Dokumentation: Erinnerung an den Dichter der Tiroler Landeshymne

Man darf in diesem Jahr in Zusammenhang mit Andreas Hofer noch eines weiteren Mannes gedenken: Vor 150 Jahren war der Dichter Julius Mosen aus Marieney im Oldenburgischen verstorben, welcher die Landeshymne „Zu Matua in Banden…“ gedichtet hatte.

Der Dichter Julius Mosen

Mosen stammte aus einer alten jüdischen Prager Familie, welche ursprünglich den Namen Moses getragen hatte und später zum Protestantismus konvertiert war. Mitglieder der Familie Mosen betätigten sich im Dienste der evangelischen Kirche. Mosens Vater war evangelischer Kirchenkantor und Dorfschullehrer. Der junge Mosen hatte sich als Student der neu gegründeten deutschen Burschenschaft Germania Jena angeschlossen und sich für die freiheitlichen Ideale begeistert. Im Jahre 1823 bewegte ihn die Nachricht über die Heimholung der sterblichen Überreste Hofers nach Innsbruck, die damals Tagesgespräch war.

Als der junge Mosen eine Bildungsreise nach Italien zu den Stätten des Altertums unternahm, unterbrach er Anfang 1826 in Innsbruck die Reise. Mosen besucht das Grab Hofers und alle Stätten in Innsbruck, an denen Hofer geweilt hatte. Ihm kam vor, wie er im Tagebuch festhielt, dass der Geist Hofers in dieser Stadt noch allgegenwärtig sei. Mosen stand auf dem Bergisel und der Eindruck erschütterte ihn tief. Noch immer zeigte der Berg die Wunden des mörderischen Ringens, die Spuren des Artilleriefeuers, das seine Hänge verwüstet hatte.

Es sollte noch 5 Jahre dauern, bis das tiefe Erleben gereift war und seinen Ausdruck in einem Gedicht fand, das in seiner Schlichtheit zu den großen Dichtungen deutscher Sprache zählt.

1831 schrieb er mit fliegender Feder in einem einzigen genialen Handstreich nieder, was ihn so lange bewegt hat – das Gedicht vom Andreas Hofer.

Andreas Hofer Lied Handschrift von Mosen
Diese Original-Niederschrift des Liedtextes von der Hand Julius Mosens befindet sich im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck

F. F. Stapf, der Biograph Mosens, sagt über das spätere „Andreas Hofer Lied“: „Es kommt aus dem Herzen und es geht deshalb zu Herzen. Es ist von schlichter Größe und edler Einfalt – kein rätselhaftes, intellektuelles Kunstgebilde. Es erinnert in seiner Einfachheit, Klarheit und Schönheit an Sagen, Volksmärchen, Volksweisen und in seiner Kraft an protestantische Kirchenlieder wie „Ein’ feste Burg ist unser Gott“. (Fred Frank Stapf: “Julius Mosen. Der Vogtländer Dichter des Andreas-Hofer-Liedes“, Lappersdorf 1995)

Andreas Hofer Lied Zu Mantua in Banden

Das Gedicht machte den jungen Dichter Mosen über Nacht bekannt. Als der Klosterneuburger Sänger und Komponist Leopold Knebelsberger anlässlich eines Aufenthaltes im Zillertal im Jahre 1844 das Gedicht unter Verwendung von Volksliedmotiven vertonte, trat das „Andreas Hofer Lied“ seinen Siegeszug durch Tirol und weiter durch den gesamten deutschen Sprachraum an. Es wurde zum Volkslied, denn Text und Melodie sind für einander geschaffen. Sie drücken in Schlichtheit und Schönheit den Stolz des Volkes auf einen seiner edelsten Helden aus. Und die Trauer über das tapfere Sterben des Sandwirtes.

Knebelsberger war es im Jahre 1865 ein Anliegen, zusammen mit alpenländischen Sängern den damals schon todkranken Dichter an seinem Wohnsitz in Oldenburg zu besuchen. Die Sänger erschienen in Tiroler Tracht und wurden von der Gattin Minna in das Krankenzimmer hinein geführt. Im Halbkreis umstanden sie das Bett und stimmten unter Begleitung einer Zither sein – ihr – Andreas Hofer Lied an. Mosen konnte kaum noch sprechen, aber er bewegte die Lippen zu dem Liedvortrag und sprach leise die Worte des Liedes mit. Tränen rannen ihm über das Gesicht. Die Sänger wussten, dass sie von einem Todgeweihten Abschied nahmen. Zwei Jahre später sollte der Dichter von seinem langem Leiden erlöst sein.

Julius Mosen aber lebt durch das ergreifende Andreas Hofer Lied in unser aller Andenken weiter.

„Zu Mantua in Banden“ wurde in den kommenden Jahrzehnten zu dem Lied, welches bis auf den heutigen Tag durch Generationen hindurch das Selbstverständnis der Tiroler geprägt hat.

Ignaz von Zingerle, der große Tiroler Sprach- und Literaturwissenschafter, nahm das Lied, weil es schon zum Volkslied geworden war, im Jahre 1850 in seine volkskundliche Sammlung „Sagen aus Tirol“ auf.

Im Jahre 1815 sangen es die zur Front in Fels und Eis ausrückenden Standschützen des Ersten Weltkrieges.

Kastelruther Standschützen des Ersten Weltkriegs an der Gebirgsfront

Und in den finstersten Tagen der faschistischen Unterdrückung richtete das als völkisches und politisches Bekenntnis heimlich gesungene Lied vom tapferen Sterben des Sandwirtes für sein Land Tirol die Menschen im besetzten Landesteil auf. Das Vorbild Hofers verlieh ihnen die Kraft, zu leiden und zu widerstehen.

Das schlichte Lied hat damit ganz wesentlich dazu beigetragen, das Tirolerland in Gefahr und Bedrängnis deutsch und ladinisch zu erhalten.

Seit dem Jahre 1915 befindet sich die Originalniederschrift aus der Hand des Dichters im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck. Die Schwiegertochter Mosens, Maria Mosen, geborene Briest, hat sie den Tirolern gestiftet.

Am 2. Juni 1948 erhob der Nordtiroler Landtag das Andreas Hofer Lied nach den Worten von Mosen und der Melodie von Knebelsberger offiziell zur Tiroler Landeshymne. Seitdem wird dieses Lied zu allen offiziellen und feierlichen Anlässen gesungen. Es erklingt auch alljährlich auf dem Friedhof von St. Pauls in Südtirol, wenn der Südtiroler Heimatbund, die Schützen aus ganz Tirol, die Bevölkerung und zahlreiche Politiker das Andenken der verstorbenen Freiheitskämpfer der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts vor deren Gedenktafel ehren.

Gedenkfeier für die Freiheitskämpfer der 1960er Jahre auf dem Friedhof von St. Pauls

Dass es im Jahr 2003 in ganz Tirol noch kein Denkmal für den Schöpfer der Tiroler Landeshymne gab, hatte den Innsbrucker Wirtschaftstreibenden Dr. Hans Paul Cammerlander dann dazu veranlasst, ein Relief zu dem Andenken an den Dichter Julius Mosen und an den Komponisten Leopold Knebelsberger, welcher die Hymne vertont hatte, anfertigen zu lassen.

Am 8. Juli 2003 wurde das von Emmerich Kerle geschaffene Bronzerelief an der Außenmauer des im Besitz Paul Kammerlanders befindlichen Innsbrucker Traditionsgasthauses „Goldener Adler“ angebracht und in einer schlichten und schönen Feier der Öffentlichkeit vorgestellt. Immerhin hatte Andreas Hofer 1809 im „Goldenen Adler“ ein Hauptquartier aufgeschlagen. „Am unseren Rundtisch plante er die Bergisel-Schlacht“, erklärte der Hotelier Cammerlander stolz bei der Einweihungsfeier.

Die zur Erinnerung an Mosen in Innsbruck angebrachte Gedenktafel, die hinter dem Portrait des Dichters auch das Portrait des Komponisten Knebelsberger zeigt.

Der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Luis Durnwalder hatte zusammen mit herzlichen Grußworten die Peter-Mayr-Schützenkompanie zu dieser Feier entsandt.

Und der Südtiroler Kulturlandesrat Dr. Bruno Hosp kündigte an, in Südtirol dafür sorgen zu wollen, dass das ehrende Andenken an Julius Mosen gewahrt werde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 




Sepp Mitterhofer 85 Jahre alt – Ein Leben für die Heimat und Freiheit

Bild: Roland Lang mit Sepp Mitterhofer

Am 22. Februar 2017 ist der Ehrenobmann des von ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), Sepp Mitterhofer aus Meran-Obermais, 85 Jahre alt geworden. Er kann stolz auf viele Jahrzehnte eines erfüllten Lebens zurück blicken, in denen er Außerordentliches für seine Heimat und deren Freiheit geleistet hat.

Aus diesem Anlass hat der derzeitige Obmann des SHB, Roland Lang, nachstehende Würdigung veröffentlicht:

Am 22. Februar 1932 in Meran geboren, erlebte Sepp Mitterhofer als Kind die Faschistenzeit. Über seinen weiteren Werdegang hat er in einem Vortrag in Österreich berichtet:

Nach dem Zweiten Weltkrieg bin ich als 15jähriger der Bürgerkapelle Obermais beigetreten und habe Flügelhorn geblasen. Bis 1988, also 40 Jahre war ich aktives Mitglied der Kapelle.

In den Fünfziger Jahren, als ich etwas älter und reifer wurde, hat mich der politische und soziale Notstand in unserer Heimat tief beeindruckt. Ich habe mich immer öfter mit Gleichgesinnten getroffen, um über die politische Lage zu diskutieren. Bin dann schließlich dem BAS beigetreten und habe mich aktiv bei den Anschlägen beteiligt.

Der junge Sepp Mitterhofer

Die Männer der ersten Stunde waren Sepp Kerschbaumer, Luis Amplatz, Jörg Klotz, Karl Tietscher, Jörg Pircher und Pepi Fontana, um nur die wichtigsten zu nennen.

Ich selbst bin über Kerschbaumers Freund Jörg Pircher 1958 zum BAS gekommen. Zu diesem Schritt bewogen hat mich und wohl die meisten Kameraden die Tatsache, daß der italienische Staat nicht einmal bereit war, uns die verbrieften Rechte, das bisschen Autonomie laut Pariser Vertrag zu geben.

Ich war begeistert von dem Gedanken, etwas Außergewöhnliches für unser stark bedrohtes Volk in unserer Heimat zu tun.

Haftbefehl

Der Haftbefehl des Staatsanwaltes Gaetano Rocco, welcher ungerührt die Folterungen der politischen Häftlinge zuließ und deckte

Seinen Idealismus bezahlte Sepp Mitterhofer mit Verhaftung und Folter. In einem aus dem Gefängnis geschmuggelten, an den Landeshauptmann Dr. Magnago gerichteten Brief hat er das Unfassbare geschildert, das er erleben musste. Daraus nur einige Auszüge:

Im Ganzen musste ich zwei Tage und drei Nächte strammstehen ohne etwas zu Essen, Trinken und zu Schlafen. … Mit Fußtritten wurde ich an den Füßen und am Hintern bearbeitet und auf den Zehen herumgetreten…. Am meisten geschlagen wurde mir ins Gesicht, daß ich so verschwollen wurde, daß ich später nicht mehr den Mund aufbrachte zum Essen. Die Arme wurden mir am Rücken hochgerissen, daß ich laut aufschrie vor Schmerz. Einmal musste ich mich halbnackt ausziehen, dann wurde ich solange mit Fausthieben bearbeitet bis ich bewusstlos zusammenbrach…“

Aus Mitterhofers Brief an Dr. Silvius Magnago. Der Brief, welcher den Zensurstempel des Gefängnisses trägt, befindet sich heute im Südtiroler Landesarchiv.

„Öfters musste ich stundenlang vor brennende Scheinwerfer stehen und hineinschauen bis mir der Schweiß herunter rann und die Augen furchtbar schmerzten. Man zog mich an den Ohren und riss mir Haare büschelweiße vom Kopf. … Der Rücken musste glatt an der Mauer angehen, kaum, daß ich mich rührte oder mit den Zehenspitzen etwas herausrutschte, so schlug mich ein Carabiniere der vor mir stand, mit dem Gewehrkolben auf die Zehen oder auf den Körper.

Im Mailänder Prozess wurde Sepp Mitterhofer zu 12 Jahren verurteilt, von denen er 7 Jahre und 11 Monate im Gefängnis verbüßen musste. Weder Folter noch Haft konnten ihn jedoch brechen.

