Ehrendes Gedenken an Dr. Wilhelm Steidl

Abschied von einem großen Patrioten und Verteidiger der Menschenrechte

Unter diesem Titel übergaben Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) und Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung, Sprecher der „Kameradschaft ehemaliger Südtiroler Freiheitskämpfer“, am 27. September 2018 der Öffentlichkeit einen Nachruf auf den Innsbrucker Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Steidl, in welchem es hieß:

„Mit Trauer erfüllt uns die Nachricht des Ablebens unseren Freundes Dr. Wilhelm Steidl.

Der 1928 in Innsbruck geborene Rechtsanwalt wirkte 18 Jahre lang als Stadtrat und Vertreter des Tiroler Arbeitsbundes (TAB) in Innsbruck für das öffentliche Wohl.

Als Rechtsanwalt verteidigte er Südtiroler Freiheitskämpfer in Prozessen in Österreich. Er hatte maßgebenden Anteil daran, dass diese von österreichischen Geschworenen freigesprochen wurden, weil er argumentierte, dass die Angeklagten in strafausschließendem übergesetzlichen Notstand gehandelt hatten.

In einem Beitrag zu einem zeitgeschichtlichen Werk schrieb Dr. Steidl: „Tirol darf stolz auf diese Männer und auch auf ihre Frauen sein.“

In vielen Fällen verzichtete Dr. Steidl auf jegliches Honorar. Er nahm an öffentlichen Demonstrationen gegen die Verfolgung von Südtiroler Freiheitskämpfern wie Georg Klotz und die „Pusterer Buam“ durch die österreichische Bundesregierung teil. Zusammen mit dem Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer erwirkte er deren Freilassung.

Gemeinsam mit dem österreichischen Außenminister und Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky verfolgte Dr. Steidl das Anliegen einer Generalamnestie für Südtiroler Freiheitskämpfer. Diese scheiterte jedoch an der Halsstarrigkeit und Unerbittlichkeit der Regierungen in Rom.

Es ist Dr. Steidl zu verdanken, dass in Innsbruck Straßen nach dem Südtiroler Freiheitskämpfer Josef Kerschbaumer sowie nach Dr. Franz Mair benannt wurden, welcher als Widerstandskämpfer 1945 verhindern geholfen hatte, dass fanatische Nationalsozialisten durch eine sinnlose Verteidigung Innsbrucks die Vernichtung der Stadt durch alliierte Bombenangriffe provozierten. Dabei hatte Dr. Mair sein Leben geopfert.

Im Innsbrucker Gemeinderat hatte Dr. Steidl dazu erklärt, dass man „Menschen, die ihr Leben für ihre Gesinnung geopfert haben, gleich in welchem Lager sie standen“, für würdig befinden müsse, „eine Straße nach ihnen zu benennen, damit die Jugend wenigstens weiß, dass es in der Bevölkerung solche Leute gegeben hat.“

In unseren Herzen lebt „unser Willi“ als unvergesslicher Freund und Mitstreiter weiter.“

 

In der „Tiroler Tageszeitung“ wurde diese Traueranzeige veröffentlicht:

Einige Stationen im Leben von Dr. Wilhelm Steidl

Er war gerichtlich beeideter Gerichts-Dolmetscher und Honorarkonsul der Französischen Republik sowie Ritter der Französischen Ehrenlegion. Er eröffnete 1963 eine eigene Rechtsanwaltskanzlei.

30. August 1963

Innsbruck: Protestdemonstration gegen Freispruch der Foltercarabinieri

Unter dem Druck der internationalen öffentlichen Meinung hatte Italien 1963 widerstrebend einen Prozess nur gegen einige wenige Carabinieri zugelassen, welchen schreckliche Folterungen von Südtiroler Häftlingen zur Last gelegt wurden.

Am 29. August 1963 endete der Prozess gegen die Folterkarabinieri in Trient nach 13-stündiger Beratung völlig überraschend mit acht Freisprüchen und zwei Verfahrenseinstellungen, da die Tat zwischenzeitlich unter Amnestie gefallen war. Das Urteil wurde von den anwesenden Italienern mit Beifall und Jubelrufen wie “Viva l’Arma, viva l’Italia”( „Es lebe die Waffengattung, es lebe Italien!“) aufgenommen.

Trient: Der Richter verkündet den Freispruch der Folterer

Protestkundgebung unter der Leitung von Dr. Wilhelm Steidl vor dem italienischen Konsulat

Am Abend des 30. August 1963 versammelte sich nach einer Flugzettelaktion vor dem italienischen Generalkonsulat in Innsbruck eine große Menschenmenge von etwa 2.000 Personen, die mit Sprechchören, Transparenten, aber auch mit einigen Steinwürfen gegen das Konsulat, gegen das Urteil von Trient protestierte.

Auf den Transparenten las man Aufschriften wie: „Urteil von Trient – Schande für Europa“, „Carabinieri = Gestapo 1963“ und „Freiheit für Südtirol“.

Nach einem Zug durch die Stadt, wurde eine Delegation der Demonstranten unter Führung von Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Steidl von Landeshauptmann Eduard Wallnöfer (ÖVP), seinem Stellvertreter Dr. Gamper (ÖVP), dem Landesrat Zechtl (SPÖ) und dem Abgeordneten Dr. Mader (FPÖ) empfangen.

Dr. Steidl richtete an den Landeshauptmann die Bitte, der Stimme des Tiroler Volkes Gehör zu verschaffen.

Landeshauptmann Wallnöfer erklärte, dass die Tiroler Landesregierung genauso erschüttert sei, wie das ganze Volk im Norden und Süden. Der Landeshauptmann betonte sein Verständnis für die Reaktion der Demonstranten in der Öffentlichkeit.

Protesterklärung

Dann begaben sich Dr. Steidl und die Abordnung der Demonstranten auf den Balkon des Neuen Landhauses, wo ein Sprecher der Landesregierung folgende Erklärung verlas:

 „Tief bestürzt erfuhren wir vom Freispruch im Carabinieriprozeß in Trient. Trotz des erdrückenden Beweismaterials, aus dem einwandfrei die Misshandlungen von Südtiroler Häftlingen und die Erpressung von Geständnissen hervorging, unterblieb jeglicher Schuldspruch. Ein italienisches Gericht hat somit die angewandten Foltermethoden durch sein Urteil gedeckt. Versuchte der italienische Innenminister schon bei Bekanntwerden der Gewalttaten, diese mit der Erklärung zu beschönigen, daß die Polizei in der ganzen Welt Schläge austeilt, so bedeutet der erfolgte Freispruch eine Ermunterung für die italienischen Ordnungsorgane, mit ihren Gewaltmethoden fortzufahren… Im faschistischen Italien wäre dieser Prozess unterblieben, im demokratischen Italien wurde er zum Hohn auf jedes Recht. Kein Tiroler wird das, was in Trient geschah, jemals vergessen. Auch in Südtirol wird einmal das Recht wieder siegen.“

Mai bis Oktober 1965 sowie Mai 1967

Verteidigung in Südtirol-Prozessen in Graz und Linz

Blick in den Gerichtssaal in Graz. Vorne rechts die Angeklagten. Auf der Verteidigerbank sieht man vorne in der ersten Reihe Dr. Wilhelm Steidl (2. von links).

In einem Prozess vor Schöffen und in einem Prozess vor Geschworenen in Graz sowie in einem Geschworenen-Prozess in Linz verteidigte Dr. Wilhelm Steidl zusammen mit anderen herausragenden Strafverteidigern die Angeklagten und erwirkte deren Freispruch. Die Laienrichter folgten der These der Verteidigung, welche argumentiert hatte:

Wenn das österreichische Strafgesetz gemäß § 2 lit. g ausdrücklich das Leben, die Freiheit und das Vermögen von Einzelnen als notwehrfähige Güter erachtet, so gelte dies umso mehr, wenn das Leben, die Freiheit und das Vermögen einer ganzen Volksgruppe, die ja aus Einzelnen besteht, gefährdet sei.

Am 13. Oktober 1965 hatte Dr. Steidl in seinem Plädoyer zu den Geschworenen gesprochen:

„Ich kann Ihnen sagen, daß wir Verteidiger nicht immer das Glück haben, mit unserem ganzen Herzen bei der Sache zu sein und Sie können es wirklich glauben, in diesem Fall ist uns wirklich ernst. Ich kann Ihnen ehrenwörtlich versichern, und ich glaube, es auch im Namen meiner Kollegen tun zu können, daß, was wir hier sagen, daß wir an das glauben. 

Meine Damen und Herren, wir leben in einer sehr satten Zeit In einer Zeit, die es nicht verträgt, daß man mit Idealen konfrontiert wird. Sie aber haben dazu nunmehr die Verpflichtung. Ich habe seinerzeit in dem letzten Prozess gesagt: Es handelt sich hier um eine Elite der österreichischen Jugend. Und ich sage es hier noch einmal, es steht hier eine Elite der österreichischen Jugend vor Gericht, und zwar deshalb, weil jeder Mensch einer Elite angehört, gleich welcher Partei er angehört, der unentgeltlich und kostenlos sich für ein Ideal einsetzt. Das, glaube ich, müssen Sie den Angeklagten zubilligen.

Der Staatsanwalt hat gesagt, wir leben nicht mehr im Jahre 1809, wir leben im 20. Jahrhundert. Meine Damen und Herren, für uns Tiroler und auch für Sie Steirer sind die Freiheitsbegriffe des Jahres 1809 dieselben, wie sie heute sind. Und diese Freiheitsbegriffe sind endgültige Werte, die uns kein Schreiberling und niemand sonst zerstören kann, solange wir noch den Sinn für unsere Volkszugehörigkeit haben.

Und wenn ich fortfahren darf, hier sagt unser Landeshauptmann noch: ‚45 Jahre nach der Abtrennung Südtirols von Osterreich und fast 20 Jahre nach dem Abschluß des Pariser Vertrages sind also die Lebensrechte Südtirols noch immer nicht gesichert. Was liegt doch an Leid und Enttäuschungen hinter diesem schwergeprüften Volk! Das soll sich die Welt vor Augen halten, dann wird sie begreifen, daß wir mit unbeirrbarer Festigkeit für das Recht dieses Volkes eintreten müssen.‘

Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren.

Sie werden sich jetzt zurückziehen. Sie werden Ihr Urteil fällen in einem der größten Prozesse Österreichs, und wenn Sie im Zimmer sind, werden Sie allein sein mit sich selbst. Sie werden Ihr Herz in Ihre Hände nehmen und werden Ihr Urteil fällen, wie Sie es als österreichische Frauen, Männer und Mütter fällen werden. Sie werden nach Ihrem Gewissen urteilen, und dann werden Sie auch ruhig schlafen.

Ich komme noch zum Schluss. Sie werden hinschreiben zu jeder Frage: Nein, weil Hochverrat gegen Italien vorlag und weil die Angeklagten in strafausschließendem übergesetzlichem Notstand gehandelt haben.

Haben Sie den Mut! Nehmen Sie ihr Herz in die Hände, behaupten Sie sich im Beratungszimmer! Behaupten Sie sich als österreichische Mütter, Männer und Frauen, und denken Sie bei der Urteilsschöpfung an jene Männer, Tiroler, die jetzt schon jahrelang in den Kerkern Italiens sitzen, die ihr Leben gegeben haben, denken Sie an Kerschbaumer, denken Sie an Amplatz, denken Sie an alle die, die ihre Familie und ihre Existenz niedriger gewertet haben als ein hohes Ziel. Denken Sie an den Spruch, der am Grabe von Luis Amplatz steht: ‚Freund, der du die Heimat noch schaust, grüß‘ mir die Heimat, die ich mehr als mein Leben geliebt!“

Fällen Sie als aufrechte Steirer und Grazer ein mutiges Urteil für Tirol!“

Dr. Wilhelm Steidl (rechts im Bild) zusammen mit seinem Innsbrucker Freund und Anwaltskollegen Dr. Eberhard Molling (links) auf der Verteidigerbank in Graz.

Die Geschworenen sprachen alle Angeklagten frei. Die Berufsrichter hoben das Urteil wegen „offensichtlichen Irrtums der Geschworenen“ auf und der Prozess wurde im Mai 1967 in Linz wiederholt. Wiederum folgten die Geschworenen der Argumentation von Dr. Steidl und Kollegen. Sie sprachen alle Angeklagten – diesmal endgültig – frei.

5. März 1966

Demonstration für Klotz – Politiker geben nach

Der nach Österreich geflüchtete Südtiroler Freiheitskämpfer Georg Klotz war von der gegenüber Rom liebedienerisch agierenden Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Klaus widerrechtlich in Schubhaft genommen worden. Gemäß den Bestimmungen des Europäischen Auslieferungsübereinkommens von 1957 war eine Auslieferung nämlich in politischen Fällen ausgeschlossen.

Das hatte aber die damalige österreichische Bundesregierung bei der Verhängung ihrer Maßnahme zunächst nicht gestört gehabt.

Nun demonstrierten hunderte von Menschen in Linz und Innsbruck.

Demonstration in Innsbruck

Demonstration in Linz

Wiederum setzte sich Dr. Steidl zusammen mit dem Landeshauptmann Eduard Wallnöfer für die Freilassung ein. Der Druck aus Tirol hatte Erfolg. Die Bundesregierung gab nach und Georg Klotz wurde freigelassen. Damit war die drohende Gefahr einer rechtswidrigen Auslieferung an Italien abgewendet.

Georg Klotz bei seiner Entlassung aus der Schubhaft

März 1968

„Pusterer Buam“ in Wien freigesprochen

Am 6. März 1968 standen die beiden Südtiroler Freiheitskämpfer Heinrich Oberlechner und Josef Forer von der Gruppe der „Pusterer Buam“ vor einem Wiener Geschworenengericht. Die jungen Burschen schilderten in schlichten Worten die Verhältnisse in ihrer Heimat.

Heinrich Oberlechner sagte:

„Unser Ziel ist das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol. Die Italiener werden sonst ihr teuflisches Werk, Südtirol zu unterwandern und zu italianisieren, nie aufgeben.“

Die Worte der jungen Südtiroler waren den Wiener Geschworenen unter die Haut gegangen. Einigen von ihnen liefen Tränen über die Wangen hinab.

In seinem Schlusswort vor Gericht hatte Forer betont, dass er – obschon er mehr als ein Jahr unschuldig in Untersuchungshaft hatte verbringen müssen – am Tage der Selbstbestimmung Südtirols für einen Anschluss Südtirols an Österreich stimmen werde.

Am 12. März 1968 folgten die Geschworenen der Argumentation der Verteidiger Dr. Wilhelm Steidl, Dr. Robert Amhof, Dr. Eberhard Molling und Dr. Michael Stern, wonach in Südtirol ein strafausschließender Notstand geherrscht habe. Sie fällten einen Freispruch.

Weil die österreichische Regierung unter Bundeskanzler Dr. Klaus jedoch Italien gefällig sein wollte, wurden die Freigesprochenen sofort in rechtswidrige „Auslieferungshaft“ genommen und wieder in ihre Zellen abgeführt.

In Feldkirch kam es zu einer Demonstration für die inhaftierten Südtiroler. In Innsbruck wurde eine solche durch das Innenministerium verboten.

Wiederum setzten sich Dr. Wilhelm Steidl und Landeshauptmann Eduard Wallnöfer gegenüber Wien für die „Pusterer Buam“ ein. Sie erreichten ein Ablehnung des italienischen Auslieferungsbegehrens. Die beiden „Pusterer“ wurden jedoch erst nach 2 Jahren ungerechtfertigter Haft am 6. Juli 1969 gegen den Willen Wiens auf Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch auf freien Fuß gesetzt.

Zeitungsmeldung über die Freilassung der beiden „Pusterer“ Josef Forer (rechts) und Heinrich Oberlechner (daneben in der Bildmitte)

Frühjahr 1973

Dr. Steidl setzt sich zusammen mit Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky für eine Generalamnestie für die Südtiroler Freiheitskämpfer ein

Zu Beginn des Jahres 1973 hielten sich einige österreichische Südtirol-Freiheitskämpfer wie Dr. Erhard Hartung in der Bundesrepublik Deutschland auf, weil in Österreich immer noch Haftbefehle gegen sie liefen.

Nach Österreich geflüchtete Südtiroler konnten nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren, weil sie dort umgehend inhaftiert worden wären.

Wiederum wurde Dr. Wilhelm Steidl aktiv. In einem Brief an die Mutter von Dr. Hartung, Frau Dr. Gerda Foltin, berichtete er darüber.

(Brief in Besitz von Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung)

Leider waren die Bemühungen von Dr. Steidl und Dr. Kreisky nur in Österreich erfolgreich. In Italien scheiterten sie an der starren und unerbittlichen Haltung der italienischen Regierung.

Dokumentation

Wie Dr. Wilhelm Steidl über die Südtiroler Freiheitskämpfer dachte

In der von Dr. Otto Scrinzi herausgegebenen Dokumentation „Chronik Südtirol 1959–1969 Von der Kolonie Alto Adige zur Autonomen Provinz Bozen“ (Stocker Verlag Graz 1996) veröffentlichte Dr. Wilhelm Steidl nachstehenden Beitrag:

„Ihnen zur Ehre, uns zur Besinnung – ein Gedenken

Als Verteidiger in den österreichischen Südtirolprozessen waren meine Kollegen und ich als Beobachtende, nicht unmittelbar Betroffene, oft mit der tragischen Seite des Geschehens konfrontiert: Mit Flucht, Not, Verbannung, Haft, Heimweh – und dem Tod.

 Mein verehrter Anwaltskollege und väterlicher Freund Michael Stern bekam mehr als einmal unerwarteten Besuch in seiner Wiener Kanzlei. Da stand dann ein Flüchtling vor der Tür, ein heimatlos Gewordener, einer, der Not litt. Der Rechtsanwalt Michael Stern kaufte ihm Schuhe, besorgte ihm Kleidung, gab ihm zu essen und sorgte für ein Dach über seinem Kopf. Auch das konnte damals zur Tätigkeit eines Verteidigers von Südtirolaktivisten gehören. Wir Anwälte lernten damals viel Not, aber auch viel Seelengröße kennen. Teils aus persönlichem Erleben, teils aus den Schilderungen, die wir von unseren Schutzbefohlenen über ihre Mitstreiter und Freunde hörten.

 Ich will hier mit ein paar Zeilen kurz einiger Männer gedenken, die mit ihrer Geisteshaltung und Seelengröße stellvertretend für viele ungenannt Bleibende stehen.

 Kurt Welser war ohne Zweifel eine der Lichtgestalten unter den Südtirolkämpfern. Er war einer der Angeklagten in den Grazer und Linzer Südtirolprozessen. Seine ruhige, aber entschlossene Art und die Lauterkeit seiner Verantwortung vor Gericht machten tiefen Eindruck auf die Geschworenen.

Kurt Welser

Kurt Welser war ein Kind der Berge. Es wird wenige Gipfel in Tirol geben, von denen aus er nicht in das Land geblickt hat, das ihm Heimat war und das er geliebt hat. Als er am 15. August 1965 am Zinalrothorn in der Schweiz 30 Meter tief in das Seil fiel, an einen Felsen prallte und dann in den Armen seines Freundes Heinrich Klier verschied, war es für viele seiner Freunde ein schrecklicher Verlust. Als wir ihn auf dem Wiltener Friedhof begruben, stand das Land Tirol trauernd an seinem Grab. Die Witwe von Luis Amplatz und der älteste Sohn von Sepp Kerschbaumer waren gekommen. Die politischen Häftlinge in Trient hatten einen Kranz geschickt, auf dessen Schleife die Worte standen: ‚Der Herrgott lohne Dir Deinen Einsatz für Tirol‘. Auf der Schleife des Kranzes, den die Witwe Amplatz mitgebracht hatte, standen aber die Worte: ‚Grüß mir meinen Luis!‘

Das Geschehen jener Jahre war durch Persönlichkeiten geprägt, die nicht vergessen werden sollten. Sepp Kerschbaumer, der Kaufmann aus Frangart, ist sicherlich eine der bekanntesten.

