Bild: In Südtirol plakatierte die „CasaPound“-Bewegung die Losung „Bolzano ist Italien“ und rief zu Demonstrationen für den Erhalt der faschistischen Denkmäler auf.
In dem schönen Badeort Ostia vor den Toren Roms hat die Mafia fest Fuß gefasst. Der bekannte Mafia-Boss heißt Carmine Spada und wurde im vergangenen Jahr zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe wegen Erpressung und Mafia-Zugehörigkeit verurteilt. Insgesamt wurden 7 Mitglieder des wegen Gewalttätigkeit berüchtigten Spada-Clans bereits zu Freiheitsstrafen von insgesamt 56 Jahren Haft verurteilt. Es sind aber noch Mitglieder des Clans sehr unbehelligt tätig, wie ein Ereignis jüngst zeigte.
Der Spada-Clan pflegt gute Freundschaft zu Repräsentanten der neofaschistischen „CasaPound“-Bewegung, welcher ein spektakulärer Wahlsieg in Ostia gelang.
Es gibt Bilder, welche herzliche Umarmungen zwischen „CasaPound“-Politikern und Spada-Clan-Leuten zeigen.
Jetzt aber bewegen neue Fernsehbilder die italienische Öffentlichkeit: Der für den Sender RAI recherchierende Reporter Daniele Piervincenzi wollte Roberto Spada, den Bruder des Bosses Carmine Spada in Ostia nach seinen Verknüpfungen zur neofaschistischen „CasaPound“-Bewegung befragen.
Roberto Spada antwortete, indem er – unbeeindruckt von der Fernsehkamera – nach vorne sprang und dem Journalisten mit einem Kopfstoß die Nase brach.
Danach ergriff Roberto Spada einen Schlagstock, prügelte auf den Reporter ein und jagte ihn die Straße entlang.
Der Reporter hatte eine gebrochene Nase und andere Gesichtsverletzungen davongetragen, sowie auch Hiebe auf den Rücken einstecken müssen.
Die italienische Justiz reagierte auf ihre Weiser: Roberto Spada blieb auf freiem Fuß. Die von ihm verursachten Verletzungen wurden als nicht ausreichend schwerwiegend beurteilt.
Da können auch die zuständigen Staatsanwälte und Richter in der Nacht ruhig schlafen und müssen sich keine Sorgen machen, wenn es an der Tür klingelt.
Ein vorbildliches Werk der Heimatpflege!
Außer den Freiheitskämpfen von 1809 hat kaum ein Geschehen die Tiroler Identität so geprägt, wie die tragischen Ereignisse des Ersten Weltkrieges. Nach einem unglaublich blutigen Opfergang im Osten sah sich das Land Tirol dem hinterlistigen Überfall durch den bisherigen Verbündeten Italien ausgesetzt. Diesem neuen Feind hatte Tirol zunächst nichts entgegen zu stellen, als die für den regulären Militärdienst zu jungen Burschen und zu alten Männer, die nun als Standschützen die Heimat verteidigten.
Der mit 76 Jahren älteste Standschütze, Michael Senn, „immer noch der beste Schütze in und um ganz Meran“, der bereits 1859 und 1866 gedient hatte. Auf 2.700 Meter Höhe stieg er noch hinauf, er gab den ersten Schuß gegen die anstürmenden Aggressoren ab. Links: In eisiger Höhe eine Feldmesse für die Standschützen.
Die Soldaten der italienischen Armee: 1: Bersaglieri; 2: Alpini; 3: Askari; 4: Lanciere: 5. Infanterie-Offizier (Bild entnommen aus: „Die Geschichte des Weltkrieges“, III. Band, Hg.: Oberst Alois Veltze, Wien o.J.).
Rund 3,5 Millionen gut ausgebildeter Soldaten konnte Italien zum Angriff auf das Kaiserreich bereitstellen. Bei Kriegsbeginn waren die regulären Tiroler Regimenter Großteils an der russischen Front eingesetzt. Zur Landesverteidigung meldeten sich in der ersten Kriegswoche 12.000 Freiwillige, darunter 1.500 Männer zwischen 65 und 70 Jahren und in Masse noch nicht wehrpflichtige Knaben von 12 bis 17 Jahren. Diese Mannschaften hielten in den folgenden Monaten dem ersten Ansturm auf Tirol und auch auf Kärnten stand.
Mit einem Werk, welches vordergründig ein Lokalgeschehen – das „Schicksal der Gemeinde Kiens im Ersten Weltkrieg“ – behandelt, ist dem Herausgeber, der Schützenkompanie Ehrenburg, in Wahrheit eine kulturhistorische und heimatpflegerische Großtat gelungen.
Am Beispiel des Südtiroler Gemeindeverbandes Kiens entrollt sich vor dem Auge des Lesers die ganze damalige Tragödie des Landes Tirol, welches in der Folge zerrissen werden sollte und dessen südlicher Teil der Knechtschaft und der Unterdrückung durch den Faschismus ausgeliefert wurde.
Georg Dattenböck stellt dieses von Rupert Gietl unter der Mithilfe von Juri Oberlechner, Karl Pfeifhofer, Efrem Oberlechner und anderen Schützenkameraden gestaltete wertvolle Buch unseren Lesern vor.
„Unsere Helden – Schicksal der Gefallenen der Gemeinde Kiens im Ersten Weltkrieg“
Wer heute, irgendwo im deutschen Sprachraum lebend, nun meinen sollte, daß ihn dieses 2017 erschienene Buch, das „den Kriegsteilnehmern und insbesondere der Gefallenen von Kiens, Ehrenburg, St. Sigmund, Getzenberg und Hofern gewidmet“ ist, kaum berühren wird, weil es eine kleine (33,84 km²) Gemeinde im Pustertal bei Bruneck, mit einer Einwohnerzahl von nur 2806 Tirolern betrifft und er diesen Ort vielleicht auch gar nicht kennt, dem muß der Rezensent sagen: Du irrst Dich schwer! Es betrifft uns alle, wer und wo wir auch sind! Auch im Zusammenhang der derzeit geteilten, aber nie teilbaren Heimat, betrifft es unsere Gegenwart und Zukunft!
Juri Oberlechner, einer der sehr verdienstvollen Autoren und Schützenhauptmann, berichtet zu seinem und zum Antrieb seiner vielen ehrenamtlich tätigen Kameraden, dieses Werk zu verfassen:
„Genau hundert Jahre nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn hielt die Schützenkompanie Ehrenburg am 23. Mai 2015 in Kiens eine Gedenkfeier ab. Im Besonderen gedachte die Bevölkerung der Tiroler Standschützen, die gemeinsam mit dem deutschen Alpenkorps die angreifenden Italiener an der neu entstandenen Tiroler Front in Schach hielten. Sie waren das so genannte letzte Aufgebot, denn die regulären Truppen Tirols waren größtenteils an der Ostfront im Einsatz. Erinnert wurde auch der tapferen Kaiserjäger, Landesschützen und Landsturmmänner. Viel zu viele von ihnen verloren in den Schlachtfeldern Europas ihr junges Leben, zu viele von ihnen verbluteten im Abwehrkampf an der Südfront oder starben an den Strapazen und Krankheiten in russischer oder italienischer Kriegsgefangenschaft. Beim anschließenden Heldengedenken am Kriegerdenkmal wurde jeder einzelne Name der damals bekannten 129 Kriegstoten der Pfarre Kiens verlesen. Es war ein sehr bewegender Moment.
In den darauffolgenden Wochen ließen uns die Gedanken an unsere Landesverteidiger nicht mehr los. Welche Schicksale stehen hinter diesen vielen Namen, wo kämpften und starben sie, wo liegen sie heute begraben, hinterließen sie Kinder und Frauen? Fragen über Fragen, die es zu beantworten galt. Die Idee zu einem Gedenkbuch für unsere Helden war geboren. (…)
Über zwei Jahre ehrenamtlicher Arbeit, unzählige Stunden und viel Herzblut stecken in diesem Buch. Mit diesem Werk hat die Schützenkompanie Ehrenburg einen Ihrer Aufträge wahrgenommen, sie hat einen wichtigen Teil unserer Landes- und Gemeindegeschichte aufgearbeitet. Wir können uns schwer vorstellen, was unsere Vorfahren alles durchmachen mußten (…)
Dieser sinnlose blutige Krieg nahm für uns Tiroler auch ein bitteres politisches Ende. (…) Gegen den Willen der Bevölkerung wurde eine über Jahrhunderte währende Einheit zerstört. Unser Land wurde annektiert und eine Unrechtsgrenze mitten durch Tirol gezogen. Die Opfer des Ersten Weltkrieges wiegen besonders schwer, denn diese Unrechtsgrenze lebt bis heute fort. Die Kriegerdenkmäler in unserer Gemeinde sollen uns mahnen, den Frieden zu leben, sie sollen uns aber auch ermutigen, für Freiheit und Gerechtigkeit einzustehen…“
Rupert Gietl, der Verfasser, berichtet: „Es war von Anfang unser Ziel, Geschichte und Geographie des Ersten Weltkrieges aufs Engste miteinander zu verknüpfen. Die zahllosen Namen, welche mit den Menschen und Geschehnissen verbunden sind, sollten einen festen Platz auf der Karte Europas und darüber hinaus bekommen. Dadurch entstand aus der losen Reihe der Gefallenen eine Fortsetzungsgeschichte, die uns von den Schüssen von Sarajevo bis in die 1920er Jahre führte. (…)
Mit unglaublicher Hilfsbereitschaft wurden uns aus vielen Teilen Europas und darüber hinaus Informationen zur Verfügung gestellt und Hinweise gegeben. Manch ein Helfer machte sich sogar selbst auf den Weg, um ein Grab aufzusuchen oder einen Namen auf einem Friedhof zu ermitteln (…). Am Schluß bleibt uns die Gewißheit, einen kleinen Beitrag gegen das Vergessen geleistet zu haben, auf daß sich solches Leid nie mehr wiederholen möge“.
Der Leser wird am Beginn des Buches, dokumentiert mit vielen uralten Fotos, die friedliche Welt der kleinen Tiroler Weiler und Dörfer in der Gemeinde Kiens im Pustertal vor dem Jahre 1914 nahegebracht, eine Welt, die man sich erst vorstellen und erarbeiten muß.
In weiteren Kapiteln wird dann der interessierte Leser über Tirol und die bewaffnete Macht in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg, über die Streitkräfte Österreich-Ungarns, über die allgemeine Wehrpflicht und die Heeresreformen in Tirol, sowie die Militäreinheiten in Tirol bei Kriegsausbruch, unterrichtet.
Im Kapitel „Die Biographien“ werden u.v.a. die Auswahlkriterien der wichtigsten Quellen, die Listen der Gefallenen, die Truppen- und Kappenabzeichen, dutzende Übersichtskarten über die Todesorte der Gefallenen an allen Kriegsschauplätzen (!!!) abgedruckt, ein Literatur-, Namens-, Orts- und Hofverzeichnis (!!!) gibt eine vorzüglich recherchierte Auskunft. Der Rezensent zählte an die 540 Abbildungen aller Art.
Unendliche Mühe wurde sichtlich auf die Sammlung der Sterbebilder der Gefallenen aufgewendet und auf den erstellten Landkarten sieht man den Namen des Gefallenen, hier: Peter Sitzmann, Leitnersohn in Lothen bei St. Lorenzen, Landesschütze im 3. Landesschützenregiment, der beim Kampf unterhalb des Buole-Passes schwer verwundet wurde und am Hilfsplatz bei Zugna gestorben ist.
Dieses Buch geht mit einer Eindringlichkeit, mit einer historischen Ehrlich- und Genauigkeit und einer sehr spürbaren Liebe zur Gemeinschaft der lebenden und gefallenen Tiroler unter die Haut.
Erstmals sehen womöglich viele Familien Gesichter von damals gefallenen Angehörigen wieder, die scheinbar bereits dem immerwährenden Vergessen anheimgefallen wären.
