Stellungnahme von Dr. Franz Pahl zu den politischen Maßnahmen in Bezug auf die „Corona“-Seuche:
Ein beispielloser Schrecken hat die Menschheit erfasst. Der Virus-Tod trifft selbst manche Jungen in blühendem Alter. Heimtückisch bedroht er die Alten und Schwachen. Als im chinesischen Wuhan die Seuche schon wütete und selbst die chinesische Folterdiktatur diese Tatsache einräumen musste, wiegte sich Europa noch in Sicherheit. Das Robert-Koch-Institut (RKI), das sich für den letzten Schluss virologischer Weisheit hält, erklärte noch im Februar, es sei „unwahrscheinlich“, dass der Corona-Virus eine Gefahr für Deutschland darstellen könne. Nur der Virologe Alexander Kekulé riet schon im Jänner dazu, die ankommenden Flugpassagiere auf den Flughäfen auf Fieber zu testen.
Andere Länder wie Taiwan, Südkorea, Singapur, handelten schnell, testeten jeden Einreisenden aus China und isolierten die Erkrankten. Taiwan stoppte die Flüge aus Wuhan bereits am 31. Dezember 2019. Insgesamt wurden 124 Maßnahmen ergriffen. Es wurde kein Aufwand gescheut, die Ansteckungsketten zurückzuverfolgen. Sofort teilte Taiwan seine Erkenntnisse und alle Maßnahmen der Fachwelt mit, indem es sie im renommierten „Journal of American Medical Association“ publizierte. Die Betriebe arbeiteten aber weiter, und auch die totale Ausgangssperre wurde nicht verhängt. Masken zu tragen stört in Asien niemanden.
China handelte mit Verspätung
Durch ihre späten, dann aber drakonischen Maßnahmen rettete die chinesische Diktatur vermutlich Hunderttausenden das Leben. Schon im März 2019 hatte Peng Zhou aus Wuhan aufgrund seiner Untersuchungen gewarnt, dass China wegen der biologischen Verhaltensweise der Corona-Viren in den Fledermäusen bald eine neue Pandemie erleben werde. Nur den Zeitpunkt könne er nicht angeben. Als der Augenarzt Li Wenliang aufgrund seiner Beobachtungen auf die akute Gefahr hinwies, wurde er vom Regime noch mundtot gemacht. Allerdings hatte China, in dem SARS zuerst auftrat, ein Überwachungsprogramm installiert, welches eine auffällige Häufung atypischer Lungenentzündungen so früh wie möglich melden sollte. Als die ersten 27 Fälle atypischer Pneumonie ohne Todesfall festgestellt wurden, informierten die chinesischen Behörden die WHO. Die Welt kümmerte sich nicht darum. Kein europäischer Gesundheitsminister fand die Lage beunruhigend. Die amerikanische und europäische Politik nahm sich kein Beispiel an Taiwan, Singapur oder Hongkong. Man wusste wie immer alles besser, verharmloste und ließ die Zeitspanne verstreichen, in der man das Unheil noch hätte verhindern können. Ein entsetzliches Versagen der politisch Verantwortlichen, die sich jetzt als Krisen-„Manager“ gerieren.
Die dreifache Schuld der leichtfertigen Regierungen
Europäische Staatenlenker, die sich inzwischen mit ihren drakonischen Maßnahmen als Landesretter feiern lassen, haben das heutige Ausmaß durch ihr Nichtreagieren überhaupt erst möglich gemacht. Ihr schweres Versäumnis zuzugeben, fällt ihnen aber nicht ein.
Keine Regierung hat aus SARS (China, 2003), MERS (2012), EBOLA (Westafrika, 2014/15), SCHWEINEGRIPPE (2009); VOGELGRIPPE (2004) und Cholera (Neapel, 1973) etwas gelernt. Kein westlicher Staat stellte eine strategische Reserve an Schutzmasken, Desinfektionsmitteln und Beatmungsgeräten bereit. Während die westlichen Demokratien Jahrzehnte lang um die Wette eiferten, ihre lebenswichtigen Fabriken in China produzieren zu lassen, anstatt die heimische strategische Produktion zu begünstigen, dachte nur China voraus und legte Reserven an, von denen jetzt Europa zehrt. Alle raufen sich darum. Der Wettkampf lockt aber auch chinesische Betrüger an.
Fähigkeit zur Eigenproduktion nicht genützt
Das zweite Versagen besteht darin, nicht sofort nach Ausbruch der Epidemie die technischen Ressourcen zur Eigenproduktion energisch genützt zu haben. Kein Wirtschaftsminister hat gleich am Beginn der Pandemie, als der Spitalsnotstand und der Mangel an sanitärem Material absehbar war, unverzüglich die bereitwilligen heimischen Firmen mit langfristigen Abnahmegarantien zu breit angelegter Eigenproduktion und nötigen Umstellungen veranlasst. In Bergamo gingen rasch die Beatmungsmaschinen für die Patienten aus, und Pfleger und Ärzte starben mangels Schutzkleidung am Virus der Patienten, die sie betreuten. Noch heute sind die Versuche zur Selbsthilfe den Firmen allein überlassen. Es gibt keinen strategischen Förderungsplan, nur vages Palavern, dass man dies und jenes in der Zukunft müsste, wie etwa eine österreichische Ministerin verlauten ließ.
Selbstschutzfähigkeit der Betriebe ignoriert
Das dritte Versagen ist, im späten, panischen Schutzeifer nicht zwischen den wirklichen Gefahrenorten und selbstschutzfähigen Produktionsbereichen zu unterscheiden. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen sind verheerend. Es war richtig, die vermeidbaren persönlichen Kontakte radikal zu begrenzen. Das Veranstaltungsverbot, die Sperrung von Sport- und Freizeitanlagen und Ausgangsbeschränkungen waren vernünftig. Aber unnötig und sozial unverantwortlich war und ist es, auch alle nicht „System relevanten“, jedoch zum Selbstschutz fähigen Wirtschaftsbereiche abzuschnüren. Eine Überprüfung der Gepflogenheiten etwa in Lebensmittelbetrieben, Supermärkten, bei Tankstellen und Postämtern würde schnell bestätigen, was man ja schon vom täglichen Augenschein begreift: Betriebe, die Schutzmaßnahmen ergreifen und ihre Kunden zum Gleichen anhalten, stellen keine Gefährdung dar. Andernfalls wäre ihr Personal längst schon auf den Intensivstationen der Krankenhäuser in Betreuung. Nach dem gleichen Grundsatz könnten andere Betriebe weiterarbeiten. Auch die kleinen Lockerungen, z.B. in Italien seit dem 14. April für Papier- und Buchhandlungen, Kinderkleidung und Babyartikel, sind kein Ersatz für die Rettung der anderen Existenz bedrohten Betriebe. Aber es wird sich erneut zeigen, dass dank der internen Schutzmaßnahmen keine Gefahr ausgeht. Nach dem gleichen Prinzip hätte die Produktion generell nie eingestellt werden dürfen. Das scheint insgeheim den Verantwortlichen in Südtirol zu dämmern. Sie heimsen Kritik ein. LH Kompatscher mahnt Rom – allzu sanft und ohne autonomistischen Nachdruck gegenüber der sich über alles erhebenden römischen Zentrale – und wünscht mehr Eigenständigkeit in den Entscheidungen. Wirtschaftslandesrat und SVP-Landesparteiobmann Achammer steuert seine häufigen digitalen Tröstungen für die Wirtschaftstreibenden bei. Doch Initiativen fehlten von Anfang an. Sogar die Präsidenten der Lombardei (Attilio Fontana) und des Veneto (Luca Zaia) fordern nun zu mehr „Vertrauen“ in die Wirtschaft auf.
In Österreich forderte FPÖ-Obmann Hofer am 16. April eine gleiche Behandlung aller Betriebe. Damit erhebt sich die Opposition aus ihrer Denkstarre und fordert mehr Kohärenz – auch weil sie nach den Bedenken von Verfassungsjuristen und der abnehmenden Geduld in der Bevölkerung den Mut findet, den sie von Anfang an hätte zeigen sollen.
Confindustria und FederlegnoArredo fordern die Öffnung
Der Verband der italienischen Möbelindustrie, FEDERLEGNOARREDO, hat am 10. April in einem detaillierten Memorandum glaubwürdig belegt, dass die Holzbetriebe samt und sonders zu einem effektiven Schutz der Belegschaft willens und fähig sind, wenn man sie nur arbeiten ließe. Im „manifesto“, das Präsident Emanuele Orsini am 14. April mit einem 8-Punkteplan vorstellte, garantiert man die Sicherheit der Arbeiter, ohne die Überlebensfähigkeit der Betriebe in Frage zu stellen (salvaguardare la sicurezza dei lavoratori senza compromettere ancora di più la sopravvivenza…). Auf den gleichen Sachverhalt hat der Industriellenverband CONFINDUSTRIA generell für alle Produktionsbetriebe verwiesen.
Alle Handelsbetriebe sind zu gleichen Maßnahmen bereit. Doch die Regierungen haben sich blind und uneinsichtig in ihre Zusperr-Ideologie verbohrt und denken an keine nüchterne Überprüfung ihrer Haltung. Sie weichen, wohl auch aus schlechtem Gewissen, stattdessen auf einen Plan zum langsamen „Hochfahren“ der Wirtschaftssektoren aus. Mehr erlaube die noch zu langsame Abschwächung der Pandemie nicht. Diese nimmt aber weder zu noch ab wegen der blindwütigen Betriebsschließungen, sondern wegen der vernünftigen Verhinderungen von Massenansammlungen und vermeidbaren Kontakten. Wiederum wird wertvolle Zeit verloren und es werden Schulden angehäuft.