Sepp Kerschbaumer

Vor den Schranken des Gerichtes in Mailand wuchs dieser Mann über sich hinaus, als er sein Volk, seine Landsleute, seine Heimat in einer Weise verteidigte, die selbst seinen Gegnern höchsten Respekt abnötigte und sogar die heftigsten nationalistischen Schleier beschämt verstummen ließ. Die großartige geistige Leistung, die dieser Mann erbrachte, hat dazu beigetragen, daß die italienischen Medien umzudenken begannen und die italienische Öffentlichkeit die Anliegen der Südtiroler mit anderen Augen zu sehen begann. Als Sepp Kerschbaumer begraben wurde, folgten seinem Sarg mehr als 20.000 Menschen.

 Neben den großen und bekanntesten Namen jener Jahre zeigt uns ein Blick auf die Lebensgeschichten einiger weniger bekannter Protagonisten, aus welchem Holz diese Tiroler geschnitzt und wie ihre Charaktere beschaffen waren.

 Franz Muther aus Laas im Vintschgau kehrte 1945 aus dem Krieg heim und stellte seine ganze Kraft für den Wiederaufbau seiner Heimat zur Verfügung: Bei der Gründung der Ortsgruppe der Südtiroler Volkspartei, bei der Neugründung der Feuerwehr und der Schützen, bei dem Südtiroler Alpenverein und einer Reihe von sozialen Einrichtungen.

Franz Muther nach seiner Entlassung aus der Haft

 Franz Muther erlebte nach seiner Verhaftung im Jahre 1961 Schreckliches und kehrte erst 1967 nach 6 Jahren Haft in den Gefängnissen von Bozen, Trient und Reggio Calabria mit zerbrochener Gesundheit heim. Im Gefängnis war er der gewesen, der seine Kameraden getröstet und aufgerichtet hatte. Wieder in Freiheit, kümmerte er sich um die Familien jener, denen es noch schlechter ging als ihm. Im Jahre 1986 starb er viel zu früh. 

Der Kaufmann Martin Koch in Bozen war einer der bedeutendsten Alpinisten Südtirols und hatte sich um die Errichtung des Bergrettungswesens verdient gemacht. Auch hier fällt auf, daß dieser Mann für das Gemeinwohl tätig gewesen war.

Martin Koch auf einer Bergtour

Nach Folter und Haft wurde auch er im Jahre 1975 viel zu früh in die Ewigkeit abberufen. Der Chefredakteur der „Dolomiten“, sein Bergkamerad Josef Rampold, hielt ihm die Grabrede. Er sagte: ‚Denken wir auf jedem Gipfel daran, denken wir immer auf jeder hohen Warte und in jedem stillen Tal, denken wir an unsern Marti, der sein ein und alles gegeben hat, der dafür gelebt hat, daß wir in diesem Lande leben können und leben dürfen und daß dieses Land unser Land geblieben ist.‘

 Abschließend will ich – auch stellvertretend für viele andere – des Frangarters Otto Petermair gedenken. Nach jahrelanger Haft kam Petermair wieder in seine Heimat zurück und stellte seine ihm verbliebene Kraft in den Dienst seiner Mitmenschen.

Otto Petermair bei seiner Vorführung vor Gericht

Am 26. April 1975 stand der Feuerwehrkommandant Otto Petermair auf dem Abhang von Matschatsch im Einsatz gegen einen lodernden Waldbrand, der menschliche Siedlungen zu bedrohen begann. Petermair wurde von den Flammen eingeschlossen und stürzte zu seinem Unglück noch in einen flammenumloderten Felsenspalt. Die Kameraden hörten ihn rufen. Er rief aber nicht: ‚Helft mir!‘, sondern er rief: ‚Rettet euch!‘ Das war Otto Petermair, und so wie er waren viele.

Das Gedenken an diese Menschen ist auch im Rückblick von Wehmut überschattet, auch wenn sie ein stolzes Werk der Freiheit vollbracht haben. Uns geziemt ehrendes Gedenken, auf daß sie in der Geschichte Tirols nicht vergessen werden.

Wenn wir auch mit Trauer der Toten gedenken, so dürfen wir uns doch darüber freuen, daß noch viele prächtige Menschen, die damals Schweres erlebt haben, unter uns weilen und ihre Kraft mit frischem Mut wiederum in den Dienst ihrer Mitmenschen und ihres Landes gestellt haben.

Stellvertretend für sie alle will ich Schicksal und Leistung eines Mannes aufzeigen.

Der 27jährige Maler und Anstreicher Josef Fontana stand im Jahre 1964 vor seinen Mailänder Richtern, die ihn mit lebenslanger Haftstrafe bedrohten. Fontana hatte einen Sprengstoffanschlag auf das zu einem Museum und zu einer faschistischen Wallfahrtsstätte umgewandelte ehemalige Wohnhaus des faschistischen Senators Ettore Tolomei verübt.

Josef Fontana in Haft

 Die Gerichtsverhandlung bot Fontana nun die Gelegenheit, dem Gericht und der Weltpresse zu erzählen, wer dieser Ettore Tolomei, der Erfinder der italienischen Ortsnamen Südtirols und der faschistischen Unterdrückungsgesetze, eigentlich gewesen war. Die Einvernahme des einfachen Handwerkers aus Neumarkt wurde zu einer beeindruckenden Anklage gegen eine staatliche Politik, welche die Entnationalisierungspolitik des Faschismus fortgeführt hatte. Josef Fontana erkrankte in Haft an Tbc, überwand die Krankheit mit eisernem Willen und legte im Gefängnis die Externistenmatura ab. Nach mehrjähriger Haft ging er nach Innsbruck an die Universität, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie und promovierte zum Doktor der Philosophie. Seit 1977 ist er am Südtiroler Kulturinstitut tätig und hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten über die politische Geschichte und Kulturgeschichte Tirols verfasst. Seine herausragende Leistung ist die Schriftleitung des vierbändigen Werkes ‚Die Geschichte des Landes Tirol‘, dessen dritten Band, ‚Die Zeit von 1848 bis 1918‘, er selbst verfasst hat. Auch als Wissenschafter bekennt sich Dr. Josef Fontana zu seiner Herkunft, zu seinen geistigen Wurzeln, zu seinem Land und zu dessen Leuten.

So wie er wirken zahlreiche andere ehemalige Häftlinge für das Gemeinwohl, jeder an seinem Platz und nach seinem besten Vermögen. Tirol darf stolz auf diese Männer und auch auf ihre Frauen sein, die in schwerer Zeit treu zu ihnen gehalten haben.“

Diesen Worten ist nichts hinzuzufügen.

In das Gedenken an diese aufrechten Menschen soll auch die dankbare Erinnerung an den großen Patrioten und Verteidiger der Menschenrechte, Dr. Wilhelm Steidl, eingeschlossen sein!




Die verschwiegenen Konzentrationslager Italiens

Die Wiederentdeckung des faschistischen Konzentrationslagers „Campo Isarco“

Als „kleine historische Sensation“ bezeichnete die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ am 17. August 2018 das von dem „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) herausgegebene Enthüllungsbuch von Günther Rauch: „Italiens vergessenes Konzentrationslager Campo d’Isarco bei Bozen (1941-1943)“.

Das Umschlagbild der historischen Dokumentation zeigt das 12 Hektar große Gelände der ehemaligen Brauerei Blumau, deren Gebäude zu einem Konzentrationslager umgestaltet worden waren.

Der langjährige Gewerkschafter und Heimatforscher Günther Rauch aus Bozen hatte in der Vergangenheit vor allem über Sozialfragen und die Arbeiterbewegung publiziert. Mit diesem Werk hat er ein bedeutendes zeitgeschichtliches Thema wieder aus der Vergessenheit in das heutige Bewusstsein zurück geholt.

Unterstützt wurde er bei seiner Forschungsarbeit durch Karl Saxer aus Blumau, welcher ebenso wie Günther Rauch auf historische Belege über ein italienisches Konzentrationslager in Südtirol gestoßen war, welche er dem Autor zur Verfügung stellte.

Günther Rauch hatte einen Rohentwurf des Werkes seinem alten Freund Meinrad Berger zum 70. Geburtstag geschenkt. Dieser war Mitbegründer der Metallergewerkschaft im „Allgemeinen Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB) und lange Betriebsrat in den Bozner Lancia-Werken gewesen, wo ihn der langjährige Vorsitzender des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes AGB/CGIL, Günther Rauch, kennen und schätzen gelernt hatte.

Was weiter geschah, berichtet Günther Rauch so:

„Etwas später hat mich der SHB mit an der Spitze Obmann Roland Lang gefragt, ob sie das Schriftstück über „Campo Isarco“ veröffentlichen dürften. Ich habe zugesagt und die Schrift mit neuen Erkenntnissen ergänzt. Die Idee für den Gedenkstein kam vom Hobbyhistoriker und PD (Partito Democatico)-Gemeinderat von Karneid, Karl Saxer. Sie fand die Unterstützung des Obmannes des SHB, Roland Lang, der Bürgermeisterin Martina Lantschner, des Heimatpflegevereins und aller drei Karneider Schützenkompanien.“ (Günther Rauch in einem Leserbrief vom 14. September 2018 an die „Neue Südtiroler Tageszeitung“)

Auf 170 Seiten schildert nun das reich bebilderte zeitgeschichtliche Werk die Entstehungsgeschichte eines von vielen italienischen Anhaltelagern, des „campo di concentramento“ in Blumau bei Bozen Rauch weist auch darauf hin, dass in der Zeit des Faschismus ein Netz von 200 oder mehr solcher Konzentrationslager ganz Italien überzogen hatte.

Die Errichtung des Konzentrationslagers in Blumau

Während des italienischen Afrikafeldzuges und des Angriffes auf die Balkanstaaten hatte Ministerpräsident Benito Mussolini den Auftrag erteilt, nicht weit von der Brennergrenze ein Konzentrationslager zu errichten. Die Wahl war auf das 12 Hektar große Wirtschaftsgelände der ehemaligen Brauerei Blumau gefallen.

In diesem ab Neujahr 1941 bis September 1943 von schwerbewaffneten Armeesoldaten und faschistischen Milizen streng bewachten Konzentrationslager waren bereits in den ersten Wochen des Lagerbestandes mehr als 3000 (dreitausend) Gefangene interniert, die von 66 Scharfschützen bewacht wurden. Es waren dies Zivilisten aus den Balkanstaaten, Regimegegner und Kriegsgefangene.

 

Die Bezeichnung „campo di concentramento“ für diese Lager war eine offizielle und wurde in amtlichen Dokumenten, wie in diesem Schreiben der Bozener Präfektur, verwendet.

Diese Häftlinge aus Blumau waren von den Faschisten auch als Zwangsarbeiter zum Bau des Virgl-Tunnels eingesetzt worden, dessen Portal heute noch (!) ein auf dem Liktorenbündel hockender faschistischer Adler schmückt.

In den ersten Frühlingstagen 1943 wurden diese „verzweifelten Menschen aus Jugoslawien, deren Schicksal“ – laut Bericht eines KZ-Aufsehers – „gezeichnet war“, vom Konzentrationslager zum Bahnhof getrieben und mit mehreren Deportationszügen in völlig unbekannter Destination gebracht.

Das Lager in Bozen-Blumau war wie alle italienischen Konzentrationslager bald nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend in Vergessenheit geraten. Nach der Absetzung des „Duce“ durch den „Gran Cosiglio del Fascismo“ – den Faschistischen Großrat – im Jahre 1943 war Italien zu einem Verbündeten der Westmächte geworden, welche auch die seltsame Wandlung hochrangiger eingefleischter Faschisten zu nunmehrigen „Demokraten“ zu akzeptieren hatten.

Dies hatte zur Folge, dass die Westmächte auch über die mehr als 200 „campi di concentramento“ und die darin begangenen faschistischen Verbrechen hinwegsahen.

Keine Vernichtungslager auf italienischem Staatsgebiet

Die Lager auf dem italienischen Staatsgebiet waren keine Vernichtungslager gewesen, wenngleich die Haftbedingungen zum Teil durchaus unmenschlich und die Todesraten hoch gewesen waren.

Dazu schreibt Rauch in seinem Buch auf Seite 16:

„Der von den Internierten und vom italienischen Innenministerium verwendete Begriff „campo di concentramento“ suggeriert automatisch ein „Vernichtungslager“, das heißt massenhafte und systematische Hinrichtung menschlichen Lebens. Davon ist allerdings aus dem „KZ Campo d’Isarco“ nichts überliefert. Außer man hat, wie vieles andere in der Geschichte Südtirols, alles vertuscht und verschwiegen.

Im Lager „Campo d’Isarco“ dürften wohl eher die Einschüchterung, psychologische Erniedrigung und die Zwangsarbeit im Vordergrund gestanden sein. Es diente zur Internierung von Kriegsgefangenen und zur Bestrafung von Deportierten und Zwangsarbeitern.“ 

Die schlimmsten Lager hatten sich in den Kolonialgebieten und in den militärisch besetzten Gebieten befunden

Die schlimmsten Lager waren die „campi di concentramento“ – die „Konzentrationslager – in den damaligen italienischen Kolonialgebieten gewesen. In solchen in der lybischen Wüste angelegten Lagern wurden internierte Nomadenstämme, die italienischen Siedlern weichen mussten, einem grausamen Schicksal ausgeliefert, welches man als notdürftig getarnten Völkermord bezeichnen kann.

In den während des Zweiten Weltkriegs besetzten Gebieten Sloweniens und Griechenlands wurden ebenfalls Lager errichtet, in denen man tausende von Menschen an Hunger sterben ließ.

Näheres dazu findet sich in dem 2008 erschienenen Buch der Historikerin Alessandra Kersevan:„Lager italiani. Pulizia etnica e campi di concentramento fascisti per civili jugoslavi 1941-1943” (Auf Deutsch: „Italienische Lager. Ethnische Säuberung und faschistische Konzentrationslager für jugoslawische Zivilisten 1941-1943”)

Der Buchumschlag zeigt einen in dem Konzentrationslager auf der Insel Rab inhaftierten und bereits halb verhungerten Zivilisten. Das weitere Bild zeigt Kinder, die in diesem Konzentrationslager eingesperrt waren und von denen viele verhungern mussten.

Die Einweihung des Gedenksteins in Blumau

Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) ließ nun einen Gedenkstein für die Internierten des „Campo di concentramento – Campo d‘Isarco“ in Bozen-Blumau errichten und lud zusammen mit dem Heimatschutzverein Karneid, den drei Schützenkompanien Karneid, Steinegg und Gummer sowie der Gemeinde Karneid zu dessen Einweihung und zur Segnung durch den Ortspfarrer Sepp Hollweck ein. Am 8. September 2018 nahmen mehr als 200 Personen daran teil.

Der Gedenkstein

Der Zug der Festteilnehmer zur Gedenkfeier

Die Tagezeitung „Dolomiten“ berichtete am 10. September 2018 über die Einweihung.

Karneids Bürgermeisterin Martina Lantschner dankte dem Buchautor Günther Rauch und dem Hobbyhistoriker Karl Saxer für deren wertvolle Arbeit und sagte: „Der Gedenkstein soll uns an das Internierungslager in Blumau vor über 70 Jahren erinnern. Solche Gräueltaten dürfen nie mehr passieren.“

Dank an einen Forscher und mahnende Erinnerung

In seiner Eröffnungsansprache dankte der Heimatbund-Obmann Roland Lang Günther Rauch und Karl Saxer für ihre wertvolle Arbeit. Dann fuhr er fort:

„Zeitweise waren hier an die 3.000 Personen eingesperrt! Daran, dass die Gefangenen ihrer Freiheit beraubt waren, ließen Stacheldraht, 66 Scharfschützen, Schwarzhemden und tägliche Appelle keinen Zweifel aufkommen. Für eine vorbereitete Massenerschießung wurden nun Belege gefunden.

Gerade in der heutigen Zeit, in der der römische Gruß vom italienischen Höchstgericht wieder legalisiert wurde und der Faschismus nicht allein in Gestalt von „CasaPound Italia“ und „Forza Nuova“ aufs Neue seine hässliche Fratze erhebt, muss auf die Verbrechen des italienischen Faschismus hingewiesen werden. 

Möge diese Gedenkfeier und der als Mahnung aufgestellte Gedenkstein uns stets daran erinnern, dass hier Menschen verschiedener Völker inhaftiert waren. Und eine Mahnung sein für unser aller Freiheit.“

Die Rede des Buchautors Rauch: Das Tagebuch eines KZ-Bewachers bestätigt unmenschliche Zustände im KZ Blumau

Günther Rauch hatte sich eine Woche vor der Veranstaltung mit einer Enkelin eines italienisch-faschistischen Wachsoldaten getroffen, die im „Veneto“ von seiner Recherche erfahren hatte. Unter dem Versprechen, ihre Identität nie preiszugeben, hatte er die Möglichkeit, Aufzeichnungen in einem Tagebuch ihres Großvaters zu lesen und Auszüge abzuschreiben. Darin hatte der Scharfschütze der Armee seine Erlebnise im „Campo di concentramento di Prato Isarco“ festgehalten.

Rauch konnte nun Folgendes berichten:

„Da im Buch die Geschichte des KZ „Campo di concentramento Prato Isarco“ ausführlich beschrieben ist, erzähle ich Ihnen kurz nur einige Episoden, die ein in diesem KZ tätiger Wachsoldat aufgezeichnet hat. Er war später als Mitglied der Alpinitruppe „Divisione Pusteria“ in Montenegro. Dort war er Augenzeuge brutaler Ermordungen von wehrlosen Dorfbewohnern und Kindern. Im KZ Blumau war er vom 6. Jänner bis Anfang Dezember 1941. Er hat miterlebt, wie 3000 halbverhungerte und im KZ zusammengepferchte Gefangene um jeden Krümel Brot kämpften. Bei den Gefangenen handelte es sich vornehmlich um kroatische, bosnische, serbische und montenegrinische Mussolini-Gegner und Widerstandskämpfer. In den ersten Frühlingstagen wurden diese verzweifelten und von Krieg und Hunger gezeichneten Menschen zum Bahnhof getrieben, auf Güterzüge verfrachtet und in eine unbekannte Destination gebracht. Diesen Häftlingen aus den Balkanstaaten folgten dann britische, irische, neuseeländische, australische, indische, kanadische und später sowjetische Kriegsgefangene. Gefangen genommene Zivilisten aus den Balkanstaaten wurden als Zwangsarbeiter zum Bau des Virgltunnels eingesetzt. Das Lager ‚Campo d’Isarco‘ war von doppelten Stacheldrahtzäunen umgeben. Nicht weniger als 66 mit scharfen Schusswaffen ausgerüstete Wachsoldaten sorgten Tag und Nacht dafür, dass jede Flucht unmöglich war.“

Die Ansprache der Historikerin Alessandra Kersevan

Ehrengast der Veranstaltung war die Buchautorin und Historikerin Alessandra Kersevan aus Udine, welche bereits in mehreren Publikationen über totgeschwiegene und vergessene faschistische Kriegsverbrechen berichtet hatte.

