sitzen) als Sieger aus den Parlamentswahlen hervor.

Das Bündnis konnte diesen Erfolg einfahren, weil es berechtigte Forderungen der Bürger wie Eindämmung der Zuwanderung aus dem orientalischen und afrikanischen Raum vertreten und Italiens christliche Wurzeln gepriesen hatte. 

Giorgia Meloni wird also demnächst als Premierministerin Italiens eine mit Gesinnungsgenossen bestückte Regierung bilden.

Für Südtirol bedeutet dieser Wahlsieg jedoch kaum Gutes – und dies liegt in der Persönlichkeit der Frau Meloni begründet.

Der Werdegang der Frau Giorgia Meloni

Sie wuchs als Tochter einer Sizilianerin und eines Sarden in Rom auf und trat im Alter von 15 Jahren der „Fronte della Gioventù“ („Jugendfront“) bei, der Jugendorganisation des neofaschistischen „Movimento Sociale Italiano“ (MSI). Später betätigte sie sich in der „Alleanza Nazionale“ (AN), einer Nachfolgepartei des neofaschistischen MSI. 2006 wurde sie auf der Liste dieser Partei in die Abgeordnetenkammer in Rom gewählt.

Im MSI war es üblich, mit dem von Benito Mussolini erfundenen „saluto romano“ zu grüßen. Der Chef der „Alleanza Nazionale“ (AN), Gianfraco Fini, warb sogar auf Wahlplakaten trotz gesetzlichen Verbotes mit dem faschistischen Gruß. Giorgia Meloni grüßte vorsichtshalber mit der linken Hand.
Im MSI war es üblich, mit dem von Benito Mussolini erfundenen „saluto romano“ zu grüßen. Der Chef der „Alleanza Nazionale“ (AN), Gianfraco Fini, warb sogar auf Wahlplakaten trotz gesetzlichen Verbotes mit dem faschistischen Gruß. Giorgia Meloni grüßte vorsichtshalber mit der linken Hand.

Im Dezember 2012 gründete Meloni zusammen mit dem ebenfalls aus der neofaschistischen Bewegung MSI kommenden Ignazio La Russa die Partei „Fratelli d’Italia“ („Brüder Italiens“). Im März 2014 wurde sie zur Vorsitzenden gewählt. Ihr Partner La Russa sollte 2020 dann übrigens vorschlagen, den faschistischen Gruß „saluto romano“ wieder öffentlich zu erlauben. („Dolomiten“ vom 30. September 2022)

Politische Positionierungen der Frau Meloni

Nach der Wahl tauchte im Internet ein Video über ein Interview auf, welches Meloni einem französischen Fernsehsender gegeben hatte. In diesem Video konnte man Folgendes von ihr hören:

„Ich denke, dass Mussolini ein guter Politiker war. Alles, was er gemacht hat, hat er für Italien gemacht. Es gab keine anderen Politiker wie ihn in den letzten 50 Jahren.“

   

Autonomie – „im Gesamtspektrum der nationalen Einheit“

Am 21. September 2022 veröffentlichten „Dolomiten“ eine Stellungnahme, die Giorgia Meloni der Tageszeitung hatte zukommen lassen. In Bezug auf die Autonomie gab sie unverbindliche Sprechblasen von sich wie: „Starke Autonomie in einem starken Staat“. 

Aus „Dolomiten“ vom 21. September 2022.
Aus „Dolomiten“ vom 21. September 2022.

Die Autonomie dürfe nicht nur für muttersprachliche Gruppen gelten, sondern „sie hat den Vorteil, ein ganzes Gebiet aufzuwerten.“

Die Autonomie müsse „im Gesamtspektrum der nationalen Einheit“ stehen. Sie brauche übrigens „innerhalb eines staatlichen Gefüges nicht geschützt zu werden, weil niemand sie angreift.“ 

Es gebe allerdings „Bereiche von strategischem nationalen Interesse … bei denen es angebracht ist, der Zentralregierung die Führung zu überlassen und die Regionen mit anderen Aufgaben zu betreuen.“

Politische Beobachter befürchten, dass sich hinter dem ganzen Geschwafel die Absicht verbirgt, die derzeitige Autonomie mit ihren Schutzbestimmungen für die Volksgruppen in eine „Territorial-Autonomie“ für die „Region Trentino-Alto Adige“ umzuwandeln, in welcher die Südtiroler wieder wie einst einer italienischen Mehrheit ausgeliefert wären.

Unbotmäßige Südtiroler über den Brenner nach Österreich schicken

Wie die Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ in einer Presseaussendung mitteilte, werde nun eine Frau Ministerpräsidentin, „die jene Südtiroler, die sich nicht zu Italien bekennen wollen, über den Brenner schicken will.“ (Meldung in „Unser Tirol.com“ vom 26. September 2022)

Eine Strafanzeige gegen Meloni 

Am 22. August 2022 berichtete das Internetportal „Unser Tirol.com“ mit, dass die Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) und die aus Südtirol stammende FPÖ-Landtagskandidatin Gudrun Kofler (die in der Folge in den Nordtiroler Landtag gewählt wurde) gemeinsam „eine Anzeige gegen die Vorsitzende von Fratelli d’Italia, Giorgia Meloni, bei der Bozner Staatsanwaltschaft hinterlegen. 

Die Videos von Giorgia Meloni, in denen diese den faschistischen Diktator Benito Mussolini als guten Politiker bezeichnet und die Südtiroler über den Brenner verjagen möchte, wenn sie sich nicht als Italiener fühlen wollen, sind eine ‚ungeheuerliche Entgleisung‘ und dies ist der Beweggrund für die Anzeige gegen Meloni, teilen die STF und Kofler mit.“ 

Ein „Offener Brief“: Warnung vor einer „Wölfin im Schafspelz“

Bericht in dem Internetportal „<a href="https://suedtiroler-freiheit.com/2022/09/16/offener-brief-warnung-vor-giorgia-meloni/">Unser Tirol.com</a>“
Bericht in dem Internetportal „Unser Tirol.com

Am 16. September 2022 sandten die ehemalige Landtagsabgeordnete Dr. Eva Klotz (Tochter des Freiheitskämpfers Georg Klotz), ihre Nichte und FPÖ-Landtagskandidatin Gudrun Kofler, die Landtagsabgeordneten Sven Knoll und Miriam Atz-Tammerle, der Obmann des Südtiroler Heimatbunds (SHB) Roland Lang und der ehemalige FPÖ-Südtirol-Sprecher Werner Neubauer einen „Offenen Brief“ an wichtige politische Persönlichkeiten aus.

Von links nach rechts: Dr. Eva Klotz, Gudrun Kofler, Roland Lang
Von links nach rechts: Dr. Eva Klotz, Gudrun Kofler, Roland Lang

Von links nach rechts: Miriam Atz-Tammerle, Sven Knoll und Werner Neubauer (Mitglied einer Südtiroler Schützenkompanie). 
Von links nach rechts: Miriam Atz-Tammerle, Sven Knoll und Werner Neubauer (Mitglied einer Südtiroler Schützenkompanie).

