Ausstellung „Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) – Opfer für die Freiheit“

Bild Egon Zemmer

Eine Dokumentation über den Südtiroler Freiheitskampf der 1960er Jahre in Bozen

Die Ausstellung befindet sich in Bozen, Lauben 9, und ist von Dienstag bis Samstag (jeweils von 10–12 Uhr und von 15-17 Uhr) bei freiem Eintritt geöffnet.

Die Ausstellung wurde vor allem auf Initiative des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) ins Leben gerufen, einer von ehemaligen Freiheitskämpfern und politischen Häftlingen gegründeten Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung Südtirols eintritt.

Ausschnitte aus der Einladung

Deren Ehrenobmann ist der ehemalige Freiheitskämpfer Sepp Mitterhofer (im Bild rechts), Obmann ist Roland Lang (im Bild links).

Kurator der Ausstellung ist der an der österreichischen Landesverteidigungsakademie lehrende österreichische Oberst und Historiker Mag. Dr. Hubert Speckner, welcher zusammen mit seiner Frau Mag. Sylvia Speckner (Bild rechts) die Bildtexte verfasst hat. Ausstellungsträger ist der „Andreas-Hofer-Bund Tirol“ (AHB) in Innsbruck unter dessen Obmann Winfried Matuella (Bild links).

An der Erstellung der Ausstellung wirkten neben den bereits Genannten noch weitere Personen mit:

Meinrad Berger (ehemaliger polit. Häftling), Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung (ehemaliger polit. Häftling), Altlandesrat Dr. Bruno Hosp, die ehemalige Landtagsabg. Dr. Eva Klotz, Roland Lang, Christoph Mitterhofer, Dr. Herlinde und Klaudius Molling (ehemalige Freiheitskämpfer), Efrem Oberlechner vom „Südtiroler Schützenbund“ sowie die Historiker Dr. Othmar Parteli und Dr. Margareth Lun.

Am 10. Mai wurde in Bozen die Ausstellung vor 200 geladenen Gästen feierlich eröffnet.

Sieben ehemalige Mitglieder des „Befreiungsausschusses Südtirol“ aus Süd- und Nordtirol sowie Deutschland waren persönlich anwesend. Zahlreiche Abgeordnete des Südtiroler Landtages, Altmandatare und amtierende Bozner Stadträte sowie Vertreter verschiedener Parteien gaben dem Andreas Hofer-Bund Tirol als Ausstellungsträger sowie dem Südtiroler Heimatbund als Initiator der Ausstellung und dem Ausstellungsbeirat die Ehre.

(Bild Egon Zemmer)

Die sehr beeindruckende Einführungsrede hielt der Altlandesrat und Ausstellungsbeirat Dr. Bruno Hosp (SVP), welcher ein persönlicher Freund der Freiheitskämpfer Luis Amplatz und Georg Klotz gewesen war und diese auch unterstützt hatte.

(Bild Egon Zemmer)

Dr. Hosp gab einen fundierten historischen Überblick die späten 1950er- und die 1960er Jahre in Südtirol und die vergeblichen Versuche, das Selbstbestimmungsrecht der deutsch- und ladinisch-sprachigen Bevölkerung Südtirols gegenüber dem italienischen Zentralstaat einzufordern.

In Südtirol herrschte Repression

„In Südtirol herrschte damals eine Atmosphäre geradezu provokativer Repression. Unsere Landsleute waren laufend Anpöbelungen, Verhöhnungen und Diffamierungen ausgesetzt“, berichtete Dr. Hosp.

„Vor dem Bozner Schwurgericht wurden am laufenden Band so genannte Schmähprozesse, zum Beispiel wegen des Hissens von weiß-roten Tiroler Fahnen, abgewickelt. Immer wieder wurden örtliche Versammlungen der Südtiroler Volkspartei von neufaschistischen Randalierern gestört.“

In Österreich prangerte damals der Bergisel-Bund in einer Broschüre die Methoden der italienischen Polit-Justiz an.

Massenhafte Zuwanderung wurde staatlich gefördert

„Mit der praktischen Ausgrenzung der Südtiroler von den staatlichen und halbstaatlichen Stellen ging eine forcierte Zuwanderung aus dem Süden Italiens einher, die geradezu beängstigende Ausmaße annahm. Mehrere Tausend Südtiroler mussten jährlich ihre angestammte Heimat verlassen, um in Deutschland und in der Schweiz Arbeit zu suchen, weil sie von den öffentlichen Stellen einfach ausgesperrt blieben und weil gleichzeitig durch die Technisierung der Landwirtschaft immer mehr Arbeitskräfte freigesetzt wurden. Durch ein vom Staat massiv gefördertes Wohnbauprogramm wurden in Südtirol, vorab hier in Bozen, mehrere Tausend Volkswohnungen errichtet, von denen aber nicht einmal 6% Südtirolern zugewiesen wurden.“

Zuwanderer aus dem Süden und die für sie durch den italienischen Staat errichteten neuen Stadtgebiete Bozens.

Der „Todesmarsch“ der Volksgruppe und der Widerstand des BAS

Diese bedrohliche Gesamtsituation habe damals Kanonikus Michael Gamper, in einem „Dolomiten“-Leitartikel so gekennzeichnet: „…Es ist ein Todesmarsch, auf dem wir Südtiroler uns seit 1945 befinden, wenn nicht noch in letzter Stunde Rettung kommt.“

Der Priester und Publizist Kanonikus Michael Gamper: Südtirol ist auf dem „Todesmarsch“!

Die römische Regierung sei jedoch uneinsichtig gewesen, berichtete Dr. Hosp weiter. Daraufhin versuchte der BAS mit gezielten Aktionen auf die unhaltbar gewordene Situation durch eine „Strategie der feinen Nadelstiche“, wie sein Anführer Sepp Kerschbaumer es umschrieb, aufmerksam zu machen. Das Mittel der Wahl waren mehrere Anschläge gegen staatliche Sachgüter und gegen materielle Symbole der früheren faschistischen Staatsmacht.

Der Höhepunkt war die Serie von Anschlägen in der Nacht des Herz-Jesu-Sonntags 1961 und vereinzelte Anschläge in den Folgejahren, die weltweit Aufsehen erregten, aber auch die Staatsmacht zu überzogener Verfolgung der Urheber mit unmenschlichen Folterungen und unverhältnismäßig langen Haftstrafen verleitete.

Bild links: Der Freiheitskämpfer Georg Klotz. Bild rechts: Der Freiheitskämpfer Luis Amplatz.

Ungesühnte Folterungen und verweigerter versöhnlicher Schlussstrich

 Zusätzlich waren die Freiheitskämpfer und mit ihnen alle mitfühlenden Tiroler dadurch gedemütigt worden, dass ihre skrupellosen Folterer nicht nur vom Gericht in Trient freigesprochen, sondern drei Tage darauf in Rom sogar feierlich empfangen, ausgezeichnet und befördert wurden.

Hingegen warten ein paar unserer außer Landes lebenden Aktivisten der 60er Jahre, die, wohlgemerkt, nachweislich kein Menschenleben auf dem Gewissen haben, seit über fünf Jahrzehnten vergeblich auf eine Begnadigung durch den italienischen Staatspräsidenten.“ In diesem Zusammenhang, sagte Dr. Hosp, gebühre dem Ausstellungskurator Dr. Speckner auch noch ein ganz besonderer Dank für sein jüngstes historisches Werk „Von der Feuernacht zur Porzescharte – Das Südtirolproblem der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“. „Er enthüllt darin, dass es in der heißen Zeit der Anschläge der 60er Jahre eine ganze Reihe offenkundiger Geheimdienst-Manipulationen zu Lasten unserer Freiheitskämpfer gegeben hat. Bei mehreren auch für die Zivilbevölkerung  gefährlichen Anschlägen hatten ganz offenbar ‚italienische Dienste‘ oder neofaschistische Kreise ihre Hände im  Spiel. Hier war es ganz offenkundig darum gegangen, die ‚terroristi altoatesini‘ als gewissenlose Attentäter hinzustellen, welche selbst vor der Auslöschung von Menschenleben nicht zurückschrecken würden. Lieber Hubert, für diese Zurechtrückungen und damit längst fälligen Rehabilitierungen mehrerer Aktivisten, sei Dir aufrichtig gedankt.“

Einen besonderen Dank stattete Dr. Hosp dem Historiker Dr. Speckner für dessen Aufsehen erregendes Enthüllungsbuch ab: „Von der Feuernacht zur Porzescharte – Das Südtirolproblem der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“. (Bild links von Egon Zemmer)

Der entscheidende Beitrag des Freiheitskampf es für eine bessere Autonomie

Zum Abschluss kam Dr. Hosp auf die Auswirkungen des damaligen Widerstandes zu sprechen. Er sagte:

„Wer die schweren, ja turbulenten Zeiten, die in der heute zu eröffnenden Dauerausstellung dokumentiert werden, hautnah miterlebt hat, hegt wohl keinen Zweifel darüber, dass die Freiheitskämpfer der 50er und 60er Jahre durch ihren beherzten Einsatz und ihre großen Opfer einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der neuen, qualitativ unvergleichlich besseren Autonomie Südtirols geleistet haben. Das Selbstbestimmungsrecht zur Erlangung der Wiedervereinigung unserer Heimat mit dem Bundesland Tirol und dem Vaterland Österreich blieb uns Südtirolern jedoch weiterhin versagt. … Die heute zur Eröffnung anstehende „Ständige Ausstellung“ heißt „BAS – Opfer für die Freiheit“ und würdigt den Einsatz und das Leiden der Südtiroler Freiheitskämpfer und Freiheitskämpferinnen der 60er Jahre und ihrer Familien.

Im Friedhof von St. Pauls gedenken der Südtiroler Heimatbund und der Südtiroler Schützenbund alljährlich am 8. Dezember aller verstorbenen Aktivisten der 60er Jahre, die sich für die  Einheit und Freiheit Tirols aktiv eingesetzt haben.

 Auf der Gedenktafel neben dem Gefallenendenkmal sind stellvertretend für alle Sepp Kerschbaumer,  Franz Höfler, Toni Gostner, Luis Amplatz, Jörg Klotz und Kurt Welser verewigt. Ihnen und ihren Familienangehörigen, aber auch allen übrigen Aktivisten der angesprochenen Zeit soll diese ständige Ausstellung in Dankbarkeit für ihre erbrachten Opfer gewidmet sein.“

Das Südtiroler Internetportal UNSER TIROL 24  lieferte über die Ausstellungseröffnung nachstehenden Bericht:

Bildergalerie: BAS – Opfer für die Freiheit. Ausstellung in Bozen eröffnet

Die Dauerausstellung unter den Namen „BAS – Opfer für die Freiheit“ veranschaulicht das Geschehen in all seinen Facetten und liefert erstmals einen eindrucksvollen Einblick darüber, wie der Widerstand von Sepp Kerschbaumer und seinen Getreuen organisiert und durchgeführt worden ist

Bild Egon Zemmer

Erstmals öffentlich präsentierte Exponate

Die Ausstellung „BAS – Opfer für die Freiheit“ erinnert an Verdienste, Leiden und Opfer der Verfolgten und ihre(r) Familien – auch und gerade weil sie in der überwiegenden Zahl der Fälle ohne Dank geblieben sind. Die meisten der erstmals in aller Öffentlichkeit präsentierten Exponate entstammen der „Mitterhofer-Sammlung“. Sepp Mitterhofer aus Meran-Obermais, ein bisher von der Südtiroler Politik unbedankt gebliebener BAS-Aktivist der ersten Stunde, jetzt Ehrenobmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB), in dem sich am 9. Februar 1974 ehemalige Freiheitskämpfer zusammenschlossen, hat sie über Jahrzehnte hin zusammengetragen und beherbergt. Seine Sammlung bildet den Kern der Ausstellung „BAS – Opfer für die Freiheit“.

Ausgestellt werden zudem weitere Objekte aus dem Besitz von BAS-Aktivisten bzw. deren Nachkommen. Aus dem „BAS-Archiv“, dem im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck vorhandenen Vorlass der BAS-Aktivisten Herlinde und Klaudius Molling, sind Leihgaben ausgestellt, welche die mitunter einfachen Methoden veranschaulichen, derer sich die Freiheitskämpfer bedienen mussten. Ein reichhaltig ausgestatteter Ausstellungskatalog stellt in Wort und Bild eindrucksvoll den inneren Zusammenhang von Exponaten und Geschehenshistorie her.

Zeitzündvorrichtung; Bild Egon Zemmer

 

Keine Verherrlichung von Gewalt

Die Ausstellung befindet sich in Bozen, Lauben 9, und ist von Dienstag bis Samstag (jeweils von 10–12 Uhr und von 15-17 Uhr) geöffnet. Nach Vereinbarung sind Gruppenführungen auch außerhalb dieser Zeiten möglich. Initiatoren sind der Andreas-Hofer-Bund Tirol (AHB; Innsbruck) und der Südtiroler Heimatbund (SSB; Bozen). Großzügiges Mäzenatentum der (von der in Australien lebenden Österreicherin Dr. Helga Christian 1966 eingerichteten) Laurin-Stiftung (Liechtenstein) hat ihre Einrichtung als Dauerausstellung erst ermöglicht.

„BAS – Opfer für die Freiheit“ verherrlicht keineswegs Gewalt und/oder Terrorismus. Sie legt anhand von Einzelobjekten offen, wozu Männer und Frauen imstande sein können (und müssen), die keinen anderen Weg mehr sehen, als zur Tat zu schreiten, um die im Lügengewand des „demokratischen Staates“ ausgeübte Gewaltherrschaft gegen die in fremdnationaler Umgebung zu leben gezwungenen Landsleute durch gezielte Attacken zu unterminieren – wenn der gütlichen Worte genug gewechselt sind, ohne dass sich Besserung/Befriedung einstellt.

Solche mittelalterlichen Schraubzwingen verwendeten damals die Carabinieri als Handfesseln. Zusätzlich wurden die Gefangenen aneinander gekettet.

 Eine Herausforderung

Eine Herausforderung für diese erstmalige Ausstellung über den BAS bestand darin, dass sowohl die „offizielle“ italienische, als auch die wissenschaftliche und journalistische Publizistik im deutschsprachigen Raum deren Aktivisten politisch in die „recht(sradikal)e Ecke“ stellt(e). Das wird jedoch weder den handelnden Personen noch ihrer Sache gerecht. In den für die damalige Südtirol-Politik entscheidenden Jahren waren unter den BAS-Leuten (in Südtirol wie in Österreich und Deutschland) fast alle gängigen politischen Weltanschauungen vertreten; ihren führenden Köpfen ging es vor allem darum, dass „etwas geschehen muss“.

Die allen Bevölkerungsschichten entstammenden Südtiroler BAS-Aktivisten handelten schlicht und ergreifend aus dem Beweggrund, als Tiroler Patrioten Heimat und Volkskultur vor der schieren Gefahr „ewiger Italianità“, der vom „demokratischen Italien“ bruchlos übernommenen Zielsetzung des Faschismus, somit vor dem von Kanonikus Gamper beschworenen „Todesmarsch der Südtiroler“ (s.o.) zu bewahren. Dies just auch für die Anschauung Nachgeborener nachvollziehbar zu machen, ist das hehre Ziel dieser durch und durch für gelungen zu erachtenden Ausstellung.

Ein Originalbrief Sepp Kerschbaumers an seine Frau Maria aus dem Kerker.

Soweit der Bericht  von „UNSER TIROL 24“.

Weitere Informationen und Bilder sind im Ausstellungskatalog zu finden:

Hier ein sehenswertes Video zur Ausstellungseröffnung.

Hier ein Bericht in italienischer Sprache.

Hier ein Gastbeitrag des Zeithistorikers und Publizisten Prof. Dr. Dr. h.c. Olt auf der Internetseite des Magazins „Info-DIREKT“.




Anschluss 1938: Der Beginn einer Katastrophe – auch für Südtirol

Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen zusammen mit starken Sondereinheiten von Polizeikräften in Österreich ein, die sofort Verhaftungen und Deportationen „reichsfeindlicher“ Personen einschließlich Menschen jüdischer Abstammung vorzunehmen begannen.

Am 13. März 1938 beschloss nach dem Rücktritt des bisherigen Bundeskanzlers Dr. Schuschnigg die neue österreichische „Anschluss-Regierung“ unter Seyß-Inquart die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“

Adolf Hitler war bereits am 12. März 1938 in Linz eingetroffen, und setzte unter dem Beifall riesiger Zuschauermengen seinen Triumphzug nach Wien fort.

Die seit der Weltwirtschaftskrise in Elend lebenden Österreicher wussten von dem Wirtschaftsaufschwung im deutschen Reich, welcher durch die antizyklische Wirtschafts- und Investitionspolitik des Reichsbankpräsidenten und Reichswirtschaftsministers Hjalmar-Schacht angekurbelt worden war. Nun erwarteten sich die Menschen auch für Österreich Vollbeschäftigung und ein Ende der Not.

Hätten die Menschen geahnt, in welche Katastrophe Hitler sie und ganz Europa führen würde, wäre die Stimmung wohl eine andere gewesen.

Die seltsame Rolle der Bischöfe und des Sozialdemokraten Dr. Karl Renner

Um den Anschluss vor der Weltöffentlichkeit zu legitimieren, ordnete Hitler für den 10. April 1938 eine Volksabstimmung über den „Anschluss“ an.

Es ist heute üblich, nahezu ausschließlich das damalige Fehlverhalten der Masse der Bevölkerung zu verurteilen, ohne die Rolle der damaligen Führungspersonen in den verschiedenen politischen Lagern zu werten. Diese mussten jedoch mehr Kenntnisse als der Durchschnittsbürger über das Wesen des NS-Reiches besessen haben. Trotzdem kam es von deren Seite zu massiven Unterstützungen des Anschlusses – nicht an ein demokratisches Deutschland, sondern an die NS-Diktatur.

Die freudige Zustimmung der Bischöfe zu dem Wirken  der NSDAP und zu dem Anschluss

Kardinal Innitzer wurde propagandawirksam bei der Abgabe seines Stimmzettels für den Anschluss Österreichs fotografiert

Am 18. März übersandte Kardinal Innitzer eine Proklamation der österreichischen Bischöfe an den NS-Gauleiter Bürckel und schrieb in einem Begleitbrief: „Sie werden aus ihr (der Proklamation) sehen, dass wir Bischöfe aus freiem Willen und nicht gezwungen unsere nationale Pflicht erfüllt haben. Ich weiß, dass dieser Erklärung eine gute Zusammenarbeit folgen wird.“ Der Brief schloss mit „Heil Hitler“, vom Kardinal eigenhändig über seinen Namen geschrieben.

Die übermittelte Erklärung der Bischöfe lautete:

 „Aus innerster Überzeugung und mit freiem Willen erklären wir unterzeichneten Bischöfe der österreichischen Kirchenprovinz anlässlich der großen geschichtlichen Geschehnisse in Deutsch-Österreich:

 Wir erkennen freudig an, dass die nationalsozialistische Bewegung auf dem Gebiet des völkischen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie der Sozial-Politik für das Deutsche Reich und Volk und namentlich für die ärmsten Schichten des Volkes Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir sind auch der Überzeugung, dass durch das Wirken der nationalsozialistischen Bewegung die Gefahr des alles zerstörenden gottlosen Bolschewismus abgewehrt wurde.