Heimatbund-Obmann Roland Lang und die Historikerin Alessandra Kersevan

 

In Ihrer Ansprache erklärte sie:

 „Der Anlass ist wichtig, vor allem im Hinblick auf die Geschichte, denn durch diese Initiative trägt Eure Gemeinschaft dazu bei, einen wichtigen Teil der Vergangenheit Italiens ins Rampenlicht zu stellen, von dem in dieser Nachkriegszeit wenig geredet wurde: ich meine das Vorhandensein im italienischen Staatsgebiet – in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs – eines ausgedehnten Netzes von Konzentrationslagern, die vom Faschismus errichtet worden waren.

Eines von diesen Lagern war hier, in Blumau, in einem Gebiet, das bereits wegen der Unterdrückung der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung durch den Faschismus gelitten hatte. Bis vor kurzem war „Prati d’Isarco“ nur ein Name im Verzeichnis der über zweihundert vom Mussolini-Regime geführten Konzentrationslager. Jetzt aber können wir dank der Nachforschungen von Günther Rauch die Geschichte dieses Lagers kennenlernen.

Während der ungefähr zwanzigjährigen Faschistenherrschaft sperrte das Regime seine Gegner in Gefängnisse oder verbannte sie auf die zahlreichen Inseln wie Ventotene oder Lipari – wohin 1927 auch der Rechtsanwalt Josef Noldin gebracht wurde – oder in entlegene Dörfer, wie Aliano in der Basilicata.

Anlässlich des Kriegseintritts Italiens an der Seite Hitlers wurde 1940 die Errichtung von Konzentrationslagern beschlossen, um jene Personen zu internieren, die als „unter den Kriegsumständen gefährlich” bezeichnet wurden: nicht nur politische Gegner, sondern ganze Personenkategorien wie Juden, Roma und Sinti, Slowenen und Südtiroler oder in Italien ansässige Ausländer. …

Aber das faschistische Konzentrationslagersystem wuchs gewaltig an, als das italienische Heer 1941 mit der Aggression gegen Jugoslawien an der Seite der Nazi-Armeen einen guten Teil der Gebiete jenes Landes besetzte und annektierte. Damals wurden Zehntausende von Zivilpersonen, Männer, Frauen, alte Leute, Kinder interniert, die vom Heer und von den Schwarzhemden in den Balkanländern bei Razzien festgenommen und in Lager verbracht wurden, … jedes mit Tausenden von Internierten, hohen Stacheldrahtzäunen, Wachtürmen mit Maschinengewehrposten, ständigen Appellen, Strafmaßnahmen gegen jene, welche Fluchtversuche unternahmen, Krankheiten, Hunger.

Die italienische öffentliche Meinung ist sich der Existenz dieser ganz und gar italienischen Konzentrationslager kaum oder gar nicht bewusst. Man weiß von den Lagern, die nach dem 8.September 1943 errichtet wurden, als Italien vom nazideutschen Heer besetzt wurde … Aber von den früheren, faschistischen Konzentrationslagern und von den Verbrechen, die vom italienischen Heer in den Aggressionskriegen begangen wurden, oder von der brutalen Unterdrückung in Südtirol spricht man in Italien wenig.

Das, was Ihr hier tut, um an das Konzentrationslager „Prato d’Isarco“ zu erinnern, ist daher sehr wichtig. …

Wenn man auch von unbequemen oder wenig erfreulichen Fragen der italienischen Geschichte spricht, so bedeutet dies nicht, dass man anti-italienisch ist, sondern es bedeutet, dass man antifaschistisch ist, dass man allen Italienern die Möglichkeit bietet, über diesen Teil der Geschichte nachzudenken.“

 Verschwiegene Tatsachen aus der Vergessenheit geholt

Diese Gedenkfeier hat verschwiegene Tatsachen wieder in das Gedächtnis zurück gerufen. Das italienisch-faschistische Internierungslager in Bozen-Blumau war wie alle italienischen Konzentrationslager bald nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend in Vergessenheit geraten. Nach der Absetzung des „Duce“ durch den „Gran Consiglio del Fascismo“ – den Faschistischen Großrat – im Jahre 1943 war Italien zu einem Verbündeten der Westmächte geworden, welche auch die seltsame Wandlung hochrangiger eingefleischter Faschisten zu nunmehrigen „Demokraten“ zu akzeptieren hatten.

Die Rücksichtnahme auf dieses neue Bündnis hatte zur Folge, dass die Westmächte über die vergangenen faschistischen Verbrechen zumeist hinwegsahen.

Nach 1945 lenkten viele italienische Politiker von der eigenen faschistischen Vergangenheit und damit auch von den italienischen Konzentrationslagern ab.

Schreckliche Lager wie jenes auf der Insel Rab, von dem diese Bilder stammen, sollten so der Vergessenheit anheim gefallen. Ebenso wie auch das kleinere Lager von Blumau in Südtirol passten sie nicht in das sorgsam gepflegte offiziöse Geschichtsbild, worin der Duce und sein Faschismus vergleichsweise harmlos gewesen seien und nur sein Verbündeter Hitler ein Mörder und Verbrecher gewesen sei.

Eine oberstgerichtliche Entscheidung hat erst vor kurzem in Italien festgelegt, dass Mussolinis faschistischer Gruß, der „saluto romano“, bei Gedenkfeiern erlaubt sei. Ein Kommentar dazu ist überflüssig!

Keine Relativierung

Dass die Erinnerung an bislang sorgsam ausgeblendete Ereignisse in der Zeit des italienischen Faschismus keine Relativierung anderer Verbrechen bedeutet, das hat Heimatbund-Obmann Roland Lang im seinem Vorwort zu der Dokumentation von Günther Rauch klargestellt:

„Es gab in Südtirol zwei Internierungslager. Eines war das von den Nazis errichtete Durchgangslager in Bozen, das andere das von den Faschisten errichtete und in den amtlichen Papieren als Konzentrationslager (Campo di concentramento) bezeichnete Lager in Blumau. Beide Orte sollen uns daran erinnern, welche Opfer dafür gebracht wurden, um zwei verbrecherische Regime zu vernichten.“

Das Buch „Italiens vergessenes Konzentrationslager „Campo d‘Isarco“ ist gegen eine Spende beim Südtiroler Heimatbund erhältlich!




Hohe „Landesehrung“ für einen Totengräber der Selbstbestimmung Südtirols

Das Schloss Tirol ist ein Symbol für die Landeseinheit Tirols. Die SVP-Parteispitze ließ dort einen „Totengräber“ der Selbstbestimmung „ehren“.

Eine fragwürdige Ehrung mit schwammiger Begründung

Am 5. September 2018 fand auf Schloss Tirol, von dem das ganze Land seinen Namen hat, und welches eigentlich für die unzerstörbare Landeseinheit steht, eine höchst fragwürdige „Ehrung“ statt. Geehrt wurde ein Mann, der sich nicht für die Landeseinheit, sondern gegen die Landeseinheit Tirols engagiert hat.

Das Land Südtirol – sprich: die Parteispitze der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) – verlieh dem Leiter des Völkerrechtsbüros im österreichischen Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Dr. Helmut Tichy, den „Großen Verdienstorden“ des Landes Südtirol.

Die vom Südtiroler Landespresseamt am 5. September 2018 veröffentlichte Begründung für diese Ehrung war mehr als schwammig:

„Wann immer Südtirol um rechtliche Unterstützung ersuchte, war Botschafter Tichy zur Stelle. Helmut Tichy ist mit seinen umfassenden Fachkenntnissen im Völkerrecht und zusätzlich auch im Europarecht ein unverzichtbarer Berater und rechtspolitisch gewichtiger Unterstützer des Landes Südtirol.“

Die Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete am 6. September 2018 über die „Ehrung“ des Dr. Tichy (ganz rechts im Bild). Wohl mangels konkreter Fakten bezeichnete  die Zeitung Tichy kurzerhand als „Freund“ und beschrieb seine angeblichen Verdienste mit folgenden Worten:

„Helmut Tichy hat als Völkerrechtler und österreichischer Botschafter Südtirols mittels Kleingedrucktem geschützt und weiterentwickelt…“

Tichy selbst wusste in seiner Dankesrede auch nicht mehr über seine eigenen Verdienste zu berichten, als dass er Südtirol „immer vor Augen“ habe.

Der Südtiroler Heimatbund (SHB) wies auf die politischen Hintergründe hin

Roland Lang
Roland Lang

Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen politischen Häftlingen Südtirols gegründete Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung eintritt, wusste jedoch sehr wohl eine plausible Erklärung für diese seltsame „Ehrung“ zu liefern.

Der SHB-Obmann Roland Lang veröffentlichte am 3. September 2018 nachstehende Presseerklärung, welche von bedeutenden Internet-Nachrichtenportalen wie „Unser Tirol 24“, „SÜDTIROL NEWS“ und „SALTO“ verbreitet wurde:

Hohe „Landesehrung“ für einen Totengräber der Selbstbestimmung Südtirols

Am 5. September 2018 wird auf Schloss Tirol dem österreichischen Ministerialbeamten Dr. Helmut Tichy der „Große Verdienstorden des Landes Südtirol“ feierlich verliehen werden. Diese Ehrung erfolgt aber ausschließlich aus wahltaktischen Gründen, um die unterwürfige Politik der SVP gegenüber Rom zu bestätigen und das Selbstbestimmungsrecht ad Acta legen zu können, stellt SHB-Obmann Roland Lang fest.

Begründet wird die Verleihung des höchsten Landesordens an Dr. Tichy damit, dass er als Leiter des Völkerrechtsbüros im österreichischen Außenministerium „stets zur Stelle“gewesen sei, „wann immer Südtirol um rechtliche Unterstützung ersuchte.“(„Dolomiten“ vom 31. 8. 2018)

Am 18. November 2016 unterstützte Dr. Helmut Tichy den Südtiroler Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher bei dessen Ablehnung der Selbstbestimmung für Südtirol.

Er erklärte nämlich im November 2016 anlässlich der Gedenkveranstaltung „70 Jahre Pariser Vertrag“ in Bozen, dass Südtirol sein Selbstbestimmungsrecht bereits „in der Form weitgehender Autonomie“ausübe. (Quelle: RAI- Tagesschau sowie „Dolomiten“ vom 18. November 2016).

Damit lag der Beamte Dr. Tichy auch auf der politischen Linie seines damaligen ÖVP-Außenministers Kurz.

Nun ist es richtig, dass die Ausübung der Selbstbestimmung auch zu einer Autonomie führen kann, wenn sich die Bevölkerung in einer Volksabstimmung mit der Wahlmöglichkeit zwischen „Los von Rom“ und einer „Autonomielösung innerhalb Italiens“ für die zweite Variante entscheidet.

Dr. Helmut Tichy weiß aber sicherlich, dass eine solche Volksabstimmung in Südtirol nie stattgefunden hat.

Das heutige Autonomie-Paket wurde am 23. November 1969 von den Delegierten einer außerordentlichen Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei (SVP) angenommen – also von den Funktionären eines Parteigremiums.

Das Autonomiestatut wurde sodann von dem italienischen Staatspräsidenten mit Dekret Nr. 670 vom 31. August 1972 in Kraft gesetzt. Der Artikel 1 des Statuts bekräftigt auch die politische Einheit „der einen und unteilbaren Republik Italien“, womit jegliches Streben nach Selbstbestimmung als verfassungsfeindlich qualifiziert wird.

 Es ist nicht anzunehmen, dass Dr. Helmut Tichy tatsächlich den Beschluss einer Partei-Delegiertenversammlung für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der gesamten Landesbevölkerung hält.

Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) hat damals am 20. November 2016 in einer Presseerklärung festgehalten, dass Dr. Tichy hier im Sinne der damaligen österreichischen Bundesregierung eine Umdeutung des Begriffes „Selbstbestimmungsrecht“ versucht hat.

Die jetzige „Ehrung“ des dienstergebenen Beamten Dr. Tichy hat wohl wenig mit dessen „Verdiensten“ zu tun.

Sie dient wohl eher dazu, die SVP-Politik der ständigen Erfüllung der Wünsche Roms zu legitimieren. Daher wird die durch Dr. Tichy vertretene Politik der Beerdigung der Südtirol-Frage von Landeshauptmann Dr. Kompatscher und der SVP-Parteispitze als vorbildhaft hingestellt. Man „ehrt“ Dr. Tichy und meint sich selbst.

Einen Großteil der Bevölkerung wird man damit nicht täuschen können. Zu sehr fällt der falsche Zungenschlag auf.

Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)

Eine schwankende SVP und ein williger Dr. Arno Kompatscher

Die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) ist nimmt in Bezug auf die Zukunft des Landes mangels innerer Geschlossenheit oft eine schwankende Haltung ein. Der jetzige Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher hat sich aber in entscheidenden Augenblicken zusammen mit führenden österreichischen ÖVP-Politikern als williger Erfüllungsgehilfe der Interessen Roms erwiesen.

Absage an Selbstbestimmungsbefürworter in Südtirol

Am 3. Mai 2014 veröffentlichte die Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ ein Interview mit dem damaligen österreichischen „Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten“ Sebastian Kurz. In diesem Interview teilte Kurz den Südtirolern mit, dass von einem ÖVP-geführten Außenministerium keine Unterstützung für Selbstbestimmungsbestrebungen zu erwarten sei. Kurz sprach sich gegen das Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppen in der Lombardei, im Veneto, in Friaul-Julisch-Venetien und in Südtirol mit folgenden Worten aus:

„Ich halte nichts davon, den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen. Freistaats- und Unabhängigkeitsfantasien führen die Menschen in die Irre – man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen.“

Wie die „Dolomiten“ am 5. Mai 2014 berichteten, wurde Kurz am gleichen Tag auf der Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei in seiner Gastrede in beleidigender Weise noch deutlicher:

„In meiner Heimat, aber auch in Südtirol beobachte ich leider Ewiggestrige, die wieder vom Aufziehen neuer Grenzen träumen“.

Aus „Dolomiten“ vom 3./4. Mai 2014

Ein Jubelbrief des Landeshauptmannes

Der Südtiroler  Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher bedankte sich für diese Worte, die auch seine politische Linie unterstützten, mit einem Jubelbrief, in welchem er behauptete:

„… Ihre Aussagen sind in Südtirol mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Sie haben die Herzen vieler Südtirolerinnen und Südtiroler im Sturm erobert.“

Dem ist nichts hinzuzufügen!




Ehrendes Gedenken an Hans Auer

Abschied von einem Tiroler Freiheitskämpfer

Am 26. Juni 2018 veröffentlichte Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche für das Selbstbestimmungsrecht Südtirols eintritt, nachstehenden Nachruf auf einen verstorbenen ehemaligen Freiheitskämpfer:

Mit Trauer muss der Südtiroler Heimatbund (SHB) das Ableben eines liebenswerten Freundes und unbeugsamen Patrioten mitteilen. Der Freiheitskämpfer Hans Auer ist nicht mehr unter uns, teilt SHB-Obmann Roland Lang in einer Aussendung mit.

Nach der Feuernacht des Jahres 1961 hatte eine riesige Verhaftungswelle die Mehrzahl der Freiheitskämpfer in die Carabinieri-Kasernen unter die Folter und später in Mailand vor Gericht gebracht. In dieser Situation fasste der junge Johann (Hans) Auer aus Sand in Taufers zusammen mit einigen Freunden den folgenschweren Beschluss, Anschläge gegen Strommasten zu begehen. Darüber hat er später Freunden gegenüber ausgesagt:

Hätten wir und Andere den Freiheitskampf nicht fortgeführt, dann hätte die Gefahr bestanden, dass die Opfer unserer Kameraden von 1961 umsonst gewesen wären. Wir haben es als unsere Pflicht angesehen, durch die Anschläge den Druck auf die Staatsmacht und ihre Politik weiter aufrecht zu halten.

 Pusterer brutal von den Carabinieri gefoltert

Im März 1967 wurde Hans Auer zusammen mit anderen jungen Pusterern verhaftet und in die Carabinieri-Kaserne von Bruneck verbracht.

Die italienische Tageszeitung Alto Adige berichtete groß über die Verhaftung des jungen Hans Auer und seiner Freunde.Was dort mit ihm und seinen Freunden geschah, hat er später in aus dem Gefängnis geschmuggelten Briefen und in Gesprächen geschildert: Tage lang brutale Schläge, Stockhiebe, Fußtritte, herausgeschlagene Zähne, Schlafentzug, Erstickungsversuche, Blendung mit einer Quarzlampe, Durstqualen, Ausreißen eines Zehennagels. Dazu Quälereien am Unterleib, die blutigen Urin zur Folge hatten.

Als Hans Auer viele Jahre später auf einer Veranstaltung in Österreich aus einem damaligen Folterbrief das Erlebte vorlesen sollte, verschlug es ihm angesichts der schrecklichen Erinnerungen die Sprache. Er brachte kein Wort heraus und sein Sohn Hannes musste den Brief verlesen.

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In dem oben abgebildeten Brief hieß es:

„Liebe Landsleute! Da ich mich nun weit einiger Zeit in Haft befinde, so kann ich jedoch meine schlimmeren ersten Tage nie mehr vergessen. Ich will es auch nicht für mich behalten, sondern es soll auch die Öffentlichkeit erfahren, mit welchen Mitteln die italienische Polizei bei meinen Verhören vorgegangen ist.

Am 10.3.1967 wurde ich abends mit hinterlistigem Vorhaben in die Karabinieri Kaserne von Sand in Taufers gebracht. Lange Zeit wurde ich dort mit Drohungen verhört. Da mußte ich zwei Nächte in einer kalten Zelle verbringen, wobei ich mir starke Erkältungen zuzog. Wurde dann gefesselt nach Bruneck gebracht. Nach langem Verhör mußte ich ungefähr drei Stunden, mit den beiden Zeigefingern an die Wand haltend, mit den Füßen zwei Schritte zurücktreten und so auf den Schuhspitzen stehen. Als ich vor Schwäche einsackte schlugen sie auf mich drauf los, und rissen mich mit Gewalt hoch und wieder mußte ich das selbe machen, bis ich wirklich am Ende war. So mußte ich die Hände in die Höhe halten, nebenbei wurde mir ins Gesicht geschlagen, mit den Handkanten in die Rippen und auch mit den Fäusten in den Magen daß ich gar nicht mehr schreien konnte. Sie drohten mir daß ich nur mehr in Stücke nach Hause kommen werde. Sie verbanden mir die Augen, so eng es ging und fesselten mich. Sie führten mich in der Kaserne hin und her, auf und ab und endlich einem Ausgang zu, zu dem Auto und fuhren einen Feldweg entlang. Als wir am Ziel ankamen wurde ich radikal in eine Art Baracke gezogen. Ich stößte bald da und dort mit dem Kopf an die Wand. Ich mußte mich neben einen Hocker auf den Boden setzen, die Hände banden sie mir gefesselt über den Hocker hinten hinunter auf den Boden. Einer stand mir vorne auf die gebundenen, ausgestreckten Beine während einer von hinten die Hände immer tiefer gegen den Boden zog oder trieb. Einer packte meinen Hals von hinten und drückte meinen Oberkörper über den Hocker rückwärts daß ich glaubte jeden Augenblick müßte mein Körper und meine Knochen entzwei sein. Sie schlugen mir nebenbei ins Gesicht und mit den Fäusten überall hin, wo es ihnen Spaß machte. Sie lachten mit offenen Herzen, sie verspotteten mich und hießen mich dies und jedes. Es waren mindestens sechs von der Polizei unter denen selbstverständlich auch ein Deutscher. Nach langem Quälen brachten, brachten sie mich niedergemacht in das bereitstehende Auto und fuhren mich wieder in die Karabinieri Kaserne von Bruneck. Es war früh am Morgen als es bereits graute. Ich weiß nicht wie lange das alles gedauert hatte. Wurde dann mit hassenden Händen in eine Kanzlei gebracht und banden mir die Binde von den Augen. Schwankend stand ich da fast ohnmächtig ihnen eine lange Zeit gegenüber. Ich war das reinste Spielzeug für sie. Tage lang quälte mich der Durst, mein Mund war trocken wie Staub daß ich kaum ein Wort herausbrachte. Sie fragten mich, obwohl sie es genau wußten, ob ich Durst habe? Meine Antwort war selbstverständlich mit ‚Ja’. Sie brachten mir nach einiger Zeit ein Bier, als ich es für den größten Durst fast leerte, mußte ich feststellen daß mir schlecht, wie betäubend wurde. Es ist mit unwissentlich, wie lange ich ihnen wie ein Stück Holz zur Verfügung stand. Später wurde mir bewußt daß ich in eine Zelle gebracht wurde. Mit schwerem leidtragenem Schmerze verbrachte ich Tage und Nächte ohne Schlaf! Später wurde ich mit gebundenen Händen in eine Kanzlei geführt und durchsucht, dann nach Bozen in Gerichtsgefängnis überführt, wo ich auch öfters den Verhören zugezogen wurde. Endlich erhielt ich da meine Zelle wo ich nun meine jetzige Ruhe zu hoffen vermag. Doch all dies Geschehen ertrug ich aus Liebe und Treue zu meiner Heimat ‚Südtirol’ und werde desto inniger und eifriger zu ihr stehen doch auch keinen Zweifel daran verlieren oder haben.