Bild in der Mitte: Sepp Mitterhofer in Haft

Als er entlassen wurde, führte er den Kampf für die Freiheit und Einheit Tirols mit politischen Mitteln weiter. Er übernahm die Obmannschaft in dem von seinem Kameraden Hans Stieler geführten „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), an dessen Gründung er zusammen mit anderen ehemaligen politischen Häftlingen beteiligt gewesen war. Das satzungsmäßige Ziel des SHB ist „die Durchsetzung des seit 1919 verwehrten Selbstbestimmungsrechtes, das die Entscheidung über die Wiedervereinigung des geteilten Tirol bis zur Salurner Klause zum Gegenstand hat. Die angestrebte Wiedervereinigung soll entweder durch einen einzigen Volksentscheid oder durch schrittweisen Vollzug verwirklicht werden.

In den kommenden Jahrzehnten setzte er sich erfolgreich für die ehemaligen politischen Häftlinge ein. Mit Hilfe des Rechtsanwaltes und Abgeordneten Dr. Karl Zeller und anderer Personen des öffentlichen Lebens konnte dank seines Einsatzes die Löschung der Hypotheken des Staates Italien auf die Besitztümer ehemaliger politischer Häftlinge und die Wiedererlangung der bürgerlichen Rechte erreicht werden.

 

Auf politischem Gebiet blieb Sepp Mitterhofer ebenfalls unermüdlich tätig. Es ist auch seiner Mitwirkung zu verdanken, dass der Landesfestumzug von 2009 in Innsbruck nicht zu einer belanglosen Trachtenmodenschau, sondern zu einem mächtigen Bekenntnis zur Tiroler Landeseinheit unter der Devise „Los von Rom!“ wurde.

Unter der SHB-Obmannschaft Sepp Mitterhofers sind zahlreiche Publikationen, darunter auch sensationelle Meinungsumfragen in Nord- und Südtirol erschienen und es wurden wichtige politische Initiativen ergriffen. Unter anderem sprach Sepp Mitterhofer im Österreich-Konvent des Österreichischen Parlamentes über das Selbstbestimmungsrecht und das Streben nach der Tiroler Landeseinheit.

Im Mai 2007 gründete Sepp Mitterhofer gemeinsam mit Dr. Eva Klotz, Dr. Herbert Campidell, Werner Thaler, Dietmar Zwerger, Sven Knoll, Reinhold Ladurner und Roland Lang die Bewegung Süd-Tiroler Freiheit.

Auf vielen Veranstaltungen und Diskussionen, auch im Fernsehen, erinnert unser Sepp die Öffentlichkeit immer wieder daran, dass der Verbleib bei Italien kein unabänderliches Schicksal ist, sondern dass wir alle aufgerufen sind, in unserer Geschichte ein neues Kapitel aufzuschlagen und Rom Ade zu sagen.

Ich habe im Jahr 2011 die Obmannschaft im SHB von Sepp übernommen und ich bin ihm dankbar, dass er als Ehrenobmann mir weiterhin mit Rat und Tat zur Seite steht. Ich setze die von ihm eingeschlagene Linie ohne Abstriche mit Überzeugung und Begeisterung fort.

Sepp Mitterhofer

Wir alle danken unserem Sepp sehr herzlich für seinen jahrzehntelangen uneigennützigen Einsatz für die Heimat und wir gratulieren zu seinem Fünfundachziger. Es sind auch aus Österreich und Deutschland herzliche Grüße und die besten Wünsche für Sepp eingelangt, darunter von ehemaligen Kameraden aus dem Freiheitskampf.

 Lieber Sepp, wir sind froh und glücklich, Dich in unserer Mitte zu wissen!

Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)

 




Gratulation und Dank an einen Tiroler Patrioten

 Bild: SSB

Der Nordtiroler Alt-Landeshauptmann Dr. Wendelin Weingartner feierte am 7. Februar 2017 seinen 80. Geburtstag

Roland Lang, Obmann des von ehemaligen politischen Häftlingen und Südtiroler Freiheitskämpfern gegründeten „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), der für die Selbstbestimmung eintritt, gratulierte dem Jubilar und dankte ihm für seine patriotische Haltung

In der Pressemitteilung des SHB heißt es dazu:

Roland Lang, der Obmann des SHB, dankte dem Altlandeshauptmann Dr. Weingartner
Roland Lang, der Obmann des SHB, dankte dem Altlandeshauptmann Dr. Weingartner

Weingartner, der als erster „Nicht“-Bauer die Geschicke des Landes Tirol von 1993 bis 2002 leitete, war im EDV- und Bankenwesen aktiv, ehe er den Sprung in die Politik wagte und Tourismuslandesrat wurde.

In diese Zeit fällt auch das Zitat „Und wenn ich die Stimmen aus Südtirol höre, dann glaube ich, dass gerade in der Jugend ein neuer Aufbruch hin zu einem geeinten Tirol stattfindet, und ich glaube, das ist wichtig“. Dieser Aussprach hat bis in die Gegenwart nichts an Aktualität eingebüßt, so der SHB.

Der 1937 in Innsbruck geborene Jurist war Sohn einer Südtirolerin und eines Osttirolers. Sein Großonkel war der bekannte Probst, Denkmalpfleger und Kunsthistoriker Dr. Josef Weingartner.

In einem lebensgeschichtlichen Interview bezeichnete sich Wendelin Weingartner als Gesamttiroler. In seine Zeit als Landeshauptmann fielen drei Faktoren des Zusammenrückens der Tiroler Landesteile. Damit sind der österreichische EU-Beitritt, das Abmontieren der Grenzbalken am Brenner, Reschen und in Winnebach infolge des Inkrafttretens des Schengener Abkommen und die Einführung der gemeinsamen Währung Euro gemeint. Darüber hinaus war und ist Südtirol immer ein Herzensanliegen Weingartners.

So sprach und spricht sich Weingartner immer wieder für die Selbstbestimmung seiner südlichen Landsleute auf. Mit messerscharfen Kommentaren zeigt er immer wieder auf die Wunde, die im Herzen Europas noch klafft. Zudem ist der begeisterte Bergsteiger ein sehr beliebter Gastredner bei Schützen und heimatliebenden Verbänden und Vereinen. Auch bei der Gedenkfeier für Sepp Kerschbaumer in St. Pauls hielt Weingartner zweimal die Gedenkansprache.

Der Südtiroler Heimatbund hofft, dass Weingartner noch viele Jahre lebt und sich über und mit uns Gedanken über unsere Heimat macht. Denn er ist ein Mahner, von denen es in der sich immer schnell drehenden Welt wenige gibt. So gesehen muss man dankbar sein, dass es solche Charaktere gibt. Und so einer eben ist Weingartner, schließt Lang.

Dokumentation:

Dr. Wendelin Weingartner und der Südtiroler Freiheitskampf

1997: Aufregung über Weingartner-Äußerung

Am 14. Juni 1997 kamen ehemalige Südtiroler Freiheitskämpfer zu einem Kameradschaftstreffen in Innsbruck zusammen. Nach einer Gedenkmesse in der Hofkirche für die Opfer auf beiden Seiten ergriffen der Innsbrucker Bürgermeister Herwig van Staa und der Nordtiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner vor den mehr als 170 aus allen Landesteilen Tirols, aus dem übrigen Österreich und aus der Bundesrepublik Deutschland Zusammengekommenen das Wort. Van Staa und Weingartner dankten den Versammelten für ihren damaligen Einsatz für die Tiroler Landeseinheit sowie für die Rechte und Freiheit Südtirols.

Wütend reagierte die italienische Partei „Alleanza Nazionale“ darauf und forderte das Regierungskommissariat auf, gegen Weingartner öffentlich Stellung zu nehmen.

Dr. Weingartner wiederholte jedoch in der Bozener „Zeitung am Sonntag“ in einem Gastkommentar seinen Standpunkt:

„Ich glaube, daß man heute im Abstand von nahezu 40 Jahren doch schon feststellen kann, daß vieles heute Selbstverständliche in Südtirol nicht möglich wäre – Autonomie, Wohlstand, ja auch ethnischer Friede – wenn es neben der Arbeit der politischen Vertreter diesen selbstlosen Einsatz der Aktivisten der 50er und 60er Jahre nicht gegeben hätte….Ich möchte damit nicht Gewalt glorifizieren, aber mit dem nötigen zeitlichen Abstand anerkennen, daß diese Männer und Frauen wirklich etwas für ihre Heimat und die Freiheit der Menschen bewirkt haben. Es muss heute möglich sein, dies auch öffentlich anzuerkennen und dafür Danke zu sagen.“

1999: Gedenken an die Gefolterten und Ermordeten

Jedes Jahr gedenken der Südtiroler Schützenbund und der Südtiroler Heimatbund (SHB) auf dem Friedhof in St. Pauls der toten, der gefolterten und der ermordeten Freiheitskämpfer.

Am 8. Dezember 1999 kamen 2.000 Teilnehmer nach St. Pauls, darunter 1.200 Schützen mit 70 Fahnenabordnungen.

St. Pauls 1999 Stieler Weingartner Mitterhofer
Bei der Gedenkmesse – von links nach rechts: Der ehemalige Freiheitskämpfer und politische Häftling Hans Stieler, Landeshauptmann Dr. Wendelin Weingartner und der ehemalige Freiheitskämpfer und politische Häftling Sepp Mitterhofer.

Die würdige und ehrende Gedenkansprache hielt der Nordtiroler Landeshauptmann Dr. Wendelin Weingartner. Er sagte unter anderem:

„Meine Mutter war Katakombenlehrerin und die Folterungen der politischen Häftlinge haben sie tief bewegt und dadurch haben sie auch bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es gilt auch das Bekenntnis, dass Menschen, die für die Heimat eingestanden sind, auch heute noch ihre Bedeutung haben und wir daraus lernen müssen … Wir können auch heute auf Menschen nicht verzichten, deren Sein und Handeln eins ist, die authentisch sind wie Kerschbaumer … Er hat für die Heimat gehandelt und gelitten. Deshalb darf die Geschichte unseres Landes nicht verdrängt werden, sondern sie muss aufgearbeitet werden, und zwar ernsthaft.“

Im Vorfeld der Feier hatte es eine wüste Kampagne gegen den Nordtiroler Landeshauptmann und die anderen Teilnehmer gegeben. Sowohl die österreichischen „Grünen“ als auch die neofaschistische „Alleanza Nazionale“ (AN) hatten gleicherweise protestiert. Die AN hatte sogar die italienische Regierung aufgefordert, in Österreich diplomatischen Protest einzulegen und in St. Pauls gegen die Feier einzuschreiten. Landeshauptmann Dr. Weingartner hatte sich aber nicht einschüchtern lassen.

2009: Attentate waren notwendig

„Einerseits konnte man international nicht hinter Attentaten stehen, andererseits wusste man, dass sie notwendig waren. Die Leute haben gesagt: Jetzt setzen sich Menschen für die Heimat ein und werden eingesperrt. Ich weiß, dass auch in meiner Familie diskutiert wurde, dass es nicht notwendig ist, dass Österreich da den Braven spielt und die Leute verurteilt.“

(Dr. Weingartner in einem am 13. November 2009 von Birgit Mosser-Schuöcker und Gerhard Jelinek aufgenommenen Gesprächsprotokoll, wiedergegeben in deren Buch „Herz Jesu Feuernacht Südtirol 1961“, Innsbruck-Wien 2011, S. 142)

2009: Sie werden einen wichtigen Platz in der Tiroler Geschichte erhalten

„Ich habe schon oft gesagt, man kann nicht Andreas Hofer endlos feiern und die Leute, die sich in den Sechzigerjahren vielleicht noch intensiver und in persönlich verletzenderer Form für Tirol eingesetzt haben, nicht. Ich glaube, die positiv profilierten Leute, auch die Gefolterten, werden einen wichtigen, guten Platz in der Tiroler Geschichte erhalten.“

(Dr. Weingartner in einem am 13. November 2009 von Birgit Mosser-Schuöcker und Gerhard Jelinek aufgenommenen Gesprächsprotokoll, wiedergegeben in deren Buch „Herz Jesu Feuernacht Südtirol 1961“, Innsbruck-Wien 2011, S. 214)

2009: Mit zivilem Widerstand allein hätte man das nicht erreicht

„Ich glaube auch, dass es falsch ist, wenn man sagt, die Attentate hätten den Weg zur Autonomie behindert. Vor den Sechzigerjahren war in Italien nicht die geringste Bereitschaft vorhanden, etwas zu verändern. Mit zivilem Widerstand allein hätte man das wahrscheinlich nicht erreicht.“

(Dr. Weingartner in einem am 13. November 2009 von Birgit Mosser-Schuöcker und Gerhard Jelinek aufgenommenen Gesprächsprotokoll, wiedergegeben in deren Buch „Herz Jesu Feuernacht Südtirol 1961“, Innsbruck-Wien 2011, S. 217)

2011: Es waren Freiheitskämpfer

Im Anschluss an die große Gedenkveranstaltung des Südtiroler Schützenbundes „50 Jahre Feuernacht“ am 11. Juni 2011 auf Schloss Sigmundskron fand eine Podiumsdiskussion statt.