Der Großvater des Rezensenten hatte im Salzburgisch-OÖ. Infanterie-Regiment 59 „Rainer“, den südlichsten Punkt der Tiroler Verteidigungsstellung, den Monte Cimone, auch noch nach der Sprengung eines Teiles des Gipfels durch italienische Mineure, mit verteidigt. Er war mit seinem Regiment, der letzten geordnet abziehenden österreichischen Truppe, mit dem Zuruf an die Bozener: „wir kommen wieder“ nach Hause gezogen.
Der Rezensent wünscht sich in Einklang mit der Gesinnung seines verstorbenen Großvaters, daß dieses Buch viele Auflagen und Leser erleben und daß es Vorbild für ähnliche Projekte in vielen Gemeinden werden möge.
Rupert Gietl:
„Unsere Helden – Schicksal der Gefallenen der Gemeinde Kiens im Ersten Weltkrieg“
Verlag Effekt! Buch 2017 ISBN: 978-88-97053-42-2
€ 29,90
Wissenschaftliche Studie zur Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler
Bild: „Süd-Tiroler Freiheit“
Der Landtagsklub der Süd-Tiroler Freiheit hatte im Oktober 2015 in Bozen eine internationale Tagung mit dem Titel „Doppelte Staatsbürgerschaft als Mittel des Minderheitenschutzes im europäischen bzw. internationalen Vergleich“ veranstaltet. Auf einer Pressekonferenz wurde nun am 29. September 2017 der mit aktuellen Fachbeiträgen angereicherte Tagungsband zu der damaligen Veranstaltung vorgestellt. Er soll Universitäten zu weiteren Forschungen, aber vor allem der Politik zur Umsetzung der doppelten Staatsbürgerschaft dienlich sein.
In einer Presseerklärung der „Süd-Tiroler Freiheit“ heißt es: In zwölf Beiträgen wird das Thema doppelte Staatsbürgerschaft aus diversen (rechtlichen, länderspezifischen, minderheitenbezogenen) Perspektiven beleuchtet.
Die Autoren, die aus den unterschiedlichsten Regionen der Europas und der restlichen Welt stammen, sind oft selbst Angehörige einer Minderheit und sind politische Vertreter, hohe Beamte, Juristen, Wissenschaftler an Universitäten oder Vertreter von Kulturvereinen.
Nachstehend eine kurze Auswahl von Aussagen der Autoren:
Peter Hilpold, Innsbruck:
„Es gibt völkerrechtlich überhaupt keine Notwendigkeit mehr, im Verhältnis zwischen Italien und Österreich eine Mehrstaatigkeit zu verhindern.“
Everton Altmayer, Dreizehnlinden:
„Die brasilianisch-österreichischen Doppelstaatsbürger besitzen das Wahlrecht bei den Bundespräsidentenwahlen, Nationalratswahlen und Europawahlen.“
Norbert Rasch, Schlesien:
„Als Kardinal Karol Wojtyła 1978 zum Papst gewählt wurde, wurde er polnisch-vatikanischer Doppelstaatsbürger. Polen fing an, Doppelstaatsbürgerschaften zu dulden. Im Grunde hatte es auch keine andere Wahl, denn den Papst sozusagen einzusperren, wenn er nach Polen kommt, wäre sicher vermessen gewesen.“
Roza Hovhannesyan, Jerewan:
„Das Institut für die doppelte Staatsbürgerschaft hat sich die einseitige Verpflichtung der Republik Armenien auferlegt, Armenien, im Rahmen des Völkerrechts, zur geistigen Heimat für alle Armenier zu machen, zur Stärkung der Beziehungen zur Diaspora beizutragen, ebenso zum Erhalt des armenischen historischen und kulturellen Erbes im Ausland sowie zur Entwicklung des armenischen Bildungs- und Kulturlebens.“
Koloman Brenner, Budapest:
„Im Zusammenhang mit der Entstehung des ungarischen Minderheitengesetzes und somit in der kurzen Zeitspanne von 1990 und 1993 wurde auch über die doppelte Staatsbürgerschaft diskutiert. Der damalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl machte einen vorsichtigen Vorstoß für eine zusätzlich deutsche Staatsbürgerschaft für die Ungarndeutschen.“
Maurizio Tremul, Capodistria:
„Die Wiedererlangung der italienischen Staatsbürgerschaft hat für uns einen besonderen moralischen Wert. Sie unterstreicht die Verbundenheit zwischen der Mutternation Italien und den Italienern von Kroatien und Slowenien und sie trägt dazu bei, dass die italienische Identität, Sprache und Kultur gestärkt und intensiver gelebt werden.“
Julijan Čavdek, Görz:
„Es ist vielmehr eine emotionale Angelegenheit, wenn der slowenische Staat, die slowenische Nation endlich unser Referenzstaat, unsere Mutternation und Heimat ist, und zwar für alle Slowenen, das heißt, für die slowenischen Minderheiten in Italien, Österreich, Kroatien und Ungarn sowie für die Ausgewanderten einschließlich der politischen Diaspora.“
Ernő Fancsali, Klausenburg:
„Ungarn hat sein Gesetz zur Staatsbürgerschaft im Jahr 2010 geändert. Dieses ermöglichte es ehemaligen ungarischen Staatsbürgern und deren Nachkommen, die ungarische Staatsbürgerschaft zu erlangen, ohne dabei in Ungarn leben zu müssen.“
Daniel Turp, Quebec:
„Die Gesetzeslage ist somit im Wandel begriffen, und der Schutz eines Bürgers im anderen Staat, dessen Staatsangehörigkeit dieser Bürger besitzt, könnte zukünftig erlaubt sein, wenn bei ihm die Staatsbürgerschaft dieses Staates vorherrschend ist.“
Jan Diedrichsen, Baistrup:
„Seit dem 1. September 2015 erkennt Dänemark die doppelte Staatsangehörigkeit im Verhältnis zu anderen EU-Mitgliedsstaaten an. Wenn sich deutsche Staatsangehörige in Dänemark einbürgern lassen möchten, müssen sie weder ihre deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben noch eine Beibehaltungsgenehmigung vorlegen.“
Andrea Carteny, Rom:
„Das neue ungarische Staatsbürgerschaftsgesetz gestattete es den außerhalb des ungarischen Staatsgebietes siedelnden Ungarn, nicht nur die ungarische Staatsbürgerschaft zu erwerben, sondern auch, einige Rechte zuerkannt zu bekommen, insbesondere das Recht, ungarischer Herkunft zu sein, und dies unter Beibehaltung der nicht-ungarischen Staatsbürgerschaft.“
Andrea Carteny, Rom:
„Die Tschechen beantragen die slowakische Staatsbürgerschaft, oder die Slowaken beantragen die tschechische.“
Andrea Carteny, Rom:
„Alle, die nach dem Abstammungsprinzip nachweisen können, dass sie zurück bis zur dritten Generation rumänische Vorfahren haben, können die rumänische Staatsbürgerschaft beantragen.“
Alexandra von Schantz, Åland:
„Befürchtungen, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft die Gesellschaft spalten könnte, haben sich nirgends bewahrheitet. Im Gegenteil: Die Gesellschaft wird nicht gespalten, sondern gestärkt, weil durch die doppelte Staatsbürgerschaft die Minderheiten mehr Anerkennung erfahren. Finnland und Åland sind gute Beispiele dafür. Vielmehr sind es die Nicht-Akzeptanz und die Unterdrückung von Minderheiten, die zu einer Spaltung der Gesellschaft führen.“
Franz Watschinger, Innsbruck:
„Das Wahlrecht für Südtiroler hätte einerseits den Vorteil, dass die Südtiroler das Gemeinwesen mitgestalten könnten, auch mehr Interesse hätten an Österreich. Andererseits müsste sich Österreich umgekehrt mehr um die Angelegenheiten der Südtiroler kümmern und deren Befindlichkeiten berücksichtigen.“
Dies kurzen Auszüge aus den Beiträgen geben eine Vorstellung davon, dass in den meisten Staaten der EU sowie weltweit die doppelte Staatsbürgerschaft längst Realität ist und sich auch international zum Schutz von Minderheiten bewährt hat. Durchgehend stellt sich heraus, dass die doppelte Staatsbürgerschaft einen Mehrwert darstellt und sie nirgends zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt hat, sondern, im Gegenteil, sich als probates Mittel des Minderheitenschutzes, der Befriedung zwischen Mehrheit und Minderheit sowie der Bereicherung für jede Minderheit bewährt hat.
Mit der Tagung und dem nun vorliegenden Tagungsband wurde der Süd-Tiroler Freiheit von einem namhaften Referenten und Koautor, Prof. Daniel Turp von der Universität Montréal, attestiert, dass sie wissenschaftliches Neuland betreten hat. In der Tat war und ist es das Ziel der Süd-Tiroler Freiheit, das Thema doppelte Staatsbürgerschaft auf eine akademische Ebene zu heben und dabei eine Reihe von Halb- und Unwahrheiten auszuräumen.
Tagungsband für österreichische Nationalratsabgeordnete
Die Süd-Tiroler Freiheit wird nun den Tagungsband allen Abgeordneten im österreichischen Parlament, aber auch den Landtagsabgeordneten im Bundesland Tirol und in Südtirol zukommen lassen. Er soll eine wissenschaftliche Grundlage für eine sachliche Diskussion bilden, gerade im Hinblick auf die Umsetzung der doppelten Staatsbürgerschaft für die Südtiroler.
Die Süd-Tiroler Freiheit ist überzeugt: Die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft wäre ein Meilenstein in der Südtirol-Politik und langfristig die beste Absicherung der Autonomie. Die Südtirol-Autonomie ist nämlich eine rein ethnische Autonomie zum Schutze der österreichischen Minderheit in Italien. Mit der doppelten Staatsbürgerschaft wären die Südtiroler auch rechtlich wieder österreichische Staatsbürger, und deren Anspruch auf die Autonomie wäre somit außer Zweifel gestellt.
Im Zeichen der doppelten Staatsbürgerschaft steht auch die am 8. Oktober stattfindende Brennerkundgebung der Süd-Tiroler Freiheit.
Auf zur Kundgebung am Brennerpass: Sonntag, 8. Oktober 2017
Nachdem die Südtiroler und ihre Freunde und Unterstützer in Österreich in der Frage der Doppelstaatsbürgerschaft von den österreichischen Bundesregierungen seit nunmehr 8 Jahren an der Nase herumgeführt werden, hat die Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) nun zu einer Kundgebung am Brenner aufgerufen. Alle Freunde Südtirols sind dazu eingeladen.
Es ist zu hoffen, dass diese Kundgebung dazu beitragen wird, den berechtigten Anliegen unserer Südtiroler Landsleute in Österreich wieder mehr Gewicht zu geben.
Die Dokumentation „Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler“ zeigt auf, worum diese Forderung wichtig und berechtigt ist.
Dokumentation: Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler
von Hans Fingeller
Der Wunsch der Südtiroler
Zusammen mit Vertretern der „Süd-Tiroler Freiheit“ und der „Freiheitlichen“ erklärten im Dezember 2009 die Parlamentsabgeordneten der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) Dr. Siegfried Brugger und Dr. Karl Zeller, dass sie sich eine doppelte – italienische und österreichische – Staatsbürgerschaft für die Südtiroler wünschten.
Rechtlich sowohl seitens Italiens wie seitens Österreichs möglich
Dr. Karl Zeller
Rechtlich sei dies durch eine Ausnahmeregelung im österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht ohne weiteres möglich, erklärte der Südtiroler Parlamentarier und Rechtsexperte Dr. Karl Zeller.
Auch Italien ermögliche den im Ausland lebenden Minderheiten italienischer Sprachzugehörigkeit derartige Doppelstaatsbürgerschaften und habe etwa viele kroatische (Nicht-EU-) Staatsangehörige aus Dalmatien zu EU-Bürgern gemacht. Es seien sogar 18 Sitze im Senat und in der Abgeordnetenkammer diesen „Auslandsitaliener“ vorbehalten.