 Die Bischöfe begleiten dieses Wirken für die Zukunft mit ihren besten Segenswünschen und werden auch die Gläubigen in diesem Sinne ermahnen. Am Tage der Volksabstimmung ist es für uns Bischöfe selbstverständlich nationale Pflicht, uns als Deutsche zum Deutschen Reich zu bekennen, und wir erwarten auch von allen gläubigen Christen, dass sie wissen, was sie ihrem Volk schuldig sind.

 Wien, am 18. März 1938.

Unterzeichnet von Innitzer und Bischöfen Österreichs.“

Selbstverständlich ließ es sich die NS-Propaganda nicht nehmen, den Innitzer-Brief und die Erklärung der Bischöfe auf großen Plakaten in ganz Österreich zu verbreiten.

Dr. Karl Renner: Öffentliches JA zum Anschluss!

Der in der Zeit des Ständestaates von der politischen Tätigkeit ausgeschlossene ehemalige sozialdemokratische Staatskanzler Dr. Karl Renner war immer noch eine bedeutende Persönlichkeit und eine politische Ikone seiner Genossen.

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen ergriff Dr. Renner selbst die Initiative und bot von sich aus den neuen Machthabern die propagandistische Unterstützung des Anschluss-Projektes an. Am 3. April 1938 erschien in der Tageszeitung „Neues Wiener Tagblatt“ ein Interview mit Renner, welches nicht anders als eine Aufforderung verstanden werden konnte, bei der bevorstehenden Volksabstimmung mit „JA“ zu stimmen.

Renner erklärte unter anderem:

Ich habe als erster Kanzler Deutschösterreichs am 12. November 1918 in der Nationalversammlung den Antrag gestellt und zur nahezu einstimmigen Annahme gebracht: ‚Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik.‘

Ich habe als Präsident der Friedensdelegation zu St-Germain durch viele Monate um den Anschluß gerungen … seit 1919 in zahllosen Schriften und ungezählten Versammlungen im Lande und im Reiche den Kampf um den Anschluß weitergeführt.

Obschon nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne, errungen, ist der Anschluß nunmehr doch vollzogen, ist geschichtliche Tatsache, und diese betrachte ich als wahrhafte Genugtuung für die Demütigungen von 1918 und 1919, für St-Germain und Versailles.

Ich müßte meine ganze Vergangenheit als theoretischer Vorkämpfer des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen wie als deutschösterreichischer Staatsmann verleugnen, wenn ich die große geschichtliche Tat des Wiederzusammenschlusses der deutschen Nation nicht freudigen Herzens begrüßte. …

Als Sozialdemokrat und somit als Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen, als erster Kanzler der Republik Deutschösterreich und als gewesener Präsident ihrer Friedensdelegation zu St-Germain werde ich mit Ja stimmen.“

Karl Renner musste zu diesem Zeitpunkt gewusst haben, dass die Führungsebene der Sozialdemokratie im Reich bereits in den Konzentrationslagern saß. Er musste von den Judenverfolgungen gewusst haben. Ihm konnte insgesamt nicht entgangen sein, dass es sich 1938 nicht um einen Anschluss Österreichs an ein demokratisches und föderalistisches Deutschland handelte, sondern um den Anschluss an eine sich immer hemmungsloser entwickelnde Diktatur.

Für Renner selbst hatte seine Erklärung die angenehme Folge, dass er während des gesamten Krieges von der Gestapo unbehelligt blieb, in kein Konzentrationslager verschleppt wurde und somit nach Kriegsende wieder als sozialistischer Spitzenpolitiker zur Verfügung stehen konnte.

Renner nach dem Krieg: Das „JA“ zum Anschluss war eine sozialrevolutionäre Handlung gegen den Nationalsozialismus gewesen

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Dr. Karl Renner sein Verhalten auf skurrile Weise zu rechtfertigen versucht. In seinem Nachlasswerk „Österreich von der Ersten zur Zweiten Republik“ (Bd. II, Wien 1953, S. 202f) erklärte Renner, dass sein opportunistisches Verhalten eigentlich klassenkämpferisch-sozialrevolutionär motiviert gewesen sei. Man habe sich im engen Kreis beraten und sei zu folgender Schlussfolgerung gelangt: Die Arbeiterklasse müsse zuerst die NS-Herrschaft erleben, um dann von ihr enttäuscht zu werden. Dann würde sie entschlossen den Kampf aufnehmen. Durch „diese Beratungen im engen Kreis“ ermutigt, habe Renner dann seine Erklärung abgegeben.

Das Abstimmungsergebnis

Nach damaligen offiziellen Angaben hatten 4,45 Millionen Menschen abgestimmt und 99,7 Prozent hatten für den Anschluss gestimmt. An die 360.000 Menschen waren allerdings aus rassischen, politischen oder anderen Gründen von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen. (Angaben aus: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 523)

Das von den Bischöfen und von „politischen Vorbildern“ wie Dr. Karl Renner so tatkräftig geförderte Ergebnis war natürlich Wasser auf die Mühlen der NS-Propaganda gewesen.

Es verwundert nicht, dass in diesem Gedenkjahr die meisten Politiker und Publizisten die Rolle der damaligen Protagonisten verschwiegen haben und sich lieber über das Fehlverhalten des einfachen Volkes verbreitert haben. Eine rühmliche Ausnahme bildet hier allerdings der ehemalige Salzburger ÖVP-Landeshauptmann und Historiker Univ.-Prof. Dr. Franz Schausberger, welcher am 7. März 2018 in der „Wiener Zeitung“ einen Gastbeitrag über den Anschluss unter dem Titel „Deutschnational waren sie irgendwie alle – Die Rolle der österreichischen Parteien von dem ‚Anschluss‘ 1938“ veröffentlichte, in welchem er Renners Rolle nicht verschwieg: „Renner bot den Nazis sogar an, in einer Plakataktion und in Zeitungen Propaganda für ein ‚Ja‘ bei der ‚Anschluss‘-Abstimmung zu machen.“

Die große Täuschung  und der Weg in die Katastrophe

Auch in Nordtirol und Südtirol wurde der Anschluss auch von zahlreichen Menschen begrüßt, welche selbst ideologisch mit dem Nationalsozialismus nichts gemein hatten.

In seinem Parteiprogramm hatte Hitler „den Zusammenschluss aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes der Völker“ gefordert gehabt.

Nun stand Deutschland am Brenner – doch die Hoffnungen der Tiroler waren vergebens

Nun stand Deutschland am Brenner und daher war die Erwartungshaltung groß, dass bald auch die Rückkehr Südtirols in ein gemeinsames Vaterland zu erwarten sei. In Tirol verbreitete sich das möglicher Weise bewusst in Umlauf gesetzte Gerücht, Italien habe Südtirol bedingungslos an Deutschland abgetreten. Diese Mär gelangte bis nach Südtirol, wo auf den Bergen Freudenfeuer entfacht wurden.

Als nach wenigen Tagen der Gauleiter Hofer das Gerücht dementierte, schlug die Stimmung um. In Innsbruck bedrohten Menschenmengen das italienische Konsulat und mussten durch die Polizei zerstreut werden.

Hitler war Mussolini dankbar und ergeben

Was die Menschen bislang nicht gewusst hatten, war, dass Hitler sein großes Vorbild Mussolini abgöttisch bewunderte und diesem zutiefst ergeben war.

Hitler hatte sowohl ideologisch wie symbolisch den Faschismus komplett kopiert. Dies äußerte sich in der Übernahme der Bezeichnung „Duce“-„Führer“ ebenso, wie im Nachäffen der Äußerlichkeiten. Aus dem „Saluto Romano“, dem „Römischen Gruß“, wurde der „Deutsche Gruß“. Die SA trug nach faschistischem Vorbild „römische“ Standarten und das Braunhemd analog zu dem faschistischen Schwarzhemd.

Aus dem „Saluto Romano“, den hier Feldkaplane der Alpini zeigten, wurde im NS-Staat der „Deutsche Gruß“.

Was die Menschen ferner nicht wussten, war, dass Hitler bereits seit Jahren immer wieder in Gesprächen mit italienischen Diplomaten und Politikern um eine enge Zusammenarbeit mit Mussolini geworben und dabei mehrfach versichert hatte, er verstehe es, dass die Aufrechterhaltung der Brennergrenze für Italien unerlässlich sei.

Was die Menschen nun bei Hitlers Einmarsch nicht wussten, war, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Vertrauensmann Hitlers in Rom bei dem Diktator Benito Mussolini weilte. Es war dies Prinz Philipp von Hessen, ein Schwiegersohn des italienischen Königs und Gruppenführer der SA sowie Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP.

Prinz Philipp von Hessen mit seiner Gattin Mafalda

Am 11. März 1938 überreichte der Prinz dem Duce Mussolini einen Brief Hitlers, in welchem Hitler mitteilte: „Ich ziehe jetzt eine klare Grenze gegenüber Italien. Es ist der Brenner. Diese Entscheidung wird niemals weder in Zweifel gezogen noch angetastet werden.“ (Aus den Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 21)

Gleichzeitig informierte der Prinz den italienischen Diktator darüber, dass Hitler nun in Österreich einmarschiert sei, um den Anschluss zu vollziehen. Mussolini reagierte freundschaftlich.

Umgehend ließ Prinz Philipp eine Telefonverbindung aus Rom zu Adolf Hitler in Linz herstellen, welcher hasardiert und bis zuletzt nicht gewusst hatte, ob Italien gegen seinen Einmarsch in Österreich nicht doch militärisch reagieren würde.

Prinz Philipp berichtete Hitler, er käme soeben zurück aus dem Palazzo Venezia, dem Regierungssitz Mussolinis. Der Duce habe die ganze Sache sehr freundlich aufgenommen und er lasse Hitler herzlich grüßen.

Hitler fiel ein Stein von der Brust. Er erwiderte: „Dann sagen Sie Mussolini bitte, ich werde ihm das nie vergessen. … Nie, nie, nie. Wenn die österreichische Sache jetzt aus dem Weg geräumt ist, bin ich bereit, mit ihm durch dick und dünn zu gehen, das ist mir alles gleichgültig. … ich mache jetzt auch jedes Abkommen -, ich fühle mich jetzt auch nicht mehr in der furchtbaren Lage, die wir doch eben militärisch hatten für den Fall, daß ich in den Konflikt gekommen wäre. Sie können ihm jetzt nur mal sagen, ich lasse ihm wirklich herzlich danken, ich werde ihm das nie, nie vergessen … Ich werde ihm das nie vergessen.“ (Das Gespräch ist als Niederschrift überliefert in den Akten des Internationalen Militärtribunals Nürnberg und wiedergegeben in: Arnberger – Garscha – Mitterrutzner: „Anschluß 1938“, Wien 1988, S. 280f)

Hitler im Mai 1938 bei seinem Freund Mussolini in Rom – Bald verherrlichten sogar Briefmarken das enge Bündnis der beiden Diktatoren

Anfang Mai 1938 besuchte der dankbare Hitler seinen Freund Mussolini in Rom. Am 9. Mai 1938 berichtete das Parteiorgan „Völkischer Beobachter“, was Hitler am 7. Mai 1938 in einer Rede in Rom verkündet hatte:

„Belehrt durch die Erfahrung zweier Jahrtausende wollen wir beide, die wir nun unmittelbare Nachbarn geworden sind, jene natürliche Grenze anerkennen, die die Vorsehung und die Geschichte für unsere beiden Völker ersichtlich gezogen haben. Sie wird dann Italien und Deutschland, durch die klare Trennung der Lebensräume der beiden Nationen, nicht nur das Glück einer dauernden Zusammenarbeit ermöglichen, sondern auch als Brücke gegenseitiger Hilfe und Unterstützung dienen. Es ist mein unerschütterlicher Wille und mein Vermächtnis an das deutsche Volk, daß es deshalb die von der Natur zwischen uns beiden aufgerichtete Alpengrenze für immer als eine unantastbare ansieht.“ (Wiedergegeben in: Conrad F. Latour: „Südtirol und die Achse Berlin-Rom 1938-1945“, Stuttgart 1962, S. 26)

Das Raubgut als „Brücke“ der Verständigung

Bereits in dieser Äußerung Hitlers ist die auch heute so oft zu hörende Propagandaformel enthalten, wonach Raubgut als „Brücke“ der Verständigung zwischen Räuber und Beraubtem dienen solle.

 Der Gott sei Dank unvollendet gebliebene Ethnozid

Hitler hatte den Weg freigegeben, eine „endgültige Lösung“ der Südtirol-Frage durch Ethnozid, einen kulturellen Völkermord ohne körperliche Vernichtung der Betroffenen, herbei zu führen.

Es war dies das Projekt der „Option“ mit anschließender Umsiedlung der „Geher“ in das Reich und Italianisierung der „Bleiber“.

Im Auftrag Hitlers begannen hochrangige NS-Funktionäre hinter den Kulissen mit Rom das kommende Optionsabkommen auszuhandeln. Mit dessen Vollzug sollten die Südtiroler 1939 dann vor eine schreckliche Entscheidung gestellt werden: Verlust der Heimat und Erhaltung des Volkstums oder Verbleib in der Heimat bei Verlust des Volkstums.

Die Option sollte unendliches Leid über die deutsch-ladinische Volksgruppe bringen und diese auch spalten.

Etwa 76 000 von etwa 211 000 Südtiroler, die für das Reich optiert hatten, wurden über den Brenner ausgesiedelt, dann stoppten die Kriegsereignisse diese schreckliche Aktion, an welche später eine Postkarte exilierter Südtiroler erinnerte.

Von den Ausgesiedelten konnte nach dem Krieg bis 1952 nur rund ein Drittel wieder in die Heimat zurückkehren.




„Er brachte Licht in das dunkle Kapitel der Sechzigerjahre“

Anerkennung für einen verdienten österreichischen Historiker – Der Südtiroler Heimatbund (SHB) ehrt Oberst Mag. Dr Hubert Speckner anlässlich seines 60. Geburtstags:

Mag. Dr. Hubert Speckner ist Historiker und zugleich Oberst des österreichischen Bundesheeres. Er lehrt an der Landesverteidigungsakademie in Wien.

Hubert Speckner
Mag. Dr. phil. Hubert Speckner

Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) ist eine von ehemaligen politischen Häftlingen und Südtiroler Freiheitskämpfern gegründete Vereinigung, welche sich dem Dienst an der Heimat verpflichtet fühlt und für das grundlegende Menschenrecht auf Selbstbestimmung eintritt.

Am 15. März feierte der österreichische Historiker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner in Bozen seinen 60. Geburtstag.

Es gratulierten ihm vor Ort der Heimatbundobmann Roland Lang, der Vizeobmann Luis Pixner sowie Cristian Kollmann. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung überreichten sie ihm ein Ölgemälde, darstellend Andreas Hofer im Kreise seiner engsten Mitstreiter Kajetan Sweth, Josef Speckbacher und Joachim Haspinger.

l. n. r.: Sylvia Speckner, Hubert Speckner, Roland Lang, Luis Pixner, Cristian Kollmann
l. n. r.: Sylvia Speckner, Hubert Speckner, Roland Lang, Luis Pixner, Cristian Kollmann

In einer Presseaussendung des SHB hieß es dazu:

„Mag. Dr. phil. Hubert Speckner, geboren am 15. März 1958 in Melk an der Donau, studierte Geschichte und Germanistik in Innsbruck, Graz und Wien und ist Träger des Ludwig-Jedlicka-Gedächtnispreises.

Speckners Monographien Zwischen Porze und Roßkarspitz … : der „Vorfall“ vom 25. Juni 1967 in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten (Wien 2013) und Von der „Feuernacht“ zur „Porzescharte“ … : das „Südtirolproblem“ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten (Wien 2016) erregten große Aufmerksamkeit. Sie sind das Ergebnis und der Ertrag disziplinierter langjähriger, umfassender Studien der Akten des Österreichischen Staatsarchivs sowie von Akten des österreichischen Innen- und Außenministeriums, die nicht frei zugänglich sind. Der Autor deckte auf, dass besonders der Vorfall auf der Porzescharte von italienischer Seite immer wieder dazu benutzt wurde, um die Freiheitskämpfer als Mörder hinzustellen.

Speckners Bücher über die Sechzigerjahre sind eine akribische Aufarbeitung der damaligen Zeit und fußen auf amtlichen Dokumenten in österreichischen Archiven. Dank seiner fundierten Recherchen kann Speckner als einer jener wenigen zeitgenössischen Historiker angesehen werden, die noch forschen und nicht nur von Kollegen abschreiben. Denn so manche Frage an mich betraf den einen oder anderen Sprengstoffanschlag in den Sechzigerjahren. Speckner war unentwegt auf der Suche nach zusätzlichen Auskünften, nach Zeitungsberichten und Zeitzeugen. Hubert und seine Frau Sylvia sind bodenständige Menschen, mit denen man gerne zusammensitzt. Neben Speckners Büchern haben auch seine zahlreichen Vorträge besonders jungen Südtirolern viel Wissenswertes über die damaligen Geschehnisse vermittelt.

Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes“

Speckners Aufsehen erregende Forschungsergebnisse:

„Zwischen Porze und Roßkarspitz …“: Enthüllungen über den „Anschlag“ auf der Porzescharte

Buch "Zwischen Porze und Roßkarspitz"Im Jahre 2013 hatte ein Werk des Autors Aufsehen erregt. In einer Dokumentation namens „Zwischen Porze und Roßkarspitz …“, welche sich auf bislang nicht bekannte Akten und Dokumentarfotos der österreichischen Sicherheitsdienste stützte, hatte Speckner akribisch nachgewiesen, dass ein angeblicher Anschlag österreichischer „Täter“ auf der Porzescharte mit vier italienischen Opfern am 25. Juni 1967 nicht so stattgefunden haben konnte, wie es die offiziellen italienischen Darstellungen schilderten.

Damals, im Jahre 1967, zur Zeit der Ereignisse auf der Porzescharte an der österreichisch-italienischen Grenze war die österreichische Bundesregierung unter dem Kanzler Dr. Josef Klaus an einer tatsächlichen Aufklärung nicht interessiert gewesen, hatte sie doch unter dem Druck des italienischen Vetos gegen einen EWG-Beitritt Österreichs gestanden, welches nur aufgehoben werden sollte, wenn die österreichische Regierung sich allen Wünschen Roms beugte.

Also hatte man damals drei von den Italienern beschuldigte Österreicher verhaftet und vor Gericht gestellt. Dort konnten sich diese allerdings freibeweisen. Sachverständige stellten zudem fest, dass auch aus Gründen des Zeitablaufs diese Personen nicht als Täter in Frage kommen konnten.

Die offizielle italienische Version des Ereignisses auf der Porzescharte wurde von den italienischen Medien willig aufgenommen. „Wer sind die Mörder unserer 4 Soldaten“, fragte die Zeitschrift „Domenica del Corriere“. Im Inneren des Blattes wurde die Antwort gegeben: Natürlich die „terroristi“!

Speckner hatte nun – viele Jahre später – die im Österreichischen Staatsarchiv aufgefundenen Aktenbelege noch durch Ortsbegehungen und weitere Sachverständigenuntersuchungen ergänzt, welche den damaligen in Wien erfolgten gerichtlichen Freispruch eindeutig bestätigten.

Tatsache ist, dass die vom Osttiroler Bezirksauptmann Dr. Othmar Doblander unmittelbar nach dem Ereignis festgestellte „Tatort“-Beschreibung nicht mit dem Ergebnis der neun Tage später erfolgten „Tatort“-Untersuchung durch eine gemischt österreichisch-italienische Kommission übereinstimmt. Somit war in der Zwischenzeit der „Tatort“ geschaffen worden.