Auer Hans, geb. 9.6.1944“

 

Hans Auer im Gefängnis
Hans Auer im Gefängnis

Schwere Krankheit bis zu seinem Tod

Als Hans Auer zusammen mit seinen Kameraden 1969 in Bologna vor Gericht gestellt wurde, hatte er bereits Anzeige gegen seine Folterer erstattet. Dies hatte ihm eine zusätzliche Anklage wegen „Verleumdung der Carabinieri“ eingetragen. In dem Urteil, welches ihn zu 27 Jahren Haft verdammte, wurde er als Lügner hingestellt.

Die Tageszeitung „Dolomiten“ bezeichnete den Spruch des Gerichtes in Bologna als „unfaßbares Urteil“.Dass Hans Auer nicht im Gefängnis sterben musste, sondern nach einigen Jahren wieder zu seiner Familie heimkehren konnte, war einer Amnestie im Zuge der politischen „Paket“-Autonomielösung zu verdanken.

Bis zu seinem Tod nach schwerer Krankheit hat Hans Auer unwandelbar zu seiner Heimat und deren Recht auf Freiheit gestanden. Wir verneigen uns vor diesem großen Sohn Tirols und den großen Opfern, die er erbracht hat.

Der Abschied von dem Freiheitskämpfer Hans Auer

Am den 29. Juni, um 14 Uhr von der Kirche in Mühlen ausgehend, setzte sich ein schier endloser Trauerzug zum Trauergottesdienst um 14.30 Uhr in die Pfarrkirche von Taufers in Bewegung. Viele Mitbürger und Schützenkameraden aus dem ganzen Land sowie die Vertreter des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) erwiesen Hans Auer die letzte Ehre.

Als einziger österreichischer Politiker war der freiheitliche Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer nach Südtirol zu dem Begräbnis von Hans Auer angereist.

 Von den Südtiroler Politikern waren Vertreter der Oppositionsparteien „Süd-Tiroler Freiheit“ und der „Freiheitlichen“ erschienen.

Die „Südtiroler Volkspartei“ (SVP), einst eine Sammelpartei aller Südtiroler, glänzte durch Abwesenheit.

Über Verabschiedung des Freiheitskämpfers Hans Auer hat Werner Neubauer einen ehrenden Bericht verfasst, welcher nachstehend auszugsweise wiedergegeben ist:

„Die Kirche in Taufers hatte wohl schon lange nicht mehr solchen Zustrom erfahren. Sie war zum Bersten voll und vor den Toren standen in Schweigen gehüllt, noch hunderte Menschen, um einen aus ihrer Gemeinde, Johann Auer, den „Jösile Hons“, in würdigem Rahmen auf seinem letzten Weg zu verabschieden.

Die Kirche konnte die Trauergäste nicht fassen. Noch auf dem Vorplatz standen hunderte Menschen. Foto: W. Neubauer

Alle Angehörigen der Familie Auer waren anwesend, als Sohn Hannes den Nachruf seines Vaters in der Kirche zu Gehör brachte. In bewegenden Worte schilderte er die schweren Jahre vom Zeitpunkt der Geburt im Jahr 1944 und der Nachkriegszeit in Südtirol.

Unter den Trompetenklängen des „Ich hatte‘ einen Kameraden“ und der „Tiroler Landeshymne“ verabschiedete die so zahlreich erschienene Trauergemeinde ihren großen Tiroler am Kirchen-Friedhof. Unter den Trauergästen befanden sich auch zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Politik. Aus Südtirol nahmen Eva Klotz LAbg. a.D., der LAbg. Bernhard Zimmerhofer sowie Landesparteiobmann der Freiheitlichen, Andreas Leiter-Reber, Dr. Florian von Ach, F-Generalsekretär, Ex-LAbg. Pius Leitner und der Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang an den Trauerfeierlichkeiten teil.

Der freiheitliche Südtirol Sprecher NR Werner Neubauer war zu diesem Anlass aus Österreich angereist. Zahlreiche Abordnungen von Schützenverbänden gaben ihrem Schützenkameraden das letzte Geleit.

Als einziger österreichischer Politiker war der FPÖ-Südtirolsprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer zu der Verabschiedung des Freiheitskämpfers Hans Auer erschienen. Der Abg. Neubauer ist auch Mitglied der Südtiroler Schützenkompanie Gries.

Es ist eine Schande des offiziellen Südtirols, keinen namhaften Vertreter zur Verabschiedung Hans Auers entsandt zu haben.

Es war das Verdienst der Männer und Frauen um Sepp Kerschbaumer, Hans Auer, Luis Amplatz und Georg Klotz, dass in diesem Land die deutsche Volksgruppe heute einigermaßen in Frieden leben kann. Dies hat letztlich auch der ehemalige Landeshauptmann Magnago zur Kenntnis nehmen müssen.

Wir verneigen uns vor diesem großen Sohn Tirols und den großen Opfern, die er erbracht hat.

Sein Leben für seine Heimat ist uns allen Auftrag und Verpflichtung.“

Foto: W. Neubauer

 

Foto: W. Neubauer




Der Faschismus lebt – Hoffentlich bringt die neue Regierung eine Wende!

Italien – wie es bisher sang und lachte

In Rom wurde am 13. Juni 2018 durch den Gemeinderat Roms beschlossen, eine Straße nach dem Alt- und Neofaschisten Giorgio Almirante zu benennen – Nach heftigen Protesten der Jüdischen Gemeinde ruderte die Bürgermeisterin Raggi zurück und hob den Beschluss auf

Die Jüdische Kultusgemeinde der Stadt Rom musste erst heftig protestieren, bis die römische Bürgermeisterin Raggi den schändlichen Beschluss des Gemeinderates wieder kippte. In Bozen hingegen gibt es bis heute mit faschistischer Vergangenheit belastete Straßennamen, welche nicht angetastet werden.

 Am 15. Juni 2018 berichtete das Internetportal UNSER TIROL 24:

Rom schafft faschistische Straßennamen ab – SHB erfreut

 Dass bei faschistisch klingenden Straßennamen in Italien oft mit zweierlei Maß gemessen werde, sei offensichtlich. Zu dieser Ansicht ist der Südtiroler Heimatbund gelangt, als er die Geschehnisse zur Straßenbenennung in Rom mit jener in Bozen verglichen hat.

Giorgio Almirante zählte als Südtirol-Hasser und Rassist – In Rom wurde für einige Stunden eine Straße nach Giorgio Almirante benannt. Der römische Stadtgemeinderat segnete diesen Entschluss dank der Stimmen von Fratelli d’Italia und der Fünf-Sterne-Bewegung ab. Almirante war nicht nur ein Faschist, sondern auch ein Südtirol-Hasser erster Güte und ein Rassist. Almirante war einer der zehn Unterzeichnern des Manifests der rassistischen Wissenschaftler im Jahre 1938, mit dem in Italien die Verfolgung jüdischer Mitbürger begründet wurde.

Giorgio Almirante
Dieses Bild zeigt Giorgio Almirante mit dem faschistischen Gruße nicht etwa zur Zeit Mussolinis, sondern in der Nachkriegszeit bei einer Wahlveranstaltung der neofaschistischen Partei „Movimento Sociale Italiano“ (MSI). Foto: SHB

Die faschistische Zeitschrift „La Difesa della Razza“ („Die Verteidigung der Rasse“) veröffentlichte das auch von Giorgio Almirante unterzeichnete Manifest, welches die Grundsätze für die italienische Rassengesetzgebung festlegte. Bald folgten die Rassengesetze (hier in der Tageszeitung „La Stampa“ veröffentlicht), welche vor allem die Juden diskriminierten und weitgehend rechtlos machten. Bald sollten Verfolgungsmaßnahmen, Inhaftierungen und todbringende Maßnahmen folgen. Es ist daher wahrlich kein Wunder, dass die Jüdische Gemeinde Roms vehement gegen die posthume Ehrung des Giorgio Almirante protestierte.

Auch die beim Votum durch ihre Abwesenheit glänzende Bürgermeisterin Raggi begrüßte die Entscheidung zuerst ausdrücklich, ruderte dann aber nach heftigen Protesten sofort zurück. Gott sei Dank wurde dieser Beschluss dann sofort wieder aufgehoben. Das ist sowohl ein Zeichen europäischer Reife als auch ein Sieg der Vernunft.

Bozen soll Beispiel Roms folgen

In Bozen gibt es etwa mit der dem faschistischen Militärkaplan gewidmeten Reginaldo-Giuliani- oder der Amba-Alagi-Straße viele Straßenbezeichnungen faschistoider Herkunft, die mit geografischen Toponymen oder Protagonisten an das menschenverachtende System erinnern, so der SHB

Renzo Caramaschi, seines Zeichens Bozens Bürgermeister, sollte nach Ansicht des Heimatbundes dem Beispiel Roms folgen und alle faschistisch klingenden Straßenbezeichnungen in der Südtiroler Landeshauptstadt annullieren. Aber vermutlich sei er mit dem Betrachten der Rechnung, was die Sanierung des Markuslöwen und der römischen Wölfin für den Steuerzahler gekostet habe, zu sehr beschäftigt. (Anmerkung: Faschistische Denkmäler, welche der italienische Bürgermeister Bozens derzeit restaurieren lässt.) Somit habe er keine Zeit für diesen demokratischen und überfälligen Akt, mutmaßt Lang.

Soweit der Bericht von UNSER TIROL 24. Wir dürfen dazu ergänzen:

Der Faschismus lebt in Italien

Das faschistische „Siegesdenkmal“ in Bozen, dessen Säulen aus faschistischen Liktorenbündeln bestehen, dem damaligen Parteisymbol des „Partito Fascista“. Man stelle sich vor, in Österreich oder Deutschland würden heute noch mit Hakenkreuzen geschmückte Denkmäler stehen!

Abgesehen davon, dass Südtirol bis heute einen wahren Saurier-Jurassic Park faschistischer Denkmäler beherbergt, findet in Italien auch sonst eine laufende Verherrlichung des Faschismus statt. Einschlägige Strafgesetze werden mit südländischer Heiterkeit und Leichtigkeit nicht angewendet.

Jedes Jahr sind reich bebilderte Mussolini-Kalender und CD’s mit faschistischen Kampfgesängen an den Zeitungskiosken und in Läden erhältlich.

Es werden „Canti Fascisti“ („Faschistische Lieder“) verkauft. Diese CD beinhaltet faschistische Hymnen, wie „Duce, Duce“ oder „Facetta Nera“, das Marschlied der faschistischen Milizionäre anlässlich des Italienisch-Äthiopischen Krieges 1935.

Ebenso werden Mussolini-T-Shirts, Mussolini-Wein und Mussolini-Statuetten  öffentlich zum Verkauf angebotenAm 11. Juni 2016 griff die Paolo Berlusconi, dem Bruder des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, gehörende italienische Tageszeitung „Il Giornale“ (Auflage täglich 140.000 Stück), zu einer besonderen Werbemaßnahme. Sie legte ihrer Wochenendausgabe Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ bei.

Aus „Neue Südtiroler Tageszeitung“.

Dass dieses, von „Il Giornale“ nun auch am Kiosk vertriebene Buch und sein Verfasser sich in nationalistischen Kreisen Italiens großer Beliebtheit erfreuen, ist verständlich. Man muss nur die Südtirol herabsetzenden Passagen in dem auch sonst schwer genießbaren Bekenntniswerk Hitlers lesen. Italienische Neofaschisten und Super-Nationalisten haben wahrlich allen Grund, „Adolfo“ als ihren großen Freund zu feiern.

Den Tupfen auf das I setzte die italienische Tageszeitung „Il Tempo“, als sie am 30. Dezember 2017 den „Duce“ Benito Mussolini zum „uomo dell’anno“ – zum „Mann des Jahres“ kürte und diese Wahl groß auf der Titelseite präsentierte. Er sei viel lebendiger gegenwärtig, als die derzeitigen italienischen Politiker, hieß es dazu in dem Leitartikel. Unnötig zu sagen, dass auch diese Verherrlichung unbestraft blieb.

Öffentlichen Protest dagegen erhob in Presseaussendungen Roland Lang, der Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), einer von ehemaligen Südtiroler politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol fordert.

Roland Lang in Rom

Er demonstrierte auch mit einem Plakat „Il Sudtirolo non e Italia“„Südtirol ist nicht Italien“ – vor dem Kolosseum in Rom. Bilder dieser Aktion wurden in zahlreichen italienischen Medien veröffentlicht und brachten das Südtiroler Anliegen einer breiten italienischen Öffentlichkeit zur Kenntnis.

Weitere Informationen des SHB finden sich auf dessen Internetseite: suedtiroler-freiheitskampf.net

Eine wichtige Dokumentation des Südtiroler Schützenbundes (SSB)

Auch dem „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) ist es ein Anliegen, über den „lebendigen Faschismus in Südtirol“ aufzuklären. Er hat darüber eine Dokumentation veröffentlicht, welche >hier< geöffnet und heruntergeladen werden kann.

Weitere Informationen des SSB finden sich auf dessen Internetseite: schuetzen.com

Hoffnungen auf die neue Regierung und auf Freunde in Italien

 In Südtirol wie auch in Österreich hat man die Hoffnung, dass sich die Verhältnisse unter der neuen Regierung bestehend aus der „5 Sterne Bewegung“ und der „Lega“ verbessern beziehungsweise normalisieren.

Die Regierung hat immerhin angekündigt, der Masseneinwanderung nach Europa Einhalt gebieten zu wollen und vor allem die „Lega“ hat in Richtung Südtirol erklärt, Verständnis für Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen zu haben. Dies wäre eine Politik, die in diametralem Gegensatz zu allen bisherigen alt- und neofaschistischen Positionen stehen würde. Diese Haltung würde aber auch der Gesinnung vieler Italiener entsprechen, die in Umfragen bereits kundgetan haben, dass sie mit einem „Los von Rom“ der Südtiroler einverstanden sind.

Im Jahre 2014 hat das Meinungsforschungsinstitut/Istituto Sondaggi DEMETRA in einer italienweiten repräsentativen Umfrage folgende Frage gestellt:

In der Provinz Bozen wird vielfach der Wunsch nach Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes geäußert. Sind Sie damit einverstanden, dass die Bevölkerung der Provinz Bozen mit einem Referendum auf friedliche und demokratische Weise über ihre Selbstbestimmung entscheiden kann?“

71,8 Prozent der Befragten haben darauf mit „JA“ geantwortet!




Ausstellung „Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) – Opfer für die Freiheit“

Bild Egon Zemmer

Eine Dokumentation über den Südtiroler Freiheitskampf der 1960er Jahre in Bozen

Die Ausstellung befindet sich in Bozen, Lauben 9, und ist von Dienstag bis Samstag (jeweils von 10–12 Uhr und von 15-17 Uhr) bei freiem Eintritt geöffnet.

Die Ausstellung wurde vor allem auf Initiative des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) ins Leben gerufen, einer von ehemaligen Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt.

Ausschnitte aus der Einladung

Deren Ehrenobmann ist der ehemalige Freiheitskämpfer Sepp Mitterhofer (im Bild rechts), Obmann ist Roland Lang (im Bild links).

Kurator der Ausstellung ist der an der österreichischen Landesverteidigungsakademie lehrende österreichische Oberst und Historiker Mag. Dr. Hubert Speckner, welcher zusammen mit seiner Frau Mag. Sylvia Speckner (Bild rechts) die Bildtexte verfasst hat. Ausstellungsträger ist der „Andreas-Hofer-Bund Tirol“ (AHB) in Innsbruck unter dessen Obmann Winfried Matuella (Bild links).

An der Erstellung der Ausstellung wirkten neben den bereits Genannten noch weitere Personen mit:

Meinrad Berger (ehemaliger polit. Häftling), Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung (ehemaliger polit. Häftling), Altlandesrat Dr. Bruno Hosp, die ehemalige Landtagsabg. Dr. Eva Klotz, Roland Lang, Christoph Mitterhofer, Dr. Herlinde und Klaudius Molling (ehemalige Freiheitskämpfer), Efrem Oberlechner vom „Südtiroler Schützenbund“ sowie die Historiker Dr. Othmar Parteli und Dr. Margareth Lun.

Am 10. Mai wurde in Bozen die Ausstellung vor 200 geladenen Gästen feierlich eröffnet.

Sieben ehemalige Mitglieder des „Befreiungsausschusses Südtirol“ aus Süd- und Nordtirol sowie Deutschland waren persönlich anwesend. Zahlreiche Abgeordnete des Südtiroler Landtages, Altmandatare und amtierende Bozner Stadträte sowie Vertreter verschiedener Parteien gaben dem Andreas Hofer-Bund Tirol als Ausstellungsträger sowie dem Südtiroler Heimatbund als Initiator der Ausstellung und dem Ausstellungsbeirat die Ehre.

(Bild Egon Zemmer)

Die sehr beeindruckende Einführungsrede hielt der Altlandesrat und Ausstellungsbeirat Dr. Bruno Hosp (SVP), welcher ein persönlicher Freund der Freiheitskämpfer Luis Amplatz und Georg Klotz gewesen war und diese auch unterstützt hatte.

(Bild Egon Zemmer)

Dr. Hosp gab einen fundierten historischen Überblick die späten 1950er- und die 1960er Jahre in Südtirol und die vergeblichen Versuche, das Selbstbestimmungsrecht der deutsch- und ladinisch-sprachigen Bevölkerung Südtirols gegenüber dem italienischen Zentralstaat einzufordern.

In Südtirol herrschte Repression

„In Südtirol herrschte damals eine Atmosphäre geradezu provokativer Repression. Unsere Landsleute waren laufend Anpöbelungen, Verhöhnungen und Diffamierungen ausgesetzt“, berichtete Dr. Hosp.

„Vor dem Bozner Schwurgericht wurden am laufenden Band so genannte Schmähprozesse, zum Beispiel wegen des Hissens von weiß-roten Tiroler Fahnen, abgewickelt. Immer wieder wurden örtliche Versammlungen der Südtiroler Volkspartei von neufaschistischen Randalierern gestört.“

In Österreich prangerte damals der Bergisel-Bund in einer Broschüre die Methoden der italienischen Polit-Justiz an.