„Dr. Wendelin Weingartner kritisierte in seinem Statement scharf den Historiker Rolf Steininger, der die Freiheitskämpfer schon des Öfteren als Terroristen bezeichnet hat und der der Meinung ist, dass die Anschläge rein gar nichts gebracht hätten. ‚Bei den Männern der 60er Jahren handelt es sich sehr wohl um Freiheitskämpfer und nicht um Terroristen!‘, so der Altlandeshauptmann. Und weiter: ‚Ich wünschte mir bei den einen oder anderen Historikern und Politikern von heute eine ähnliche Heimatliebe, wie sie diese Männer von damals hatten.‘“

(Bericht über die Gedenkveranstaltung des Südtiroler Schützenbundes „50 Jahre Feuernacht“ in der „Tiroler Schützenzeitung“ Nr. 4/2011)

2012: Den Todesmarsch aufgehalten

86-10433936

„Weingartner lobte die Freiheitskämpfer der 1960er Jahre, ‚die, um den Todesmarsch der Südtiroler aufzuhalten, agiert haben und so wesentlich zum heutigen Wohlstand Südtirols – unserer Heimat – beigetragen haben‘“.

(Bericht der Tageszeitung „Dolomiten“ über die Festrede Weingartners auf der Andreas Hofer Gedenkfeier in Terlan am 22. Februar 2012)

2015: „Hofer würde sagen: Wehrt’s euch Mander!“

Am 22. Februar 2015 hielt Altlandeshauptmann Dr. Wendelin Weingartner bei der Andreas-Hofer-Gedenkfeier in Ehrenburg die Gedenkrede. Das Internetportal Unser Tirol 24 berichtete darüber:

Weingartner Hofer würde sagen Wehrt‚s euch Mander - UT24

Dr. Wendelin Weingartner und das Recht der Südtiroler auf Selbstbestimmung

Dr. Weingartner hat wiederholt dazu aufgefordert, das Ziel der Landeseinheit Tirols nicht aus den Augen zu verlieren. In der „Tiroler Tageszeitung“ vom 12. Dezember 2006 hat sich Weingartner eindeutig geäußert:

Weingartner: Ein Tirol ist nicht sinnlos

 Tirols Alt-LH Weingartner kontert seinem Nachfolger Herwig van Staa und Südtirol-Aktivist Klier. Eine Wiedervereinigung mit Südtirol sei nicht sinnlos.

INNSBRUCK (TT-pn). Wendelin Weingartner forcierte in seiner Amtszeit stets eine starke Achse mit Südtirol. „Wir wissen nicht, was sich in Zukunft tut. Deshalb sollten wir uns alle Entwicklungen offen halten“, sagt der Altlandeshauptmann gegenüber der Tiroler Tageszeitung. Weingartner erinnert an die Wiedervereinigung Deutschlands, an die auch niemand mehr geglaubt hätte. Kritik übt er an der Südtirol-Politik der Tiroler Landesregierung. Ihr fehle die Emotion. „Die Südtirol-Frage hat jedoch immer etwas mit Emotionen zu tun.“

Weingartner: Landeseinheit sinnvoll

 „Tirol soll sich Entwicklung offen lassen“

Dem Tiroler Alt-LH Wendelin Weingartner fehlt die Emotion in der heimischen Südtirol-Politik. Eine Wiedervereinigung hält er keinesfalls für ausgeschlossen.

INNSBRUCK (pn). Weingartner hatte während seiner fast zehnjährigen Amtszeit die Tiroler Landespolitik auch stets in Richtung Südtirol ausgerichtet. Die Nord-Süd-Achse war ihm oft wichtiger als jene Richtung Osten. Offen nimmt er im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung deshalb zur aktuellen Debatte über den künftigen politischen Status von Südtirol Stellung.

Geschichtliche Fenster

„Man sollte sich die Dinge offen lassen“, erklärt der ehemalige Tiroler Landeschef. „Niemand will die Unrechtsgrenze mit Gewalt verändern und die Geschichte wieder aufleben lassen. Aber wer weiß, wie sich Europa entwickelt, welche Fenster sich möglicherweise auftun?“, verweist Weingartner auf die deutsche Wiedervereinigung. Weingartner glaubt zwar nicht, dass eine Wiedervereinigung derzeit aktuell sei, „aber auch die Trennung Tirols kam seinerzeit wie aus heiterem Himmel“.

Die Autonomie bezeichnet Weingartner als großen Erfolg der Südtirol-Politik im Vergleich zur Situation bis Mitte der Sechzigerjahre. „Längerfristig streicht sie aber das Trennende hervor, wo doch die geschichtliche Tradition da ist.“

Für Weingartner wäre das Gedenkjahr 2009 ein geeigneter Rahmen, um sich mit dem gemeinsamen Tirol des 21. Jahrhunderts auseinander zu setzen. „Dabei sollten wir auch kritisch das Gedenkjahr 1984 bilanzieren. Aus den hehren Vorsätzen, ein gemeinsames Tirol zu gestalten, ist nicht viel geworden.“ In der Südtirol-Politik der Tiroler Landesregierung vermisst Weingartner heute die Emotion. „Südtirol und die Trennung Tirols sind emotionale Fragen. Das sollte uns bewusst sein.“

„Die Emotion fehlt“

„Mir geht es darum, im europäischen Kontext zu denken. Geschichtliche Veränderungen sind heute nicht absehbar.“ Lob hat er für Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder übrig. „Dieser meinte, die Wiedervereinigung Tirols wäre die natürlichste Sache der Welt. Damit lässt Durnwalder künftige Entwicklungen offen.“

(Aus „Tiroler Tageszeitung“ vom 12. Dezember 2006)

Weingartner: Autonomiestatut  ist nicht verwirklichte Selbstbestimmung!

Am 1. November 2015 veröffentlichte die Südtiroler „Zett“, die „Zeitung am Sonntag“ einen Beitrag von Dr. Weingartner, in welchem dieser die These zurückwies, dass es sich bei dem Südtiroler Autonomiestatut bereits um verwirklichte Selbstbestimmung handle. Damit erteilte er dem ÖVP-Außenminister Kurz eine Belehrung, da dieser im Gleichklang mit der Bundes-ÖVP dergleichen behauptet hatte.

In diesem Beitrag des Altlandeshauptmannes hieß es unter anderem:

„Nach zähen Verhandlungen wurde mit dem zweiten Autonomiestatut ein Kompromiss gefunden, der von Südtirol angenommen wurde.

Die Zustimmung zum Autonomiestatut war kein Akt der inneren Selbstbestimmung, sondern die Annahme eines Verhandlungsergebnisses.

Wäre den Südtirolern das Recht auf eine innere Selbstbestimmung zugestanden worden, hätten sie sich sicher für ein ganz anderes Maß an Eigenständigkeit entschieden.

Und sie müssten nicht immer um ihre Zuständigkeiten und die Finanzen streiten. Sie müssten auch nicht Sorge haben, dass eine neue zentralistische Staatsverfassung ihre Positionen schmälere.

Die Feststellung in der Begründung des Beschlusses des Österreichischen Nationalrates, dass die Südtirol-Autonomie eine besonders gelungene Form der Selbstbestimmung sei, ist irreführend.

Die Autonomie beruht auf dem Pariser Vertrag und ist nicht Ergebnis der Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes.

Der Pariser Vertrag wiederum ist die Grundlage der Schutzmachtfunktion Österreichs.

Für die Ausübung der Schutzmachtfunktion ist diese klare Position notwendig.

Das bedeutet aber nicht, dass der eingeschlagene Weg der Autonomie bisher für Südtirol kein guter gewesen wäre.

Aber das Autonomiestatut hat bei weitem nicht die Qualität und Sicherheit, dass es als Ausfluss einer inneren Selbstbestimmung gesehen werden kann. Dazu kann heute niemand ausschließen, dass sich einmal für die Bewohner Südtirols – für alle Bewohner – das historische Fenster einer echten Selbstbestimmung öffnen wird.“

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Ist Bozen es müde, bei Italien zu sein?

Das Internetportal unsertirol24.com hat am 27. Jänner 2017 einen bedeutungsvollen Beitrag auf seiner Seite „Welschtirol“ veröffentlicht:

Wir geben den Artikel in leicht verkürzter Übersetzung wieder:

Ist Bozen es müde, bei Italien zu sein?

Luigi Sardi analysiert die Worte des Bozener Bürgermeisters Enzo Caramaschi

„In Südtirol weht ein Wind der Müdigkeit gegen Italien und wenn wir heute eine Volksabstimmung durchführen würden, so würde die Bevölkerung, auch jene der italienischen Sprachzugehörigkeit, dafür stimmen, sich abzuspalten.“

Das hat Enzo Caramaschi, der Bürgermeister von Bozen, gegenüber dem Bürgermeister von Trient bei einem von der Zeitung „l’Adige“ im Palazzo Geremia veranstalteten persönlichen Treffen erklärt.
Demnach sei die Bevölkerung der Stadt Bozen es müde, einem Land anzugehören, welches immer schwieriger zu regieren sei. Bozen war seinerzeit, als das (neofaschistische) „Movimento Sociale Italiano“ noch die stärkste politische Partei war – von Giorgio Almirante als „alleritalienischste Stadt Italiens“ bezeichnet worden.

Zum wiederholten Mal hat Caramaschi erklärt, dass man in Südtirol mit vermehrter Sympathie nach dem Land nördlich des Brenners blicke, wo die Sicherheiten und die politische Ernsthaftigkeit die Wirtschaft begünstigen und wo die Kultur als Schatz die Entwicklung begünstigt.
Man blicke lieber nach dem Norden, als nach dem Land südlich von Salurn, wo man auf die Glücksfälle vertraut, um einen häufig wankenden Fortschritt in Gang zu halten.

Sicherlich sind die italienischen Probleme enorm und häufig tragisch. (Es folgt eine Aufzählung tragischer Erdbeben in Italien, welche wir hier weglassen.)

Man hat begriffen, dass seit Jahrzehnten die wirtschaftlichen Ressourcen ungenügend und die Antworten der Politik darauf nicht angemessen sind. Wir wissen auch, wie das Diktat der Politik die Darstellung historischer Ereignisse mittels gewollter, verkündeter und multiplizierter Irrtümer verändert hat.

Daher gibt es eine verdrehte Geschichtsdarstellung, eine verleugnete, versteckte oder verfälschte Wahrheit.

Ein Segment dieser Geschichte betrifft Südtirol: Der Verrat Italiens im Mai 1915 an dem Dreibund, welcher seit 32 Jahren Rom, Berlin und Wien vereint hatte.

In jenem Mai wurde dieser Verrat „strahlend“ genannt, weil er vom „Sacro Egoismo“, dem „Heiligen Egoismus“. getragen war, wie es der damalige Ministerpräsident Antonio Salandra ausgedrückt hat.

Das ist der Ursprung der „Winde der Müdigkeit“, die unverhofft in das Bewusstsein von einem Bürgermeister zurückgeholt werden, der an einem Punkt angelangt zu sein scheint, an welchem er die Zukunft der Stadt verändern will, die ihn gewählt hat.

Der italienische Originaltext:

Bolzano stanca di essere Italia?

Luigi Sardi analizza le parole del Sindaco di Bolzano, Enzo Caramaschi

“In Alto Adige ci sono venti di stanchezza verso l’Italia e se facessimo oggi un referendum la gente, anche quella di lingua italiana, voterebbe per staccarsi ”.

Lo ha detto Enzo Caramaschi, il sindaco di Bolzano, nel faccia a faccia con il sindaco di Trento organizzato dal giornale l’Adige a Palazzo Geremia. Dunque il popolo di Bolzano, quello della città definita “la più italiana d’Italia” da Giorgio Almirante quando il Movimento Sociale Italiano era il partito più forte nel capoluogo del Sud Tirolo, sarebbe stanca di un Paese dove governare è sempre più difficile.

Ancora Caramaschi ha detto che nel Sud Tirolo si guarda, con crescente simpatia, a Nord del Brennero, dove le certezze e la serietà politica favoriscono l’economia; dove la cultura diventa quel patrimonio che aiuta lo sviluppo;  piuttosto che guardare a Sud di Salorno,  dove ci si affida al famoso “stellone nell’ingranaggio”, insomma al colpo di fortuna,  per mantenere in piedi un progresso spesso traballante.

Certo, i problemi italiani sono enormi e spesso tragici. A cominciare dall’orrore dei terremoti che flagellano il Bel Paese. Quello di Messina. Quello del 13 gennaio 1915 quando, con un boato che i testimoni ricordarono come infernale e interminabile, Avezzano e altri borghi della Marsica vennero cancellati assieme a 30519 persone. Era il gennaio del 1968 e di fronte al disastro del Belice si riprese a mappare l’Italia indicando la necessità, nelle zone sismiche, di ricostruire e costruire in maniera adeguata.