Das italienische Staatsbürgerschaftsgesetz von 1992 erlaube zudem italienischen Staatsbürgern den Erwerb einer zweiten Staatsbürgerschaft, ohne dass sie dabei die italienische abgeben müssten. Dies gelte natürlich auch für die Südtiroler. Von staatlich italienischer Seite gebe es daher keine Hindernisse.
Unterstützung durch FPÖ – Ablehnung durch ÖVP
Volle Unterstützung erhielt das Südtiroler Begehren durch die „Freiheitliche Partei Österreichs“ (FPÖ) und deren Südtirolsprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer.
Ebenso umgehend nahm damals der Nordtiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) gegen den Wunsch der Südtiroler Stellung. Just zu Weihnachten, am 24. Dezember 2009 erschien in der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ ein Interview mit ihm, in welchem er den Vorschlag der Südtiroler vehement ablehnte: „Ich sehe darin mehr einen Vorwand für eine neuerliche Diskussion um die Verschiebung der Staatsgrenzen.“ Eine solche zu verlangen, zeuge „von Verantwortungslosigkeit und mangelndem Geschichtsbewusstsein.“
War es schon seltsam genug, aus dem Mund eines Nordtiroler ÖVP-Landeshauptmannes zu hören, dass die Aufrechterhaltung der Unrechtsgrenze am Brenner eine moralische Pflicht sei, so wurde im Jänner 2010 die Situation noch skurriler. Der sogenannte Südtirolsprecher der ÖVP, Hermann Gahr, lehnte die Doppelstaatsbürgerschaft öffentlich ab. Dies veröffentlichte die „Tiroler Tageszeitung“ am 5. Jänner 2010.
Der ÖVP-Seniorenobmann Andreas Khol erteilte in der „Tiroler Tageszeitung“ vom 15. Jänner 2010 der Doppelstaatsbürgerschaft eine Absage, führte dafür eine Reihe von fadenscheinigen Begründungen an und behauptete, dass diese dem Geist des Pariser Vertrages widerspreche. Besser hätte dies kein römischer Politiker argumentieren können.
Einen Tag später, am 16. Jänner 2010 versuchte Khol den Südtiroler Landsleuten jede Hoffnung zu nehmen, indem er in der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ erklärte, dass eine solche Doppelstaatsbürgerschaft Italien provozieren würde und daher „gefährlich“ sei.
Am 18. Jänner 2010 enthüllte der FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer in einem Pressedienst, welche pro-italienische und liebedienerische Position die ÖVP in dieser Frage einnahm: Vor seiner Abreise nach Villanders habe er, so Neubauer, Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) persönlich auf die Frage der Doppelstaatsbürgerschaft angesprochen und eine verblüffend offene Antwort erhalten:
‚Spindelegger erklärte mir unverblümt, dass es für ihn nicht in Frage komme, Italien zu verärgern. Auf die von der Südtiroler Volkspartei (SVP) angekündigte große Unterschriftenpetition für den Erhalt einer zusätzlichen österreichischen Staatsbürgerschaft für ladinische und deutsche Südtiroler hat mir Außenminister Spindelegger offen ins Gesicht gesagt, dass er diese Vorgangsweise für blanken Populismus halte und nicht im Entferntesten daran denke, diesem Wunsch der Südtiroler zu entsprechen.‘
Gegenüber den Medien war Spindelegger nicht so deutlich. In einem Interview mit der Südtiroler Tagezeitung „Dolomiten“ vom 12. Februar 2010 erklärte er gewunden, dass man „keine falschen Hoffnungen“ wecken solle. Zunächst müsse man „einen intensiven Prüfungsprozess in Gang setzen“. Von einer Unterschriftenaktion zur Unterstützung der Südtiroler Wünsche, welche von der Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) angekündigt wurde, riet er ab.
20.000 Unterstützungsunterschriften
Am 18. Februar meldete die Südtiroler Tagezeitung „Dolomiten“, dass die „Süd-Tiroler Freiheit“ (STF) in Österreich 20.000 Unterstützungsunterschriften gesammelt habe, ohne dass diese Südtiroler Landtagspartei in Österreich auf irgendeine Organisationsstruktur oder Medienpräsenz habe zurückgreifen können.
Am 23. Februar 2011 wurden diese Unterschriften – es waren mittlerweile 21.000 geworden – dem Österreichischen Nationalrat übergeben.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken
Am 28. April 2011 teilte das Bundeskanzleramt den Initiatoren der Unterschriftensammlung mit, dass gegen eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler mit: „Allgemein verfassungsrechtliche Bedenken gibt es keine.“
Am 30. Mai 2011 stellte die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) in Bozen ein Gutachten des österreichischen Verfassungsrechtlers Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer vor, welcher zu eindeutigen Schlüssen gelangt war. Die „Dolomiten“ berichteten darüber am 31. Mai 2011.
Spott und Hohn vom österreichischen Außenminister
Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hatte dafür nur Spott und Hohn übrig. Man könne Staatsbürgerschaften nicht „wie Briefmarken“ sammeln.
Am 27. Dezember 2011 legten die „Dolomiten“ nach und veröffentlichten über eine ganze Seite einen ausführlichen Bericht darüber, dass Ungarn seinen in anderen Staaten lebenden Volksangehörigen die ungarische Staatsbürgerschaft als Doppelstaatsbürgerschaft gewährt.
Dies beeindruckte natürlich den österreichischen Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) in keiner Weise.
Scheinbarer „Durchbruch“ im parlamentarischen Ausschuss in Österreich
Nachdem sich der Südtiroler Landtag am 9. März 2012 mit großer Mehrheit für Doppelstaatsbürgerschaften für Südtiroler ausgesprochen hatte, berichteten die „Dolomiten“ am 23. März 2012 erfreut:
„Rechtlich gibt es keine Hürden für die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler. Das erklärten Experten gestern unisono vor dem Südtirol-Unterausschuss im Österreichischen Nationalrat. ‚Jetzt ist es nur mehr eine politische Entscheidung, ob der Doppelpass den Südtirolern ermöglicht wird oder nicht‘, erklärt der Südtiroler Parlamentarier Karl Zeller.
Die österreichische Bundesregierung unternahm trotz wiederholten Drängens von Südtiroler Seite nichts.
Am 26. August 2013 protestierten die FPÖ-Nationalratsabgeordneten Werner Neubauer und Mag. John Gudenus in einer Presseaussendung über die „Austria Presse Agentur“ (APA) dagegen, dass vor allem in Wien die Zahl der Einbürgerungen von Ausländern von Jahr zu Jahr ständig steige, hunderte von Staatsbürgerschaftsansuchen von Südtirolern aber unbearbeitet blieben.
Abgeschmettert im Österreichischen Nationalrat – willfährige SVP-Spitze
Am 5. Juli 2013 kam es im Österreichischen Nationalrat zum Offenbarungseid. Ein „Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten an den Nationalrat“ machte deutlich, dass die Bundesregierung keine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler wünschte. Darin hieß es in bemerkenswert unpräziser Ausdrucksweise,
„dass die Einführung eines vereinfachten Erwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen“ mit „völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Hürden“ verbunden wäre.
Der freiheitliche Südtirol-Sprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer
Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP schmetterten daher zusammen mit den „Grünen“ den Antrag des freiheitlichen Südtirol-Sprechers und Nationalratsabgeordneten Werner Neubauer ab, mittels Einfügen eines einzigen Absatzes im Staatsbürgerschaftsgesetz, den Südtirolern die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.
In einer Presseaussendung erklärte der Abgeordnete Werner Neubauer dazu:
„Die Bundesregierung hat sich damit gemeinsam mit den Grünen geweigert, unseren Landsleuten südlich des Brenners diesen Herzenswunsch zu erfüllen. Darüber hinaus war das Verhalten der Blockierer von Feigheit geprägt, hatten sie doch nicht einmal den Mut, ihre Position zum ablehnenden Stimmverhalten in einer Wortmeldung zu artikulieren.“
Nun zog auch der mit der ÖVP eng verkungelte Südtiroler Landeshauptmannskandidat und kommende Landeshauptmann Arno Kompatscher den Schweif ein und erklärte, dass auf Südtiroler Seite ohnedies „wenig Begeisterung“ für eine Doppelstaatsbürgerschaft herrsche.
Die „Austria Presse Agentur“ (APA) berichtete darüber:
Meinungsumfrage in Österreich: 89 Prozent befürworten Selbstbestimmung für Südtirol – 83 Prozent sind für Doppelstaatsbürgerschaft
Am 26. Jänner 2015 stellte der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründete Vereinigung, auf einer Pressekonferenz in Wien das Ergebnis einer repräsentativen Meinungsumfrage vor, welche das Institut „Spectra“ durchgeführt hatte.
Auch die „Dolomiten“ berichteten darüber:
Der Rückzug des Südtiroler Landeshauptmannes Kompatscher
In Wiener Regierungskreisen war man wenig erbaut. Am 19. Februar 2015 besuchte der Südtiroler Landeshautmann Arno Kompatscher den ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz in Wien besuchte. Kompatscher war brav und wusste, was man seitens der ÖVP von ihm erwartete. Er hatte bereits am Vortag in vorauseilendem Gehorsam über die „Austria Presse Agentur“ (APA) verlautbaren lassen, dass er der Wiener Linie zu folgen gedenke:
Angesichts dessen, dass Kompatscher sich so willfährig zeigte, verlief das Treffen in Wien äußerst harmonisch und programmgemäß ohne praktischen Ergebnisse für die Südtiroler Bevölkerung. In Wien war damit die Sache vom Tisch.
Am 28. Jänner 2015 berichtete die „Neue Südtiroler Tageszeitung“, dass der ÖVP-Südtirolsprecher im Österreichischen Nationalrat, Hermann Gahr, kaum Chancen für eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler sehe.
Gegenüber der Öffentlichkeit äußerten sich in der Folge Kurz und Kompatscher gleichlautend. In einem Interview in den „Dolomiten“ vom 2. Juli 2015 sagte Kurz, dass Österreich Doppelstaatsbürgerschaften vermeiden wolle und der folgsame Arno Kompatscher erklärte, dass es sich um eine „schwierige Herzensangelegenheit“ handle, deren Umsetzung aber schwierig sei.
Die vorläufige Beerdigung
Am 28. Jänner 2015 beerdigte der Südtirol-Unterausschuss des Österreichischen Nationalrates mit den Stimmen der ÖVP, der SPÖ und der „Grünen“ den freiheitlichen Antrag, den Südtirolern die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft zu gewähren.
Am 13. Februar 2016 schrieb der Südtiroler Rechtsanwalt Dr. Otto Mahlknecht in den „Dolomiten“ das, was in dieser Frage wohl die meisten Südtiroler denken.
Diese Dokumentation zeigt, dass ÖVP und leider auch SPÖ (Wo sind die Zeiten eines Bruno Kreisky geblieben?) sich das Thema Südtirol endgültig vom Halse schaffen wollen. Die „Grünen“ hätten für die Südtiroler ohnedies nur dann ein offenes Herz, wenn diese aus Nigeria oder Afghanistan stammen würden.
Man wird nach den Nationalratswahlen sehen, ob es in einer neuen österreichischen Bundesregierung zu einer Änderung der Haltung gegenüber Südtirol und der Frage der Doppelstaatsbürgerschaft kommen wird.
„JA zur österreichischen Staatsbürgerschaft“ – Breite Unterstützungsfront aus allen deutschen Parteien Südtirols
Im August 2015 rückte der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründete Vereinigung, die Frage der Doppelstaatsbürgerschaft mit einer landesweiten Plakataktion „JA zur österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler“ in das Rampenlicht. Auf diesen Plakaten wurde darauf hingewiesen, dass laut einer repräsentativen Umfrage 83 Prozent der Österreicher diese Forderung unterstützen. Am 13. August 2015 wurde die Plakataktion bei einem Pressegespräch der Öffentlichkeit vorgestellt und Vertreter aller deutschen Parteien in Südtirol vollzogen in dieser Frage einen Schulterschluss und unterstützten die Forderung nach Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler.
