Ladinische Gemeinde muss italienischen Ortsnamen tragen
Ein erhellendes Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofes
Ein vom Geist einer wenig rühmenswerten Vergangenheit geprägtes Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2018 sorgt für berechtigte Aufregung in Südtirol, obwohl es zunächst formal vor allem Welschtirol – das heutige „Trentino“ – betrifft. Seine rechtlichen Auswirkungen auf Südtirol sind jedoch nicht zu übersehen.
Im ladinischen Fassatal hatten sich die Gemeinden Pozza und Vigo zu einer Großgemeinde zusammengeschlossen, welcher man den ladinischen Namen „Sen Jan“ gab, welcher für den Heiligen Johannes steht. Ergänzt hatte man den ladinischen Heiligennamen durch das italienische „di Fassa“ – auf Deutsch: „im Fassatal“.
Der ladinisch-italienische Mischname „Sen Jan di Fassa“ wurde durch ein Regionalratsgesetz festgeschrieben.
Dem aus 15 italienischen Richtern bestehenden Verfassungsgerichtshof in Rom war der Name zu wenig italienisch. Ungeachtet der Regionalautonomie für Trentino-Südtirol stellte der Gerichtshof fest, dass
„der Schutz der Minderheitssprachen nicht durch den Verzicht auf den Gebrauch der offiziellen Nationalsprache erfolgen kann.“
Der Verfassungsgerichtshof bezog sich hierbei auf die Staatsverfassung und auf den Artikel 1 des Staatsgesetzes N. 482 vom 15. Dezember 1999, in welchem es heißt:
„Die offizielle Sprache der Republik ist Italienisch“.
Daher erklärte der italienische Verfassungsgerichtshof in seiner Sitzung vom 25. September 2018 die Bezeichnung „Sèn Jan di Fassa-Sèn Jan“ für illegitim. Der Ortsnamen müsse vielmehr zweisprachig heißen: „San Giovanni di Fassa-Sèn Jan“.
Heiligsprechung der erfundenen faschistischen Ortsnamen
Für Südtirol bedeutet dieses Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofes wiederum eine Heiligsprechung der erfundenen faschistischen Ortsnamen. In dem Urteil waren nämlich auch die deutschen Ortsnamen Südtirols kurz zur Sprache gekommen:
„Das Autonomiestatut beinhaltet zwar auch Bestimmungen zur Toponomastik – zutiefst beeinflusst von geschichtlichen Ereignissen in den ersten 50 Jahren des 20. Jahrhunderts –, aber dieses bringt keine Abweichung von der offiziellen italienischen Staatssprache mit sich. In verschiedenen Fällen können auch Namen auf Deutsch, Ladinisch, Zimbrisch oder Fersentalerisch zusätzlich verwendet werden“,hielten die Richter in ihrem Urteil fest.
Damit bekräftigte der Verfassungsgerichtshof auch in Bezug auf Südtirol wieder, dass die deutschen oder ladinischen Ortsnamen zwar verwendet werden dürften, ihnen aber kein offizieller Charakter und keine Rechtsgültigkeit zukommt. Offizielle Namen sind demnächst nur die erfundenen faschistischen Namen.
Damit bekräftigt der Verfassungsgerichtshof die faschistische Gesetzgebung von 1923 und 1940, mit welcher die von dem faschistischen Senator Ettore Tolomei zum größten Teil frei erfundenen italienischen Ortsnamen für offiziell alleine gültig erklärt worden waren.
Mit dem auch von Mussolini unterschriebenen Königlichen Dekret vom 29. März 1923 waren die erfundenen Ortsnamen in Südtirol eingeführt worden.
Mit einem weiteren Dekret vom 10. Juli 1940 wurde den über 8.000 italienischen Orts- und Flurnamen ihre amtliche Bedeutung nochmals bestätigt.
Dieses faschistische Dekret aus dem Jahre 1940 ist heute noch die einzige gesetzliche Grundlage für die unsägliche und zum Großteil lächerliche Ortsnamensgesetzgebung in Südtirol.
Bild Südtiroler Schützenbund
Widerspruch aus Südtirol
Das sehr unkonventionelle Internetportal „Brennerbasisdemokratie“ hat dazu am 23. November 2018 eine Abhandlung aus der Feder von Simon Constantini veröffentlich, welche inhaltlich interessant ist:
„Mit gestern veröffentlichtem Urteil (Nr. 210/2018) hat das italienische Verfassungsgericht beschlossen, dass die Gemeinde Sèn Jan künftig auch eine italienische Ortsbezeichnung (San Giovanni) braucht. Der Entscheid geht auf eine Anfechtung der angeblich weltoffenen und autonomiefreundlichen Mittelinksregierung von Paolo Gentiloni (PD) Ende Dezember 2017 zurück”.
Hierbei habe sich der Verfassungsgerichtshof, so Simon Constantini, über die Argumente der Region Südtirol-Trentino hinweggesetzt.
Diese hatte auf die Situation im französisch-sprachigen Aostatal und in Teilen des Piemont verwiesen, wo einnamig französiche bzw. frankoprovenzalische Ortsbezeichnungen existieren.
Die Region hatte auch auf das Unrecht der faschistischen Zwangsitalianisierung verwiesen. Des weiteren hatte sie festgestellt, dass sich die italienischsprachige Gemeinschaft vor Ort mit dem Namen Sèn Jan (di Fassa) voll identifiziert und dass die Ortsbezeichnung von der Stimmbevölkerung direktdemokratisch abgesegnet worden sei.
Der seinerzeitige Präsident der italienischen verfassunggebenden Nationalversammlung, Umberto Terracini, habe in Bezug auf das Aosta-Tal erklärt gehabt: „die Ortsnamen und die Eigennamen sind nicht Teil der anderen Sprache, sondern sie sind was sie sind”. Daher, so Constantini: „Mehrsprachigkeit ist nicht Mehrnamigkeit.”
Auch darüber fährt das Gericht laut Constantini „mit einer Argumentationsweise drüber, die fassungslos macht”.
„So dürften die Vorherrschaft der italienischen Sprache – als alleinige Staatssprache und alleinige Sprache des Verfassungssystems (!!) – durch den Minderheitenschutz nicht infrage gestellt und die italienische Mehrheitsbevölkerung nicht benachteiligt werden. Dies gelte ausdrücklich auch für die Ortsnamengebung und dürfe niemals dazu führen, dass eine Minderheitensprache alternativ zur italienischen benutzt wird. Außerdem sei das Primat der italienischen Sprache – Achtung Brechreizgefahr – entscheidend für die fortwährende Weitergabe des historischen Erbes und der Identität der Republik, zudem Gewährleistung für den Fortbestand der italienischen Sprache an sich.
Was ist das für ein Verfassungssystem, das solche Urteile hervorbringt?
Was soll das für eine bemitleidenswerte Identität sein, die sich von einer kleinen Minderheit wie der ladinischen und einem Ortsnamen gefährdet sieht?
Und was können wir uns von einem Staat erwarten, der gleichberechtigte Mehrsprachigkeit so fürchtet und daher vehement bekämpft?
Unter diesem Titel veröffentlichte der ehemalige SVP-Parlamentsabgeordnete, Senator und Autonomiefachmann Dr. Karl Zeller am 26. November 2018 eine Warnung in der Tageszeitung „Dolomiten“.
Karl Zeller ist nicht irgendwer. Er hatte 1989 an der Universität Innsbruck über das Thema „Die Eingriffsmöglichkeiten der römischen Zentralorgane in die autonome Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt des Landes Südtirol“ dissertiert und er hatte vier Jahre lang als Assistent am Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck gewirkt. In seiner Stellungnahme in den „Dolomiten“ sagt Dr. Karl Zeller voraus, dass „die Frage nicht beantwortet wird, was zu tun ist, wenn es keinen italienischen Ortsnamen gibt“. Was werde nun im einsprachig-französischsprachigen Aosta passieren, frägt Zeller, „müssen da dann italienische Ortsnamen erfunden werden?“
Zeller sieht sogar die jetzige Landesgesetzgebung Südtirols gefährdet, mit welcher die deutschen und ladinischen Ortsnamen bestätigt wurden. Er ruft die Politik zur Wachsamkeit auf.
„Skandalös und beschämend“
Als skandalös und beschämend bezeichnet die Süd-Tiroler Freiheit (STF) das Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofes.
Der Verfassungsgerichtshof macht sich laut der Südtiroler Freiheit damit zum Vollstrecker des italienischen Nationalismus und führe Südtirol deutlich vor Augen, was man von Italien zu erwarten habe.
„Der Verfassungsgerichtshof stellt mit einer abgeschmackten Überheblichkeit die italienische Kultur über die anderen Kulturen und setzt sich nicht nur über wissenschaftliche Erkenntnisse hinweg, sondern ignoriert auch alle internationalen Empfehlungen im Umgang mit Ortsnamen in Minderheitengebieten. Das ist Sprachimperialismus in Reinform“, so der Ortsnamenexperte Cristian Kollmann.
Die Süd-Tiroler Freiheit sehe sich in ihrer Haltung bestätigt, dass nur eine Abschaffung der faschistischen Ortsnamendekrete zu einer Lösung der Ortsnamenfrage in Südtirol führen könne. Faschistische Ortsnamen seien laut der Süd-Tiroler Freiheit demnach kein Kulturgut, sondern ein „Kulturverbrechen“.
Anmerkung des SID dazu: Das ist alles richtig. Es zeigt sich jedoch, dass es in der italienischen Politik parteiübergreifend einen breiten Konsens gibt, die behauptete „Italianita“ Südtirols weiterhin festzuschreiben.
Eine solche Einigkeit in Grundsatzfragen ist auf der Seite der österreichisch-tirolerischen Politik bislang noch nicht vorhanden. Hier ist zwischen den Parteien noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, bevor man hoffen kann, Rom wirksam unter Druck setzen zu können.
100 Jahre Landesteilung – Zwei unterschiedliche Gedenken
Im Jahre 1915 war das mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich verbündete Italien seinen eigenen Bundesgenossen verräterisch in den Rücken gefallen, indem es sich zunächst für neutral erklärt hatte und dann an der Seite der Entente-Mächte in den Krieg eingetreten war. Diese hatten Italien unter anderem Südtirol als Kriegsbeute versprochen.
Als gegen Ende des Ersten Weltkriegs die ausgeblutete österreichisch-ungarische Monarchie zusammenbrach und in einzelne Nationalstaaten zu zerfallen begann, musste sie einen Waffenstillstand mit Italien eingehen, der am 4. November 1918 in Kraft trat und einer bedingungslosen Kapitulation gleichkam.
Titelseite der Innsbrucker „Tiroler Stimmen“ vom 4. November 1918
Die italienischen Truppen konnten nun kampflos Südtirol bis zum Brenner besetzen, den sie am 11. November 1918 erreichten. Italien feiert dies bis heute als großartigen Sieg.
Italienisches Militär auf dem Bozener Waltherplatz im Jahre 1918
Die ersten Carabinieri sind in Meran eingetroffen (Bildarchiv Haller, Meran)
Noch ahnte die Bevölkerung nicht, welch schwere Zeiten auf sie zukommen würden, denn die italienische Armee hatte auf großen Plakaten verkünden lassen, dass Italien die „Staatsangehörigen fremder Zunge mit Gerechtigkeit und Liebe behandeln“ werde. Mit dieser Proklamation wurde den Südtirolern auch die „Erhaltung eigener Schulen, eigener Anstalten und Vereine“ zugesichert und verkündet, „dass jede Sprach- und Kulturfrage baldige friedliche Regelung finden wird.“
Die Proklamation der italienischen Armee mit ihren nicht eingehaltenen Versprechungen
Diese schönen Versprechungen wurden dann Jahrzehnte lang weder in der Zeit des Faschismus noch im demokratischen Italien nach 1945 eingehalten, bis die unter großen Opfern erreichte heutige Autonomielösung eine wesentliche Verbesserung der Verhältnisse bewirkte.
Die italienischen Gedenkfeiern
Der Erste Weltkrieg hatte auf italienischer und österreichischer Seite zusammen an die 1,2 Millionen Menschenleben gekostet. Ungeachtet dessen feiert das demokratische Italien am 4. November bis heute mit provokanten militärischen Aufmärschen im „eroberten“ Gebiet diese Tragödie als erfreuliches Geschehen.
Trompetentöne in Bozen: Annexion Südtirols – „das schöne Ziel des Ersten Weltkrieges“
Am 4. November 2018 marschierte – wie schon seit Jahrzehnten – wieder italienisches Militär auf dem Bozener Waltherplatz auf. Der Alpini-General Claudio Berto hielt eine Rede, in welcher er die Annexion Südtirols „als das schöne Ziel des 1. Weltkrieges“ bezeichnete.
Der Alpini-General Claudio Berto (Bild: Aus einem Video Süd-Tiroler Freiheit – RAI)
Der Landtagsabgeordnete Sven Knoll von der „Süd-Tiroler Freiheit“ erklärte dazu in einer Presseaussendung:
„Die Folgen des 1. Weltkrieges haben … direkt zu Faschismus und Nationalsozialismus geführt und ganz Europa damit in ein noch größeres Verderben gestürzt. Die Teilung Tirols und die unfreiwillige Annexion Süd-Tirols an Italien sind und bleiben ein Unrecht. Auch nach 100 Jahren wird Unrecht nicht zu Recht! Die Aussagen des Alpini-Kommandanten Berto sind nicht nur dumm, sondern eine unnötige Provokation und böswillige Beleidigung für Süd-Tirol, die mit aller Deutlichkeit verurteilt werden müssen. Die Süd-Tiroler Freiheit fordert angesichts dieser verabscheuenswürdigen Provokation eine öffentliche Distanzierung und Entschuldigung der Alpini-Generalität.“
Selbstverständlich gab es keine Entschuldigung der Alpini-Generalität und es wird auch keine geben.
Alpini-Feier in Meran vor faschistischem Denkmal
In Meran steht ein Denkmal, welches einen Alpini-Soldaten zeigt, welcher heroisch einen Stein gegen seine Gegner schleudert. Dieses Denkmal wurde in der Zeit des Faschismus 1938 errichtet und verherrlicht den Einsatz des 5. Alpini-Regimentes im italienischen Kolonialkrieg in Libyen von 1911 bis 1912, in dessen Folge bis zum Jahre 1931 ein wahrer Vernichtungskrieg gegen die aufständische einheimische Bevölkerung stattfand.
Massenerhängungen von Arabern und Einsatz von Giftgas sollten Libyen „befrieden“
Trotz vieler Südtiroler Proteste hält der Staat Italien bis heute dieses Völkermord-Denkmal in Ehren.
Auch am 4. November 2018 hielten es die Alpini für angebracht, vor diesem Denkmal feierlich aufzumarschieren und der „Eroberung“ Südtirols zu gedenken.
Der Gemeinderat der „Süd-Tiroler Freiheit“ in Meran, Christoph Mitterhofer, erklärte dazu in einer Presseaussendung:
„Jeder versteht, dass die Streitkräfte ihrer gefallenen Kameraden gedenken wollen. Jedoch vor einem Denkmal mit terrorverherrlichendem Hintergrund ist das deplatziert. Dieses Denkmal gehört geschliffen!“
Die Tiroler Gedenkfeiern
Etwas anders als die italienischen Feiern gestalteten sich die Tiroler Gedenkfeiern.
Gedenken auf dem Tummelplatz in Innsbruck
Oberhalb des Innsbrucker Stadtteiles Amras befindet sich auf einer Waldlichtung namens „Tummelplatz“ eine Landesgedenkstädte mit einem Militärfriedhof und einigen Kapellen.
Dort fand am 4. November 2018 eine würdige Feier statt, auf welcher der für die Einheit und Freiheit Tirols Gefallenen gedacht wurde.
Die Gedenkstätte Tummelplatz
Vor dem Erinnerungsstein für Franz Innerhofer, ehemals Oberlehrer im Südtirolerischen Marling, legte eine Abordnung des „Andreas Hofer-Bundes“ mit deren Obmann Winfried Matuella einen Kranz nieder, welcher an die Ermordung des „Blutzeugen für das deutsche Südtirol“ durch Faschisten im Jahre 1921 erinnert.
Die Dornenkrone auf dem „Siegesplatz“ in Bozen
Auf dem Landesfestzug im Jahre 1959, welcher an das Tiroler Heldenjahr 1809 erinnerte, wurde von Schützen aus ganz Tirol erstmals eine schmiedeeiserne Dornenkrone mitgeführt, welche dem Schmerz über die Landesteilung und Unterdrückung der Südtiroler Landsleute Ausdruck verleihen sollte.
1984 wurde wiederum unter nicht enden wollendem Beifall der Bevölkerung eine schmiedeeiserne Dornenkrone mitgeführt, welcher auf einem Transparent die Losung „Selbstbestimmung für Südtirol – Tirol den Tirolern“ vorangetragen wurde. Der Nordtiroler Landeshauptmann Wallnöfer hatte vor diesem Symbol des Leids salutiert.
Am 4. November 2018 wurde in Bozen wiederum eine Dornenkrone der Öffentlichkeit gezeigt und es wurde dabei eine besondere symbolische Handlung vorgenommen.