Massenhafte Zuwanderung wurde staatlich gefördert

„Mit der praktischen Ausgrenzung der Südtiroler von den staatlichen und halbstaatlichen Stellen ging eine forcierte Zuwanderung aus dem Süden Italiens einher, die geradezu beängstigende Ausmaße annahm. Mehrere Tausend Südtiroler mussten jährlich ihre angestammte Heimat verlassen, um in Deutschland und in der Schweiz Arbeit zu suchen, weil sie von den öffentlichen Stellen einfach ausgesperrt blieben und weil gleichzeitig durch die Technisierung der Landwirtschaft immer mehr Arbeitskräfte freigesetzt wurden. Durch ein vom Staat massiv gefördertes Wohnbauprogramm wurden in Südtirol, vorab hier in Bozen, mehrere Tausend Volkswohnungen errichtet, von denen aber nicht einmal 6% Südtirolern zugewiesen wurden.“

Zuwanderer aus dem Süden und die für sie durch den italienischen Staat errichteten neuen Stadtgebiete Bozens.

Der „Todesmarsch“ der Volksgruppe und der Widerstand des BAS

Diese bedrohliche Gesamtsituation habe damals Kanonikus Michael Gamper, in einem „Dolomiten“-Leitartikel so gekennzeichnet: „…Es ist ein Todesmarsch, auf dem wir Südtiroler uns seit 1945 befinden, wenn nicht noch in letzter Stunde Rettung kommt.“

Der Priester und Publizist Kanonikus Michael Gamper: Südtirol ist auf dem „Todesmarsch“!

Die römische Regierung sei jedoch uneinsichtig gewesen, berichtete Dr. Hosp weiter. Daraufhin versuchte der BAS mit gezielten Aktionen auf die unhaltbar gewordene Situation durch eine „Strategie der feinen Nadelstiche“, wie sein Anführer Sepp Kerschbaumer es umschrieb, aufmerksam zu machen. Das Mittel der Wahl waren mehrere Anschläge gegen staatliche Sachgüter und gegen materielle Symbole der früheren faschistischen Staatsmacht.

Der Höhepunkt war die Serie von Anschlägen in der Nacht des Herz-Jesu-Sonntags 1961 und vereinzelte Anschläge in den Folgejahren, die weltweit Aufsehen erregten, aber auch die Staatsmacht zu überzogener Verfolgung der Urheber mit unmenschlichen Folterungen und unverhältnismäßig langen Haftstrafen verleitete.

Bild links: Der Freiheitskämpfer Georg Klotz. Bild rechts: Der Freiheitskämpfer Luis Amplatz.

Ungesühnte Folterungen und verweigerter versöhnlicher Schlussstrich

 Zusätzlich waren die Freiheitskämpfer und mit ihnen alle mitfühlenden Tiroler dadurch gedemütigt worden, dass ihre skrupellosen Folterer nicht nur vom Gericht in Trient freigesprochen, sondern drei Tage darauf in Rom sogar feierlich empfangen, ausgezeichnet und befördert wurden.

Hingegen warten ein paar unserer außer Landes lebenden Aktivisten der 60er Jahre, die, wohlgemerkt, nachweislich kein Menschenleben auf dem Gewissen haben, seit über fünf Jahrzehnten vergeblich auf eine Begnadigung durch den italienischen Staatspräsidenten.“ In diesem Zusammenhang, sagte Dr. Hosp, gebühre dem Ausstellungskurator Dr. Speckner auch noch ein ganz besonderer Dank für sein jüngstes historisches Werk „Von der Feuernacht zur Porzescharte – Das Südtirolproblem der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“. „Er enthüllt darin, dass es in der heißen Zeit der Anschläge der 60er Jahre eine ganze Reihe offenkundiger Geheimdienst-Manipulationen zu Lasten unserer Freiheitskämpfer gegeben hat. Bei mehreren auch für die Zivilbevölkerung  gefährlichen Anschlägen hatten ganz offenbar ‚italienische Dienste‘ oder neofaschistische Kreise ihre Hände im  Spiel. Hier war es ganz offenkundig darum gegangen, die ‚terroristi altoatesini‘ als gewissenlose Attentäter hinzustellen, welche selbst vor der Auslöschung von Menschenleben nicht zurückschrecken würden. Lieber Hubert, für diese Zurechtrückungen und damit längst fälligen Rehabilitierungen mehrerer Aktivisten, sei Dir aufrichtig gedankt.“

Einen besonderen Dank stattete Dr. Hosp dem Historiker Dr. Speckner für dessen Aufsehen erregendes Enthüllungsbuch ab: „Von der Feuernacht zur Porzescharte – Das Südtirolproblem der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“. (Bild links von Egon Zemmer)

Der entscheidende Beitrag des Freiheitskampf es für eine bessere Autonomie

Zum Abschluss kam Dr. Hosp auf die Auswirkungen des damaligen Widerstandes zu sprechen. Er sagte:

„Wer die schweren, ja turbulenten Zeiten, die in der heute zu eröffnenden Dauerausstellung dokumentiert werden, hautnah miterlebt hat, hegt wohl keinen Zweifel darüber, dass die Freiheitskämpfer der 50er und 60er Jahre durch ihren beherzten Einsatz und ihre großen Opfer einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der neuen, qualitativ unvergleichlich besseren Autonomie Südtirols geleistet haben. Das Selbstbestimmungsrecht zur Erlangung der Wiedervereinigung unserer Heimat mit dem Bundesland Tirol und dem Vaterland Österreich blieb uns Südtirolern jedoch weiterhin versagt. … Die heute zur Eröffnung anstehende „Ständige Ausstellung“ heißt „BAS – Opfer für die Freiheit“ und würdigt den Einsatz und das Leiden der Südtiroler Freiheitskämpfer und Freiheitskämpferinnen der 60er Jahre und ihrer Familien.

Im Friedhof von St. Pauls gedenken der Südtiroler Heimatbund und der Südtiroler Schützenbund alljährlich am 8. Dezember aller verstorbenen Aktivisten der 60er Jahre, die sich für die  Einheit und Freiheit Tirols aktiv eingesetzt haben.

 Auf der Gedenktafel neben dem Gefallenendenkmal sind stellvertretend für alle Sepp Kerschbaumer,  Franz Höfler, Toni Gostner, Luis Amplatz, Jörg Klotz und Kurt Welser verewigt. Ihnen und ihren Familienangehörigen, aber auch allen übrigen Aktivisten der angesprochenen Zeit soll diese ständige Ausstellung in Dankbarkeit für ihre erbrachten Opfer gewidmet sein.“

Das Südtiroler Internetportal UNSER TIROL 24  lieferte über die Ausstellungseröffnung nachstehenden Bericht:

Bildergalerie: BAS – Opfer für die Freiheit. Ausstellung in Bozen eröffnet

Die Dauerausstellung unter den Namen „BAS – Opfer für die Freiheit“ veranschaulicht das Geschehen in all seinen Facetten und liefert erstmals einen eindrucksvollen Einblick darüber, wie der Widerstand von Sepp Kerschbaumer und seinen Getreuen organisiert und durchgeführt worden ist

Bild Egon Zemmer

Erstmals öffentlich präsentierte Exponate

Die Ausstellung „BAS – Opfer für die Freiheit“ erinnert an Verdienste, Leiden und Opfer der Verfolgten und ihre(r) Familien – auch und gerade weil sie in der überwiegenden Zahl der Fälle ohne Dank geblieben sind. Die meisten der erstmals in aller Öffentlichkeit präsentierten Exponate entstammen der „Mitterhofer-Sammlung“. Sepp Mitterhofer aus Meran-Obermais, ein bisher von der Südtiroler Politik unbedankt gebliebener BAS-Aktivist der ersten Stunde, jetzt Ehrenobmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB), in dem sich am 9. Februar 1974 ehemalige Freiheitskämpfer zusammenschlossen, hat sie über Jahrzehnte hin zusammengetragen und beherbergt. Seine Sammlung bildet den Kern der Ausstellung „BAS – Opfer für die Freiheit“.

Ausgestellt werden zudem weitere Objekte aus dem Besitz von BAS-Aktivisten bzw. deren Nachkommen. Aus dem „BAS-Archiv“, dem im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck vorhandenen Vorlass der BAS-Aktivisten Herlinde und Klaudius Molling, sind Leihgaben ausgestellt, welche die mitunter einfachen Methoden veranschaulichen, derer sich die Freiheitskämpfer bedienen mussten. Ein reichhaltig ausgestatteter Ausstellungskatalog stellt in Wort und Bild eindrucksvoll den inneren Zusammenhang von Exponaten und Geschehenshistorie her.

Zeitzündvorrichtung; Bild Egon Zemmer

 

Keine Verherrlichung von Gewalt

Die Ausstellung befindet sich in Bozen, Lauben 9, und ist von Dienstag bis Samstag (jeweils von 10–12 Uhr und von 15-17 Uhr) geöffnet. Nach Vereinbarung sind Gruppenführungen auch außerhalb dieser Zeiten möglich. Initiatoren sind der Andreas-Hofer-Bund Tirol (AHB; Innsbruck) und der Südtiroler Heimatbund (SSB; Bozen). Großzügiges Mäzenatentum der (von der in Australien lebenden Österreicherin Dr. Helga Christian 1966 eingerichteten) Laurin-Stiftung (Liechtenstein) hat ihre Einrichtung als Dauerausstellung erst ermöglicht.

„BAS – Opfer für die Freiheit“ verherrlicht keineswegs Gewalt und/oder Terrorismus. Sie legt anhand von Einzelobjekten offen, wozu Männer und Frauen imstande sein können (und müssen), die keinen anderen Weg mehr sehen, als zur Tat zu schreiten, um die im Lügengewand des „demokratischen Staates“ ausgeübte Gewaltherrschaft gegen die in fremdnationaler Umgebung zu leben gezwungenen Landsleute durch gezielte Attacken zu unterminieren – wenn der gütlichen Worte genug gewechselt sind, ohne dass sich Besserung/Befriedung einstellt.

Solche mittelalterlichen Schraubzwingen verwendeten damals die Carabinieri als Handfesseln. Zusätzlich wurden die Gefangenen aneinander gekettet.

 Eine Herausforderung

Eine Herausforderung für diese erstmalige Ausstellung über den BAS bestand darin, dass sowohl die „offizielle“ italienische, als auch die wissenschaftliche und journalistische Publizistik im deutschsprachigen Raum deren Aktivisten politisch in die „recht(sradikal)e Ecke“ stellt(e). Das wird jedoch weder den handelnden Personen noch ihrer Sache gerecht. In den für die damalige Südtirol-Politik entscheidenden Jahren waren unter den BAS-Leuten (in Südtirol wie in Österreich und Deutschland) fast alle gängigen politischen Weltanschauungen vertreten; ihren führenden Köpfen ging es vor allem darum, dass „etwas geschehen muss“.

Die allen Bevölkerungsschichten entstammenden Südtiroler BAS-Aktivisten handelten schlicht und ergreifend aus dem Beweggrund, als Tiroler Patrioten Heimat und Volkskultur vor der schieren Gefahr „ewiger Italianità“, der vom „demokratischen Italien“ bruchlos übernommenen Zielsetzung des Faschismus, somit vor dem von Kanonikus Gamper beschworenen „Todesmarsch der Südtiroler“ (s.o.) zu bewahren. Dies just auch für die Anschauung Nachgeborener nachvollziehbar zu machen, ist das hehre Ziel dieser durch und durch für gelungen zu erachtenden Ausstellung.

Ein Originalbrief Sepp Kerschbaumers an seine Frau Maria aus dem Kerker.

Soweit der Bericht  von „UNSER TIROL 24“.

Weitere Informationen und Bilder sind im Ausstellungskatalog zu finden:

Hier ein sehenswertes Video zur Ausstellungseröffnung.

Hier ein Bericht in italienischer Sprache.

Hier ein Gastbeitrag des Zeithistorikers und Publizisten Prof. Dr. Dr. h.c. Olt auf der Internetseite des Magazins „Info-DIREKT“.




Anschluss 1938: Der Beginn einer Katastrophe – auch für Südtirol

Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen zusammen mit starken Sondereinheiten von Polizeikräften in Österreich ein, die sofort Verhaftungen und Deportationen „reichsfeindlicher“ Personen einschließlich Menschen jüdischer Abstammung vorzunehmen begannen.

Am 13. März 1938 beschloss nach dem Rücktritt des bisherigen Bundeskanzlers Dr. Schuschnigg die neue österreichische „Anschluss-Regierung“ unter Seyß-Inquart die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“

Adolf Hitler war bereits am 12. März 1938 in Linz eingetroffen, und setzte unter dem Beifall riesiger Zuschauermengen seinen Triumphzug nach Wien fort.

Die seit der Weltwirtschaftskrise in Elend lebenden Österreicher wussten von dem Wirtschaftsaufschwung im deutschen Reich, welcher durch die antizyklische Wirtschafts- und Investitionspolitik des Reichsbankpräsidenten und Reichswirtschaftsministers Hjalmar-Schacht angekurbelt worden war. Nun erwarteten sich die Menschen auch für Österreich Vollbeschäftigung und ein Ende der Not.

Hätten die Menschen geahnt, in welche Katastrophe Hitler sie und ganz Europa führen würde, wäre die Stimmung wohl eine andere gewesen.

Die seltsame Rolle der Bischöfe und des Sozialdemokraten Dr. Karl Renner

Um den Anschluss vor der Weltöffentlichkeit zu legitimieren, ordnete Hitler für den 10. April 1938 eine Volksabstimmung über den „Anschluss“ an.

Es ist heute üblich, nahezu ausschließlich das damalige Fehlverhalten der Masse der Bevölkerung zu verurteilen, ohne die Rolle der damaligen Führungspersonen in den verschiedenen politischen Lagern zu werten. Diese mussten jedoch mehr Kenntnisse als der Durchschnittsbürger über das Wesen des NS-Reiches besessen haben. Trotzdem kam es von deren Seite zu massiven Unterstützungen des Anschlusses – nicht an ein demokratisches Deutschland, sondern an die NS-Diktatur.

Die freudige Zustimmung der Bischöfe zu dem Wirken  der NSDAP und zu dem Anschluss

Kardinal Innitzer wurde propagandawirksam bei der Abgabe seines Stimmzettels für den Anschluss Österreichs fotografiert

Am 18. März übersandte Kardinal Innitzer eine Proklamation der österreichischen Bischöfe an den NS-Gauleiter Bürckel und schrieb in einem Begleitbrief: „Sie werden aus ihr (der Proklamation) sehen, dass wir Bischöfe aus freiem Willen und nicht gezwungen unsere nationale Pflicht erfüllt haben. Ich weiß, dass dieser Erklärung eine gute Zusammenarbeit folgen wird.“ Der Brief schloss mit „Heil Hitler“, vom Kardinal eigenhändig über seinen Namen geschrieben.

Die übermittelte Erklärung der Bischöfe lautete:

 „Aus innerster Überzeugung und mit freiem Willen erklären wir unterzeichneten Bischöfe der österreichischen Kirchenprovinz anlässlich der großen geschichtlichen Geschehnisse in Deutsch-Österreich:

 Wir erkennen freudig an, dass die nationalsozialistische Bewegung auf dem Gebiet des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie der Sozial-Politik für das Deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten Schichten des Volkes Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir sind auch der Überzeugung, dass durch das Wirken der nationalsozialistischen Bewegung die Gefahr des alles zerstörenden gottlosen Bolschewismus abgewehrt wurde.

 Die Bischöfe begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren besten Segenswünschen und werden auch die Gläubigen in diesem Sinne ermahnen. Am Tage der Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständlich nationale Pflicht, uns als Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen, dass sie wissen, was sie ihrem Volk schuldig sind.

 Wien, am 18. März 1938.

Unterzeichnet von Innitzer und Bischöfen Österreichs.“

Selbstverständlich ließ es sich die NS-Propaganda nicht nehmen, den Innitzer-Brief und die Erklärung der Bischöfe auf großen Plakaten in ganz Österreich zu verbreiten.

Dr. Karl Renner: Öffentliches JA zum Anschluss!

Der in der Zeit des Ständestaates von der politischen Tätigkeit ausgeschlossene ehemalige sozialdemokratische Staatskanzler Dr. Karl Renner war immer noch eine bedeutende Persönlichkeit und eine politische Ikone seiner Genossen.

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen ergriff Dr. Renner selbst die Initiative und bot von sich aus den neuen Machthabern die propagandistische Unterstützung des Anschluss-Projektes an. Am 3. April 1938 erschien in der Tageszeitung „Neues Wiener Tagblatt“ ein Interview mit Renner, welches nicht anders als eine Aufforderung verstanden werden konnte, bei der bevorstehenden Volksabstimmung mit „JA“ zu stimmen.

Renner erklärte unter anderem:

Ich habe als erster Kanzler Deutschösterreichs am 12. November 1918 in der Nationalversammlung den Antrag gestellt und zur nahezu einstimmigen Annahme gebracht: ‚Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik.‘

Ich habe als Präsident der Friedensdelegation zu St-Germain durch viele Monate um den Anschluß gerungen … seit 1919 in zahllosen Schriften und ungezählten Versammlungen im Lande und im Reiche den Kampf um den Anschluß weitergeführt.

Obschon nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne, errungen, ist der Anschluß nunmehr doch vollzogen, ist geschichtliche Tatsache, und diese betrachte ich als wahrhafte Genugtuung für die Demütigungen von 1918 und 1919, für St-Germain und Versailles.

Ich müßte meine ganze Vergangenheit als theoretischer Vorkämpfer des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen wie als deutschösterreichischer Staatsmann verleugnen, wenn ich die große geschichtliche Tat des Wiederzusammenschlusses der deutschen Nation nicht freudigen Herzens begrüßte. …

Als Sozialdemokrat und somit als Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen, als erster Kanzler der Republik Deutschösterreich und als gewesener Präsident ihrer Friedensdelegation zu St-Germain werde ich mit Ja stimmen.“

Karl Renner musste zu diesem Zeitpunkt gewusst haben, dass die Führungsebene der Sozialdemokratie im Reich bereits in den Konzentrationslagern saß. Er musste von den Judenverfolgungen gewusst haben. Ihm konnte insgesamt nicht entgangen sein, dass es sich 1938 nicht um einen Anschluss Österreichs an ein demokratisches und föderalistisches Deutschland handelte, sondern um den Anschluss an eine sich immer hemmungsloser entwickelnde Diktatur.

Für Renner selbst hatte seine Erklärung die angenehme Folge, dass er während des gesamten Krieges von der Gestapo unbehelligt blieb, in kein Konzentrationslager verschleppt wurde und somit nach Kriegsende wieder als sozialistischer Spitzenpolitiker zur Verfügung stehen konnte.

Renner nach dem Krieg: Das „JA“ zum Anschluss war eine sozialrevolutionäre Handlung gegen den Nationalsozialismus gewesen

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Dr. Karl Renner sein Verhalten auf skurrile Weise zu rechtfertigen versucht. In seinem Nachlasswerk „Österreich von der Ersten zur Zweiten Republik“ (Bd. II, Wien 1953, S. 202f) erklärte Renner, dass sein opportunistisches Verhalten eigentlich klassenkämpferisch-sozialrevolutionär motiviert gewesen sei. Man habe sich im engen Kreis beraten und sei zu folgender Schlussfolgerung gelangt: Die Arbeiterklasse müsse zuerst die NS-Herrschaft erleben, um dann von ihr enttäuscht zu werden. Dann würde sie entschlossen den Kampf aufnehmen. Durch „diese Beratungen im engen Kreis“ ermutigt, habe Renner dann seine Erklärung abgegeben.

Das Abstimmungsergebnis

Nach damaligen offiziellen Angaben hatten 4,45 Millionen Menschen abgestimmt und 99,7 Prozent hatten für den Anschluss gestimmt. An die 360.000 Menschen waren allerdings aus rassischen, politischen oder anderen Gründen von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen. (Angaben aus: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 523)

Das von den Bischöfen und von „politischen Vorbildern“ wie Dr. Karl Renner so tatkräftig geförderte Ergebnis war natürlich Wasser auf die Mühlen der NS-Propaganda gewesen.