Interview mit Buchautor und Südtirol-Kenner Helmut Golowitsch
Im Gespräch mit Info-DIREKT erzählt Helmut Golowitsch, wie er dem Geheimagenten Rudolf Moser auf die Spur kam und so die doppelbödige Politik der ÖVP in Sachen Südtirol aufdecken konnte. In seinem neusten Buch „Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis“ dokumentiert er, anhand bisher nicht bekannter Originaldokumente, welch falsches Spiel die ÖVP-Spitze mit Südtirol betrieben hat.
Herr Golowitsch, wie ist es Ihnen gelungen, an diese entlarvenden Dokumente zu gelangen?
Helmut Golowitsch: 2002 ist ein Buch erschienen, in dem darüber berichtet wurde, dass der Kartonagenfabrikant Rudolf Moser als geheimer Verbindungsmann zwischen Bundeskanzler Figl (ÖVP) und dem italienischen Ministerpräsidenten Degasperi agiert habe. Laut der Buchautorin soll dieser jedoch keinen Einfluss auf den Verlauf der politischen Entwicklung gehabt haben. In mehreren Autobiographien ehemaliger ÖVP-Politiker wurde Moser als guter Freund und Vermittler zu Italien erwähnt. Nirgendwo aber fanden sich nähere Angaben zu seiner Person und Tätigkeit. Das machte mich neugierig und ich begab mich auf die Suche.
Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Ganz einfach: Ich rief im Gemeindeamt von Sachsenburg an, wo Rudolf Moser lebte. Dort trug ich meine Bitte als Zeithistoriker vor, mir Näheres über diesen Sohn der Gemeinde zu erzählen. Es stellte sich nun heraus, dass der aus Wien stammende Moser bei seinem Eintritt ins Rentenalter offenbar keine Nachfolger gehabt hatte. Er schloss daher seine Fabrik, verkaufte seine Villa an einen Nachbarn und zog nach Wien, wo er später verstarb.
Wie sind Sie dann an seinen Nachlass und somit an diese Dokumente gekommen?
Helmut Golowitsch (Bilder: Info-DIREKT)
Ich setzte mich sofort mit dem Nachbarn, der die Villa gekauft hat, in Verbindung. Dieser erzählte mir bereitwillig, dass Moser ihm auch zwei große Kartons mit Dokumenten und Fotos überlassen habe, die Südtirol beträfen. Ich könne mir diese Unterlagen ansehen und wenn sie für mich brauchbar seien, könne ich sie auch haben. Also fuhr ich nach Kärnten, wo mir der freundliche Unterstützer diese Dokumenten- und Fotosammlung übergab.
Was haben diese Unterlagen ergeben?
Unglaubliches. Es waren Briefkopien von Briefen Mosers an führende ÖVP-Politiker, vor allem an Leopold Figl, aber auch spätere ÖVP-Bundeskanzler sowie an führende italienische Politiker. Es fanden sich auch zahlreiche Originalbriefe dieser Personen an Rudolf Moser. Ergänzt wurde dieses Material durch Notizen, Geheimberichte und Fotos von Geheimtreffen österreichischer ÖVP-Politiker mit italienischen Politikern. Es stellte sich heraus, dass Rudolf Moser ab 1945 bis in die späten 1960er Jahre als Geheimunterhändler zwischen der ÖVP-Bundesspitze und italienischen Spitzenpolitikern tätig gewesen war. Und zwar zum Schaden Südtirols, denn Moser vertrat die Linie, dass Österreich Südtirol in jeder Hinsicht fallen lassen müsse, um die christdemokratische Freundschaft zwischen Rom und Wien nicht zu gefährden. Schließlich müsse man gemeinsam den Kommunismus abwehren.
Ihr Buch platzt mitten in den Wahlkampf. Mit der Feststellung, dass Figl, die Österreicher hinters Licht geführt hat, zeigen Sie, dass es die ÖVP mit Südtirol nicht immer gut gemeint hat.
Dass mein Buch just zur Zeit des Wahlkampfes erschienen ist, hat sich unbeabsichtigt so ergeben.
Setzt sich die ÖVP – unter Sebastian Kurz – jetzt wieder glaubwürdiger für die Südtiroler ein?
Nein! Am 3. Mai 2014 konnte man in der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ auf der Titelseite lesen, dass Außenminister Sebastian Kurz anlässlich eines Besuches in Südtirol erklärt hatte, dass Freistaatsfantasien von „Ewiggestrigen“ die Menschen in die Irre führten, denn man könne das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Damit beweist der amtierende Außenminister, dass er vom internationalen Völkerrecht nicht viel versteht.
„Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis“ ist mittlerweile ihr viertes Buch über Südtirol. Was verbindet Sie mit Südtirol, dass Sie so engagiert forschen?
Persönliche Erlebnisse, persönliche Freundschaften und die mit dem ehemaligen Nordtiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner geteilte Hoffnung, dass die Geschichte uns eines Tages ein Fenster zur Tiroler Freiheit öffnen wird. Auch die Wiedervereinigung Deutschlands ist von niemandem vorhergesehen worden und dann doch plötzlich erfolgt.
Vielen Dank für das Interview!
Buchpräsentationen durch den Autor:
Buchpräsentation in Linz Mittwoch, 20. September 2017 Beginn: 19:00 Uhr Volkshaus Kleinmünchen, Dauphinestraße 19, 4030 Linz Medienpartner: Magazin Info-DIREKT
Buchpräsentation in Innsbruck Samstag, 23. September 2017 Gasthof Sailer, Saal Tirol, Adamgasse 8, 6020 Innsbruck Beginn: 19:30 Uhr Veranstalter: Andreas Hofer Bund Tirol
Nähre Informationen zu der Veranstaltung in Linz finden Sie hier!
Südtiroler Schützen gegen den Jurassic Park des Faschismus
Südtirol besitzt einen Saurier-Jurassic Park. Dieser beherbergt im Gegensatz zu dem Science-Fiction-Horror- und Abenteuerfilm des Regisseurs Steven Spielberg keine wiedererschaffenen lebenden Saurier. Er beherbergt alte abgestorbene Saurier, nämlich die faschistischen Denkmäler, welche Mussolini zur Verherrlichung seines Regimes in Südtirol hatte errichten lassen. Diese waren auch dazu bestimmt gewesen, der einheimischen Bevölkerung klar zu machen, wer hier in diesem Lande das Sagen hatte.
von Hans Santner
Südtiroler Schützenbund protestiert gegen Renovierung eines Völkermord-Verherrlichungsdenkmals
Vertreter des italienischen Staates und seiner angeblich so ruhmreichen Streitkräfte halten dort nach wie vor nationalistischen Feiern ab und legen beispielsweise vor dem steinernen Alpini-Denkmal in Bruneck – von der einheimischen Bevölkerung wegen seiner Kapuze spöttisch „Kapuziner-Wastl“ genannt – Kränze zum Andenken an jene italienischen Krieger nieder, welche in Äthiopien eine weitgehend wehrlose Bevölkerung überfallen, gefoltert, massakriert und mittels Giftgas teilweise ausgerottet hatten. Zu diesen wenig ruhmreichen „Kriegern“ hatten die Soldaten der italienischen Alpini-„Divisione Pusteria“ gehört, zu deren „Ehren“ das Andenken errichtet worden war.
Diese in Äthiopien begangenen Verbrechen verdienen wahrlich nicht durch Denkmäler verherrlicht zu werden.
Am 28. August berichtete das Nachrichtenportal UnserTirol24, dass der „Kapuziner-Wastl“ in Bruneck seine Feder an seinem steinernen Hut verloren habe. Ein Unbekannter hatte sie abgebrochen.
Bild UT 24
In dem Artikel hieß es weiter:
„Es ist nicht die erste Attacke auf den sogenannten „Kapuziner Wastl“. Ursprünglich war das faschistische Denkmal eine überlebensgroße Alpini-Statue, zu deren Füßen, als Sinnbild der Unterjochung ,ein „Eingeborener“ lag. Südtirol-Aktivisten hatten das Monument in den 60ern Jahren mehrmals gesprengt.
Das umstrittene Denkmal wurde zu Ehren der Alpini-Soldaten errichtet, die in den italienischen Kolonialkriegen für die Eroberung und Unterwerfung von Äthiopien gekämpft haben. Bis heute finden dort Kranzniederlegungen statt, die für großen Unmut in der Bevölkerung sorgen.“
Das historische Bild links zeigt die Einweihung des den Abessinien-Krieg verherrlichenden Alpini-Denkmals in Bruneck am 2. Juli 1938 durch Mitglieder der königlichen Familie. Das Bild in der Mitte zeigt den „Wastl“ Anfang der 1960er Jahre vor der Sprengung durch Südtiroler Freiheitskämpfer. Das Bild rechts zeigt, was die Sprengung dann von dem „Wastl“ übrig gelassen hatte.
Umgehend meldete sich der italienische Vizebürgermeister der Stadt Bruneck, Renato Stancher, zu Wort und verkündete, dass das Denkmal auf Kosten der Gemeinde Bruneck restauriert würde.
Dagegen protestierte der „Südtiroler Schützenbund“ öffentlich. Der ehemalige Landeshauptmann Durnwalder (SVP) forderte dass möglichst alle faschistischen Denkmäler in Südtirol beseitigt werden sollten und auch der Bürgermeister von Bruneck, Roland Griessmair (SVP) lehnte zusammen mit der Gemeindevertretung die Restaurierung des Faschistendenkmals auf Kosten der Südtiroler ab.
Der Landeskommandant des „Südtiroler Schützenbundes“, Elmar Thaler, begrüßte diese Entscheidung. Das Nachrichtenportal „Unser Tirol 24“ berichtete über Thalers Stellungnahme:
„Die Aktion des Vizebürgermeisters sei völlig daneben gewesen, nicht zuletzt auch, weil sich das Denkmal auf Staatsgrund befinde und die Rienzstadt keinen Anlass dazu hätte.
Erfreulich sei in diesem Zusammenhang die Aussage von Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder, wonach das Alpinidenkmal aus der unrühmlichen Zeit des Faschismus in eine Kaserne versetzt werden sollte. Wie richtig Durnwalder mit seiner Aussage liegt, zeigt die Tatsache, dass die winzigen erklärenden Täfelchen vor dem Faschistendenkmal ohne Wirkung geblieben sind. Ansonsten wäre wohl keinem Italiener mehr in den Sinn gekommen, ein menschenverachtendes Denkmal von Schmutz zu befreien und es wieder instand zu setzen – man hätte es dem Verfall preisgegeben, so der Schützenbund in einer Aussendung.
Laut Schützenbund zeigt Stanchers Vorpreschen, dass es in Südtirol immer noch Zeitgenossen gibt, welche sich von den faschistischen Denkmälern nicht trennen können. Somit sei der Kapuziner-Wastl das beste Bespiel dafür, dass eine Historisierung der Relikte aus vergangenen Tagen misslungen sei.
Dem Vorschlag von Ex-Landeshauptmann Luis Durnwalder schließt sich der Südtiroler Schützenbund an und fordert den Staat Italien und die Alpinivereinigung ANA auf, ihr faschistisches Denkmal in die Lugramani-Kaserne zu verlegen, wo es gereinigt und die abgeschlagene Alpinifeder wieder aufgeklebt werden könnte. Dort würden zudem auch die jährlichen Kranzniederlegungen für die Angriffskriege Italiens gegen Abessinien/Äthiopien und Russland die Öffentlichkeit nicht mehr stören.“(UT24 31. August 2017)
Kranzniederlegung vor dem Kriegsverbrecher-Denkmal durch die Alpini-Vereinigung ANA am 26. Jänner 2016 – eine Provokation für die einheimische Bevölkeurng. (Bild UT 24)
Der Protest der Schützen hatte Erfolg gehabt
Auch in der Vergangenheit haben die Schützen wiederholt gegen die zahlreichen in Südtirol bestehenden und von der Staatsmacht behüteten und gepflegten faschistischen Denkmäler protestiert und damit die öffentliche Erörterung dieses für Rom unangenehmen Themas aufrecht erhalten.