Mit einem Plakat hatte der Welschtiroler Verein „Associazione Culturale Kulturverein NOI TIROLESI – WIR TIROLER“ unter dessen Präsidenten Vittorino Matteotti auf diese Veranstaltung hingewiesen. Mitveranstalter war der von ehemaligen politischen Häftlingen gegründete „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) unter dessen Obmann Roland Lang.
Als passender Ort war ein Platz in unmittelbarer Nähe des faschistischen „Siegesdenkmals“ gewählt worden.
Die hier präsentierte Dornenkrone war mit 99 Stacheln versehen und nun wurde ihr ein hundertster Stachel eingeschlagen, um damit anzuzeigen, dass die Zerreißung Tirols nunmehr bereits 100 Jahre andauert.
Darüber berichtete die „Neue Südtiroler Tageszeitung“ ausführlich.
Bericht in der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“
Es sollte eine symbolische Aktion des Gedenkens an die Opfer der Zerreißung Tirols vor hundert Jahren werden, so hatte der SHB-Obmann Roland Lang in einer Aussendung erklärt. Dazu wurde absichtlich jener Platz ausgesucht, der von den Faschisten zur Feier eines Sieges errichtet wurde, der nie stattgefunden hat.
„Mit der italienischen Besetzung Tirols zwischen Borghetto und Brenner vor 100 Jahren begann der Leidensweg des südlichen Tirols. Er begann mit der Verfolgung der Soldaten, die die österreichische Uniform getragen hatten und erreichte mit der Unterdrückung jeder Tiroler Identität unter dem Faschismus ihren traurigen Höhepunkt. Auch nach dem Untergang des Faschismus verfolgt Italien weiterhin das Ziel, Südtirol zu einer italienischen Provinz zu machen“, so SHB-Obmann Roland Lang in seiner Ansprache.
Eva Klotz erinnerte in ihrer Ansprache an das große Unrecht der gewaltsamen Teilung Tirols, das viele vergessen machen wollten. Wahrer Frieden könne nur auf dem Boden der Gerechtigkeit gedeihen. Als schmerzlich empfinde man die Leugnung der Tiroler Geschichte auch durch einen Lügentempel, der den Namen „Siegesdenkmal“ trägt.
Sie ermunterte vor allem die Jugendlichen, sich mit der Geschichte Tirols vertraut zu machen, um mit demokratischen Mitteln und in wahrhaft europäischem Geiste das Unrecht eines Tages zu beenden. Den vielen anwesenden Welschtirolern sprach sie Mut zu, empfinden sie doch die Dornen besonders, da sie ihrer Identität und Geschichte regelrecht beraubt worden seien.
Das Land Tirol in Trauer
Einem Aufruf des „Südtiroler Schützenbundes“ folgend, hissten zahlreiche Kompanien am 11. November, dem Tag der Trauer für Südtirol, an gut sichtbarer Stelle die Tiroler Fahne mit Trauerflor.
Damit folgten sie wohl den Gefühlen vieler Mitbürger, die bis heute die Landesteilung ablehnen und diese nicht als ewig anerkennen.
Bei dieser Gelegenheit darf gesagt werden:
Es spricht für unsere Südtiroler Landsleute, dass diese nach 100 Jahren der Unterdrückung, der sprachlichen und kulturellen Beraubung sowie der versuchten und teilweise durchgeführten Aussiedlung, sich immer noch als deutsche und ladinische Volksgruppe behaupten.
Sie bestehen darauf, Tiroler zu sein und bleiben zu wollen!
Respekt vor dieser Haltung!
Ehrendes Gedenken an Dr. Wilhelm Steidl
Abschied von einem großen Patrioten und Verteidiger der Menschenrechte
Unter diesem Titel übergaben Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) und Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung, Sprecher der „Kameradschaft ehemaliger Südtiroler Freiheitskämpfer“, am 27. September 2018 der Öffentlichkeit einen Nachruf auf den Innsbrucker Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Steidl, in welchem es hieß:
„Mit Trauer erfüllt uns die Nachricht des Ablebens unseren Freundes Dr. Wilhelm Steidl.
Der 1928 in Innsbruck geborene Rechtsanwalt wirkte 18 Jahre lang als Stadtrat und Vertreter des Tiroler Arbeitsbundes (TAB) in Innsbruck für das öffentliche Wohl.
Als Rechtsanwalt verteidigte er Südtiroler Freiheitskämpfer in Prozessen in Österreich. Er hatte maßgebenden Anteil daran, dass diese von österreichischen Geschworenen freigesprochen wurden, weil er argumentierte, dass die Angeklagten in strafausschließendem übergesetzlichen Notstand gehandelt hatten.
In einem Beitrag zu einem zeitgeschichtlichen Werk schrieb Dr. Steidl: „Tirol darf stolz auf diese Männer und auch auf ihre Frauen sein.“
In vielen Fällen verzichtete Dr. Steidl auf jegliches Honorar. Er nahm an öffentlichen Demonstrationen gegen die Verfolgung von Südtiroler Freiheitskämpfern wie Georg Klotz und die „Pusterer Buam“ durch die österreichische Bundesregierung teil. Zusammen mit dem Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer erwirkte er deren Freilassung.
Gemeinsam mit dem österreichischen Außenminister und Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky verfolgte Dr. Steidl das Anliegen einer Generalamnestie für Südtiroler Freiheitskämpfer. Diese scheiterte jedoch an der Halsstarrigkeit und Unerbittlichkeit der Regierungen in Rom.
Es ist Dr. Steidl zu verdanken, dass in Innsbruck Straßen nach dem Südtiroler Freiheitskämpfer Josef Kerschbaumer sowie nach Dr. Franz Mair benannt wurden, welcher als Widerstandskämpfer 1945 verhindern geholfen hatte, dass fanatische Nationalsozialisten durch eine sinnlose Verteidigung Innsbrucks die Vernichtung der Stadt durch alliierte Bombenangriffe provozierten. Dabei hatte Dr. Mair sein Leben geopfert.
Im Innsbrucker Gemeinderat hatte Dr. Steidl dazu erklärt, dass man „Menschen, die ihr Leben für ihre Gesinnung geopfert haben, gleich in welchem Lager sie standen“, für würdig befinden müsse, „eine Straße nach ihnen zu benennen, damit die Jugend wenigstens weiß, dass es in der Bevölkerung solche Leute gegeben hat.“
In unseren Herzen lebt „unser Willi“ als unvergesslicher Freund und Mitstreiter weiter.“
In der „Tiroler Tageszeitung“ wurde diese Traueranzeige veröffentlicht:
Einige Stationen im Leben von Dr. Wilhelm Steidl
Er war gerichtlich beeideter Gerichts-Dolmetscher und Honorarkonsul der Französischen Republik sowie Ritter der Französischen Ehrenlegion. Er eröffnete 1963 eine eigene Rechtsanwaltskanzlei.
30. August 1963
Innsbruck: Protestdemonstration gegen Freispruch der Foltercarabinieri
Unter dem Druck der internationalen öffentlichen Meinung hatte Italien 1963 widerstrebend einen Prozess nur gegen einige wenige Carabinieri zugelassen, welchen schreckliche Folterungen von Südtiroler Häftlingen zur Last gelegt wurden.
Am 29. August 1963 endete der Prozess gegen die Folterkarabinieri in Trient nach 13-stündiger Beratung völlig überraschend mit acht Freisprüchen und zwei Verfahrenseinstellungen, da die Tat zwischenzeitlich unter Amnestie gefallen war. Das Urteil wurde von den anwesenden Italienern mit Beifall und Jubelrufen wie “Viva l’Arma, viva l’Italia”( „Es lebe die Waffengattung, es lebe Italien!“) aufgenommen.
Trient: Der Richter verkündet den Freispruch der Folterer
Protestkundgebung unter der Leitung von Dr. Wilhelm Steidl vor dem italienischen Konsulat
Am Abend des 30. August 1963 versammelte sich nach einer Flugzettelaktion vor dem italienischen Generalkonsulat in Innsbruck eine große Menschenmenge von etwa 2.000 Personen, die mit Sprechchören, Transparenten, aber auch mit einigen Steinwürfen gegen das Konsulat, gegen das Urteil von Trient protestierte.
Auf den Transparenten las man Aufschriften wie: „Urteil von Trient – Schande für Europa“, „Carabinieri = Gestapo 1963“ und „Freiheit für Südtirol“.
Nach einem Zug durch die Stadt, wurde eine Delegation der Demonstranten unter Führung von Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Steidl von Landeshauptmann Eduard Wallnöfer (ÖVP), seinem Stellvertreter Dr. Gamper (ÖVP), dem Landesrat Zechtl (SPÖ) und dem Abgeordneten Dr. Mader (FPÖ) empfangen.
Dr. Steidl richtete an den Landeshauptmann die Bitte, der Stimme des Tiroler Volkes Gehör zu verschaffen.
Landeshauptmann Wallnöfer erklärte, dass die Tiroler Landesregierung genauso erschüttert sei, wie das ganze Volk im Norden und Süden. Der Landeshauptmann betonte sein Verständnis für die Reaktion der Demonstranten in der Öffentlichkeit.
Protesterklärung
Dann begaben sich Dr. Steidl und die Abordnung der Demonstranten auf den Balkon des Neuen Landhauses, wo ein Sprecher der Landesregierung folgende Erklärung verlas:
„Tief bestürzt erfuhren wir vom Freispruch im Carabinieriprozeß in Trient. Trotz des erdrückenden Beweismaterials, aus dem einwandfrei die Misshandlungen von Südtiroler Häftlingen und die Erpressung von Geständnissen hervorging, unterblieb jeglicher Schuldspruch. Ein italienisches Gericht hat somit die angewandten Foltermethoden durch sein Urteil gedeckt. Versuchte der italienische Innenminister schon bei Bekanntwerden der Gewalttaten, diese mit der Erklärung zu beschönigen, daß die Polizei in der ganzen Welt Schläge austeilt, so bedeutet der erfolgte Freispruch eine Ermunterung für die italienischen Ordnungsorgane, mit ihren Gewaltmethoden fortzufahren… Im faschistischen Italien wäre dieser Prozess unterblieben, im demokratischen Italien wurde er zum Hohn auf jedes Recht. Kein Tiroler wird das, was in Trient geschah, jemals vergessen. Auch in Südtirol wird einmal das Recht wieder siegen.“
Mai bis Oktober 1965 sowie Mai 1967
Verteidigung in Südtirol-Prozessen in Graz und Linz
Blick in den Gerichtssaal in Graz. Vorne rechts die Angeklagten. Auf der Verteidigerbank sieht man vorne in der ersten Reihe Dr. Wilhelm Steidl (2. von links).
In einem Prozess vor Schöffen und in einem Prozess vor Geschworenen in Graz sowie in einem Geschworenen-Prozess in Linz verteidigte Dr. Wilhelm Steidl zusammen mit anderen herausragenden Strafverteidigern die Angeklagten und erwirkte deren Freispruch. Die Laienrichter folgten der These der Verteidigung, welche argumentiert hatte:
Wenn das österreichische Strafgesetz gemäß § 2 lit. g ausdrücklich das Leben, die Freiheit und das Vermögen von Einzelnen als notwehrfähige Güter erachtet, so gelte dies umso mehr, wenn das Leben, die Freiheit und das Vermögen einer ganzen Volksgruppe, die ja aus Einzelnen besteht, gefährdet sei.
Am 13. Oktober 1965 hatte Dr. Steidl in seinem Plädoyer zu den Geschworenen gesprochen:
„Ich kann Ihnen sagen, daß wir Verteidiger nicht immer das Glück haben, mit unserem ganzen Herzen bei der Sache zu sein und Sie können es wirklich glauben, in diesem Fall ist uns wirklich ernst. Ich kann Ihnen ehrenwörtlich versichern, und ich glaube, es auch im Namen meiner Kollegen tun zu können, daß, was wir hier sagen, daß wir an das glauben.
Meine Damen und Herren, wir leben in einer sehr satten Zeit In einer Zeit, die es nicht verträgt, daß man mit Idealen konfrontiert wird. Sie aber haben dazu nunmehr die Verpflichtung. Ich habe seinerzeit in dem letzten Prozess gesagt: Es handelt sich hier um eine Elite der österreichischen Jugend. Und ich sage es hier noch einmal, es steht hier eine Elite der österreichischen Jugend vor Gericht, und zwar deshalb, weil jeder Mensch einer Elite angehört, gleich welcher Partei er angehört, der unentgeltlich und kostenlos sich für ein Ideal einsetzt. Das, glaube ich, müssen Sie den Angeklagten zubilligen.
Der Staatsanwalt hat gesagt, wir leben nicht mehr im Jahre 1809, wir leben im 20. Jahrhundert. Meine Damen und Herren, für uns Tiroler und auch für Sie Steirer sind die Freiheitsbegriffe des Jahres 1809 dieselben, wie sie heute sind. Und diese Freiheitsbegriffe sind endgültige Werte, die uns kein Schreiberling und niemand sonst zerstören kann, solange wir noch den Sinn für unsere Volkszugehörigkeit haben.
Und wenn ich fortfahren darf, hier sagt unser Landeshauptmann noch: ‚45 Jahre nach der Abtrennung Südtirols von Osterreich und fast 20 Jahre nach dem Abschluß des Pariser Vertrages sind also die Lebensrechte Südtirols noch immer nicht gesichert. Was liegt doch an Leid und Enttäuschungen hinter diesem schwergeprüften Volk! Das soll sich die Welt vor Augen halten, dann wird sie begreifen, daß wir mit unbeirrbarer Festigkeit für das Recht dieses Volkes eintreten müssen.‘
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren.
Sie werden sich jetzt zurückziehen. Sie werden Ihr Urteil fällen in einem der größten Prozesse Österreichs, und wenn Sie im Zimmer sind, werden Sie allein sein mit sich selbst. Sie werden Ihr Herz in Ihre Hände nehmen und werden Ihr Urteil fällen, wie Sie es als österreichische Frauen, Männer und Mütter fällen werden. Sie werden nach Ihrem Gewissen urteilen, und dann werden Sie auch ruhig schlafen.
Ich komme noch zum Schluss. Sie werden hinschreiben zu jeder Frage: Nein, weil Hochverrat gegen Italien vorlag und weil die Angeklagten in strafausschließendem übergesetzlichem Notstand gehandelt haben.
Haben Sie den Mut! Nehmen Sie ihr Herz in die Hände, behaupten Sie sich im Beratungszimmer! Behaupten Sie sich als österreichische Mütter, Männer und Frauen, und denken Sie bei der Urteilsschöpfung an jene Männer, Tiroler, die jetzt schon jahrelang in den Kerkern Italiens sitzen, die ihr Leben gegeben haben, denken Sie an Kerschbaumer, denken Sie an Amplatz, denken Sie an alle die, die ihre Familie und ihre Existenz niedriger gewertet haben als ein hohes Ziel. Denken Sie an den Spruch, der am Grabe von Luis Amplatz steht: ‚Freund, der du die Heimat noch schaust, grüß‘ mir die Heimat, die ich mehr als mein Leben geliebt!“
Fällen Sie als aufrechte Steirer und Grazer ein mutiges Urteil für Tirol!“
Dr. Wilhelm Steidl (rechts im Bild) zusammen mit seinem Innsbrucker Freund und Anwaltskollegen Dr. Eberhard Molling (links) auf der Verteidigerbank in Graz.
Die Geschworenen sprachen alle Angeklagten frei. Die Berufsrichter hoben das Urteil wegen „offensichtlichen Irrtums der Geschworenen“ auf und der Prozess wurde im Mai 1967 in Linz wiederholt. Wiederum folgten die Geschworenen der Argumentation von Dr. Steidl und Kollegen. Sie sprachen alle Angeklagten – diesmal endgültig – frei.
5. März 1966
Demonstration für Klotz – Politiker geben nach
Der nach Österreich geflüchtete Südtiroler Freiheitskämpfer Georg Klotz war von der gegenüber Rom liebedienerisch agierenden Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Klaus widerrechtlich in Schubhaft genommen worden. Gemäß den Bestimmungen des Europäischen Auslieferungsübereinkommens von 1957 war eine Auslieferung nämlich in politischen Fällen ausgeschlossen.
Das hatte aber die damalige österreichische Bundesregierung bei der Verhängung ihrer Maßnahme zunächst nicht gestört gehabt.
Nun demonstrierten hunderte von Menschen in Linz und Innsbruck.
Demonstration in Innsbruck
Demonstration in Linz
Wiederum setzte sich Dr. Steidl zusammen mit dem Landeshauptmann Eduard Wallnöfer für die Freilassung ein. Der Druck aus Tirol hatte Erfolg. Die Bundesregierung gab nach und Georg Klotz wurde freigelassen. Damit war die drohende Gefahr einer rechtswidrigen Auslieferung an Italien abgewendet.
Georg Klotz bei seiner Entlassung aus der Schubhaft
März 1968
„Pusterer Buam“ in Wien freigesprochen
Am 6. März 1968 standen die beiden Südtiroler Freiheitskämpfer Heinrich Oberlechner und Josef Forer von der Gruppe der „Pusterer Buam“ vor einem Wiener Geschworenengericht. Die jungen Burschen schilderten in schlichten Worten die Verhältnisse in ihrer Heimat.