Zuerst Unterschätzung – dann panische Maßnahmen
Die Europäer waren gewarnt. Sie ließen aber wertvolle Zeit verstreichen, um die Infektionsherde zu beherrschen. Am 9. März handelte die italienische Regierung mit totalen Ausgangssperren. Am 22. März wurden die Maßnahmen verschärft, ohne Rücksicht auf ihre logische Berechtigung. Auffallender Weise wurden aber keineswegs alle nicht „lebenswichtigen“ („System relevant“ nennt sich das im politischen Kauderwelsch) Betriebe geschlossen. Zwar stand der wesentliche Teil von Produktion und Handel still, ausgenommen in jenen Betrieben, die mit unmittelbaren Lebensbedürfnissen zu tun haben. Bezeichnend aber: die Rüstungsbetriebe durften weiterarbeiten. Diese Ausnahme tarnt sich verschämt unter der Ziffer 84 des ATECO-Verzeichnisses (ATtivitàECOnomica) der wirtschaftlichen Tätigkeiten, wo die Landesverteidigung („Difesa“) zusammen in einem mit der Öffentlichen Verwaltung und der Sozialversicherung angeführt ist. Die Rüstungsbetriebe in Norditalien zeigen, wozu jeder Betrieb fähig wäre: Bei entsprechenden Schutzmaßnahmen geht keine Gefahr von ihnen aus, was erneut die Regierungsthese der notwendigen Sperrungen widerlegt. Nebenbei stand und steht auch kein Krieg bevor, trotz der kantigen Kriegs-Rhetorik der Seuchen-Politiker, die mit ihren verbalen Parolen die echte Kriegswahrheit verharmlosen. Die mangelnde Sprachzucht wurde aber bedenklich begleitet vom Sieg blinder Irrationalität der Maßnahmen. Das hält bis heute an und hat auch einige andere europäische Staaten angesteckt.
Verluste und Schuldenberg in Südtirol
Südtirol macht die gleichen bedrückenden Erfahrungen der Totalschließungen von Betrieben in den ersten fünf Wochen (9.3. – 13. 4. 2020): Viele Hunderte von Betrieben sind am Rande des Ruins. Mittelständische Unternehmerfamilien verzweifeln. Keine Landeshilfe ist mehr in der Lage, die finanziellen Einbußen angemessen zu ersetzen. Die fehlenden Steuereinnahmen werden, wie LH Kompatscher erklärt („Dolomiten“ vom 15.4.2020), 500 Mio € ausmachen. Dazu kommen 1,5 Milliarden € an Mehrausgaben, zusammen ein knappes Drittel des Landeshaushaltes! Allerdings handelt es sich wesentlich um Kreditgarantien auf Landesrisiko.
Demokratische Kontrolle an den Rand gedrängt
Die parlamentarische Kontrolle ist bis auf ein paar pro-forma-Übungen nicht nur in Italien an den Rand gedrängt. Mit großem politischem Propagandaaufwand und fahrlässiger Mitwirkung der Medien geben sich widersprüchliche Maßnahmen auch in Österreich als „absolut richtig“ und „alternativlos“ aus. Die Verbotspropaganda wird zum moralischen Glaubenssatz erhoben. In der heimlichen Angst vor kritischen Nachfragen lassen die Regierung in unfehlbarer Selbstinszenierung eine Verordnungsflut auf die eingeschüchterte Bevölkerung niedergehen. Der öffentlich rechtliche Rundfunk huldigt und unterlässt jede nüchterne Prüfung von realer Notwendigkeit und Wirkungsbezug. Die Journalistenprofession zeigt keine Professionalität, wird zum bloßen didaktischen Wiederkäuer der sich jagenden und verschärfenden Verordnungen, die jedes vernünftige Maßhalten unter einer bedrohenden Paragraphenlawine verschütten. Selbst die sonst so selbstbewussten Gewerkschaften ducken sich gehorsam und weichen jeder rationalen, demokratisch-mutigen Sachauseinandersetzung aus. Alte Verfassungsgrundrechte verdunsten im Glutschwall der faktisch polizeistaatlichen Züge der Pandemie-Aktionen. Personengrundrechte werden diskussionslos unwirksam gemacht. Totalbespitzelung mit entsprechender Drohkulisse ist Alltag und präsentiert sich als allwissende Staatsmacht. Zu Untertanen reduzierte Staatsbürger haben ihr zu gehorchen.
Almosenwelle statt Verbotsvernunft
Die ausgeuferten Arbeits- und Produktionsverbote werden ohne Rücksicht auf Verluste mit quasi-feudalen Abfederungsmaßnahme mittels teurer und zugleich unzureichender Finanzhilfen verbunden, auf Kosten der geprellten, mit Berufs-Ausübungsverbot belegten Gegenwartsgeneration und ihrer Nachkommenschaft, die die Zeche zahlen wird. Der deutsche und österreichische Staat zeigen zumindest ihre Effizienz durch schnelle Zuteilung der finanziellen Halbhilfen, die die Schäden aber nicht annährend beheben können und keineswegs allen zugutekommen, die es brauchen. Kein wirtschaftlich versierter Politiker macht die Gegenrechnung auf, keiner – weil inopportun in der Rettungs- und Scheinwohlfahrts-Propaganda -meldet sachkritischen Widerspruch an. Der gepriesene Begriff der „ganzheitlichen Sicht“, die Abwägung aller Auswirkungen, ist dem Kult der Einheitsmeinung gewichen.
Das Phantom „Europaregion Tirol“ als Propagandaschlager entlarvt
Wie oft hatten Tirol und Südtirol doch die „Europaregion“ als Realität gesamttirolischen Zusammenwirkens verkauft. Doch unverzüglich wurde die Tiroler Grenze geschlossen. Die VO 35/2020 des Tiroler Landeshauptmannes lässt zwar ausdrücklich den Grenzpendlerverkehr zu Arbeitszwecken zu. Doch eine Grenzpolizeistelle schickte Tiroler Grenzpendler, die in einem grenznahen Südtiroler Ort legal in einem Betrieb mit kommunalem Bezug arbeiten, trotz aller beigebrachten Belege plötzlich mit Strafandrohung in Quarantäne. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft sorgte nicht etwa für rasche Respektierung der VO. Sie rechtfertige die Überreaktion und ließ die Pendler und die Firma mit ihren juristisch wohlbegründeten Eingaben kalt abblitzen. Die unterstützende Klarstellung der Tiroler Wirtschaftskammer fegte sie als nicht entscheidungsrelevant vom Tisch, mit der mehrmals wiederholten Phrase, sie könne nicht „contra legem“ handeln, obwohl genau ihre Verhaltensweise dieses „contra legem“ darstellt. Als ihr die Argumente ausgingen, erklärte sie in obrigkeitsstaatlicher Manier, sie sei zu keiner Rechtfertigung, Erläuterung oder Rechtsauskunft verpflichtet. Rechtsstaat Österreich!
Neue Schuldenberge auch in soliden Staaten
Die Staaten verschulden sich hemmungslos. Die Mdme. Lagarde, wie ihr Vorgänger Draghi Spezialistin in der Aushebelung der EU-Vertragsgrundsätze zur Währungsstabilität, setzt auf schwindelerregende Aufkäufe der Staatsanleihen.
De facto wird der Euro der künftigen Inflation ausgeliefert. 20 Milliarden € pro Monat werden an bloßem Buchgeld bereitgestellt, insgesamt sind jetzt schon 1,11 Billionen € für den Aufkauf von Staatsanleihen beschlossen! Nur Illusionisten können glauben, dass Italien seine neuen Riesenschulden je wird zurückzahlen können. Im dritten Quartal 2019 machten die italienischen Staatsschulden ohne „Corona“ schon 2.439,25 Milliarden € aus, was 134,8% des BIP entspricht, bedrohlich weit über der erlaubten Grenze der Staatsschuld von 60% des BIP. Mit der neuen Schuldenaufnahme wird die Schuldenlast nach kritischer Berechnung des Instituts für die Beobachtung der Haushaltspolitik der Università Cattolica (Mailand) zwischen 150-158% des BIP erreichen! Doch Premier Giuseppe Conte ist das europäische Entgegenkommen nicht genug. Barsch und beleidigt fordert er mehr: einen Freibrief fürs Schuldenmachen unter gesamteuropäischer Haftung mittels „Eurobonds“ um 1,5 Billionen €, die administrativ gar nicht sofort verfügbar gemacht werden könnten. Diese Summe würde 44% des deutschen BIP oder 11% des BIP der Eurozone entsprechen.
Es ist just der italienische EU-Kommissar und frühere Ministerpräsident Gentiloni, der von Eurobonds abrät. Nach der informellen Bereitschaft der europäischen Finanzmister (Videokonferenz vom Karfreitag, 10. April d.J.) sollen über den Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM) für Italien 36 Milliarden, entspricht 2% des italienischen BIP, bereitgestellt werden, formell mit Rückzahlungspflicht. Der Zugang zum ESM soll vereinfacht werden. Der ESM hatte schon Griechenland geholfen, von dem der IWF nüchtern sagt, dass der hellenische Staat seine Schulden auch bei besten Bedingungen nicht aus eigener Kraft werde begleichen können.
Italien ohne Alternative?