Vielen Landsleuten ist noch die große Schützendemonstration von 2008 in Erinnerung.
Mit Flugblättern und Plakaten hatte der Südtiroler Schützenbund zu der großen antifaschistischen Kundgebung aufgerufen.
Am 8. November 2008 fand in Bozen eine denkwürdige Protestkundgebung „Gegen Faschismus für Tirol“, statt zu welcher der „Südtiroler Schützenbundes“ aufgerufen und eingeladen hatte.
Auf dem Bozener Waltherplatz hatte sich eine riesige Menge von etwa 4.000 Schützen und Zivilisten versammelt.
Der Landeskommandant der Südtiroler Schützen, Paul Bacher, erläuterte in seiner Rede, worum es ging – um die in Südtirol immer noch stehenden, zum Teil monumentalen Denkmäler, die zur Verherrlichung des Faschismus errichtet worden waren:
„Wir haben die Nase voll von einem Staat, der diese Relikte duldet und von Politikern die nichts dagegen unternehmen“, rief Bacher aus. „Italien hat sich als einziges EU-Land nie vom Faschismus distanziert und sich nie für die Verbrechen bei uns Tirolern entschuldigt.“
Der Landeskommandant sprach dann die Schande der faschistischen Denkmäler in Südtirol an, welche alle Jahre wieder von den staatlichen Behörden liebevoll renoviert wurden. Er forderte deren Abriss.
Noch immer ist auf einem riesigen steinernen Fries auf dem heutigen Finanzamt Bozen, dem früheren faschistischen Hauptquartier, der hoch zu Ross reitende „Duce“ Mussolini zu sehen. Zahlreiche Darstellungen auf dem Fries preisen die „Heldentaten“ und „Errungenschaften“ des Faschismus. Dieser Ort war und ist bei der italienischen Alpinitruppe für deren Heldengedenken beliebt.
Nun protestierten die Schützen vor dem Mussolini-Relief gegen den Faschismus und forderten die Landeseinheit Tirols. Dann zogen die Schützen zu dem sogenannten „Siegesdenkmal“, welches mit faschistischen Liktorenbündeln geschmückt ist und forderten dessen Beseitigung.
Es gab in den letzten Jahren noch zahlreiche weitere öffentliche Aktionen der Schützen gegen den weiterbestehenden faschistischen „Jurassic Park“ in Südtirol.
Weitere Informationen zu den Schützen
Über diese und viele andere mutige Aktionen der Südtiroler Schützen berichtet der bekannte Historiker und Publizist Prof. Dr. Reinhard Olt in einem Dokumentarwerk. Darüber hat er dem Südtiroler Informationsdienst diesen Artikel „Stachel im Fleisch der Politik“ zur Verfügung gestellt.
Weitere Informationen zum Alpini-Denkmal in Bruneck
Im Jahre 2009 veröffentlichte der Buchdienst Südtirol eine Dokumentation über das Alpini-Denkmal in Bruneck unter dem Titel „Denkmal der Schande“ und im gleichen Jahre veröffentlichte die Zeitschrift „Der Tiroler“ eine Dokumentation unter dem Titel „Weg mit dem Völkermord-Schandmal“. Beide Dokumentationen können hier als pdf-Dateien aufgerufen und auch abgespeichert werden:
Allen Widrigkeiten zum Trotz halten die Schützen im Süden des 1919 geteilten Landes an der Wiedervereinigung Tirols fest.
von Reinhard Olt
Wer sich mit historischen Publikationen zum Thema (Süd-)Tirol befasst und die mediale Berichterstattung der letzten Jahre verfolgt hat, konnte den Eindruck gewinnen, mit der 1969 zustande gekommenen und 1972 statutarisch verankerten Selbstverwaltung für die „Provincia autonoma di Bolzano – Alto Adige“ und dem unlängst in Meran, Bozen und Wien politisch-medial beweihräucherten Rückblick auf „25 Jahre österreichisch-italienische Streitbeilegung“ von 1992 sei die seit Ende des Ersten Weltkriegs schwärende Wunde der Teilung Tirols ein für allemal geschlossen. Weit gefehlt. Demoskopische Erhebungen förderten zutage, dass in Österreich – insbesondere im Bundesland Tirol – wie im von Italien 1918 annektierten südlichen Teil Tirols das Empfinden historischen Unrechts sowie das Gefühl der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit nach wie vor ausgeprägt sind.
Nach wie vor wird die Teilung Tirols von vielen Österreichern als zu ändernder Unrechtszustand empfunden
Die große Mehrheit aller Befragten bekundete auch das Verlangen nach (einem Referendum zwischen Brenner und Salurner Klause über die) Ausübung des sowohl nach dem Ersten, als auch nach dem Zweiten Weltkrieg der dortigen Bevölkerung verweigerten Selbstbestimmungsrechts. Dafür sprachen sich sogar viele der befragten ethnischen Italiener in der benachbarten Provinz Trient aus, mit der Bozen-Südtirol in einer „Regione Autonoma Trentino-Alto Adige“ zwangsvereint ist. In Südtirol selbst waren sich die Befragten – trotz unterschiedlicher Vorstellungen der maßgeblichen politischen Kräfte über die anzustrebende weitere Entwicklung des Landes (Vollautonomie; Freistaat; Rückgliederung an Österreich) – mehrheitlich darüber einig, dass dessen Zukunft jedenfalls in der Unabhängigkeit von Italien, mithin im „Los von Rom“, zu suchen sei.
Im Jänner 2015 stellte der Vorstand des „Südtiroler Heimatbundes“, einer von ehemaligen Südtiroler politischen Häftlingen gegründete Vereinigung, zusammen mit Prof. Dr. Olt (2. von rechts), der Öffentlichkeit eine Aufsehen erregende Meinungsumfrage vor, wonach die überwiegende Mehrheit der Österreicher nach wie vor für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt.
Dass Loslösung von Italien im öffentlichen Raum ein Diskussionsthema ist und bleibt, dafür sorgen – neben drei deutschtiroler Oppositionsparteien, die seit der Landtagswahl von 2013 im Parlament zu Bozen zusammen 10 von 35 Abgeordneten stellen – der Südtiroler Heimatbund (SHB), die Vereinigung ehemaliger Freiheitskämpfer, sowie vor allem der Südtiroler Schützenbund (SSB).
Dieser mitgliederstarke Traditionsverband, dessen Wurzeln ins frühe 16. Jahrhundert zurückreichen, tritt in Treue fest für die Bewahrung der Tirolität im fremdnationalen Staat sowie unerschütterlich für die Aufrechterhaltung des Ziels der Landeseinheit ein. Wiewohl politisch gänzlich unabhängig, bilden mehr als 6000 Mitglieder, von denen über 5000 in 140 Schützenkompanien sowie in 3 Schützen(musik)kapellen aktiv sind, mitsamt Familienangehörigen ein ansehnliches gesellschaftliches Potential.
Wann und wo immer sie aufmarschieren in ihrer pittoresken Montur – sie sind eine Augenweide fürs Publikum. Im alpinen Tourismus würden ihre Farbtupfer fehlen, träten sie nicht in Kompaniestärke oder gar noch größeren Formationen auf, wenn es gilt, gelebte Tradition augen- und ohrenfällig werden zu lassen. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass zwischen Oberbayern und Welschtirol (Trentino) beheimatete Schützenformationen an den meisten Urlaubsorten von Besuchern allzu gerne als folkloristische Draufgabe auf ihren wohlverdienten Ferienaufenthalt empfunden werden.
Wer indes einmal einen Blick in eine Ortschronik oder gar in ein Geschichtsbuch wirft, dem wird sich die historische Dimension des Schützenwesens alsbald erschließen. Dies gilt samt und sonders für jene Landstriche im Dreieck zwischen Konstanz, Kufstein und Ala am Gardasee, die einst die „Gefürstete Grafschaft“ respektive das „Land im Gebirg’“, wie es oft in Urkunden bezeichnet wird, mithin das alte Tirol ausmachten. Überall dort geht die Existenz der Schützen auf das sogenannte Landlibell Kaiser Maximilians I. (1459–1519) zurück.
Der „letzte Ritter“, wie man ihn auch nennt, erließ 1511 jenen urkundlich verbrieften Rechtsakt, in welchem er die Freiheiten der Tiroler Stände festlegte und damit zugleich das Wehrwesen und also die Organisation der Landesverteidigung durch Aufgebote städtischer und ländlicher Bewohner mitsamt einer Aufteilung der Mannschaftskontingente regelte. Das Landlibell legte fest, dass die Tiroler nicht verpflichtet waren, für einen Herrscher außerhalb der Landesgrenzen in den Krieg zu ziehen. Dafür sicherten die Stände zu, bei Feindeseinfall Tirol zu verteidigen.
Das „Landlibell“ von 1511 regelte für die kommenden Jahrhunderte die Landesverteidigung Tirols und war die entscheidene Grundlage der Landesverteidigung von 1809
Weithin bekannt wurde das Tiroler Schützenwesen vor allem durch die Abwehrkämpfe während der kriegerischen Einfälle der Bayern 1703 sowie der Franzosen (nebst ihrer bayerischen Verbündeten) in den Jahren 1796/97 und 1809. Die Bergisel-Schlachten unter dem aus dem Südtiroler Passeiertal stammenden Kommandanten und Volkshelden Andreas Hofer – plastisch und drastisch nachzuverfolgen am „Riesenrundgemälde“ im Tirol-Panorama, einem eigens 2010 errichteten Museum am gleichnamigen Berg nahe Innsbruck – trugen wesentlich dazu bei, dass der Mythos vom wehrhaften Bergvolk, das selbst Napoleon trotzte, in ganz Europa bekannt wurde.
Das Landlibell galt im Kern bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, und selbst während des Ersten Weltkriegs wurden Tiroler Standschützen stets nur zur Verteidigung der Heimat und eben nicht auf außertirolischen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Daran und an „500 Jahre Landlibell als Geburtsurkunde der Tiroler Schützen“ war 2011 in Innsbruck im Beisein von deren Abordnungen aus eben jenem historischen Tirol – des österreichischen Bundeslandes sowie der italienischen Provinzen Bozen-Südtirol und Trentino – feierlich erinnert worden.
Auch im Ersten Weltkrieg wurden die Standschützen nur zur Verteidigung der Grenzen Tirols eingesetzt
Nirgendwo dort fehlen Schützen bei einer größeren Festveranstaltung. Fast in jeder Gemeinde gibt es eine Kompanie, die bei festlichen Anlässen „ausrückt“ und mittels Gewehrsalven eines Schützen-Detachements den Festcharakter lautstark unterstreicht. Heutzutage haben diese Waffen tragenden Tiroler in ihren schmucken, regional und sogar lokal unterschiedlichen Uniformen feindliche Truppen nicht mehr abzuwehren, wenngleich Degen und Karabiner zu ihrer „Standardausrüstung“ gehören. Der wehrhafte Geist ist ihnen indes ganz und gar nicht abhandengekommen, wenn sie sich – im engeren wie im weiteren Sinne – um die „Heimat“ kümmern: Sie initiieren und beteiligen sich aktiv an Renovierungsaktionen für Bauwerke; dasselbe gilt für Reinigungsaktivitäten besonders dort, wo das Wegwerfgut des Massentourismus zu beseitigen ist.
Vor allem aber engagieren sie sich in der sozialen Fürsorge für ältere Mitbürger. Trotz äußerlicher Verschiedenheit, wie sie an Gewand und Hüten, an Uniform-/Tracht- und Hutschmuck sowie an ihren Fahnen auszumachen ist, eint sie Tradition und Heimatverbundenheit, wie sie sich in den Grundsätzen des Schützenwesens manifestieren (dazu gehören „Treue zu Gott und dem Erbe der Väter“, „Schutz von Heimat und Vaterland“ sowie „Einheit des Landes“).