Heinrich Oberlechner sagte:
„Unser Ziel ist das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol. Die Italiener werden sonst ihr teuflisches Werk, Südtirol zu unterwandern und zu italianisieren, nie aufgeben.“
Die Worte der jungen Südtiroler waren den Wiener Geschworenen unter die Haut gegangen. Einigen von ihnen liefen Tränen über die Wangen hinab.
In seinem Schlusswort vor Gericht hatte Forer betont, dass er – obschon er mehr als ein Jahr unschuldig in Untersuchungshaft hatte verbringen müssen – am Tage der Selbstbestimmung Südtirols für einen Anschluss Südtirols an Österreich stimmen werde.
Am 12. März 1968 folgten die Geschworenen der Argumentation der Verteidiger Dr. Wilhelm Steidl, Dr. Robert Amhof, Dr. Eberhard Molling und Dr. Michael Stern, wonach in Südtirol ein strafausschließender Notstand geherrscht habe. Sie fällten einen Freispruch.
Weil die österreichische Regierung unter Bundeskanzler Dr. Klaus jedoch Italien gefällig sein wollte, wurden die Freigesprochenen sofort in rechtswidrige „Auslieferungshaft“ genommen und wieder in ihre Zellen abgeführt.
In Feldkirch kam es zu einer Demonstration für die inhaftierten Südtiroler. In Innsbruck wurde eine solche durch das Innenministerium verboten.
Wiederum setzten sich Dr. Wilhelm Steidl und Landeshauptmann Eduard Wallnöfer gegenüber Wien für die „Pusterer Buam“ ein. Sie erreichten ein Ablehnung des italienischen Auslieferungsbegehrens. Die beiden „Pusterer“ wurden jedoch erst nach 2 Jahren ungerechtfertigter Haft am 6. Juli 1969 gegen den Willen Wiens auf Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch auf freien Fuß gesetzt.
Zeitungsmeldung über die Freilassung der beiden „Pusterer“ Josef Forer (rechts) und Heinrich Oberlechner (daneben in der Bildmitte)
Frühjahr 1973
Dr. Steidl setzt sich zusammen mit Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky für eine Generalamnestie für die Südtiroler Freiheitskämpfer ein
Zu Beginn des Jahres 1973 hielten sich einige österreichische Südtirol-Freiheitskämpfer wie Dr. Erhard Hartung in der Bundesrepublik Deutschland auf, weil in Österreich immer noch Haftbefehle gegen sie liefen.
Nach Österreich geflüchtete Südtiroler konnten nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren, weil sie dort umgehend inhaftiert worden wären.
Wiederum wurde Dr. Wilhelm Steidl aktiv. In einem Brief an die Mutter von Dr. Hartung, Frau Dr. Gerda Foltin, berichtete er darüber.
(Brief in Besitz von Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung)
Leider waren die Bemühungen von Dr. Steidl und Dr. Kreisky nur in Österreich erfolgreich. In Italien scheiterten sie an der starren und unerbittlichen Haltung der italienischen Regierung.
Dokumentation
Wie Dr. Wilhelm Steidl über die Südtiroler Freiheitskämpfer dachte
In der von Dr. Otto Scrinzi herausgegebenen Dokumentation „Chronik Südtirol 1959–1969 Von der Kolonie Alto Adige zur Autonomen Provinz Bozen“ (Stocker Verlag Graz 1996) veröffentlichte Dr. Wilhelm Steidl nachstehenden Beitrag:
„Ihnen zur Ehre, uns zur Besinnung – ein Gedenken
Als Verteidiger in den österreichischen Südtirolprozessen waren meine Kollegen und ich als Beobachtende, nicht unmittelbar Betroffene, oft mit der tragischen Seite des Geschehens konfrontiert: Mit Flucht, Not, Verbannung, Haft, Heimweh – und dem Tod.
Mein verehrter Anwaltskollege und väterlicher Freund Michael Stern bekam mehr als einmal unerwarteten Besuch in seiner Wiener Kanzlei. Da stand dann ein Flüchtling vor der Tür, ein heimatlos Gewordener, einer, der Not litt. Der Rechtsanwalt Michael Stern kaufte ihm Schuhe, besorgte ihm Kleidung, gab ihm zu essen und sorgte für ein Dach über seinem Kopf. Auch das konnte damals zur Tätigkeit eines Verteidigers von Südtirolaktivisten gehören. Wir Anwälte lernten damals viel Not, aber auch viel Seelengröße kennen. Teils aus persönlichem Erleben, teils aus den Schilderungen, die wir von unseren Schutzbefohlenen über ihre Mitstreiter und Freunde hörten.
Ich will hier mit ein paar Zeilen kurz einiger Männer gedenken, die mit ihrer Geisteshaltung und Seelengröße stellvertretend für viele ungenannt Bleibende stehen.
Kurt Welser war ohne Zweifel eine der Lichtgestalten unter den Südtirolkämpfern. Er war einer der Angeklagten in den Grazer und Linzer Südtirolprozessen. Seine ruhige, aber entschlossene Art und die Lauterkeit seiner Verantwortung vor Gericht machten tiefen Eindruck auf die Geschworenen.
Kurt Welser
Kurt Welser war ein Kind der Berge. Es wird wenige Gipfel in Tirol geben, von denen aus er nicht in das Land geblickt hat, das ihm Heimat war und das er geliebt hat. Als er am 15. August 1965 am Zinalrothorn in der Schweiz 30 Meter tief in das Seil fiel, an einen Felsen prallte und dann in den Armen seines Freundes Heinrich Klier verschied, war es für viele seiner Freunde ein schrecklicher Verlust. Als wir ihn auf dem Wiltener Friedhof begruben, stand das Land Tirol trauernd an seinem Grab. Die Witwe von Luis Amplatz und der älteste Sohn von Sepp Kerschbaumer waren gekommen. Die politischen Häftlinge in Trient hatten einen Kranz geschickt, auf dessen Schleife die Worte standen: ‚Der Herrgott lohne Dir Deinen Einsatz für Tirol‘. Auf der Schleife des Kranzes, den die Witwe Amplatz mitgebracht hatte, standen aber die Worte: ‚Grüß mir meinen Luis!‘
Das Geschehen jener Jahre war durch Persönlichkeiten geprägt, die nicht vergessen werden sollten. Sepp Kerschbaumer, der Kaufmann aus Frangart, ist sicherlich eine der bekanntesten.
Sepp Kerschbaumer
Vor den Schranken des Gerichtes in Mailand wuchs dieser Mann über sich hinaus, als er sein Volk, seine Landsleute, seine Heimat in einer Weise verteidigte, die selbst seinen Gegnern höchsten Respekt abnötigte und sogar die heftigsten nationalistischen Schleier beschämt verstummen ließ. Die großartige geistige Leistung, die dieser Mann erbrachte, hat dazu beigetragen, daß die italienischen Medien umzudenken begannen und die italienische Öffentlichkeit die Anliegen der Südtiroler mit anderen Augen zu sehen begann. Als Sepp Kerschbaumer begraben wurde, folgten seinem Sarg mehr als 20.000 Menschen.
Neben den großen und bekanntesten Namen jener Jahre zeigt uns ein Blick auf die Lebensgeschichten einiger weniger bekannter Protagonisten, aus welchem Holz diese Tiroler geschnitzt und wie ihre Charaktere beschaffen waren.
Franz Muther aus Laas im Vintschgau kehrte 1945 aus dem Krieg heim und stellte seine ganze Kraft für den Wiederaufbau seiner Heimat zur Verfügung: Bei der Gründung der Ortsgruppe der Südtiroler Volkspartei, bei der Neugründung der Feuerwehr und der Schützen, bei dem Südtiroler Alpenverein und einer Reihe von sozialen Einrichtungen.
Franz Muther nach seiner Entlassung aus der Haft
Franz Muther erlebte nach seiner Verhaftung im Jahre 1961 Schreckliches und kehrte erst 1967 nach 6 Jahren Haft in den Gefängnissen von Bozen, Trient und Reggio Calabria mit zerbrochener Gesundheit heim. Im Gefängnis war er der gewesen, der seine Kameraden getröstet und aufgerichtet hatte. Wieder in Freiheit, kümmerte er sich um die Familien jener, denen es noch schlechter ging als ihm. Im Jahre 1986 starb er viel zu früh.
Der Kaufmann Martin Koch in Bozen war einer der bedeutendsten Alpinisten Südtirols und hatte sich um die Errichtung des Bergrettungswesens verdient gemacht. Auch hier fällt auf, daß dieser Mann für das Gemeinwohl tätig gewesen war.
Martin Koch auf einer Bergtour
Nach Folter und Haft wurde auch er im Jahre 1975 viel zu früh in die Ewigkeit abberufen. Der Chefredakteur der „Dolomiten“, sein Bergkamerad Josef Rampold, hielt ihm die Grabrede. Er sagte: ‚Denken wir auf jedem Gipfel daran, denken wir immer auf jeder hohen Warte und in jedem stillen Tal, denken wir an unsern Marti, der sein ein und alles gegeben hat, der dafür gelebt hat, daß wir in diesem Lande leben können und leben dürfen und daß dieses Land unser Land geblieben ist.‘
Abschließend will ich – auch stellvertretend für viele andere – des Frangarters Otto Petermair gedenken. Nach jahrelanger Haft kam Petermair wieder in seine Heimat zurück und stellte seine ihm verbliebene Kraft in den Dienst seiner Mitmenschen.
Otto Petermair bei seiner Vorführung vor Gericht
Am 26. April 1975 stand der Feuerwehrkommandant Otto Petermair auf dem Abhang von Matschatsch im Einsatz gegen einen lodernden Waldbrand, der menschliche Siedlungen zu bedrohen begann. Petermair wurde von den Flammen eingeschlossen und stürzte zu seinem Unglück noch in einen flammenumloderten Felsenspalt. Die Kameraden hörten ihn rufen. Er rief aber nicht: ‚Helft mir!‘, sondern er rief: ‚Rettet euch!‘ Das war Otto Petermair, und so wie er waren viele.
Das Gedenken an diese Menschen ist auch im Rückblick von Wehmut überschattet, auch wenn sie ein stolzes Werk der Freiheit vollbracht haben. Uns geziemt ehrendes Gedenken, auf daß sie in der Geschichte Tirols nicht vergessen werden.
Wenn wir auch mit Trauer der Toten gedenken, so dürfen wir uns doch darüber freuen, daß noch viele prächtige Menschen, die damals Schweres erlebt haben, unter uns weilen und ihre Kraft mit frischem Mut wiederum in den Dienst ihrer Mitmenschen und ihres Landes gestellt haben.
Stellvertretend für sie alle will ich Schicksal und Leistung eines Mannes aufzeigen.
Der 27jährige Maler und Anstreicher Josef Fontana stand im Jahre 1964 vor seinen Mailänder Richtern, die ihn mit lebenslanger Haftstrafe bedrohten. Fontana hatte einen Sprengstoffanschlag auf das zu einem Museum und zu einer faschistischen Wallfahrtsstätte umgewandelte ehemalige Wohnhaus des faschistischen Senators Ettore Tolomei verübt.
Josef Fontana in Haft
Die Gerichtsverhandlung bot Fontana nun die Gelegenheit, dem Gericht und der Weltpresse zu erzählen, wer dieser Ettore Tolomei, der Erfinder der italienischen Ortsnamen Südtirols und der faschistischen Unterdrückungsgesetze, eigentlich gewesen war. Die Einvernahme des einfachen Handwerkers aus Neumarkt wurde zu einer beeindruckenden Anklage gegen eine staatliche Politik, welche die Entnationalisierungspolitik des Faschismus fortgeführt hatte. Josef Fontana erkrankte in Haft an Tbc, überwand die Krankheit mit eisernem Willen und legte im Gefängnis die Externistenmatura ab. Nach mehrjähriger Haft ging er nach Innsbruck an die Universität, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie und promovierte zum Doktor der Philosophie. Seit 1977 ist er am Südtiroler Kulturinstitut tätig und hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten über die politische Geschichte und Kulturgeschichte Tirols verfasst. Seine herausragende Leistung ist die Schriftleitung des vierbändigen Werkes ‚Die Geschichte des Landes Tirol‘, dessen dritten Band, ‚Die Zeit von 1848 bis 1918‘, er selbst verfasst hat. Auch als Wissenschafter bekennt sich Dr. Josef Fontana zu seiner Herkunft, zu seinen geistigen Wurzeln, zu seinem Land und zu dessen Leuten.
So wie er wirken zahlreiche andere ehemalige Häftlinge für das Gemeinwohl, jeder an seinem Platz und nach seinem besten Vermögen. Tirol darf stolz auf diese Männer und auch auf ihre Frauen sein, die in schwerer Zeit treu zu ihnen gehalten haben.“
Diesen Worten ist nichts hinzuzufügen.
In das Gedenken an diese aufrechten Menschen soll auch die dankbare Erinnerung an den großen Patrioten und Verteidiger der Menschenrechte, Dr. Wilhelm Steidl, eingeschlossen sein!
Die verschwiegenen Konzentrationslager Italiens
Die Wiederentdeckung des faschistischen Konzentrationslagers „Campo Isarco“
Als „kleine historische Sensation“ bezeichnete die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ am 17. August 2018 das von dem „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) herausgegebene Enthüllungsbuch von Günther Rauch: „Italiens vergessenes Konzentrationslager Campo d’Isarco bei Bozen (1941-1943)“.
Das Umschlagbild der historischen Dokumentation zeigt das 12 Hektar große Gelände der ehemaligen Brauerei Blumau, deren Gebäude zu einem Konzentrationslager umgestaltet worden waren.
Der langjährige Gewerkschafter und Heimatforscher Günther Rauch aus Bozen hatte in der Vergangenheit vor allem über Sozialfragen und die Arbeiterbewegung publiziert. Mit diesem Werk hat er ein bedeutendes zeitgeschichtliches Thema wieder aus der Vergessenheit in das heutige Bewusstsein zurück geholt.
Unterstützt wurde er bei seiner Forschungsarbeit durch Karl Saxer aus Blumau, welcher ebenso wie Günther Rauch auf historische Belege über ein italienisches Konzentrationslager in Südtirol gestoßen war, welche er dem Autor zur Verfügung stellte.
Günther Rauch hatte einen Rohentwurf des Werkes seinem alten Freund Meinrad Berger zum 70. Geburtstag geschenkt. Dieser war Mitbegründer der Metallergewerkschaft im „Allgemeinen Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB) und lange Betriebsrat in den Bozner Lancia-Werken gewesen, wo ihn der langjährige Vorsitzender des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes AGB/CGIL, Günther Rauch, kennen und schätzen gelernt hatte.
Was weiter geschah, berichtet Günther Rauch so:
„Etwas später hat mich der SHB mit an der Spitze Obmann Roland Lang gefragt, ob sie das Schriftstück über „Campo Isarco“ veröffentlichen dürften. Ich habe zugesagt und die Schrift mit neuen Erkenntnissen ergänzt. Die Idee für den Gedenkstein kam vom Hobbyhistoriker und PD (Partito Democatico)-Gemeinderat von Karneid, Karl Saxer. Sie fand die Unterstützung des Obmannes des SHB, Roland Lang, der Bürgermeisterin Martina Lantschner, des Heimatpflegevereins und aller drei Karneider Schützenkompanien.“ (Günther Rauch in einem Leserbrief vom 14. September 2018 an die „Neue Südtiroler Tageszeitung“)
Auf 170 Seiten schildert nun das reich bebilderte zeitgeschichtliche Werk die Entstehungsgeschichte eines von vielen italienischen Anhaltelagern, des „campo di concentramento“ in Blumau bei Bozen Rauch weist auch darauf hin, dass in der Zeit des Faschismus ein Netz von 200 oder mehr solcher Konzentrationslager ganz Italien überzogen hatte.
Die Errichtung des Konzentrationslagers in Blumau
Während des italienischen Afrikafeldzuges und des Angriffes auf die Balkanstaaten hatte Ministerpräsident Benito Mussolini den Auftrag erteilt, nicht weit von der Brennergrenze ein Konzentrationslager zu errichten. Die Wahl war auf das 12 Hektar große Wirtschaftsgelände der ehemaligen Brauerei Blumau gefallen.
In diesem ab Neujahr 1941 bis September 1943 von schwerbewaffneten Armeesoldaten und faschistischen Milizen streng bewachten Konzentrationslager waren bereits in den ersten Wochen des Lagerbestandes mehr als 3000 (dreitausend) Gefangene interniert, die von 66 Scharfschützen bewacht wurden. Es waren dies Zivilisten aus den Balkanstaaten, Regimegegner und Kriegsgefangene.
Die Bezeichnung „campo di concentramento“ für diese Lager war eine offizielle und wurde in amtlichen Dokumenten, wie in diesem Schreiben der Bozener Präfektur, verwendet.
Diese Häftlinge aus Blumau waren von den Faschisten auch als Zwangsarbeiter zum Bau des Virgl-Tunnels eingesetzt worden, dessen Portal heute noch (!) ein auf dem Liktorenbündel hockender faschistischer Adler schmückt.