Gäbe es nicht das Erfahrungspotential der Staaten, die einen anderen Weg mit weniger kostenreicher und effizienterer Wirkung gewählt hätten und damit erfolgreich sind, könnte man noch in einem Übermaß an Völkergeduld sagen, die Verantwortlichen hätten nach sorgfältiger Prüfung die „alternativlose“ Maßnahme wählen müssen. In Wirklichkeit sind ihre Maßnahmen keineswegs rational durchdacht, sondern panische Fahrlässigkeit ohne Rücksicht auf Verluste. Durch das italienische „Krisenmanagement“ (das unverdiente Wort „Management“ ist in diesem Fall eine euphemistische Irreführung) wird jede demokratische Sachdiskussion verhindert. Eine kühle Bestandsaufnahme, die auch in anderen Verbots-Regierungen fehlt, lässt dies erkennen. Trotz aller oft recht gegensätzlichen wissenschaftsvirologischen Behauptungen sind zwei Tatsachen unbestritten: durch ausreichenden Abstand gibt es keine Ansteckung, und selbst einfache Schutzmasken für den Normalgebrauch der Bürger vermindern die Virusgefahr zusätzlich. Nach diesen zwei Erkenntnissen hätte man nie eine Massenschließung von Betrieben vornehmen dürfen.
Die weltweite Jagd nach Masken – „China hilft!“
Regierungsgenerationen haben blind zugeschaut, wie Firmen die Produktion nach China verlagerten, das nichts umsonst gibt, und sich damit vom reich gewordenen chinesischen Handel wirtschaftlich und politisch abhängig gemacht. Die Abwanderung von notwendigen Firmen hätte man durch entsprechende Steuerpolitik abwenden können.
„China hilft!“ Nein, denn es macht schlicht ein gewaltiges politisches und wirtschaftliches Geschäft. Regierungen raufen sich um die chinesische Ware und lassen sich bereits bezahlte noch wegschnappen. Südtirol wurde mit seiner über Österreich groß inszenierten Maskenlieferung böse hereingelegt und versuchte das zu verharmlosen und zu vertuschen. Nicht den chinesischen Betrug hätte man den Sanitätsverantwortlichen übelgenommen, sondern die bagatellisierende Unehrlichkeit. Für medizinisches Personal eignen sich die Schutzmasken nicht.
Ein Betriebs-Beispiel für viele
Der erfahrene Leiter eines großen Fleischproduktionsbetriebes in Südtirol versicherte mir erst kürzlich: die Belegschaft trägt Schutzmasken, (nicht die perfekten medizinischen Masken), Schutzbrillen und Gummihandschuhe und desinfiziert immer wieder die Hände. Das hat sich schnell eingespielt. Niemand steckt sich an. Nach dem gleichen Modell könnten alle Betriebe weiterarbeiten!
Die bisherigen Erfahrungen in nie geschlossenen Betrieben und Läden hätten die ruinöse Politik längst korrigieren müssen. Die sehr relative Verminderung der Ansteckungen als Begründung der Schritt-für-Schritt-Öffnung ist nicht glaubwürdig. Die Fallzahlen gehen nicht deshalb langsam zurück, weil Betriebe geschlossen und damit in ihrer Existenz bedroht sind, sondern weil – vernünftigerweise – Massenansammlungen und Gruppentreffen verboten sind. Vorsichtshalber die Schulen zu schließen ist eine vertretbare Maßnahme. Sie kostet nichts und ruiniert niemanden. Italien hat das Schuljahr schon für beendet erklärt und alle Schüler mit ein wenig digitalem Unterricht für die nächste Klasse befähigt erklärt.
Betriebsexistenzen en masse gefährdet oder ruiniert
Die eilfertigen Verordnungen des Staates und Landes, Mieten und Schulden zu stunden und Gebührenzahlungen aufzuschieben, retten auch nichts, weder in Betrieben noch für die Normalbürger. Für jene, die als öffentliche Angestellte ihr Gehalt weiterbeziehen, ist es unnötig. Für die Belegschaften in der Ausgleichskasse (in Italien wesentlich geringer ausfallend als in Österreich), reicht in Italien das Resteinkommen nicht. Die neue Massenarbeitslosigkeit und damit nicht selten verbundener dauernder Verlust des Arbeitsplatzes durch Betriebszusammenbrüche haben gravierende finanzielle und psychische Folgen.
Viel zu zaghafte und zu späte Halbkorrekturen
Zu einer Korrektur der verfehlten Panikpolitik sind die Regierenden aber nicht gewillt, auch wenn sie insgeheim längst die von ihren angerichteten Schäden erkannt haben. Der Südtiroler Landeshauptmann, der dies auch erkannt hat und eigentlich immer schon wusste, auch wenn es in den Erklärungen anders zu klingen schien, versucht in seiner neuen Verordnung vom Ostermontag (13.4.) eine – leider zu geringfügige – Korrektur.
Gewiss ist der Staat (Gesetz Nr. 400 vom 23. 8. 1988) für Notstandsmaßnahmen zuständig. Aber wenn ein Staat partiell verhängnisvolle Maßnahmen erlässt, dann ist zumindest für ein Land mit Autonomie entschiedener Protest angebracht, und nicht, wie seit dem 9. März gesehen, unterwürfige und widerstandslose Anpassung an Staatsverordnungen. Das ist freilich seit Jahren der Grundtypus der Südtiroler Landespolitik.
Wie Untertanen behandelt
Wochenlang schaute diese Politik in Südtirol ungerührt zu, wie die Staatsorgane geradezu herzlos und widersinnig hohe und höchste Strafen – von 400-300€ verhängten, wenn sie einsame Spaziergänger auf Waldwegen antrafen, wo weit und breit keine Ansteckungsgefahr gegeben ist. Das wünschte der Landeshauptmann von Südtirol nicht, aber die zögerliche Mahnung an die Kontrolleure, bei den Kontrollen Sinn und Zweck zu bedenken, verhallte nicht nur bei den Carabinieri, sondern sogar bei Teilen der heimischen Forstwache. Erst mit der neuen Verordnung wird ein gefahrloser Spaziergang auch in größerer Entfernung ausdrücklich erlaubt. Damit sind bisher widersinnig-maßlose Strafaktionen unmöglich gemacht. Gegen vernünftige und notwendige Kontrollen hat niemand etwas. Für überspannte, bürgerfeindliche Polizeistaatsmethoden unter dem Deckmantel des Gemeinwohls hat man jedoch zu Recht kein Verständnis. Sie werfen sehr ernsthafte Fragen nach rechtsstaatlicher Qualität auf. Es ist bestürzend, dass kein Südtiroler Parlamentarier in Rom und kein Landtagsabgeordneter der Regierungsmehrheit in Bozen – löbliche Ausnahme nur die deutsche Opposition – eine verantwortungsvolle Kritik übte.
Kirchen unterwerfen sich ebenfalls
Kein Wort dagegen, dass die Totalsperre der Kirchen nicht auf diese Art notwendig wäre, wie man vorgibt: Hätten Osterfeierlichkeiten in den großen Domen von Bozen und Brixen und in größeren Dorfkirchen etwa nicht mit einer Teilnehmerzahl stattfinden können, die keinerlei Ansteckungsgefahr hervorgerufen hätte? Ist es denn menschlich, wenn an Begräbnissen nur eine Handvoll Familienmitglieder teilnehmen dürfen, wo doch Friedhöfe groß genug sind, um ohne die geringste Gefährdung eine begrenzte Menschengruppe – jedenfalls die Trauerfamilie mit Verwandten – aufzunehmen? Welche eingebildete Gefahr soll bestehen, wenn ein an normaler Altersschwäche Verstorbener im Sarg daheim aufgebahrt wird, statt anzuordnen, den Sarg flugs in die Totenkapelle zu schaffen und diese abzuschließen, als sei der Mensch an der Pest gestorben? Der Verordnungswahnsinn hat herzlose Methoden, die mit Sicherheit nichts mehr zu tun haben.
Kein Mitleid mit Gefangenen
Warum findet kein Politiker in Staat und Land etwas dabei, dass die Insassen in überfüllten italienischen Gefängnissen verbleiben, wo Abstand und Schutz eine Illusion sind? Keinem Regierungsmitglied –auch keinem Südtiroler Parlamentarier der SVP – ist der Gedanke gekommen, dass es aus humanitären Gründen eigentlich Grund für eine rasche, weitreichende Amnestie gegeben hätte. Ist es nicht auch bezeichnend, dass es selbst keinem Kirchenmann eingefallen ist, an die Situation der Gefangenen zu erinnern, die nicht nur ein paar Monate Beschränkungen der Bewegungsfreiheit unterworfen sind wie der Normalbürger, mit ganz anderen Limitierungen? Psychologen und Psychiater beklagen – nicht zu Unrecht – die möglichen psychischen Folgen irrational-unnötiger Verbote. Aber keine einzige Stimme des Mitgefühls erinnerte in dieser Erfahrung der Freiheitsberaubung an jene Mitmenschen, die oft Jahrzehnte ihres Lebens in ganz anderen Verhältnissen zurechtkommen müssen. Erdogan amnestiert 90.000 Gefangene, ein Drittel der Gesamtzahl, wenn auch bezeichnenderweise die wirklich unschuldigen politischen Gefangenen nicht.
Die Geduld ist begrenzt
Den Verordnungsstrategen dämmert jetzt, dass die übergeduldige Bevölkerung langsam jene Verbote und jene Existenzschädigung satthat, die sich durch nichts rechtfertigen lassen.
Nicht zufällig erinnert sich die Unterstaatssekretärin im Kultus- und Tourismusministerium, Lorenza Bonaccorsi, sogar an den gebeutelten Tourismus und meint, es stehe dem Schutz vor dem Virus nicht entgegen, wenn man an geeigneten Badestränden den Zugang erlaube und dabei dafür Sorge, dass der Abstand gewahrt werden könne. Ein zumindest regionaler Tourismus kann ebenfalls diszipliniert ermöglicht werden, mit etwas betrieblicher Phantasie. Hotels können Speisenturnusse anbieten und damit die Gästezahl bei den Essenszeiten reduzieren. Ein völliger touristischer Stillstand mit Massenentlassung der Bediensteten wird auch den Steuerbehörden ein böses Erwachen bescheren.