Rechtswidrig war, dass der von Dr. Doblander verfasste und an den Sicherheitsdirektion von Tirol, Herrn Dr. Peterlunger gesandte, die angeblichen Täter entlastende „Tatort“-Bericht aus politischen Gründen weder dem Justizminister  und schon gar nicht dem in Wien tagenden Gericht vorgelegt wurde.

Es bleibt somit der bereits damals schon von Zeitzeugen geäußerte Verdacht, dass hinsichtlich des behaupteten Geschehens eine italienische Geheimdienstmanipulation vorlag, wonach Opfer einer italienischen militärischen Verminungsübung der Öffentlichkeit als Opfer blutrünstiger  „Südtirol-Terroristen“ präsentiert wurden. Der damalige, parteiunabhängige österreichische Justizminister Univ.-Prof. Dr. Heinz Klecatzky nannte 2010 als Verursacher des Vorfalls eine „ inneritalienische Manipulation“. Der renommierte Präsident der Belluneser Anwaltskammer, Dott. Peppino Zangrando kam nach jahrelangen Recherchen ebenfalls zum Ergebnis, dass der Vorfall auf der Porzescharte sich so nicht zugetragen haben kann, wie von Italien offiziell dargestellt wird.

Das Buch in italienischer Übersetzung

Dieses Buch sorgte nicht nur in Südtirol und allen Fachkreisen in Österreich und Deutschland für Aufsehen. Es wurde auch ins Italienische übersetzt und trägt vor allem in Südtirol und im Trentino dazu bei, dass auch italienische Mitbürger sich ein Bild abseits der damaligen offiziellen staatlichen Propaganda Roms machen können.

Hubert Speckner: „Zwischen Porze und Roßkarspitz …“ (Wien Verlag Gra&Wis 2013; ISBN 978-3-902455-21-5)

„Von der Feuernacht zur Porzescharte“: Italienische Geheimdienste hatten bei „verwerflichen“ Anschlägen die Hand im Spiel

Dass es in der heißen Zeit der Anschläge der 1960er Jahre noch eine ganze Reihe offenkundiger Geheimdienstmanipulationen zu Lasten der Freiheitskämpfer gegeben hat, enthüllte Mag. Dr. Speckner 2016 in einem neuen Werk mit dem Haupttitel „Von der Feuernacht zur Porzescharte“ und dem Untertitel „Das ‚Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“.

Speckner hatte auch diesmal Zugang zu allen relevanten und Jahrzehnte lang geheimen sicherheitsdienstlichen Unterlagen der Republik, welche sich mit Anschlägen in Südtirol während der Zeit des Freiheitskampfes befassten. Das Ergebnis seiner Aktenauswertung war sensationell: Bei einer ganzen Reihe von Anschlägen, welche gezielt auch Zivilbevölkerung in Gefahr gebracht hatten oder hätten bringen können, hatten offenbar italienische „Dienste“ ihre Hand mit im Spiel gehabt. Hier war es darum gegangen, die „terroristi altoatesini“ als gewissenlose und verruchte Täter darzustellen, welche auf die Vernichtung von Menschenleben abzielten.

Tragische Unfälle, denen Menschenleben zum Opfer gefallen waren, wurden nachträglich in „Terroranschläge“ umgewandelt. In anderen Fällen ließ sich eine provokatorische Steuerung im Hintergrund erkennen.

Speckner dokumentierte auch Anschläge, die von italienischen Neofaschisten verübt worden waren und bei denen versucht worden war, sie Österreichern in die Schuhe zu schieben, welche von der italienischen Propaganda gleichzeitig als „Nazis“ abgestempelt wurden.

Hubert Speckner: „Von der ,Feuernacht‘ zur ,Porzescharte‘. Das ,Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“ (Wien Verlag Gra&Wis 2016; ISBN 978-3-902455-23-9)

Über die wissenschaftliche Leistung des Historikers Mag. Dr. Speckner hat der Historiker und Publizist Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Olt dankenswerter Weise eine Abhandlung zur Verfügung gestellt, die auch schon in einem früheren SID wiedergeben wurde und hier abrufbar ist.




Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte

Vorwort, sowie Anmerkungen und Bilder von Georg Dattenböck

Einer Untersuchung des Südtiroler Landesinstituts für Statistik ASTAT aus dem Jahre 2015 zufolge herrschen bei der Vornamensgebung für Neugeborene immer noch die einheimisch-christlichen Namen vor, wenngleich seltsamste exotische Vornamen aus aller Welt, die keinerlei Bezug zur Tiroler Identität haben, manche Leser auch schon irritiert haben mögen.

Sprache ist Heimat. Aus ihr gewinnt man das Bewusstsein der eigenen Identität. In unserem SID-Beitrag zur Muttersprache haben wir auf den Literaturwissenschaftler, Germanisten, Volkskundler und Schriftsteller Ignaz Vinzenz Zingerle, Edler v. Summersberg (* 6. Juni 1825 in Meran, † 17. September 1892 in Innsbruck,) Bezug genommen.

Ignaz Vinzenz Zingerle
Ignaz Vinzenz Zingerle, Edler v. Summersberg

Zingerle hatte darauf hingewiesen, dass die deutsche Sprache gerade in Süd-Tirol mitentscheidend geprägt wurde und dies in engem Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung geschah. Er machte dies an vielen Beispielen deutlich, , die er in einem wissenschaftlichen Beitrag anführte.

Vielfach wurden wir nach unserem SID-Beitrag über die Lage der Muttersprache gebeten, diese wertvolle kulturgeschichtliche Arbeit „Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte“, welche 1856 in Stuttgart, in der von Franz Pfeiffer herausgegebenen „Vierteljahresschrift für deutsche Alterthumskunde ‚Germania‘“ erschienen war, in einem SID wieder öffentlich zu machen. Gerne kommen wir dieser Bitte nach.

Prof. Ignaz v. Zingerle: Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte

„Scheinbar Geringfügiges wird oft in der Geschichte bedeutungsvoll und wirft Licht auf Zustände, die sonst in Dunkel gehüllt wären. Dies gilt auch von den Personen- oder Taufnamen, die der Geschichtsforscher kaum eines Blickes oder einer Bemerkung würdigt.

Diese kleinen, verachteten Wörter spiegeln uns oft die Geschichte, die politischen und religiösen Sympathien, die Bildung ihrer Zeit. Was hier im Allgemeinen bemerkt ist, gilt auch für die Taufnamen, die im Mittelalter in Tirol geschöpft und gegeben wurden.

Die Sitte, daß patriotische Väter ihren Söhnen den Namen des regierenden Fürsten oder des künftigen Thronfolgers beilegen, blühte schon im Mittelalter. Die Kaisernamen Konrad, Heinrich, Friedrich, Otto, Rudolf begegnen darum am öftesten; nebst diesen finden sich in Tirol die Namen der Landesfürsten Meinhard und Sigmund am zahlreichsten.

Allein nicht nur Verehrung gegen bestimmte Heilige oder weltliche Gebieter hatte die Wahl der Taufnamen Einfluß, sondern auch die Lieblingslectüre bedingte sehr oft die Benennung eines Kindes.

Ältern, die für einen Dichter hochbegeistert waren, legten dessen Namen ihren Kindern bei; andere, die für eine Dichtung schwärmten, benannten ihre Kinder nach den Helden derselben. Dadurch wird es möglich, aus den Taufnamen auf die Lectüre des Zeitalters und auf die Bewunderung dieses oder jenes Dichtwerkes zu schließen, und in dieser Beziehung will ich die Taufnamen, wie sie das Mittelalter in meiner Heimat liebte, des Nähern besprechen.

„Am bekanntesten und beliebtesten, erzählt von Jung und Alt, waren die wunderbaren ewigen Mähren der Heldensage, die vom hohen Norden bis hinunter zu den wälschen Marken gesagt und gesungen wurden“.

Bis in den hohen Norden strahlte die Dietrich-Sage: eine Holzschnitzerei auf der Kirchentür in Valthjofsstad in Island um 1250. Kopenhagen, Nationalmuseum. Aus: Hans Friedrich Blunck: „Die nordische Welt“, Berlin.

Zingerle:

„Unter diesen stand der ostgothische Sagenkreis Tirol am nächsten. Saß ja der Amelungentrost zu Bern nahe bei Tirol und bestand in unseren Bergen die lobebären Abenteuer, zu denen uns die alten Lieder melden. Der kluge Hildebrand hatte seine Burg am grünen Gardasee und ritt mit seinem Herrn oft die Etsch herauf ins heutige Tirol. Kein Wunder deshalb, wenn Kinder die Namen dieser hochberühmten Helden, deren Thaten männiglich bekannt waren, erhielten.

Oft schon begegnet uns der Name, den Dietrichs Vater Dietmar trug. Nur beispielshalber führe ich Dietmar de Helbling 1299, Dietmar von Katzenzungen 1328, Dietmar von Vintl 1237 an. Es ließe sich sehr leicht eine große Anzahl von Edlen, die diesen Namen führten, nachweisen.

Ungleich häufiger, beinahe zahllos, kommt der Name Dietrich, des berühmtesten Amelungen, vor, z.B. Dietrich von Lienz (12. Jhdt.), Dietrich de villa S. Martini 1202, Dietrich de Zobl 1340. Dieser beliebte Name findet sich auch oft in den Formen Dieto und Dietelinus wieder“.

Relief am Hauptportal von St. Zeno in Verona: Kampf zwischen Dietrich (Theoderich) und Odoaker, rechts die Ermordung des Odokaer (Bild aus: Georg Pfeilschifter: Theoderich der Große; Mainz 1910).

Zingerle:

„An des großen Amelungen [des Ost-Gotenkönigs Dietrich] Seite stand der kluge Hildebrand, der den Herrn auf allen Zügen begleitete und sein Waffenmeister und Rathgeber war. Wie beliebt sein Name in Tirol war, mögen folgende Belege zeigen.

Ich fand Hildebrand von Weineck 1194, Hildebrand de Firmian I. 1242 und II. 1323, Hildebrand de Helbling 1277, Hildebrand de Krakofel 1256, Hildebrand von Latsch 1161, und einen Zweiten 1222, Hildebrand von Liechtenberg 1292, einen anderen 1330, Hildebrand de Caldes 1390, Hildebrand von Fuchs 1430 und 1519, Hildebrand Rasp 1370, und 1460, Hildebrand de Greifenstein 1311, Hildebrand de Niederthor 1185, Hildebrand von Perchtingen 1267 und 1320, Hildebrand von Mils 1288. In der Familie der Grafen von Brandis allein sind mir sechs Hildebrande bekannt. –

Den Namen Herbrand, den Hildebrands Vater und ein Held Dietrichs, sowie Sintrams Vater führten, trugen Herbrand de Milun 1145 und Herebrand von Anras 1305.

Des Waffemeisters Sohn Alebrand findet sich vertreten durch Alebrand von Nän 1468 und Alebrand von Caldonazi 1257.

Von den Helden, die den Preis der Amelungen umgaben und ihn nach Worms und auf andere Abenteuer begleiteten, finden sich folgende in Taufnamen wieder:

a. Wolfhart, Wolfhart von Fuchs 1346 und 1434, Wolfhart Zobl 1370, II. 1422, Wolfhart von Koburg 1490, Wolfhart Mexner 1374, Wolfhart de Niderndorf 1324 (?).

b. Wittich, B. Wittich de Monte 1270 Wittich ob dem Berge 1420, Wittich de Mellûn 1164,

Wittich von Matrei 1254 (?), Wittich de Völthurns 1221, Wittich de Bozen 1245.

c. Alphart, B. Alphart de Greifenstein 1350, Alphart von Goldeck 1392.

d. Eckart, z .B. Eckart von Ried 1361, Eckart von Garnstein 1162, Eckart von Intechingen 1257, Eckart von Villanders, Ekcart von Trostburg.

Von den übrigen Namen des ostgothischen Heldenkreises konnte ich nur Heime in Heime de Rischon 1154 finden“.

Anmerkungen von Georg Dattenböck:

Der Name Hildebrand ist uns erstmals im Text des „Hildebrands-Liedes“ überliefert – hier die ersten zwei Zeilen. Das ‚Lied‘ schildert einen dramatischen Schwertkampf zwischen Vater und Sohn und den schweren Seelenkampf Hildebrands, der in seinem Wehruf an Irmingot gipfelt:

‚Ich hörte das sagen, daß sich die Herausforderer einzeln trafen, Hildebrand und Hadubrand, zwischen den Heeren, Sohn und Vater. Sie sahen nach ihrem Panzer, schlossen ihr Schirmhemd, gürteten sich ihr Schwert um, die Reisigen über die Ringe, da sie zu jenem Streit ritten…‘.

In der nordischen ‚Thidrekssaga‘ ist ‚Brynhild‘ die Herrin einer Burg: diese war dadurch berühmt, daß auf dem Gestüt der Burg die wertvollsten Hengste gezüchtet wurden. Der Name ‚Brynhild‘ bedeutet: ‚die im Brustpanzer Streitende/Kämpfende‘. Mit ‚Brynhild‘ wurde deshalb, nach Ansicht des Verfassers, die Römische Armee bezeichnet: die röm. Legionäre trugen Brustpanzer, die Germanen nicht, wie diese wissenschaftlich exakt nachgebaute Rüstung eines römischen Offiziers zeigt.  Die Germanen nannten diese Brustpanzerbrunni-hiltja‘, in der Sage ist es „Brynhild‘. (Foto: G. Dattenböck).

Nahe des Kastells Vemania war eine Pferdezuchtanstalt der Römischen Armee im heutigen Betmauer in Schwaben: ‚Brynhildes Gestüt‘. In dieser Burg ‚Brynhilds‘ lebte auch jener in der Sage erwähnte Rossezüchter Studder mit seinem Sohn Heime. Schon in Heimes Kindheit erkannte sein Vater, daß Heime nicht sein Erbe antreten wird.

Heime beschloß als junger Mann, Dietrich von Bern zum Zweikampf herauszufordern. So ritt er mit seinem Hengst ‚Rispe‘ und seinem Schwert namens ‚Blutgang‘ zur Berner Klause, wo er sich in einem äußerst harten Zweikampf dem Dietrich geschlagen geben mußte. Trotz seiner Niederlage schloß  Heime sich der Schar von Dietrichs Schwertgenossen an.

Heime brachte als Geschenk für Dietrich den herrlichen Hengst ‚Falke‘ aus Vaters Gestüt nach Bern, den auch Dietrich ritt. Dietrich schenkte im Gegenzug Heime sein Schwert ‚Nagelring. Ist es nur reiner Zufall, daß wenig südlich des ehemaligen Römerkastell Vemania in Schwaben, der Ort ‚Nagelringen an der ehemaligen römischen Heerstraße liegt? Dieses römische Reiterkastell Vemania liegt 35 km vor Bregenz. Der dem Kastell nahe Ort Heimenkirch soll seinen Namen dem Germanenfürsten Heimo verdanken. Bei Heimenkirch und drei weiteren Orten fanden sich Reste römischer Burgi (Wachtürme), die zwischen den größeren Kastellen im Abstand von ~2 km standen. Das Römerkastell Vemania war der historische Kern der im Jahre 1043 erstmals erwähnten Stadt Isny und war Teil der Kette von Kastellen des spätantiken Donau-Iller-Rhein-Limes der ehemals römischen Provinz Raetia II. Diese römischen Kastelle wurden unter Kaiser Diokletian ab 280 als Ersatz für den aufgegebenen obergermanisch-rätischen Limes eingerichtet. Die in Isny stationierten römische Reiterei hatte den ~40 Kilometer langen Grenzabschnitt bis Bregenz (Brigantium) zu überwachen.

Wie sehr die Dietrichüberlieferung in Tirol nach wie vor beheimatet ist, zeigt dieses große Gemälde aus dem Jahre 1537 an der Außenwand des ‚Riesenhauses‘ in Reith bei Seefeld. Prof. Dr. Hermann Reichert schrieb in seinem Beitrag ‚Heime in Wilten und in der Thidrekssaga‘ (S. 508 in: ‚Studien zum Altgermanischen‘. Festschrift für Heinrich Beck): „Somit ergibt sich als wahrscheinlicher Befund: Tirol hatte im 13. Jahrhundert mit Niederdeutschland die Heldenfigur Heimo/Heime gemeinsam; die niederdeutsche Quelle hält Tirol für die ‚historische‘ Heimat.“
Das riesige Gemälde auf der Hausmauer zeigt sehr anschaulich den Kampf des ‚Thyrsus‘ (Dietrich) gegen den ‚Eindringling Heimo‘. (Foto: G. Dattenböck).

Zingerle:

Öfters zeigt sich Fasold, der nach der Vilkina-Saga zu den Helden Dietrichs zählt, nach Wackernagels Lügenmärchen, Ottokar von Steiermark und Eckenausfahrt ein Riese war und zu Dietrichs Gegner gehörte, in den Genealogien tirolischer Geschlechter, als Fasold von Frundsberg 1252, Fasold von Trens 1312 und ein zweiter des Namens 1272.

Aber nicht nur nach Dietrich und seinen Helden wurden Namen geschöpft, sondern Degenkinder wurden sogar nach seinem Helm benannt. Hildegrin hieß der Helm, den König Otnit und später Dietrich von Bern trug, und sein Name findet sich in Geschlechtsregistern wieder. Mir begegnete Hildegrin von Rischon 1170 und ein Hildegrin von Niderndorf 1324.

Neben und mit den Dietrichsagen waren die Nibelungenlieder ohne Zweifel in unseren Bergen sehr bekannt und die Namen der bedeutendsten Helden der Nibelungen kehren auch in alten Personennamen wieder. Vor allem begegnet uns der strahlende Siegfried in Namen, wie Siegfried de Serentina 1166, Siegfried von Tschöz 1227, drei Siegfriede von Rothenburg (I. 1192, II. 1209, III. 1264), Siegfried von Goldeck 1231, Siegfried von Gerwig 1327, Siegfried de Rischon 1322, Siegfried von Fuchs 1257.

Von den Namen der burgundischen Könige fand ich Günther öfters, darunter Gundachar von Niwenburg 1246. Der Name des grimmen Hagen findet sich häufig, z.B. Hagen von Matrei 1254, [Anm.: dieser ist ident mit] Hagen von Fragenstein 1254.

Ungleich öfter begegnet man dem Namen Rüdegers, des bis zum Tod treuen Markgrafen von Pechelarn. Z.B. Rüdeger von Niderndorf 1259, Rüdeger von Castelrut 1331, Rüdeger von Grießingen 1255, II. 1350, Rüdeger de Intechingen 1236, Rüdiger de Helbling 1329, Rüdeger de Rischon 1170, drei Rüdeger von Langenmantel (I. 1165, II. 1200, III. 1262), Rüdeger de Albeins 1236. Rüdeger von Trens 1312, Rüdiger von Matrei 1218, Rüdeger de Metz 1208, Rüdeger de Millûn 1208.

Beinahe ebenso lebte Volker, der ritterliche Sänger, in Taufnamen fort, als Volker de Flachsberg 1231, II. 1333, Volker de Chemenaten 1236, II. 1287, Volker de Niderthor 1296.