In den ersten Frühlingstagen 1943 wurden diese „verzweifelten Menschen aus Jugoslawien, deren Schicksal“ – laut Bericht eines KZ-Aufsehers – „gezeichnet war“, vom Konzentrationslager zum Bahnhof getrieben und mit mehreren Deportationszügen in völlig unbekannter Destination gebracht.
Das Lager in Bozen-Blumau war wie alle italienischen Konzentrationslager bald nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend in Vergessenheit geraten. Nach der Absetzung des „Duce“ durch den „Gran Cosiglio del Fascismo“ – den Faschistischen Großrat – im Jahre 1943 war Italien zu einem Verbündeten der Westmächte geworden, welche auch die seltsame Wandlung hochrangiger eingefleischter Faschisten zu nunmehrigen „Demokraten“ zu akzeptieren hatten.
Dies hatte zur Folge, dass die Westmächte auch über die mehr als 200 „campi di concentramento“ und die darin begangenen faschistischen Verbrechen hinwegsahen.
Keine Vernichtungslager auf italienischem Staatsgebiet
Die Lager auf dem italienischen Staatsgebiet waren keine Vernichtungslager gewesen, wenngleich die Haftbedingungen zum Teil durchaus unmenschlich und die Todesraten hoch gewesen waren.
Dazu schreibt Rauch in seinem Buch auf Seite 16:
„Der von den Internierten und vom italienischen Innenministerium verwendete Begriff „campo di concentramento“ suggeriert automatisch ein „Vernichtungslager“, das heißt massenhafte und systematische Hinrichtung menschlichen Lebens. Davon ist allerdings aus dem „KZ Campo d’Isarco“ nichts überliefert. Außer man hat, wie vieles andere in der Geschichte Südtirols, alles vertuscht und verschwiegen.
Im Lager „Campo d’Isarco“ dürften wohl eher die Einschüchterung, psychologische Erniedrigung und die Zwangsarbeit im Vordergrund gestanden sein. Es diente zur Internierung von Kriegsgefangenen und zur Bestrafung von Deportierten und Zwangsarbeitern.“
Die schlimmsten Lager hatten sich in den Kolonialgebieten und in den militärisch besetzten Gebieten befunden
Die schlimmsten Lager waren die „campi di concentramento“ – die „Konzentrationslager – in den damaligen italienischen Kolonialgebieten gewesen. In solchen in der lybischen Wüste angelegten Lagern wurden internierte Nomadenstämme, die italienischen Siedlern weichen mussten, einem grausamen Schicksal ausgeliefert, welches man als notdürftig getarnten Völkermord bezeichnen kann.
In den während des Zweiten Weltkriegs besetzten Gebieten Sloweniens und Griechenlands wurden ebenfalls Lager errichtet, in denen man tausende von Menschen an Hunger sterben ließ.
Näheres dazu findet sich in dem 2008 erschienenen Buch der Historikerin Alessandra Kersevan:„Lager italiani. Pulizia etnica e campi di concentramento fascisti per civili jugoslavi 1941-1943” (Auf Deutsch: „Italienische Lager. Ethnische Säuberung und faschistische Konzentrationslager für jugoslawische Zivilisten 1941-1943”)
Der Buchumschlag zeigt einen in dem Konzentrationslager auf der Insel Rab inhaftierten und bereits halb verhungerten Zivilisten. Das weitere Bild zeigt Kinder, die in diesem Konzentrationslager eingesperrt waren und von denen viele verhungern mussten.
Die Einweihung des Gedenksteins in Blumau
Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) ließ nun einen Gedenkstein für die Internierten des „Campo di concentramento – Campo d‘Isarco“ in Bozen-Blumau errichten und lud zusammen mit dem Heimatschutzverein Karneid, den drei Schützenkompanien Karneid, Steinegg und Gummer sowie der Gemeinde Karneid zu dessen Einweihung und zur Segnung durch den Ortspfarrer Sepp Hollweck ein. Am 8. September 2018 nahmen mehr als 200 Personen daran teil.
Der Gedenkstein
Der Zug der Festteilnehmer zur Gedenkfeier
Die Tagezeitung „Dolomiten“ berichtete am 10. September 2018 über die Einweihung.
Karneids BürgermeisterinMartina Lantschner dankte dem Buchautor Günther Rauch und dem Hobbyhistoriker Karl Saxer für deren wertvolle Arbeit und sagte: „Der Gedenkstein soll uns an das Internierungslager in Blumau vor über 70 Jahren erinnern. Solche Gräueltaten dürfen nie mehr passieren.“
Dank an einen Forscher und mahnende Erinnerung
In seiner Eröffnungsansprache dankte der Heimatbund-Obmann Roland Lang Günther Rauch und Karl Saxer für ihre wertvolle Arbeit. Dann fuhr er fort:
„Zeitweise waren hier an die 3.000 Personen eingesperrt! Daran, dass die Gefangenen ihrer Freiheit beraubt waren, ließen Stacheldraht, 66 Scharfschützen, Schwarzhemden und tägliche Appelle keinen Zweifel aufkommen. Für eine vorbereitete Massenerschießung wurden nun Belege gefunden.
Gerade in der heutigen Zeit, in der der römische Gruß vom italienischen Höchstgericht wieder legalisiert wurde und der Faschismus nicht allein in Gestalt von „CasaPound Italia“ und „Forza Nuova“ aufs Neue seine hässliche Fratze erhebt, muss auf die Verbrechen des italienischen Faschismus hingewiesen werden.
…Möge diese Gedenkfeier und der als Mahnung aufgestellte Gedenkstein uns stets daran erinnern, dass hier Menschen verschiedener Völker inhaftiert waren. Und eine Mahnung sein für unser aller Freiheit.“
Die Rede des Buchautors Rauch: Das Tagebuch eines KZ-Bewachers bestätigt unmenschliche Zustände im KZ Blumau
Günther Rauch hatte sich eine Woche vor der Veranstaltung mit einer Enkelin eines italienisch-faschistischen Wachsoldaten getroffen, die im „Veneto“ von seiner Recherche erfahren hatte. Unter dem Versprechen, ihre Identität nie preiszugeben, hatte er die Möglichkeit, Aufzeichnungen in einem Tagebuch ihres Großvaters zu lesen und Auszüge abzuschreiben. Darin hatte der Scharfschütze der Armee seine Erlebnise im „Campo di concentramento di Prato Isarco“ festgehalten.
Rauch konnte nun Folgendes berichten:
„Da im Buch die Geschichte des KZ „Campo di concentramento Prato Isarco“ ausführlich beschrieben ist, erzähle ich Ihnen kurz nur einige Episoden, die ein in diesem KZ tätiger Wachsoldat aufgezeichnet hat. Er war später als Mitglied der Alpinitruppe „Divisione Pusteria“ in Montenegro. Dort war er Augenzeuge brutaler Ermordungen von wehrlosen Dorfbewohnern und Kindern. Im KZ Blumau war er vom 6. Jänner bis Anfang Dezember 1941. Er hat miterlebt, wie 3000 halbverhungerte und im KZ zusammengepferchte Gefangene um jeden Krümel Brot kämpften. Bei den Gefangenen handelte es sich vornehmlich um kroatische, bosnische, serbische und montenegrinische Mussolini-Gegner und Widerstandskämpfer. In den ersten Frühlingstagen wurden diese verzweifelten und von Krieg und Hunger gezeichneten Menschen zum Bahnhof getrieben, auf Güterzüge verfrachtet und in eine unbekannte Destination gebracht. Diesen Häftlingen aus den Balkanstaaten folgten dann britische, irische, neuseeländische, australische, indische, kanadische und später sowjetische Kriegsgefangene. Gefangen genommene Zivilisten aus den Balkanstaaten wurden als Zwangsarbeiter zum Bau des Virgltunnels eingesetzt. Das Lager ‚Campo d’Isarco‘ war von doppelten Stacheldrahtzäunen umgeben. Nicht weniger als 66 mit scharfen Schusswaffen ausgerüstete Wachsoldaten sorgten Tag und Nacht dafür, dass jede Flucht unmöglich war.“
Die Ansprache der Historikerin Alessandra Kersevan
Ehrengast der Veranstaltung war die Buchautorin und Historikerin Alessandra Kersevan aus Udine, welche bereits in mehreren Publikationen über totgeschwiegene und vergessene faschistische Kriegsverbrechen berichtet hatte.
Heimatbund-Obmann Roland Lang und die Historikerin Alessandra Kersevan
In Ihrer Ansprache erklärte sie:
„Der Anlass ist wichtig, vor allem im Hinblick auf die Geschichte, denn durch diese Initiative trägt Eure Gemeinschaft dazu bei, einen wichtigen Teil der Vergangenheit Italiens ins Rampenlicht zu stellen, von dem in dieser Nachkriegszeit wenig geredet wurde: ich meine das Vorhandensein im italienischen Staatsgebiet – in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs – eines ausgedehnten Netzes von Konzentrationslagern, die vom Faschismus errichtet worden waren.
Eines von diesen Lagern war hier, in Blumau, in einem Gebiet, das bereits wegen der Unterdrückung der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung durch den Faschismus gelitten hatte. Bis vor kurzem war „Prati d’Isarco“ nur ein Name im Verzeichnis der über zweihundert vom Mussolini-Regime geführten Konzentrationslager. Jetzt aber können wir dank der Nachforschungen von Günther Rauch die Geschichte dieses Lagers kennenlernen.
Während der ungefähr zwanzigjährigen Faschistenherrschaft sperrte das Regime seine Gegner in Gefängnisse oder verbannte sie auf die zahlreichen Inseln wie Ventotene oder Lipari – wohin 1927 auch der Rechtsanwalt Josef Noldin gebracht wurde – oder in entlegene Dörfer, wie Aliano in der Basilicata.
Anlässlich des Kriegseintritts Italiens an der Seite Hitlers wurde 1940 die Errichtung von Konzentrationslagern beschlossen, um jene Personen zu internieren, die als „unter den Kriegsumständen gefährlich” bezeichnet wurden: nicht nur politische Gegner, sondern ganze Personenkategorien wie Juden, Roma und Sinti, Slowenen und Südtiroler oder in Italien ansässige Ausländer. …
Aber das faschistische Konzentrationslagersystem wuchs gewaltig an, als das italienische Heer 1941 mit der Aggression gegen Jugoslawien an der Seite der Nazi-Armeen einen guten Teil der Gebiete jenes Landes besetzte und annektierte. Damals wurden Zehntausende von Zivilpersonen, Männer, Frauen, alte Leute, Kinder interniert, die vom Heer und von den Schwarzhemden in den Balkanländern bei Razzien festgenommen und in Lager verbracht wurden, … jedes mit Tausenden von Internierten, hohen Stacheldrahtzäunen, Wachtürmen mit Maschinengewehrposten, ständigen Appellen, Strafmaßnahmen gegen jene, welche Fluchtversuche unternahmen, Krankheiten, Hunger. …
Die italienische öffentliche Meinung ist sich der Existenz dieser ganz und gar italienischen Konzentrationslager kaum oder gar nicht bewusst. Man weiß von den Lagern, die nach dem 8.September 1943 errichtet wurden, als Italien vom nazideutschen Heer besetzt wurde … Aber von den früheren, faschistischen Konzentrationslagern und von den Verbrechen, die vom italienischen Heer in den Aggressionskriegen begangen wurden, oder von der brutalen Unterdrückung in Südtirol spricht man in Italien wenig.
Das, was Ihr hier tut, um an das Konzentrationslager „Prato d’Isarco“ zu erinnern, ist daher sehr wichtig. …
Wenn man auch von unbequemen oder wenig erfreulichen Fragen der italienischen Geschichte spricht, so bedeutet dies nicht, dass man anti-italienisch ist, sondern es bedeutet, dass man antifaschistisch ist, dass man allen Italienern die Möglichkeit bietet, über diesen Teil der Geschichte nachzudenken.“
Verschwiegene Tatsachen aus der Vergessenheit geholt
Diese Gedenkfeier hat verschwiegene Tatsachen wieder in das Gedächtnis zurück gerufen. Das italienisch-faschistische Internierungslager in Bozen-Blumau war wie alle italienischen Konzentrationslager bald nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend in Vergessenheit geraten. Nach der Absetzung des „Duce“ durch den „Gran Consiglio del Fascismo“ – den Faschistischen Großrat – im Jahre 1943 war Italien zu einem Verbündeten der Westmächte geworden, welche auch die seltsame Wandlung hochrangiger eingefleischter Faschisten zu nunmehrigen „Demokraten“ zu akzeptieren hatten.
Die Rücksichtnahme auf dieses neue Bündnis hatte zur Folge, dass die Westmächte über die vergangenen faschistischen Verbrechen zumeist hinwegsahen.
Nach 1945 lenkten viele italienische Politiker von der eigenen faschistischen Vergangenheit und damit auch von den italienischen Konzentrationslagern ab.
Schreckliche Lager wie jenes auf der Insel Rab, von dem diese Bilder stammen, sollten so der Vergessenheit anheim gefallen. Ebenso wie auch das kleinere Lager von Blumau in Südtirol passten sie nicht in das sorgsam gepflegte offiziöse Geschichtsbild, worin der Duce und sein Faschismus vergleichsweise harmlos gewesen seien und nur sein Verbündeter Hitler ein Mörder und Verbrecher gewesen sei.
Eine oberstgerichtliche Entscheidung hat erst vor kurzem in Italien festgelegt, dass Mussolinis faschistischer Gruß, der „saluto romano“, bei Gedenkfeiern erlaubt sei. Ein Kommentar dazu ist überflüssig!
Keine Relativierung
Dass die Erinnerung an bislang sorgsam ausgeblendete Ereignisse in der Zeit des italienischen Faschismus keine Relativierung anderer Verbrechen bedeutet, das hat Heimatbund-Obmann Roland Lang im seinem Vorwort zu der Dokumentation von Günther Rauch klargestellt:
„Es gab in Südtirol zwei Internierungslager. Eines war das von den Nazis errichtete Durchgangslager in Bozen, das andere das von den Faschisten errichtete und in den amtlichen Papieren als Konzentrationslager (Campo di concentramento) bezeichnete Lager in Blumau. Beide Orte sollen uns daran erinnern, welche Opfer dafür gebracht wurden, um zwei verbrecherische Regime zu vernichten.“
Das Buch „Italiens vergessenes Konzentrationslager „Campo d‘Isarco“ ist gegen eine Spende beim Südtiroler Heimatbunderhältlich!
Hohe „Landesehrung“ für einen Totengräber der Selbstbestimmung Südtirols
Das Schloss Tirol ist ein Symbol für die Landeseinheit Tirols. Die SVP-Parteispitze ließ dort einen „Totengräber“ der Selbstbestimmung „ehren“.
Eine fragwürdige Ehrung mit schwammiger Begründung
Am 5. September 2018 fand auf Schloss Tirol, von dem das ganze Land seinen Namen hat, und welches eigentlich für die unzerstörbare Landeseinheit steht, eine höchst fragwürdige „Ehrung“ statt. Geehrt wurde ein Mann, der sich nicht für die Landeseinheit, sondern gegen die Landeseinheit Tirols engagiert hat.
Das Land Südtirol – sprich: die Parteispitze der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) – verlieh dem Leiter des Völkerrechtsbüros im österreichischen Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Dr. Helmut Tichy, den „Großen Verdienstorden“ des Landes Südtirol.
Die vom Südtiroler Landespresseamt am 5. September 2018 veröffentlichte Begründung für diese Ehrung war mehr als schwammig:
„Wann immer Südtirol um rechtliche Unterstützung ersuchte, war Botschafter Tichy zur Stelle. Helmut Tichy ist mit seinen umfassenden Fachkenntnissen im Völkerrecht und zusätzlich auch im Europarecht ein unverzichtbarer Berater und rechtspolitisch gewichtiger Unterstützer des Landes Südtirol.“
Die Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete am 6. September 2018 über die „Ehrung“ des Dr. Tichy (ganz rechts im Bild). Wohl mangels konkreter Fakten bezeichnete die Zeitung Tichy kurzerhand als „Freund“ und beschrieb seine angeblichen Verdienste mit folgenden Worten:
„Helmut Tichy hat als Völkerrechtler und österreichischer Botschafter Südtirols mittels Kleingedrucktem geschützt und weiterentwickelt…“
Tichy selbst wusste in seiner Dankesrede auch nicht mehr über seine eigenen Verdienste zu berichten, als dass er Südtirol „immer vor Augen“ habe.
Der Südtiroler Heimatbund (SHB) wies auf die politischen Hintergründe hin
Roland Lang
Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen politischen Häftlingen Südtirols gegründete Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung eintritt, wusste jedoch sehr wohl eine plausible Erklärung für diese seltsame „Ehrung“ zu liefern.