Letzteres führte mitunter zu Auseinandersetzungen in und zwischen den drei maßgeblichen Schützenverbänden – sehr stark beeinflusst von den in den Tiroler Landesteilen dominanten politischen Kräften respektive regierenden Parteien, von denen im Bundesland Tirol die ÖVP und in der Provinz Bozen-Südtirol deren Pendant SVP seit dem Zweiten Weltkrieg ununterbrochen an der Macht sind.
Dass Streit über die Landeseinheit mittlerweile als „Schnee von gestern“ gelten darf, ist in erster Linie dem Betreiben des SSB und dessen Landeskommandanten Major Elmar Thaler sowie der Mitwirkung seines Pendants im Norden – Major Fritz Tiefenthaler, Kommandant des Bundes Tiroler Schützenkompanien (BTSK) – zuzuschreiben.
Hieß der übergreifende Grundsatz zwischen Nord und Süd in den 1990er Jahren „geistige und kulturelle Landeseinheit“, so ist in den letzten Jahren, weitgehend inauguriert vom SSB, immer stärker auch die „politische Einheit des Landes“ in den Mittelpunkt gemeinsamer Zielsetzungen gerückt. Und mit der Neugründung eines (die ansonsten eigenständigen Schützenverbände Tirols, Südtirols und Welschtirols) vereinigenden „Verbandes Tiroler Schützen“ (VTS) wurde die „Landeseinheit Tirols“ in dessen Statut fixiert. Jedes Jahr übernimmt ein anderer Landeskommandant die Führung der darin vereinten mehr als 20.000 Schützen Gesamttirols.
Sichtbarster Ausdruck der Veränderung vom „unpolitischen“ – und von zeitgeistfrommen Zeitgenossen abschätzig „heimattümelnd“ genannten – Charakter zu einem durchaus ernstzunehmenden politischen Faktor in beiden Teilen Tirols war der „Freiheitsmarsch“ der Schützen 2012 in Bozen. Damit war erstmals auch die personifizierte gesamttirolische Verbandseinheit dokumentiert worden, indem der Südtiroler Landeskommandant Elmar Thaler, der Nordtiroler Fritz Tiefenthaler und der Welschtiroler Giuseppe Corona an der Spitze den farbenprächtigen Zug von Tausenden ihrer Mannen nebst Marketenderinnen und Sympathisanten in gleichem Schritt und Tritt quer durch die Stadt auf den Platz vor das Landhaus (Landtag) zur Abschlusskundgebung führten.
(„Dolomiten“ vom 16. April 2012)
Am 14. April 2012 hatten die Südtiroler Schützen zu einem großen „Freiheitsmarsch – ohne Rom in die Zukunft“ durch Bozen aufgerufen. An die 6.000 Menschen waren gekommen, unter ihnen Abordnungen der Nordtiroler und der Welschtiroler Schützen. An der Spitze des Zuges marschierten die Landeskommandanten der Schützen. Von links nach rechts: Der Nordtiroler Landeskommandant Major Mag. Fritz Tiefenthaler ( „Bund der Tiroler Schützenkompanien“), Landeskommandant Elmar Thaler („Südtiroler Schützenbund“) und Vize-Landeskommandant Giuseppe Corona („Welschtiroler Schützenbund – Federazione Schützen del Welschtirol“).
Dort fassten sie zusammen, was die einzelnen Kompanien in griffige Parolen gekleidet auf Spruchbändern mit sich geführt hatten und was Ziel des demonstrativen, aber gänzlich unmartialisch verlaufenen Aufmarschs sein sollte: Der „Mut zum Bekenntnis und zur Tat“ gipfelte in dem wider Italien gerichteten Bekenntnis „Unser Staat ist das nicht“, respektive im Verlangen „Schluss mit der italienischen Verwaltung“.
In Anlehnung an den November 1989 in der damaligen DDR hieß es auch auf rotweißen Spruchbändern, die der Tiroler Adler zierte: „Wir sind das Volk“. Womit zugleich das Verlangen nach Wiedervereinigung des seit Ende des Ersten Weltkriegs geteilten Tirols Ausdruck fand. All das verdichtete sich in den beiden markanten Parolen von der „Ausübung des Selbstbestimmungsrechts“ und der „Verabschiedung aus Italien“, mithin dem „Los von Rom“. Es fehlte auch nicht an Schelte für „Politiker, die der Landeseinheit im Wege stehen“. Vom SSB initiierte und organisierte „Unabhängigkeitstag“ in Meran 2013 und in Bruneck 2016, zu denen sich Vertreter zielgleicher nationaler Minderheiten aus EUropa einfanden, gerieten zu selbstbewussten Manifestationen wider assimilatorische Entnationalisierung sowie des unbedingten Willens zur Selbstbehauptung und des Verlangens nach Verwirklichung des in der UN-Charta verankerten Selbstbestimmungsrechts.
Unabhängigkeitstag in Meran 2013
Unabhängigkeitstag in Bruneck 2016
Die Schützen wissen, dass sie mit derartigen Aktivitäten mitunter auf Ablehnung stoßen: nicht allein in Rom (zur Gänze) sowie (weithin) in der politischen Klasse Wiens und Innsbrucks, sondern auch und vor allem bei der SVP. Die 1945 gegründete „Sammelpartei“ hat sich längst mit den obwaltenden, weil mitgestalteten Verhältnissen arrangiert. Dem Arrangement fiel das in ihren Parteistatuten als Gründungszweck und hehres Verwirklichungsziel verankerte Selbstbestimmungsbegehr „realpolitisch“ ebenso zum Opfer wie ihr die einst auch von ihr als höchsten Daseinszweck propagierte Landeseinheit faktisch obsolet geworden ist. Dies legte die seit der Streitbeilegung 1992 immer öfter ins Auge stechende, dem Machterhalt dienende und für Funktions- und Amtsträger sowie dem sozial und ökonomisch nutznießenden Teil der eigenen Wählerklientel einträgliche Maxime des „Kompromisses um jeden Preis“ offen. Man tritt der gegenwärtigen SVP-Führung und dem Gros ihrer Parlamentarier gewiss nicht zu nahe, wenn man sie als italophil bezeichnet.
Dass dies zwangsläufig zu Konflikten mit dem Schützenbund führen muss(te), dessen Wiedergründung ohne Beistand und Rückhalt der SVP 1957 kaum denkbar gewesen wäre und zu dessen erstem Kommandanten infolgedessen der damalige Landeshauptmann Dr. Alois Pupp bestimmt worden war, ist in den letzten Jahren häufig zutage getreten. Das Wiederaufleben des im italienischen Faschismus verbotenen Schützenwesens geschah gegen den hartnäckigen Widerstand des „demokratischen Italiens“, das – in Südtirol übrigens bis heute – zäh sein geistiges faschistisches Erbe verteidigt. In Rom war und ist man sich der Bedeutung des Schützenwesens bewusst, dessen traditioneller Daseinszweck auf Bewahrung der Identität und Freiheit der Tiroler sowie auf Wiedererlangen der Landeseinheit gerichtet ist.
Von den 1950er bis zu den frühen 1980er Jahren herrschte hinsichtlich dieser Ausrichtung weithin Übereinstimmung mit der SVP, zudem bestand eine gewisse personelle Identität. Man tut wohl niemandem Unrecht, wenn man den SSB bis zur zäsuralen „Schützenrevolte“ auf der denkwürdigen Landesversammlung (dem Parteitag) 1986 in Meran als eine der SVP-„Vorfeldorganisationen“ charakterisiert. Das hat sich seitdem fundamental geändert. Zwischen SVP und SSB, der sich von ihr emanzipierte und mehr und mehr zum Stachel im Fleische der Politik wurde, ist heute der Bruch unübersehbar.
Die Schützen haben wieder und wieder bewiesen, dass sie trotz (gesellschafts)politischen Gegenwinds an ihrem historisch begründeten und legitimierten Auftrag sowie an ihrem tradierten Wertegefüge festhalten und standfest bleiben. Daher ist es vornehmlich ihnen zu danken, dass das letzte Wort bezüglich der Zukunft (Süd-)Tirols wohl noch lange nicht gesprochen ist.
Olt, Reinhard: „Standhaft im Gegenwind. Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes“ Neumarkt a.d. Etsch (Effekt GmbH) 2017, 364 Seiten, Hardcover, Format 260×235 mm, illustriert, ISBN 978-88-97053-39-2; Preis 25,- Euro
Mein soeben erschienenes Buch „Standhaft im Gegenwind“. Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes“ legt all dies faktengesättigt offen. Wobei eine Fülle exklusiver Informationen aufgeboten werden konnten, die man sowohl in der journalistischen, als auch in der bisherigen wissenschaftlichen Publizistik vergeblich sucht. Diese facettenreiche Publikation über den Südtiroler Schützenbund stellt daher zugleich eine detaillierte Beschreibung der ins österreichisch-italienische Verhältnis eingebetteten politischen Handlungen beider Tirol dar. Mithin schließt die Darstellung auch eine Lücke in der Aufarbeitung der jüngeren Zeitgeschichte.
Prof. Dr. Reinhard Olt bei der Vorstellung seines Buches am 2. Mai 2017 im Bozener Waltherhaus
Neuerscheinung: zeitgeschichtliches Werk enthüllt parteipolitisch motivierte Südtirol-Geheimdiplomatie
Der renommierte Historiker und Publizist Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt stellt die in Buchform erschienene Dokumentation „Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis“ von Dr. Helmut Golowitsch vor.
Konspirative politische Händel zu Ungunsten Südtirols
Wie ein bisher weitgehend im Dunkel verborgener Emissär das Nachkriegsgeschehen zwischen Wien und Rom hinter den Kulissen zu beeinflussen vermochte
von Reinhard Olt
Die Brenner-Grenze ist wieder da. Unter völkerwanderungsartig anschwellendem Zustrom afrikanisch-orientalischer Migranten über die „Italien-Route“ nach Mitteleuropa nimmt der enge Gebirgseinschnitt wieder seine Rolle als neuralgisches Kontroll-Areal am Übergang zum Bundesland Tirol ein, welches seit dem Schlagbaum-Abbau nach Österreichs EWG-Beitritt (1. Januar 1995) als obsolet galt. Verschwunden war sie ja nicht wirklich, sondern lediglich „nicht mehr spürbar“, wie eine medial widerhallende stereotypisierte Politformel besagte und eher oberflächliche Betrachtung von Fahrzeuginsassen darüber hinwegrollender Automobilkolonnen nahelegte.
Ob unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich die Chance für die in vielfachen eindrücklichen Willensbekundungen der Bevölkerung sowie die in politischen und kirchlichen Petitionen zum Ausdruck gebrachte Forderung nach Wiedervereinigung des 1918/19 geteilten Tirols bestand, ist unter Historikern umstritten. Unumstritten ist, dass das Gruber-De Gasperi-Abkommen vom 5. September 1946, Grundlage für die (weit später erst errungene) Autonomie der „Provincia autonoma di Bolzano“, dem die regierenden Parteien sowie der zeitgeistfromme Teil der Opposition in Wien, Innsbruck und Bozen heute den Rang einer „Magna Charta für Südtirol“ zubilligen, sich für Österreichs Politik jahrzehntelang als „furchtbare Hypothek“ (Bruno Kreisky) erwies.
Das Gruber-Degasperi-Abkommen („Pariser Abkommen“) vom 5. September 1946 umfasst lediglich 40 Maschinschreibzeilen und besteht weitgehend aus unpräzisen Absichtserklärungen. Als Karl Gruber den Intentionen der Westalliierten folgend dieses Papier unterschrieb und damit die bis dahin offizielle österreichische Forderung nach Selbstbestimmung preisgab, hatte er vorher weder die Regierung in Wien informiert, geschweige denn eine Zustimmung des Nationalrats eingeholt.