Von den übrigen Helden findet sich Piligrin, der fromme Bischof von Passau (Pilgrin Juckl 1361, Piligrin de Castelrut I. 1240, II. 1287, Pilgrin von Torrant 1140, Pilgrin von Falkenstein I. 1297, II. 1330, III. 1366, Piligrin de Mellûn 1308) und Etzel (Etzel von Tschengla 1255, fünf Etzel von Enna bis 1347) vertreten.

Von den im Nibelungenliede vorkommenden Frauennamen begegnet uns Uta in den verschiedenen Formen Uta, Guta, Juta sehr oft (Guta de Alwines 1152, Juta de Aufenstein 1293, Guta de Castelrut 1142, Guta Karlinger 1310, Juta de Brausnberg, Uta von Matrei – dieser Name findet sich auch im Orte Utenheim/Outinheim im Jahre 970).

Auch Helka, des Etzels erste Gattin, an der ‚vil maeger juncfrowen lip verweiset was‘, klingt in vielen Frauennamen nach, als Helka von Rodank 1244, Helka von Goldeck I. 1250, II. 1280, Helka von Stegen 1344, Helka von Starkenberg 1210, Helka von Matrei 12(..), Helka von Katzenzungen 1319, Helka de Cumpan 1382. Die Namen Chriemhilde und Brünhilde fand ich in ihrer vollständigen Form nicht, desto öfter die Verkürzung Hilde, als Hilda von Maienburg 1322, Hilda von Tschengls 1329 u.a.

Daß der Name Sigmund in Tirol häufig vorkam, ist schon oben berührt worden. Schließlich glaube ich hier bemerken zu müssen, daß auch ein Nibelinus von Maienburg sich findet.

Die Helden und Frauen der Gudrun finden sich in folgenden Namen vertreten:

a. Horand, in Horand von Gorjach 1347, Horand von Trautmannsdorf

b. Hildeburg ist ein so häufiger Name, daß es genügt, nur einige Beispiele anzuführen: Hildeburg von Lichtenstein 1304, Hildeburg Stuck 1260, Hildeburg von Köstlan

c. Herwig konnte ich nirgends finden, desto öfter Gerwig, als: Gerwig de Matrei 1365, Gerwig de Montalbon 1215, Gerwig von Lichtenstein 1288, Gerwig von Liebenberg 1310, Gerwig von Rotenstein 1478“.

 

Das Walther-Denkmal auf dem Walther-von der-Vogelweide-Platz in Bozen. 1889 wurde es von Heinrich Natter geschaffen. Bild:: Von Doug Knuth from Woodstock, IL – Bolzano 1-12Uploaded by AlbertHerring, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org

Zingerle:

„Unzähliche Male kehrte der Name Walter, den der von Ekkehart besungene Königssohn aus Aquitanien und der vielseitigste der Minnesänger führten, z. B. Walter de Rodank 1123, Walter von Rubin 1162, Walter von Naturns 1308, Walter von Partschins 1303, Walter de Porta 1142, Walter von Vintl 1309, Walter de villa s. Martini 1276, Walter de Millûn 1164.

Aber nicht nur die Helden und Frauen deutscher Sage und deutscher Heldendichtung klingen in den tirolerischen Taufnamen des Mittelalters weiter, sondern auch die Dichter der Tafelrunde fanden ihre Verehrer und ihre Namensträger. Hoch vor allen gepriesen scheint der Name Parzival gewesen zu sein. In der für die deutsche Literatur und Kunst hochbegeisterten Familie der Annaberger (Anton v. Annaberg 1420-80, der als Jüngling am Rhein und in Burgund für Wissenschaft und Poesie begeistert wurde, legte eine Bibliothek auf seinem Schloß an) kommen meines Wissens allein drei dieses Namens vor (1429-1660). Ebenso führen drei Edle von Weinsack diesen Namen I. 1352, II. 1394, III. 1491. Schon im 11. Jahrhundert begegnet uns ein Parzival de Caldes (1007), später finden wir Parzival de Saleck 1357, Parzival de Tschöz 1219 u.a.

An den Parzival und Titurel zugleich erinnert der Name der schönen Sigrune, die dem Maienglanz bei thaunassen Blumen glich und deren Herzen Ehr und Heil entblühte (Titurel Str. 32). Er war der beliebteste Frauenname und fand sehr viel Trägerinnen in den ersten Familien des Landes, z.B. Siguna von Kolb 1299 und 1366, von Stufels 1327, von Heuberg 1459, von Hettingen 1391, von Perchtingen 1312, von Tschöz 1364, von Villanders 1375, von Pitrich 14(..), von Gözens 1477, von Braunsberg 1286, von Eps 1430 (?), von Freundsberg 1560.

Wie der von Wolfram gefeierte Ritter des h. Grals waren Tristan und Isolde, die der liebe Meister Gottfried so reizend und heiter besungen hat, gar wohl gekannt und geehrt. Dies zeigen uns die alten Fresken auf Runkelstein bei Bozen, dies das häufige Vorkommen derselben in Taufnamen.  So finden wir Tristan de Maienburg 1305 und 1312, II. 1329. Isolda de Maienburg 1322, Isolda von Katzenzungen 1333 und 1370, Isolda von Braunsberg 1286, Isolda von Niderthor 140(?). Hier muß bemerkt werden, daß oft der Name Saelde nach Mairhofers Genealogien auch statt Isolda gebraucht wurde, z. B. Selda von Aur 1327, Selda von Voigtsberg 1290, Selda von Parnberg 1416“.

Schloß Runkelstein liegt nahe bei Bozen auf einem Felsen hoch über der Talfer, am Eingang zum Sarntal und im Gemeindegebiet von Ritten. Runkelstein bewahrte seinen mittelalterlichen Charakter, wurde 1237 durch die Brüder Friedrich und Beral von Wangen neu erbaut. 1385 erwarben die Brüder Franz und Niklaus Vintler die Burg und begannen 1388 mit dem Umbau und der Ausmalung. Sehr bekannt sind die Malereien von Tristan und Isolde um 1410, sowie die des Artusritters Garel vom blühenden Tal. Ebenso finden sich u.v.a. auch Malereien von Dietrich von Bern, von Siegfried und von Dietleib von Steier. (Foto: G. Dattenböck.)

Die berühmten Iwein-Fresken in Schloß Rodenegg, über deren Maltechnik und kunsthistorische Bedeutung Helmut Stampfer und Oskar Emmeregger das Buch „Die Ywain-Fresken von Schloss Rodenegg“ im Athesia-Verlag, Bozen 2016, veröffentlich haben, könnten in ihrer Entstehungszeit noch in die Lebenszeit des Hartmann v. Aue fallen (†~zwischen 1210 und 1220). Nach brieflicher Mitteilung des Breisgauer Forschers Prof. Dr. Peter Volk ‚taucht der keltische Name Iwein bereits 1147/1155 in Vill vor der Burg Rodenegg auf … und damit war wahrscheinlich auch die Geschichte von Iwa(i)n bereits bekannt‘. Hartmann v. Aues Romane Erec und Iwein entstanden ~1165 und ~1177. ‚Iwein, ein deutscher Ritter, rettete 1183 die Festung Karak (in Palästina), vor einer Überrumpelung durch Saladin‘, schrieb Reinhold Röhricht in: „Die Deutschen im Heiligen Land“, S. 48, Innsbruck 1894.

Zingerle:

„Von anderen Namen aus dem Kreis der Tafelrunde fand ich sehr häufig Artus und einmal Ginovre (Anna Ginovre von Annenberg † 1667), ferner Gawein (Gawein de Maienburg 1288, Gawein Botsch 1390); Lanzelot (Lanzelot von Thurn in Glurns 1370), Wigalois (de Niderhaus 1314), Iwein (Iwein de Rothenstein 14(..).

Die so oft vorkommenden Namen Karl und Roland (Roland von Lichtenstein im 13. Jahrhundert, Roland von Schrifenstein 1497, Roland von Mareit 1349) erinnern uns an die kärlingischen Sagen.

Von Namen, die auch berühmte Dichter des Mittelalters tragen, findet sich am zahlreichsten Freidank (Freidank von Vals 1336, Freidank Göszl 1454, Freidank von Auhofen 1358, Freidank Stegen 1295, Freidank Stuck 1316), was uns nicht überraschen darf, da Freidanks Bescheidenheit in Tirol sehr bekannt und geschätzt war.

Ein Vellenburger führte den Namen Wolfram (im 14.Jhdt.). Nebst Gotfried begegnen uns öfters Hartman: Hartman de Stufels 1319; Hartman von Langenmantel 1330, Hartman Stuck 1260, und Werner: Werner von Millûn I. 1142, II. 1192, Werner de Varn 1280, Werner de Hettingen I. 1301, II. 1327, III. 1331, Werner de Völs 1120., Werner Fink von Katzenzungen I. 1260, II. 1288, III. 1318, Werner de Albeins 1143, Werner de Räsina 1176.

Aus den angeführten Beispielen, die ich in Mairhofers Genealogien de tirolischen Adels entnahm, zeigt sich, daß die Namen der berühmtesten Helden der deutschen Dichtungen des Mittelalters wohl bekannt und als Taufnamen sehr beliebt waren.

Mit dem 15. Jahrhundert verschwinden mehr und mehr die alten Namen, wie die Kenntniß der alten heimischen Dichtung und Sage allmählich erlosch. An die Stelle der ehrwürdigen schönen Namen der Altvorderen treten Benennungen wie Balthasar, Melchior, Kaspar, Eva, Zacharias, Justina, Elias, Achatius, Erasmus, Eustachius, Gabriel, Tobias, Potentiana, Ossara und ähnliche.

Freuen würde es den Verfasser dieser Zeilen, wenn er durch sie nicht nur das Augenmerk auf die reichen Namen des Mittelalters gelenkt, sondern auch dazu beigetragen hätte, den einen oder den andern wieder in Gebrauch zu rufen. Schließlich sei noch bemerkt, daß die uralten Namen Ortwein, Siegwein und Kuprian in Tirol als Geschlechtsnamen heutzutage noch vorkommen“.

Anmerkungen von Georg Dattenböck: Wissenschaftler zur Heldendichtung Tirols

Ich darf anmerken, daß bedeutende Historiker und Literaturwissenschaftler davon überzeugt sind, daß „Tirol zu jenen Gebieten des deutschen Sprachraumes gehört, wo sich die Heldendichtung länger als anderswo der Gunst der literarisch Interessierten erfreute“ (Dr. Egon Kühebacher: „Deutsche Heldenepik in Tirol. König Laurin und Dietrich von Bern in der Dichtung des Mittelalters“; Vorwort S. 5, Athesia-Verl. 1979).

Für das Epos Laurin und das Eckenlied ist es, laut Kühebacher, „jedenfalls wesentlich, daß die heldenepische und ritterlich-höfische Schicht auf volkstümlichem Südtiroler Erzählgut größtenteils ladinischer Herkunft ruht.“

Eugen Thurnher schrieb Wahres (Südtirols deutsche Dichtung, S. 68 in: Südtirol – Eine Frage des europäischen Gewissens; Hg. Franz Huter, München 1965): Es ist kein Zufall, daß die Entstehung einer eigenständigen deutschen Literatur aufs Engste mit dem Südtiroler Raum verbunden ist.

Das „Ambraser Heldenbuch“ wurde zwischen den Jahren 1504 bis 1516 von Hans Ried, Zöllner am Eisack, im Auftrag des Kaisers Maximilian I. abgeschrieben. Für unser Wissen über die gesamte mittelhochdeutsche Dichtung ist dieses Buch von unschätzbarem Wert, denn hier werden uns die mittelhochdeutschen Epen „Kudrun“, „Biterolf und Dietleib“, Hartmanns von Aues „Erec“, sowie „Meier Helmbrecht“  und das Nibelungenlied überliefert.

Abbildungen aus: Ambraser Heldenbuch; Digitale Bibliothek der Österreichischen Nationalbibliothek.

In Burg Obermontani im Vinschgau wurde eine Abschrift des Nibelungenliedes durch Johann Chrysanth Weber (*1798 in Lienz, †1859 in Frankfurt/M., Lehrer am Gymnasium in Meran und Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung), gerettet und befindet sich jetzt in Berlin.

Der kulturelle Tiroler Raum

Bei der Betrachtung des Kulturraums Tirol dürfen wir nicht nur von den Gebieten des heutigen Nord-, Ost- und Südtirols  ausgehen. Man muss auch Welschtirol, das heutige Trentino, und auch die südlich davon gelegenen ehemaligen deutschen Sprachinseln und auch die ladinischen Siedlungsgebiete als wesentlichen deutsch-ladinischen Kulturraum mit einbeziehen.

Karte aus: Bernhard Wurzer: „Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien“, S. 151, Verlag Athesia, Bozen 1983. (Zum Vergrößern der Karte bitte anklicken.)

Diese wissenschaftlich fundierte Karte, erstellt von Dr. Egon Kühebacher, dokumentiert das ab dem 16. Jahrhundert stetige Schrumpfen des deutsch-ladinischen Sprachgebietes südlich Salurns und zwischen Etsch, Brenta und Piave. Auf den 1960 gegossenen Glocken der Kirche „Maria, Hilfe der Christen“ ist z.B. die alte Fersentaler Mundart verewigt. Auf der Petrusglocke steht: „Lo beldrn, sceldrn, taldrn der Gotterhear richtet ὸlls uh. Gaschenk wan Stefan Rodler“. Auf der Marienglocke: „Haile Maria Kriegen pitt wer ins orma Sinter in Lem ὸnt et Tὸёt“. Auf der Michaelsglocke: „“Engeler ὸlla wa Gott helwt ins wiёrt ins ὸlla anau en Hibl. (als Stifter): Pfoff Jackl Heuwer Zöhrn“ (Bernhard Wurzer, S. 59).

Der im Tal der Piave auf obiger Karte eingezeichnete Ort Feltre bezeichnet jene in der deutschen Sage bekannte ‚Fritilaburg‘ (althochdeutsch: Felters): das war der Hauptort der ab 400 nach Norditalien eindringenden Lugier. Dort, auf dem Berg Aurin (Odins Berg), wurde 1875 die Königsschale des letzten Vandalenkönigs Gelimer († 534) gefunden – jetzt wird dieses Kleinod in Paris aufbewahrt.

In der ‚Thidrekssaga‘ wird Eckehards Vater Hache, der in Fritilaburg lebte, mit: ‚Aurlunga trausti‘ (Harlungentrost) benannt. Hache war ein Blutsverwandter des Hildebrand. Eckehard wird in ‚Dietrichs Flucht‘ als ‚Harlunge man‘, im Epos ‚Rosengarten‘ wird er von Hildebrand als ‚Herr der Harlungen‘ bezeichnet. Mit diesen ‚Harlungen‘ der Sage sind nach Ansicht des Verfassers die historischen Harrier, ein Teilstamm der Lugier/Vandalen, gemeint.

Noch im 16. Jahrhundert war das Bistum Trient mehrheitlich deutsches Sprachgebiet. Im 11. und 12. Jahrhundert verboten, aus machtpolitischen Erwägungen, die Bischöfe v. Trient ihren Untertanen, sich mit welschen Frauen oder Männern südlich der „Berner Klause“ zu verheiraten: die Kaiser hatten großes Interesse, daß die Bischöfe v. Trient die für das Reich lebenswichtige Straße durch das Etschtal immer beherrschten.

Im Vorwort des ‚Codex Wangianus‘, benannt nach dem berühmten Fürstbischof v. Trient, Friedrich v. Wangen (aus Wangen bei Bozen stammend,*~1175; †6.11.1218 in Akkon, Galiläa) wird berichtet:

‚Um den Bischof von Trient an seinen Grenzen mehr zu sichern, übertrug ihm der Kaiser das feste Schloß Garda unter der Bedingung, keinem Lombarden oder Veronesen die Obhut desselben anzuvertrauen‘.

Urkunden im ‚Codex Wangianus‘ dokumentieren ebenfalls die alte deutsche Sprachgrenze ‚Berner Klause‘:

‚16.8.1198: Brianus, Sohn Aldrighets v. Castelbarco, verkauft dem Bischofe Konrad v. Trient für 2200 Pfund Berner sein Schloß zu Castelbarco und sein Haus zu Pratalia. Der Bischof ertheilt ihm beide wieder zu Lehen, für ihn und seine männlichen Nachkommen, und in deren Ermangelung auch für die weiblichen, woferne sie nicht nach der Lombardei oder Veroneser-Mark heiraten. In Ermangelung aller Nachkommenschaft fällt das Lehen von Castelbarco auf die Schwestern des Brianus und deren Erben, woferne auch diese nicht nach der Lombardei oder der Veroneser-Mark heiraten; Pratalia aber fällt dem Bisthume anheim‘.

‚1203: Die Brüder Nikolaus und Heinrich von Egna übergeben dem Bischofe Konrad v. Trient das alte Schloß Egna, welches bisher ihr und ihrer Vorfahren Allod [eigener Besitz] gewesen war. Der Bischof ertheilt ihnen hierauf dasselbe Schloß wieder zu Lehen, auf ihre männlichen und weiblichen Deszendenten [Nachkommen], doch sollen letztere sich nicht von der Veroneser-Klause abwärts verheiraten‘. (Rudolf Kink: „Codex Wangianus. Urkundenbuch des Hochstiftes Trient“, S. 135, 153; Wien 1852).

Foto aus: www.satgeo.zum.de/satgeo/beispiele/garda/gardasee.htm

Ab der Völkerwanderungszeit, bis in das 16. Jahrhundert, lag die alte deutsche Sprachgrenze 20 Kilometer nördlich Veronas bei der „Berner Klause.“ An dieser militärstrategisch entscheidenden Stelle, wo viele entscheidende Kämpfe stattfanden, lag der „Schlüssel“ zum Eintritt aller Heere nach Italien bzw. nach Tirol!

Meinen Forschungen nach, war in der ‚Berner Klause‘ der historische Sitz des Hildebrand, Gefolgsmann des Dietrichs v. Bern.

Der berühmteste Tiroler Sagenforscher, Karl Felix Wolf schrieb ebenfalls: „Die Klause liegt nicht weit von Verona, das in der deutschen Heldensage Berne genannt wird; darum heißt sie bei den Deutschen: Berner Klause, bei den Italienern: Chiusa di Verona. Darum fühlen wir uns, wenn wir die Klause betreten, vor allem mit Dietrich v. Bern verbunden. Auf dieser (westlichen) Seite der Schluchten befindet sich eine feste Burg, die im Spätmittelalter als mächtige, runde Bastei ausgebaut worden ist und heute noch ungebrochen dasteht. Diese – oder die von ihr nicht weit entfernte Burg ze Garte am Gardasee – muß Arnold v. Lübeck gemeint haben, als er im 12. Jhdt. seine ‚Slawenchronik‘ schrieb und bemerkte, daß bei der ‚Veronensium Clusa‘ ein sehr starkes Bollwerk stehe, das vor uralten Zeiten her als der Sitz Hildebrands bezeichnet werde“ (Karl Felix Wolff: „Dolomitensagen“; S. 555ff, Innsbruck 1913).




„Erdbebensicherung“ des faschistischen Siegesdenkmals in Bozen

„Furberia“ all’Italiana

Das italienische Wort „furberia“ bezeichnet eine besondere Schlauheit und Verschlagenheit. Eine solche „furberia“ demonstriert das Kulturministerium in Rom mit der Ankündigung, in das faschistische Siegesdenkmal in Bozen 735.000 Euro für dessen „Erdbebensicherung“. und Generalsanierung zu investieren. Dem Kulturministerium zufolge ist Südtirol offenbar ein Erdbebengebiet. Die „Erdbebensicherung“ sei notwendig, denn schließlich handle es sich um ein „Kulturgut“.