Der SHB-Obmann Roland Lang veröffentlichte am 3. September 2018 nachstehende Presseerklärung, welche von bedeutenden Internet-Nachrichtenportalen wie „Unser Tirol 24“, „SÜDTIROL NEWS“ und „SALTO“ verbreitet wurde:
Hohe „Landesehrung“ für einen Totengräber der Selbstbestimmung Südtirols
Am 5. September 2018 wird auf Schloss Tirol dem österreichischen Ministerialbeamten Dr. Helmut Tichy der „Große Verdienstorden des Landes Südtirol“ feierlich verliehen werden. Diese Ehrung erfolgt aber ausschließlich aus wahltaktischen Gründen, um die unterwürfige Politik der SVP gegenüber Rom zu bestätigen und das Selbstbestimmungsrecht ad Acta legen zu können, stellt SHB-Obmann Roland Lang fest.
Begründet wird die Verleihung des höchsten Landesordens an Dr. Tichy damit, dass er als Leiter des Völkerrechtsbüros im österreichischen Außenministerium „stets zur Stelle“gewesen sei, „wann immer Südtirol um rechtliche Unterstützung ersuchte.“(„Dolomiten“ vom 31. 8. 2018)
Am 18. November 2016 unterstützte Dr. Helmut Tichy den Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher bei dessen Ablehnung der Selbstbestimmung für Südtirol.
Er erklärte nämlich im November 2016 anlässlich der Gedenkveranstaltung „70 Jahre Pariser Vertrag“ in Bozen, dass Südtirol sein Selbstbestimmungsrecht bereits „in der Form weitgehender Autonomie“ausübe. (Quelle: RAI- Tagesschau sowie „Dolomiten“ vom 18. November 2016).
Damit lag der Beamte Dr. Tichy auch auf der politischen Linie seines damaligen ÖVP-Außenministers Kurz.
Nun ist es richtig, dass die Ausübung der Selbstbestimmung auch zu einer Autonomie führen kann, wenn sich die Bevölkerung in einer Volksabstimmung mit der Wahlmöglichkeit zwischen „Los von Rom“ und einer „Autonomielösung innerhalb Italiens“ für die zweite Variante entscheidet.
Dr. Helmut Tichy weiß aber sicherlich, dass eine solche Volksabstimmung in Südtirol nie stattgefunden hat.
Das heutige Autonomie-Paket wurde am 23. November 1969 von den Delegierten einer außerordentlichen Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei (SVP) angenommen – also von den Funktionären eines Parteigremiums.
Das Autonomiestatut wurde sodann von dem italienischen Staatspräsidenten mit Dekret Nr. 670 vom 31. August 1972 in Kraft gesetzt. Der Artikel 1 des Statuts bekräftigt auch die politische Einheit „der einen und unteilbaren Republik Italien“, womit jegliches Streben nach Selbstbestimmung als verfassungsfeindlich qualifiziert wird.
Es ist nicht anzunehmen, dass Dr. Helmut Tichy tatsächlich den Beschluss einer Partei-Delegiertenversammlung für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der gesamten Landesbevölkerung hält.
Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) hat damals am 20. November 2016 in einer Presseerklärung festgehalten, dass Dr. Tichy hier im Sinne der damaligen österreichischen Bundesregierung eine Umdeutung des Begriffes „Selbstbestimmungsrecht“ versucht hat.
Die jetzige „Ehrung“ des dienstergebenen Beamten Dr. Tichy hat wohl wenig mit dessen „Verdiensten“ zu tun.
Sie dient wohl eher dazu, die SVP-Politik der ständigen Erfüllung der Wünsche Roms zu legitimieren. Daher wird die durch Dr. Tichy vertretene Politik der Beerdigung der Südtirol-Frage von Landeshauptmann Dr. Kompatscher und der SVP-Parteispitze als vorbildhaft hingestellt. Man „ehrt“ Dr. Tichy und meint sich selbst.
Einen Großteil der Bevölkerung wird man damit nicht täuschen können. Zu sehr fällt der falsche Zungenschlag auf.
Roland Lang Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)
Eine schwankende SVP und ein williger Dr. Arno Kompatscher
Die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) ist nimmt in Bezug auf die Zukunft des Landes mangels innerer Geschlossenheit oft eine schwankende Haltung ein. Der jetzige Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher hat sich aber in entscheidenden Augenblicken zusammen mit führenden österreichischen ÖVP-Politikern als williger Erfüllungsgehilfe der Interessen Roms erwiesen.
Absage an Selbstbestimmungsbefürworter in Südtirol
Am 3. Mai 2014 veröffentlichte die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ ein Interview mit dem damaligen österreichischen „Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten“ Sebastian Kurz. In diesem Interview teilte Kurz den Südtirolern mit, dass von einem ÖVP-geführten Außenministerium keine Unterstützung für Selbstbestimmungsbestrebungen zu erwarten sei. Kurz sprach sich gegen das Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppen in der Lombardei, im Veneto, in Friaul-Julisch-Venetien und in Südtirol mit folgenden Worten aus:
„Ich halte nichts davon, den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen. Freistaats- und Unabhängigkeitsfantasien führen die Menschen in die Irre – man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen.“
Wie die „Dolomiten“ am 5. Mai 2014 berichteten, wurde Kurz am gleichen Tag auf der Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei in seiner Gastrede in beleidigender Weise noch deutlicher:
„In meiner Heimat, aber auch in Südtirol beobachte ich leider Ewiggestrige, die wieder vom Aufziehen neuer Grenzen träumen“.
Aus „Dolomiten“ vom 3./4. Mai 2014
Ein Jubelbrief des Landeshauptmannes
Der Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher bedankte sich für diese Worte, die auch seine politische Linie unterstützten, mit einem Jubelbrief, in welchem er behauptete:
„… Ihre Aussagen sind in Südtirol mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Sie haben die Herzen vieler Südtirolerinnen und Südtiroler im Sturm erobert.“
Dem ist nichts hinzuzufügen!
Ehrendes Gedenken an Hans Auer
Abschied von einem Tiroler Freiheitskämpfer
Am 26. Juni 2018 veröffentlichte Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche für das Selbstbestimmungsrecht Südtirols eintritt, nachstehenden Nachruf auf einen verstorbenen ehemaligen Freiheitskämpfer:
Mit Trauer muss der Südtiroler Heimatbund (SHB) das Ableben eines liebenswerten Freundes und unbeugsamen Patrioten mitteilen. Der Freiheitskämpfer Hans Auer ist nicht mehr unter uns, teilt SHB-Obmann Roland Lang in einer Aussendung mit.
Nach der Feuernacht des Jahres 1961 hatte eine riesige Verhaftungswelle die Mehrzahl der Freiheitskämpfer in die Carabinieri-Kasernen unter die Folter und später in Mailand vor Gericht gebracht. In dieser Situation fasste der junge Johann (Hans) Auer aus Sand in Taufers zusammen mit einigen Freunden den folgenschweren Beschluss, Anschläge gegen Strommasten zu begehen. Darüber hat er später Freunden gegenüber ausgesagt:
„Hätten wir und Andere den Freiheitskampf nicht fortgeführt, dann hätte die Gefahr bestanden, dass die Opfer unserer Kameraden von 1961 umsonst gewesen wären. Wir haben es als unsere Pflicht angesehen, durch die Anschläge den Druck auf die Staatsmacht und ihre Politik weiter aufrecht zu halten.“
Pusterer brutal von den Carabinieri gefoltert
Im März 1967 wurde Hans Auer zusammen mit anderen jungen Pusterern verhaftet und in die Carabinieri-Kaserne von Bruneck verbracht.
Die italienische Tageszeitung Alto Adige berichtete groß über die Verhaftung des jungen Hans Auer und seiner Freunde.Was dort mit ihm und seinen Freunden geschah, hat er später in aus dem Gefängnis geschmuggelten Briefen und in Gesprächen geschildert: Tage lang brutale Schläge, Stockhiebe, Fußtritte, herausgeschlagene Zähne, Schlafentzug, Erstickungsversuche, Blendung mit einer Quarzlampe, Durstqualen, Ausreißen eines Zehennagels. Dazu Quälereien am Unterleib, die blutigen Urin zur Folge hatten.
Als Hans Auer viele Jahre später auf einer Veranstaltung in Österreich aus einem damaligen Folterbrief das Erlebte vorlesen sollte, verschlug es ihm angesichts der schrecklichen Erinnerungen die Sprache. Er brachte kein Wort heraus und sein Sohn Hannes musste den Brief verlesen.
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In dem oben abgebildeten Brief hieß es:
„Liebe Landsleute! Da ich mich nun weit einiger Zeit in Haft befinde, so kann ich jedoch meine schlimmeren ersten Tage nie mehr vergessen. Ich will es auch nicht für mich behalten, sondern es soll auch die Öffentlichkeit erfahren, mit welchen Mitteln die italienische Polizei bei meinen Verhören vorgegangen ist.
Am 10.3.1967 wurde ich abends mit hinterlistigem Vorhaben in die Karabinieri Kaserne von Sand in Taufers gebracht. Lange Zeit wurde ich dort mit Drohungen verhört. Da mußte ich zwei Nächte in einer kalten Zelle verbringen, wobei ich mir starke Erkältungen zuzog. Wurde dann gefesselt nach Bruneck gebracht. Nach langem Verhör mußte ich ungefähr drei Stunden, mit den beiden Zeigefingern an die Wand haltend, mit den Füßen zwei Schritte zurücktreten und so auf den Schuhspitzen stehen. Als ich vor Schwäche einsackte schlugen sie auf mich drauf los, und rissen mich mit Gewalt hoch und wieder mußte ich das selbe machen, bis ich wirklich am Ende war. So mußte ich die Hände in die Höhe halten, nebenbei wurde mir ins Gesicht geschlagen, mit den Handkanten in die Rippen und auch mit den Fäusten in den Magen daß ich gar nicht mehr schreien konnte. Sie drohten mir daß ich nur mehr in Stücke nach Hause kommen werde. Sie verbanden mir die Augen, so eng es ging und fesselten mich. Sie führten mich in der Kaserne hin und her, auf und ab und endlich einem Ausgang zu, zu dem Auto und fuhren einen Feldweg entlang. Als wir am Ziel ankamen wurde ich radikal in eine Art Baracke gezogen. Ich stößte bald da und dort mit dem Kopf an die Wand. Ich mußte mich neben einen Hocker auf den Boden setzen, die Hände banden sie mir gefesselt über den Hocker hinten hinunter auf den Boden. Einer stand mir vorne auf die gebundenen, ausgestreckten Beine während einer von hinten die Hände immer tiefer gegen den Boden zog oder trieb. Einer packte meinen Hals von hinten und drückte meinen Oberkörper über den Hocker rückwärts daß ich glaubte jeden Augenblick müßte mein Körper und meine Knochen entzwei sein. Sie schlugen mir nebenbei ins Gesicht und mit den Fäusten überall hin, wo es ihnen Spaß machte. Sie lachten mit offenen Herzen, sie verspotteten mich und hießen mich dies und jedes. Es waren mindestens sechs von der Polizei unter denen selbstverständlich auch ein Deutscher. Nach langem Quälen brachten, brachten sie mich niedergemacht in das bereitstehende Auto und fuhren mich wieder in die Karabinieri Kaserne von Bruneck. Es war früh am Morgen als es bereits graute. Ich weiß nicht wie lange das alles gedauert hatte. Wurde dann mit hassenden Händen in eine Kanzlei gebracht und banden mir die Binde von den Augen. Schwankend stand ich da fast ohnmächtig ihnen eine lange Zeit gegenüber. Ich war das reinste Spielzeug für sie. Tage lang quälte mich der Durst, mein Mund war trocken wie Staub daß ich kaum ein Wort herausbrachte. Sie fragten mich, obwohl sie es genau wußten, ob ich Durst habe? Meine Antwort war selbstverständlich mit ‚Ja’. Sie brachten mir nach einiger Zeit ein Bier, als ich es für den größten Durst fast leerte, mußte ich feststellen daß mir schlecht, wie betäubend wurde. Es ist mit unwissentlich, wie lange ich ihnen wie ein Stück Holz zur Verfügung stand. Später wurde mir bewußt daß ich in eine Zelle gebracht wurde. Mit schwerem leidtragenem Schmerze verbrachte ich Tage und Nächte ohne Schlaf! Später wurde ich mit gebundenen Händen in eine Kanzlei geführt und durchsucht, dann nach Bozen in Gerichtsgefängnis überführt, wo ich auch öfters den Verhören zugezogen wurde. Endlich erhielt ich da meine Zelle wo ich nun meine jetzige Ruhe zu hoffen vermag. Doch all dies Geschehen ertrug ich aus Liebe und Treue zu meiner Heimat ‚Südtirol’ und werde desto inniger und eifriger zu ihr stehen doch auch keinen Zweifel daran verlieren oder haben.
Auer Hans, geb. 9.6.1944“
Hans Auer im Gefängnis
Schwere Krankheit bis zu seinem Tod
Als Hans Auer zusammen mit seinen Kameraden 1969 in Bologna vor Gericht gestellt wurde, hatte er bereits Anzeige gegen seine Folterer erstattet. Dies hatte ihm eine zusätzliche Anklage wegen „Verleumdung der Carabinieri“ eingetragen. In dem Urteil, welches ihn zu 27 Jahren Haft verdammte, wurde er als Lügner hingestellt.
Die Tageszeitung „Dolomiten“ bezeichnete den Spruch des Gerichtes in Bologna als „unfaßbares Urteil“.Dass Hans Auer nicht im Gefängnis sterben musste, sondern nach einigen Jahren wieder zu seiner Familie heimkehren konnte, war einer Amnestie im Zuge der politischen „Paket“-Autonomielösung zu verdanken.
Bis zu seinem Tod nach schwerer Krankheit hat Hans Auer unwandelbar zu seiner Heimat und deren Recht auf Freiheit gestanden. Wir verneigen uns vor diesem großen Sohn Tirols und den großen Opfern, die er erbracht hat.
Der Abschied von dem Freiheitskämpfer Hans Auer
Am den 29. Juni, um 14 Uhr von der Kirche in Mühlen ausgehend, setzte sich ein schier endloser Trauerzug zum Trauergottesdienst um 14.30 Uhr in die Pfarrkirche von Taufers in Bewegung. Viele Mitbürger und Schützenkameraden aus dem ganzen Land sowie die Vertreter des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) erwiesen Hans Auer die letzte Ehre.
Als einziger österreichischer Politiker war der freiheitliche Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer nach Südtirol zu dem Begräbnis von Hans Auer angereist.
Von den Südtiroler Politikern waren Vertreter der Oppositionsparteien „Süd-Tiroler Freiheit“ und der „Freiheitlichen“ erschienen.
Die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP), einst eine Sammelpartei aller Südtiroler, glänzte durch Abwesenheit.
Über Verabschiedung des Freiheitskämpfers Hans Auer hat Werner Neubauer einen ehrenden Bericht verfasst, welcher nachstehend auszugsweise wiedergegeben ist:
„Die Kirche in Taufers hatte wohl schon lange nicht mehr solchen Zustrom erfahren. Sie war zum Bersten voll und vor den Toren standen in Schweigen gehüllt, noch hunderte Menschen, um einen aus ihrer Gemeinde, Johann Auer, den „Jösile Hons“, in würdigem Rahmen auf seinem letzten Weg zu verabschieden.
Die Kirche konnte die Trauergäste nicht fassen. Noch auf dem Vorplatz standen hunderte Menschen. Foto: W. Neubauer
Alle Angehörigen der Familie Auer waren anwesend, als Sohn Hannes den Nachruf seines Vaters in der Kirche zu Gehör brachte. In bewegenden Worte schilderte er die schweren Jahre vom Zeitpunkt der Geburt im Jahr 1944 und der Nachkriegszeit in Südtirol.
Unter den Trompetenklängen des „Ich hatte‘ einen Kameraden“ und der „Tiroler Landeshymne“ verabschiedete die so zahlreich erschienene Trauergemeinde ihren großen Tiroler am Kirchen-Friedhof. Unter den Trauergästen befanden sich auch zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Politik. Aus Südtirol nahmen Eva Klotz LAbg. a.D., der LAbg. Bernhard Zimmerhofer sowie Landesparteiobmann der Freiheitlichen, Andreas Leiter-Reber, Dr. Florian von Ach, F-Generalsekretär, Ex-LAbg. Pius Leitner und der Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang an den Trauerfeierlichkeiten teil.
Der freiheitliche Südtirol Sprecher NR Werner Neubauer war zu diesem Anlass aus Österreich angereist. Zahlreiche Abordnungen von Schützenverbänden gaben ihrem Schützenkameraden das letzte Geleit.
Als einziger österreichischer Politiker war der FPÖ-Südtirolsprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer zu der Verabschiedung des Freiheitskämpfers Hans Auer erschienen. Der Abg. Neubauer ist auch Mitglied der Südtiroler Schützenkompanie Gries.
Es ist eine Schande des offiziellen Südtirols, keinen namhaften Vertreter zur Verabschiedung Hans Auers entsandt zu haben.
Es war das Verdienst der Männer und Frauen um Sepp Kerschbaumer, Hans Auer, Luis Amplatz und Georg Klotz, dass in diesem Land die deutsche Volksgruppe heute einigermaßen in Frieden leben kann. Dies hat letztlich auch der ehemalige Landeshauptmann Magnago zur Kenntnis nehmen müssen.