Nachstehend die wesentliche Passagen des „offenen Briefes“:

Von links nach rechts: Miriam Atz-Tammerle, Sven Knoll und Werner Neubauer (Mitglied einer Südtiroler Schützenkompanie). 

Eine seltsame und eigenmächtige Gratulation

Während die Aussicht darauf, es in Bälde es mit einer Frau Meloni als Ministerpräsidentin zu tun zu haben, in Südtirol auf keine Begeisterung stieß und ganz im Gegenteil Befürchtungen und Ängste für die Zukunft geäußert und auch in den Medien publiziert wurden, kam aus Brüssel eine seltsame Botschaft.

Der FPÖ-EU-Abgeordnete Harald Vilimsky, von dem man sonst die ganzen Jahre lang nur wenig hörte, sah sich plötzlich veranlasst, per „Originaltext Service“ nachstehende Gratulation der Frau Meloni und der Öffentlichkeit zu übergeben:

Wie aus Wien verlautet, war diese Erklärung mit der Parteispitze in Wien nicht abgestimmt, sondern wurde eigenmächtig abgegeben.

Vor allem die Erklärung Vilimsky’s, dass die italienische „patriotische Allianz“ einen „wichtigen Partner“ darstelle, stößt in der FPÖ auf Widerspruch, denn der FPÖ-Bundesparteitag von 2009 hatte eindeutig und klar Folgendes beschlossen:

„Der Bundesparteitag stellt fest, dass eine Zusammenarbeit jedwelcher Art der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und ihrer Mandatare im internationalen und damit auch im europäischen Rahmen nur mit demokratischen Parteien, Vereinigungen und Personen geben kann, welche das bestehende Autonomiestatut der Südtiroler unangetastet respektieren und die sich zu dem Selbstbestimmungsrecht der Völker bekennen und in diesem Rahmen auch das Recht der Südtiroler anerkennen, jederzeit frei über ihre staatliche Zugehörigkeit entscheiden zu dürfen.“

Und in Punkt 9 des 2011 beschlossenen FPÖ-Parteiprogrammes heißt es ganz klar:

„Österreich ist Anwalt der deutschen und ladinischen Südtiroler und vertritt die Interessen für alle Altösterreicher deutscher Muttersprache aus dem Bereich der ehemaligen k.u.k. Monarchie. Wir streben die Einheit Tirols an und bekennen uns zum Selbstbestimmungsrecht Südtirols und zur Unterstützung der Heimatvertriebenen-Verbände.“

Widerspruch aus Südtirol gegen „Einzelmeinungen“

In Südtirol wurde rasch erkannt, dass die Äußerungen Vilimsky’s nicht die offizielle Position der FPÖ bezeichneten. Die FPÖ war seit Jahrzehnten immer als Wächter über die Interessen Südtirols tätig gewesen und vor allem der FPÖ-Nationalratsabgeordnete und Südtirol-Sprecher Werner Neubauer hatte immer wieder die Bundesregierung in Wien in die Schutzmacht-Pflicht genommen, wenn Südtiroler Rechte durch Rom verletzt wurden. 

Der Landtagsabgeordnete Sven Knoll (STF) erklärte am 30. September in der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“, dass solche „Jubelgesänge“ wie jener des EU-Abg. Vilimsky deplatziert seien. Es handle sich aber um Einzelmeinungen. Er erlebe das auch bei Vertretern anderer Parteien, „dass sie nichts über die Alltagspolitik in Südtirol wissen.“




50 Jahre Zweites Autonomiestatut: Eine entlarvende Jubelfeier

Am 5. September 2022 wurde in Meran eine große offizielle Jubelfeier mit wohltönenden Lobpreisungen einer angeblich für ganz Europa oder gar die Welt vorbildhaften Autonomie abgehalten.

Im Vorfeld hatte der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen politischen Häftlingen und Freiheitskämpfern gegründete Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt, nachstehende kritische Vorausschau als Pressemitteilung ausgesandt:

„Südtiroler Heimatbund“ (SHB) – Pressemitteilung

Steht uns eine Jubelfeier der Beerdigung des Südtiroler Problems bevor?

Wie Ankündigungen zu entnehmen ist, werden wir am 5. September eine Jubelfeier der Beerdigung des lästigen Südtiroler Problems erleben.

Dem „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), der für die Selbstbestimmung Südtirols und die Loslösung von Italien eintritt, ist es deshalb ein Anliegen, auf Folgendes hinzuweisen:

  • Der aus lediglich 40 Textzeilen bestehende „Pariser Vertrag“, welcher als rechtliche Grundlage der Südtiroler Autonomie anzusehen ist, bietet nur unpräzise Absichtserklärungen. Er war 1946 von dem österreichischen Außenminister Karl Gruber im Sinne der Bestrebungen der Westmächte, Italien in ein westlichen Bündnis einzubinden, zusammen mit dem italienischen Außenminister Alcide Degasperi bei einem Treffen in Paris überfallsartig unterzeichnet worden.

Karl Gruber war im Zweiten Weltkrieg – und laut dem amerikanischen Historiker Professor Dr. Herzstein auch als Außenminister noch bis in die Fünfzigerjahre – als Geheimagent für das amerikanische „Counter Intelligence Corps“ tätig. (Robert Edwin Herzstein: „Waldheim – the missing years“, London 1988, S. 168 unter Berufung auf zitierte Geheimdokumente des „Office of Strategic Services“)

Außenminister Karl Gruber (rechts) und der US-„Political Adviser“ John G. Erhardt im Jahre 1946.
Außenminister Karl Gruber (rechts) und der US-„Political Adviser“ John G. Erhardt im Jahre 1946.

Er stand damit auch als Außenminister mutmaßlich noch unter der Führung durch die Amerikaner. Karl Gruber hatte bei der eigenmächtigen Unterschrift unter den „Pariser Vertrag“ seine eigene Regierung und auch den Nationalrat bedenkenlos übergangen. Der Außenpolitische Ausschuss des Nationalrates verabschiedete daher am 1. Oktober 1946 folgende rechtswahrende Erklärung, an die man sich erinnern sollte:

„Die mit Italien vereinbarte Regelung, von der nicht feststeht, ob sie die Zustimmung des gesamten Südtiroler Volkes gefunden hat, bedarf noch mancher Interpretation, um als Zwischenlösung angesehen werden zu können.

Die Haltung Österreichs bedeutet in keiner Weise einen Verzicht auf die unveräußerlichen Rechte unseres Staates auf Südtirol. Der Ausschuss gibt der bestimmten Hoffnung Ausdruck, dass eine geänderte Weltlage in Zukunft den Südtirolern die Möglichkeit der Selbstbestimmung über ihre staatliche Zugehörigkeit geben wird. Er ist der Meinung, dass dieses Prinzip der einzige Weg für eine dauernde Lösung der Südtirolfrage ist, die von Österreich als gerecht und befriedigend angenommen werden könnte.“

Notgedrungen fand man sich in Wien in der Folge mit dem Pariser Machwerk ab, welches sich nach den Worten des österreichischen Außenministers Kreisky als „furchtbare Hypothek“ für die österreichische Südtirolpolitik erweisen sollte.