Gruber und De Gasperi
Allem Anschein nach fügte sich der österreichische Außenminister Gruber seinerzeit ebenso seinem italienischen Gegenüber Alcide De Gasperi wie den drängenden Siegermächten, um überhaupt etwas mit nach Hause bringen zu können. Es waren jedoch nicht allein die aus der (geo)politischen Lage herrührenden Umstände und die Unzulänglichkeiten des damals zur Pariser Friedenskonferenz entsandten österreichischen Personals sowie das mitunter selbstherrliche Gebaren Grubers respektive der Druck, den die (west)alliierten Siegermächte auf die Beteiligten ausübten und schließlich ein anderes als das von den (Süd-)Tirolern erhoffte Ergebnis zeitigten. Eine soeben erschienene Dokumentation des Zeithistorikers Dr. Helmut Golowitsch zeigt, dass auch hinter den Kulissen Akteure emsig und weitgehend inkognito am Geschehen beteiligt waren.
Insbesondere ein Kärntner Unternehmer übte einen bisher weithin unbekannten und im Blick auf das von der weit überwiegenden Bevölkerungsmehrheit in beiden Tirol sowie in ganz Österreich erhoffte Ende der Teilung des Landes fatalen Einfluss aus. Sein lautloses Mitwirken inkognito erstreckte sich nahezu auf den gesamten für den Südtirol-Konflikt zwischen Österreich und Italien bedeutsamen Geschehensablauf vom Kriegsende bis zur sogenannten „Paket“-Lösung Ende der 1960er Jahre, bisweilen lenkte er ihn in bestimmte Bahnen.
Hinter den Kulissen
Der Pappe-Fabrikant Rudolf Moser aus Sachsenburg in Kärnten, ein geborener Wiener, wirkte im Hintergrund als Unterhändler auf parteipolitischer Ebene
Der Mann hieß Rudolf Moser, war 1901 in Wien geboren und in der christlich-sozialen Bewegung politisch sozialisiert worden. In Sachsenburg (Kärnten) leitete er die „A. Moser & Sohn, Holzstoff- und Pappenfabrik“, und als Industrieller gehörte er der vor allem auf die regierende Österreichische Volkspartei (ÖVP) stark einwirkenden Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft an. Mit dem ersten Bundeskanzler Leopold Figl, den er als seinen „engsten Jugendfreund“ bezeichnete, verband ihn wie er vermerkte, „in allen Belangen …. stets gegenseitige und vollständige Übereinstimmung und Treue“.
In der Zeit des österreichischen Ständestaates der Ersten Republik war Rudolf Moser „Gauführer“ der „Ostmärkischen Sturmscharen“ in Kärnten-Osttirol. Sein Freund, der spätere österreichische Bundeskanzler Leopold Figl (ÖVP), hatte das gleiche Amt in Niederösterreich inne (Bild rechts).
Der Emissär
In Italien, wohin seine Firma gute Geschäftskontakte unterhielt, hielt sich Moser häufig für länger auf und kam mit namhaften Persönlichkeiten des Staates ebenso wie mit katholischen Kreisen und dem Klerus in engen Kontakt. Moser, den auch Papst Pius XII. mehrmals in Rom persönlich empfing, wirkte zudem als Vertrauensmann des Vatikans. Insofern nimmt es nicht wunder, dass sich der die italienische Sprache mündlich wie schriftlich nahezu perfekt beherrschende und absolut diskret agierende Moser nach 1945 geradezu ideal für die Aufnahme, Pflege und Aufrechterhaltung einer trotz Südtirol-Unbill dennoch äußerst belastbaren Verbindung zwischen ÖVP und Democrazia Cristiana (DC) eignete, die sich weltanschaulich ohnedies nahestanden. Dazu passte, dass er sich der Rolle des (partei)politischen Postillons und verdeckt arbeitenden Unterhändlers mit geradezu missionarischem Eifer hingab.
Verkaufte „Herzensangelegenheit“
Das erste für das Nachkriegsschicksal der Südtiroler bedeutende und in seiner Wirkung fatale Wirken Mosers ergab sich im Frühjahr 1946. Während nämlich die österreichische Bundesregierung offiziell – besonders Kanzler Figl, der in seiner Regierungserklärung am 21. Dezember 1945 vor dem Nationalrat gesagt hatte:
„Eines aber ist für uns kein Politikum, sondern eine Herzenssache, das ist Südtirol. Die Rückkehr Südtirols nach Österreich ist ein Gebet jedes Österreichers“
Die Selbstbestimmungslösung mittels Volksabstimmung verlangte, die Außenminister Gruber gegenüber den Siegermächten und dem Vertreter Italiens in Paris bis dahin einigermaßen aufrecht erhalten hatte, wurde Rom auf der Ebene parteipolitischer Beziehungen vertraulich darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich Wien gegebenenfalls auch mit einer Autonomielösung anstelle eines Plebiszits einverstanden erklären könne. Das Signal dazu gab Figl via Moser, der über Vermittlung eines Priesters aus dem Trentino den gebürtigen Trientiner De Gasperi am 3. April 1946 im Palazzo del Viminale, dem Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten, zu einer ausgiebigen geheimen Unterredung traf.
Als Bundeskanzler Figl (Bild rechts) in Innsbruck die Südtiroler Unterschriften für die Rückkehr Südtirols zu Österreich entgegen nimmt und verkündet „Wir wollen unser Südtirol wieder!“, hat der Geheimunterhändler Rudolf Moser (links im linken Bild) dem italienischen Ministerpräsidenten Degasperi (auf dem linken Bild im Vordergrund) bereits die Bereitschaft der Bundesregierung zum Verzicht auf Südtirol übermittelt.
Dass das Duo Figl/Moser damit Grubers Aktivitäten konterkarierte, dürfte auch dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass die beiden ÖVP-Politiker Figl und Gruber einander sozusagen „in herzlicher Abneigung“ zugetan waren. Dass es dem Kanzler primär um gutnachbarschaftliche politische (und wirtschaftliche) Beziehungen Wiens zu Rom sowie vielleicht mehr noch um freundschaftliche Verbindungen zwischen seiner ÖVP mit De Gasperis DC zu tun war und dass er damit der alldem entgegenstehenden Sache Südtirols – wider alle öffentlichen Bekundungen und Verlautbarungen – schadete, spricht Bände.
Widersprüchliches Gebaren
Dieses widersprüchliche politische Gebaren sollte sich, wie die von dem oberösterreichischen Forscher Helmut Golowitsch erstellte Dokumentation zeigt, unter allen auf Figl folgenden ÖVP-Kanzlern bis in die für das österreichisch-italienische Verhältnis äußerst schwierigen 1960er Jahre fortsetzen, unter der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus ihren Kulminationspunkt erreichen und darüber hinaus – wie man als Beobachter späterer Phasen hinzufügen muss – gleichsam eine politische Konstante bilden, der in aller Regel die beanspruchte Schutz(macht)funktion Österreichs für Südtirol untergeordnet worden ist. Allen damals führenden ÖVP-Granden stand Rudolf Moser als emsig bemühtes, lautlos werkendes und wirkendes Faktotum zur Seite: Sei es als Organisator konspirativ eingefädelter Spitzentreffen inkognito – mehrmals in seinem Haus in Sachsenburg – , sei es als Emissär, mal als besänftigender Schlichter, mal operierte er als anspornender Impulsgeber. Mitunter war er verdeckt als Capo einer geheimen ÖVP-Sondierungsgruppe unterwegs oder auch gänzlich unverdeckt als Mitglied einer offiziellen ÖVP-Delegation auf DC-Parteitagen zugegen. Und nicht selten nahm er die Rolle eines Beschwichtigers von ÖVP-Politikern und -Funktionären wahr.
Geheime Treffen
So regte er die erste geheime Begegnung Figls mit De Gasperi an, wie aus einem mit Briefkopf des Kanzlers versehenen Schreiben vom 16. Juli 1951 an Moser hervorgeht. Das „inoffizielle Zusammentreffen“ fand im August 1951 – der genaue Tag ließ sich nicht rekonstruieren – im Hinterzimmer eines Gasthauses am Karerpass in Südtirol statt, wohin der in Matrei (Osttirol) sommerfrischende österreichische und der in Borgo (Valsugana) urlaubende italienische Regierungschef reisten, um sich „auf halbem Wege“ und „nach außen hin zufällig“ zu treffen. Über Inhalt und Ergebnis dieses ersten Geheimtreffens, worüber es keine Aufzeichnungen gibt – und weiterer konspirativer Begegnungen mit anderen Persönlichkeiten – wurden weder Süd- noch Nordtiroler Politiker informiert. Während des gesamten Zeitraums, für die Golowitschs Dokumentation steht, agierten ÖVP-Kanzler und ÖVP-Parteiführung unter gänzlichem Umgehen der dem südlichen Landesteil naturgemäß zugetanen Tiroler ÖVP.
Als der Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer erkennen musste, dass die Tiroler ÖVP von der Wiener Parteizentrale in Südtirol-Angelegenheiten ständig übergangen wurde, plante er eine Abspaltung der Nordtiroler ÖVP von der „Mutterpartei“ nach CSU-Vorbild.
Das ging sogar so weit, dass der legendäre Landeshauptmann Eduard Wallnöfer wegen „wachsender Unstimmigkeiten mit der Wiener Parteizentrale“ – insbesondere während der Kanzlerschaft des Josef Klaus, zu dem er ein „unterkühltes Verhältnis“ gehabt habe (Michael Gehler – eine „Unabhängige Tiroler Volkspartei“ (nach Muster der bayerischen CSU) ernsthaft in Erwägung zog. Indes war der aus dem Vinschgau stammende Wallnöfer – nicht allein wegen der Südtirol-Frage, aber vor allem in dieser Angelegenheit – dem Außenminister und nachmaligen Kanzler Bruno Kreisky (SPÖ) ausgesprochen freundschaftlich verbunden.
Delikate Besuche
Für das zweite Geheimtreffen Figls mit De Gasperi am 18. und 19. August 1952 sorgte Moser, der es arrangiert hatte, auch eigens dafür, den Ministerpräsidenten inkognito über den Grenzübergang Winnebach nach Osttirol zu schleusen und von dort aus auf sein Anwesen in Sachsenburg (Bezirk Spittal/Drau) zu geleiten. Während zweier Tage unterhielten sich De Gasperi und Figl bei ausgedehnten Spaziergängen unter vier Augen, niemand sonst war zugegen.
Moser (links im Bild) begrüßt den italienischen Ministerpräsidenten Degasperi bei dem Geheimtreffen vor seinem Haus in Sachsenburg.
Anschließend finden bei ausgedehnten Spaziergängen vertrauliche Unterredungen zwischen Degasperi und Figl statt.
In einem späteren Rückblick, angefertigt zu Weihnachten 1973, vermerkte Moser:
„Seit 1949 gab es in meinem Kärntner Landhaus gar viele Zusammenkünfte, Besprechungen, Beratungen und Konferenzen, aber nicht selten wurden auch in fröhlichem Zusammensein weitreichende Beschlüsse gefaßt. Im Gästebuch dieses ,Hauses der Begegnung‘, wie es vielfach genannt wurde, gibt es von den delikaten Besuchen fast keinerlei Eintragungen, weil ja jedwede Dokumentation vermieden werden sollte.“
Moser (rechts im Bild) begrüßt Bundeskanzler Julius Raab vor seinem Haus in Sachsenburg.
Auf Figl folgte Julius Raab. Auch er war in Sachsenburg zu Gast, bediente sich Mosers Diensten hinsichtlich Italiens aber kaum. Das war auch gar nicht erforderlich, denn die politischen Prioritäten Wiens waren während Raabs Ägide vornehmlich auf das Ausverhandeln des Staatsvertrags (1955) und damit das Wiedererlangen der Souveränität gerichtet. Was dazu führte, dass es – worüber in Bozen und Innsbruck Unmut herrschte – in der Südtirol-Politik zu keinen nennenswerten Aktivitäten oder Initiativen mehr kam.