Es verwundert nicht, dass in diesem Gedenkjahr die meisten Politiker und Publizisten die Rolle der damaligen Protagonisten verschwiegen haben und sich lieber über das Fehlverhalten des einfachen Volkes verbreitert haben. Eine rühmliche Ausnahme bildet hier allerdings der ehemalige Salzburger ÖVP-Landeshauptmann und Historiker Univ.-Prof. Dr. Franz Schausberger, welcher am 7. März 2018 in der „Wiener Zeitung“ einen Gastbeitrag über den Anschluss unter dem Titel „Deutschnational waren sie irgendwie alle – Die Rolle der österreichischen Parteien von dem ‚Anschluss‘ 1938“ veröffentlichte, in welchem er Renners Rolle nicht verschwieg: „Renner bot den Nazis sogar an, in einer Plakataktion und in Zeitungen Propaganda für ein ‚Ja‘ bei der ‚Anschluss‘-Abstimmung zu machen.“

Die große Täuschung  und der Weg in die Katastrophe

Auch in Nordtirol und Südtirol wurde der Anschluss auch von zahlreichen Menschen begrüßt, welche selbst ideologisch mit dem Nationalsozialismus nichts gemein hatten.

In seinem Parteiprogramm hatte Hitler „den Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker“ gefordert gehabt.

Nun stand Deutschland am Brenner – doch die Hoffnungen der Tiroler waren vergebens

Nun stand Deutschland am Brenner und daher war die Erwartungshaltung groß, dass bald auch die Rückkehr Südtirols in ein gemeinsames Vaterland zu erwarten sei. In Tirol verbreitete sich das möglicher Weise bewusst in Umlauf gesetzte Gerücht, Italien habe Südtirol bedingungslos an Deutschland abgetreten. Diese Mär gelangte bis nach Südtirol, wo auf den Bergen Freudenfeuer entfacht wurden.

Als nach wenigen Tagen der Gauleiter Hofer das Gerücht dementierte, schlug die Stimmung um. In Innsbruck bedrohten Menschenmengen das italienische Konsulat und mussten durch die Polizei zerstreut werden.

Hitler war Mussolini dankbar und ergeben

Was die Menschen bislang nicht gewusst hatten, war, dass Hitler sein großes Vorbild Mussolini abgöttisch bewunderte und diesem zutiefst ergeben war.

Hitler hatte sowohl ideologisch wie symbolisch den Faschismus komplett kopiert. Dies äußerte sich in der Übernahme der Bezeichnung „Duce“-„Führer“ ebenso, wie im Nachäffen der Äußerlichkeiten. Aus dem „Saluto Romano“, dem „Römischen Gruß“, wurde der „Deutsche Gruß“. Die SA trug nach faschistischem Vorbild „römische“ Standarten und das Braunhemd analog zu dem faschistischen Schwarzhemd.

Aus dem „Saluto Romano“, den hier Feldkaplane der Alpini zeigten, wurde im NS-Staat der „Deutsche Gruß“.

Was die Menschen ferner nicht wussten, war, dass Hitler bereits seit Jahren immer wieder in Gesprächen mit italienischen Diplomaten und Politikern um eine enge Zusammenarbeit mit Mussolini geworben und dabei mehrfach versichert hatte, er verstehe es, dass die Aufrechterhaltung der Brennergrenze für Italien unerlässlich sei.

Was die Menschen nun bei Hitlers Einmarsch nicht wussten, war, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Vertrauensmann Hitlers in Rom bei dem Diktator Benito Mussolini weilte. Es war dies Prinz Philipp von Hessen, ein Schwiegersohn des italienischen Königs und Gruppenführer der SA sowie Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP.

Prinz Philipp von Hessen mit seiner Gattin Mafalda

Am 11. März 1938 überreichte der Prinz dem Duce Mussolini einen Brief Hitlers, in welchem Hitler mitteilte: „Ich ziehe jetzt eine klare Grenze gegenüber Italien. Es ist der Brenner. Diese Entscheidung wird niemals weder in Zweifel gezogen noch angetastet werden.“ (Aus den Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 21)

Gleichzeitig informierte der Prinz den italienischen Diktator darüber, dass Hitler nun in Österreich einmarschiert sei, um den Anschluss zu vollziehen. Mussolini reagierte freundschaftlich.

Umgehend ließ Prinz Philipp eine Telefonverbindung aus Rom zu Adolf Hitler in Linz herstellen, welcher hasardiert und bis zuletzt nicht gewusst hatte, ob Italien gegen seinen Einmarsch in Österreich nicht doch militärisch reagieren würde.

Prinz Philipp berichtete Hitler, er käme soeben zurück aus dem Palazzo Venezia, dem Regierungssitz Mussolinis. Der Duce habe die ganze Sache sehr freundlich aufgenommen und er lasse Hitler herzlich grüßen.

Hitler fiel ein Stein von der Brust. Er erwiderte: „Dann sagen Sie Mussolini bitte, ich werde ihm das nie vergessen. … Nie, nie, nie. Wenn die österreichische Sache jetzt aus dem Weg geräumt ist, bin ich bereit, mit ihm durch dick und dünn zu gehen, das ist mir alles gleichgültig. … ich mache jetzt auch jedes Abkommen -, ich fühle mich jetzt auch nicht mehr in der furchtbaren Lage, die wir doch eben militärisch hatten für den Fall, daß ich in den Konflikt gekommen wäre. Sie können ihm jetzt nur mal sagen, ich lasse ihm wirklich herzlich danken, ich werde ihm das nie, nie vergessen … Ich werde ihm das nie vergessen.“ (Das Gespräch ist als Niederschrift überliefert in den Akten des Internationalen Militärtribunals Nürnberg und wiedergegeben in: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 280f)

Hitler im Mai 1938 bei seinem Freund Mussolini in Rom – Bald verherrlichten sogar Briefmarken das enge Bündnis der beiden Diktatoren

Anfang Mai 1938 besuchte der dankbare Hitler seinen Freund Mussolini in Rom. Am 9. Mai 1938 berichtete das Parteiorgan „Völkischer Beobachter“, was Hitler am 7. Mai 1938 in einer Rede in Rom verkündet hatte:

„Belehrt durch die Erfahrung zweier Jahrtausende wollen wir beide, die wir nun unmittelbare Nachbarn geworden sind, jene natürliche Grenze anerkennen, die die Vorsehung und die Geschichte für unsere beiden Völker ersichtlich gezogen haben. Sie wird dann Italien und Deutschland, durch die klare Trennung der Lebensräume der beiden Nationen, nicht nur das Glück einer dauernden Zusammenarbeit ermöglichen, sondern auch als Brücke gegenseitiger Hilfe und Unterstützung dienen. Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, daß es deshalb die von der Natur zwischen uns beiden aufgerichtete Alpengrenze für immer als eine unantastbare ansieht.“ (Wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 26)

Das Raubgut als „Brücke“ der Verständigung

Bereits in dieser Äußerung Hitlers ist die auch heute so oft zu hörende Propagandaformel enthalten, wonach Raubgut als „Brücke“ der Verständigung zwischen Räuber und Beraubtem dienen solle.

 Der Gott sei Dank unvollendet gebliebene Ethnozid

Hitler hatte den Weg freigegeben, eine „endgültige Lösung“ der Südtirol-Frage durch Ethnozid, einen kulturellen Völkermord ohne körperliche Vernichtung der Betroffenen, herbei zu führen.

Es war dies das Projekt der „Option“ mit anschließender Umsiedlung der „Geher“ in das Reich und Italianisierung der „Bleiber“.

Im Auftrag Hitlers begannen hochrangige NS-Funktionäre hinter den Kulissen mit Rom das kommende Optionsabkommen auszuhandeln. Mit dessen Vollzug sollten die Südtiroler 1939 dann vor eine schreckliche Entscheidung gestellt werden: Verlust der Heimat und Erhaltung des Volkstums oder Verbleib in der Heimat bei Verlust des Volkstums.

Die Option sollte unendliches Leid über die deutsch-ladinische Volksgruppe bringen und diese auch spalten.

Etwa 76 000 von etwa 211 000 Südtiroler, die für das Reich optiert hatten, wurden über den Brenner ausgesiedelt, dann stoppten die Kriegsereignisse diese schreckliche Aktion, an welche später eine Postkarte exilierter Südtiroler erinnerte.

Von den Ausgesiedelten konnte nach dem Krieg bis 1952 nur rund ein Drittel wieder in die Heimat zurückkehren.




„Er brachte Licht in das dunkle Kapitel der Sechzigerjahre“

Anerkennung für einen verdienten österreichischen Historiker – Der Südtiroler Heimatbund (SHB) ehrt Oberst Mag. Dr Hubert Speckner anlässlich seines 60. Geburtstags:

Mag. Dr. Hubert Speckner ist Historiker und zugleich Oberst des österreichischen Bundesheeres. Er lehrt an der Landesverteidigungsakademie in Wien.

Hubert Speckner
Mag. Dr. phil. Hubert Speckner

Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) ist eine von ehemaligen politischen Häftlingen und Südtiroler Freiheitskämpfern gegründete Vereinigung, welche sich dem Dienst an der Heimat verpflichtet fühlt und für das grundlegende Menschenrecht auf Selbstbestimmung eintritt.

Am 15. März feierte der österreichische Historiker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner in Bozen seinen 60. Geburtstag.

Es gratulierten ihm vor Ort der Heimatbundobmann Roland Lang, der Vizeobmann Luis Pixner sowie Cristian Kollmann. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung überreichten sie ihm ein Ölgemälde, darstellend Andreas Hofer im Kreise seiner engsten Mitstreiter Kajetan Sweth, Josef Speckbacher und Joachim Haspinger.

l. n. r.: Sylvia Speckner, Hubert Speckner, Roland Lang, Luis Pixner, Cristian Kollmann
l. n. r.: Sylvia Speckner, Hubert Speckner, Roland Lang, Luis Pixner, Cristian Kollmann

In einer Presseaussendung des SHB hieß es dazu:

„Mag. Dr. phil. Hubert Speckner, geboren am 15. März 1958 in Melk an der Donau, studierte Geschichte und Germanistik in Innsbruck, Graz und Wien und ist Träger des Ludwig-Jedlicka-Gedächtnispreises.

Speckners Monographien Zwischen Porze und Roßkarspitz … : der „Vorfall“ vom 25. Juni 1967 in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten (Wien 2013) und Von der „Feuernacht“ zur „Porzescharte“ … : das „Südtirolproblem“ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten (Wien 2016) erregten große Aufmerksamkeit. Sie sind das Ergebnis und der Ertrag disziplinierter langjähriger, umfassender Studien der Akten des Österreichischen Staatsarchivs sowie von Akten des österreichischen Innen- und Außenministeriums, die nicht frei zugänglich sind. Der Autor deckte auf, dass besonders der Vorfall auf der Porzescharte von italienischer Seite immer wieder dazu benutzt wurde, um die Freiheitskämpfer als Mörder hinzustellen.

Speckners Bücher über die Sechzigerjahre sind eine akribische Aufarbeitung der damaligen Zeit und fußen auf amtlichen Dokumenten in österreichischen Archiven. Dank seiner fundierten Recherchen kann Speckner als einer jener wenigen zeitgenössischen Historiker angesehen werden, die noch forschen und nicht nur von Kollegen abschreiben. Denn so manche Frage an mich betraf den einen oder anderen Sprengstoffanschlag in den Sechzigerjahren. Speckner war unentwegt auf der Suche nach zusätzlichen Auskünften, nach Zeitungsberichten und Zeitzeugen. Hubert und seine Frau Sylvia sind bodenständige Menschen, mit denen man gerne zusammensitzt. Neben Speckners Büchern haben auch seine zahlreichen Vorträge besonders jungen Südtirolern viel Wissenswertes über die damaligen Geschehnisse vermittelt.

Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes“

Speckners Aufsehen erregende Forschungsergebnisse:

„Zwischen Porze und Roßkarspitz …“: Enthüllungen über den „Anschlag“ auf der Porzescharte

Buch "Zwischen Porze und Roßkarspitz"Im Jahre 2013 hatte ein Werk des Autors Aufsehen erregt. In einer Dokumentation namens „Zwischen Porze und Roßkarspitz …“, welche sich auf bislang nicht bekannte Akten und Dokumentarfotos der österreichischen Sicherheitsdienste stützte, hatte Speckner akribisch nachgewiesen, dass ein angeblicher Anschlag österreichischer „Täter“ auf der Porzescharte mit vier italienischen Opfern am 25. Juni 1967 nicht so stattgefunden haben konnte, wie es die offiziellen italienischen Darstellungen schilderten.

Damals, im Jahre 1967, zur Zeit der Ereignisse auf der Porzescharte an der österreichisch-italienischen Grenze war die österreichische Bundesregierung unter dem Kanzler Dr. Josef Klaus an einer tatsächlichen Aufklärung nicht interessiert gewesen, hatte sie doch unter dem Druck des italienischen Vetos gegen einen EWG-Beitritt Österreichs gestanden, welches nur aufgehoben werden sollte, wenn die österreichische Regierung sich allen Wünschen Roms beugte.

Also hatte man damals drei von den Italienern beschuldigte Österreicher verhaftet und vor Gericht gestellt. Dort konnten sich diese allerdings freibeweisen. Sachverständige stellten zudem fest, dass auch aus Gründen des Zeitablaufs diese Personen nicht als Täter in Frage kommen konnten.

Die offizielle italienische Version des Ereignisses auf der Porzescharte wurde von den italienischen Medien willig aufgenommen. „Wer sind die Mörder unserer 4 Soldaten“, fragte die Zeitschrift „Domenica del Corriere“. Im Inneren des Blattes wurde die Antwort gegeben: Natürlich die „terroristi“!

Speckner hatte nun – viele Jahre später – die im Österreichischen Staatsarchiv aufgefundenen Aktenbelege noch durch Ortsbegehungen und weitere Sachverständigenuntersuchungen ergänzt, welche den damaligen in Wien erfolgten gerichtlichen Freispruch eindeutig bestätigten.

Tatsache ist, dass die vom Osttiroler Bezirksauptmann Dr. Othmar Doblander unmittelbar nach dem Ereignis festgestellte „Tatort“-Beschreibung nicht mit dem Ergebnis der neun Tage später erfolgten „Tatort“-Untersuchung durch eine gemischt österreichisch-italienische Kommission übereinstimmt. Somit war in der Zwischenzeit der „Tatort“ geschaffen worden.

Rechtswidrig war, dass der von Dr. Doblander verfasste und an den Sicherheitsdirektion von Tirol, Herrn Dr. Peterlunger gesandte, die angeblichen Täter entlastende „Tatort“-Bericht aus politischen Gründen weder dem Justizminister  und schon gar nicht dem in Wien tagenden Gericht vorgelegt wurde.

Es bleibt somit der bereits damals schon von Zeitzeugen geäußerte Verdacht, dass hinsichtlich des behaupteten Geschehens eine italienische Geheimdienstmanipulation vorlag, wonach Opfer einer italienischen militärischen Verminungsübung der Öffentlichkeit als Opfer blutrünstiger  „Südtirol-Terroristen“ präsentiert wurden. Der damalige, parteiunabhängige österreichische Justizminister Univ.-Prof. Dr. Heinz Klecatzky nannte 2010 als Verursacher des Vorfalls eine „ inneritalienische Manipulation“. Der renommierte Präsident der Belluneser Anwaltskammer, Dott. Peppino Zangrando kam nach jahrelangen Recherchen ebenfalls zum Ergebnis, dass der Vorfall auf der Porzescharte sich so nicht zugetragen haben kann, wie von Italien offiziell dargestellt wird.

Das Buch in italienischer Übersetzung

Dieses Buch sorgte nicht nur in Südtirol und allen Fachkreisen in Österreich und Deutschland für Aufsehen. Es wurde auch ins Italienische übersetzt und trägt vor allem in Südtirol und im Trentino dazu bei, dass auch italienische Mitbürger sich ein Bild abseits der damaligen offiziellen staatlichen Propaganda Roms machen können.

Hubert Speckner: „Zwischen Porze und Roßkarspitz …“ (Wien Verlag Gra&Wis 2013; ISBN 978-3-902455-21-5)

„Von der Feuernacht zur Porzescharte“: Italienische Geheimdienste hatten bei „verwerflichen“ Anschlägen die Hand im Spiel

Dass es in der heißen Zeit der Anschläge der 1960er Jahre noch eine ganze Reihe offenkundiger Geheimdienstmanipulationen zu Lasten der Freiheitskämpfer gegeben hat, enthüllte Mag. Dr. Speckner 2016 in einem neuen Werk mit dem Haupttitel „Von der Feuernacht zur Porzescharte“ und dem Untertitel „Das ‚Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“.

Speckner hatte auch diesmal Zugang zu allen relevanten und Jahrzehnte lang geheimen sicherheitsdienstlichen Unterlagen der Republik, welche sich mit Anschlägen in Südtirol während der Zeit des Freiheitskampfes befassten. Das Ergebnis seiner Aktenauswertung war sensationell: Bei einer ganzen Reihe von Anschlägen, welche gezielt auch Zivilbevölkerung in Gefahr gebracht hatten oder hätten bringen können, hatten offenbar italienische „Dienste“ ihre Hand mit im Spiel gehabt. Hier war es darum gegangen, die „terroristi altoatesini“ als gewissenlose und verruchte Täter darzustellen, welche auf die Vernichtung von Menschenleben abzielten.

Tragische Unfälle, denen Menschenleben zum Opfer gefallen waren, wurden nachträglich in „Terroranschläge“ umgewandelt. In anderen Fällen ließ sich eine provokatorische Steuerung im Hintergrund erkennen.

Speckner dokumentierte auch Anschläge, die von italienischen Neofaschisten verübt worden waren und bei denen versucht worden war, sie Österreichern in die Schuhe zu schieben, welche von der italienischen Propaganda gleichzeitig als „Nazis“ abgestempelt wurden.

Hubert Speckner: „Von der ,Feuernacht‘ zur ,Porzescharte‘. Das ,Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“ (Wien Verlag Gra&Wis 2016; ISBN 978-3-902455-23-9)

Über die wissenschaftliche Leistung des Historikers Mag. Dr. Speckner hat der Historiker und Publizist Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt dankenswerter Weise eine Abhandlung zur Verfügung gestellt, die auch schon in einem früheren SID wiedergeben wurde und hier abrufbar ist.




Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte

Vorwort, sowie Anmerkungen und Bilder von Georg Dattenböck

Einer Untersuchung des Südtiroler Landesinstituts für Statistik ASTAT aus dem Jahre 2015 zufolge herrschen bei der Vornamensgebung für Neugeborene immer noch die einheimisch-christlichen Namen vor, wenngleich seltsamste exotische Vornamen aus aller Welt, die keinerlei Bezug zur Tiroler Identität haben, manche Leser auch schon irritiert haben mögen.

Sprache ist Heimat. Aus ihr gewinnt man das Bewusstsein der eigenen Identität. In unserem SID-Beitrag zur Muttersprache haben wir auf den Literaturwissenschaftler, Germanisten, Volkskundler und Schriftsteller Ignaz Vinzenz Zingerle, Edler v. Summersberg (* 6. Juni 1825 in Meran, † 17. September 1892 in Innsbruck,) Bezug genommen.

Ignaz Vinzenz Zingerle
Ignaz Vinzenz Zingerle, Edler v. Summersberg

Zingerle hatte darauf hingewiesen, dass die deutsche Sprache gerade in Süd-Tirol mitentscheidend geprägt wurde und dies in engem Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung geschah. Er machte dies an vielen Beispielen deutlich, , die er in einem wissenschaftlichen Beitrag anführte.