Wir verneigen uns vor diesem großen Sohn Tirols und den großen Opfern, die er erbracht hat.
Sein Leben für seine Heimat ist uns allen Auftrag und Verpflichtung.“
Foto: W. Neubauer
Foto: W. Neubauer
Der Faschismus lebt – Hoffentlich bringt die neue Regierung eine Wende!
Italien – wie es bisher sang und lachte
In Rom wurde am 13. Juni 2018 durch den Gemeinderat Roms beschlossen, eine Straße nach dem Alt- und Neofaschisten Giorgio Almirante zu benennen – Nach heftigen Protesten der Jüdischen Gemeinde ruderte die Bürgermeisterin Raggi zurück und hob den Beschluss auf
Die Jüdische Kultusgemeinde der Stadt Rom musste erst heftig protestieren, bis die römische Bürgermeisterin Raggi den schändlichen Beschluss des Gemeinderates wieder kippte. In Bozen hingegen gibt es bis heute mit faschistischer Vergangenheit belastete Straßennamen, welche nicht angetastet werden.
Am 15. Juni 2018 berichtete das Internetportal UNSER TIROL 24:
Rom schafft faschistische Straßennamen ab – SHB erfreut
Dass bei faschistisch klingenden Straßennamen in Italien oft mit zweierlei Maß gemessen werde, sei offensichtlich. Zu dieser Ansicht ist der Südtiroler Heimatbund gelangt, als er die Geschehnisse zur Straßenbenennung in Rom mit jener in Bozen verglichen hat.
Giorgio Almirante zählte als Südtirol-Hasser und Rassist – In Rom wurde für einige Stunden eine Straße nach Giorgio Almirante benannt. Der römische Stadtgemeinderat segnete diesen Entschluss dank der Stimmen von Fratelli d’Italia und der Fünf-Sterne-Bewegung ab. Almirante war nicht nur ein Faschist, sondern auch ein Südtirol-Hasser erster Güte und ein Rassist. Almirante war einer der zehn Unterzeichnern des Manifests der rassistischen Wissenschaftler im Jahre 1938, mit dem in Italien die Verfolgung jüdischer Mitbürger begründet wurde.
Dieses Bild zeigt Giorgio Almirante mit dem faschistischen Gruße nicht etwa zur Zeit Mussolinis, sondern in der Nachkriegszeit bei einer Wahlveranstaltung der neofaschistischen Partei „Movimento Sociale Italiano“ (MSI). Foto: SHB
Die faschistische Zeitschrift „La Difesa della Razza“ („Die Verteidigung der Rasse“) veröffentlichte das auch von Giorgio Almirante unterzeichnete Manifest, welches die Grundsätze für die italienische Rassengesetzgebung festlegte. Bald folgten die Rassengesetze (hier in der Tageszeitung „La Stampa“ veröffentlicht), welche vor allem die Juden diskriminierten und weitgehend rechtlos machten. Bald sollten Verfolgungsmaßnahmen, Inhaftierungen und todbringende Maßnahmen folgen. Es ist daher wahrlich kein Wunder, dass die Jüdische Gemeinde Roms vehement gegen die posthume Ehrung des Giorgio Almirante protestierte.
Auch die beim Votum durch ihre Abwesenheit glänzende Bürgermeisterin Raggi begrüßte die Entscheidung zuerst ausdrücklich, ruderte dann aber nach heftigen Protesten sofort zurück. Gott sei Dank wurde dieser Beschluss dann sofort wieder aufgehoben. Das ist sowohl ein Zeichen europäischer Reife als auch ein Sieg der Vernunft.
Bozen soll Beispiel Roms folgen
In Bozen gibt es etwa mit der dem faschistischen Militärkaplan gewidmeten Reginaldo-Giuliani- oder der Amba-Alagi-Straße viele Straßenbezeichnungen faschistoider Herkunft, die mit geografischen Toponymen oder Protagonisten an das menschenverachtende System erinnern, so der SHB
Renzo Caramaschi, seines Zeichens Bozens Bürgermeister, sollte nach Ansicht des Heimatbundes dem Beispiel Roms folgen und alle faschistisch klingenden Straßenbezeichnungen in der Südtiroler Landeshauptstadt annullieren. Aber vermutlich sei er mit dem Betrachten der Rechnung, was die Sanierung des Markuslöwen und der römischen Wölfin für den Steuerzahler gekostet habe, zu sehr beschäftigt. (Anmerkung: Faschistische Denkmäler, welche der italienische Bürgermeister Bozens derzeit restaurieren lässt.) Somit habe er keine Zeit für diesen demokratischen und überfälligen Akt, mutmaßt Lang.
Soweit der Bericht von UNSER TIROL 24. Wir dürfen dazu ergänzen:
Der Faschismus lebt in Italien
Das faschistische „Siegesdenkmal“ in Bozen, dessen Säulen aus faschistischen Liktorenbündeln bestehen, dem damaligen Parteisymbol des „Partito Fascista“. Man stelle sich vor, in Österreich oder Deutschland würden heute noch mit Hakenkreuzen geschmückte Denkmäler stehen!
Abgesehen davon, dass Südtirol bis heute einen wahren Saurier-Jurassic Park faschistischer Denkmäler beherbergt, findet in Italien auch sonst eine laufende Verherrlichung des Faschismus statt. Einschlägige Strafgesetze werden mit südländischer Heiterkeit und Leichtigkeit nicht angewendet.
Jedes Jahr sind reich bebilderte Mussolini-Kalender und CD’s mit faschistischen Kampfgesängen an den Zeitungskiosken und in Läden erhältlich.
Es werden „Canti Fascisti“ („Faschistische Lieder“) verkauft. Diese CD beinhaltet faschistische Hymnen, wie „Duce, Duce“ oder „Facetta Nera“, das Marschlied der faschistischen Milizionäre anlässlich des Italienisch-Äthiopischen Krieges 1935.
Ebenso werden Mussolini-T-Shirts, Mussolini-Wein und Mussolini-Statuetten öffentlich zum Verkauf angebotenAm 11. Juni 2016 griff die Paolo Berlusconi, dem Bruder des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, gehörende italienische Tageszeitung „Il Giornale“ (Auflage täglich 140.000 Stück), zu einer besonderen Werbemaßnahme. Sie legte ihrer Wochenendausgabe Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ bei.
Aus „Neue Südtiroler Tageszeitung“.
Dass dieses, von „Il Giornale“ nun auch am Kiosk vertriebene Buch und sein Verfasser sich in nationalistischen Kreisen Italiens großer Beliebtheit erfreuen, ist verständlich. Man muss nur die Südtirol herabsetzenden Passagen in dem auch sonst schwer genießbaren Bekenntniswerk Hitlers lesen. Italienische Neofaschisten und Super-Nationalisten haben wahrlich allen Grund, „Adolfo“ als ihren großen Freund zu feiern.
Den Tupfen auf das I setzte die italienische Tageszeitung „Il Tempo“, als sie am 30. Dezember 2017 den „Duce“ Benito Mussolini zum „uomo dell’anno“ – zum „Mann des Jahres“ kürte und diese Wahl groß auf der Titelseite präsentierte. Er sei viel lebendiger gegenwärtig, als die derzeitigen italienischen Politiker, hieß es dazu in dem Leitartikel. Unnötig zu sagen, dass auch diese Verherrlichung unbestraft blieb.
Öffentlichen Protest dagegen erhob in Presseaussendungen Roland Lang, der Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Südtiroler politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol fordert.
Er demonstrierte auch mit einem Plakat „Il Sudtirolo non e Italia“ – „Südtirol ist nicht Italien“ – vor dem Kolosseum in Rom. Bilder dieser Aktion wurden in zahlreichen italienischen Medien veröffentlicht und brachten das Südtiroler Anliegen einer breiten italienischen Öffentlichkeit zur Kenntnis.
Eine wichtige Dokumentation des Südtiroler Schützenbundes (SSB)
Auch dem „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) ist es ein Anliegen, über den „lebendigen Faschismus in Südtirol“ aufzuklären. Er hat darüber eine Dokumentation veröffentlicht, welche >hier< geöffnet und heruntergeladen werden kann.
Weitere Informationen des SSB finden sich auf dessen Internetseite: schuetzen.com
Hoffnungen auf die neue Regierung und auf Freunde in Italien
In Südtirol wie auch in Österreich hat man die Hoffnung, dass sich die Verhältnisse unter der neuen Regierung bestehend aus der „5 Sterne Bewegung“ und der „Lega“ verbessern beziehungsweise normalisieren.
Die Regierung hat immerhin angekündigt, der Masseneinwanderung nach Europa Einhalt gebieten zu wollen und vor allem die „Lega“ hat in Richtung Südtirol erklärt, Verständnis für Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen zu haben. Dies wäre eine Politik, die in diametralem Gegensatz zu allen bisherigen alt- und neofaschistischen Positionen stehen würde. Diese Haltung würde aber auch der Gesinnung vieler Italiener entsprechen, die in Umfragen bereits kundgetan haben, dass sie mit einem „Los von Rom“ der Südtiroler einverstanden sind.
Im Jahre 2014 hat das Meinungsforschungsinstitut/Istituto Sondaggi DEMETRA in einer italienweiten repräsentativen Umfrage folgende Frage gestellt:
„In der Provinz Bozen wird vielfach der Wunsch nach Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes geäußert. Sind Sie damit einverstanden, dass die Bevölkerung der Provinz Bozen mit einem Referendum auf friedliche und demokratische Weise über ihre Selbstbestimmung entscheiden kann?“
71,8 Prozent der Befragten haben darauf mit „JA“ geantwortet!
Ausstellung „Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) – Opfer für die Freiheit“
Bild Egon Zemmer
Eine Dokumentation über den Südtiroler Freiheitskampf der 1960er Jahre in Bozen
Die Ausstellung befindet sich in Bozen, Lauben 9, und ist von Dienstag bis Samstag (jeweils von 10–12 Uhr und von 15-17 Uhr) bei freiem Eintritt geöffnet.
Die Ausstellung wurde vor allem auf Initiative des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) ins Leben gerufen, einer von ehemaligen Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt.
Ausschnitte aus der Einladung
Deren Ehrenobmann ist der ehemalige Freiheitskämpfer Sepp Mitterhofer (im Bild rechts), Obmann ist Roland Lang (im Bild links).
Kurator der Ausstellung ist der an der österreichischen Landesverteidigungsakademie lehrende österreichische Oberst und Historiker Mag. Dr. Hubert Speckner, welcher zusammen mit seiner Frau Mag. Sylvia Speckner (Bild rechts) die Bildtexte verfasst hat. Ausstellungsträger ist der „Andreas-Hofer-Bund Tirol“ (AHB) in Innsbruck unter dessen Obmann Winfried Matuella (Bild links).
An der Erstellung der Ausstellung wirkten neben den bereits Genannten noch weitere Personen mit:
Meinrad Berger (ehemaliger polit. Häftling), Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung (ehemaliger polit. Häftling), Altlandesrat Dr. Bruno Hosp, die ehemalige Landtagsabg. Dr. Eva Klotz, Roland Lang, Christoph Mitterhofer, Dr. Herlinde und Klaudius Molling (ehemalige Freiheitskämpfer), Efrem Oberlechner vom „Südtiroler Schützenbund“ sowie die Historiker Dr. Othmar Parteli und Dr. Margareth Lun.
Am 10. Mai wurde in Bozen die Ausstellung vor 200 geladenen Gästen feierlich eröffnet.
Sieben ehemalige Mitglieder des „Befreiungsausschusses Südtirol“ aus Süd- und Nordtirol sowie Deutschland waren persönlich anwesend. Zahlreiche Abgeordnete des Südtiroler Landtages, Altmandatare und amtierende Bozner Stadträte sowie Vertreter verschiedener Parteien gaben dem Andreas Hofer-Bund Tirol als Ausstellungsträger sowie dem Südtiroler Heimatbund als Initiator der Ausstellung und dem Ausstellungsbeirat die Ehre.
(Bild Egon Zemmer)
Die sehr beeindruckende Einführungsrede hielt der Altlandesrat und Ausstellungsbeirat Dr. Bruno Hosp (SVP), welcher ein persönlicher Freund der Freiheitskämpfer Luis Amplatz und Georg Klotz gewesen war und diese auch unterstützt hatte.
(Bild Egon Zemmer)
Dr. Hosp gab einen fundierten historischen Überblick die späten 1950er- und die 1960er Jahre in Südtirol und die vergeblichen Versuche, das Selbstbestimmungsrecht der deutsch- und ladinisch-sprachigen Bevölkerung Südtirols gegenüber dem italienischen Zentralstaat einzufordern.
In Südtirol herrschte Repression
„In Südtirol herrschte damals eine Atmosphäre geradezu provokativer Repression. Unsere Landsleute waren laufend Anpöbelungen, Verhöhnungen und Diffamierungen ausgesetzt“, berichtete Dr. Hosp.
„Vor dem Bozner Schwurgericht wurden am laufenden Band so genannte Schmähprozesse, zum Beispiel wegen des Hissens von weiß-roten Tiroler Fahnen, abgewickelt. Immer wieder wurden örtliche Versammlungen der Südtiroler Volkspartei von neufaschistischen Randalierern gestört.“
In Österreich prangerte damals der Bergisel-Bund in einer Broschüre die Methoden der italienischen Polit-Justiz an.
Massenhafte Zuwanderung wurde staatlich gefördert
„Mit der praktischen Ausgrenzung der Südtiroler von den staatlichen und halbstaatlichen Stellen ging eine forcierte Zuwanderung aus dem Süden Italiens einher, die geradezu beängstigende Ausmaße annahm. Mehrere Tausend Südtiroler mussten jährlich ihre angestammte Heimat verlassen, um in Deutschland und in der Schweiz Arbeit zu suchen, weil sie von den öffentlichen Stellen einfach ausgesperrt blieben und weil gleichzeitig durch die Technisierung der Landwirtschaft immer mehr Arbeitskräfte freigesetzt wurden. Durch ein vom Staat massiv gefördertes Wohnbauprogramm wurden in Südtirol, vorab hier in Bozen, mehrere Tausend Volkswohnungen errichtet, von denen aber nicht einmal 6% Südtirolern zugewiesen wurden.“
Zuwanderer aus dem Süden und die für sie durch den italienischen Staat errichteten neuen Stadtgebiete Bozens.
Der „Todesmarsch“ der Volksgruppe und der Widerstand des BAS
Diese bedrohliche Gesamtsituation habe damals Kanonikus Michael Gamper, in einem „Dolomiten“-Leitartikel so gekennzeichnet:„…Es ist ein Todesmarsch, auf dem wir Südtiroler uns seit 1945 befinden, wenn nicht noch in letzter Stunde Rettung kommt.“
Der Priester und Publizist Kanonikus Michael Gamper: Südtirol ist auf dem „Todesmarsch“!
Die römische Regierung sei jedoch uneinsichtig gewesen, berichtete Dr. Hosp weiter. „Daraufhin versuchte der BAS mit gezielten Aktionen auf die unhaltbar gewordene Situation durch eine „Strategie der feinen Nadelstiche“, wie sein Anführer Sepp Kerschbaumer es umschrieb, aufmerksam zu machen. Das Mittel der Wahl waren mehrere Anschläge gegen staatliche Sachgüter und gegen materielle Symbole der früheren faschistischen Staatsmacht.
Der Höhepunkt war die Serie von Anschlägen in der Nacht des Herz-Jesu-Sonntags 1961 und vereinzelte Anschläge in den Folgejahren, die weltweit Aufsehen erregten, aber auch die Staatsmacht zu überzogener Verfolgung der Urheber mit unmenschlichen Folterungen und unverhältnismäßig langen Haftstrafen verleitete.
Bild links: Der Freiheitskämpfer Georg Klotz. Bild rechts: Der Freiheitskämpfer Luis Amplatz.
Ungesühnte Folterungen und verweigerter versöhnlicher Schlussstrich
Zusätzlich waren die Freiheitskämpfer und mit ihnen alle mitfühlenden Tiroler dadurch gedemütigt worden, dass ihre skrupellosen Folterer nicht nur vom Gericht in Trient freigesprochen, sondern drei Tage darauf in Rom sogar feierlich empfangen, ausgezeichnet und befördert wurden.