Die Mafia wartet schon
Als kürzlich eine große deutsche Zeitung angesichts der italienischen Geldforderungen anmerkte, ob damit nicht auch die Mafia angelockt werden könne, reagierte der nicht sonderlich hochgebildete Außenminister Di Maio mit einer harschen Bemerkung und forderte politische Genugtuung.
Interessant nun, dass Innenministerin Luciana Lamorgese in einem Schreiben vom 11. April davor warnte, die Mafia könne den Notstand ausnützen und sich Betriebe durch Scheingeschenke gefügig machen. Der italienische Polizeichef Franco Gabrielli warnte in einem Schreiben an die 194 Interpol-Staaten ebenfalls davor, dass die Mafia an Gelder für die Landwirtschaft, die Transporte und die Müllentsorgung heranzukommen versuche. Dieses Problem Italiens besteht seit eh und je. Darauf können Polizeiorgane wenigstens reagieren.
Kurzzeitdenken in Italien lebt von der Hand in den Mund
Prof. Giuseppe Conte ergeht sich in lockeren Gedankengängen. Er geht souverän über die Bedingungen des italienischen Beitritts zur Eurozone vom 1.1. 1999 hinweg. Alte Verpflichtungen hält er für „überholt.“ Verträge mit Grundsätzen sind lästig. Die Tagespolitik zählt. Bei den mitregierenden „Grillini“ (Fünf-Sterne-Bewegung) fehlt es an Erfahrung und historischer Verantwortung. Europäische Solidarität versteht Conte als Schuldenfreibrief für Italien mit Gemeinschaftshaftung, also Garantie durch wohlhabendere, diszipliniertere Nordländer. Der Maastricht-Vertragsartikel 104b ordnet an, dass jeder seine Schulden selbst zu verantworten und zu tragen hat und übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden sind. Als Italien trotz eines Schuldenberges von 120 % des BIP in die Eurozone aufgenommen wurde, wusste es das schon. Nun aber machen nationalistische Populisten Stimmung gegen europäische Vernunftregeln. Staatspräsident a.D. Azeglio Ciampi hatte diesen Ungeist schon in der Berlusconi-Ära beklagt. Die neuen „Sovranisti“, die sich in Illusionen wiegen, sind eine verschärfende Neuerscheinung. In der Pandemie treten sie als Don Quijote in der Politik auf.
Doch auch in anderen europäischen Staaten trampelt ideologisierende Regierungs- und Medienpropaganda die notwendige Selbstkritik, die nüchterne und ehrliche Abwägung der Wirkung von zuerst zu späten und dann zu undifferenzierten Maßnahmen nieder. Die „europäischen Werte“ haben sich verabschiedet.
Über den Autor:
Dr. Franz Pahl, von Beruf Lehrer und Publizist, war von 1976 bis 1979 Landesjugendsekretär der Südtiroler Volkspartei (SVP) und von 1983 bis 2008 Abgeordneter im Südtiroler Landtag und im Regionalrat Trentino-Südtirol. Von 1994-99 war er Vizepräsident der Regionalregierung und von 2001-2003 und 2006-2008 Präsident des Regionalrats der Region Trentino-Südtirol.
Journalistisch war Dr. Franz Pahl als Herausgeber der Wochenzeitung „Der Tiroler“ und des „Südtiroljournals“ sowie als Redakteur bei „Radio Südtirol“ tätig. Er verfasste auch eine Reihe von politischen Beiträgen in der Tageszeitung „Dolomiten“.
Kriegsverbrecher und Massenmörder ist Ehrenbürger von Brixen
Seit Dezember 2015 weist Hartmuth Staffler, Präsident des „Geschichtsvereins Brixen“, in Pressemitteilungen darauf hin, dass der Alpini-Offizier Gennaro Sora, der in Äthiopien ein schreckliches Kriegsverbrechen verübt hat, immer noch Ehrenbürger von Brixen ist.
Zuletzt veröffentlichte das Internet-Portal „Unser Tirol 24“ am 26. Februar 2020 nachstehende Stellungnahme von Hartmuth Staffler, die der SID hier mit einigen Bildern ergänzt hat:
Gennaro Sora wurde 1892 in der Provinz Bergamo geboren. 1913 trat er bei den Alpini ein. Im Ersten Weltkrieg erwarb sich Sora an der Dolomitenfront, zeitweise gemeinsam mit Cesare Battisti, mit dem er Freundschaft schloss, verschiedene Auszeichnungen. Nach dem Krieg war er als Alpini-Offizier in Brixen stationiert. 1928 nahm er mit acht weiteren Alpini aus der Brixner Garnison an der Nordpol-Expedition von Umberto Nobile teil. Als Nobile mit dem Luftschiff Italia abstürzte, startete Sora auf eigene Faust vom Expeditionsschiff „Città di Milano“ aus eine Rettungsaktion, die kläglich scheiterte, so dass Sora selbst von einem schwedischen Flugzeug gerettet werden musste. Trotzdem bezeichnete Mussolini Gennaro Sora als „eroe del polo“ (Held des Pols). Sora wurde in ganz Italien gefeiert; in Brixen verlieh ihm der faschistische Podestà (Anm.: Bürgermeister) Felice Rizzini die Ehrenbürgerschaft der Stadt.
1935 war Gennaro Sora im Vinschgau stationiert, wo er das Gebet „Preghiera dell’Alpino“ schrieb. In dieses Gebet baute der überzeugte Faschist auch Fürbitten für den italienischen König und für den Duce Benito Mussolini ein. Erst im Jahr 1949 wurden der König und der Duce aus dem Gebet gestrichen. 1985 wurde das Gebet, trotz seiner zweifelhaften Urheberschaft, offiziell als Gebet der Alpini anerkannt, und zwar in zwei verschiedenen Versionen.
In der nur bei geschlossenen Veranstaltungen der Alpini zu verwendenden Version wird immer noch um den Segen für die Waffen gebetet („Rendi forti le nostre armi…“,) in der etwas entschärften Form für die Öffentlichkeit sind die Waffen verschwunden, es heißt nur noch „rendici forti … (mache uns stark). Allerdings kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, weil manche Alpini auch bei öffentlichen Gottesdiensten auf der militärischen Gebetsform bestehen und manchmal sogar aus Protest die Kirche verlassen, wenn ihr Wunsch nicht erfüllt wird.
Nach dem italienischen Vernichtungskrieg gegen Äthiopien (1935-36) gab sich die einheimische Bevölkerung nicht geschlagen. Zahlreiche Freiheitskämpfer, die auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen konnten, widersetzten sich der faschistischen Besatzungsmacht. Die Italiener antworteten darauf mit einer brutalen Unterdrückungspolitik, der zehntausende Äthiopier zum Opfer fielen.
1937 wurde Oberstleutnant Gennaro Sora nach Äthiopien geschickt, um als Kommandant eines Alpinibataillons der 8. Brigade (ehemals Divisione Pusteria) sogenannte „Säuberungsaktionen“ durchzuführen. In Gebieten, in denen die äthiopischen Freiheitskämpfer besonders aktiv waren, wurden Dörfer niedergebrannt, Brunnen vergiftet und Viehherden beschlagnahmt. Eine besonders brutale „Säuberungsaktion“ fand im Frühjahr 1939 in Zentraläthiopien statt. Dabei wurden Dörfer mit Giftgas bombardiert und tausende Menschen in die Flucht getrieben.
Oberstleutnant Gennaro Sora erhielt den Auftrag, eine Flüchtlingskolonne zu verfolgen. Die rund 1500 Frauen, Kinder und Verletzte, begleitet von einigen wenigen Kämpfern, flüchteten in die Höhle von Zeret, deren Eingang auch von wenigen Mann leicht zu verteidigen war. Oberstleutnant Sora forderte daher chemische Waffen an. Er erhielt eine Senfgasbombe, deren Inhalt in Kanister umgefüllt wurde, sowie Arsen-Granaten für seine Artillerie. Am 9. April 1939 wurden die Senfgaskanister an Seilen von oben vor den Eingang der Höhle herabgelassen und zur Explosion gebracht, während gleichzeitig die Artillerie die Arsen-Granaten in die Höhle schoss. Die Flüchtlinge mussten sich ergeben. 800 männliche Flüchtlinge (ab 15 Jahren) wurden in Gruppen zu 50 mit Maschinengewehren erschossen und über einen Abhang geworfen. Die durch das Giftgas schwer verletzten Frauen und Kinder überließ man ihrem Schicksal. Nach italienischen Augenzeugenberichten hat von diesen niemand überlebt.
Dieses Kriegsverbrechen war wie viele andere lange Zeit kaum bekannt. Man sollte und wollte nicht darüber reden. Für die Einheimischen ist das schreckliche Ereignis bis heute ein Tabu, über das sie nicht sprechen wollen. Sie meiden auch die Höhle von Zeret. Erst im Jahr 2008 hat der italienischer Historiker Matteo Dominioni im Buch „Lo sfascio dell’Impero – Gli italiani in Etiopia 1936-1941“ die Ereignisse anhand von Aktenstudien und Augenzeugenbefragungen geschildert. Inzwischen sind auch weitere Augenzeugenberichte aufgetaucht. Erstmals hat sich vor einigen Jahren ein italienischer Archäologe, der die Höhle besichtigte, unter Tränen bei den Einheimischen entschuldigt für das, was seine Landleute dort angerichtet haben. Eine offizielle Entschuldigung gab es noch nicht. Die Gemeinde Brixen könnte ein kleines Zeichen setzen, indem sie dem Kriegsverbrecher Sora die Ehrenbürgerschaft aberkennt, aus Respekt vor den Opfern in Äthiopien und auch vor den übrigen 63 Brixner Ehrenbürgern, darunter Altpapst Benedikt XVI.