Ein auf Wunsch Mussolinis errichtetes Denkmal

Das auf ausdrücklichen Wunsch Mussolinis errichtete und 1928 als Symbol des Faschismus und der „Italianita“ Südtirols eingeweihte „Monumento alla Vittoria“ ist mit steinernen „Liktorenbündeln“, dem Symbol der Faschistischen Partei, des „Partito Fascista Italiano“, geschmückt.

Es stellt zudem eine steinerne Beleidigung der Südtiroler dar. An der Stirnseite des Denkmals schießt eine „Siegesgöttin“ einen Pfeil gegen den „barbarischen Norden“ ab. Darunter findet sich folgende lateinische Inschrift:

Hic patriae fines siste signa. Hinc ceteros excoluimus lingua legibus artibus.

(Übersetzt: „Hier an den Grenzen des Vaterlandes setze die Zeichen. Von hier aus bildeten wir die Übrigen durch Sprache, Gesetze und Künste.“).

Ursprünglich war anstelle von „ceteros“ („die Übrigen“) das Wort „barbaros“ („die Barbaren“) vorgesehen gewesen. Trotz der abgemilderten Wortwahl blieb die Aussage unmissverständlich: Das faschistische Italien habe den unterworfenen Bewohnern des Landes erstmals Zivilisation und Kultur gebracht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das „Siegesdenkmal“ dadurch „entfaschistisiert“, dass eine auf Mussolini verweisende Inschrift entfernt wurde.

Nun konnte das „Siegesdenkmal“ seiner ursprünglichen Zweckbestimmung gemäß weiterhin als Kulisse für militärische Aufmärsche und neofaschistische Kundgebungen dienen.

Protest der „Süd-Tiroler Freiheit“

Die Landtagsfraktion der „Süd-Tiroler Freiheit“ wies in einer Presseerklärung darauf hin, dass die Südtiroler insgesamt 1.220.000,00 Euro für Erdbebenopfer in Mittelitalien gespendet hätten.

„Nicht nur alle antifaschistisch gesinnten Menschen, sondern auch die wahren Erdbebenopfer werden verhöhnt!“, so der Vorwurf der „Süd-Tiroler Freiheit“.

Von der Caritas der Diözese Bozen/Brixen hat sie nun auf Anfrage erfahren, dass Süd-Tirol für die Opfer der jüngsten Erdbeben in Mittelitalien bis zum 31. Dezember 2017 insgesamt 1.220.147,54 Euro gespendet haben. Hinzukommen die Gelder, die das Land Süd-Tirol zusätzlich bereitgestellt hat, deren genaue Höhe mit einer Landtagsanfrage herausgefunden werden soll.

Der Landtagsabgeordnete Bernhard Zimmerhofer und der Sprecher der STF-Ortsgruppe Bozen, Cristian Kollmann, bezeichnen es, so wörtlich, „als unglaubliche Dreistigkeit, mit der das zum architektonischen Kulturgut uminterpretierte Siegesdenkmal praktisch unzerstörbar gemacht werden soll, während im Erdbebengebiet in Mittelitalien die Schäden bei Weitem noch nicht behoben sind!“

Soweit die Presseerklärung der „Süd-Tiroler Freiheit“.

Tatsächlich sind bis heute in den Erdbebengebieten Mittelitaliens die durch Erdbeben verursachten Bauschäden der letzten beiden Jahre zum größten Teil noch nicht behoben. Begründung: In Rom fehlt das Geld!

Die Sanierung des faschistischen Protztempels in Bozen unter dem Vorwand der Herstellung der Erdbebensicherheit ist eine Verhöhnung der dortigen betroffenen Erdbebenopfer.

Fotomontage: Süd-Tiroler Freiheit

Protest der Freiheitlichen

Walter Frick, der freiheitliche Bezirksobmann von Bozen Stadt und Land, nahm ebenfalls zu dem römischen Vorhaben Stellung:

„Schon wieder hat man seitens des italienischen Staates einen neuen Vorwand gefunden, um das nach seinem Begriff als „Kulturgut“ bezeichnete, aber für die deutsch-ladinische Bevölkerung als Geschichtsverfälschung empfundene sogenannte „Siegesdenkmal“ auf Erdbebensicherheit prüfen zu lassen, um somit wieder Geld beim Ministerium für Kulturgüter locker machen zu können.

Anderseits hat der italienische Staat kein Geld für geschichtsträchtige Bauten in ganz Italien, aber für das soggenannte „Siegesdenkmal“ in Bozen kann das Ministerium für Kulturgüter ohne weiteres 735.000 Euro aufbringen. … Italien ist voll mit Kunstschätzen wie wohl kaum ein anderes Land in Europa. Aber der Staat hat kein Geld, um sie zu erhalten, und setzt sie somit zum Teil dem Verfall aus. Aber in Südtirol laufen die Uhren anders, hier wird sehr wohl Geld für eine Geschichtsverfälschung, wie es das sogenannte Siegesdenkmal eine ist, bereitgestellt.

Tatsache ist, dass man mit dem Vorwand, das Denkmal sei nicht erdbebensicher, wiederum erhebliche Summen von Steuergeldern für diesen faschistischen Bau bereitstellen wird. Dieses Bauwerk ist bis heute unverändert geblieben und verkörpert weiterhin durch faschistische Symbole und rassistische Inschriften die faschistische Ideologie und wird somit auch von der deutsch-ladinischen Bevölkerung abgelehnt.“

Soweit die Presseerklärung der Südtiroler Freiheitlichen.

Das „Siegesdenkmal“ wurde auch in den vergangenen Jahren immer wieder mit Steuergeldern renoviert, damit es eine schöne Kulisse für italienische nationalistische Aufmärsche abgeben kann.

Die nunmehrige Begründung der Herstellung einer „Erdbebensicherheit“ übertrifft an „furberia“ aber alle bisherigen Vorgangsweisen.




Der SVP-Club der ehemaligen Mandatare der Südtiroler Volkspartei legt eine Informationsschrift zur Doppelten Staatsbürgerschaft vor

Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler

Am 14. Februar 2018 gab der SVP-Cub der ehemaligen Mandatare in der Südtiroler Volkspartei eine Pressekonferenz am Sitz der SVP in Bozen.

Dabei sprachen sich die Altmandatare dafür aus, dass die neue österreichische Bundesregierung den Südtirolern die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zusätzlich zur italienischen bald ermöglichen solle.

Die Tageszeitung „Dolomiten“ und deren Internetportal STOL berichteten ebenso wie das Internetportal „Unser Tirol 24“ ausführlich darüber.

Die bei der Pressekonferenz vorgestellte Denkschrift des SVP-Clubs beantwortet alle rechtlichen und politischen Fragen im Zusammenhang mit der Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler positiv.

Das im Koalitionsprogramm der österreichischen Bundesregierung festgeschriebene Vorhaben sei eine „weitsichtige und großherzige Geste des österreichischen Vaterlandes gegenüber der österreichischen Minderheit in Südtirol“. Dies erklärte der Vorsitzende des Clubs, Landesrat für Kultur und Schule a.D., Dr. Bruno Hosp.

Österreich folge damit dem Beispiel Italiens, das seine Staatsbürgerschaft für die Auslandsitaliener in Slowenien und Kroatien und in anderen Staaten bereits 1991 wiederverliehen habe.

 Dr. Hosp: „Akt von großem symbolischen Wert“

Dr. Bruno Hosp
Dr. Bruno Hosp

Das habe die emotionale Verbindung zum alten Vaterland Österreich gestärkt und sei ein Akt von großem symbolischem Wert, erklärte Dr. Bruno Hosp weiter. Dieser werde die freundschaftlichen Beziehungen zu Italien nicht stören, sondern im europäischen Geist noch weiter vertiefen, denn die meisten europäischen Staaten gewähren heute ihren Landsleuten im Ausland zusätzlich auch die eigene Staatsbürgerschaft.

Die SVP habe dieses Ziel schon seit 2009 verfolgt, als die SVP-Parlamentarier Dr. Siegfried Brugger und Dr. Karl Zeller zum ersten Mal Österreich ersuchten, dem italienischen Beispiel zu folgen.

2010 habe Altlandeshauptmann Dr. Luis Durnwalder gemeinsam mit dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter den damaligen Außenminister Dr. Michael Spindelegger diesbezüglich angesprochen. Der Landesparteitag der SVP habe schließlich im Jahre 2012 diese Bitte an Österreich in einer einstimmigen Resolution gerichtet.

Die gleiche Bitte habe der SVP-CLUB in einer Petition mit 28 Unterschriften an die österreichischen Regierungsparteien gerichtet.

Autonomie davon unberührt

Die Südtiroler seien 1919 der Staatsbürgerschaft ihres Vaterlandes verlustig gegangen, erklärte Dr. Hosp weiter. Nun wünschten sie, dieselbe zusätzlich zur italienischen Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen.

Dies entspreche auch der Zielsetzung des Pariser Vertrages, welcher den Schutz der deutsch-ladinischen Minderheit garantiere. Die hart errungene Südtirol-Autonomie werde davon nicht berührt. Vielmehr werde ihre Zielsetzung des Erhalts der Südtiroler als österreichische Minderheit in Italien zusätzlich deutlich gemacht.

Dr. Siegfried Brugger: Dem italienischen Beispiel folgen!

Dr. Siegfried Burger
Dr. Siegfried Burger

Der ehemalige SVP-Landesparteiobmann und langjährige Parlamentsabgeordnete RA Dr. Siegfried Brugger ist ein Experte für Verwaltungs- und Verfassungsrecht. Er verwies in der Pressekonferenz auf die gleichartige italienische Regelung von 2006 für die Italiener in Istrien und Dalmatien. Diese habe sich durchaus positiv auf die italienischen Beziehungen mit Slowenien und Kroatien ausgewirkt habe.

Österreich solle daher, dem italienischen Beispiel folgend, selbstbewusst die Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler vornehmen.

Wie Verfassungsexperten übereinstimmend festgestellt hätten, bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Hindernisse.

Die Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler sei vielmehr Ausdruck einer europäischen Ausrichtung und zeige Verantwortung für die österreichische Minderheit.

Derartige Doppelstaatsbürgerschaften seien in vielen Ländern üblich und hätten durchaus das freundschaftliche Zusammenwirken über die Grenzen gefördert.

Einhundert Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, in welchem Südtirol große Opfer für das gemeinsame Vaterland erbracht habe, könne nun ein besonders sichtbares Zeichen der Verbundenheit mit Südtirol gesetzt werden. Das Südtiroler Anliegen werde von der österreichischen Bevölkerung mit großer Zustimmung verfolgt, erklärte Brugger abschließend.

Die Informationsschrift der SVP-Club-Mandatare kann hier eingesehen und heruntergeladen werden: SVP Club Infoschrift




Ideologische Volksbelehrung durch den ORF

Bildschirmfoto der ORF Sendung „Südtirol heute“

Eine unglaubliche Entgleisung

Bereits während der Pressekonferenz des Clubs der SVP-Altmandatare am 14. Februar 2018 war ein Journalist wenig angenehm aufgefallen.

Schlimmer wurde es am Abend in der ORF-Sendung „Südtirol heute“.

Eingangs der Sendung bemühte sich die Moderatorin um eine abwertende Darstellung, vollends zur ebenso überheblichen wie ideologischen „Volksbelehrung“ geriet die Sendung dann an deren Schluss.

Beschwerde an den ORF

Dr. Franz Pahl

Ideologische Abwertung – unfassbar verleumderisch – Ausdruck eines unqualifizierten Journalismus – Herabsetzung von verdienten Politikern der SVP – linksideologische Beeinflussung“

Am 18. Februar 2018 richte der ehemalige Südtiroler Landtagsabgeordnete, Regionalratsabgeordnete, Vizepräsident der Regionalregierung Trentino-Südtirol und Regionalratspräsident Dr. Franz Pahl, folgende Beschwerde an den ORF:

Herrn Generalintendant Alexander Wrabetz
ORF Chefredakteur Fritz Dittlbacher
Herrn Landesdirektor ORF-Tirol Helmut Krieghofer
Herrn Chefredakteur von Südtirol heute Siegfried Giuliani

Beschwerde:

Die Pressekonferenz der ehemaligen Mandatare der SVP am 15.2.18 mit der Vorstellung der Denkschrift zur Befürwortung der österr. Staatsbürgerschaft für Südtiroler wurde in der Sendung „Südtirol heute“ vom 15.2.18, 18.30h, mit einer deutlich abwertenden Tendenz dargestellt, wie: „scharfe Sätze“, „Durch alle Seiten (der Denkschrift) zieht sich die Sprache des 19. Jahrhunderts. Vaterland, Volkstum und nationale Identität.“ Am Ende noch den abwertenden Kommentar: „Es fragt sich, ob ein Zukunftspapier mit der Tinte der Vergangenheit geschrieben werden kann.“

Die ganze Sendung trug wenig zur Information bei, sondern zielte auf linksideologische Beeinflussung. Begriffe wie „Vaterland“ usw. als „Sprache des 19. Jahrhunderts“ oder „Tinte der Vergangenheit“ abzuqualifizieren, was ebenfalls suggestiv auf eine Nähe zum Nationalsozialismus abzielt, ist schlicht Ausdruck eines unqualifizierten Journalismus und Herabsetzung von verdienten Politikern der SVP.

In der Sitzung des SVP-CLUBS der ehemaligen Mandatare  vom 31.1.18 wurde die Denkschrift einstimmig gutgeheißen. Sie ist eine Folge-Initiative der Petition, die 28 ehemalige SVP-Mandatare des SVP-Clubs (darunter der ehemalige Landeshauptmann Durnwalder, die ehemaligen Landesparteiobmänner Brugger und Pichler-Rolle zusammen mit ehemaligen Parlamentariern, Mitgliedern der Landesregierung und des Landtages) im November 2017 an die Koalitionspartner Kurz und Strache gerichtet haben mit der Bitte, die Wiederverleihung der österr. Staatsbürgerschaft in das Koalitionsprogramm aufzunehmen.

Diese Bereitschaft der Bundesregierung ist eine weitherzige und europäische Geste und ein souveräner Akt unseres Vaterlandes Österreich (analog zum italienischen Beispiel von 1992 für die Auslandsitaliener in Istrien und überall in der Welt). Sie wird ausdrücklich auch von LH Platter und dem Land Tirol unterstützt.

Der Landesparteitag der SVP hat schon 2012 in einer Resolution diese Bitte an Österreich um die Wiederverleihung der 1919 verlorenen österreichischen Staatsbürgerschaft gerichtet. Die Tendenz des ORF scheint in diesem Fall auf Herabsetzung von Personen und Inhalten abzuzielen, die seiner hervorstechenden ideologischen Fixierung nicht genehm sind.

Es ist nicht anzunehmen, dass die Bozner Redaktion von „Südtirol heute“ in dieser Weise agieren kann, wenn sie sich nicht stillschweigend von der Zentrale gedeckt glaubt.

Jetzt werden die ideologischen Vorbehalte auch auf die ehemaligen Mandatare der SVP ausgedehnt, die die weitherzige und beispielhafte Bereitschaft der neuen Bundesregierung dankbar befürworten.

Der ORF hat die Verpflichtung, korrekt zu berichten und dem Interesse Österreichs, wozu auch Südtirol zählt, zu dienen und nicht Exerzierfeld für die ideologischen Fixierungen gewisser Journalisten zu sein, die ihre eigenen politischen Zielsetzungen auf Kosten der Allgemeinheit verfolgen. Am Beispiel des Verhaltens des ORF-Vertreters bei der Pressekonferenz und durch die ideologisch getönte Abwertung eines Anliegens der neuen Bundesregierung in der erwähnten Sendung ist das überdeutlich hervorgetreten.

Die Verärgerung der Betroffenen, aber auch das Befremden zahlreicher Südtiroler Zuseher von „Südtirol heute“, die der neuen Bundesregierung dankbar sind, braucht sie also nicht zu wundern.

gez. Ltg. Abg. a.D. Dr. Franz Pahl, Schriftführer des SVP-Clubs der ehemaligen Mandatare der Südtiroler Volkspartei

Bozen, den 18.2. 2018

Dokumentation: Text der Sendung

Moderatorin: Die Altmandatare der SVP haben sich heute erneut für die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler ausgesprochen und eine Denkschrift veröffentlicht, in der scharfe Sätze stehen. Wer eine Abwehrhaltung gegenüber dem Wunsch nach einem Doppelpass habe, offenbare eine nationalistische Feindseligkeit. Die Kritik verbünde sich mit nationalistischen italienischen Kräften gegen deutsche und ladinische Südtiroler, schreiben die Altmandatare.

(Eingespielter Beitrag.)

Sprecher: Als – (Zitat:) geballte Kraft der Erfahrung – präsentieren sich Ferrari, Pardella, Hosp, Pahl und Brugger, die Altmandatare der SVP brechen eine Lanze für die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie machen das mit einer Denkschrift. Der sogenannte Doppelpass sei ein Herzensanliegen vieler Südtiroler – zugleich sei er reine Privatsache.

Hosp: Ich nenn sie deswegen private Angelegenheit, weil man ja bereits kolportiert, es könnten zwischen solchen, die die Staatsbürgerschaft beantragen und denen, die sagen „was hab ich davon, den brauch ich nicht“, eine Zwistigkeit entstehen. „Du bist ein besserer Tiroler und du bist ein schlechterer Tiroler.“ Und das gilt es zu verhindern, denn es ist völlig meine Privatsache, was ich tu – niemand braucht das übrigens zu wissen.

Dr. Bruno Hosp
Dr. Bruno Hosp in der ORF-Sendung. Bild: Bildschirmfoto ORF

Sprecher: In ihrem Positionspapier spannen die Altmandatare selbst die christliche Nächstenliebe für ihre irdische Causa ein und sie machen klar, was sie von einem europäischen Pass halten. Mit einer verhüllten Formulierung kritisiert Bruno Hosp heute jene, die die Doppelpassbefürworter als Unruhestifter bezeichnen.

Hosp: Dies, natürlich, lasse ich mir nicht bieten und das ist wirklich unwürdig, solche Dinge in der Weise zu vermengen, dass derjenige, der dieses Angebot mit Freude annimmt, dazu beitragen könnte, irgendwo und irgendwie Unfrieden zu stiften. Das ist boshaft gemeint und das ist zurückzuweisen.

Sprecher: Wer das Recht auf den Wunsch nach einer Doppelstaatsbürgerschaft ablehne, degradiere die Südtiroler zu einer Gemeinschaft minderen Wertes, steht in der Denkschrift. Durch alle Seiten zieht sich die Sprache des 19. Jahrhunderts, von Vaterland, Volkstum und nationaler Identität ist die Rede. Es bleibt die Frage, ob ein Zukunftspapier mit der Tinte der Vergangenheit geschrieben werden kann.

Nachtrag vom 23. Februar 2018:

Aus Bozen erreicht uns folgende Nachricht, die wir der Korrektheit halber mitteilen: Es hat sich herausgestellt, dass es sich bei dem Journalisten, welcher auf der Pressekonferenz der SVP-Altmandatare am 14. Februar 2018 in Bozen mit der Äußerung „völkischer Rülpser“ provoziert hatte, um keinen ORF-Mitarbeiter, sondern um den Vertreter eines anderen Mediums gehandelt hat.