Es darf vermutet werden, dass auf der kommenden Jubelfeier auch diese „furchtbare Hypothek“ als sogenannte „Magna Charta“ der Autonomie pflichtgemäß bejubelt werden wird.

  • Als Italien das faschistische Werk der Entnationalisierung und Unterdrückung in Südtirol fortsetzte und 1961 sogar ein bereits durch den Senat in Rom beschlossenes Vertreibungsgesetz in Kraft zu treten drohte, beförderten die Südtiroler Freiheitskämpfer dieses Vorhaben mit dem Donnerschlag der „Herz-Jesu-Nacht“ auf die Müllhalde der Geschichte.

Der SVP-Landeshauptmann Silvius Magnago hob später mehrfach öffentlich das Verdienst der Freiheitskämpfer für das Zustandekommen des verbesserten zweiten Autonomiestatut hervor.

So erklärte er beispielsweise 1991 in einem Interview in den „Dolomiten“ vom 7. August 1991:

„Und dann kam es zur Feuernacht. Ich muss hier ganz klar sagen, dass diese Sprengstoffanschläge zu friedlichen Verhandlungen geführt haben und letztendlich zum neuen Autonomiestatut. Hätte es diese Anschläge nicht gegeben, wäre keine 19er Kommission gebildet worden, die die Aufgabe bekommen hat, sich mit der ganzen Autonomieproblematik, sagen wir, zu befassen und der Regierung neue Vorschläge zu unterbreiten.“

Silvius Magnago auf der SVP-Landesversammlung von 1960.
Silvius Magnago auf der SVP-Landesversammlung von 1960.

Ähnliche Erklärungen haben unter anderen abgegeben:

LH Dr. Luis Durnwalder (SVP), LR Dr. Bruno Hosp (SVP), Botschafter Dr. Peter Jankowitsch, Univ. Prof. Dr. Andreas Khol (ÖVP), Univ. Prof. DDr. Franz Matscher, SVP-Obmann Elmar Pichler-Rolle, LH Günther Platter (ÖVP), SVP-Abg. Dr. Friedl Volgger, LH Eduard Wallnöfer, LH Dr. Wendelin Weingartner, SVP-Parteileitungsmitglied Franz Widmann.

Der österreichische Außenminister Bruno Kreisky war bereits vor der Herz-Jesu-Nacht über die bevorstehenden Anschläge auf Strommasten informiert worden und hatte sie in einem Gespräch mit Leuten des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) gebilligt. (Der ehemalige Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime und BAS-Führungsmitglied Fritz Molden in seinem Buch: „Vielgeprüftes Österreich“, Wien 2007, S. 152)

Vermutlich wird all dies bei der offiziellen Jubelfeier nicht erwähnt werden.

Außenminister Bruno Kreisky, Landesamtsdirektor Rudolf Kathrein, LH Silvius Magnago Magnago.
Außenminister Bruno Kreisky, Landesamtsdirektor Rudolf Kathrein, LH Silvius Magnago Magnago.

  • Es ist leider zu vermuten, dass bei der bevorstehenden Feier auch nicht an die grauenvolle  Folterung zahlreicher politischer Häftlinge erinnert werden wird. Man wird wohl auch nicht des Todes der an den Folgen der Folter verstorbenen Gefangenen Franz Höfler und Anton Gostner gedenken.

Der an den Folgen der Folter verstorbene Franz Höfler in der Totenkammer und die Mutter Höflers an dem Grab ihres Sohnes.
Der an den Folgen der Folter verstorbene Franz Höfler in der Totenkammer und die Mutter Höflers an dem Grab ihres Sohnes.

Bild links: Die Verhaftung Anton Gostners (rechts im Bild) im Jahre 1961, der seine Folterung nicht überleben sollte. (Ausschnitt aus der Zeitung „Alto Adige“.) Bild rechts: Auch der SVP-Ortsobmann und Freiheitskämpfer Sepp Kerschbaumer aus Frangart sollte die Haft nicht überleben.
Bild links: Die Verhaftung Anton Gostners (rechts im Bild) im Jahre 1961, der seine Folterung nicht überleben sollte. (Ausschnitt aus der Zeitung „Alto Adige“.) Bild rechts: Auch der SVP-Ortsobmann und Freiheitskämpfer Sepp Kerschbaumer aus Frangart sollte die Haft nicht überleben.

  • Es ist weiters zu vermuten, dass auf der Jubelfeier auch nicht daran erinnert werden wird, dass die derzeitige Autonomie durch die Streitbeilegungserklärung von 1992 international-rechtlich nicht abgesichert ist und zum erheblichen Teil bereits ausgehöhlt wurde.

 

  • Es wäre längst an der Zeit gewesen, dass eine Kommission von Fachleuten eine Bewertung der Autonomieaushöhlungen vorgenommen hätte, die laut einer akademischen Forschungsarbeit immerhin mehr als die Hälfte des Autonomiebestandes betreffen. Man hätte sich von der Untersuchung einer solchen Fachleutekommission auch die Hinweise erwartet, welche Bestimmungen im Sinne einer funktionierenden Autonomie wiederhergestellt werden müssten. Bis heute hat die Südtiroler Landesregierung die Erstellung einer solchen Untersuchung entweder überhaupt nicht verfügt oder hat solche Ergebnisse zumindest der Öffentlichkeit vorenthalten.

Es darf vermutet werden, dass auch diese Dinge kein Thema auf der Jubelveranstaltung sein werden.

Sollte sich diese Voraussagen als nicht zutreffend erweisen, wird dies ein Grund zu aufrichtiger Freude sein. Wir befürchten aber, dass in Wahrheit eine Jubelfeier der Totengräber unserer Südtiroler Anliegen über die Bühne gehen wird.

Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)

 

Rückblick auf die Veranstaltung in Meran:

Sprechblasen und Selbstaufgabe

 

Die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete sachlich über die Feier in Meran.
Die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete sachlich über die Feier in Meran.

Sowohl aus Wien wie aus Rom war zu dieser Feier nur die zweite Garnitur von Politikern gekommen.

Die Festrede unter dem etwas rätselhaften Titel „Südtirol ist ein gelebtes Stück Europa“ hielt die österreichische Bundesministerin für EU und Verfassung, Karoline Edtstadler (ÖVP).

Sie wies auf das gute Verhältnis zwischen Österreich und Italien hin und erklärte, dass man aufeinander zugehen, miteinander kommunizieren müsse. Sie bezeichnete Südtirol als „Beispiel der europäischen Integration.“

<span style="color: #000000;">Die Tageszeitung „Dolomiten“ präsentierte Edtstadlers Botschaft mit einer Schlagzeile.</span>
Die Tageszeitung „Dolomiten“ präsentierte Edtstadlers Botschaft mit einer Schlagzeile.