Soweit die Darstellung von Hartmuth Staffler, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt.
Bürgermeister von Brixen ist Herr Peter Brunner von der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP). Der Stadtrat ist von der SVP besetzt.
Bislang haben die SVP-Lokalpolitiker von Brixen nicht regiert und auch nicht Stellung genommen. Das erspart ihnen natürlich eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Vertretern der „Grünen“, des „Partito Democratico“ und anderen Gemeinderäten.
Damit haben sich diese „Volksvertreter“ in Brixen sehr schön an die italienischen Verhältnisse angepasst.
Ob dieses Verhalten verantwortungsbewusst ist, mag der Leser entscheiden.
Die Sektion Bergamo der „Nationalen Alpini-Vereinigung“ hält heute noch das Andenken an Gennaro Sora in Ehren und kommt in einer Würdigung auf ihrer Internet-Seite zu folgendem Schluss: „Sora sei nicht für ein ungerechtfertigtes Massaker verantwortlich, sondern er habe sich im Kontakt mit seinen Vorgesetzten stehend an die damals in Äthiopien angewandten militärischen Vorgangsweisen gehalten.“
Dazu passt, dass in seiner Heimatgemeinde Foresto Sparso in der Provinz Bergamo heute noch ein Denkmal an ihn erinnert und es dort auch eine Sora-Straße – „Via Gennaro Sora“ – gibt.
Dokumentation über den faschistischen Vernichtungskrieg und den Völkermord in Ätiopien
Bei dem geschilderten Kriegsverbrechen des Gennaro Sora in Äthiopien handelt es sich nicht um einen vereinzelten grausamen Übergriff, sondern um ein Geschehen, welches sich in eine gewollte Vernichtungsstrategie gegenüber dem äthiopischen Volk einfügte, welches buchstäblich dezimiert wurde.
In Südtirol verherrlichen bis heute faschistische Denkmäler die Kolonialkriege und den Völkermord. Darüber berichtete 2009 die Zeitschrift „Der Tiroler“. In einem Interview forderte der Historiker und Angehörige des äthiopischen Kaiserhauses, Prinz Dr. Asfa Wossen Asserate, dass sich Italien seiner faschistischen Vergangenheit einschließlich des Verbrechens des Völkermordes in Äthiopien endlich stellen sollte. Das Gespräch führte der ehemalige Südtiroler Freiheitskämpfer Univ. Prof. Dr. Erhard Hartung.
Ein furchtloser Streiter für Südtirol: Richard von Helly
Vor 50 Jahren, am 22. März 1970, beendete ein schwerer Autounfall das Leben eines Mannes, der vor 100 Jahren geboren wurde und dessen Andenken heute nicht der Vergessenheit anheimfallen sollte.
1964: Wechsel in der Obmannschaft des Bergisel-Bundes OÖ
Auf Anregung des Südtiroler „Dolomiten“-Chefredakteurs Kanonikus Michael Gamper war in Österreich 1954 der „Bergisel-Bund“ als „Schutzverband für Südtirol“ ins Leben gerufen worden. In Oberösterreich hatte der hoch dekorierte oberösterreichische Kaiserschützen-Oberleutnant Otto Alteneder als Landesobmann die Leitung des Bundes übernommen.
Der Fähnrich Otto Altender hatte am 7. Juni 1915 eine der beiden Angriffsgruppen der Landesschützen geführt, die den von den Italienern verteidigten Monte Piano stürmten. Dieses Bild aus dem Erinnerungswerk „Kaiserschützen, Tiroler-Vorarlberger Landsturm und Standschützen“ (Hrsg.: Kaiserschützenbund, Wien undatiert) zeigt den Erzherzog Karl, der im September 1915 die Fronttruppen besuchte und sich dabei von Alteneder (links im Vordergrund) den Kampfverlauf schildern ließ. Anfang der 1960er Jahre, als Otto Alteneder aus Altersgründen den Vorsitz niedergelegt hatte, war dann die Obmannschaft auf den aus einer altösterreichischen Offiziersfamilie stammenden Linzer Richard von Helly übergegangen.
Eintreten für die Selbstbestimmung – Hilfe für die Südtiroler Häftlingsfamilien
Von Anfang an trat Richard von Helly öffentlich in Wort und Schrift für das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler ein.
Das „Hilfswerk für Südtirol“
Das zweite große Anliegen des Bergisel-Bund-Obmannes Richard von Helly war die finanzielle Unterstützung der in Not geratenen Südtiroler Häftlingsfamilien. Er gründete mit Unterstützung des Nordtiroler Landeshauptmann-Stellvertreters Dr. Hans Gamper ein „Hilfswerk für Südtirol“.
Der Erfolg der Spendensammlung war außerordentlich. Der Landesverband Wien-Niederösterreich hatte sich der Aktion angeschlossen. Außerdem war es gelungen, auch namhafte Tageszeitungen zu bewegen, die Spendenaufrufe zu veröffentlichen.
Eine große Aktion setzte der Chefredakteur und Herausgeber der „Kronen-Zeitung“, Hans Dichand.
Ein Vertreter des oberösterreichischen Bergisel-Bundes hatte zusammen mit dem bereits aus dem Gefängnis entlassenen Südtiroler Häftling Luis Egger den Chefredakteur und Herausgeber Hans Dichand im Pressehaus in Wien besucht und ihm die triste soziale Situation der allein gelassenen Häftlingsfamilien berichtet. Hans Dichand hatte, ohne zu zögern, den Redakteur Ernst Trost nach Südtirol geschickt und vor Ort recherchieren lassen. Das Ergebnis war eine mehrwöchige ergreifende und bedrückende Fortsetzungsserie in Form eines Bildberichtes gewesen. Redakteur Trost hatte mit Bild und Text auch ein schönes Beispiel seiner eigenen Menschlichkeit geliefert.
Hans Dichand eröffnete die Spendensammlung persönlich mit einer namhaften Spende. Und dann veröffentlichte die „Krone“ täglich die ehrenvollen Spendenlisten, die immer länger wurden und in die sich auch namhafte Personen und Firmen eintrugen. Hier zeigte sich, dass nicht nur die Nordtiroler, sondern die Österreicher in allen Bundesländern – vor allem auch in Wien – ein Herz für die in Not geratenen Südtiroler Landsleute hatten. Das Gesamtergebnis lag weit über einer Million Schilling und wurde dem Südtiroler SVP-Abgeordneten Hans Dietl übergeben.
Richard von Helly ließ auch eine Information zusammen mit einer Häftlingsliste an die Verbandsmitglieder verschicken, damit diese den Gefangenen im Kerker von Trient Unterstützungspakete senden konnten.
Unerschrockene Südtiroler Helferinnen
Rosa Gutmann (links) und Midl von Sölder (Mitte) riskierten viel, als sie die geheime Verbringung der Spendengelder nach Südtirol zur Übergabe an Hans Dietl (rechts) durchführten. Rosa Gutmann, die Schwester der inhaftierten Südtiroler Freiheitskämpfer Luis und Richard Gutmann aus Söll bei Tramin, hat zusammen mit der ehemaligen Katakombenlehrerin Midl von Sölder viele Spendengelder aus Österreich geholt. Weil es vor allem Spenden waren, welche die Bergisel-Bund-Landesverbände Oberösterreich und Wien-Niederösterreich-Burgenland gesammelt hatten, musste das Geld in Innsbruck geradezu „konspirativ“ übergeben werden. Der Bergisel-Bund galt den Italienern als „terroristische Vereinigung“ und Innsbruck war mit Spitzeln voll. Wären die Treffen bekannt geworden, wären Rosa Gutmann und Midl von Sölder wohl auch hinter Gittern gelandet. In Südtirol wurden die Gelder mit der Hilfe des SVP-Politikers Hans Dietl an die Häftlingsfamilien weitergeleitet. Die beiden Frauen übergaben in Innsbruck auch Berichte über das Los der Familien und ermöglichten es dadurch, dass in Österreich Unterstützung für die Familien organisiert werden konnte.
Richard von Helly erzwingt die Freilassung von Georg Klotz
Richard von Helly nahm sich aber auch der nach Österreich geflüchteten Südtiroler an und versuchte, ihnen nach Kräften zu helfen.
Am 27. Januar 1966 ließ die österreichische Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Josef Klaus (ÖVP), auf Ersuchen des italienischen Botschafters in Wien, über den nach Österreich geflüchteten Südtiroler Schützenmajor und Freiheitskämpfer Georg Klotz eine rechtswidrige Schubhaft verhängen. Rechtswidrig deshalb, weil in politischen Fällen gemäß der österreichischen Rechtslage eine Auslieferung und damit auch eine Schubhaft nicht zulässig war. Die Maßnahme wurde von damit begründet, daß Klotz dem deutschen Fernsehen gegenüber Erklärungen über Südtirol abgegeben und einem italienischen Journalisten ein Interview gewährt hatte.
Der in Linz in Schubhaft befindliche Freiheitskämpfer Georg Klotz teilte der Öffentlichkeit über seinen Anwalt mit, daß er sich entschlossen habe,
„zum Protest gegen die von mir sowohl widerrechtlich aus auch unwürdig empfundene Festhaltung mit 20. Februar, dem Jahrestag der Erschießung unseres Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer zu Mantua, in den Hungerstreik zu treten. Gott mit Südtirol!“
Aufgrund seines sich durch den Hungerstreik rapide verschlechternden Gesundheitszustandes mußte Georg Klotz aus dem Polizeigefangenenhaus Linz in das Spital der Barmherzigen Brüder gebracht werden, wo er den Hungerstreik fortsetzte.