Handreichung für Folterer
Nach De Gasperi, mit dem sich Moser auch weiterhin freund(schaft)lich austauschte, wechselten in Italien die Regierungschefs beinahe jährlich; bis 1981 war das Amt des „Presidente del Consiglio dei Ministri“ stets sozusagen ein „Erbhof“ der DC. Bis zum Abschluss des Südtirol-Pakets 1969 unter Mario Rumor, der zwischen 1968 und 1970 drei wechselnden, DC-geführten und dominierten (Koalitions-)Regierungen vorstand, hatten sieben DC-Regierungschefs 14 Kabinetten vorgestanden. Mit allen pflegte(n) Moser (und die ÖVP) mehr oder weniger enge Kontakte.
Den italienischen Innenminister Mario Scelba (DC), mit dessen Wissen und Billigung verhaftete Südtiroler in den Carabinieri-Kasernen durch „Spezialisten“ verhört und dabei schrecklich gefoltert wurden, bezeichnete Moser als seinen „guten Freund“.
Zu Mario Scelba, der später traurige Berühmtheit erlangte, weil unter seiner Billigung 1961 in Carabinieri-Kasernen politische Häftlinge aus den Reihen des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) gefoltert worden waren und er als damaliger Innenminister den Folterknechten dazu „freie Hand“ („mani libere“) gelassen hatten, waren sie ebenso intensiv wie zu Fernando Tambroni, Antonio Segni, Amintore Fanfani und Aldo Moro. 1962 hatte Moser ein geheimes Treffen zwischen dem stellvertretenden DC-Generalsekretär Giovanni Battista Scaglia sowie der DC-Fraktionsvizechefin Elisabetta Conci und ÖVP-Generalsekretär Hermann Withalm sowie Außenamtsstaatssekretär Ludwig Steiner eingefädelt, das in seinem Beisein am 12. Mai in der am Comer See gelegenen „Villa Bellini“ der mit ihm befreundeten Papierfabrikantin Anna Erker-Hocevar stattfand. Einmütiger Tenor des Treffens: Südtiroler „Friedensstörer“ seien „gemeinsame Feinde“ und als solche „unschädlich zu machen“.
In dieser Villa am Lago di Como fand 1962 das von Moser arrangierte Geheimtreffen österreichischer ÖVP-Politiker und italienischer DC-Politiker statt.
Moser bekundete stets, man müsse, wie er selbst, beseelt sein vom Willen „engster vertraulicher Zusammenarbeit …mit den aufrechten Europäern und jenen Christen, welche den Mut haben, solche der Tat zu sein“ sowie beitragen zur „gemeinsamen Verurteilung jeder Äußerung von unzeitgemäßem Nationalismus und unchristlichen Gewalttaten“ und mithelfen, jene Kräfte zu isolieren und auszuschalten, „die unbedingt Gegner einer Einigung, einer Versöhnung sind“. An Scelba schrieb er am 16. September 1961, er möge „im Alto Adigejene wahnsinnigen Radikalen isolieren, welche mit verbrecherischen Taten sich als Handlanger des Bolschewismus erweisen“.
ÖVP-Geheimdiplomatie
Mosers Engagement ging so weit, dass er sich nicht scheute, daran mitzuwirken, hinter dem Rücken des damaligen Außenminister Kreisky (SPÖ) sozusagen „christdemokratische Geheimdiplomatie“ zu betreiben und dessen mit Giuseppe Saragat ausgehandeltes „Autonomie-Maßnahmenpaket“ zu desavouieren, welches die Südtiroler Volkspartei (SVP) dann auch am 8. Januar 1965 für „zu mager“ befand und infolgedessen verlangte, es müsse nachverhandelt werden. Schon am 6. Januar 1962 hatte er in einer an zahlreiche ÖVP-Politiker und -Funktionäre verschickten „Südtirol-Denkschrift“ bemerkt, Kreisky betreibe „eine dilettantisch geführte Außenpolitik.“ Das bezog sich just auf den seit den verheerenden Auswirkungen des Gruber-De Gasperi-Abkommens ersten zielführenden und erfolgreichen Schritt der Wiener Südtirol-Politik, nämlich der Gang Kreiskys 1960 vor die Vereinten Nationen. Die Weltorganisation zwang mittels zweier Resolutionen Italien zu „substantiellen Verhandlungen zur Lösung des Streitfalls“ mit Österreich, womit der Konflikt zudem internationalisiert und der römischen Behauptung, es handele sich um eine „rein inneritalienische Angelegenheit“ die Grundlage entzogen worden war.
Ludwig Steiner und Kurt Waldheim
In den Rom-freundlichen Kreisen der Bundes-ÖVP war dies jedoch mit Unwillen registriert worden. Zunächst hatte ÖVP-Staatssekretär Ludwig Steiner versucht, Kreisky zu bewegen,
„die österreichische UNO Initiative zurückzunehmen“, denn „seiner Meinung nach habe Italien in einer UNO Debatte d[er]z[ei]t. eine bessere Stellung und im übrigen solle man nicht die westlichen Freunde Österreichs strapazieren.“
Kreisky vermerkte über Steiner :
„Seit seinem Eintritt als Staatssekretär haben die Intrigen gegen die gemeinsame Außenpolitik in hohem Maße zugenommen.“
Ebenso vergeblich wie Steiner hatten auch (der spätere ÖVP-Außenminister) Kurt Waldheim und der damalige Leiter der Politischen Abteilung des Außenministeriums, Heinrich Haymerle, versucht, Kreisky, wie dieser festhielt,
„in stundenlangemGespräch zu überreden, dass wir uns jetzt aus der Affäreziehen sollten … Andernfalls würde Österreich als ein Störenfried betrachtetwerden, und dies wäre uns keineswegs zuträglich“.
Rudolf Moser (links) mit Außenminister Dr. Kurt Waldheim (rechts)
Mosers vielfältiges und nicht eben einflusslos gebliebenes Wirken beschränkte sich indes nicht auf die eines Kontaktknüpfers oder Verbindungsmannes zwischen ÖVP und DC. Er betätigte sich auch auf internationalem Parkett und vertrat die ÖVP auf den seit 1947 stattfindenden jährlichen Parteikongressen der DC sowie auf den Jahrestagungen der „Nouvelles Équipes Internationales“ (NEI), die sich 1965 in „Union Européenne des Démocrates-Chrétiens“ (EUDC) / „Europäische Union Christlicher Demokraten“ (EUCD) umbenannte. Die von Gegnern als „Schwarze Internationale“ verunglimpfte EUCD ging 1998 in der Europäischen Volkspartei (EVP) auf.
Josef Klaus beugt sich römischem Druck
Der italophile Moser ist nicht selten als politischer Stichwortgeber auszumachen, wenn es um den Versuch der in Wien Regierenden – insbesondere der von der ÖVP gestellten Bundeskanzler der ersten 25 Nachkriegsjahre – ging, sich des mehr und mehr als lästig empfunden Südtirol-Problems zu entledigen. Dies trifft in Sonderheit auf die „Ära Klaus“ zu. Rudolf Moser fungierte just in der Südtirol-Causa als dessen enger Berater und wirkte, wie stets zuvor, als graue Eminenz. Die Regierung Klaus ließ sich – von Rom in der von Wien angestrebten EWG-Assoziierung massiv unter Druck gesetzt – auf (verfassungs)rechtlich äußerst fragwürdige (bis unerlaubte) Händel ein, so beispielsweise auf die auf sicherheitsdienstlicher Ebene mit italienischen Diensten insgeheim verabredete Weitergabe polizeilicher Informationen über Südtiroler, obwohl dies für politische Fälle unzulässig war. Das Wiener Justizministerium und die für Rechtshilfe zuständigen Institutionen wurden dabei kurzerhand übergangen. Für all dies und einiges mehr gab Klaus, der hinsichtlich der Südtirol-Frage ähnlich dachte wie sein deklarierter Freund Rudolf Moser, allen Forderungen der italienischen Seite bereitwillig nach. Moser hatte alles getan, um im Sommer 1966 ein geheimes Treffen in Predazzo, wohin Klaus im Anschluss an seinen üblichen Urlaub (in Bonassola an der Ligurischen Küste) reiste, mit Aldo Moro zustande zu bringen.
Bundeskanzler Dr. Josef Klaus (ÖVP) zusammen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro (DC) 1965 bei einem Treffen in Taormina.
Aus dem Dunkel ans Licht
Mosers konspiratives Wirken endete 1969/70. Bevor er sich als Pensionist aufs Altenteil in seine Geburtsstadt Wien zurückzog, hinterließ er seine gesamten Aufzeichnungen, Dokumente und Photographien einem Kärntner Nachbarn. Begünstigt von einem glücklichen Zufall war es Helmut Golowitsch nach langwierigen Recherchen gelungen, an den zeitgeschichtlich wertvollen Fundus zu gelangen, in den zuvor noch nie ein Historiker ein Auge geworfen hatte.
Ergänzt durch Material aus dem im niederösterreichischen Landesarchiv verwahrten Nachlass Figls sowie durch einige Dokumente aus dem Österreichischen Staatsarchiv und dem Tiroler Landesarchiv hat er ihn umsichtig aufbereitet, ausgewertet und nunmehr in dieser voluminösen Dokumentation publiziert, worin er die für die Geschehenserhellung brisantesten Notizen Mosers erfreulicherweise faksimiliert wiedergibt. Alle Moser’schen Dokumente hat Golowitsch zudem zu jedermanns Einblick und Nutzung dem Österreichischen Staatsarchiv übergeben. Seiner Publikation, die ein bisher im Dunkel verborgenes wichtiges Kapitel der mitteleuropäischen Nachkriegsgeschichte ins Licht hebt und, wie der Salzburger Historiker Reinhard Rudolf Heinisch zurecht in seinem Vorwort schreibt, „durch dessen Ergebnisse die tragische Geschichte Südtirols nach 1945 in vielen Bereichen umgeschrieben werden muss“, ist weite Verbreitung zu wünschen.
—
Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt
Der Verfasser dieses Beitrages, der Historiker Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt, war von 1985 bis 2012 Redakteur und Österreich-Korrespondent der angesehenen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Er hat etwa 100 wissenschaftliche Publikationen verfasst und lehrt heute an österreichischen und ungarischen Hochschulen. Die Geschichte und das Geschick Südtirols liegen ihm besonders am Herzen. Er ist der Verfasser der reich bebilderten Dokumentation „Standhaft im Gegenwind. Der Südtiroler Schützenbund und sein Wirken für Tirol als Ganzes.“ (Neumarkt a. d. Etsch 2017 (Effekt-Verlag). ISBN 978-88-97053-39-2)
—
Das vorliegende Werk von Helmut Golowitsch „Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“ sollte in keinem Bücherregal zur Tiroler Geschichte fehlen. Es ist in gebundener Ausgabe im Leopold Stocker Verlag in Graz erschienen, umfasst mit einem Vorwort von Univ.-Prof. Dr. Reinhard R. Heinisch rund 600 Seiten und ist über den Buchhandel mit der IBSN 978-3-7020-1708-8 für 34,80 € erhältlich.
In der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ vom 23.8.2017 wurde Golowitschs jüngstes Werk ebenso anerkennend besprochen. (Klicken Sie auf das Bild um ein PDF dieser Buchbesprechung zu öffnen)
Das Buch wird öffentlich vorgestellt:
Buchpräsentation durch den Autor in Linz
mit Lichtbildern Mittwoch, 20. September 2017 Beginn: 19:00 Uhr Volkshaus Kleinmünchen, Dauphinestraße 19, 4030 Linz Medienpartner: Magazin Info-DIREKT
Buchpräsentation durch den Autor in Innsbruck
mit Lichtbildern und Podiumsdiskussion von Zeitzeugen Einführung und Moderation Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt Samstag, 23. September 2017 Gasthof Sailer, Saal Tirol, Adamgasse 8, 6020 Innsbruck Beginn: 19:30 Uhr Veranstalter: Andreas Hofer Bund Tirol (AHBT)