Der italienische Wirtschaftsminister Daniele Franco gab eine ähnliche Sprechblase von sich: Dank ständigem und konstruktiven Dialog zwischen Italien und Österreich sei „ein Existenzmodell für den Minderheitenschutz entstanden“.

Hohes Lob für die bestehende Autonomie spendete auch der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP). Das Zweite Autonomiestatut werde international als erfolgreiches Beispiel für die Überwindung nationaler ethnischer Konflikte betrachtet und gereiche den beiden Staaten Italien und Österreich zur Ehre. Südtirols Autonomie werde ständig weiterentwickelt und an neue Erfordernisse angepasst. Im gleichen Atemzug wies er jedoch auch tadelnd darauf hin, dass seit der Verfassungsreform des Staates von 2001 sowie mit Urteilen des Verfassungsgerichtshofes die Autonomie teilweise ausgehöhlt worden sei.

Eine Erklärung, was dagegen politisch von der „Schutzmacht Österreich“ unternommen werden müsse, hörte man aus dem Mund dieses im Lande vielfach als zu Italien-freundlich bezeichneten Politikers leider nicht.

Der Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) hatte im Wahlkampf 2018 um italienische Stimmen geworben mit der plakatierten Erklärung: „Insieme verso il domani. Arno Kompatscher“ („Gemeinsam der morgigen Zukunft entgegen. Arno Kompatscher“.
Der Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) hatte im Wahlkampf 2018 um italienische Stimmen geworben mit der plakatierten Erklärung: „Insieme verso il domani. Arno Kompatscher“ („Gemeinsam der morgigen Zukunft entgegen. Arno Kompatscher“.

Den Vogel in Bezug auf Inhaltslosigkeit schoss der in Bälde abtretende Nordtiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) ab. Er verwies auf die „unglaublich vielen Möglichkeiten“, die Südtirol durch die Autonomie erhalten habe und ihn fasziniere, dass die Autonomie nie abgeschlossen sei.

So kann man die ständigen Autonomieaushöhlungen und das zumeist vergebliche Bemühen um Rückgängigmachung der Beschneidungen durch Rom freilich auch darstellen.

  • Nicht zur Sprache kamen die Verdienste der Südtiroler Freiheitskämpfer für das Zustandekommen des Zweiten Autonomiestatuts.
  • Nicht zur Sprache kamen die schrecklichen Folterungen politischer Häftlinge mit teilweiser Todesfolge und die anschließende Belobigung und Auszeichnung der Folterer durch den Staat.
  • Mit Ausnahme der knappen Erwähnung durch den Landeshauptmann Kompatscher waren die Autonomieaushöhlungen und die daraus zu ziehenden Folgerungen auch kein Thema auf der Veranstaltung.
  • Nicht zur Sprache kam, dass die angeblich weltbeste Vorbild-Autonomie durch die Streitbeilegungserklärung von 1992 international-rechtlich nicht abgesichert ist. Siehe: https://suedtirol-info.at/hintergruende-zur-aushoehlung-der-suedtirol-autonomie/#more-3373

Deutlich wurde, dass man aus der Sicht der Bundes-ÖVP und der Nordtiroler ÖVP das Südtirol-Problem als eine beerdigte Angelegenheit ansieht.

Deutlich wurde auch, dass die derzeitige SVP-Führung dagegen nicht aufbegehrt und nicht gewillt ist, die „Schutzmacht Österreich“ ernsthaft in die Pflicht zu nehmen. Da muss wohl die SVP Rücksicht auf die „Schwesterpartei“ ÖVP nehmen.

Man kann so etwas auch Selbstaufgabe nennen.

Die Südtiroler Schützen verweigerten Ehrensalve für den Vertreter des italienischen Staates

Wie die „Neue Südtiroler Tageszeitung“ am 11. September 2022 berichtete, hatte der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher den Südtiroler Schützenbund gebeten, am „Tag der Autonomie“ dem italienischen Minister Daniele Franco in Bozen den „Landesüblichen Empfang“ durch das Abfeuern einer Ehrensalve zu geben. Der Schützenbund lehnte dies ab.

Der Landeskommandant Roland Seppi sprach ein offenes Wort.
Der Landeskommandant Roland Seppi sprach ein offenes Wort.

Der Landeskommandant des Schützenbundes, Roland Seppi, erklärte gegenüber der TAGESZEITUNG:

„Wir haben in der Bundesleitung einstimmig beschlossen, dass wir da nicht hingehen. … Unser Nein hat nichts mit dem Landeshauptmann zu tun. Die Nichtabhaltung eines Landesüblichen Empfangs hat mit dem Vertreter des italienischen Staates zu tun. Im Landesüblichen Empfang ist eine Ehrensalve als höchste Ehrerbietung vorgesehen, die die Schützen geben können.

Eine Ehrensalve setzt also gegenseitigen Respekt voraus.

Wir verlangen von Italien seit jeher, endlich auf die faschistische Ortsnamenfälschung und auf faschistische Relikte zu verzichten. Für den Vertreter eines Staates, der auf diesen Sachen beharrt, können wir keine Ehrensalve abschießen, weil der Respekt gegenüber unserer Kultur und unserer Kulturgeschichte fehlt.“




Der Wunsch der abgetrennten Ladiner: Zurück zu Tirol, zurück zu Österreich!

Der Wunsch der abgetrennten Ladiner: Zurück zu Tirol, zurück zu Österreich!

Dokumentation über die vergessenen Ladiner von Helmut Golowitsch

Die Zerreißung der Volksgruppe durch die Faschisten und die Aufrechterhaltung der Teilung

Das Identitätsbewusstsein der Ladiner

In der altösterreichischen Zeit erschienen ladinische Zeitungen teilweise zweisprachig. Bei Wahrung der eigenen Identität wurde hier die Nähe zur deutschen Volksgruppe gezeigt.
In der altösterreichischen Zeit erschienen ladinische Zeitungen teilweise zweisprachig. Bei Wahrung der eigenen Identität wurde hier die Nähe zur deutschen Volksgruppe gezeigt.

Diese Fahne der Schützenkompanie Enneberg – ladinisch: Mareo - stammt aus dem Jahre 1914. Die deutschen Aufschriften zeigen, dass sich die Ladiner schon damals gerne der deutschen Sprache bedienten, weil sie sich in enger Verbundenheit mit den Deutschtirolern fühlten.
Diese Fahne der Schützenkompanie Enneberg – ladinisch: Mareo – stammt aus dem Jahre 1914. Die deutschen Aufschriften zeigen, dass sich die Ladiner schon damals gerne der deutschen Sprache bedienten, weil sie sich in enger Verbundenheit mit den Deutschtirolern fühlten.

Die Ladiner sind die Nachkommen der sprachlich latinisierten rätisch-keltischen Urbevölkerung des südlichen Tirol, die mit den später eingewanderten Germanen ein friedliches Zusammenleben gefunden hatte. Aus der Sicht der italienischen Nationalisten und vor allem der Faschisten handle es sich bei den Ladinern jedoch um Italiener, die lediglich einen lokalen Dialekt sprächen.