Am 4. März 1966 hatte sich sein Gesundheitszustand soweit verschlechtert, dass er die Sterbesakramente erhielt.
Am 5. März 1966 demonstrierten mehrere hundert Menschen in Linz für seine Freilassung. Die Kundgebung, die von oberösterreichischen Bergisel-Bund-Obmann Richard von Helly angeführt wurde, legte den Verkehr der Innenstadt lahm. In Sprechchören wurde gefordert: „Klotz raus, Czettel rein!“ Czettel (SPÖ) war der damalige österreichische Innenminister.
Vor der Polizeidirektion wuchs die Menschenmenge auf mehr als 1.500 Personen an.
Die Kundgebung fand ein enormes Echo in der österreichischen Presse und in ganz Österreich kam es zu Protesten gegen die Vorgangsweise der Regierung in Wien. Der Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer (Tiroler ÖVP) gab öffentlich die Erklärung ab, dass er sich für die Freilassung des Freiheitskämpfers einsetzen wolle. Nun meldete sich notgedrungen auch der Bundeskanzler Dr. Klaus mit einem Telegramm, in welchem er die Freilassung ankündigte. Daraufhin brach Klotz seinen Hungerstreik ab. Die Schubhaft wurde am 14. März offiziell aufgehoben. Damit stand auch eine allfällige Auslieferung des Freiheitskämpfers an Italien nicht mehr zur Debatte.
Richard von Helly hatte sich jedoch damit den Bundeskanzler Dr. Josef Klaus (ÖVP) nicht zum Freund gemacht und sollte dies in der Folge zu spüren bekommen.
Richard von Helly würdigt den Südtiroler Freiheitskampf und zeigt die soziale Notlage vieler Südtiroler auf
Richard von Helly legte am 17. Dezember 1966 in einem vielbeachteten Artikel in der auflagenstärksten westösterreichischen Tageszeitung „Oberösterreichische Nachrichten“ bemerkenswerte Zahlen und Fakten vor: Die von dem italienischen Staat geförderte und durchgeführte Unterwanderung habe den Anteil der Italiener von 3% im Jahre 1918 auf mehr als 36% im Jahre 1960 steigen lassen. Bei den öffentlichen Stellen und weitgehend auch in der Industrie erhielten die Südtiroler keine Arbeitsplätze während die Italiener bei der Staatsbahn bereits 93% der Posten innehätten, bei der Justiz 87 %, bei der Post 79% und bei der Quästur (Polizei) 99%. Dadurch würden vor allem junge Südtiroler zur Auswanderung gezwungen.
Man schätze derzeit die in der BRD, in Österreich und in der Schweiz beschäftigten Südtiroler Jungarbeiter auf 10.000. Die italienischen Arbeiter der von Mussolini errichteten Industriezone von Bozen, die nach dem Krieg kräftig ausgebaut wurde, bewohnten 96% aller mit Steuergeldern erbauten Volkswohnungen.
Die von Italien „mit der grausamen Waffe der sozialen Benachteiligung geführte Italianisierungspolitik“ hätte bis zum Jahre 1973 rein rechnerisch eine italienische Mehrheit von 51% geschaffen, wenn „nicht etwas Unvorhergesehenes“ eingetreten wäre. „Vor diesem brutalen Hintergrund muss man nun die 1961 beginnenden Verzweiflungsaktionen sehen, seit deren Einsätzen die italienische Unterwanderung immerhin nahezu zum Erliegen gekommen ist. Von 1960 bis 1964 hat nämlich der Anteil der Italiener nur mehr um ein Zehntel Prozent zugenommen. Sosehr Italien jetzt auch weiterhin die Verhandlungen verschleppt – die Zeit arbeitet nicht mehr gegen die Südtiroler.“
Auch mit dieser Würdigung des Südtiroler Freiheitskampfes machte sich Richard von Helly keine Freunde in der österreichischen Bundesregierung.
April 1967: Südtirol-Woche des OÖ Bergisel-Bundes: Tausende Oberösterreicher fordern Selbstbestimmungsrecht für Südtirol
Zum Abschluss einer Südtirolwoche veranstaltete der Bergisel-Bund unter der Leitung seines Obmannes Richard von Helly am 29. April 1967 eine Großkundgebung in Linz. Mehr als 5.000 Menschen zogen in einem Fackelzug, in dem allein 5 Musikkapellen altösterreichische Märsche spielten, zum Platz vor dem Landhaus. Dabei wurden Transparente mitgetragen die folgende Aufschriften zeigten: „Afrika ist frei, Südtirol eine Kolonie!“, „Tirol – von Kufstein bis Salurn!“. Vor dem Landhaus wuchs die Teilnehmerzahl auf mehr als 8.000 Menschen an.
An der Kundgebung nahmen auch der Südtiroler Jörg Klotz in der Uniform eines Schützenmajors und andere führende Vertreter der Südtiroler Freiheitskämpfer teil. Vor Tausenden Menschen wurde ein Grußtelegramm des stellvertretenden Landeshauptmannes von Nordtirol, Dr. Hans Gamper (Tiroler ÖVP) verlesen. Dort hieß es: „Die natürliche Grenze Italiens verläuft bei Salurn und nicht am Brenner!“
Die Südtirolerin Rosa Ebner, Angeklagte im zweiten Mailänder Südtirol-Prozess und Schwester eines Häftlings, rief die Österreicher zu Treue für Südtirol auf und forderte ein entschiedeneres Eintreten für das Selbstbestimmungsrecht.“
Richard von Helly informiert die österreichische Bundesregierung über die Folterung von Österreichern – Bundeskanzler Dr. Klaus reagiert nicht
Anfang des Jahres 1968 erfuhr der Bergisel-Bund OÖ, dass die am 12. September 1967 in Südtirol verhafteten Österreicher Karl Schafferer und Hansjürgen Humer sowie der am 20. August 1967 verhaftete Österreicher Andreas Egger von den Carabinieri schwerstens gefoltert worden waren.
Ein Ende Januar 1968 mit der Mutter des einen Verhafteten, Frau Amalie Humer, in Innsbruck aufgenommenes Protokoll bestätigte den Tatbestand. Am 29. Februar 1968 übersandte Bergisel- Bund-Obmann Richard von Helly das Protokoll an Bundeskanzler Dr. Klaus (ÖVP) und in Ablichtung an Außenminister Kurt Waldheim (ÖVP).
Ausschnitte aus dem Brief an Bundeskanzler Dr. Josef Klaus (ÖVP) und dem beiliegenden Protokoll über die Folterung des Hansjörg Humer.In dem Begleitbrief an Bundeskanzler Dr. Klaus heißt es auch über die Folterung des Österreichers Andreas Egger: „Wie wir von Häftlingsfamilien in Südtirol erfahren konnten, wurde Egger 7 Tage lang von den Carabinieri gefoltert und verhört. Als Egger am 27. August dann in das Gefängnis eingeliefert wurde, bot er einen erbarmungswürdigen Anblick. Er war blutig zerschlagen und seine Kleider waren zerfetzt. In den ersten Tagen war Egger nicht imstande, die ihm erlaubte Stunde Spaziergang im Gefängnishof zu absolvieren. Egger mußte von Kameraden (gefangenen Südtirolern) auf einer improvisierten Tragbahre in den Hof hinuntergetragen werden, damit er überhaupt an die frische Luft kam. Weitere 10 Tage konnte sich Egger nicht fortbewegen, ohne gestützt zu werden. Egger hat mittlerweile Anzeige gegen seine Folterer erstattet und die Staatsanwaltschaft Bozen hat ihn als Antwort wegen Verleumdung geklagt. Wir haben Ihnen, sehr verehrter Herr Bundeskanzler, diese Tatsachen mitgeteilt, da wir der festen Überzeugung sind, daß Sie es nicht dulden werden, daß seitens italienischer Polizeibehörden in derartiger Weise mit unseren Staatsbürgern umgesprungen wird.“
An Außenminister Waldheim schrieb Richard von Helly: „Wir setzen unser ganzen Vertrauen in Sie, Herr Minister, daß Österreich nicht eigene Staatsbürger ohne ein Wort des Protestes den grausamsten Foltermethoden ausgesetzt sein lässt.“
Wien schwieg jedoch und duldete die Folterung eigener Staatsbürger. Weder der Bundeskanzler noch der Außenminister hatten den Anstand, zu antworteten. Sie bestätigten nicht einmal den Erhalt der ihnen übermittelten Unterlagen.
Es erfolgte kein Protest gegenüber Italien. Weder an Frau Humer, noch an die in Lienz lebende Mutter von Egger trat irgendeine österreichische Dienststelle heran, um die Mitteilungen des Bergisel-Bundes zu verifizieren.
Die Revanche der Bundesregierung wurde zum Eigentor
Auf die Folterungen österreichischer Staatsbürger hinaus hatte die allerchristlichste und Rom sehr ergebene österreichische Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Josef Klaus (ÖVP) nicht im Geringsten reagiert. Sehr wohl aber reagierte sie zum passenden Zeitpunkt gegenüber dem in der Südtirol-Frage so lästigen Bergisel-Bund-Obmann Richard von Helly.
Eine Gruppe von Südtirol-Freunden hatte in Feldkirch (Vorarlberg) eine Kundgebung für die Freilassung der beiden nach Österreich geflüchteten Südtiroler Freiheitskämpfer Sepp Forer und Heinrich Oberlechner geplant. Diese wurden in Feldkirch auf Wunsch Roms und auf Geheiß der österreichischen Bundesregierung in rechtswidriger Auslieferungshaft gehalten. Nach der österreichischen Rechtsordnung war allerdings in politischen Fällen eine Auslieferung nicht möglich.