Mi pare non sia accaduto nulla e così ogni scossa è una tragedia, ogni alluvione un disastro, persino una certamente anomala e furiosa nevicata semina lutti e angosce,  nell’ansia di cosa potrà accadere in quelle zone dominate dai vulcani. Si è capito che da decenni le risorse dell’economia sono insufficienti, le risposte della politica inadeguate, e sappiamo come il dettato della politica abbia modificato la ricostruzione degli eventi storici per via di quell’errore voluto che si propaga e si moltiplica.

Dunque storia travisata, verità negate o camuffate o falsificate. Proprio un segmento di questa storia riguarda il Sud Tirolo: il tradimento da parte dell’Italia nel maggio del 1915, della Triplice Alleanza che da 32 anni legava Roma a Berlino e Vienna in quel maggio chiamato “radioso” perché percorso dal fremito del “sacro egoismo”, espressione coniata da Antonio Salandra.

Ecco l’origine dei “venti di stanchezza” richiamati d’improvviso alla memoria non da quanti dovrebbero far ripercorrere la storia di quella guerra di un secolo fa,  ma da un sindaco che, accantonato il politichese, sembra sul punto di cambiare il futuro della città che lo ha votato.




Welschtirol und der italienische Irredentismus (Teil 1)

Der Begriff „Irredenta“ bezeichnete eine politische Bewegung zur Schaffung eines italienischen Nationalstaates und der Angliederung aller von Italienern bewohnten Gebiete an diesen. „Terre irredente“ heißt auf Deutsch: „Unerlöste Gebiete“.

Diese Bewegung musste zwangsläufig zur Konfrontation mit Österreich, beziehungsweise „Österreich-Ungarn“ führen.

Teil I: Hinweis auf ein wichtiges Buch und die Geschichte des Irredentismus

 von Georg Dattenböck

 Dr. Michael Mayr: „Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“, Innsbruck 1916, Verlagsanstalt Tyrolia, Brixen Bozen“

Dr. Michael Mayr: „Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“, Innsbruck 1916, Verlagsanstalt Tyrolia, Brixen Bozen“ Verlag Nabu Press, ISBN-10: 1149323272; ISBN-13: 978-1149323274; € 28,17

Im Jahre 1916 verfasste der Historiker Dr. Michael Mayr (Staatsarchivdirektor und Professor an der Universität Innsbruck) ein Standardwerk über den italienischen Irredentismus. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit waren die Verhältnisse in Tirol – in Welschtirol, welches heute den von den Faschisten verpassten Namen „Trentino“ trägt.

Dieses kritische Werk, welches durchaus auch die von der österreichischen Politik und Verwaltung begangenen Fehler behandelt, ist im Jahre 2010 in einer Neuauflage erschienen:

 

Dr. Michael Mayr: „Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“

Es ist es wert, dass man sich mit seinem Inhalt auseinander setzt.

Ein Wort zum Verfasser des Werkes
„Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol“

Dr. Michael Mayr
Dr. Michael Mayr

Michael Mayr wurde am 10. April 1864 in Adlwang in Oberösterreich als Sohn eines Bauern geboren. Er besuchte das Gymnasium der Jesuiten in Linz, maturierte jedoch 1895 im Benediktinerstift in Kremsmünster. Anschließend studierte er Geschichte und Geographie an der Universität in Wien, absolvierte 1889-1891 das „Institut für Österreichische Geschichtsforschung“, war 1891 Stipendiat am „Österreichischen Historischen Institut in Rom“ (Erforschung der Nuntiaturberichte 1560-1572) und wurde 1890 promoviert.

Beamter, Historiker, Abgeordneter

Nach kurzer Tätigkeit im Archiv des k.u.k. Finanzministeriums war Mayr ab 1892 Beamter des Statthaltereiarchivs in Innsbruck und dessen Direktor von 1897 bis 1920.

Im Jahre 1900 wurde Mayr Professor für Neue Geschichte an der Universität Innsbruck.

Mayr war von seiner ursprünglichen politischen Einstellung her ein Liberaler, trat aber dann der „Christlichsozialen Partei“ bei. Er begann seine politische Laufbahn als Abgeordneter zum Reichstag in Wien von 1907 bis 1911, um anschließend von 1908 bis 1914 als Abgeordneter im Tiroler Landtag tätig zu werden. Mayr war 1918 auch Mitglied der „Konstituierenden Nationalversammlung“ Deutschösterreichs.

Als Gesandter Tirols verhandelte Mayr in der Schweiz 1918/19 mit Abgesandten der Siegermächte über eine eigene Republik oder einen Freistaat Tirol.

Um die Einheit Tirols zu wahren, verlangte Mayr damals in der Provisorischen Nationalversammlung mit anderen Abgeordneten das Recht Tirols auf Loslösung von Österreich.

Staatssekretär, Verfassungsrechtler und Staatskanzler

Der erste Staatskanzler der neu gegründeten Republik Deutschösterreich, Dr. Karl Renner, Mitglied der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs“ (SDAPÖ), berief Mayr zum Staatssekretär für die Arbeiten an einer gesamtösterreichischen Verfassung, die Mayr zusammen mit Hans Kelsen, einem der bedeutendsten Rechtsgelehrten, schuf.

Dr. Michael Mayr wurde am 7. Juli 1920 in Nachfolge von Dr. Karl Renner zweiter Staatskanzler bzw. ab 10. November 1920 erster Bundeskanzler Österreichs und ab 22. Oktober, als die Sozialdemokraten aus der Regierung austraten, wurde er zugleich auch Außenminister.

Am 20. November 1920 wurde die Bundesregierung Mayr II, eine Minderheitenregierung der Christlichsozialen mit Unterstützung der Großdeutschen gewählt.

Da sich die österreichische Regierung im Friedensvertrag von Saint-Germain im Jahr 1919 verpflichten mußte, Österreich von Deutschland unabhängig zu erhalten, trat Bundeskanzler Dr. Mayr wegen einer in der Steiermark beabsichtigten Abstimmung über einen Anschluss an das Deutsche Reich von seinem Amt zurück, führte jedoch die Geschäfte bis zur Angelobung der neuen Bundesregierung unter Bundeskanzler Johann Schober am 21. Juni 1921 weiter.

Dr. Michael Mayr starb an einem Herzinfarkt am 21. Mai 1922 in Waldneukirchen bei Steyr, nur 58 Jahre alt, beim Besuch am Hofe seiner Schwester.

Sein Geschichtswerk über den italienischen Irredentismus

Dieses sehr wichtige Buch berichtet über eine über 100jährige Vorgeschichte der Zerreißung Tirols im Jahre 1918. Ohne die Kenntnis dieser Vorgeschichte versteht man die italienische Begehrlichkeit auf Tirol und die erfolgte Aggression kaum. Wer die Tiroler Geschichte vor 1918 kennenlernen und vor allem wissen will, welche Kräfte die Fäden zur Zerstörung der Landeseinheit spannen, kann nicht umhin, Mayrs gründliche Analyse zu lesen. Es ist ein Werk, welches bereits 1916 um Jahrzehnte zu spät erschien und seine Wirkung nicht mehr entfalten konnte, wie man heute im Rückblick bedauernd festhalten muss.

In seinem Vorwort schrieb Mayr, daß

„die deutsche Geschichtsschreibung und die österreichische und deutsche Politik sich um das Wesen und die Entwicklung des italienischen Irredentismus in Österreich in seinem ganzen Zusammenhange bisher verhältnismäßig wenig gekümmert haben, obwohl er bereits die Kriege Italiens gegen Österreich in den Jahren 1848/49, 1859, 1866 und den Verrat Italiens an seinen Bundesgenossen im gegenwärtigen Weltkriege verursacht hat“.

Diese Gedanken sind aus der damaligen Notsituation mitten im Krieg verständlich. Im Abstand von 100 Jahren ist es jedoch auch geboten, die österreichische Politik sehr kritisch zu hinterfragen.

Dazu bitte ich den Leser, den nächsten Beitrag zu lesen!




Welschtirol und der italienische Irredentismus (Teil 2)

Eine kritische Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung

 von Georg Dattenböck

Vor dem Ersten Weltkrieg

Als am 21. November 1916, nach einer Regierungszeit von nahezu 68 Jahren, der greise österreichische Kaiser Franz Joseph I. aus dem Haus Habsburg-Lothringen, König von Böhmen und Apostolischer König von Ungarn in Wien starb, ging ein geschichtliches Zeitalter zu Ende: Tirol gehörte seit der Zeit der Völkerwanderung zum Herzogtum Bayern und seit 1363, als Margarete Maultasch von Tirol ihr Land im Einvernehmen mit den Landständen ihrem nächsten Verwandten, dem Habsburger Rudolf, dem Stifter übergab, zu Österreich.

Franz-Josef wurde am 2. Dezember 1848, nachdem sein Vater auf das Amt verzichtete, auf Wunsch der kaiserlichen Familie und nach den revolutionären Erhebungen breiter Volksschichten, im Alter von achtzehn Jahren Kaiser von Österreich. Als erste Maßnahme und als ein Menetekel, hob der junge Kaiser alle gegebenen Verfassungszugeständnisse auf und regierte ab 1851 wieder absolutistisch und zentralistisch. Die Regierung wollte nicht mehr oder weniger, als das abgewirtschaftete und verhasste „System Metternich“ wieder in Kraft setzen.

Das erwachende Nationalbewusstsein der Völker

Als Flammenschrift an der politischen Wand standen an erster Stelle bereits die soziale Frage, dann der Freiheitswille und auch der (teilweise von außen) geschürte Nationalismus der vielen Völkerschaften der Monarchie.

Niemand wollte und konnte damals diese Flammenschrift, Vorbote des zermalmenden Orkans von 1914, lesen und die Botschaft verstehen. Auch dann noch nicht, als der für die ungarischen Aufständischen 1848 als Schneidergeselle arbeitende János Libényi am 18. Februar 1853 auf der Bastei in Wien ein Messerattentat auf den jungen Kaiser verübte.

Das Attentat auf Kaiser Franz Joseph I. am 18. Februar 1853. Ölgemälde v. J. J. Reiner, 1853.
Das Attentat auf Kaiser Franz Joseph I. am 18. Februar 1853. Ölgemälde v. J. J. Reiner, 1853.

Die politischen Feinde der Monarchie im Untergrund jubelten: Am 18. März 1853 erschien die anonyme Schmähschrift eines Italieners und in Wien sang der verhetzte Mob:

Auf der Simmeringer Had (Heide) hat’s an Schneider verwaht.  Es g’schieht ihm scho‘ recht, warum sticht er so schlecht?“

1859 erfolgte die Niederlage der österreichischen Armee im „Sardinischen Krieg“. Sardinien-Piemont wollte das Königreich Lombardo-Venetien von österreichischer Herrschaft befreien und sich selbst einverleiben. Das Vorhaben gelang, Österreich verlor den Krieg in blutigen Schlachten.

Am 3. Juli 1866 folgte die schwere Niederlage der österreichischen Armee bei Königgrätz gegen Preußen im Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland. Der Kaiser wurde dadurch  zum Ausgleich mit den aufsässigen Ungarn und zur Umwandlung des bislang von Wien aus regierten Kaiserstaates Österreich in zwei konstitutionelle Monarchien gezwungen: Die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn entstand, unter törichter Missachtung der nationalen Wünsche aller anderen Völkerschaften.

Das Werden Italiens von 1859 bis 1870
Das Werden Italiens von 1859 bis 1870

Bewegungen im Untergrund: „Carbonari“ und Freimaurer

Italien war seit dem Ende des antiken Römischen Reiches im Jahre 476 bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nur ein geographischer Begriff, aber keine Nation, kein staatsrechtlicher Begriff.

Im 18. Jahrhundert entstanden vor allem in Süditalien geheime Sekten mit radikaler politischer Tendenz, die radikalste Gruppierung waren die „Carbonari“, deren Riten sich an jene der Freimaurerei anlehnten.

An Stelle der Loge trat bei den „Köhlern“ die „Hütte“, in denen den ‚guten Vettern‘, so nannten sich die Mitglieder, als heiligste Pflicht der Kampf gegen die Tyrannei verkündet wurde, oder, wie die Carbonari das in ihrer symbolischen Sprache ausdrückten: ‚die Jagd auf die Wölfe des Waldes‘. Man hat in der Folge oft behauptet, die Carboneria sei mit der Freimaurerei identisch gewesen. Aber das ist nicht der Fall.“ [Lennhof/Posner: Internationales Freimaurerlexikon; unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1932, Spalte 760ff, Wien-München 1980].