Der ehemalige SVP-Landtagsabgeordnete und Regionalratspräsident Dr. Franz Pahl hat daher diesen Beschwerdepunkt aus der Beschwerde an den ORF herausgenommen. Deshalb hat auch der SID diesen Teil der Beschwerde ebenfalls herausgenommen. Die anderen Beschwerdepunkte über die abendliche Sendung des ORF mit ihren herabsetzenden Kommentierungen bleiben jedoch aufrecht und man erwartet dazu eine Stellungnahme des ORF.




Zur Lage der Muttersprache in Südtirol

Sprache ist Heimat

von Georg Dattenböck

Nichts ist in Tirol und auch in unserem gesamten Sprachraum durch die gesellschaftliche Entwicklung gefährdeter als die Muttersprache!

Der historischen Wahrheit gemäß muss festgehalten werden, daß es im deutschen Sprachraum seit jeher die starke Neigung zur Nichtachtung, sogar zur Aufgabe der Muttersprache gab, wie man z. B. aus den ‚Gesichten Philanders von Sittewald‘ (1642), erkennt:

Fast  jeder  Schneider will  jetzt  und  leider
der Sprach  erfahren  sein  und  redt  Latein,
Welsch  und  Französisch, halb  Japonesisch,
wann er ist  toll und  voll,  der grobe  Knoll.

Kaum mehr zum Lachen:

Die heutige, reale Lage der Sprache an einem einzigen Bild-Beispiel:

Die deutsche Sprache entwickelte sich auf Grund großer Entdeckungen und Leistungen auf vielen Gebieten bereits im 18./19. Jahrhundert zur führenden Wissenschaftssprache der gesamten Erde. Viele Wissenschaftler und Künstler aus aller Welt veröffentlichten deshalb ihre Forschungen und Werke in deutscher Sprache, bedeutende, wirksame politische Manifeste, u.a. von Karl Marx und Friedrich Engels, die Bibel Luthers usw. erschienen erstmals in Deutsch. Der große Einschnitt kam nach dem 1. Weltkrieg, als die deutsche Sprache aus niedrigen politischen Motiven, gerade in Süd-Tirol, verboten wurde. Hier sei auf die Monographie von Roswitha Reinbothe verwiesen: „Deutsch als internationale Wissenschaftssprache und der Boykott nach dem ersten Weltkrieg“ (2006).

Es ist festzuhalten:

  1. Die Muttersprache ist das wichtigste Kulturgut aller Völker der Welt! Sie widerspiegelt die Seele und bestimmt das Denken;
  2. die Überfremdung und/oder langsame Zerstörung einer Sprache ist nicht mehr hinnehmbar;
  3. ein europäisches Volksgruppengesetz und darin enthalten: ein Sprachschutzgesetz mit Augenmaß, wäre für den Erhalt der kulturellen Freiheit der Völker und Volksgruppen, aber auch zum Erhalt der kulturellen Vielfalt Europas und ebenso zur Sicherstellung der problemlosen Verständigung, in der EU unumgänglich!

Die Sprache der Mutter zu sprechen bedeutet: eine Heimat, Geborgenheit, Vergangenheit, Identität und vor allem auch eine gute Zukunft zu haben! Ein Südtiroler Freund stellte kürzlich sehr zutreffend fest:

Identität zu haben ist eine Frage auf Leben und Tod“.

Mit dieser Aussage ist eine der Grundlagen unserer Identität, unserer Wesenheit und Kultur klar bestimmt: es ist unsere, vor allem in Süd-Tirol, gefährdete Muttersprache!

Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache.
Sie bestimmt die Sehnsucht danach,
und die Entfremdung vom Heimischen
geht immer durch die Sprache am schnellsten
und leichtesten, wenn auch am leisesten vor sich
.

                                                Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835)

Die Sprache kann der letzte Hort der Freiheit sein

                                                                                                Lew Kopelew

Die zwei erhaltenen Blätter des althochdeutschen Hildebrand-Liedes.

Ignaz Vinzenz Zingerle, Edler v. Summersberg

Ignaz Vinzenz Zingerle, Edler v. Summersberg (* 6. Juni 1825 in Meran, † 17. September 1892 in Innsbruck,) war Literaturwissenschaftler, Germanist, Volkskundler und Schriftsteller und Neffe des katholischen Theologen und Orientalisten Pius Zingerle. Nach dem Studium in Trient trat er vorübergehend dem Benediktinerkloster Marienberg bei. 1848 wurde er Lehrer am Gymnasium in Innsbruck, 1858 Direktor der Universitäts-Bibliothek in Innsbruck. 1859 erhielt Zingerle die Professur für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Innsbruck. Er war auch korrespondierendes Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften.

Zingerle wies darauf hin, dass die deutsche Sprache gerade in Süd-Tirol mitentscheidend geprägt wurde und dies in engem Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung geschah.

Er machte dies an vielen Beispielen deutlich, unter anderem in Bezug auf die Bedeutung des Namens Hildebrand in Tirol. („Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Literaturgeschichte“; in „Germania“, Hg. Franz Pfeiffer, 1856, Jg. 01). Einige wenige der von Zingerle gefundenen Beispiele verdeutlichen dies:

  • Hildebrand v. Weineck 1194;
  • Hildebrand v. Firmian 1242 (I + II);
  • Hildebrand v. Helbling 1277;
  • Hildebrand v. Krakofel 1266;
  • Hildebrand v. Latsch 1161 und 1222;
  • Hildebrand v. Liechtenberg 1292 und einen anderen 1330;
  • Hildebrand v. Caldes 1390;
  • Hildebrand v. Fuchs 1430 und 1519;
  • Hildebrand Rasp 1370 und 1460;
  • Hildebrand v. Greifenstein 1311;
  • Hildebrand v. Niderthor 1186;
  • Hildebrand v. Perchtingen 1267 und 1320;
  • Hildebrand v. Mils 1288.
  • In der Familie der Grafen v. Brandis allein sind mir sechs Hildebrande bekannt…

In diesem Zusammenhang sei auch auf die von Beda Weber in Schloß Obermontan im Vinschgau entdeckte Nibelungenhandschrift aus dem Jahr 1323 verwiesen. Dieses Unikat wird heute als „Nibelungen-Hs Codex I“ in der Berliner Staatsbibliothek verwahrt. Im Nibelungenlied tritt bekanntlich Hildebrand als Gefolgsmann des Dietrichs v. Bern auf (siehe dazu auch die am 8.4.2017 im SID veröffentlichte „Dokumentation: Tirol als Kernland deutscher Kultur).

Verlust der Sprache – Verlust der Identität: „Bald hüllt Vergessenheit mich ein!“

Hans Sahl

Wie zeitlos und richtig der tiefe Gedanke über die Bewahrung der sprachlichen Identität ist, erkennt man unter tausenden Zeugnissen großer Denker durch alle Jahrhunderte hindurch, wie auch am erschütternden Gedicht „Bald hüllt Vergessenheit mich ein“ des 1902 in Dresden geborenen und 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung in die Emigration geflüchteten und heute zu Unrecht weitgehend vergessenen Schriftstellers und Dichters Hans Sahl, der 1993 in Tübingen starb.

Sahl wuchs in einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie in Berlin auf, studierte Kunst- und Literaturgeschichte, Archäologie und Philosophie. Nach seiner Promotion (1924) über altdeutsche Malerei arbeitete er in Berlin von 1926 bis 1932 im Feuilleton verschiedener Zeitungen.

Kein deutsches Wort
Hab‘ ich so lang gesprochen.
Ich gehe schweigend
durch das fremde Land.
Vom Brot der Sprache
blieben nur die Brocken,
die ich verstreut
in meinen Taschen fand.

Verstummt sind sie,
die mütterlichen Laute,
die staunend ich
von ihren Lippen las,
Milch, Baum und Bach,
die Katze, die miaute,
Mond und Gestirn,
das Einmaleins der Nacht.

Es hat der Wald
noch nie so fremd gerochen.
Kein Märchen ruft mich,
keine gute Fee.
Kein deutsches Wort
hab‘ ich so lang gesprochen.
Bald hüllt Vergessenheit
mich ein wie Schnee.

Das Gedicht von Sahl dokumentiert, wie Menschen unter dem zunehmenden Verlust ihrer sprachlichen und kulturellen Beheimatung leiden können.

Dr. Johann Lauber, Leiter des „Institutes für Integrative Gestalttherapie“ in Wien, erklärte in einem ORF-Interview:

Gut verwurzelt in der eigenen familiären und ethnischen Herkunft zu sein, gibt uns Menschen Halt. Wenn diese Verbindungen gestört oder unterbrochen sind, macht uns das in der Regel schwach. Ängste oder Depressionen sind dann häufig anzutreffen“.

Die Erkenntnis, die man daraus ziehen muss, lautet: Sprache ist Heimat! Der gewaltsam zugefügte Verlust und auch die schleichende Zerstörung der Muttersprache bedeutet immer Heimatlosigkeit, zusammengefasst im Begriff „Elend“, aus: althochdeutsch: „elilenti“, mittelhochdeutsch: „ellende“ in der Bedeutung von: „außer Landes, hilfloser Zustand, verbannt, vertrieben, unglücklich, jammervoll“ (Dr. F. Tetzner: “Deutsches Wörterbuch“, Reclam; s. auch: „Kluge, etymologische Wörterbuch“, S. 240).

In Österreich gibt es, erstaunlicherweise, im Gegensatz zu vielen Staaten der Erde, kein Verfassungsgesetz zum Schutz der Muttersprache. In nur einem Satz der österreichischen Bundesverfassung, im Artikel 8, heißt es:

Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik“.

Das Ziel war und ist die Zerstörung der Tiroler Identität in Südtirol

Was wurde bereits nicht alles seit der Annexion Südtirols 1918 vom italienischen Staat und den Faschisten versucht, um die Identität Südtirols und seiner Bewohner zu zerstören!

Angefangen beim Verbot der deutschen Sprache nach dem 1. Weltkrieg und der verzweifelten Tiroler Antwort der „Katakomben-Schulen“, weiter über die zwangsweise Italianisierung der Vor- und Familiennamen bis hin zur gezielten amtlichen Verfälschung aller Orts- und Flurnamen, die bis heute besteht.

Die historische Lächerlichkeit der Verfälschung der Ortsnamen macht auch vor den Wanderwegen und Flurnamen nicht Halt.

 Sie macht bis heute auch vor Straßennamen nicht Halt. Hier wird aus dem Namen des berühmten Johannes Kepler ein italienisierter „Keplero“. Noch lächerlicher geht es kaum!

Die faschistischen Väter des Sprachraubs

Ein Blick zurück in die Geschichte: Die vor allem über den Sprachraub geplante Italianisierung Südtirols hat zwei geistige Väter: Den „Duce“ Benito Mussolini und seinen Handlanger Ettore Tolomei.

Der 1865 in Rovereto geborene Ettore Tolomei verband nicht nur ein persönliches Interesse mit dem italienischsprachigen Teil Tirols, dem „Tirolo Meridionale“, welches seit Tolomei nach der Stadt Trento/Trient offiziell als „Trentino“ – benannt wird. Tolomei war auch die Italianisierung des deutsch- und ladinischsprachigen Südtirols ein Anliegen, da seine Familie auch dort Grund und Boden besaß

Ab 1883 studierte Tolomei Geographie und Geschichte in Florenz. Schon in jungen Jahren nahm er Verbindungen zu nationalistischen Bewegungen wie der „Dante Alighiere Gesellschaft“ auf.

Mit seiner Forderung nach der Brennergrenze wollte Tolomei auch das deutschsprachige Südtirol an Italien anschließen. Die Umsetzung dieser Vorstellung wurde für ihn zur Lebensaufgabe und sollte sich in der Zeit des Faschismus besonders positiv auf seine Karriere auswirken. Er wurde zum engen Vertrauten des Diktators Benito Mussolini und wurde zum faschistischen Senator auf Lebenszeit ernannt.

Der faschistische Senator Ettore Tolomei (links) bei einer Parade mit seinem Gönner Benito Mussolini (rechts mit faschistischem Gruß)

Ettore Tolomei (Bildmitte – in Zivil) bei einem faschistischen Aufmarsch in Bozen, etwa 1925

Über das bis heute spürbare verderbliche Wirken des Kulturzerstörers Tolomei hat der Südtiroler Autor Andreas Raffeiner ein von dem „Südtiroler Heimatbund“ herausgegebenes bemerkenswertes Buch verfasst, mit dem Titel „Ettore Tolomei lebt“.

Ettore Tolomei und das von Andreas Raffeiner verfasste Buch über sein Wirken und Fortwirken bis in unsere Zeit

Andreas Raffeiner schreibt:

Tolomei hatte 1886 mit seinen ersten Versuchen zur Italianisierung der Ortsnamen in Südtirol begonnen. Er wurde von mehreren Mitarbeitern unterstützt, insbesondere von Ettore de Toni. Mit ihm führte er zwei Jahrzehnte später diese Arbeit im „Archivio per l’Alto Adige“ (Anm.: einer von ihm gegründeten Zeitschrift) weiter. Als Italien in den Ersten Weltkrieg 1915 eintrat, betrieb Tolomei sein Bestreben nach Italianisierung noch intensiver, denn er wollte endgültige Tatsachen schaffen.

Sein Ziel war es, Italien und anderen Nationen zu beweisen, daß es sich bei Südtirol um ein italienisches Gebiet handeln würde, „dessen wahrer Charakter unter einer nur dünnen Tünche verborgen liege“.

Links die von Tolomei gegründete Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“, welche auf der abgebildeten Karte Südtirol als „Alto Adige“ (übersetzt: Hoch-Etsch) ausweist. Rechts das von Tolomei erstellte Handbuch des Ortsnamensverzeichnisses für Südtirol mit den von ihm erfundenen italienischen Bezeichnungen.

Das Handbuch der Ortsnamen von Südtirol erschien 1916…Sein Werk beinhaltet eine Fülle an Thesen, die er als Tatsachen ausgibt, für die er aber keine Beweise hat. In seinem Bemühen als Propagandist – nicht etwa als Historiker – stellt er seine Behauptungen als tatsächliche Gegebenheiten hin oder auch als unbestreitbare und erwiesene Ziele….

Man kann sagen, er ordnete die Wirklichkeit seiner Idee unter, die Grenze am Brenner, genauer an der Wasserscheide am Alpenhauptkamm, zu ziehen. Die Einleitung zum Handbuch der Ortsnamen zeigt dessen propagandistischen Charakter…

In ca. 40 Tagen italianisierte er 12.000 Südtiroler Ortsbezeichnungen. Laut dem Südtiroler Sprachwissenschaftler, Historiker und Germanisten Dr. Egon Kühebacher kann dies keine seriöse wissenschaftliche Arbeit sein – die Zeit für wissenschaftliche Exaktheit fehlte…

Die tolomeische Fälschung war daher vermutlich auch ausschlaggebend, daß der US-Präsident entgegen seinem Punkt 9, nämliche eine Volkstumsgrenze zu ziehen, die Wasserscheidenlinie als endgültige Grenze und nicht die Grenzziehung bei der Salurner Klause akzeptierte. ( Andreas Raffeiner: „Ettore Tolomei lebt“;Terlan Süd-Tirol, S. 33ff )

Auszüge aus dem faschistischen Ortsnamensdekret von 1923.

Die faschistischen Namensdekrete, welche die Tolomei-Erfindungen zu amtlichen Namen erklärten, wurden in den Jahren 1923, 1940 und 1942 erlassen.

Der Sprachraub an den Kindern

Ein noch schlimmerer und vor allem unmenschlicherer Angriff auf die Identität der Südtiroler, war der an den Kindern begangene Sprachraub.

Bei der Verfolgung und Vernichtung deutschen Kulturgutes drangen die Carabinieri auch in die Privathäuser ein.

Bei dem Kaufmann  Alois Schröder in Vilpian sahen die Carabinieri im November 1925 das damals sehr bekannte Bild mit der Mutter, die ihren kleinen Sohn unterrichtet. Dieses Bild war von dem Verlag „Tyrolia“ in Bozen geduckt worden, welcher sich allerdings mittlerweile in „Verlag Vogelweider“ hatte umbenennen müssen.

Die Carabinieri beschlagnahmten das Bild, weil der Text darunter „Muttersprache, Mutterlaut“ lautete und weil die Firmenunterschrift immer noch den verbotenen Namen „Tyrolia“ trug. Sowohl gegen Schröder, wie gegen den „Vogelweider-Verlag“, wurde Anzeige erstattet.

Solche Ereignisse demütigten zwar die Südtiroler, waren aber nur Nadelstiche im Vergleich dazu, was nun gegen die deutsche Schule unternommen wurde.

Das Programm des Faschisten Ettore Tolomei hatte, neben der Italianisierung der Ortsnamen, der öffentlichen Aufschriften und der Straßen- und Wegbezeichnungen auch die Italianisierung des Schulunterrichts vorgesehen.

In mehreren Stufen führte der faschistische Staat die völlige Italianisierung von Religions- und Schulunterricht bis zum Schuljahr 1929/30 durch.

Auf den Bauerhöfen wurde natürlich nach wie vor deutsch gesprochen und deutsch gebetet. Die Kinder lernten aber in der Schule keine deutsche Rechtschreibung mehr, wie diese kindliche Niederschrift des Gebets „Vater unser“ zeigt.

Gegen den staatlichen Sprachraub leistete ein erheblicher Teil der deutschen Lehrerschaft und des deutschen Klerus mit dem unvergesslichen Kanonikus Michael Gamper, welcher zeitweise ins Exil nach Florenz verbannt wurde, erbitterten Widerstand.

Dieses Bild zeigt Kanonikus Michael Gamper, den Kopf und das Herz des Widerstandes gegen den faschistischen Sprachraub an den Kindern, im zeitweisen Exil in Florenz.

Es entstanden die geheimen sogenannten „Katakombenschulen“. In Hinterzimmern von Pfarrhäusern, in Kellern, Scheunen, Almhütten und im offenen Wald erteilten mutige Lehrer, Lehrerinnen und Priester den Kindern heimlich Deutschunterricht – immer in Gefahr, von den Carabinieri und der Geheimpolizei ausgehoben und verhaftet zu werden.

Darüber hat die Erziehungswissenschaftlerin und Historikerin Dr. Maria Villgrater ein wissenschaftlich herausragendes und inhaltlich sehr berührendes Werk geschaffen, welchem die Fakten, Bilder und Daten der nachfolgenden Darstellung entnommen sind.

 

Dieses wertvolle Buch erschien im Jahre 1984 als Band 11 der Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstituts im Athesia-Verlag in Bozen.

Mitten im Walde vor einer Kapelle: Die Notschule von Sexten.

Geheimer Unterricht auf einem Bauernhof im Sarntal.

Im Jahr 1935 mussten dreizehn Lehrerinnen und Lehrer wegen Verfolgung aus dem Schuldienst ausscheiden, wurden zum Teil inhaftiert, mit hohen Geldstrafen belegt oder sogar aus der jeweiligen Gemeinde verbannt.

So geschah es auch der Lehrerin Josefine Leitner aus Villnöß (linkes Bild), die mit Geldtrafen belegt und vorübergehend 2 Monate lang inhaftiert wurde. Ein schlimmeres Schicksal erlitt die Lehrerin Angela Nikoletti aus Margreid (rechts Bild), welche zuerst eingekerkert und dann in verschiedene Verbannungen geschickt wurde. Sie war den Strapazen nicht gewachsen und starb  1930 im Alter von 25 Jahren.