Auf Wunsch der Vorarlberger Freunde wollte der oberösterreichische Bergisel-Bund-Obmann Richard von Helly zusammen mit einigen Freunden nach Vorarlberg fahren, um an der dortigen Demonstration teilzunehmen.
Am 11. Mai 1968 nahm die Staatspolizei auf Weisung des Innenministeriums in Linz den Obmann des Bergisel-Bundes Ing. Richard Helly und vier seiner Mitarbeiter unter dem Vorwand fest, diese hätten eine gewaltsame Befreiung der in Vorarlberg inhaftierten Südtiroler aus dem Gefängnis in Feldkirch geplant gehabt. Auch der Öffentlichkeit wurde dies weisgemacht. Entsprechend war das Presseecho.
Am 13. Mai 1968 berichteten die „Oberösterreichischen Nachrichten“ über die Verhaftung des Bergisel-Bund-Obmannes Richard von Helly und gaben in der Überschrift den absurden Vorwurf der Staatspolizei wieder.Die Anschuldigung war so lächerlich, dass das Landesgericht in Linz bereits nach wenigen Tagen wieder die Entlassung verfügte. Die Staatspolizei hatte keine Beweise für ihre Behauptung beibringen können. Das Verfahren wurde still und leise eingestellt.
Mit ihrer Revanche gegen den lästigen Richard von Helly hatte sich die Wiener Bundesregierung ein Eigentor geschossen. Angesichts der medialen Aufmerksamkeit mussten auch die beiden rechtswidrig inhaftierten Südtiroler enthaftet werden. Auch der Tiroler Landeshauptmann Wallnöfer hatte nun öffentlich ihre Freilassung gefordert. Die Verhaftungen, die Proteste und die Zeitungs- und Fernsehberichte hatten einen so großen Wirbel in der Öffentlichkeit ausgelöst, daß an eine schnelle rechtswidrige Auslieferung der beiden Südtiroler an Italien nicht mehr zu denken gewesen war.
Richard von Helly hatte sich nicht einschüchtern lassen
Richard von Helly hatte damals die Vorgangsweise der Staatspolizei mit Gelassenheit und Ironie hingenommen. Er setzte seine karitative und politische Tätigkeit für Südtirol ungebrochen fort. Ihn hatte die Rom-hörige Bundesregierung unter dem Kanzler Dr. Josef Klaus (ÖVP) durch eine solche Vorgangsweise nicht einschüchtern können.
Am 22. März 1970 setzte ein schwerer Autounfall seinem Leben ein Ende.
Seine Freunde, die ihn näher gekannt haben, gedenken dieses selbstlosen Idealisten heute noch in Trauer!
Abschied von Winfried Matuella
Dankbare Erinnerung an einen selbstlosen Patrioten:
Winfried Matuella, ehemaliger Obmann des Andreas Hofer-Bundes Tirol
An dem Begräbnis von Winfried Matuella am 29. Februar 2020 in Hötting-Innsbruck nahm der Herausgeber des SID, Georg Dattenböck, teil.
Dattenböck berichtet:
Im Befreiungskrieg von 1809 war Hötting schwer umkämpft und war bis zum Jahre 1938 eine selbständige und auch die größte Flächengemeinde Österreichs. Seit 1938 ist nun Hötting der nördliche Stadtteil von Innsbruck. An der Außenmauer der gotischen Pfarrkirche, die erstmals 1286 urkundlich erwähnt wurde, fand nun der unermüdliche christliche Kämpfer für das Menschenrecht und für die Einheit Tirols, der ehemalige Obmann und Ehrenobmann des Andreas Hofer-Bundes für Tirol, Ing. Winfried Matuella, seine letzte Ruhestätte. Um 11 Uhr am 29. Februar 2020, begannen die Glocken Alt-Höttings zu läuten.
Von weither kamen die vielen Trauernden angereist: eine Abordnung der „Unabhängigen Schützenkompanie Major Giuseppe de Debetta“ aus Trient, Schützen aus der Valsugana, die „Sängervereinigung Wolkensteiner“ aus dem Grödnertal, die zu Ehren Matuellas in der Kirche herrlich auch in ladinischer Sprache sang, sowie politische Vertreter aus Südtirol: Eva und Barbara Klotz, Sven Knoll, Bernhard Zimmerhofer, Roland Lang, Meinrad Berger u.v.a. Weggefährten.
Der neue Südtirol-Sprecher der FPÖ im Nationalrat, Peter Wurm und der Ex-Nationalratsabgeordnete und Südtirol-Sprecher Werner Neubauer waren ebenfalls gekommen. Fahnenabordnungen der für Gesamttirol stehenden „Alt Tyroler Schützen“ und viele weitere Freunde und Weggefährten aus Österreich, aus Bayern eine Abordnung des „Andreas-Hofer-Bundes“ mit dem Obmann Hermann Unterkircher, sowie eine Fahnenabordnung der Gruppe Saar-Pfalz, begleiteten den Pfarrer Hermann Röck von Hötting und die trauernde Familie Matuella zum Grab.
Am 15.8.2019 war Ing. Winfried Matuella von den Landeshauptmännern Arno Kompatscher und Günter Platter die „Goldene Verdienstmedaille des Landes Tirol“ feierlich überreicht worden.
Verständnislos und betroffen mussten alle Freunde des Toten zur Kenntnis nehmen, daß kein Vertreter des offiziellen Süd- und Nord-Tirols und auch der „Österreichischen Volkspartei“, der Matuella Jahrzehnte lang angehört hatte, zum Abschiednehmen die Zeit fanden.
Ehrender Nachruf von Hermann Unterkircher,
Bundesvorsitzender Andreas Hofer Bund e.V. Deutschland
Unter großer Anteilnahme wurde der Ehrenobmann und Träger des Tiroler Verdienstordens Ing. Winfried Matuella im Höttinger Friedhof zu Grabe getragen.
Zahlreiche Politiker, unter anderem von der „Südtiroler Freiheit“ Sven Knoll vom Südtiroler Landtag, Peter Wurm, Südtirolsprecher der FPÖ und Nationalratsabgeordneter vom österreichischen Parlament, Nationalrat a.D. Werner Neubauer, Obmann Roland Lang und Vizeobmann Meinrad Berger vom Südtiroler Heimatbund, Frau Dr. Eva Klotz, ehemalige Abgeordnete vom Südtiroler Landtag, Oberst a.D. Dr. Peter Aumüller, und Bernhard Zimmerhofer begleiteten den lieben Verstorbenen auf seinen letzten Weg.
Dr. Herlinde Molling, ehemalige Freiheitskämpferin, Georg Dattenböck vom Forum „Tiroler Informationsdienst“ und auch Barbara Klotz, die Geschäftsführerin der „Südtiroler Freiheit und der Landeskommandant der Welschtiroler Schützen, Enzo Cestari, ließen es sich nicht nehmen, sich zu den Trauergästen einzureihen.
Familienmitglieder, Vereinsvorstände und Freunde, Fahnenabordnungen und Bekannte begleiteten ihn auf seinem letzten Weg. Sieghard Matuella, der Bruder des Verstorbenen, verlas in der vollbesetzten alten Höttinger Kirche einen Abriss seines Lebens. Anschließend hielt Pfarrer Hermann Röck den Trauergottesdienst. Musikalisch umrahmt vom Männerchor Sängervereinigung „Die Wolkensteiner“.
Bei der Aussegnung am Familiengrab, intonierte die Sängervereinigung den „Guten Kameraden“ und die Tiroler Landeshymne, bevor 3 Schützen der Schützenkompanie „Major Guiseppe de Betta“ aus Trient eine Ehrensalve schossen.
Nachdem die Fahnenabordnungen vom AHB Tirol, AHB e.V. Deutschland, Schützenkompanie „Alt Tyroler Schützen Andreas Hofer“ und die Schützenkompanie Major Guiseppe de Betta Trient zur Ehrerbietung die Fahnen über den Sarg senkten, würdigte der Obmann des AHB Tirol Alois Wechselberger den Verstorbenen als Tiroler Patrioten, als Kenner der Geschichte Südtirols, über die Tätigkeit im und für den AHB Tirol, und vorbildlichen Obmann, dessen schwere Aufgabe er letztes Jahr gerne übernommen hat und im Sinne des Verstorbenen weiterführen wird.
Der Bundesvorsitzende des AHB e.V. Deutschland Hermann Unterkircher machte einen kurzen Abriss über die hervorragende Zusammenarbeit der beiden Bünde, hob die hohe Kenntnis der Lage in Südtirol hervor und berichtete über die gemeinsamen Besuche im österreichischen Parlament in Wien, im Rathaus Linz mit Nationalrat Werner Neubauer und an den verschiedenen Versammlungen und Schützentreffen.
Nach der Kranzniederlegung und einen Marienlied, gesungen von der Sängervereinigung „Die Wolkensteiner“, beendete Pfarrer Hermann Röck mit dem Segen die ergreifende Trauerfeier.
Möge er ruhen in Frieden.
Ehrender Nachruf von Roland Lang,
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)
Am 16. Februar ist der Ehrenobmann des Andreas Hofer Bundes für Tirol, Winfried Matuella nach längerer Krankheit verstorben. Zeit seines Lebens setzte sich der Innsbrucker für die Tiroler Landeseinheit ein und arbeitete dazu eng mit den patriotischen Kräften im südlichen Tirol zusammen, so Heimatbund-Obmann Roland Lang.
Nach der Pflichtschule besuchte Matuella in seiner Vaterstadt die fünfjährige Höhere Technische Lehranstalt, Abteilung Hochbau. Nach dem Militärdienst, zu dem er im Oktober 1956 einberufen wurde, bildete er sich ab Jänner 1962 ein Vierteljahrhundert lang beim Bundesheer (Grenzschutzkompanie Süd) weiter.