Im Ersten Weltkrieg hatte das letzte Aufgebot Ladiniens in den Standschützeneinheiten mit unerhörtem Mut die Heimat verteidigt.

Die Ladiner hatten das gemeinsame Tirol gegen den italienischen Überfall verteidigt und viele von ihnen hatten dabei ihr Leben gelassen.
Die Ladiner hatten das gemeinsame Tirol gegen den italienischen Überfall verteidigt und viele von ihnen hatten dabei ihr Leben gelassen.

Schwere Verluste hatten die ladinischen Standschützen auch im Gebiet des heißumkämpften Col di Lana hinnehmen müssen. (Bild: Gemälde von Karl Ludwig Prinz, aus der „Zeitschrift des D. u. Ö. Alpenvereins“, 1916.)
Schwere Verluste hatten die ladinischen Standschützen auch im Gebiet des heißumkämpften Col di Lana hinnehmen müssen. (Bild: Gemälde von Karl Ludwig Prinz, aus der „Zeitschrift des D. u. Ö. Alpenvereins“, 1916.)

Bereits Ende Oktober 1918 hatten sich die Vertreter der ladinischen Gemeinden der Dolomiten in Sterzing versammelt und in einem Aufruf an die Deutschtiroler verkündet:

„Wir sind keine Italiener, wollten von jeher nicht zu ihnen gezählt werden und wollen auch in Zukunft keine Italiener sein! Ein selbständig Volk, das seine Geschicke selbst bestimmt!“

In ihrem Aufruf hatten die Ladiner erklärt: „Das Schicksal der Deutschtiroler sei auch unser Schicksal! Ihre Zukunft sei auch unsere Zukunft! Mit ihnen haben wir und unsere Väter von jeher in engstem Zusammenschluss und im besten Einvernehmen gelebt. So soll es auch fürderhin bleiben. Tiroler sind wir und Tiroler wollen wir bleiben!“ (Aus: Guido Iori Rocia: „Protest der Ladinischen Bevölkerung der Dolomiten – Dokumente des Kolonialismus von Trient“, Sonderdruck der Zeitschrift „Il Postiglione delle Dolomiti“, Canazei 1972, S. 8)

Bild links: Höfe im Grödental. (Aus: „Südtirol in Wort und Bild“.) Bild rechts: Grödnerinnen in ihrer Tracht. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.) Die Ladiner, die seit Jahrhunderten in guter Gemeinschaft mit den Deutschtirolern lebten, fühlten sich keineswegs als Italiener.
Bild links: Höfe im Grödental. (Aus: „Südtirol in Wort und Bild“.) Bild rechts: Grödnerinnen in ihrer Tracht. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.) Die Ladiner, die seit Jahrhunderten in guter Gemeinschaft mit den Deutschtirolern lebten, fühlten sich keineswegs als Italiener.

Die Dreiteilung des ladinischen Gebietes

In der Zeit des Faschismus waren die Ladiner dann für diese Einstellung bestraft worden, indem ab 1923 das Sprachgebiet der rund 30.000 Dolomiten-Ladiner dreigeteilt worden war: Das Gadertal und das Grödental verblieben bei Südtirol, das Fassa- und Fleimstal wurde Trient angegliedert, Ampezzo und Buchenstein wurden der Provinz Belluno zugeschlagen.

Durch die Zerstückelung ihres Gebietes und ihre Aufteilung auf verschiedene Provinzen sollten der Zusammenhalt dieser Volksgruppe, ihre Sprache und Kultur zerstört werden.

Diese Darstellung zeigt die Aufteilung der Ladiner auf die Provinzen Bozen (1 Gröden, 2 Gadertal), Trient (3 Fassa- und Fleimstal) und Belluno (4 Ampezzo, Buchenstein).
Diese Darstellung zeigt die Aufteilung der Ladiner auf die Provinzen Bozen (1 Gröden, 2 Gadertal), Trient (3 Fassa- und Fleimstal) und Belluno (4 Ampezzo, Buchenstein).

Wolkenstein im Grödner Tal konnte bei Südtirol verbleiben. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.
Wolkenstein im Grödner Tal konnte bei Südtirol verbleiben. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.

Bild links: Gries bei Canazei im Fassatal - im Hintergrund die Marmolata - wurde von Südtirol abgetrennt und der Provinz Trient zugeschlagen. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.) Bild rechts: Um die „Italianität“ des ladinischen Gebietes zu betonen, hielt die faschistische Miliz dort Übungen mit Zeltlagern ab. Diese mit einem faschistischen Liktorenbündel geschmückte Postkarte wurde anlässlich eines solchen „campeggio“ bei Cortina d’Ampezzo im August 1929 herausgegeben.
Bild links: Gries bei Canazei im Fassatal – im Hintergrund die Marmolata – wurde von Südtirol abgetrennt und der Provinz Trient zugeschlagen. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.) Bild rechts: Um die „Italianität“ des ladinischen Gebietes zu betonen, hielt die faschistische Miliz dort Übungen mit Zeltlagern ab. Diese mit einem faschistischen Liktorenbündel geschmückte Postkarte wurde anlässlich eines solchen „campeggio“ bei Cortina d’Ampezzo im August 1929 herausgegeben.

Nach der Niederlage des Faschismus erhofften die Ladiner nun, dass ihre abgetrennten Gebiete wieder zu Südtirols zurückkehren würden und dass sie zusammen mit ihren deutschen Landsleuten womöglich das Ziel der Wiedervereinigung Tirols durch eine Volksabstimmung erreichen könnten.

Vergebliche Bitte an die Alliierten – Fortführung faschistischer Politik

Bereits Anfang Dezember 1945 war eine von drei Viertel der erwachsenen Bevölkerung unterzeichnete Bittschrift der Ampezzaner und Buchensteiner den Alliierten überreicht worden, worin der Anschluss an Südtirol verlangt wurde. Das war eine Äußerung selbstbestimmten Willens gewesen.

Doch bereits zwei Tage nach ihrem Einmarsch hatten die Alliierten auf Wunsch ihrer nunmehrigen italienischen Verbündeten das Südtiroler Unterland wieder der der Provinz Trient und Ampezzo-Buchenstein wieder der Provinz Belluno zugeteilt.

Die italienischen Behörden sprangen wie in der Faschistenzeit weiterhin übel mit den Dolomitenladinern um. Das hatte seinen Grund darin, dass nach alter faschistischer Lesart den Ladinern ihr eigenes Volkstum abgesprochen wurde. Das selbstbestimmte Identitätsbewusstsein der Ladiner wurde daher auf allen Ebenen bekämpft.

Viele italienische Politiker betrachteten es als Vaterlandsverrat, dass die Ladiner sich als Tiroler fühlten und ihre Verbundenheit mit den deutschen Südtirolern immer wieder zum Ausdruck brachten. Aus römischer Sicht galt es, allen Selbstbestimmungsbestrebungen durch die Aufrechterhaltung der Teilung Ladiniens einen Riegel vorzuschieben.