Italienische Freimaurerloge im 19.
Italienische Freimaurerloge im 19. Jahrhundert

Die italienische Freimaurerei vertrat nicht wie die deutsche Freimaurerei eine utopische Vorstellung eines Weltbürgertums, sondern war nicht nur aus der Sicht der österreichischen Behörden durchaus irredentistisch/nationalistisch. Dies wird durch viele freimaurerische Bekundungen dokumentiert, wie zum Beispiel durch die feierliche Enthüllung des Dante-Alighieri-Denkmal in Trient, welches als sogenanntes Trienter „Trutzdenkmal“ die Italianität Welschtirols unterstreichen sollte.

Der bekannteste Freimaurer seiner Zeit war der Irredentist und Revolutionär Giuseppe Garibaldi. Er wurde später Großmeister des ‚Grande Orients d’Italia‘. Andere waren Camillo Cavour, Schöpfer der italienischen Verfassung, Giuseppe Mazzoni, auch ein berühmter Großmeister, oder der Revolutionär Giuseppe Mazzini.

Den Irredentisten im italienisch-sprachigen Teil der Monarchie, die Teile des Bürgertums, kleinere Teile des Adels, der Geistlichkeit und Arbeiterschaft, aber kaum die Bauernschaft umfassten, kann man Gewandtheit, oft List und Ausdauer sowie Unerschütterlichkeit nicht absprechen:

Sie waren Meister im ununterbrochenen Kleinkrieg gegen die österreichischen Behörden. Letztere waren gewiß nicht immer konsequent; sie zeigten aber, besonders an Verhältnissen nach dem ersten Weltkrieg gemessen, im allgemeinen und meistens eine Milde, Nachsicht und Geduld sowie Fairness, über die man heute noch staunt. Dank und Anerkennung ist ihnen von der Gegenseite dafür nicht geworden“ [Hans Kramertz: „Das Dante-Aligherie-Denkmal in Trient im Rahmen des italienischen Irredentismus“; in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Band 58, Dezember 1950].

Umgangssprachen in Österreich-Ungarn nach: William R. Shepherd, Distribution of Races in Austria-Hungary, Historical Atlas, 1911. Bei der letzten Volkszählung 1910, wurden 768.422 Italienischsprechende, das waren 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung der Monarchie, gezählt.
Umgangssprachen in Österreich-Ungarn nach: William R. Shepherd, Distribution of Races in Austria-Hungary, Historical Atlas, 1911. Bei der letzten Volkszählung 1910, wurden 768.422 Italienischsprechende, das waren 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung der Monarchie, gezählt.

Ein späterer Faschist als Vorkämpfer imperialistischer Unterdrückung

Die ohne Zweifel für das Schicksal Tirols unheilvollste Person war der 1865 in Rovereto geborene Ettore Tolomei. Er studierte in Florenz Geschichte und Geographie, wurde ein glühender Nationalist und Mitglied der ‚Dante Alighieri Gesellschaft‘.

Bild links: Ettore Tolomei. Bild rechts: Tolomei im Jahre 1925 inmitten eines faschistischen Umzugs in Bozen.
Bild links: Ettore Tolomei. Bild rechts: Tolomei im Jahre 1925 inmitten eines faschistischen Umzugs in Bozen.

Ettore Tolomei, der von seinem geliebten „Duce“ Mussolini ehrenhalber zum faschistischen Senator befördert werden sollte, sah seine Lebensaufgabe darin, die Grenzen Italiens auf den Alpenhauptkamm zu verlegen, dadurch das historisch gewachsene Tirol zu zerstören und die Ladiner und die Deutschen südlich des Brenner unter italienische Fremdherrschaft zu bringen. Er scheute dabei vor keinen historischen und Ortsnamen-Fälschungen, zurück, die teilweise skurrilen und lächerlichen Charakter annahmen.

Seine erlogene „Erstbesteigung“ des eher unbedeutenden, aber am nördlichsten im Alpenhauptkamm gelegenen Glockenkarkopfes mit der grotesken Umbenennung des Gipfels in „Vetta d’Italia“ („Gipfel Italiens“) hatte historische Bedeutung. Bei den Pariser Friedensverhandlungen am Ende des Weltkrieges wurde von der italienischen Delegation eine Landkarte mit diesem Namen vorgelegt. Dies machte angeblich großen Eindruck  – oder politisch willkommenen und vorgetäuschten Eindruck – auf den US-Präsidenten Wilson. Auch hier darf man Verlogenheit und Täuschung nicht ausschließen.

Erstmals 1906 veröffentlichte Tolomei die Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“, in welcher er die von ihm erfundenen italienischen Namen für deutsche und ladinische Orte in Südtirol propagierte.
Erstmals 1906 veröffentlichte Tolomei die Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“, in welcher er die von ihm erfundenen italienischen Namen für deutsche und ladinische Orte in Südtirol propagierte.

Bereits in der ersten Ausgabe der von ihm gegründeten Zeitschrift „La Nazione Italiana“ hatte Tolomei seine unheilvolle Lügenpropaganda begonnen. In der Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“ präsentierte Tolomie seine geschichtlichen Lügen und gefälschten Ortsnamen, womit er die „Italianität“ des deutschen und ladinischen Südtirols „wissenschaftlich“ begründete.

Die Abschaffung des wahren und geschichtlichen Namens Tirol sowie die Umwandlung aller deutschen und ladinischen Orts- und Flurnamen in erfundene italienische Namen war sein Programm. Für die Landesbezeichnung griff Tolomei auf den kurzzeitig unter Napoleon verwendeten Namen „Alto Adige“ – „Hoch-Etsch“ – zurück.

Es gelang Tolomei und seinen Helfern jedoch trotz vieler Anstrengungen bis Mitte des 1. Weltkrieges nicht, die italienische Wissenschaft, besonders die „Geographische Gesellschaft“ und sogar die Mehrheit der politischen Führung Italiens, vom „wissenschaftlichen“ Wert seiner Publikationen zu überzeugen. Erst als er trotz heftiger Proteste Mitglied der „Geographischen Gesellschaft“ wurde, sollte sich dann unter dem Eindruck des gewonnenen Krieges und vor allem unter dem Einfluss des Faschismus rasch die Einstellung dieser Vereinigung wandeln.

In Österreich hatte man die Entwicklung und die drohenden Gefahren nicht rechtzeitig erkannt

Der italienische Anarchist und Mörder Luigi Lucheni
Der italienische Anarchist und Mörder Luigi Lucheni

Die lodernde Flammenschrift an der Wand war vom Kaiser Franz Joseph und seinem Führungskreis, trotz vieler ernsthafter Warnungen, immer noch nicht verstanden worden, als der italienische Anarchist Luigi Lucheni die Gattin Franz Josephs, Kaiserin Elisabeth („Sissy“), am 10. September 1898 in Genf mittels einer Feile mit eiskaltem Vorbedacht ermordete. [Luigi Lucheni / Santo Cappon: Ich bereue nichts! Die Aufzeichnungen des Sissi-Mörders; Taschenbuch, 2000]

Zeitgenössische Darstellung vom Mord an Kaiserin Elisabeth in Genf am 10.9.1898
Zeitgenössische Darstellung vom Mord an Kaiserin Elisabeth in Genf am 10.9.1898

Lucheni hatte sich den russischen Adeligen und Anarchistenführer Michail Alexandrowitsch Bakunin (*1814, †1876 in Bern) als anarchistisches Vorbild gewählt. Bakunin hatte 1861 mit Guiseppe Garibaldi Verbindung aufgenommen und sich 1864 in Italien niedergelassen. Er war durch Empfehlungsschreiben von G. Mazzini und Aurelio Saffi in die revolutionären italienischen Kreise eingeführt worden und hatte 1864 in Italien die „Internationale Bruderschaft“, die Keimzelle der Anarchisten Italiens, begründet.

Der Historiker Otto Weiß stellte in einem historischen Beitrag „Deutschlandbild der Italiener von der Schlacht bei Königgrätz bis zur Reichsgründung“ [In: „Deutsche Italienbilder und italienische Deutschlandbilder in der Zeit der nationalen Bewegungen 1830-1870“, Berlin 1991] die Frage:

„Wie sahen die ‚Deutschen‘ im Urteil und Empfinden der Italiener zwischen 1866 und der deutschen Reichsgründung aus? Als Quellen für seine gründliche Analyse untersuchte Weiß die gesamte damalige Presse, „dann auch programmatische Artikel in Zeitschriften und Flugschriften, die sich speziell mit Deutschland, insbesondere mit dem Verhältnis Deutschlands zu Italien befassen“.

Auf S. 257 zitierte Weiß eine hier im Kontext dieses Buches wichtige italienische Flugschrift des Jahres 1869, worin u.a. zu lesen ist:

Damit die beiden Völker ihrer Aufgabe nachkommen könnten (…) müssten sie gemeinsam Tirol von Österreichern befreien. Der Brenner soll zur Grenze, nein zum Ort der Begegnung beider Völker werden.“ 

(Diese durchaus heuchlerische Interpretation des Brenners als „Ort der Begegnung“ hört und liest der aufmerksame Zeitgenosse auch heute noch in vielerlei Abwandlungen in den Medien! In erster Linie nicht von Seiten italienischer Politiker, sondern vor allem von den politischen Repräsentanten der Republik Österreich und Südtirols, die damit seit Jahrzehnten ihre ständige Verzichtspolitik in Südtirol-Fragen rechtfertigen und als moralischen Fortschritt verkaufen.)

Die Ermordung des Thronfolgers

Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este.
Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este.

Am 28. Juni 1914 wurden der seit 1896 zum Thronfolger bestimmte Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este und seine Gattin, Sophie Gräfin Chotek v. Chotkowa und Wognin, seit 1909 Herzogin von Hohenberg, in Sarajevo vom 19jährigen Schüler Gavrilo Princip mit Hilfe der Untergrundorganisation „Mlada Bosna“ und der serbischen Geheimorganisation „Schwarze Hand“ mit Pistolenschüssen ermordet.

 

Gavrilo Princip erschießt Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Frau Gräfin Chotek. Nachempfundene Illustration von Achille Beltrame in der italienischen Zeitung La Domenica del Corriere am 12. Juli 1914
Gavrilo Princip erschießt Erzherzog Franz Ferdinand und dessen Frau Gräfin Chotek. Nachempfundene Illustration von Achille Beltrame in der italienischen Zeitung La Domenica del Corriere am 12. Juli 1914

Der 19jährige Attentäter Gavrilo Princip.
Der 19jährige Attentäter Gavrilo Princip.

 

Auch zu diesem Zeitpunkt kam es zu keinem entschlossenen und eigenverantwortlichen Handeln der dazu unfähigen Regierung in Wien. Zudem hatte sich wegen des Jahrzehnte langen politischen Versagens der maßgeblichen Eliten die „politische Großwetterlage“ bereits gegen das österreichische Kaiserhaus gewandt. Der überforderte alte Kaiser erklärte Serbien den Krieg, die lange aufgestellten Fallen schnappten zu, der 1. Weltkrieg entbrannte.

Die nationalistischen Kräfte des mit Österreich-Ungarn und mit dem deutschen Reich im „Dreibund“ verbündeten Italien hatten auf eine solche Situation gewartet. Nun entbrannte die Kriegstreiber-Propaganda mit voller Wucht, bis es 1915 zum Bündnis-Bruch seitens Rom und zum italienischen Überfall auf den eigenen Verbündeten kam.

Was gemäß Hofzeremoniell als wichtig erschien – während der Staat dem Zerfall entgegen wankte

Die absolute Starrheit und der moralische Verfall des kaiserlichen Hofstaates in Wien hatten sich beim schäbigen Begräbnis des ermordeten designierten kaiserlichen Ehepaares dokumentiert:

Die Trauerfeiern wurden vom Hof wegen der nicht standesgemäßen Heirat bewusst bescheiden gehalten, die Presse sprach von einem ‚Begräbnis III. Klasse‘. Ein vollständiges Staatsbegräbnis kam für einen Thronfolger ohnehin nicht in Frage, dies stand nur dem Monarchen selbst zu. Für die Herzogin von Hohenberg war eine Bestattung in der Kapuzinergruft nicht möglich, und eine Ausnahmeregelung durch Kaiser Franz Joseph war nicht zu erwarten. Er konnte dem Thronfolger die morganatische Ehe gegen seinen Willen nicht verzeihen.
Da Franz Ferdinand dies gewusst hatte, aber unter allen Umständen an der Seite seiner Gattin begraben werden wollte, hatte er bereits zu Lebzeiten vorgesorgt und in seinem Schloss Artstetten eine Gruft errichten lassen. 
[Austria-Forum: „Franz Ferdinand von Österreich-Este“].