Vielfach wurden wir nach unserem SID-Beitrag über die Lage der Muttersprache gebeten, diese wertvolle kulturgeschichtliche Arbeit „Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte“, welche 1856 in Stuttgart, in der von Franz Pfeiffer herausgegebenen „Vierteljahresschrift für deutsche Alterthumskunde ‚Germania‘“ erschienen war, in einem SID wieder öffentlich zu machen. Gerne kommen wir dieser Bitte nach.

Prof. Ignaz v. Zingerle: Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte

„Scheinbar Geringfügiges wird oft in der Geschichte bedeutungsvoll und wirft Licht auf Zustände, die sonst in Dunkel gehüllt wären. Dies gilt auch von den Personen- oder Taufnamen, die der Geschichtsforscher kaum eines Blickes oder einer Bemerkung würdigt.

Diese kleinen, verachteten Wörter spiegeln uns oft die Geschichte, die politischen und religiösen Sympathien, die Bildung ihrer Zeit. Was hier im Allgemeinen bemerkt ist, gilt auch für die Taufnamen, die im Mittelalter in Tirol geschöpft und gegeben wurden.

Die Sitte, daß patriotische Väter ihren Söhnen den Namen des regierenden Fürsten oder des künftigen Thronfolgers beilegen, blühte schon im Mittelalter. Die Kaisernamen Konrad, Heinrich, Friedrich, Otto, Rudolf begegnen darum am öftesten; nebst diesen finden sich in Tirol die Namen der Landesfürsten Meinhard und Sigmund am zahlreichsten.

Allein nicht nur Verehrung gegen bestimmte Heilige oder weltliche Gebieter hatte die Wahl der Taufnamen Einfluß, sondern auch die Lieblingslectüre bedingte sehr oft die Benennung eines Kindes.

Ältern, die für einen Dichter hochbegeistert waren, legten dessen Namen ihren Kindern bei; andere, die für eine Dichtung schwärmten, benannten ihre Kinder nach den Helden derselben. Dadurch wird es möglich, aus den Taufnamen auf die Lectüre des Zeitalters und auf die Bewunderung dieses oder jenes Dichtwerkes zu schließen, und in dieser Beziehung will ich die Taufnamen, wie sie das Mittelalter in meiner Heimat liebte, des Nähern besprechen.

„Am bekanntesten und beliebtesten, erzählt von Jung und Alt, waren die wunderbaren ewigen Mähren der Heldensage, die vom hohen Norden bis hinunter zu den wälschen Marken gesagt und gesungen wurden“.

Bis in den hohen Norden strahlte die Dietrich-Sage: eine Holzschnitzerei auf der Kirchentür in Valthjofsstad in Island um 1250. Kopenhagen, Nationalmuseum. Aus: Hans Friedrich Blunck: „Die nordische Welt“, Berlin.

Zingerle:

„Unter diesen stand der ostgothische Sagenkreis Tirol am nächsten. Saß ja der Amelungentrost zu Bern nahe bei Tirol und bestand in unseren Bergen die lobebären Abenteuer, zu denen uns die alten Lieder melden. Der kluge Hildebrand hatte seine Burg am grünen Gardasee und ritt mit seinem Herrn oft die Etsch herauf ins heutige Tirol. Kein Wunder deshalb, wenn Kinder die Namen dieser hochberühmten Helden, deren Thaten männiglich bekannt waren, erhielten.

Oft schon begegnet uns der Name, den Dietrichs Vater Dietmar trug. Nur beispielshalber führe ich Dietmar de Helbling 1299, Dietmar von Katzenzungen 1328, Dietmar von Vintl 1237 an. Es ließe sich sehr leicht eine große Anzahl von Edlen, die diesen Namen führten, nachweisen.

Ungleich häufiger, beinahe zahllos, kommt der Name Dietrich, des berühmtesten Amelungen, vor, z.B. Dietrich von Lienz (12. Jhdt.), Dietrich de villa S. Martini 1202, Dietrich de Zobl 1340. Dieser beliebte Name findet sich auch oft in den Formen Dieto und Dietelinus wieder“.

Relief am Hauptportal von St. Zeno in Verona: Kampf zwischen Dietrich (Theoderich) und Odoaker, rechts die Ermordung des Odokaer (Bild aus: Georg Pfeilschifter: Theoderich der Große; Mainz 1910).

Zingerle:

„An des großen Amelungen [des Ost-Gotenkönigs Dietrich] Seite stand der kluge Hildebrand, der den Herrn auf allen Zügen begleitete und sein Waffenmeister und Rathgeber war. Wie beliebt sein Name in Tirol war, mögen folgende Belege zeigen.

Ich fand Hildebrand von Weineck 1194, Hildebrand de Firmian I. 1242 und II. 1323, Hildebrand de Helbling 1277, Hildebrand de Krakofel 1256, Hildebrand von Latsch 1161, und einen Zweiten 1222, Hildebrand von Liechtenberg 1292, einen anderen 1330, Hildebrand de Caldes 1390, Hildebrand von Fuchs 1430 und 1519, Hildebrand Rasp 1370, und 1460, Hildebrand de Greifenstein 1311, Hildebrand de Niederthor 1185, Hildebrand von Perchtingen 1267 und 1320, Hildebrand von Mils 1288. In der Familie der Grafen von Brandis allein sind mir sechs Hildebrande bekannt. –

Den Namen Herbrand, den Hildebrands Vater und ein Held Dietrichs, sowie Sintrams Vater führten, trugen Herbrand de Milun 1145 und Herebrand von Anras 1305.

Des Waffemeisters Sohn Alebrand findet sich vertreten durch Alebrand von Nän 1468 und Alebrand von Caldonazi 1257.

Von den Helden, die den Preis der Amelungen umgaben und ihn nach Worms und auf andere Abenteuer begleiteten, finden sich folgende in Taufnamen wieder:

a. Wolfhart, Wolfhart von Fuchs 1346 und 1434, Wolfhart Zobl 1370, II. 1422, Wolfhart von Koburg 1490, Wolfhart Mexner 1374, Wolfhart de Niderndorf 1324 (?).

b. Wittich, B. Wittich de Monte 1270 Wittich ob dem Berge 1420, Wittich de Mellûn 1164,

Wittich von Matrei 1254 (?), Wittich de Völthurns 1221, Wittich de Bozen 1245.

c. Alphart, B. Alphart de Greifenstein 1350, Alphart von Goldeck 1392.

d. Eckart, z .B. Eckart von Ried 1361, Eckart von Garnstein 1162, Eckart von Intechingen 1257, Eckart von Villanders, Ekcart von Trostburg.

Von den übrigen Namen des ostgothischen Heldenkreises konnte ich nur Heime in Heime de Rischon 1154 finden“.

Anmerkungen von Georg Dattenböck:

Der Name Hildebrand ist uns erstmals im Text des „Hildebrands-Liedes“ überliefert – hier die ersten zwei Zeilen. Das ‚Lied‘ schildert einen dramatischen Schwertkampf zwischen Vater und Sohn und den schweren Seelenkampf Hildebrands, der in seinem Wehruf an Irmingot gipfelt:

‚Ich hörte das sagen, daß sich die Herausforderer einzeln trafen, Hildebrand und Hadubrand, zwischen den Heeren, Sohn und Vater. Sie sahen nach ihrem Panzer, schlossen ihr Schirmhemd, gürteten sich ihr Schwert um, die Reisigen über die Ringe, da sie zu jenem Streit ritten…‘.

In der nordischen ‚Thidrekssaga‘ ist ‚Brynhild‘ die Herrin einer Burg: diese war dadurch berühmt, daß auf dem Gestüt der Burg die wertvollsten Hengste gezüchtet wurden. Der Name ‚Brynhild‘ bedeutet: ‚die im Brustpanzer Streitende/Kämpfende‘. Mit ‚Brynhild‘ wurde deshalb, nach Ansicht des Verfassers, die Römische Armee bezeichnet: die röm. Legionäre trugen Brustpanzer, die Germanen nicht, wie diese wissenschaftlich exakt nachgebaute Rüstung eines römischen Offiziers zeigt.  Die Germanen nannten diese Brustpanzerbrunni-hiltja‘, in der Sage ist es „Brynhild‘. (Foto: G. Dattenböck).

Nahe des Kastells Vemania war eine Pferdezuchtanstalt der Römischen Armee im heutigen Betmauer in Schwaben: ‚Brynhildes Gestüt‘. In dieser Burg ‚Brynhilds‘ lebte auch jener in der Sage erwähnte Rossezüchter Studder mit seinem Sohn Heime. Schon in Heimes Kindheit erkannte sein Vater, daß Heime nicht sein Erbe antreten wird.

Heime beschloß als junger Mann, Dietrich von Bern zum Zweikampf herauszufordern. So ritt er mit seinem Hengst ‚Rispe‘ und seinem Schwert namens ‚Blutgang‘ zur Berner Klause, wo er sich in einem äußerst harten Zweikampf dem Dietrich geschlagen geben mußte. Trotz seiner Niederlage schloß  Heime sich der Schar von Dietrichs Schwertgenossen an.

Heime brachte als Geschenk für Dietrich den herrlichen Hengst ‚Falke‘ aus Vaters Gestüt nach Bern, den auch Dietrich ritt. Dietrich schenkte im Gegenzug Heime sein Schwert ‚Nagelring. Ist es nur reiner Zufall, daß wenig südlich des ehemaligen Römerkastell Vemania in Schwaben, der Ort ‚Nagelringen an der ehemaligen römischen Heerstraße liegt? Dieses römische Reiterkastell Vemania liegt 35 km vor Bregenz. Der dem Kastell nahe Ort Heimenkirch soll seinen Namen dem Germanenfürsten Heimo verdanken. Bei Heimenkirch und drei weiteren Orten fanden sich Reste römischer Burgi (Wachtürme), die zwischen den größeren Kastellen im Abstand von ~2 km standen. Das Römerkastell Vemania war der historische Kern der im Jahre 1043 erstmals erwähnten Stadt Isny und war Teil der Kette von Kastellen des spätantiken Donau-Iller-Rhein-Limes der ehemals römischen Provinz Raetia II. Diese römischen Kastelle wurden unter Kaiser Diokletian ab 280 als Ersatz für den aufgegebenen obergermanisch-rätischen Limes eingerichtet. Die in Isny stationierten römische Reiterei hatte den ~40 Kilometer langen Grenzabschnitt bis Bregenz (Brigantium) zu überwachen.

Wie sehr die Dietrichüberlieferung in Tirol nach wie vor beheimatet ist, zeigt dieses große Gemälde aus dem Jahre 1537 an der Außenwand des ‚Riesenhauses‘ in Reith bei Seefeld. Prof. Dr. Hermann Reichert schrieb in seinem Beitrag ‚Heime in Wilten und in der Thidrekssaga‘ (S. 508 in: ‚Studien zum Altgermanischen‘. Festschrift für Heinrich Beck): „Somit ergibt sich als wahrscheinlicher Befund: Tirol hatte im 13. Jahrhundert mit Niederdeutschland die Heldenfigur Heimo/Heime gemeinsam; die niederdeutsche Quelle hält Tirol für die ‚historische‘ Heimat.“
Das riesige Gemälde auf der Hausmauer zeigt sehr anschaulich den Kampf des ‚Thyrsus‘ (Dietrich) gegen den ‚Eindringling Heimo‘. (Foto: G. Dattenböck).

Zingerle:

Öfters zeigt sich Fasold, der nach der Vilkina-Saga zu den Helden Dietrichs zählt, nach Wackernagels Lügenmärchen, Ottokar von Steiermark und Eckenausfahrt ein Riese war und zu Dietrichs Gegner gehörte, in den Genealogien tirolischer Geschlechter, als Fasold von Frundsberg 1252, Fasold von Trens 1312 und ein zweiter des Namens 1272.

Aber nicht nur nach Dietrich und seinen Helden wurden Namen geschöpft, sondern Degenkinder wurden sogar nach seinem Helm benannt. Hildegrin hieß der Helm, den König Otnit und später Dietrich von Bern trug, und sein Name findet sich in Geschlechtsregistern wieder. Mir begegnete Hildegrin von Rischon 1170 und ein Hildegrin von Niderndorf 1324.

Neben und mit den Dietrichsagen waren die Nibelungenlieder ohne Zweifel in unseren Bergen sehr bekannt und die Namen der bedeutendsten Helden der Nibelungen kehren auch in alten Personennamen wieder. Vor allem begegnet uns der strahlende Siegfried in Namen, wie Siegfried de Serentina 1166, Siegfried von Tschöz 1227, drei Siegfriede von Rothenburg (I. 1192, II. 1209, III. 1264), Siegfried von Goldeck 1231, Siegfried von Gerwig 1327, Siegfried de Rischon 1322, Siegfried von Fuchs 1257.

Von den Namen der burgundischen Könige fand ich Günther öfters, darunter Gundachar von Niwenburg 1246. Der Name des grimmen Hagen findet sich häufig, z.B. Hagen von Matrei 1254, [Anm.: dieser ist ident mit] Hagen von Fragenstein 1254.

Ungleich öfter begegnet man dem Namen Rüdegers, des bis zum Tod treuen Markgrafen von Pechelarn. Z.B. Rüdeger von Niderndorf 1259, Rüdeger von Castelrut 1331, Rüdeger von Grießingen 1255, II. 1350, Rüdeger de Intechingen 1236, Rüdiger de Helbling 1329, Rüdeger de Rischon 1170, drei Rüdeger von Langenmantel (I. 1165, II. 1200, III. 1262), Rüdeger de Albeins 1236. Rüdeger von Trens 1312, Rüdiger von Matrei 1218, Rüdeger de Metz 1208, Rüdeger de Millûn 1208.

Beinahe ebenso lebte Volker, der ritterliche Sänger, in Taufnamen fort, als Volker de Flachsberg 1231, II. 1333, Volker de Chemenaten 1236, II. 1287, Volker de Niderthor 1296.

Von den übrigen Helden findet sich Piligrin, der fromme Bischof von Passau (Pilgrin Juckl 1361, Piligrin de Castelrut I. 1240, II. 1287, Pilgrin von Torrant 1140, Pilgrin von Falkenstein I. 1297, II. 1330, III. 1366, Piligrin de Mellûn 1308) und Etzel (Etzel von Tschengla 1255, fünf Etzel von Enna bis 1347) vertreten.

Von den im Nibelungenliede vorkommenden Frauennamen begegnet uns Uta in den verschiedenen Formen Uta, Guta, Juta sehr oft (Guta de Alwines 1152, Juta de Aufenstein 1293, Guta de Castelrut 1142, Guta Karlinger 1310, Juta de Brausnberg, Uta von Matrei – dieser Name findet sich auch im Orte Utenheim/Outinheim im Jahre 970).

Auch Helka, des Etzels erste Gattin, an der ‚vil maeger juncfrowen lip verweiset was‘, klingt in vielen Frauennamen nach, als Helka von Rodank 1244, Helka von Goldeck I. 1250, II. 1280, Helka von Stegen 1344, Helka von Starkenberg 1210, Helka von Matrei 12(..), Helka von Katzenzungen 1319, Helka de Cumpan 1382. Die Namen Chriemhilde und Brünhilde fand ich in ihrer vollständigen Form nicht, desto öfter die Verkürzung Hilde, als Hilda von Maienburg 1322, Hilda von Tschengls 1329 u.a.

Daß der Name Sigmund in Tirol häufig vorkam, ist schon oben berührt worden. Schließlich glaube ich hier bemerken zu müssen, daß auch ein Nibelinus von Maienburg sich findet.

Die Helden und Frauen der Gudrun finden sich in folgenden Namen vertreten:

a. Horand, in Horand von Gorjach 1347, Horand von Trautmannsdorf

b. Hildeburg ist ein so häufiger Name, daß es genügt, nur einige Beispiele anzuführen: Hildeburg von Lichtenstein 1304, Hildeburg Stuck 1260, Hildeburg von Köstlan

c. Herwig konnte ich nirgends finden, desto öfter Gerwig, als: Gerwig de Matrei 1365, Gerwig de Montalbon 1215, Gerwig von Lichtenstein 1288, Gerwig von Liebenberg 1310, Gerwig von Rotenstein 1478“.

 

Das Walther-Denkmal auf dem Walther-von der-Vogelweide-Platz in Bozen. 1889 wurde es von Heinrich Natter geschaffen. Bild:: Von Doug Knuth from Woodstock, IL – Bolzano 1-12Uploaded by AlbertHerring, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org

Zingerle:

„Unzähliche Male kehrte der Name Walter, den der von Ekkehart besungene Königssohn aus Aquitanien und der vielseitigste der Minnesänger führten, z. B. Walter de Rodank 1123, Walter von Rubin 1162, Walter von Naturns 1308, Walter von Partschins 1303, Walter de Porta 1142, Walter von Vintl 1309, Walter de villa s. Martini 1276, Walter de Millûn 1164.

Aber nicht nur die Helden und Frauen deutscher Sage und deutscher Heldendichtung klingen in den tirolerischen Taufnamen des Mittelalters weiter, sondern auch die Dichter der Tafelrunde fanden ihre Verehrer und ihre Namensträger. Hoch vor allen gepriesen scheint der Name Parzival gewesen zu sein. In der für die deutsche Literatur und Kunst hochbegeisterten Familie der Annaberger (Anton v. Annaberg 1420-80, der als Jüngling am Rhein und in Burgund für Wissenschaft und Poesie begeistert wurde, legte eine Bibliothek auf seinem Schloß an) kommen meines Wissens allein drei dieses Namens vor (1429-1660). Ebenso führen drei Edle von Weinsack diesen Namen I. 1352, II. 1394, III. 1491. Schon im 11. Jahrhundert begegnet uns ein Parzival de Caldes (1007), später finden wir Parzival de Saleck 1357, Parzival de Tschöz 1219 u.a.

An den Parzival und Titurel zugleich erinnert der Name der schönen Sigrune, die dem Maienglanz bei thaunassen Blumen glich und deren Herzen Ehr und Heil entblühte (Titurel Str. 32). Er war der beliebteste Frauenname und fand sehr viel Trägerinnen in den ersten Familien des Landes, z.B. Siguna von Kolb 1299 und 1366, von Stufels 1327, von Heuberg 1459, von Hettingen 1391, von Perchtingen 1312, von Tschöz 1364, von Villanders 1375, von Pitrich 14(..), von Gözens 1477, von Braunsberg 1286, von Eps 1430 (?), von Freundsberg 1560.

Wie der von Wolfram gefeierte Ritter des h. Grals waren Tristan und Isolde, die der liebe Meister Gottfried so reizend und heiter besungen hat, gar wohl gekannt und geehrt. Dies zeigen uns die alten Fresken auf Runkelstein bei Bozen, dies das häufige Vorkommen derselben in Taufnamen.  So finden wir Tristan de Maienburg 1305 und 1312, II. 1329. Isolda de Maienburg 1322, Isolda von Katzenzungen 1333 und 1370, Isolda von Braunsberg 1286, Isolda von Niderthor 140(?). Hier muß bemerkt werden, daß oft der Name Saelde nach Mairhofers Genealogien auch statt Isolda gebraucht wurde, z. B. Selda von Aur 1327, Selda von Voigtsberg 1290, Selda von Parnberg 1416“.

Schloß Runkelstein liegt nahe bei Bozen auf einem Felsen hoch über der Talfer, am Eingang zum Sarntal und im Gemeindegebiet von Ritten. Runkelstein bewahrte seinen mittelalterlichen Charakter, wurde 1237 durch die Brüder Friedrich und Beral von Wangen neu erbaut. 1385 erwarben die Brüder Franz und Niklaus Vintler die Burg und begannen 1388 mit dem Umbau und der Ausmalung. Sehr bekannt sind die Malereien von Tristan und Isolde um 1410, sowie die des Artusritters Garel vom blühenden Tal. Ebenso finden sich u.v.a. auch Malereien von Dietrich von Bern, von Siegfried und von Dietleib von Steier. (Foto: G. Dattenböck.)