Ohne schamrot zu werden, flunkerte Ministerpräsident Degasperi vor der provisorischen Nationalversammlung „Consulta“, dass die bei Südtirol verbliebenen ladinischen Täler den Wunsch hätten, italienischen Provinzen einverleibt zu werden.
Ohne schamrot zu werden, flunkerte Ministerpräsident Degasperi vor der provisorischen Nationalversammlung „Consulta“, dass die bei Südtirol verbliebenen ladinischen Täler den Wunsch hätten, italienischen Provinzen einverleibt zu werden.

Die Wünsche des italienischen Ministerpräsident Alcide Degasperi gingen sogar noch weiter. Er hatte die Stirn, vor der „Consulta Nazionale“, einer ernannten und nicht gewählten provisorischen beratenden Nationalversammlung, am 21. Jänner 1946 in Bezug auf die bei Südtirol verbliebenen ladinischen Gebiete lügnerisch zu erklären: „Und wenn diese Täler ihren Wunsch frei aussprechen können, dann wünschen sie, mit den anderen ladinischen Tälern vereinigt zu werden wie dem Fassa-Tal und Buchenstein, welche als italienisch anerkannt werden.“ (Aus „Dolomiten“ vom 22. Jänner 1946)

Mai 1946: Verbot einer Kundgebung in Cortina – Tiroler Fahnen und Bergfeuer

Diese historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit zeigt Cortina d’Ampezzo (ladinisch: Anpëz oder Anpezo) wo die Volkskundgebung der Ladiner hätte stattfinden sollen.
Diese historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit zeigt Cortina d’Ampezzo (ladinisch: Anpëz oder Anpezo) wo die Volkskundgebung der Ladiner hätte stattfinden sollen.

Eine für den 12. Mai 1946 ordnungsgemäß angemeldete und von der Quästur sogar genehmigte Kundgebung der Ampezzaner und Buchensteiner in Cortina d’Ampezzo wurde plötzlich am Vortag durch eine Verfügung der Präfektur Belluno, der Statthalterei Roms in der Provinz, verboten.

Schlagzeile in der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 15. Mai 1946.
Schlagzeile in der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 15. Mai 1946.

Die Kundgebung der ladinischen Bevölkerung von Cortina d’Ampezzo hätte laut Bericht der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ vom 15. Mai 1946 zum Ziel gehabt, „durch eine Großkundgebung ihrem einmütigen Willen Ausdruck zu geben, ihr Gebiet durch die Angliederung an die Provinz Bozen endlich wieder mit dem übrigen Südtirol vereinigt zu sehen.“

Der ladinische Historiker Anton Piccolruaz berichtet: „Dennoch wurden aber zahlreiche Tiroler Fahnen gehisst. Von den nahen Gipfeln der Dolomiten loderten Bergfeuer mit den entsprechenden Flammeninschriften.“ (Anton Piccolruaz: „Die Dolomitenladiner“, 3. Teil: „Die Ladiner sind Tiroler und keine Italiener“, in: „Südtirol in Wort und Bild“, , Nr. 4, Innsbruck 1980.)

Mai 1946: Die Ladiner erhoben ihre Stimme nun auf deutschen Kundgebungen

Ampezzaner, Buchensteiner und Gadertaler auf der Selbstbestimmungskundgebung in Toblach

Toblach wurde Schauplatz einer Großkundgebung für ein vereinigtes und freies Tirol. (Historische Postkarte.)
Toblach wurde Schauplatz einer Großkundgebung für ein vereinigtes und freies Tirol. (Historische Postkarte.)

Nun erhoben die Ladiner ihre Stimme auf deutschen Kundgebungen. An die 500 Ampezzaner, Buchensteiner und Gadertaler erschienen am 26. Mai 1946 auf der Selbstbestimmungskundgebung in Toblach. Die Versammlung habe unter folgendem Motto gestanden, schrieben die „Dolomiten“ am Montag, 27. Mai 1946: „Wir sind ein Volk, ob wir an der Rienz oder an der Etsch, am Eisack oder am Inn wohnen; wir wollen ein Tirol, wie es vordem war, von Kufstein bis Salurn. Auch die Ampezzaner, deren Stimme man vor 14 Tagen unterdrückt hat, schließen sich diesem Entschlusse an: Wir wollen Freiheit und Gerechtigkeit.“

Schlagzeile auf der Titelseite des SVP-Organs „Volksbote“ vom 30. Mai 1946.
Schlagzeile auf der Titelseite des SVP-Organs „Volksbote“ vom 30. Mai 1946.

90 Prozent der Ampezzaner und Buchensteiner forderten Rückkehr zu Südtirol

Wie die „Dolomiten“ vom 27. Mai 1946weiter berichteten, kam es am Abschluss der Kundgebung zu einer öffentlichen und inhaltlich bemerkenswerten Willensäußerung der Ladiner:

„Schon wollte man die Versammlung für abgeschlossen erklären, als sich plötzlich aus den Reihen der Ampezzaner der Ruf erhob: Sixtus de Bigontina soll reden! Immer lauter, von einem Mund zum anderen getragen, wurde er aufgefordert, an seine Landsleute einige Worte zu richten.

De Bigontina, ein junger, gerader, kerniger Ampezzaner, begrüßte seine Ladiner in ihrer Sprache, erinnerte dann daran, dass ein schwerer Kampf hatte geführt werden müssen, bis man ihre Stimme gehört. 90 Prozent aller Ampezzaner und Buchensteiner hätten sich durch eine Unterschriftensammlung zur Provinz Bozen bekannt und auch ihre Väter hätten immer und immer wieder in den Jahren 1919 und 20 die Belassung Ampezzos bei der Provinz gefordert; doch hätten schließlich einige wenige vom Faschismus unterstützte Elemente gesiegt.

Abschließend forderte De Bigontina die Ladiner auf, fest und treu zusammenzuhalten, und fragte dann die Ampezzaner und Buchensteiner, ob sie bereit seien, Leid und Freud, Glück und Unglück mit Südtirol zu teilen, worauf alle anwesenden – es waren an die 500 – mit lauten Ja-Rufen und Klatschen antworteten.“

Mai 1946: Ladiner auf der Volkskundgebung des Unterlandes

Am 30. Mai 1946 nahm eine Gruppe von Ladinern an der Kundgebung des Südtiroler Unterlandes auf Castelfeder bei Auer teil, weil sie, so schrieben die „Dolomiten“ am 1. Juni 1946, „mit den Unterländern zurück zu Südtirol, zu ihren anderen ladinischen Brüdern wollen.“

Juni 1946: Berichte über Übergriffe der Carabinieri – Terror in Buchenstein

Die Haltung der Ladiner hatte den Zorn der italienischen Behörden erregt, die in den Ladinern abtrünnige Italiener sahen.

Diese historische Postkarte zeigt den Hauptort Buchenstein (ladinisch: „La Plie‘ da Fodom).
Diese historische Postkarte zeigt den Hauptort Buchenstein (ladinisch: „La Plie‘ da Fodom).