Der ermordete Thronfolger hatte ein modernes Staats-Konzept vertreten

Der Ermordete hatte als einer der wenigen Mitglieder des Kaiserhauses die vielen Zeichen an der Wand gesehen: Er hatte die Monarchie grundlegend neugestalten und die Völker Österreichs in einer Föderation auf ethnischer Grundlage vereinen wollen. Das war ein modernes Konzept gewesen, welches zu einer Lösung der ethnischen Fragen durch einen Föderalismus ähnlich jenem der Schweiz hätte führen können. Seine Ermordung 1914 und der Tod des greisen Kaisers 1916, sowie die Niederlage von Österreich-Ungarn 1918 waren das tragische Ende eines großen Staates, einst die vielhundertjährige Führungsmacht Deutschlands im Herzen Europas.

Feldmarschall Conrad von Hötzendorf hatte die italienische Gefahr erkannt gehabt

Conrad v HötzendorfÖsterreichs Feldmarschall Conrad von Hötzendorf, bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 der Chef des Generalstabes für die gesamte bewaffnete Macht Österreich-Ungarns, hatte mehrmals einen Präventivkriege der Monarchie gegen die erkannten Gefährder Italien und Serbien gefordert gehabt. Conrad spielte eine wichtige Rolle in der Julikrise, die zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte. Er urteilte über den Irredentismus [“Aus meiner Dienstzeit 1906-1918“, S. 24, Wien-Berlin-Leipzig-München 1921]:

So gering die Zahl der Italiener in Österreich-Ungarn auch war, so bedeutungsvoll wurde sie durch die hartnäckige Agitation ihrer politischen Führer, die letzten Endes die Vereinigung der von Italienern bewohnten österreichisch-ungarischen Gebiete mit dem Königreich Italien anstrebten. Sie fanden bei Italien die lebhafteste Unterstützung.

Zwar nötigte das zwischen Österreich-Ungarn und Italien bestehende Bündnis die offiziellen Kreise Italiens, die Beziehungen zur irredentistischen Bewegung nach außen hin zu verleugnen, nichtsdestoweniger fanden sie italienischerseits vollste Förderung“

„Von den (Im Jahre 1890) 697.000 Italienern Österreich-Ungarns bewohnten 22.000 das Gebiet von Fiume, 16.000 Dalmatien, 294.000 das Küstenland, 362.000 Tirol. Im Küstenland bildeten sie hauptsächlich die Bevölkerung der Städte (Triest, Görz, Pola, Parenzo, Rovigno etc.), während das Land rings um diese von Slawen bewohnt war; in Tirol hatten sie den Süden des Landes inne, davon große Teile, die einst deutsch waren, allmählich aber verwelscht wurden.

Die italienische Landbevölkerung, dann auch der Adel waren zum größten Teile österreich-patriotisch gesinnt, ein Großteil der reicheren Gutsbesitzer (signori) sowie der bürgerlichen Kreise aber war ausgesprochen dem Irredentismus ergeben, der überdies auch im Klerus und selbst in der Beamtenschaft seine Vertreter fand.

Die Tendenzen dieser Partei hatten so sehr die Vereinigung mit Italien zum unverrückbaren Ziele, daß jedes Entgegenkommen, jeder versöhnliche Versuch ein vergebenes Bemühen war, ja jede Konzession die irredentistischen Bestrebungen nur zu fördern vermochte. Trotzdem ging die Regierung, in großer Schwäche, diesen Weg. Italien versäumte es nicht, den Irredentismus wach zu erhalten, ihn auszunützen und dem großen Ziele einer wesentlichen territorialen Erweiterung auf Kosten Österreich-Ungarns dienstbar zu machen.

Ein österreichischer Offizier berichtet über die italienische geheimdienstliche Wühlarbeit

Ein ehemaliger österreichischer Offizier, der seit 1906 mit Unterbrechungen in „einem Grenzort Südtirols, der eine bekannte Hochburg der Irrendenta war“, seinen Militärdienst im Abwehr- und Nachrichtendienst verrichtete, beschrieb anschaulich das dort von ihm Erlebte [„Kämpfer an vergessenen Fronten“, bearbeitet und herausgegeben von Wolfgang Foerstner. S. 558ff, Berlin 1931].

Er berichtete u.a.:

Italienische Offiziere sagen Krieg voraus

„In den meisten Geschäftsauslagen waren Büsten des italienischen Königs oder Garibaldis, niemals aber ein Bild unseres eigenen Herrschers zu sehen. (…) Während meiner mehrjährigen Abwesenheit von Tirol hatten die Italiener so ziemlich alle Grenzübergänge mit Sperrforts versehen, die aber alle in ihrer Anlage den offensiven Charakter erkennen ließen. (…)  Von italienischen Offizieren konnte man nach dem Tripoliskrieg
[Anm. Hg.: dieser begann mit der italienischen Kriegserklärung am 29. September 1911 und endete mit dem Frieden von Ouchy am 18. Oktober 1912. In ihm trat das Osmanische Reich Tripolitanien, die Cyrenaika und den Dodekanes an Italien ab.]
vielfach die Äußerung hören, der Tripoliskrieg sei nur als Vorschule für den nun bald kommenden Krieg gegen Österreich, den man zu Erlangung von Trient und Triest führen werde, anzusehen.

Steigerung der Spionagetätigkeit

Tatsächlich war damals in Südtirol auch eine wesentliche Steigerung der italienischen Spionagetätigkeit zu verzeichnen, was immer ein Zeichen ist, daß sich irgendetwas vorbereitet. (…)
Wie es diesbezüglich aussah, lässt wohl am besten die Tatsache erkennen, daß damals in einem Monat in Südtirol vierzig italienische Offiziere zugleich auf Urlaub weilten, die sich in unserem Grenzbereich als Touristen herumtrieben und dabei nicht nur selbst auskundschafteten, sondern auch unsere italienische Grenzbevölkerung verhetzten und zur Spionage verleiteten. (…)

In den letzten Jahren vor dem Ausbruch des Weltkrieges arbeitete der italienische Nachrichtendienst in Tirol mit Hochdruck und bediente sich dabei mit großem Erfolg jener Bewegung, welche man als Irredenta bezeichnete, und welche sich die Losreißung der von Italienern bewohnten Grenzgebiete der Monarchie zum Ziele gesetzt hatte. (…)

Da wir mit Italien im Dreibundvertrag standen und offiziell das herzlichste Einvernehmen zwischen unseren Staaten herrschte, durfte unser Abwehrdienst nur mit größter Rücksichtnahme vorgehen, um den Nachbar durch ein zu scharfes Vorgehen nicht zu verstimmen, und konnte daher nur in ganz krassen Fällen von Spionage einschreiten. (…)

Die Benutzung irredentistischer Vereinigungen

Der italienische Nachrichtendienst bediente sich zu seinen Zwecken aber auch in sehr geschickter Weise der zahlreichen irredentistischen Vereine auf unserem Gebiet. So konnten wir feststellen, daß der „Klub Alpino Tridentino“ im Auftrage des „Touring Club Italiano“, der vom italienischen Generalstab für Spionagezwecke eine jährliche Subvention von 25.000 Lire bezog, eine genaue Wegekarte des ganzen Grenzgebietes anlegte und alle im Grenzgebiete vorhandenen Hochgebirgswege bis zur Grenze markierte, welche Markierung dann auf italienischer Seite von den Alpinitruppen fortgesetzt wurde. Der Verein baute auch an einigen wichtigen Übergangspunkten des Grenzgebietes eigene Schutzhütten, die immer reichlich mit Lebensmittel versehen waren, so daß sie sehr brauchbare Depots darstellten.
Die in Südtirol bestehenden Sportvereine waren fast ausschließlich irredentistisch und standen ganz unter dem Einfluss der Vereine des benachbarten Königreichs.
[Anmerkung: Unter „Südtirol“ wurde im alten Österreich nicht das heutige Südtirol verstanden, sondern Welschtirol, das heutige „Trentino“.]
Diese Vereine ließen sich im Laufe der Zeit alle eigene Uniformen anfertigen, die selbstverständlich in Schnitt und Farbe ganz der italienischen Uniform nachgebildet waren, so daß jeder, der so einen Verein sah, den Eindruck hatte, daß es ein reichsitalienischer sei. Derartig uniformierte Vereine gab es in Südtirol etwa 75. (…)

Horten von Waffen

Eine von der Abwehrstelle im Frühjahr 1914 durchgeführte Überprüfung der im südlichen Landesteil ausgegebenen Waffenpässe ergab, daß in den drei an Italien grenzenden Bezirken Pässe für 6000 Gewehre und 5000 Revolver und Pistolen ausgestellt worden waren. Diese Menge war hinreichend, um die genannten uniformierten Vereine vollkommen mit Waffen auszurüsten. Italien konnte also damit rechnen, daß es in einem Kriege mit uns in Südtirol gleich ein ganz italienisch uniformiertes und dabei auch noch bewaffnetes Freikorps zur Verfügung haben werde, das einen Aufmarsch unserer Truppen im südlichen Landesteil empfindlich stören, wenn nicht gar verhindern konnte“.

Die italienische Freimaurerei beteiligte sich intensiv an den Kriegsvorbereitungen

Daß auch die italienische Freimaurerei am Kriegseintritt Italiens 1915 nicht unbeteiligt war, erkennt man an den Worten des damaligen Großmeisters der italienischen Logen. Bereits am 14. Juli 1914 sprach er von der Gefährdung der nationalen Interessen, von der Möglichkeit der Vervollständigung der nationalen Einheit (…)  Auf eine Anfrage des Deutschen Großlogenbundes vom 5. November 1914, ob die in den Zeitungen veröffentlichten Mitteilungen über dreibundfeindliche Kundgebungen der italienischen Maurer wahr seien, antworteten diese zunächst vieldeutig (…)

Als am 5. Mai 1915 das Denkmal der tausend Garibaldiner in Quarto eingeweiht wurde – Gabriele d’Annunzio hielt die die Festrede – umrahmten die Fahnen von 400 italienischen Logen den Festplatz. Neun Tage später trat Italien in den Weltkrieg ein. Der Großorient sprach in einer Botschaft von einem lang erwarteten Ereignis, das er begrüßte“ [Lennhof/Posner: Internationales Freimaurerlexikon; unveränderter Nachdruck der Ausgabe 1932, Spalte 765, Wien-München 1980].

So sollte die Landkarte nach den Vorstellungen der italienischen Irredentisten und Faschisten nach dem 1. Weltkrieg aussehen: Nicht nur der Alpenhauptkamm, sondern Teile von Frankreich und Monaco, ganz Istrien und das kroatische Dalmatien standen auf der Wunschliste. Benito Mussolini proklamierte in einer Rede am 21.6.1921, daß die Einheit Italiens erst dann vollendet sei, wenn auch das schweizerische Tessin italienisch sei.
So sollte die Landkarte nach den Vorstellungen der italienischen Irredentisten und Faschisten nach dem 1. Weltkrieg aussehen: Nicht nur der Alpenhauptkamm, sondern Teile von Frankreich und Monaco, ganz Istrien und das kroatische Dalmatien standen auf der Wunschliste. Benito Mussolini proklamierte in einer Rede am 21.6.1921, daß die Einheit Italiens erst dann vollendet sei, wenn auch das schweizerische Tessin italienisch sei.

Wie lebendig das damalige, von Hass und Vernichtungswillen geprägte Gedankengut der Irredentisten auch heute noch ist, erkennt man im Gedenken an das Leben und Sterben des Irredentisten Cesare Battisti: Seine Gedenktafel in Rom, seine Büsten im „Siegesdenkmal“ in Bozen und in Verona, die Gedenkplatte an seinem Geburtshaus in Trient und sein Grabmal im Battisti-Mausoleum in Trient dokumentieren die ungebrochene Verehrung des am 11. Juli 1916 in Trient gehängten sozialistischen Irredentisten.

Battisti hatte – im Gegensatz zum Faschisten Ettore Tolomei – nicht den Alpenhauptkamm als Italiens Grenze gefordert, sondern eine Grenzziehung entlang der realen Sprachgrenze.

Dieser Forderung von Battisti können sich heute noch alle am Frieden und guter Nachbarschaft interessierten Österreicher  und Italiener anschließen.

Im Ersten Weltkrieg hatte der österreichische Staatsbürger Battisti als Offizier im italienischen Heer gegen Österreich-Ungarn gekämpft und war von den Östereichern gefangen genommen worden.

Es war eine menschliche Tragödie und politische Kurzsichtigkeit, dass dieser Mann nach seiner Gefangennahme als österreichischer Deserteur hingerichtet und nicht begnadigt wurde. Diese Engstirnigkeit der österreichischen Militärjustiz und der österreichischen Staatsführung wirkt in tragischer Weise bis heute nach. Ausgerechnet das Gedenken an einen Mann, der keine Unterdrückung anderer Nationalitäten anstrebte, wird heute von italienischen Nationalisten und Faschisten dazu missbraucht, die „Heiligkeit“ der Brennergrenze zu behaupten.