Die berühmten Iwein-Fresken in Schloß Rodenegg, über deren Maltechnik und kunsthistorische Bedeutung Helmut Stampfer und Oskar Emmeregger das Buch „Die Ywain-Fresken von Schloss Rodenegg“ im Athesia-Verlag, Bozen 2016, veröffentlich haben, könnten in ihrer Entstehungszeit noch in die Lebenszeit des Hartmann v. Aue fallen (†~zwischen 1210 und 1220). Nach brieflicher Mitteilung des Breisgauer Forschers Prof. Dr. Peter Volk ‚taucht der keltische Name Iwein bereits 1147/1155 in Vill vor der Burg Rodenegg auf … und damit war wahrscheinlich auch die Geschichte von Iwa(i)n bereits bekannt‘. Hartmann v. Aues Romane Erec und Iwein entstanden ~1165 und ~1177. ‚Iwein, ein deutscher Ritter, rettete 1183 die Festung Karak (in Palästina), vor einer Überrumpelung durch Saladin‘, schrieb Reinhold Röhricht in: „Die Deutschen im Heiligen Land“, S. 48, Innsbruck 1894.

Zingerle:

„Von anderen Namen aus dem Kreis der Tafelrunde fand ich sehr häufig Artus und einmal Ginovre (Anna Ginovre von Annenberg † 1667), ferner Gawein (Gawein de Maienburg 1288, Gawein Botsch 1390); Lanzelot (Lanzelot von Thurn in Glurns 1370), Wigalois (de Niderhaus 1314), Iwein (Iwein de Rothenstein 14(..).

Die so oft vorkommenden Namen Karl und Roland (Roland von Lichtenstein im 13. Jahrhundert, Roland von Schrifenstein 1497, Roland von Mareit 1349) erinnern uns an die kärlingischen Sagen.

Von Namen, die auch berühmte Dichter des Mittelalters tragen, findet sich am zahlreichsten Freidank (Freidank von Vals 1336, Freidank Göszl 1454, Freidank von Auhofen 1358, Freidank Stegen 1295, Freidank Stuck 1316), was uns nicht überraschen darf, da Freidanks Bescheidenheit in Tirol sehr bekannt und geschätzt war.

Ein Vellenburger führte den Namen Wolfram (im 14.Jhdt.). Nebst Gotfried begegnen uns öfters Hartman: Hartman de Stufels 1319; Hartman von Langenmantel 1330, Hartman Stuck 1260, und Werner: Werner von Millûn I. 1142, II. 1192, Werner de Varn 1280, Werner de Hettingen I. 1301, II. 1327, III. 1331, Werner de Völs 1120., Werner Fink von Katzenzungen I. 1260, II. 1288, III. 1318, Werner de Albeins 1143, Werner de Räsina 1176.

Aus den angeführten Beispielen, die ich in Mairhofers Genealogien de tirolischen Adels entnahm, zeigt sich, daß die Namen der berühmtesten Helden der deutschen Dichtungen des Mittelalters wohl bekannt und als Taufnamen sehr beliebt waren.

Mit dem 15. Jahrhundert verschwinden mehr und mehr die alten Namen, wie die Kenntniß der alten heimischen Dichtung und Sage allmählich erlosch. An die Stelle der ehrwürdigen schönen Namen der Altvorderen treten Benennungen wie Balthasar, Melchior, Kaspar, Eva, Zacharias, Justina, Elias, Achatius, Erasmus, Eustachius, Gabriel, Tobias, Potentiana, Ossara und ähnliche.

Freuen würde es den Verfasser dieser Zeilen, wenn er durch sie nicht nur das Augenmerk auf die reichen Namen des Mittelalters gelenkt, sondern auch dazu beigetragen hätte, den einen oder den andern wieder in Gebrauch zu rufen. Schließlich sei noch bemerkt, daß die uralten Namen Ortwein, Siegwein und Kuprian in Tirol als Geschlechtsnamen heutzutage noch vorkommen“.

Anmerkungen von Georg Dattenböck: Wissenschaftler zur Heldendichtung Tirols

Ich darf anmerken, daß bedeutende Historiker und Literaturwissenschaftler davon überzeugt sind, daß „Tirol zu jenen Gebieten des deutschen Sprachraumes gehört, wo sich die Heldendichtung länger als anderswo der Gunst der literarisch Interessierten erfreute“ (Dr. Egon Kühebacher: „Deutsche Heldenepik in Tirol. König Laurin und Dietrich von Bern in der Dichtung des Mittelalters“; Vorwort S. 5, Athesia-Verl. 1979).

Für das Epos Laurin und das Eckenlied ist es, laut Kühebacher, „jedenfalls wesentlich, daß die heldenepische und ritterlich-höfische Schicht auf volkstümlichem Südtiroler Erzählgut größtenteils ladinischer Herkunft ruht.“

Eugen Thurnher schrieb Wahres (Südtirols deutsche Dichtung, S. 68 in: Südtirol – Eine Frage des europäischen Gewissens; Hg. Franz Huter, München 1965): Es ist kein Zufall, daß die Entstehung einer eigenständigen deutschen Literatur aufs Engste mit dem Südtiroler Raum verbunden ist.

Das „Ambraser Heldenbuch“ wurde zwischen den Jahren 1504 bis 1516 von Hans Ried, Zöllner am Eisack, im Auftrag des Kaisers Maximilian I. abgeschrieben. Für unser Wissen über die gesamte mittelhochdeutsche Dichtung ist dieses Buch von unschätzbarem Wert, denn hier werden uns die mittelhochdeutschen Epen „Kudrun“, „Biterolf und Dietleib“, Hartmanns von Aues „Erec“, sowie „Meier Helmbrecht“  und das Nibelungenlied überliefert.

Abbildungen aus: Ambraser Heldenbuch; Digitale Bibliothek der Österreichischen Nationalbibliothek.

In Burg Obermontani im Vinschgau wurde eine Abschrift des Nibelungenliedes durch Johann Chrysanth Weber (*1798 in Lienz, †1859 in Frankfurt/M., Lehrer am Gymnasium in Meran und Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung), gerettet und befindet sich jetzt in Berlin.

Der kulturelle Tiroler Raum

Bei der Betrachtung des Kulturraums Tirol dürfen wir nicht nur von den Gebieten des heutigen Nord-, Ost- und Südtirols  ausgehen. Man muss auch Welschtirol, das heutige Trentino, und auch die südlich davon gelegenen ehemaligen deutschen Sprachinseln und auch die ladinischen Siedlungsgebiete als wesentlichen deutsch-ladinischen Kulturraum mit einbeziehen.

Karte aus: Bernhard Wurzer: „Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien“, S. 151, Verlag Athesia, Bozen 1983. (Zum Vergrößern der Karte bitte anklicken.)

Diese wissenschaftlich fundierte Karte, erstellt von Dr. Egon Kühebacher, dokumentiert das ab dem 16. Jahrhundert stetige Schrumpfen des deutsch-ladinischen Sprachgebietes südlich Salurns und zwischen Etsch, Brenta und Piave. Auf den 1960 gegossenen Glocken der Kirche „Maria, Hilfe der Christen“ ist z.B. die alte Fersentaler Mundart verewigt. Auf der Petrusglocke steht: „Lo beldrn, sceldrn, taldrn der Gotterhear richtet ὸlls uh. Gaschenk wan Stefan Rodler“. Auf der Marienglocke: „Haile Maria Kriegen pitt wer ins orma Sinter in Lem ὸnt et Tὸёt“. Auf der Michaelsglocke: „“Engeler ὸlla wa Gott helwt ins wiёrt ins ὸlla anau en Hibl. (als Stifter): Pfoff Jackl Heuwer Zöhrn“ (Bernhard Wurzer, S. 59).

Der im Tal der Piave auf obiger Karte eingezeichnete Ort Feltre bezeichnet jene in der deutschen Sage bekannte ‚Fritilaburg‘ (althochdeutsch: Felters): das war der Hauptort der ab 400 nach Norditalien eindringenden Lugier. Dort, auf dem Berg Aurin (Odins Berg), wurde 1875 die Königsschale des letzten Vandalenkönigs Gelimer († 534) gefunden – jetzt wird dieses Kleinod in Paris aufbewahrt.

In der ‚Thidrekssaga‘ wird Eckehards Vater Hache, der in Fritilaburg lebte, mit: ‚Aurlunga trausti‘ (Harlungentrost) benannt. Hache war ein Blutsverwandter des Hildebrand. Eckehard wird in ‚Dietrichs Flucht‘ als ‚Harlunge man‘, im Epos ‚Rosengarten‘ wird er von Hildebrand als ‚Herr der Harlungen‘ bezeichnet. Mit diesen ‚Harlungen‘ der Sage sind nach Ansicht des Verfassers die historischen Harrier, ein Teilstamm der Lugier/Vandalen, gemeint.

Noch im 16. Jahrhundert war das Bistum Trient mehrheitlich deutsches Sprachgebiet. Im 11. und 12. Jahrhundert verboten, aus machtpolitischen Erwägungen, die Bischöfe v. Trient ihren Untertanen, sich mit welschen Frauen oder Männern südlich der „Berner Klause“ zu verheiraten: die Kaiser hatten großes Interesse, daß die Bischöfe v. Trient die für das Reich lebenswichtige Straße durch das Etschtal immer beherrschten.

Im Vorwort des ‚Codex Wangianus‘, benannt nach dem berühmten Fürstbischof v. Trient, Friedrich v. Wangen (aus Wangen bei Bozen stammend,*~1175; †6.11.1218 in Akkon, Galiläa) wird berichtet:

‚Um den Bischof von Trient an seinen Grenzen mehr zu sichern, übertrug ihm der Kaiser das feste Schloß Garda unter der Bedingung, keinem Lombarden oder Veronesen die Obhut desselben anzuvertrauen‘.

Urkunden im ‚Codex Wangianus‘ dokumentieren ebenfalls die alte deutsche Sprachgrenze ‚Berner Klause‘:

‚16.8.1198: Brianus, Sohn Aldrighets v. Castelbarco, verkauft dem Bischofe Konrad v. Trient für 2200 Pfund Berner sein Schloß zu Castelbarco und sein Haus zu Pratalia. Der Bischof ertheilt ihm beide wieder zu Lehen, für ihn und seine männlichen Nachkommen, und in deren Ermangelung auch für die weiblichen, woferne sie nicht nach der Lombardei oder Veroneser-Mark heiraten. In Ermangelung aller Nachkommenschaft fällt das Lehen von Castelbarco auf die Schwestern des Brianus und deren Erben, woferne auch diese nicht nach der Lombardei oder der Veroneser-Mark heiraten; Pratalia aber fällt dem Bisthume anheim‘.

‚1203: Die Brüder Nikolaus und Heinrich von Egna übergeben dem Bischofe Konrad v. Trient das alte Schloß Egna, welches bisher ihr und ihrer Vorfahren Allod [eigener Besitz] gewesen war. Der Bischof ertheilt ihnen hierauf dasselbe Schloß wieder zu Lehen, auf ihre männlichen und weiblichen Deszendenten [Nachkommen], doch sollen letztere sich nicht von der Veroneser-Klause abwärts verheiraten‘. (Rudolf Kink: „Codex Wangianus. Urkundenbuch des Hochstiftes Trient“, S. 135, 153; Wien 1852).

Foto aus: www.satgeo.zum.de/satgeo/beispiele/garda/gardasee.htm

Ab der Völkerwanderungszeit, bis in das 16. Jahrhundert, lag die alte deutsche Sprachgrenze 20 Kilometer nördlich Veronas bei der „Berner Klause.“ An dieser militärstrategisch entscheidenden Stelle, wo viele entscheidende Kämpfe stattfanden, lag der „Schlüssel“ zum Eintritt aller Heere nach Italien bzw. nach Tirol!

Meinen Forschungen nach, war in der ‚Berner Klause‘ der historische Sitz des Hildebrand, Gefolgsmann des Dietrichs v. Bern.

Der berühmteste Tiroler Sagenforscher, Karl Felix Wolf schrieb ebenfalls: „Die Klause liegt nicht weit von Verona, das in der deutschen Heldensage Berne genannt wird; darum heißt sie bei den Deutschen: Berner Klause, bei den Italienern: Chiusa di Verona. Darum fühlen wir uns, wenn wir die Klause betreten, vor allem mit Dietrich v. Bern verbunden. Auf dieser (westlichen) Seite der Schluchten befindet sich eine feste Burg, die im Spätmittelalter als mächtige, runde Bastei ausgebaut worden ist und heute noch ungebrochen dasteht. Diese – oder die von ihr nicht weit entfernte Burg ze Garte am Gardasee – muß Arnold v. Lübeck gemeint haben, als er im 12. Jhdt. seine ‚Slawenchronik‘ schrieb und bemerkte, daß bei der ‚Veronensium Clusa‘ ein sehr starkes Bollwerk stehe, das vor uralten Zeiten her als der Sitz Hildebrands bezeichnet werde“ (Karl Felix Wolff: „Dolomitensagen“; S. 555ff, Innsbruck 1913).




„Erdbebensicherung“ des faschistischen Siegesdenkmals in Bozen

„Furberia“ all’Italiana

Das italienische Wort „furberia“ bezeichnet eine besondere Schlauheit und Verschlagenheit. Eine solche „furberia“ demonstriert das Kulturministerium in Rom mit der Ankündigung, in das faschistische Siegesdenkmal in Bozen 735.000 Euro für dessen „Erdbebensicherung“. und Generalsanierung zu investieren. Dem Kulturministerium zufolge ist Südtirol offenbar ein Erdbebengebiet. Die „Erdbebensicherung“ sei notwendig, denn schließlich handle es sich um ein „Kulturgut“.

Ein auf Wunsch Mussolinis errichtetes Denkmal

Das auf ausdrücklichen Wunsch Mussolinis errichtete und 1928 als Symbol des Faschismus und der „Italianita“ Südtirols eingeweihte „Monumento alla Vittoria“ ist mit steinernen „Liktorenbündeln“, dem Symbol der Faschistischen Partei, des „Partito Fascista Italiano“, geschmückt.

Es stellt zudem eine steinerne Beleidigung der Südtiroler dar. An der Stirnseite des Denkmals schießt eine „Siegesgöttin“ einen Pfeil gegen den „barbarischen Norden“ ab. Darunter findet sich folgende lateinische Inschrift:

Hic patriae fines siste signa. Hinc ceteros excoluimus lingua legibus artibus.

(Übersetzt: „Hier an den Grenzen des Vaterlandes setze die Zeichen. Von hier aus bildeten wir die Übrigen durch Sprache, Gesetze und Künste.“).

Ursprünglich war anstelle von „ceteros“ („die Übrigen“) das Wort „barbaros“ („die Barbaren“) vorgesehen gewesen. Trotz der abgemilderten Wortwahl blieb die Aussage unmissverständlich: Das faschistische Italien habe den unterworfenen Bewohnern des Landes erstmals Zivilisation und Kultur gebracht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das „Siegesdenkmal“ dadurch „entfaschistisiert“, dass eine auf Mussolini verweisende Inschrift entfernt wurde.

Nun konnte das „Siegesdenkmal“ seiner ursprünglichen Zweckbestimmung gemäß weiterhin als Kulisse für militärische Aufmärsche und neofaschistische Kundgebungen dienen.

Protest der „Süd-Tiroler Freiheit“

Die Landtagsfraktion der „Süd-Tiroler Freiheit“ wies in einer Presseerklärung darauf hin, dass die Südtiroler insgesamt 1.220.000,00 Euro für Erdbebenopfer in Mittelitalien gespendet hätten.

„Nicht nur alle antifaschistisch gesinnten Menschen, sondern auch die wahren Erdbebenopfer werden verhöhnt!“, so der Vorwurf der „Süd-Tiroler Freiheit“.

Von der Caritas der Diözese Bozen/Brixen hat sie nun auf Anfrage erfahren, dass Süd-Tirol für die Opfer der jüngsten Erdbeben in Mittelitalien bis zum 31. Dezember 2017 insgesamt 1.220.147,54 Euro gespendet haben. Hinzukommen die Gelder, die das Land Süd-Tirol zusätzlich bereitgestellt hat, deren genaue Höhe mit einer Landtagsanfrage herausgefunden werden soll.

Der Landtagsabgeordnete Bernhard Zimmerhofer und der Sprecher der STF-Ortsgruppe Bozen, Cristian Kollmann, bezeichnen es, so wörtlich, „als unglaubliche Dreistigkeit, mit der das zum architektonischen Kulturgut uminterpretierte Siegesdenkmal praktisch unzerstörbar gemacht werden soll, während im Erdbebengebiet in Mittelitalien die Schäden bei Weitem noch nicht behoben sind!“

Soweit die Presseerklärung der „Süd-Tiroler Freiheit“.

Tatsächlich sind bis heute in den Erdbebengebieten Mittelitaliens die durch Erdbeben verursachten Bauschäden der letzten beiden Jahre zum größten Teil noch nicht behoben. Begründung: In Rom fehlt das Geld!

Die Sanierung des faschistischen Protztempels in Bozen unter dem Vorwand der Herstellung der Erdbebensicherheit ist eine Verhöhnung der dortigen betroffenen Erdbebenopfer.

Fotomontage: Süd-Tiroler Freiheit

Protest der Freiheitlichen

Walter Frick, der freiheitliche Bezirksobmann von Bozen Stadt und Land, nahm ebenfalls zu dem römischen Vorhaben Stellung:

„Schon wieder hat man seitens des italienischen Staates einen neuen Vorwand gefunden, um das nach seinem Begriff als „Kulturgut“ bezeichnete, aber für die deutsch-ladinische Bevölkerung als Geschichtsverfälschung empfundene sogenannte „Siegesdenkmal“ auf Erdbebensicherheit prüfen zu lassen, um somit wieder Geld beim Ministerium für Kulturgüter locker machen zu können.

Anderseits hat der italienische Staat kein Geld für geschichtsträchtige Bauten in ganz Italien, aber für das soggenannte „Siegesdenkmal“ in Bozen kann das Ministerium für Kulturgüter ohne weiteres 735.000 Euro aufbringen. … Italien ist voll mit Kunstschätzen wie wohl kaum ein anderes Land in Europa. Aber der Staat hat kein Geld, um sie zu erhalten, und setzt sie somit zum Teil dem Verfall aus. Aber in Südtirol laufen die Uhren anders, hier wird sehr wohl Geld für eine Geschichtsverfälschung, wie es das sogenannte Siegesdenkmal eine ist, bereitgestellt.

Tatsache ist, dass man mit dem Vorwand, das Denkmal sei nicht erdbebensicher, wiederum erhebliche Summen von Steuergeldern für diesen faschistischen Bau bereitstellen wird. Dieses Bauwerk ist bis heute unverändert geblieben und verkörpert weiterhin durch faschistische Symbole und rassistische Inschriften die faschistische Ideologie und wird somit auch von der deutsch-ladinischen Bevölkerung abgelehnt.“

Soweit die Presseerklärung der Südtiroler Freiheitlichen.

Das „Siegesdenkmal“ wurde auch in den vergangenen Jahren immer wieder mit Steuergeldern renoviert, damit es eine schöne Kulisse für italienische nationalistische Aufmärsche abgeben kann.

Die nunmehrige Begründung der Herstellung einer „Erdbebensicherheit“ übertrifft an „furberia“ aber alle bisherigen Vorgangsweisen.