Das Buchensteintal ist eines der fünf Dolomitentäler Ladiniens. Die Gemeinde Buchenstein (ladinisch: La Plie‘ da Fodom, italienisch: Livinallongo) besteht aus dem Hauptort und einer Reihe von kleineren Dörfern.

Im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck findet sich ein aus Südtirol an die Tiroler Landesregierung in Innsbruck überbrachtes Schreiben vom 6. Juni 1946 mit dem Titel „Kurzberichte“. Darin wird geschildert, wie die Staatsmacht in jenen Tagen mit den Ladinern in Buchenstein umgesprungen war:

Ausschnitt aus dem Kurzbericht.
Ausschnitt aus dem Kurzbericht.

„In Buchenstein wurde ein Bauer, der einen Tirolerhut mit dem Tiroleradler darauf trug, aufgefordert, Hut und Adler zu entfernen. Als er sich weigerte, dies zu tun, wurde ihm der Hut von den Schutzengeln der öffentlichen Sicherheit vom Kopf geschlagen und in den Dreck getreten.

In Buchenstein wurden an zahlreichen Hausmauern Aufschriften und Tiroleradler angebracht. Die Carabinieri würdigten sich, alle Malereien eigenhändig aus den Mauern herauszumeisseln. Am anderen Morgen jedoch strahlte alles wieder in den frischesten Farben.

Das Tragen eines solchen Kappenabzeichens  konnte aus der Sicht der Carabinieri nicht geduldet werden.
Das Tragen eines solchen Kappenabzeichens  konnte aus der Sicht der Carabinieri nicht geduldet werden.

Letzten Meldungen zufolge wurde der obengenannte Bauer, dem der Hut vom Kopf geschlagen worden war, später noch in die Kaserne gebracht und dort, ohne dass er wüsste weshalb, verprügelt. Es wurde ihm angedroht, er werde an den Brenner gebracht und dort der österreichischen Polizei übergeben werden, wenn er nicht sage, wer die Aufschriften an den Häusern gemacht habe.

Zu einem wegen dieser Streichaktionen verhafteten Buchensteiner äußerte sich der Carabinierimaresciallo wie folgt: ‚Ihr seid Bastarden. Ihr lasst euch von den Dummköpfen in Bozen aufhetzen. Auch jene sind keine Deutschen. Die haben keine Kultur, sind Dickköpfe, dümmer als die Österreicher. Arabba soll abgebrannt und ihr alle aufgehängt werden!‘ Und er schloss mit der mächtigen Schlussfuge: ‚Porchi tedesconi. (Anmerkung: Arabba ist eine Fraktion der Gemeinde Buchenstein, „porchi“ sind Schweine und „tedesconi“ sind deutschfreundliche Menschen.)

Nach Ansicht des Unteroffiziers (maresciallo) der Carabinieri sollte der Ort Arabba abgebrannt werden. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.)
Nach Ansicht des Unteroffiziers (maresciallo) der Carabinieri sollte der Ort Arabba abgebrannt werden. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.)

Anderen Verhafteten in Buchenstein wurde von den Carabnieri ebenfalls die Abschiebung nach Österreich mit Prophezeiung des Hungertodes angedroht- – Laut bisherigen Meldungen sind wegen der Streichaktionen noch zwei Leute (ein Malerlehrling und ein anderer Bursche) verhaftet worden.“ („Kurzberichte“ vom 6. Juli 1946 „Ampezzo und Buchenstein zu Österreich“, Bozen 1. Juni 1946, Tiroler Landesarchiv, Amt der Tiroler Landesregierung VIII K, Pos. 5-12, Südtirol, Jahr 1945 – 47, Karton Nr. 3)

Juni 1946: Forderung nach Selbstbestimmung für Ladinien und ganz Südtirol

Aufschriften in Ladinien

Im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck findet sich in den Akten des Amtes der Tiroler Landesregierung ein Dokument mit Kurzberichten aus Südtirol vom 14. Juni 1946. Darin wird Folgendes geschildert:

„In St. Vigil (Ladinien) wurden immer wieder in letzter Zeit Schriften angebracht, die Selbstbestimmung für ganz Ladinien und für ganz Südtirol fordern. Die Ladiner fordern nach wie vor geschlossen den Anschluss aller ladinischen Gebiete an Österreich.

In St. Vigil im Enneberger Tal wurde in Aufschriften die Selbstbestimmung gefordert. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.)
In St. Vigil im Enneberger Tal wurde in Aufschriften die Selbstbestimmung gefordert. (Historische Postkarte aus altösterreichischer Zeit.)

Forderungen der Ladiner: Anerkennung der Volksgruppe – Wiedervereinigung mit Südtirol – Recht auf Selbstbestimmung – Volksabstimmung!

Am 15. Juni 1946 versammelten sich an die 3.000 Vertreter der sechs ladinischen Talschaften in Südtirol auf dem Grödner Joch und gründeten die politische Vereinigung „Zent Ladina Dolomites“ („Ladinisches Volk der Dolomiten“).

Blick vom Grödner Joch ins Abteital. Hier hatten sich 3.000 Vertreter der ladinischen Gebiete versammelt. (Historische Postkarte.)
Blick vom Grödner Joch ins Abteital. Hier hatten sich 3.000 Vertreter der ladinischen Gebiete versammelt. (Historische Postkarte.)

Der ladinische Historiker Anton Piccolruaz berichtet, dass auf dieser Versammlung ein Programm der „Zent Ladina Dolomites“ beschlossen worden sei, in welchem „die staatliche Anerkennung der Dolomitenladiner als ethnische und sprachliche Minderheit“ sowie die Rückgliederung der gegen den Willen der einheimischen Bevölkerung abgetrennten ladinischen Gebiete an Südtirol gefordert wurde.

Zudem sei in dem Programm aber noch folgende Forderung erhoben worden: „Gewährung des Selbstbestimmungsrechtes mit Zulassung einer Volksabstimmung im ganzen Dolomiten gebiet, die es den dort ansässigen Ladinern ermöglicht, über ihr Schicksal an der Seite der deutschsprachigen Südtiroler zu bestimmen.“ (Anton Piccolruaz: „Die Dolomitenladiner – Die Passion einer kleinen Minderheit“, 8. Teil: „Die Ladiner auf der Suche nach sich selbst“, in: „Südtirol in Wort und Bild“, , Nr. 2, Innsbruck 1982.)

Einige der Unterzeichner der Gründungsurkunde der Vereinigung „Zent Ladina Dolomites“. In dem Dokument folgen noch zahlreiche weitere Unterschriften. (Aus: Guido Iori Rocia: „Protest der Ladinischen Bevölkerung der Dolomiten – Dokumente des Kolonialismus von Trient“, Sonderdruck der Zeitschrift „Il Postiglione delle Dolomiti“, Canazei 1972, S. 13)

Juli 1946: Die Kundgebung auf dem Sellajoch: „Tiroler sind wir und Tiroler wollen wir bleiben!“

Am 14. Juli 1946 trafen auf dem Sellajoch Vertretungen der ladinischen Talschaften zur ersten Tagung der „Zent Ladina Dolomites“ zusammen.