 Cesare Battisti auf dem Weg zu seiner Hinrichtung in Trient. Foto aus: „Kämpfer an vergessenen Fronten“, S. 569; Berlin 1931.
Cesare Battisti auf dem Weg zu seiner Hinrichtung in Trient. Foto aus: „Kämpfer an vergessenen Fronten“, S. 569; Berlin 1931.

Schrift auf Battisti Denkm

Benito Mussolini hatte 1935 auf dem Doss Trento ein Denkmal für Cesare Battisti errichten lassen und damit das Andenken an diesen Mann für faschistisch-nationalistische Zwecke missbraucht.

Unbekannte Welschtiroler schrieben in einer Nacht folgenden Text auf das Denkmal:

„O kleiner Cesare, du bist umsonst gestorben, weil das Trentino nie italienisch war und nie italienisch sein wird.“

In der Folge wurde der Text auch als Flugblatt verbreitet.

Welschtiroler Schützen verteidigten Tirol

Welschtiroler Schützenkompanien verteidigten im 19. und im 20 Jahrhundert mehrmals heldenhaft ihre Heimat gegen italienische Einfälle.

Veteranen dekoriert

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Bis heute in Welschtirol und in Südtirol keine Volksabstimmung!

In Italien wird immer stolz betont, dass die Einigung des Stiefel-Staates durch Volksabstimmungen in den jeweils dazu gewonnenen Gebieten legitimiert wurde.

Dabei ist Folgendes interessant:

Es gab nach dem Ersten Weltkrieg in Südtirol und in Welschtirol keine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zu Italien.

Ganz offenbar befürchtete man nach dem Ersten Weltkrieg in Rom, dass in Welschtirol vor allem die Landbevölkerung mit ladinischen und deutschen Wurzeln mehrheitlich gegen einen Anschluss an das Königreich Italien stimmen würde. Welschtirol

Die Stimmen italienisch-nationalistisch gesonnener städtischer Intellektueller und Gewerbetreibender wären nicht ausreichend für einen römischen Sieg in einem Plebiszit gewesen.

Rom zog also die Vorsicht vor – bis heute!!!

Denn in Welschtirol erwacht wieder eine Rückbesinnung auf ladinische und deutsche Wurzeln.

Die Rückbesinnung auf die alten Wurzeln

 Tyrol

Um diese Rückbesinnung verstehen zu können, ist ein Blick auf die Geschichte der Bevölkerungsentwicklung notwendig.

Welschtirol war in den ländlichen Gebieten vorwiegend ladinisch undvor allem in den Rodungsgebieten der Seitentäler seit dem 12. und 13. Jahrhundert auch deutsch geprägt. Lediglich in größeren Orten und Städten setzte sich ein vergleichsweise kleiner aus dem Süden zugewandeter italienischer Bevölkerungsanteil fest: Intellektuelle, Kaufleute und Handwerker.

Sprachenkarte

Eine Sprachenkarte Gesamttirols mit der Darstellung der Situation um 1500 verdeutlicht dies:

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(Aus: Wilhelm Rohmeder: „Die ehemalige Ausdehnung des Deutschtums in den italienisch-sprachigen Bezirken Tirols“, Innsbruck 1908)
(Aus: Wilhelm Rohmeder: „Die ehemalige Ausdehnung des Deutschtums in den italienisch-sprachigen Bezirken Tirols“, Innsbruck 1908)

Die Namen der Trentiner Bischöfe

Auch ein Blick in das Namensregister der Bischöfe von Trient ist interessant:

Um 800 nach Christi Geburt finden wir einen Hiltigard, um 827 einen Heimpert, um 850 einen Udalschalk, um 880 einen Adelgis. Dann folgen die Bischöfe Fridebert, Gisulf, Bertald, Konrad.

Weitere Bischofsnamen absolut nicht italienischer Herkunft: Lantram, Arnald, Rainoard, Udalrich, Hatto, Heinrich, Bernward, Gebhard, Adelpret, Altmann, Eberhard und so fort und so weiter. Bis in das 19. Jahrhundert finden wir zahlreiche solche deutschen Namen. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts folgen ausschließlich italienische Namen.

Bis heute hat sich auch in einigen Sprachinseln ein alter bajuwarischer Dialekt, das sogenannte „Zimbrische“ erhalten:

ZimbrischSprachliche Italianisierung durch italienischen Klerus

Das ladinische und deutsche Siedlungsgebiet reichte einst auch weit über das südliche Tirol hinaus in den oberitalienischen Raum hinein. Es erstreckte sich bis zum alten Berne (Verona). Germanische Einwanderungswellen der Langobarden, Franken und Bajuwaren prägten diesen Kulturkreis bis über das Mittelalter hinaus. In der Folge wurden immer wieder neue Einwanderer aus dem Norden zur Rodung weiter Waldgebiete und zur Schaffung einer bäuerlichen und städtischen Kulturlandschaft ins Land gerufen.

Eine hervorragende Darstellung hat  dazu Bernhard Wurzer in seinem Standardwerk „Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien“ (Athesia-Verlag Bozen, 5. Auflage 1983) geliefert.

Das Titelbild seines Buches zeigt die Ortschaft Palai im Fersental.
Das Titelbild seines Buches zeigt die Ortschaft Palai im Fersental.

Wenn in früheren Zeiten Priestermangel herrschte, so rief man vor allem deutsche Priester aus dem Norden ins Land, welche die Sprache der deutschen Einwohner sprachen. Das änderte sich radikal, als im deutschen Norden der Protestantismus um sich griff.

Nun zogen die Bischöfe von Triernt es vor, Priester aus dem italienischen Süden ins Land zu holen, die nicht von dem von Martin Luther verbreiteten Bazillus angesteckt waren.

Diese Priester sprachen Italienisch, predigten Italienisch, tauften die Kinder auf italienische Vornamen und italianisierten in den Tauf- und Sterberegistern auch die Familiennamen.

So wurde beispielsweise aus dem in Welschtirol weit verbreiteten Familiennamen „Nikolaus“ der Familienname „Nicolussi“. Seitenlinien dieser „Nicolussi“ behielten bis heute vielfach deutsche Zusatznamen bei: Reut-Nicolussi, Nicolussi-Leck.
Auch der von Grundschulunterricht wurde in italienischer Sprache gehalten.
Im 19. Jahrhundert mögen auf der Seite dieser Priester auch noch nationalistische Antriebe die sprachlichen Italianisierungsmaßnahmen verstärkt haben.

Heute erstarkt das Bewußtsein eigener Identität

In Welschtirol in Umlauf befindlicher Aufkleber: „Trentino ist Österreich“
In Welschtirol in Umlauf befindlicher Aufkleber: „Trentino ist Österreich“

Der Welschtiroler Schützenbund gründet neue Kompanien oder nimmt Wiedergründungen ehemaliger Kompanien vor. Das Tirol-Bewußtsein südlich der Salurner Klause erstarkt deutlich.

 SK Destra Ades 1900

 

Die Welschtiroler Schützenkompanie Destra Ades um 1900 und im Jahre 2016
Die Welschtiroler Schützenkompanie Destra Ades um 1900 und im Jahre 2016

 Die Tiroler Farben, der Tiroler Adler und ein Bild Andreas Hofers schmücken das Schützenheim der Welschtiroler Schützenkompanie Trient. Ein Aufschrift an der Wand besagt, dass Trauer herrscht, solange Tirol nicht vereinigt ist.

 

 

 Die Tiroler Farben, der Tiroler Adler und ein Bild Andreas Hofers schmücken das Schützenheim der Welschtiroler Schützenkompanie Trient. Ein Aufschrift an der Wand besagt, dass Trauer herrscht, solange Tirol nicht vereinigt ist.
Die Tiroler Farben, der Tiroler Adler und ein Bild Andreas Hofers schmücken das Schützenheim der Welschtiroler Schützenkompanie Trient. Ein Aufschrift an der Wand besagt, dass Trauer herrscht, solange Tirol nicht vereinigt ist.

Die Geschichte auch dieses Landesteils ist in Bewegung!
Die Geschichte auch dieses Landesteils ist in Bewegung!

In zahlreichen Internet-Portalen betonen immer mehr Welschtiroler, dass sie sich als Tiroler und Österreich zugehörig fühlen:

Willkommen

Tirol bis Borghetto

Sudtirolo e Austria

Stolz stellt eine Familie einen alten österreichischen Reisepass ins Internet.
Stolz stellt eine Familie einen alten österreichischen Reisepass ins Internet.

8 Jahrhunderte

„Tirol ist nicht Italien“, verkündet diese Darstellung im Internet. Und: „93 Jahre löschen nicht 8 Jahrhunderte aus“




Gedenken an einen Südtiroler Freiheitskämpfer

 Anton Gostner vor seiner Verhaftung

Der Südtiroler Heimatbund (SHB), eine von ehemaligen politischen Häftlingen Südtirols gegründete Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt, erinnert an den tragischen Tod eines vorher von den Carabinieri schwer gefolterten Südtiroler Freiheitskämpfers und hat dazu nachstehende Pressemitteilung veröffentlicht:

Gostner bei seiner Einlieferung in das Gefängnis.
Gostner bei seiner Einlieferung in das Gefängnis.

Vor 55 Jahren starb Anton Gostner

Der Südtiroler Heimatbund erinnert in diesen Tagen an die 55. Wiederkehr des Todes des Südtiroler Freiheitskämpfers Anton Gostner aus St. Andrä bei Brixen. Der heimatliebende Eisacktaler war an den Sprengstoffanschlägen auf Strommasten beteiligt und von den Carabinieri festgenommen und in den Militärkasernen von Brixen und Eppan schwer gefoltert, misshandelt und psychischer Gewalt durch Schläge ausgesetzt worden. Er starb am 7. Jänner 1962 im Gefängnis von Bozen, berichtet Obmann Roland Lang.

Obwohl er schwer herzkrank war, wurde keine Rücksicht auf seine schwache und angeschlagene Gesundheit genommen. Die Mitgefangenen wie beispielsweise der Ultner Gemeindearzt Josef Sullmann forderten Arzneimittel für eine kurz- bis mittelfristige Besserung des Gesundheitszustands und die Einlieferung ins Krankenhaus, doch dieser Forderung wurde aus menschenverachtenden Gründen keineswegs Folge geleistet, so der SHB.

Sepp Mitterhofer, ein ehemaliger Mithäftling Gostners, erlebte den Tod Gostners.
Sepp Mitterhofer, ein ehemaliger Mithäftling Gostners, erlebte den Tod Gostners.

„Als am 7. Jänner 1962 die Häftlinge im Hof des Kerkers spazieren gingen, klagte Gostner über ein beklemmendes Gefühl in der Brust und einen starken Schmerz im linken Arm. Auf der Krankenstation wurde er kurz behandelt und in die Zelle zurückgebracht. Ich konnte noch ein paar Worte mit dem Brixner sprechen, ehe es ihn nach hinten riss. Nach Luft ringend, wurde er blau im Gesicht und starb. Nach dem die Wärter den toten Freiheitskämpfer und stets fürsorglichen, fünffachen Familienvater forttrugen, blieben die drei anderen Häftlinge völlig niedergeschlagen und sprachlos zurück“, erinnert sich SHB-Ehrenobmann Sepp Mitterhofer.

Nicht zu vergessen ist auch der Hungerstreik der Südtiroler Häftlinge in Bozen und Trient. Eine Woche nach dem Ableben von Gostner begann eine Aktion, mit der die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission verlangt wurde. Doch dieser Forderung, welche auch von Südtiroler Politikern geteilt wurde, wurde auf keinen Fall stattgegeben. Als Gegenleistung der sarkastischen Art und Weise wurden einige Häftlinge nach Verona und Vicenza strafversetzt.

Lebhaft in Erinnerung blieb auch der Trauerzug von der Kirche in St. Andrä, von der die schwarze Trauerfahne wehte. Der Sarg Gostners wurde von Schützen getragen. Brixens Bürgermeister Valerius Dejaco überreichte als Sprachrohr „einer vieltausendköpfigen, stummen Menge“, die sich aus allen Teilen Südtirols zusammengeströmt war, dem Toten den letzten Gruß der „blutenden Herzens vom ganzen Tiroler Volk gesprochen wurde“, berichtet Lang.

Bericht in der „Bunten Illustrierten“
Bericht in der „Bunten Illustrierten“

 

 

Unübersehbar lang war der Trauerzug
Unübersehbar lang war der Trauerzug

Begräbnis 1 Ausschnitt

Als heutzutage unvorstellbar könnte man die Aktion der italienischen Behörden bezeichnen. Eine Abordnung der Nordtiroler Landesregierung mit Landeshauptmann Tschiggfrey und den Landesräten Wallnöfer und Zechtl wurde letzterer am Brenner an der Weiterreise nach Brixen gehindert. Die Delegation zelebrierte dann in der Hofkirche in Innsbruck einen Gedenkgottesdienst für Gostner, so Lang.