Die tapferen Lehrpersonen und Geistlichen wurden durch mutige Jugendgruppen unterstützt, welche in schweren Traglasten deutsche Schulbücher über die Jöcher des Alpenhauptkammes nach Südtirol trugen.

Die Situation heute

Die staatliche Missachtung der deutschen Sprache in Südtirol

Im seit 1918 von Italien annektierten Südtirol ist die Lage der Muttersprache nach wie vor äußerst schlecht und sehr unbefriedigend! Besucher und Urlauber werden diesbezüglich häufig getäuscht.

Nach dem 2. Weltkrieg mußte der Staat seit dem Abschluss des „Pariser Vertrages“ von 1946 wieder die deutschen Vornamen erlauben und es wurde auch wieder der deutsche Schulunterricht in Südtirol zugelassen.

Die vielen tausenden von Tolomei gefälschten Orts- und Flurnamen besitzen jedoch bis zum heutigen Tag amtliche Gültigkeit, die faschistischen Dekrete sind daher bis heute in Kraft. Deutsche Namen dürfen nur ergänzend daneben bestehen und besitzen keine amtliche Gültigkeit.

Und Südtirol heißt immer noch „Alto Adige“!

Das Dekret des Präsidenten der Republik Italien vom 15. Juli 1988, Nr. 574, veröffentlicht am 8. Mai 1989, schützt theoretisch ab diesem Tag den Gebrauch der Muttersprache der Süd-Tiroler:

Sämtliche Teile der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und der Polizeikräfte in Südtirol müssten sich somit an die Gleichstellung der Sprachen in Süd-Tirol halten!

Auszug aus dem von offiziellen Stellen vielfach missachteten Dekret von 1988, welches die deutsche Sprache der italienischen Sprache gleichstellt.

 An zahlreichen Beispielen seit der Veröffentlichung des Dekretes kann jedoch dokumentiert werden, daß sich die Ämter, Behörden, Polizei und Justiz vielfach nicht an dieses Dekret halten.

Einige ausgewählte Beispiele aus letzter Zeit zeigen die Missachtung der Bestimmungen auf:

Im Juni 2016 forderte der „Südtiroler Heimatbund“ auf Grund eines sehr beschämenden Vorfalles, daß „die eklatante Missachtung der Muttersprache endlich ein Ende haben muss“. Anlaß war, daß im öffentlichen Busverkehr von Pfunders nach Vintl sich eine ältere Dame beim Fahrer über den Sommerfahrplan erkundigte. Der entgegnete schroff, daß sie Italienisch sprechen solle. Die Dame, so die Augen- und Ohrenzeugin, fragte höflich nach, ob sie nicht in Südtirol sei und Deutsch sprechen dürfe, worauf sie von einem zweiten Busfahrer scharf zurechtgewiesen wurde: „Siamo in Italia!“ – „Wir sind in Italien!“ – man sei hier in Italien und solange im Ausweis „italienische Staatsbürgerin“ und nicht „Sudtirolo“ stehe, müsse hier Italienisch gesprochen werden.

Auch die „Agentur für Einnahmen“ in Bozen hält die Zweisprachigkeitspflicht vielfach nicht ein und verschickte Steuernachzahlungsbescheide ausschließlich in italienischer Sprache. Diese Weigerung, amtliche Bescheide in der Muttersprache zuzustellen, stellt eine sehr grobe Rechtsverletzung dar!

Der Südtiroler Landtagsabgeordnete Sven Knoll von der „Süd-Tiroler Freiheit“ meldete im September 2016:

„Wieder wurden uns Beschwerden gemeldet, daß der Telefonservice nur unzureichend funktioniert und das Recht auf den Gebrauch der Muttersprache missachtet wird.

Im November 2016 meldete die Landtagsfraktion „Süd-Tiroler Freiheit“ folgenden Tatbestand dem Regierungskommissariat: Die neuen Trenitalia Züge, welche u.a. auch auf der Bahnstrecke Bozen – Meran im Einsatz sind, verfügen über Bildschirme, auf denen nur italienische Ortsnamen angezeigt werden. Auch die Sicherheitshinweise in den Zügen sind nur in Italienisch und Englisch ausgeschildert.

Sogar der fehlende muttersprachliche Hinweis in einem Wahllokal in Gries/Bozen, mußte vom Obmann des „Heimatbundes“, Roland Lang, in einer Beschwerde gemeldet werden. Knapp 80 Prozent der Wähler von Gries sprechen Deutsch.

Die Landtagsabgeordnete Myriam Atz Tammerle von der „Süd-Tiroler Freiheit“ klagte im Februar 2017 im Landtag:

„Wie sollen sich Bürger verhalten und an wen sollen sie sich wenden, wenn sie mit Beamten am Schalter oder am Telefon nicht in ihrer Muttersprache reden dürfen, weil der Beamte nicht zweisprachig ist?“

Auch der „Verband der italienischen Handelskammern“ missachtet die Zweisprachigkeitspflicht, wie der freiheitliche Landtagsabg. Walter Blaas im Februar 2017 aufdeckte.

 Im März 2017 reichte das Leitungsmitglied der  „Süd-Tiroler Freiheit“, Werner Thaler, beim Regierungskommissariat in Bozen  eine Beschwerde über die Verletzung von Zweisprachigkeitsbestimmungen ein. Diese betrafen unter anderem die Polizeidirektion, die Quästur Bozen (einsprachige Mitarbeiter), die „Messe Bozen“ (einsprachige Tickets) und das Land Südtirol (einsprachige Baustellenbeschilderung auf der Pustertaler Straße), nur einsprachige Parkscheine in der Gemeinde Martell, und eine Reihe anderer Beschwerdepunkte.

Es geht um Gesellschaft und Volk

Der unvergessene österreichische Völkerrechts- und Menschenrechtsexperte Univ.-Prof. Dr. Felix Ermacora hier im Bild mit der Südtiroler Landtagsabg. Dr. Eva Klotz, der Tochter des Freiheitskämpfers Georg Klotz.

Zum Abschluss meiner Untersuchung zur Lage der Muttersprache in Südtirol sei hier der europaweit anerkannte Völkerrechts-Experte, Univ.-Prof. Dr. Felix Ermacora zitiert, der in seinem Buch „Südtirol und das Vaterland Österreich“ Wien 1984, S. 217ff) schrieb:

„Es geht bei der Frage der Identität nicht um die menschlich existentielle Identität. Diese ist ein philosophisches Problem, um das die Denker des Abendlandes gerungen haben und ringen.

Es geht um die gesellschaftspolitische und volkliche Seite der Frage. Sie gilt nicht nur für das Südtirol-Problem, sondern für alle Volksgruppen- und Minderheitenprobleme, wo es um die Erhaltung der charakteristischen Eigenarten von Gruppen, ja von ganzen Völkern geht.

Tolomei bemühte sich, die Italianita des Landes zu beweisen. Ebenso unermüdlich wie er sie vertrat, wurde sie bestritten. Ich erinnere mich der Worte des Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreters Hans Gamper, die er im Tiroler Landtag am 9. Februar 1961 ausgerufen hatte: ‚Von jedem Turm kündet es, von jeder Kirche, von jeder Burg – es ist ein deutsches Land‘….

In die ‚deutsch-österreichische Identität des Landes sind heute erhebliche Einbrüche erzielt worden. Die italienischen Aufschriften, die italienisch formulierten Vorschriften, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Rechtsdenken haben können, die italienisch sprechenden Organe der öffentlichen Verwaltung, die italienischen Geschäfte und Kaufhäuser. Sie gehören zwar noch immer zur ‚superstructure‘ im Lande, aber sie nagen an der hergebrachten Identität ohne Zweifel.

Die Identität hängt zu einem guten Teil vom Bewusstsein der Bevölkerung, von seinen Sitten und Gebräuchen und seiner Religion ab … Die Frage nach der Identität schließt auch die von Nord- und Osttirols mit ein.“

Dieser Mahnung sollten wir eingedenk bleiben, das Bewusstsein der eigenen Identität, der Sprache und Kultur zu bewahren!




Ein frohes Weihnachtsfest, Frieden, Glück und Gesundheit im Neuen Jahr!

Das wünschen wir allen unseren Lesern und ihren Familien.

Kurz vor Weihnachten wurde nun auch das Regierungsprogramm veröffentlicht, in welchem die Möglichkeit des Erwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Südtiroler „in Aussicht“ genommen wird.

Diese Ankündigung wurde von allen Parteien Südtirols mit Freude begrüßt. Kritiker verwiesen aber auch darauf, dass diese Formulierung eine Absichtserklärung ohne Verpflichtung sei.

Nun hat der Obmann der Südtiroler Volkspartei (SVP) Philipp Achammer, am 17. Dezember 2017 in einem Interview mit der Südtiroler Sonntagszeitung „ZETT“ erklärt:

„Sebastian Kurz (Anm.: der österreichische Bundeskanzler) hat mir in sämtlichen Gesprächen immer erklärt, dass das, was im Koalitionsabkommen steht, auch gemacht wird. Deshalb rechne ich mit der Umsetzung in dieser Amtszeit.“

Am 20. Dezember 2017 bekannte sich der neue Vizekanzler der Republik Österreich, Heinz Christian Strache (FPÖ) im Österreichischen Nationalrat in Wien im Zuge der Regierungserklärung zur Möglichkeit des Erwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Südtiroler. Man wolle dieses Projekt mit Nachdruck verfolgen und verwirklichen. Er sagte, dass auch Italien seinen eigenen italienischen Minderheiten, in großzügiger Art und Weise, die doppelte Staatsbürgerschaft gewährt.

Man kann damit hoffen, dass die bisherige durch Jahrzehnte hindurch betriebene Politik der ständigen Rücksichtnahme auf Rom zu Lasten Südtirols nun ein Ende finden möge.

Wenn die neue Regierung mit Ernsthaftigkeit an die Umsetzung des Jahrhundertprojektes „Doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler“ herangehen sollte, dann werden alle Gutgesinnten sie dabei gerne unterstützen.

Wir werden über die weitere Entwicklung berichten.

In diesem Sinne grüßen wir alle Landsleute diesseits und jenseits des Brenners und verbleiben mit den besten Wünschen!

Die Mitarbeiter der Redaktion des SID




Doppelstaatsbürgerschaft: Das Störmanöver des Andreas Khol – und die Widerlegung seiner Behauptungen

Ende November 2017 äußerte Andreas Khol gegenüber mehreren Personen, dass er einer doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler ablehnend gegenüber stehe. Er werde, so Khol, demnächst öffentlich dazu Stellung nehmen.

Tatsächlich erschien bereits am 1. Dezember 2017 ein großer, von Khol verfasster Artikel in der „Tiroler Tagezeitung“, welche ihm bereitwillig eine ganze Seite zur Verfügung gestellt hatte, womit er dem Wunsch so zahlreicher Südtiroler nach zusätzlichem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft öffentlich entgegen treten konnte.

In seinen Ausführungen stellte Khol Behauptungen auf, auf welche die „Süd-Tiroler Freiheit“ noch am 1. Dezember 2017 in einer Presseerklärung antwortete.

Das Internet-Nachrichtenprotal „Unser Tirol 24  berichtete über die Stellungnahme der „Süd-Tiroler Freiheit“:

Khol habe „eine Reihe von Fehlinformationen“ verbreitet, „die im Sinne einer sachlichen und objektiven Diskussion richtiggestellt werden müssen“

Alle Bedenken, die Andreas Khol äußert, seien bereits von Stellungnahmen der österreichischen Ministerien sowie von einem Rechtsgutachten der Universität Innsbruck entkräftet und widerlegt worden. Bereits in der Vergangenheit sei Khol wegen falscher Aussagen zum Doppelpass in Kritik geraten, hieß es in der Presseaussendung.

Im Folgenden würden Khols Äußerungen aufgrund dieser Widerlegungen der Boden entzogen:

Beziehungen zu Italien würden belastet?

 Andreas Khol behauptet, dass die österreichische Staatsbürgerschaft für Süd-Tiroler die Beziehungen zu Italien belasten würde. DAS IST NICHT RICHTIG! Italien bietet seit 2006 seinen eigenen italienischen Minderheiten in Slowenien und Kroatien ebenfalls die italienische Staatsbürgerschaft als Zweitstaatsbürgerschaft an und könnte somit nichts dagegen haben, wenn Österreich dasselbe für seine österreichische Minderheit in Italien (die Süd-Tiroler) machen würde. Die italienische Regierung hat sich zudem bereits positiv zur Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Süd-Tiroler geäußert und diese Initiative sogar als „vernünftigen Vorschlag“ bezeichnet.

 Verfassungsänderung wäre nötig?

Andreas Khol behauptet, dass eine tiefgreifende Abänderung des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts durch ein Verfassungsgesetz notwendig wäre. DAS IST NICHT RICHTIG! Eine einfache Abänderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes würde ausreichen. Konkret bräuchte es nur einen Zusatzpunkt im §58c „Erwerb durch Anzeige“, darin wird bereits heute geregelt, dass Personen, die aus politischen Gründen die österreichische Staatsbürgerschaft verloren haben, dieselbe wiedererlangen können, ohne ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben zu müssen.

 Hohe Gebühren/Sonderregelung?

 Andreas Khol behauptet, dass die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Süd-Tiroler mit hohen Kosten verbunden wäre und man daher eine Sonderregelung treffen müsste. DAS IST NICHT RICHTIG! Der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch „Anzeige“ ist mit keiner Gebühr verbunden und es bedarf daher auch keiner Sonderregelung.

Widerspruch zu Pariser Vertrag?

Andreas Khol behauptet, dass die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Süd-Tiroler im Widerspruch zum Pariser Vertrag stünde. DAS IST NICHT RICHTIG! Die Universität Innsbruck hat 2011 unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Walter Obwexer ein umfangreiches Rechtsgutachten erstellt, welches bestätigt, dass die Umsetzung rechtlich problemlos möglich wäre und weder gegen nationale noch internationale Verträge verstößt. Auch der Vertrag von Saint-Germain, der Pariser Vertrag und das Unionsrecht stellen keine Hindernisse dar.

Wahlrecht/Sonderregelung?

Andreas Khol behauptet dass das Wahlrecht dahingehend abgeändert werden müsste, dass die Süd-Tiroler eigene Vertreter ins österreichische Parlament wählen könnten. DAS IST NICHT RICHTIG! Die Süd-Tiroler hätten als österreichische Staatsbürger dieselben Rechte und Pflichten wie alle anderen Auslandsösterreicher. Europapolitisch würden sich insbesondere für Tirol interessante Perspektiven ergeben, da beispielsweise bei EU-Wahlen grenzüberschreitend in Nord-, Ost- und Süd-Tirol gemeinsame Kandidaten gewählt werden könnten. Die Rolle Tirols im Bund und auf EU-Ebene würde dadurch gestärkt.

Verfassungsrechtler haben keine Bedenken zum Doppelpass

Die Stellungnahmen des Völkerrechtlers Univ.-Prof. Dr. Peter Hilpold und des Verfassungsexperten Univ.-Prof. Walter Obwexer

Am 1. Dezember 2017 nahm der Professor für Völker- und Europarecht an der Universität Innsbruck, Peter Hilpold, in einem Interview mit dem Internet-Nachrichtenprotal „Unser Tirol 24“ Stellung zu den Behauptungen Khols, ohne diesen mit Namen zu nennen. In dem Bericht heißt es:

Univ.-Prof. Dr. Peter Hilpold (Bild Youtube- UT24)

Professor Peter Hilpold kann den zirkulierenden Gerüchten nur wenig abgewinnen: „Nach dem bisherigen Stand der Diskussion muss man sagen, dass wir in Fachkreisen eindeutig der Auffassung sind, dass eine einfache Mehrheit im österreichischen Parlament genügen würde, um ein solches Vorhaben in die Tat umzusetzen“, so Hilpold. Alles andere sei lediglich ein „Missverständnis“.

Eine Verfassungsänderung sei lediglich dann notwendig, „wenn spezielle Regelungen eingeführt würden, die aber weder in Südtirol, noch in Österreich erwünscht sind oder zur Debatte stehen“.

„Stimmen der Südtiroler Wähler gleichwertig“

Als Beispiel nennt Hilpold hierfür etwa die Einschränkung des Wahlrechtes. Damit könnte man etwa eine Regelung schaffen, wie sie derzeit in Italien gilt, die besagt, dass Auslandsitaliener nur einen eigenen Vertreter wählen dürfen. Nur in einem solchen Fall wäre etwa eine Änderung des allgemeinen gleichen Wahlrechts notwendig, die eine verfassungsrechtliche Vorkehrung notwendig mache.

Ein solches Szenario würde der erleichterte Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft jedoch nicht vorsehen. Im Gegenteil:

„Das allgemeine und gleiche Wahlrecht würde vorsehen, dass die Stimme der Südtiroler Wähler gleich zählt, wie jene der österreichischen Bevölkerung. Gegenwärtig wird aber auch nichts anderes diskutiert“, erläutert Hilpold weiter.

Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer

Ähnlich sieht das auch der sonst eher kritische Verfassungsexperte, Univ.-Prof. Walter Obwexer.

In einem Gutachten aus dem Jahre 2011, das von der SVP in Auftrag gegeben worden war schreibt er dazu:

„Der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch „Südtiroler“ ist rechtlich grundsätzlich möglich. In Betracht kommt insbesondere ein Erwerb durch Verleihung, möglich wäre aber auch ein Erwerb durch Anzeige. Erforderlich wären dafür entsprechende Änderungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes (StbG) Österreichs.“

Auszüge aus dem Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer

„Keine kollektive Bestrafung der Südtiroler“

Bedenken und Gerüchte gestreut werden derzeit auch um das Gruber-Degasperi-Abkommen von 1946. Damals wurde vereinbart, den Südtiroler Optanten, welche staatenlos in ihre Heimat zurückkehrten, die italienische Staatsbürgerschaft zurückgegeben. Dass Italien allerdings diese Maßnahme zurückziehen würde, scheint für Hilpold nahezu ausgeschlossen.

Das ist rechtlich unmöglich und mit dem geltenden Völkerrecht nicht vereinbar. Denn es kann sicherlich nicht so sein, dass die Gewährung einer zweiten Staatsbürgerschaft zu einer kollektiven Bestrafung führt. Also dem Entzug einer Staatsbürgerschaft, die nach dem Krieg verliehen worden ist“, so Hilpold. Derartige Theorien seien für den Völkerrechtsexperten allesamt „Spekulationen, die mit dem geltenden Recht nicht in Einklang zu bringen“ seien.

 Schutzfunktion nicht geschwächt

Auch werde eine doppelte Staatsbürgerschaft keinesfalls die Schutzfunktion Südtirols schwächen, wie ebenfalls behauptet worden sei. „Das ist deshalb unzutreffend, weil die Schutzfunktion kollektiv wirkt. Die Staatsbürgerschaft ist hingegen ein individuelles Recht, welches Einzelpersonen betrifft – wenn es auch viele sein werden“, erläutert Hilpold.