Hingegen warten ein paar unserer außer Landes lebenden Aktivisten der 60er Jahre, die, wohlgemerkt, nachweislich kein Menschenleben auf dem Gewissen haben, seit über fünf Jahrzehnten vergeblich auf eine Begnadigung durch den italienischen Staatspräsidenten.“ In diesem Zusammenhang, sagte Dr. Hosp, gebühre dem Ausstellungskurator Dr. Speckner auch noch ein ganz besonderer Dank für sein jüngstes historisches Werk „Von der Feuernacht zur Porzescharte – Das Südtirolproblem der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“. „Er enthüllt darin, dass es in der heißen Zeit der Anschläge der 60er Jahre eine ganze Reihe offenkundiger Geheimdienst-Manipulationen zu Lasten unserer Freiheitskämpfer gegeben hat. Bei mehreren auch für die Zivilbevölkerung gefährlichen Anschlägen hatten ganz offenbar ‚italienische Dienste‘ oder neofaschistische Kreise ihre Hände im Spiel. Hier war es ganz offenkundig darum gegangen, die ‚terroristi altoatesini‘ als gewissenlose Attentäter hinzustellen, welche selbst vor der Auslöschung von Menschenleben nicht zurückschrecken würden. Lieber Hubert, für diese Zurechtrückungen und damit längst fälligen Rehabilitierungen mehrerer Aktivisten, sei Dir aufrichtig gedankt.“
Einen besonderen Dank stattete Dr. Hosp dem Historiker Dr. Speckner für dessen Aufsehen erregendes Enthüllungsbuch ab: „Von der Feuernacht zur Porzescharte – Das Südtirolproblem der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“. (Bild links von Egon Zemmer)
Der entscheidende Beitrag des Freiheitskampf es für eine bessere Autonomie
Zum Abschluss kam Dr. Hosp auf die Auswirkungen des damaligen Widerstandes zu sprechen. Er sagte:
„Wer die schweren, ja turbulenten Zeiten, die in der heute zu eröffnenden Dauerausstellung dokumentiert werden, hautnah miterlebt hat, hegt wohl keinen Zweifel darüber, dass die Freiheitskämpfer der 50er und 60er Jahre durch ihren beherzten Einsatz und ihre großen Opfer einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der neuen, qualitativ unvergleichlich besseren Autonomie Südtirols geleistet haben. Das Selbstbestimmungsrecht zur Erlangung der Wiedervereinigung unserer Heimat mit dem Bundesland Tirol und dem Vaterland Österreich blieb uns Südtirolern jedoch weiterhin versagt. … Die heute zur Eröffnung anstehende „Ständige Ausstellung“ heißt „BAS – Opfer für die Freiheit“ und würdigt den Einsatz und das Leiden der Südtiroler Freiheitskämpfer und Freiheitskämpferinnen der 60er Jahre und ihrer Familien.
Im Friedhof von St. Pauls gedenken der Südtiroler Heimatbund und der Südtiroler Schützenbund alljährlich am 8. Dezember aller verstorbenen Aktivisten der 60er Jahre, die sich für die Einheit und Freiheit Tirols aktiv eingesetzt haben.
Auf der Gedenktafel neben dem Gefallenendenkmal sind stellvertretend für alle Sepp Kerschbaumer, Franz Höfler, Toni Gostner, Luis Amplatz, Jörg Klotz und Kurt Welser verewigt. Ihnen und ihren Familienangehörigen, aber auch allen übrigen Aktivisten der angesprochenen Zeit soll diese ständige Ausstellung in Dankbarkeit für ihre erbrachten Opfer gewidmet sein.“
Das Südtiroler Internetportal UNSER TIROL 24 lieferte über die Ausstellungseröffnung nachstehenden Bericht:
Bildergalerie: BAS – Opfer für die Freiheit. Ausstellung in Bozen eröffnet
Die Dauerausstellung unter den Namen „BAS – Opfer für die Freiheit“ veranschaulicht das Geschehen in all seinen Facetten und liefert erstmals einen eindrucksvollen Einblick darüber, wie der Widerstand von Sepp Kerschbaumer und seinen Getreuen organisiert und durchgeführt worden ist
Bild Egon Zemmer
Erstmals öffentlich präsentierte Exponate
Die Ausstellung „BAS – Opfer für die Freiheit“ erinnert an Verdienste, Leiden und Opfer der Verfolgten und ihre(r) Familien – auch und gerade weil sie in der überwiegenden Zahl der Fälle ohne Dank geblieben sind. Die meisten der erstmals in aller Öffentlichkeit präsentierten Exponate entstammen der „Mitterhofer-Sammlung“. Sepp Mitterhofer aus Meran-Obermais, ein bisher von der Südtiroler Politik unbedankt gebliebener BAS-Aktivist der ersten Stunde, jetzt Ehrenobmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB), in dem sich am 9. Februar 1974 ehemalige Freiheitskämpfer zusammenschlossen, hat sie über Jahrzehnte hin zusammengetragen und beherbergt. Seine Sammlung bildet den Kern der Ausstellung „BAS – Opfer für die Freiheit“.
Ausgestellt werden zudem weitere Objekte aus dem Besitz von BAS-Aktivisten bzw. deren Nachkommen. Aus dem „BAS-Archiv“, dem im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck vorhandenen Vorlass der BAS-Aktivisten Herlinde und Klaudius Molling, sind Leihgaben ausgestellt, welche die mitunter einfachen Methoden veranschaulichen, derer sich die Freiheitskämpfer bedienen mussten. Ein reichhaltig ausgestatteter Ausstellungskatalog stellt in Wort und Bild eindrucksvoll den inneren Zusammenhang von Exponaten und Geschehenshistorie her.
Zeitzündvorrichtung; Bild Egon Zemmer
Keine Verherrlichung von Gewalt
Die Ausstellung befindet sich in Bozen, Lauben 9, und ist von Dienstag bis Samstag (jeweils von 10–12 Uhr und von 15-17 Uhr) geöffnet. Nach Vereinbarung sind Gruppenführungen auch außerhalb dieser Zeiten möglich. Initiatoren sind der Andreas-Hofer-Bund Tirol (AHB; Innsbruck) und der Südtiroler Heimatbund (SSB; Bozen). Großzügiges Mäzenatentum der (von der in Australien lebenden Österreicherin Dr. Helga Christian 1966 eingerichteten) Laurin-Stiftung (Liechtenstein) hat ihre Einrichtung als Dauerausstellung erst ermöglicht.
„BAS – Opfer für die Freiheit“ verherrlicht keineswegs Gewalt und/oder Terrorismus. Sie legt anhand von Einzelobjekten offen, wozu Männer und Frauen imstande sein können (und müssen), die keinen anderen Weg mehr sehen, als zur Tat zu schreiten, um die im Lügengewand des „demokratischen Staates“ ausgeübte Gewaltherrschaft gegen die in fremdnationaler Umgebung zu leben gezwungenen Landsleute durch gezielte Attacken zu unterminieren – wenn der gütlichen Worte genug gewechselt sind, ohne dass sich Besserung/Befriedung einstellt.
Solche mittelalterlichen Schraubzwingen verwendeten damals die Carabinieri als Handfesseln. Zusätzlich wurden die Gefangenen aneinander gekettet.
Eine Herausforderung
Eine Herausforderung für diese erstmalige Ausstellung über den BAS bestand darin, dass sowohl die „offizielle“ italienische, als auch die wissenschaftliche und journalistische Publizistik im deutschsprachigen Raum deren Aktivisten politisch in die „recht(sradikal)e Ecke“ stellt(e). Das wird jedoch weder den handelnden Personen noch ihrer Sache gerecht. In den für die damalige Südtirol-Politik entscheidenden Jahren waren unter den BAS-Leuten (in Südtirol wie in Österreich und Deutschland) fast alle gängigen politischen Weltanschauungen vertreten; ihren führenden Köpfen ging es vor allem darum, dass „etwas geschehen muss“.
Die allen Bevölkerungsschichten entstammenden Südtiroler BAS-Aktivisten handelten schlicht und ergreifend aus dem Beweggrund, als Tiroler Patrioten Heimat und Volkskultur vor der schieren Gefahr „ewiger Italianità“, der vom „demokratischen Italien“ bruchlos übernommenen Zielsetzung des Faschismus, somit vor dem von Kanonikus Gamper beschworenen „Todesmarsch der Südtiroler“ (s.o.) zu bewahren. Dies just auch für die Anschauung Nachgeborener nachvollziehbar zu machen, ist das hehre Ziel dieser durch und durch für gelungen zu erachtenden Ausstellung.
Ein Originalbrief Sepp Kerschbaumers an seine Frau Maria aus dem Kerker.
Soweit der Bericht von „UNSER TIROL 24“.
Weitere Informationen und Bilder sind im Ausstellungskatalog zu finden:
Hier ein Gastbeitrag des Zeithistorikers und Publizisten Prof. Dr. Dr. h.c. Olt auf der Internetseite des Magazins „Info-DIREKT“.
Anschluss 1938: Der Beginn einer Katastrophe – auch für Südtirol
Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen zusammen mit starken Sondereinheiten von Polizeikräften in Österreich ein, die sofort Verhaftungen und Deportationen „reichsfeindlicher“ Personen einschließlich Menschen jüdischer Abstammung vorzunehmen begannen.
Am 13. März 1938 beschloss nach dem Rücktritt des bisherigen Bundeskanzlers Dr. Schuschnigg die neue österreichische „Anschluss-Regierung“ unter Seyß-Inquart die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“
Adolf Hitler war bereits am 12. März 1938 in Linz eingetroffen, und setzte unter dem Beifall riesiger Zuschauermengen seinen Triumphzug nach Wien fort.
Die seit der Weltwirtschaftskrise in Elend lebenden Österreicher wussten von dem Wirtschaftsaufschwung im deutschen Reich, welcher durch die antizyklische Wirtschafts- und Investitionspolitik des Reichsbankpräsidenten und Reichswirtschaftsministers Hjalmar-Schacht angekurbelt worden war. Nun erwarteten sich die Menschen auch für Österreich Vollbeschäftigung und ein Ende der Not.
Hätten die Menschen geahnt, in welche Katastrophe Hitler sie und ganz Europa führen würde, wäre die Stimmung wohl eine andere gewesen.
Die seltsame Rolle der Bischöfe und des Sozialdemokraten Dr. Karl Renner
Um den Anschluss vor der Weltöffentlichkeit zu legitimieren, ordnete Hitler für den 10. April 1938 eine Volksabstimmung über den „Anschluss“ an.
Es ist heute üblich, nahezu ausschließlich das damalige Fehlverhalten der Masse der Bevölkerung zu verurteilen, ohne die Rolle der damaligen Führungspersonen in den verschiedenen politischen Lagern zu werten. Diese mussten jedoch mehr Kenntnisse als der Durchschnittsbürger über das Wesen des NS-Reiches besessen haben. Trotzdem kam es von deren Seite zu massiven Unterstützungen des Anschlusses – nicht an ein demokratisches Deutschland, sondern an die NS-Diktatur.
Die freudige Zustimmung der Bischöfe zu dem Wirken der NSDAP und zu dem Anschluss
Kardinal Innitzer wurde propagandawirksam bei der Abgabe seines Stimmzettels für den Anschluss Österreichs fotografiert
Am 18. März übersandte Kardinal Innitzer eine Proklamation der österreichischen Bischöfe an den NS-Gauleiter Bürckel und schrieb in einem Begleitbrief: „Sie werden aus ihr (der Proklamation) sehen, dass wir Bischöfe aus freiem Willen und nicht gezwungen unsere nationale Pflicht erfüllt haben. Ich weiß, dass dieser Erklärung eine gute Zusammenarbeit folgen wird.“ Der Brief schloss mit „Heil Hitler“, vom Kardinal eigenhändig über seinen Namen geschrieben.
Die übermittelte Erklärung der Bischöfe lautete:
„Aus innerster Überzeugung und mit freiem Willen erklären wir unterzeichneten Bischöfe der österreichischen Kirchenprovinz anlässlich der großen geschichtlichen Geschehnisse in Deutsch-Österreich:
Wir erkennen freudig an, dass die nationalsozialistische Bewegung auf dem Gebiet des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie der Sozial-Politik für das Deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten Schichten des Volkes Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir sind auch der Überzeugung, dass durch das Wirken der nationalsozialistischen Bewegung die Gefahr des alles zerstörenden gottlosen Bolschewismus abgewehrt wurde.
Die Bischöfe begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren besten Segenswünschen und werden auch die Gläubigen in diesem Sinne ermahnen. Am Tage der Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständlich nationale Pflicht, uns als Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen, dass sie wissen, was sie ihrem Volk schuldig sind.
Wien, am 18. März 1938.
Unterzeichnet von Innitzer und Bischöfen Österreichs.“
Selbstverständlich ließ es sich die NS-Propaganda nicht nehmen, den Innitzer-Brief und die Erklärung der Bischöfe auf großen Plakaten in ganz Österreich zu verbreiten.
Dr. Karl Renner: Öffentliches JA zum Anschluss!
Der in der Zeit des Ständestaates von der politischen Tätigkeit ausgeschlossene ehemalige sozialdemokratische Staatskanzler Dr. Karl Renner war immer noch eine bedeutende Persönlichkeit und eine politische Ikone seiner Genossen.
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen ergriff Dr. Renner selbst die Initiative und bot von sich aus den neuen Machthabern die propagandistische Unterstützung des Anschluss-Projektes an. Am 3. April 1938 erschien in der Tageszeitung „Neues Wiener Tagblatt“ ein Interview mit Renner, welches nicht anders als eine Aufforderung verstanden werden konnte, bei der bevorstehenden Volksabstimmung mit „JA“ zu stimmen.
Renner erklärte unter anderem:
„Ich habe als erster Kanzler Deutschösterreichs am 12. November 1918 in der Nationalversammlung den Antrag gestellt und zur nahezu einstimmigen Annahme gebracht: ‚Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik.‘
Ich habe als Präsident der Friedensdelegation zu St-Germain durch viele Monate um den Anschluß gerungen … seit 1919 in zahllosen Schriften und ungezählten Versammlungen im Lande und im Reiche den Kampf um den Anschluß weitergeführt.
Obschon nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne, errungen, ist der Anschluß nunmehr doch vollzogen, ist geschichtliche Tatsache, und diese betrachte ich als wahrhafte Genugtuung für die Demütigungen von 1918 und 1919, für St-Germain und Versailles.
Ich müßte meine ganze Vergangenheit als theoretischer Vorkämpfer des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen wie als deutschösterreichischer Staatsmann verleugnen, wenn ich die große geschichtliche Tat des Wiederzusammenschlusses der deutschen Nation nicht freudigen Herzens begrüßte. …
Als Sozialdemokrat und somit als Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen, als erster Kanzler der Republik Deutschösterreich und als gewesener Präsident ihrer Friedensdelegation zu St-Germain werde ich mit Ja stimmen.“
Karl Renner musste zu diesem Zeitpunkt gewusst haben, dass die Führungsebene der Sozialdemokratie im Reich bereits in den Konzentrationslagern saß. Er musste von den Judenverfolgungen gewusst haben. Ihm konnte insgesamt nicht entgangen sein, dass es sich 1938 nicht um einen Anschluss Österreichs an ein demokratisches und föderalistisches Deutschland handelte, sondern um den Anschluss an eine sich immer hemmungsloser entwickelnde Diktatur.
Für Renner selbst hatte seine Erklärung die angenehme Folge, dass er während des gesamten Krieges von der Gestapo unbehelligt blieb, in kein Konzentrationslager verschleppt wurde und somit nach Kriegsende wieder als sozialistischer Spitzenpolitiker zur Verfügung stehen konnte.
Renner nach dem Krieg: Das „JA“ zum Anschluss war eine sozialrevolutionäre Handlung gegen den Nationalsozialismus gewesen
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Dr. Karl Renner sein Verhalten auf skurrile Weise zu rechtfertigen versucht. In seinem Nachlasswerk „Österreich von der Ersten zur Zweiten Republik“ (Bd. II, Wien 1953, S. 202f) erklärte Renner, dass sein opportunistisches Verhalten eigentlich klassenkämpferisch-sozialrevolutionär motiviert gewesen sei. Man habe sich im engen Kreis beraten und sei zu folgender Schlussfolgerung gelangt: Die Arbeiterklasse müsse zuerst die NS-Herrschaft erleben, um dann von ihr enttäuscht zu werden. Dann würde sie entschlossen den Kampf aufnehmen. Durch „diese Beratungen im engen Kreis“ ermutigt, habe Renner dann seine Erklärung abgegeben.
Das Abstimmungsergebnis
Nach damaligen offiziellen Angaben hatten 4,45 Millionen Menschen abgestimmt und 99,7 Prozent hatten für den Anschluss gestimmt. An die 360.000 Menschen waren allerdings aus rassischen, politischen oder anderen Gründen von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen. (Angaben aus: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 523)
Das von den Bischöfen und von „politischen Vorbildern“ wie Dr. Karl Renner so tatkräftig geförderte Ergebnis war natürlich Wasser auf die Mühlen der NS-Propaganda gewesen.
Es verwundert nicht, dass in diesem Gedenkjahr die meisten Politiker und Publizisten die Rolle der damaligen Protagonisten verschwiegen haben und sich lieber über das Fehlverhalten des einfachen Volkes verbreitert haben. Eine rühmliche Ausnahme bildet hier allerdings der ehemalige Salzburger ÖVP-Landeshauptmann und Historiker Univ.-Prof. Dr. Franz Schausberger, welcher am 7. März 2018 in der „Wiener Zeitung“ einen Gastbeitrag über den Anschluss unter dem Titel „Deutschnational waren sie irgendwie alle – Die Rolle der österreichischen Parteien von dem ‚Anschluss‘ 1938“ veröffentlichte, in welchem er Renners Rolle nicht verschwieg: „Renner bot den Nazis sogar an, in einer Plakataktion und in Zeitungen Propaganda für ein ‚Ja‘ bei der ‚Anschluss‘-Abstimmung zu machen.“
Die große Täuschung und der Weg in die Katastrophe
Auch in Nordtirol und Südtirol wurde der Anschluss auch von zahlreichen Menschen begrüßt, welche selbst ideologisch mit dem Nationalsozialismus nichts gemein hatten.