Einreiseverbot

Anton Gostner war nach dem Burggräfler Franz Höfler das zweite Opfer der polizeilichen Gewalt gegen Südtiroler, die sich gegen das System und für die Heimat einsetzten. Mögen die Taten der Freiheitskämpfer, die allzu früh ihr Leben lassen mussten, niemals vergessen und ihnen ein ehrendes Andenken gewährt werden, schließt Lang.

Roland Lang
Roland Lang

Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)




Dokumentation: Die Folterung des Anton Gostner

Am 16. August 1961 berichtet der Südtiroler Freiheitskämpfer und fünffache Familienvater Anton Gostner in einem Brief an seinen Rechtsanwalt Dr. Egger über schwere Misshandlungen, die er in italienischen Kerkern erdulden musste:

„Sehr geehrter Herr Dr. Egger!

Anton Gostner vor seiner Verhaftung.
Anton Gostner vor seiner Verhaftung.

Wie Sie mir in Ihrem Brief mitteilten, von dem Geld, das kann ich nicht verstehen und nicht begreifen, denn das muß ein Irrtum sein oder sonst rein von der Luft gegriffen. Ich bin überzeugt, daß es in der ganzen Welt keinen Menschen gibt, der das behaupten kann.
Was meine Mißhandlung betrifft, das möchte ich Ihnen kurz berichten und hier niederschreiben. Ich bin am 20. Mai 1961 verhaftet worden, hier in Bozen.
Wurde beschuldigt, bei Versammlungen im Ausland, bei einem nicht festgesetzten Zeitpunkt teilgenommen zu haben und Geld vom Ausland bekommen zu haben, was alles ein Irrtum oder eine Erfindung ist.
Dann am 18.7.1961 holten mich 3 Carabinieri vom Gefängnis ab und führten mich geschlossen nach Brixen – ohne meine Frage zu beantworten, was mit mir geschehen solle.
Man brachte mich in die Carabinierikaserne von Brixen und verhörte mich dort bis zum nächsten Tag, zirka 10 Uhr. Die Behandlung war nicht gerade die angenehmste. Man gab mir abwechselnd immer mehr oder weniger Schläge. Man stellte mich an die Wand unter die Quarzlampe, mit den Händen immer hoch über dem Kopf, nicht weniger als wenigstens 4 Stunden ununterbrochen, wobei ich drei- oder viermal ohnmächtig wurde.
Man zog mich bei den Haaren auf dem Boden. Man setzte mir Käfer an, auf dem Bauch, deren Gattung ich nicht kenne, sie waren ziemlich groß. Ich denke, sie hatten die Eigenschaft, sich eine Vertiefung zu graben mit den Zangen, was sie auch taten.
Dann brachte man mich nach Eppan, wo es noch weitaus schlimmer war. Man schlug mich so heftig, daß ich oft nicht mehr wußte, wo ich war. Man hat mich nackt ausgezogen, über einen Tisch gelegt, mit dem Kopf nach unten, und schüttete mir drei volle Stunden Salzwasser, vielleicht mit einer Säure gemischt, in den Mund und Nase, daß man fast jede Minute glaubte, ersticken zu müssen, und das immer so lange, bis man ohnmächtig war. Man schlug mich dann nieder, und dann ging es immer wieder auf ein Neues. Man steckte mir brennende Zigaretten in die Nasenlöcher und auf die Stirn, wo man noch heute die Brandwunden erkennen kann. Man riß mir Haare beim Geschlechtsteil aus. So ging es mir mehr oder weniger 10 Tage, bis man mich wieder ins Bozner Gefängnis brachte. Ich möchte Sie bitten, Herr Doktor, sich zu erkundigen, ob das wirklich alles erlaubt ist. Noch dazu mit meinem Herzleiden, was ich habe. Ich könnte es verstehen, wenn ich wirklich ein Verbrecher wäre, aber so kommt es mir schon ein bißchen kraß vor.
Ich danke Ihnen im vorhinaus und grüße Sie
hochachtungsvoll
Gostner Anton.“

(Wiedergegeben in: Helmut Golowitsch: „Für die Heimat kein Opfer zu schwer…“, 2. Auflage, Edition Südtiroler Zeitgeschichte 2012, S. 294ff)

Dol 09 01 62

Die Tageszeitung „Dolomiten“ veröffentlichte Gostners Folterbrief und verlangte Aufklärung
Die Tageszeitung „Dolomiten“ veröffentlichte Gostners Folterbrief und verlangte Aufklärung

Sein Bruder, Engelbert Gostner, schilderte später im 1. Mailänder Prozess eine Gegenüberstellung in Eppan, bei der er zahlreiche Brandwunden im Gesicht seines Bruders sah. Der ebenfalls schwer gefolterte und später nach Österreich geflüchtete Siegfried Graf aus Prad im Vinschgau gab im Oktober 1961 in Österreich eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er den weiteren Leidensweg Anton Gostners schilderte:

„Dort wurde er mit dem Kopf über eine Wanne mit ätzender Säure gehalten. Es wurde eine Decke über seinen Kopf geworfen und er in dieser Lage bis zur Bewußtlosigkeit belassen. Noch nach vielen Wochen war er im Gefängnis in Bozen mit tränenden und vereiterten Augen in Behandlung.“ (Walla, Max (Hrsg.): „Die Schändung der Menschenwürde in Südtirol“, 2. Auflage, S. 95)

Hungerstreik 16 01 62aHungerstreik 16 01 62bProtest NT Landesreg cGebet TN 15 01 62Die Proteste der Tageszeitung „Dolomiten“ und die der Nordtiroler Landesregierung konnten keine Haltungsänderung in Italien bewirken. In den Carabinieri-Kasernen wurde weiter gefoltert.

An den Märtyrer der jüngeren Tiroler Zeitgeschichte, Anton Gostner erinnert heute eine Gedenktafel auf dem Friedhof in St. Pauls.

Gedenktafel St Pauls

 




Weihnachtsgrüße der SID-Redaktion

Den Mitbürgern und Freunden alles Gute für Weihnachten und das Neue Jahr 2017!

Wir gehen unsicheren Zeiten entgegen. Italien taumelt finanziell am Abgrund. Die Gefahr der Instabilität wächst und wir werden erst sehen, welche Kräfte mit welchen Heilsversprechungen in Italien das Heft in die Hand nehmen werden.

Es kann sein, dass die Südtiroler dann zusammenstehen müssen, um als Volksgruppe politisch überleben zu können.

Hoffen wir, dass dann im Volk und unter den führenden politischen Persönlichkeiten der Gemeinsinn herrschen wird und dass unter Hintanstellung parteipolitischer Taktik für das Wohl des Landes gearbeitet wird.

In diesem Sinne verbleiben die Mitarbeiter des SID mit den besten Wünschen!




Faschistoide „Staatsreform“ vorläufig beerdigt

Der Südtiroler Parlamentarier Hans Berger in Rom

Rückblick und Ausblick

Am 4. Dezember 2016 haben die Italiener in einem Referendum entschieden, dass sie den Weg zurück in einen faschistoiden Zentralstaat nicht gehen wollen. Auch nicht unter der Führung des Ministerpräsidenten Renzi und unter der zartrosa Flagge der angeblichen Linkspartei „Partito Democratico“ (PD).

Die geplante Abschaffung des Föderalismus, die Errichtung eines Zentralstaates und die Einführung eines Wahlsystems, welche der relativ stärksten Partei eine absolute Mehrheit an Parlamentssitzen sichern sollte – das alles erinnerte sehr an den Beginn der Mussolini-Herrschaft unseligen Angedenkens.

Dass das alles unter dem Banner einer angeblichen Linkspartei hätte geschehen sollen, kann nur jene Mitbürger verblüffen, die nicht wissen, dass auch Benito Mussolini aus dem sozialistischen Lager kam und seine Idee eines „nationalen Sozialismus“ in der Folge auch an seinen gelehrigen Schüler Adolf weitergab.

Die Italiener haben Stiefelweit mit 59,11 Prozent NEIN-Stimmen dieses Projekt abgelehnt und damit vorläufig beerdigt.

Seltsame Haltung der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP)

Mehr als seltsam war in diesem Zusammenhang das Verhalten der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP). Die Parteiführung hatte im Einklang mit dem Landeshauptmann Arno Kompatscher dazu aufgerufen, die Transformation der Republik in einen autoritären Staat mit JA zu unterstützen. Offensichtlich ist bei dem Referendum ein großer Teil der Parteimitglieder und SVP-Wähler dieser Parteiweisung gefolgt.

Damit hat die SVP in einem bedeutenden Ausmaß dazu beigetragen, dass es in Südtirol 63,69 Prozent JA-Stimmen für das Renzi-Projekt gegeben hat.

Die SVP hat damit „in Nibelungentreue und mit hohem Risiko die Politik des Ministerpräsidenten unterstützt“, urteilte am 6. Dezember 2016 der Chefredakteur der „Dolomiten“, Dr. Toni Ebner, in einem Leitartikel.

Wenn der „Partito Democratico“ (PD) imstande sein sollte, so Dr. Ebner, die Regierungszügel weiterhin in der Hand zu behalten, könnten die Chancen für die SVP und ihre Anliegen in Rom weiterhin gut stehen.

Wenn hingegen nach wahrscheinlichen Neuwahlen im Frühjahr 2017 eine Mitte-Rechts-Regierung an das Ruder kommen sollte, dann „könnte die SVP die Rechnung präsentiert bekommen“, befürchtet der „Dolomiten“-Chefredakteur.

Dr. Toni Ebner bringt das Problem auf den Punkt: „Bei Autonomie-Problemen wird die Frage gestellt werden, was wollt ihr von Rom, wenn ihr beim Referendum für mehr Zentralismus und weniger Föderalismus gestimmt habt?“

Der antideutsche Chauvinismus ist in Italien lebendig – Radiomoderator: „Scheißdreck von Deutsch!“

Mit einer autonomiefeindlichen Haltung dürfte eine Mitte-Rechts-Regierung durchaus auch auf Zuspruch aus der italienischen Bevölkerung rechnen.

Wie sehr vorgestriges Gedankengut heute noch lebendig ist, hat am 9. Dezember 2016 eine Radiosendung der bekannten Rundfunkstation „Radio24“ gezeigt. Dieser Sender gehört zur italienischen Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ und hat täglich mehr als 2 Millionen Zuhörer.

Im Radioprogramm „La Zanzara“ kommentierte der Radiomoderator Giuseppe Cruciani einen Besuch des Südtiroler Parlamentsabgeordneten Hans Berger bei dem italienischen Staatspräsidenten Mattarella.

Nachdem der Südtiroler Parlamentarier Hans Berger eine Erklärung auf Italienisch abgegeben hatte, richtete er als Vertreter der deutschen Minderheit in Südtirol auch einige Worte in deutscher Sprache an diese.

radio-24

Radiomoderator Giuseppe Cruciani kommentierte dieses seiner Meinung nach staatsfeindliche Verhalten mit folgenden Worten:

„C’è un tizio della Südtiroler Volkspartei che dà un contributo fondamentale, devo dire, alla formazione del nuovo governo, beh certo — il quale parla in tedesco. Parla in te-des-co! Davanti alle telecamere. Parla in tedesco, sono diventato pazzo. Ma come in tedesco? Beh sì, perché dice… si rivolge alla minoranza. No! Esci dal quirinale, parli davanti agli italiani. Poi a casa tua, a Bolzano parli in quella minchia di tedesco di merda. Ma non puoi, cioè… non puoi parlare in tedesco davanti al quirinale. Parli in i-ta-lia-no, non in tedesco. Queste cose mi fanno impazzire.“

Zu Deutsch:

 „Da ist ein Typ der Südtirol Volkspartei, der einen fundamentalen Beitrag zur Bildung der neuen Regierung abgibt, er spricht – natürlich – Deutsch. Er spricht Deutsch! Vor den Fernsehkameras. Er spricht Deutsch, ich werde verrückt. Aber warum Deutsch? Ja, er sagt… er wendet sich an die Minderheit. Nein! Verlass den Quirinals-Palast, du sprichst zu den Italienern. Dann, bei dir zu Hause, in Bozen, kannst du dein Scheißdreck von Deutsch sprechen. Aber du darfst nicht, … du darfst nicht Deutsch im Quirinals-Palast reden. Sprich in I-ta-lie-nisch, nicht in Deutsch. Diese Dinge bringen mich zum Durchdrehen.“

Ein über Telefon zugeschalteter Gesprächspartner pflichtete dem Moderator bei: „Soll er doch zur Merkel gehen. Was macht er hier bei uns? Das ist falsch! Ich verstehe, dass er zweisprachig ist, aber er repräsentiert die italienische Republik, ansonsten soll er zur Merkel abhauen.“

Quelle: Unser Tirol 24. Der akustische Mitschnitt der Sendung und nähere Einzelheiten finden sich hier.