Aus allen ladinischen Talschaften kamen die Teilnehmer auf das Sellajoch, vielfach in ihre alten schönen Trachten gekleidet.
Aus allen ladinischen Talschaften kamen die Teilnehmer auf das Sellajoch, vielfach in ihre alten schönen Trachten gekleidet.

Das SVP-Organ „Volksbote“ berichtete darüber am 18. Juli 1946 unter dem Titel

Es sei ein strahlender Tag gewesen, an dem sich Trachtengruppen und Musikkapellen unter flatternden Fahnen eingefunden hatten. „Die größte aller Gruppen hatte Cortina d’Ampezzo entsandt; trotzdem der Bürgermeister und der Kommissar der Pubblica Sicurezza (Anm.: Polizeikommissar für die öffentliche Sicherheit) den Ampezzanern verboten hatte, an der Kundgebung teilzunehmen, waren nicht weniger als 350 Ampezzaner erschienen, davon 180 in Tracht. …Spruchtafeln mit den Aufschriften ‚Das ladinische Ampezzo will zurück zu Bozen‘, ‚Das Volk will wieder unter Bozen vereint sein‘ usw. wurden mitgetragen.“ („Volksbote“ vom 18. Juli 1946)

 

Dieses Bild zeigt eine Teilnehmergruppe aus Vig/Vigo im Fassatal. Auf der von ihnen getragenen Tafel stand auf Ladinisch geschrieben: „Wir wollen wieder unter Bozen vereint sein.“
Dieses Bild zeigt eine Teilnehmergruppe aus Vig/Vigo im Fassatal. Auf der von ihnen getragenen Tafel stand auf Ladinisch geschrieben: „Wir wollen wieder unter Bozen vereint sein.“

Die Kundgebung auf dem Sellajoch.
Die Kundgebung auf dem Sellajoch.

Wie der „Volksbote“ weiter berichtete, betonte der Präsident der Vereinigung „Zent Ladina Dolomites“, Dr. Ghedina, in seiner Ansprache, „dass alle Ladiner, die heute noch von ihren übrigen Brüdern getrennt durch Willkürgrenzen leben müssen, wieder zurückverlangen zum alten Südtirol und unter Bozen ein geschlossenes, brüderliches Leben führen wollen, wie durch die vielen Jahrhunderte herauf bis zur Ankunft der Faschisten. Abschließend fragte der Redner die Ladiner, ob sie gewillt seien, mit ihren Brüdern in Bozen, mit den übrigen ladinischen und österreichischen Südtirolern jedes Schicksal zu teilen und erhielt darauf die einstimmige Antwort: ‚Wir wollen zurück zu Bozen.‘(„Volksbote“ vom 18. Juli 1946)

An der repressiven Haltung Roms gegenüber den Ladinern änderte sich auch nach dieser Willenskundgebung nichts.

Die Forderung nach Angliederung an Südtirol ist nach wie vor unerfüllt – und aufrecht

Die Dreiteilung der im Jahre 1968 etwa 23.500 Personen zählenden Ladiner hat zur Folge, dass sie in jeder der drei Provinzen eine verschwindende Minderheit sind. („Zahl aus „Südtiroler Nachrichten“, Bozen, 14. Juli 1968)

Es gibt bis heute keine gemeinsame parlamentarische Vertretung der Ladiner in Rom und es ist keine handhabbare kulturelle sowie kirchliche Einheit gegeben.

In der Provinz (Südtirol) genießen die Ladiner grundlegende Rechte in Bezug auf den Schutz der ladinischen Sprache und Kultur sowie auf den Unterricht in der Muttersprache. In den Provinzen Trient und Belluno besteht hier noch großer Nachholbedarf.

Als sich am 17. Juli 2016 zahlreiche Ladiner zu einer Gedenkveranstaltung wieder auf dem Sellajoch trafen, wurde erneut die Forderung nach einem vereinten Ladinien erhoben. Die SVP-Vertreter Florian Mussner und Daniel Alfreider enttäuschten die Zuhörer. Ein klares Bekenntnis zu einem geeinten Ladinien war von ihnen nicht zu vernehmen. Stattdessen wurde von einem Europa geplaudert, in dem die Grenzen immer weniger eine Rolle spielen würden. (Presseaussendung der Landtagsfraktion der „Süd-Tiroler Freiheit“ -STF.)

Am 28. Oktober 2007 fand eine Volksbefragung der Wahlberechtigten der drei ladinischen Gemeinden Cortina d’Ampezzo, Buchenstein und Colle S. Lucia statt. Nahezu 80 Prozent der Referendum-Teilnehmer äußerten den Wunsch, wieder an Südtirol angegliedert zu werden.

Titelseite der „Neue Südtiroler Tageszeitung“ vom 30. Oktober 2007. Das Referendum wurde von Rom ignoriert.
Titelseite der „Neue Südtiroler Tageszeitung“ vom 30. Oktober 2007. Das Referendum wurde von Rom ignoriert.

Zahlreiche Einwohner hatten auch öffentlich „Flagge gezeigt“. (Bilder „Südtiroler Heimatbund“)
Zahlreiche Einwohner hatten auch öffentlich „Flagge gezeigt“. (Bilder „Südtiroler Heimatbund“)

Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, missachtete der italienische Staat auch diesen Akt der Selbstbestimmung, welcher von den Bürgermeistern und Gemeinderäten der genannten Gemeinden initiiert worden war.

Am 31. Dezember 2010 berichtete die Tageszeitung „Dolomiten“: „In Sachen Referendum der drei Alttiroler Gemeinden tut sich … gar nichts, obwohl die Regierung in Rom mit ihrer Untätigkeit gegen die Gesetze verstößt: Innerhalb von 60 Tagen nach der Überprüfung der Rechtmäßigkeit solcher Referenden müsste das Innenministerium dem Parlament einen entsprechenden Gesetzentwurf zum Regionenwechsel vorlegen. Das ist nicht geschehen.“

Wie die „Dolomiten“ dann am 14. Jänner 2011 berichten mussten, hatte der traditionell zentralistisch orientierte italienische Verfassungsgerichtshof in Rom in der Folge eine Klage der Gemeinde Col/Colle S. Lucia gegen die Untätigkeit der Regierung hinsichtlich der Umsetzung des Referendumsergebnisses zur Angliederung der Gemeinde an die Region Trentino/Südtirol als unzulässig abgewiesen.

Wenn man mit den Leuten in den abgetrennten ladinischen Tälern spricht, so erfährt man, dass bis heute das Verlangen nach Rückkehr zu Südtirol besteht.

Auf dem Sellajoch weist diese große Darstellung die Vorbeifahrenden auf die immer noch bestehende Trennung der Ladiner hin. (Bild: „Süd-Tiroler Freiheit“)
Auf dem Sellajoch weist diese große Darstellung die Vorbeifahrenden auf die immer noch bestehende Trennung der Ladiner hin. (Bild: „Süd-Tiroler Freiheit“)