Da diese beiden Funktionen auf völlig unterschiedlichen Ebenen operieren, sei eine Einschränkung der Schutzfunktion absolut nicht denkbar, so der Verfassungsexperte. Die Schutzfunktion umfasse nämlich alle Deutschen und Ladiner in Südtirol, unabhängig von der Frage, ob sie nun eine zweite oder mehrere Staatsbürgerschaften haben. „Da sehe ich deshalb überhaupt keinen Zusammenhang“, so Hilpold.

Die Rolle und das politische Bekenntnis des Dr. Andreas Khol

Wenn man die Frage beantworten will, was Andreas Khol antreibt, ein Projekt wie jenes des Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Südtiroler zu torpedieren, dann muss man einen Blick auf Khols politische Tätigkeit in der Vergangenheit werfen.

Der in väterlicher Linie von Südtiroler Vorfahren abstammende Jurist Dr. Andreas Khol, Jahrgang 1941, gehört zum politischen Urgestein der „Österreichischen Volkspartei“ (ÖVP). Er hat in der Südtirol-Politik viele Jahre lang eine bedeutende Rolle gespielt, die vielfach öffentlich nicht wahrgenommen wurde, weil sie hinter den Kulissen vollzogen wurde.

Der politische Werdegang des Andreas Khol

Über seinen politischen Werdegang berichtete Andreas Khol im November 2012 in einem Interview, welches die deutsche Konrad Adenauer Stiftung veröffentlichte:

„Ich war und bin Mitglied des Cartellverbands Österreichischer Katholischer Studenten (ÖCV). Da brauchte man damals nicht der ÖVP beizutreten, der ÖCV war die ÖVP. Ich arbeitete … auch im Rahmen der „Aktion 20” in einer Expertengruppe unter Botschafter Franz Karasek an der Entwicklung der Europapolitik der Regierung Klaus mit. An eine Parteimitgliedschaft dachte ich nicht. Im Jahre 1970 verlor die ÖVP die Mehrheit und da trat ich dann aus Solidarität der ÖVP bei, Dr. Alois Mock war damals dynamischer junger Partei-Erneuerer und nahm gleich mit mir Kontakt auf. So kam ich in die Nähe von Mock und dem Wiener Arbeiter- und Angestelltenbund.“

Khol mit hohen österreichischen Orden und mit dem Band seiner CV-Verbindung

Khol leitete sodann von 1974 bis 1993 als Direktor die Politische Akademie der ÖVP, wurde zum außenpolitischen Sprecher der ÖVP bestellt sowie als Nationalratsabgeordneter zum Klubobmann des ÖVP-Parlamentsklubs und später zum Nationalratspräsidenten. Zusätzlich war er in der österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik sowie beim Österreichischen Verfassungsgerichtshof tätig und wurde 1980 auch noch durch die Ernennung zum außerordentlichen Universitätsprofessor der Universität Wien für seine so vielfältige Tätigkeit geehrt und belohnt.

Khols führende Tätigkeit in der „Internationale der Christdemokraten und Konservativen“

Dr. Alois Mock war Präsident der EDU

Als 1978 von Josef Taus (ÖVP), Helmut Kohl (CDU), Jacques Chirac (Gaullisten)  und Margaret Thatcher (Konservative Partei) eine „Internationale der Christdemokraten und Konservativen“ als Gegengewicht zur Sozialistischen Internationale und zum internationalen Kommunismus gegründet wurde, bestellten diese Politiker auf die Empfehlung der ÖVP hin Andreas Khol zum Exekutiv-Generalsekretär der neu gegründeten „Europäischen demokratischen Union“ (EDU), deren Präsident der ÖVP-Parteivorsitzende und spätere Außenminister Dr. Alois Mock wurde.

Khol übte dieses Amt 17 Jahre bis 1994 aus und administrierte die EDU von dem zentralen Büro in Wien aus. (Näheres siehe: Michael Gehler, Marcus Gronier, Hinnerk Meyer, Hannes Schönner: „Transnationale Parteienkooperation der europäischen Christdemokraten und Konservativen“, 2 Bde., Berlin/Boston 2018)

Die Zielsetzung der EDU – Südtirol wurde wieder das Opfer des „Kalten Krieges“

 In dem Interview mit der Konrad Adenauer Stiftung berichtete Andreas Khol über die politischen Ziele der EDU:

„Strategisch war sie auf die Erweiterung der Union auf alle Staaten des damaligen Europarats angelegt … Strategisch war auch das Konzept der Volkspartei, die alle nicht-sozialistischen Kräfte bündeln und integrieren sollte. Christdemokraten, Konservative, Liberale und Marktwirtschaftler sollten im Europäischen Parlament in der Europäischen Volkspartei (EVP) zusammenarbeiten und in den Staaten zu Volksparteien integriert werden.“

Das Ziel sei die Schaffung eines europäischen Bundesstaats gewesen.

In dieser Situation war der EDU-Generalsekretär Andreas Khol wohl bemüht, jede Störung des politischen Klimas zwischen christdemokratischen Parteien zu verhindern. Dies umso mehr, als sich Österreich zusätzlich durch Italien erpresst sah.

Rom hatte ein Veto gegen den Beitritt Österreichs zur EWG (Vorläufer der EU) eingelegt, welches solange gelten sollte, als Südtiroler Freiheitskämpfer tätig waren und die Frage Südtirol nicht im Sinne Roms durch österreichische Verzichte gelöst war. Politische Forderungen der Südtiroler und ihrer Freunde in Österreich mussten hier wohl auch von Khol als Störung empfunden und nach Möglichkeit hintan gehalten werden.

Die politische Augenauswischerei mit der Streitbeilegungserklärung von 1992 – Khol war daran beteiligt

Unter diesem Druck verzichtete Österreich auf eine internationale Absicherung des Südtirol-Autonomiestatuts von 1972. Österreich stimmte zu, dass bei Autonomieverletzungen nur der 40 Maschinschreibzeilen umfassenden und sehr allgemein formulierten Pariser Vertrag von 1946 eingeklagt werden könne.

Am 19. Juni 1992 teilten Österreich und Italien in gleichlautenden Schreiben dem Generalsekretär der Vereinten Nationen mit, daß der vor den Vereinten Nationen anhängig gewesene Streit nun beendet sei. In den Schreiben wird darauf hingewiesen, daß die jeweiligen Rechtsstandpunkte Italiens und Österreichs unpräjudiziert gelassen würden.

Der italienische Standpunkt aber besagt, dass Pariser Abkommen bereits durch das Erste Autonomiestatut von 1948 erfüllt worden sei und dass die Verbesserungen des Zweiten Autonomiestatuts von 1972 freiwillige Mehrleistungen Italiens seien.

Bei einer Klage vor dem IGH muss Österreich daher beweisen, dass die jeweils betroffenen Autonomiebestimmungen zwingend zur Erfüllung des Pariser Vertrages notwendig und eben keine Mehrleistungen Italiens seien.

Der ÖVP-Außenminister Dr. Karl Gruber hatte 1946 im Sinne der Westalliierten den verheerend unzulänglichen „Pariser Vertrag“ ohne Genehmigung der Regierung und des Nationalrats eigenmächtig und überfallsartig abgeschlossen.

Dies ist angesichts der verheerenden Qualität des 1946 von dem ÖVP-Außenminister Dr. Karl Gruber eingebrockten mangelhaften, nur 40 Maschinschreibzeilen umfassenden und sehr allgemein formulierten „Pariser Vertrages“ ein juristisch mehr als riskantes Unterfangen.

Zwei von der Bundesregierung damals in Auftrag gegebene Gutachten des Salzburger Völkerrechtsexperten Univ.-Prof. DDr. Franz Matscher besagen aber, dass nur wenige direkt aus dem von 1946 ableitbare Paketmaßnahmen bei deren Verletzung mit Erfolgsaussicht vor dem IGH eingeklagt werden können.

Die Bundesregierung hat daher bei den seit 2001 massiv einsetzenden Autonomieaushöhlungen die den Gang vor den IGH wie der Teufel das Weihwasser gescheut.

Andreas Khol war an der Schaffung dieser Scheinlösung aktiv als politischer Mittäter beteiligt gewesen. In dem bereits erwähnten Interview mit der Konrad Adenauer Stiftung berichtete Andreas Khol:

„Ab 1971 setzten die Verhandlungen um die neue Autonomie in Südtirol ein, die schließlich 1992 zur Streitbeilegung zwischen Österreich und Italien führten – in der Verhandlungsphase ab 1987, als Alois Mock Außenminister geworden war, war ich in die Arbeiten einbezogen und konnte zur Streitbeilegung beitragen.“

2012: Khol zur „transnationalen Parteienkooperation“:

In dem bereits erwähnten Interview mit der Konrad Adenauer Stiftung erklärte Andreas Khol auf die Frage nach der gegenwärtigen „Parteienkooperation im Zeichen von EU-Staats- und Regierungschefs“:

„Zwei Interessen einen uns und bringen uns zur Zusammenarbeit: erstens die Gestaltung Europas in der EU als stärkste Fraktion im Europäischen Parlament, zweitens das Bestehen des Wettbewerbs im Inneren: als Volksparteien der Mitte und rechts der Mitte im demokratischen Wettstreit um die Mehrheit im Lande. Für beides ist die transnationale Parteienkooperation wichtig.

Obwohl ihn die „Erfahrung“ so „stark“ machte, wie dieses Wahlplakat verkündete, reihten die Österreicher bei der Bundespräsidentenwahl 2016 Andras Khol nur auf Platz fünf. Khol gab daraufhin bekannt, sich aus der Politik zurückzuziehen. So ganz tut er das aber nicht, wie jetzt sein Störmanöver gegen die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler zeigte.

Wie Khol die Festlegung der Schutzmachtfunktion in der österreichischen Bundesverfassung torpedierte

Die ÖVP ist als Schwesterpartei eingebunden in die gemeinsame Politik der Europäischen Volkpartei (EVP), die wiederum auf der Linie der NATO-Interessen und damit jener der USA und seiner strategischen Verbündeten einschließlich Italiens agiert.

Die endgültige Erledigung des Südtirol-Störfaktors lag und liegt im Interesse dieser Politik. Es lag sicherlich auch im Sinne dieser Politik, dass Andreas Khol 2006 die Schutzmachtinitiative scheitern ließ

Der parteifreie österreichische Justizminister Univ.-Prof. Dr. Hans Klecatsky war Zeit seines Lebens ein ehrlicher Vorkämpfer für die Rechte und Anliegen Südtirols.

Der parteifreie ehemalige österreichische Bundesminister für Justiz und Universitätsprofessor für öffentliches Recht und Politikwissenschaft, Dr. Hans R. Klecatsky hatte bereits am 24. August 1992 in einem Gastkommentar in der Wiener Tageszeitung „Die Presse“ gefordert, daß Österreich die Schutzmachtrolle Österreichs und das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler in einer Präambel zur österreichischen Verfassung rechtlich fixiere.

Im Jänner 2004 richtete Klecatsky eine diesbezügliche Petition an den Tiroler Landtagspräsidenten Helmut Mader (ÖVP), welcher Vorsitzender des „Tirol-Konvents“ des Tiroler Landtags war.

Das „Südtirol-Memorandum“

 Am 20. April 2004 wurde in Innsbruck dem Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa ein von Vertretern der großen kulturellen und wirtschaftlichen Verbände Südtirols unterzeichnetes diesbezügliches „Südtiroler Memorandum“ übergeben. In diesem Memorandum wurde gefordert, dass die „gegenüber Südtirol bestehende Schutzstaatsverpflichtung“ in rechtsverbindlicher Form in die österreichische Bundesverfassung aufgenommen werde.

Unterzeichnet hatten:

 Der Südtiroler Landeshauptmann Durnwalder und alle SVP-Mandatare auf Landes-, Staats- und Europaebene, die Landtagsabgeordneten der Union für Südtirol und der Freiheitlichen Südtirols sowie zahlreiche Bürgermeister und Verbände:

Südtiroler Heimatbund, Südtiroler Wirtschaftsring, Südtiroler Bauernbund, Alpenverein Südtirol, Südtiroler Kulturinstitut, Südtiroler Schützenbund, Heimatpflegeverband Südtirol, Südtiroler Bildungszentrum, Südtiroler Kriegsopfer- und Frontkämpferverband, Arbeitsgruppe zur Regelung der Ortsnamen, Junge Generation in der SVP, Arbeitskreis für Südtirol, Südtiroler Gemeindeverband.

Am 31. Jänner 2005 gab der auch zu diesem Thema tagende parlamentarische Österreich-Konvent seinen Endbericht ab, der einem Textvorschlag des Nationalratspräsidenten Dr. Andreas Khol (ÖVP) folgte. Darin wurde Österreichs Schutzmachtrolle auf folgende unverbindliche Formulierung reduziert:

„Österreich tritt für den Schutz der mit ihm geschichtlich verbundenen deutschsprachigen Volksgruppen, insbesondere der Südtiroler ein.“

Es war keine Rede mehr von der Aufnahme der Schutzmachtklausel in die Bundesverfassung.

Neuerlicher Anlauf:
Gesamttiroler Schützenpetition – 113 von 116 Südtiroler Bürgermeistern
hatten unterschrieben

Die Überreichung der gesamttiroler Petition in Wien an Andreas Khol

Am 21. Jänner 2006 überreichten die Landeskommandanten des Südtiroler Schützenbundes und der Nordtiroler Schützen in Wien dem Nationalratspräsidenten Andreas Khol eine neuerliche Petition.

Darin hieß es:

„Die unterzeichneten Schützenkompanien und Bürgermeister aus allen Teilen des historischen, großen Tirol ersuchen den Nationalrat bei den derzeit laufenden Beratungen über eine neue österreichische Bundesverfassung auf der Grundlage der Beratungen des Österreich-Konvents in der Präambel einer solchen Verfassung folgende Worte aufzunehmen:

 1) Die Republik Österreich anerkennt die historisch gewachsenen Volksgruppen in Österreich und setzt sich für Schutz und Förderung der mit Österreich geschichtlich verbundenen deutschsprachigen Minderheiten, insbesondere auch der Südtiroler ein.

 2) Die Republik Österreich bekennt sich zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes des vom Land Tirol abgetrennten Tiroler Volkes deutscher und ladinischer Sprache und zum besonderen Schutz der Rechte der Südtiroler auf der Grundlage des Völkerrechtes.“

Neben den Süd- und Nordtiroler Schützenkompanien hatten in Südtirol 113 von insgesamt 116 Bürgermeistern unterschrieben.

Nun gingen in Italien die politischen Wogen hoch. Andreas Khol war es ein Anliegen, rasch zur Wiederherstellung der Freundschaft mit Rom beizutragen.

Andreas Khol: „Kein Schatten trübt unser Verhältnis zu Italien!“

Als der nunmehrige österreichische Nationalratspräsident Andreas Khol Ende Jänner 2006 in Rom zu einem Besuch bei seinem Amtskollegen, dem italienischen Kammerpräsidenten Pier Ferdinando Casini weilte, äußerte Khol laut „Dolomiten“ vom 31. Jänner 2006 diesem gegenüber:

„Kein Schatten trübt unsere Beziehungen zu Italien.“

Laut APA-Bericht vom 17. Februar 2006 erklärte Andreas Khol:

„Es gibt in der Südtirolfrage kein einziges offenes Problem zwischen Österreich und Italien.“

Die Versenkung des „Südtiroler Memorandums“: Exekutor: Andreas Khol!

In den Medien (hier: Südtiroler ff-Ilustrierte 09 2007) verkündete Andreas Khol vollmundig, dass durch die EU-Mitgliedschaft Österreichs die Tiroler Landeseinheit bereits erreicht und somit alles bestens sei.

Am 5. Juli 2006 wurde im Österreichischen Nationalrat von den Abgeordneten aller Parteien mit Ausnahme und gegen die Stimmen der „Grünen“ eine Entschließung verabschiedet:

„Der Nationalrat unterstützt bei einer Verfassungsreform die Aufnahme einer Bestimmung in die österreichische Bundesverfassung, welche die Schutzfunktion für die österreichische Volksgruppe in Südtirol verankert.“

Eine Woche später unterschrieb Khol als Nationalratspräsident am 12. Juli 2006 die vorzeitige Beendigung der laufenden Gesetzgebungsperiode. Damit wurde der Antrag gegenstandslos.

In der nächsten Legislaturperiode war die neue Bundesregierung nicht mehr an den Entschließungsantrag gebunden, weil ein solcher nur für die jeweils laufende Legislaturperiode gilt.

Ein Initiativantrag jedoch hätte auch eine Bindung und Verpflichtung zur Umsetzung des Beschlusses für die nächste Regierung bedeutet.

Der FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer erklärte später dazu in einem Pressedienst:

„Es ist völlig auszuschließen, daß Khol, einem hervorragenden Kenner der Geschäftsordnung, das entgangen sein sollte.

Er hat jedenfalls wohlweislich keinen Initiativantrag geplant gehabt. Es war von Anfang an nur an eine üble Inszenierung von Theaterdonner geplant gewesen.

So hatten die ÖVP und Khol für die anstehenden Wahlen den Anschein des Patriotismus erwecken und gleichzeitig – von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen – von vorneherein das von Rom nicht gewünschte Projekt zum Scheitern bringen können.“ (OTS-Pressedienst vom 18. Jänner 2010)

„Komplizenschaft mit Rom“

In der Folge drängten der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder und andere Südtiroler Politiker immer wieder auf die Festschreibung der Schutzmachtrolle in der österreichischen Bundesverfassung.

 

Der FPÖ-Südtirolsprecher Werner Neubauer drängte immer wieder – wie hier in einem Interview mit der Südtiroler „Z – Zeitung am Sonntag“ vom 13. Dezember 2009 – auf die Verankerung der Schutzmachtrolle gegenüber Südtirol in der österreichischen Bundesverfassung.

Wie der FPÖ-Südtirolsprecher und Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer berichtete, schmetterten die ÖVP-Bundespolitiker dieses Ansinnen ab.

Am 18. Jänner 2010 veröffentlichte Neubauer einen Pressedienst mit dem Titel „ÖVP in Komplizenschaft mit Rom gegen Südtirol!“

Darin  enthüllte er, dass der österreichische Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) allen angesprochenen Südtiroler Anliegen eine blanke Abfuhr erteile.

In dem Pressedienst hieß es:

„Die Südtirolpolitik des von der ÖVP besetzten österreichischen Außenministeriums besteht darin, in Komplizenschaft mit dem italienischen Außenminister Frattini jegliche Bewegung in der Südtirolfrage zu verhindern, die Rom unangenehm ist. Spindelegger erklärte mir unverblümt, daß es für ihn nicht in Frage komme, Italien zu verärgern.“

Österreichs Außenminister Spindelegger (links im linken Bild) in herzlicher Verbundenheit mit seinem italienischen Kollegen Frattini von der nationalistischen Partei „Forza Italia“ (rechts im linken und im rechten Bild) bei einem Treffen in Rom. Die „Forza Italia“ war unter der Federführung Frattinis auch politische Bündnisse mit den Neofaschisten eingegangen.

Am 15. Februar 2010 berichtete die „Tiroler Tageszeitung“, dass Außenminister Spindelegger (ÖVP) in Bezug auf eine Aufnahme der Schutzmachtrolle in die Bundesverfassung  erklärt habe, dergleichen komme nur „in Zusammenhang mit einer großen Verfassungsreform“ in Frage, die aber derzeit nicht anstehe.

Sie steht bis heute nicht an und wird, wenn es nach dem Willen bestimmter ÖVP-Politiker geht, bis zum St. Nimmerleinstag nicht anstehen.