In seinem Parteiprogramm hatte Hitler „den Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker“ gefordert gehabt.
Nun stand Deutschland am Brenner – doch die Hoffnungen der Tiroler waren vergebens
Nun stand Deutschland am Brenner und daher war die Erwartungshaltung groß, dass bald auch die Rückkehr Südtirols in ein gemeinsames Vaterland zu erwarten sei. In Tirol verbreitete sich das möglicher Weise bewusst in Umlauf gesetzte Gerücht, Italien habe Südtirol bedingungslos an Deutschland abgetreten. Diese Mär gelangte bis nach Südtirol, wo auf den Bergen Freudenfeuer entfacht wurden.
Als nach wenigen Tagen der Gauleiter Hofer das Gerücht dementierte, schlug die Stimmung um. In Innsbruck bedrohten Menschenmengen das italienische Konsulat und mussten durch die Polizei zerstreut werden.
Hitler war Mussolini dankbar und ergeben
Was die Menschen bislang nicht gewusst hatten, war, dass Hitler sein großes Vorbild Mussolini abgöttisch bewunderte und diesem zutiefst ergeben war.
Hitler hatte sowohl ideologisch wie symbolisch den Faschismus komplett kopiert. Dies äußerte sich in der Übernahme der Bezeichnung „Duce“-„Führer“ ebenso, wie im Nachäffen der Äußerlichkeiten. Aus dem „Saluto Romano“, dem „Römischen Gruß“, wurde der „Deutsche Gruß“. Die SA trug nach faschistischem Vorbild „römische“ Standarten und das Braunhemd analog zu dem faschistischen Schwarzhemd.
Aus dem „Saluto Romano“, den hier Feldkaplane der Alpini zeigten, wurde im NS-Staat der „Deutsche Gruß“.
Was die Menschen ferner nicht wussten, war, dass Hitler bereits seit Jahren immer wieder in Gesprächen mit italienischen Diplomaten und Politikern um eine enge Zusammenarbeit mit Mussolini geworben und dabei mehrfach versichert hatte, er verstehe es, dass die Aufrechterhaltung der Brennergrenze für Italien unerlässlich sei.
Was die Menschen nun bei Hitlers Einmarsch nicht wussten, war, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Vertrauensmann Hitlers in Rom bei dem Diktator Benito Mussolini weilte. Es war dies Prinz Philipp von Hessen, ein Schwiegersohn des italienischen Königs und Gruppenführer der SA sowie Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP.
Prinz Philipp von Hessen mit seiner Gattin Mafalda
Am 11. März 1938 überreichte der Prinz dem Duce Mussolini einen Brief Hitlers, in welchem Hitler mitteilte: „Ich ziehe jetzt eine klare Grenze gegenüber Italien. Es ist der Brenner. Diese Entscheidung wird niemals weder in Zweifel gezogen noch angetastet werden.“ (Aus den Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 21)
Gleichzeitig informierte der Prinz den italienischen Diktator darüber, dass Hitler nun in Österreich einmarschiert sei, um den Anschluss zu vollziehen. Mussolini reagierte freundschaftlich.
Umgehend ließ Prinz Philipp eine Telefonverbindung aus Rom zu Adolf Hitler in Linz herstellen, welcher hasardiert und bis zuletzt nicht gewusst hatte, ob Italien gegen seinen Einmarsch in Österreich nicht doch militärisch reagieren würde.
Prinz Philipp berichtete Hitler, er käme soeben zurück aus dem Palazzo Venezia, dem Regierungssitz Mussolinis. Der Duce habe die ganze Sache sehr freundlich aufgenommen und er lasse Hitler herzlich grüßen.
Hitler fiel ein Stein von der Brust. Er erwiderte: „Dann sagen Sie Mussolini bitte, ich werde ihm das nie vergessen. … Nie, nie, nie. Wenn die österreichische Sache jetzt aus dem Weg geräumt ist, bin ich bereit, mit ihm durch dick und dünn zu gehen, das ist mir alles gleichgültig. … ich mache jetzt auch jedes Abkommen -, ich fühle mich jetzt auch nicht mehr in der furchtbaren Lage, die wir doch eben militärisch hatten für den Fall, daß ich in den Konflikt gekommen wäre. Sie können ihm jetzt nur mal sagen, ich lasse ihm wirklich herzlich danken, ich werde ihm das nie, nie vergessen … Ich werde ihm das nie vergessen.“ (Das Gespräch ist als Niederschrift überliefert in den Akten des Internationalen Militärtribunals Nürnberg und wiedergegeben in: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 280f)
Hitler im Mai 1938 bei seinem Freund Mussolini in Rom – Bald verherrlichten sogar Briefmarken das enge Bündnis der beiden Diktatoren
Anfang Mai 1938 besuchte der dankbare Hitler seinen Freund Mussolini in Rom. Am 9. Mai 1938 berichtete das Parteiorgan „Völkischer Beobachter“, was Hitler am 7. Mai 1938 in einer Rede in Rom verkündet hatte:
„Belehrt durch die Erfahrung zweier Jahrtausende wollen wir beide, die wir nun unmittelbare Nachbarn geworden sind, jene natürliche Grenze anerkennen, die die Vorsehung und die Geschichte für unsere beiden Völker ersichtlich gezogen haben. Sie wird dann Italien und Deutschland, durch die klare Trennung der Lebensräume der beiden Nationen, nicht nur das Glück einer dauernden Zusammenarbeit ermöglichen, sondern auch als Brücke gegenseitiger Hilfe und Unterstützung dienen. Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, daß es deshalb die von der Natur zwischen uns beiden aufgerichtete Alpengrenze für immer als eine unantastbare ansieht.“ (Wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 26)
Das Raubgut als „Brücke“ der Verständigung
Bereits in dieser Äußerung Hitlers ist die auch heute so oft zu hörende Propagandaformel enthalten, wonach Raubgut als „Brücke“ der Verständigung zwischen Räuber und Beraubtem dienen solle.
Der Gott sei Dank unvollendet gebliebene Ethnozid
Hitler hatte den Weg freigegeben, eine „endgültige Lösung“ der Südtirol-Frage durch Ethnozid, einen kulturellen Völkermord ohne körperliche Vernichtung der Betroffenen, herbei zu führen.
Es war dies das Projekt der „Option“ mit anschließender Umsiedlung der „Geher“ in das Reich und Italianisierung der „Bleiber“.
Im Auftrag Hitlers begannen hochrangige NS-Funktionäre hinter den Kulissen mit Rom das kommende Optionsabkommen auszuhandeln. Mit dessen Vollzug sollten die Südtiroler 1939 dann vor eine schreckliche Entscheidung gestellt werden: Verlust der Heimat und Erhaltung des Volkstums oder Verbleib in der Heimat bei Verlust des Volkstums.
Die Option sollte unendliches Leid über die deutsch-ladinische Volksgruppe bringen und diese auch spalten.
Etwa 76 000 von etwa 211 000 Südtiroler, die für das Reich optiert hatten, wurden über den Brenner ausgesiedelt, dann stoppten die Kriegsereignisse diese schreckliche Aktion, an welche später eine Postkarte exilierter Südtiroler erinnerte.
Von den Ausgesiedelten konnte nach dem Krieg bis 1952 nur rund ein Drittel wieder in die Heimat zurückkehren.
„Er brachte Licht in das dunkle Kapitel der Sechzigerjahre“
Anerkennung für einen verdienten österreichischen Historiker – Der Südtiroler Heimatbund (SHB) ehrt Oberst Mag. Dr Hubert Speckner anlässlich seines 60. Geburtstags:
Mag. Dr. Hubert Speckner ist Historiker und zugleich Oberst des österreichischen Bundesheeres. Er lehrt an der Landesverteidigungsakademie in Wien.
Mag. Dr. phil. Hubert Speckner
Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) ist eine von ehemaligen politischen Häftlingen und Südtiroler Freiheitskämpfern gegründete Vereinigung, welche sich dem Dienst an der Heimat verpflichtet fühlt und für das grundlegende Menschenrecht auf Selbstbestimmung eintritt.
Am 15. März feierte der österreichische Historiker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner in Bozen seinen 60. Geburtstag.
Es gratulierten ihm vor Ort der Heimatbundobmann Roland Lang, der Vizeobmann Luis Pixner sowie Cristian Kollmann. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung überreichten sie ihm ein Ölgemälde, darstellend Andreas Hofer im Kreise seiner engsten Mitstreiter Kajetan Sweth, Josef Speckbacher und Joachim Haspinger.
l. n. r.: Sylvia Speckner, Hubert Speckner, Roland Lang, Luis Pixner, Cristian Kollmann
In einer Presseaussendung des SHB hieß es dazu:
„Mag. Dr. phil. Hubert Speckner, geboren am 15. März 1958 in Melk an der Donau, studierte Geschichte und Germanistik in Innsbruck, Graz und Wien und ist Träger des Ludwig-Jedlicka-Gedächtnispreises.
Speckners Monographien Zwischen Porze und Roßkarspitz … : der „Vorfall“ vom 25. Juni 1967 in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten (Wien 2013) und Von der „Feuernacht“ zur „Porzescharte“ … : das „Südtirolproblem“ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten (Wien 2016) erregten große Aufmerksamkeit. Sie sind das Ergebnis und der Ertrag disziplinierter langjähriger, umfassender Studien der Akten des Österreichischen Staatsarchivs sowie von Akten des österreichischen Innen- und Außenministeriums, die nicht frei zugänglich sind. Der Autor deckte auf, dass besonders der Vorfall auf der Porzescharte von italienischer Seite immer wieder dazu benutzt wurde, um die Freiheitskämpfer als Mörder hinzustellen.
Speckners Bücher über die Sechzigerjahre sind eine akribische Aufarbeitung der damaligen Zeit und fußen auf amtlichen Dokumenten in österreichischen Archiven. Dank seiner fundierten Recherchen kann Speckner als einer jener wenigen zeitgenössischen Historiker angesehen werden, die noch forschen und nicht nur von Kollegen abschreiben. Denn so manche Frage an mich betraf den einen oder anderen Sprengstoffanschlag in den Sechzigerjahren. Speckner war unentwegt auf der Suche nach zusätzlichen Auskünften, nach Zeitungsberichten und Zeitzeugen. Hubert und seine Frau Sylvia sind bodenständige Menschen, mit denen man gerne zusammensitzt. Neben Speckners Büchern haben auch seine zahlreichen Vorträge besonders jungen Südtirolern viel Wissenswertes über die damaligen Geschehnisse vermittelt.
„Zwischen Porze und Roßkarspitz …“: Enthüllungen über den „Anschlag“ auf der Porzescharte
Im Jahre 2013 hatte ein Werk des Autors Aufsehen erregt. In einer Dokumentation namens „Zwischen Porze und Roßkarspitz …“, welche sich auf bislang nicht bekannte Akten und Dokumentarfotos der österreichischen Sicherheitsdienste stützte, hatte Speckner akribisch nachgewiesen, dass ein angeblicher Anschlag österreichischer „Täter“ auf der Porzescharte mit vier italienischen Opfern am 25. Juni 1967 nicht so stattgefunden haben konnte, wie es die offiziellen italienischen Darstellungen schilderten.
Damals, im Jahre 1967, zur Zeit der Ereignisse auf der Porzescharte an der österreichisch-italienischen Grenze war die österreichische Bundesregierung unter dem Kanzler Dr. Josef Klaus an einer tatsächlichen Aufklärung nicht interessiert gewesen, hatte sie doch unter dem Druck des italienischen Vetos gegen einen EWG-Beitritt Österreichs gestanden, welches nur aufgehoben werden sollte, wenn die österreichische Regierung sich allen Wünschen Roms beugte.
Also hatte man damals drei von den Italienern beschuldigte Österreicher verhaftet und vor Gericht gestellt. Dort konnten sich diese allerdings freibeweisen. Sachverständige stellten zudem fest, dass auch aus Gründen des Zeitablaufs diese Personen nicht als Täter in Frage kommen konnten.
Die offizielle italienische Version des Ereignisses auf der Porzescharte wurde von den italienischen Medien willig aufgenommen. „Wer sind die Mörder unserer 4 Soldaten“, fragte die Zeitschrift „Domenica del Corriere“. Im Inneren des Blattes wurde die Antwort gegeben: Natürlich die „terroristi“!
Speckner hatte nun – viele Jahre später – die im Österreichischen Staatsarchiv aufgefundenen Aktenbelege noch durch Ortsbegehungen und weitere Sachverständigenuntersuchungen ergänzt, welche den damaligen in Wien erfolgten gerichtlichen Freispruch eindeutig bestätigten.
Tatsache ist, dass die vom Osttiroler Bezirksauptmann Dr. Othmar Doblander unmittelbar nach dem Ereignis festgestellte „Tatort“-Beschreibung nicht mit dem Ergebnis der neun Tage später erfolgten „Tatort“-Untersuchung durch eine gemischt österreichisch-italienische Kommission übereinstimmt. Somit war in der Zwischenzeit der „Tatort“ geschaffen worden.
Rechtswidrig war, dass der von Dr. Doblander verfasste und an den Sicherheitsdirektion von Tirol, Herrn Dr. Peterlunger gesandte, die angeblichen Täter entlastende „Tatort“-Bericht aus politischen Gründen weder dem Justizminister und schon gar nicht dem in Wien tagenden Gericht vorgelegt wurde.
Es bleibt somit der bereits damals schon von Zeitzeugen geäußerte Verdacht, dass hinsichtlich des behaupteten Geschehens eine italienische Geheimdienstmanipulation vorlag, wonach Opfer einer italienischen militärischen Verminungsübung der Öffentlichkeit als Opfer blutrünstiger „Südtirol-Terroristen“ präsentiert wurden. Der damalige, parteiunabhängige österreichische Justizminister Univ.-Prof. Dr. Heinz Klecatzky nannte 2010 als Verursacher des Vorfalls eine „ inneritalienische Manipulation“. Der renommierte Präsident der Belluneser Anwaltskammer, Dott. Peppino Zangrando kam nach jahrelangen Recherchen ebenfalls zum Ergebnis, dass der Vorfall auf der Porzescharte sich so nicht zugetragen haben kann, wie von Italien offiziell dargestellt wird.
Das Buch in italienischer Übersetzung
Dieses Buch sorgte nicht nur in Südtirol und allen Fachkreisen in Österreich und Deutschland für Aufsehen. Es wurde auch ins Italienische übersetzt und trägt vor allem in Südtirol und im Trentino dazu bei, dass auch italienische Mitbürger sich ein Bild abseits der damaligen offiziellen staatlichen Propaganda Roms machen können.
Hubert Speckner:„Zwischen Porze und Roßkarspitz …“ (Wien Verlag Gra&Wis 2013; ISBN 978-3-902455-21-5)
„Von der Feuernacht zur Porzescharte“: Italienische Geheimdienste hatten bei „verwerflichen“ Anschlägen die Hand im Spiel
Dass es in der heißen Zeit der Anschläge der 1960er Jahre noch eine ganze Reihe offenkundiger Geheimdienstmanipulationen zu Lasten der Freiheitskämpfer gegeben hat, enthüllte Mag. Dr. Speckner 2016 in einem neuen Werk mit dem Haupttitel „Von der Feuernacht zur Porzescharte“ und dem Untertitel „Das ‚Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“.
Speckner hatte auch diesmal Zugang zu allen relevanten und Jahrzehnte lang geheimen sicherheitsdienstlichen Unterlagen der Republik, welche sich mit Anschlägen in Südtirol während der Zeit des Freiheitskampfes befassten. Das Ergebnis seiner Aktenauswertung war sensationell: Bei einer ganzen Reihe von Anschlägen, welche gezielt auch Zivilbevölkerung in Gefahr gebracht hatten oder hätten bringen können, hatten offenbar italienische „Dienste“ ihre Hand mit im Spiel gehabt. Hier war es darum gegangen, die „terroristi altoatesini“ als gewissenlose und verruchte Täter darzustellen, welche auf die Vernichtung von Menschenleben abzielten.
Tragische Unfälle, denen Menschenleben zum Opfer gefallen waren, wurden nachträglich in „Terroranschläge“ umgewandelt. In anderen Fällen ließ sich eine provokatorische Steuerung im Hintergrund erkennen.
Speckner dokumentierte auch Anschläge, die von italienischen Neofaschisten verübt worden waren und bei denen versucht worden war, sie Österreichern in die Schuhe zu schieben, welche von der italienischen Propaganda gleichzeitig als „Nazis“ abgestempelt wurden.
Hubert Speckner: „Von der ,Feuernacht‘ zur ,Porzescharte‘. Das ,Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“ (Wien Verlag Gra&Wis 2016; ISBN 978-3-902455-23-9)
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Über die wissenschaftliche Leistung des Historikers Mag. Dr. Speckner hat der Historiker und Publizist Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt dankenswerter Weise eine Abhandlung zur Verfügung gestellt, die auch schon in einem früheren SID wiedergeben wurde und hier abrufbar ist.