Beruflich hatte Matuella längst schon Fuß gefasst und war als Bauleiter im Hoch-, Tief- und Tunnelbau bei verschiedenen Auftraggebern und -nehmern tätig.
Der überzeugte Tiroler war seit dem 7. Februar 2003 beim Andreas-Hofer-Bund Tirol aktiv. Durch seine Gewissenhaftigkeit konnte er dort sein Wissen als stellvertretender Schriftführer und später als Schriftführer einsetzen. Im April 2010 wurde er zum Geschäftsführer ernannt, ehe er im 15. Oktober 2012 die Obmannschaft übernahm. Im Jahre 2019 gab er diese an Alois Wechselberger ab und wurde daraufhin zum Ehrenobmann des Andreas Hofer Bundes ernannt.
Als einer der Höhepunkt seiner fast eineinhalb Jahrzehnte langen Tätigkeit für den Andreas-Hofer-Bund Tirol kann die Teilnahme am Tiroler Landesfestumzug 2009 angesehen werden. Das Motto „Geschichte trifft Zukunft“ kann richtungsweisend sein, wenn eines Tages Tirol wieder vereint wird und damit vielleicht der Herzenswunsch des Verstorbenen in Erfüllung geht.
Im Jahre 2019 wurde Matuella für seinen selbstlosen Einsatz für die Heimat mit der Verdienstmedaille des Landes Tirol geehrt. Nicht vergessen werden darf auch die Mitarbeit des Verstorbenen beim Aufbau der Ausstellung BAS- Opfer für die Freiheit, für die er einige Jahre auch verantwortlich war.
Der Südtiroler Heimatbund nimmt aufrichtig Anteil am Schmerz der Familienangehörigen, den diese durch den Tod von Winfried erlitten haben. Möge sein Einsatz für die Stärkung der Tiroler Identität und Kultur reife Früchte tragen!
Die Abschiedsrede im Namen der Familie hielt der Bruder des Verstorbenen, Sieghard Matuella
Liebe Rita, liebe Verena, liebe Uli und lieber Roland!
Liebe trauernde Enkelkinder und liebe Familie!
Geschätzte in Trauer versammelte Freunde aus allen Teilen Tirols!
Als ich meinen Bruder Winfried zum letzten Mal besuchte, haben wir, wie könnte es anders sein, auch über einen Mann gesprochen, dessen Leben und Wirken er wie kaum ein anderer kannte und über den er in seinen unzähligen Sandwirtsbriefen begeistert und überzeugend berichtet hat, über Andreas Hofer.
Dessen letzten Brief aus Mantua, dieses ergreifende Zeugnis eines dem Tod Geweihten, konnte er fast zur Gänze auswendig zitieren, auch den letzten Satz: „Ade, meine schnöde Welt, so leicht kommt mir das Sterben vor, dass mir nicht die Augen nass werden“. Ich hatte das Gefühl. Winfried wusste um seinen nahen Tod, er hat ihm gefasst ins Auge gesehen und gläubig, so wie Andreas Hofer im gleichen Brief schreibt, wohl auch gedacht: „In der Welt lebet alle wohl, bis wir im Himmel zusammenkommen“.
Wir haben uns heute in dieser schönen Alten Höttinger Kirche, die so viele Verbindungen zu unserer Familie birgt, versammelt, um von Winfried Abschied zu nehmen. Dabei gehen unsere Gedanken zurück auf sein reiches, erfülltes und buntes Leben mit allen seinen Höhen und Tiefen.
Seine Tochter Uli hat es aufgezeichnet und mich als Bruder und Chronist der Familie gebeten, es zu ergänzen und hier vorzutragen.
Winfried Karl Adolf wurde als zweites von vier Kindern von Alfred und Herta Matuella am 19. Februar 1937 in Innsbruck geboren. Sein zweiter und dritter Vorname weisen auf seine Großväter Karl Matuella und Adolf Giersig hin.
Seine Verbundenheit mit Südtirol wurde ihm wohl schon in die Wiege gelegt. Unsere Vorfahren stammen aus dem Bozner Unterland, wo Urgroßvater Simon Mesner in Vill bei Neumarkt und Zimmermann war und Großvater Karl seinen Dienst bei der Post in Bozen begann und dort ein Standardwerk für den Postdienst, das zweisprachige Postlexikon für Tirol, Vorarlberg und Liechtenstein verfasste.
Als die ersten Bomben auf Innsbruck fielen, zog die Familie nach Umhausen im Ötztal und Winfried besuchte dort die ersten zwei Klassen der Volksschule.
Einmal bin ich dort als vierjähriger Knirps leichtsinnig in einen Bach gerodelt – aber mein großer Bruder hatte aufgepasst und hat mich beherzt aus dem kalten Wasser gezogen. Danke Winni, eine Lebensrettungsmedaille hat es damals noch nicht gegeben.
Zurück in Innsbruck setzte er seinen Bildungsweg an der Volksschule Mariahilf, an der Hauptschule Hötting und an der Höheren Technischen Lehranstalt für Bauwesen in der Anichstraße fort. Als Praktikant im Architekturbüro unseres Vaters wirkte er an der Umgestaltung des Sandhofes zu einem Andreas-Hofer-Museum und an der Renovierung der Andreas-Hofer-Kapelle beim Sandhof in St. Leonhard im Passeier mit.
Unbeschwerte Ferienwochen durften wir bei Freunden unseres Vaters am Ritten verbringen. Dass wir dafür eine Zeit lang um ein Visum im italienischen Konsulat ansuchen mussten und dass es am Ritten auch in den 50er Jahren noch hitzige Debatten zwischen den Optanten und den Dableibern gab, hat uns schon als Kinder und Jugendliche mit der Südtirol Problematik hautnah vertraut gemacht.
In Innsbruck war er ein aktives Mitglied der Pfarre Mariahilf Er war Ministrant, spielte Theater, war Gruppenführer in der katholischen Jugend und stieg bis zum Dekanatsführer- Stellvertreter auf.
Während dieser Zeit in Mariahilf entstanden Freundschaften, die ein Leben lang hielten und viel Geselligkeit mit sich brachten. Ein fixer Bestandteil war der alljährliche Maiausflug nach Südtirol, den Winfried organisierte und mit seinem reichen Wissen über das Land bereicherte. So war für das geistige aber auch das körperliche Wohl immer bestens gesorgt.
Am 14 Oktober 1955 rückte er zum Militärdienst beim wiederhergestellten Österreichischen Bundesheer ein. Sein Jahrgang 1937 war der erste, der gemäß der allgemeinen Wehrpflicht eingezogen wurde. Winfried diente freiwillig 15 Monate und rüstete als Zugsführer ab. In der Folge wurde er wieder zur neu gegründeten „Grenzschutzkompanie Süd“ gerufen und mußte bis zu seinem 52sten Lebensjahr jährlich 8 Tage als Kommandant eines der 4 Züge fungieren
In dieser Zeit lernte er auch seine spätere Frau Rita Widmoser kennen und lieben, sie verlobten sich im September 1960 und heirateten am 19. August 1961 in der Mariahilfer Kirche. Früchte dieser Verbindung waren die zwei Töchter Verena 1964 und Ulrike 1973. …
Als fürsorglicher Vater und Großvater verfolgte er die Familiengründungen seiner Töchter und die Geburt und den Werdegang seiner Enkelkinder mit wärmsten Interesse, es sind, so wie bei ihm, alles Mädchen: 1994 Julia, 1996 Lisa, 1999 Sophie und 2007 Viktoria.
Beruflich blieb er dem Erlernten immer treu, er arbeitete als umsichtiger Bauleiter bei namhaften Tiroler Firmen im Hoch- und Tiefbau und versuchte sich auch als selbständiger Unternehmer in baulichen Fachgebieten und später im Immobilien-Geschäft seiner Frau Rita. Im Jahr 2002 trat er mit 65 Jahren in den Ruhestand.
Neben seinem Beruf erfüllte er viele ehrenamtliche Funktionen in Politik und Gesellschaft. Er war „Alter Herr“ bei der Akademisch Musischen Verbindung in Innsbruck und investierte viel Arbeit in den Ausbau deren Heimstätte in der Kirschentalgasse. Weiters war er Mitglied der Österreichischen Volkspartei, der Arbeitsgruppe für Selbstbestimmung in Bozen, des Südtiroler Heimatbundes und der Gesamt Tiroler Bewegung Südtiroler Freiheit.
Im Jahre 2003 trat er dem Andreas Hofer Bund bei; wirkte zunächst als Schriftführer und übernahm im Oktober 2012 das Amt des Obmannes. Diese seine Tätigkeit wird nach dem Gottesdienst von berufener Seite noch gewürdigt werden.
Im Dezember 2018 änderte sich schlagartig alles, Winfried bekam die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs. Es folgte ein längerer Klinikaufenthalt mit Chemotherapie, sie musste wegen eines Infektes abgebrochen werden. Er wurde in die häusliche Pflege entlassen und man sprach nur noch von Wochen an verbleibender Lebenszeit.
Aber da zeigte sich Winfried als Kämpfer und gab nichts auf diese Prognosen. … Er begann seine Beine zu trainieren und schon bald konnte er sich ohne Gehhilfe wieder durch die Wohnung bewegen.
Körperlich stärker und begleitetet von seinen beiden Töchtern konnte er am Hohen Frauentag 2019 aus den Händen beider Landeshauptleute im Landhaus die ihm verliehene Verdienstmedaille des Landes Tirol entgegennehmen. Sicherlich ein Höhepunkt in seinem Leben.
Es folgten vier gute Monate, in denen er schmerzfrei und gut umsorgt von seiner Frau Rita und seiner Tochter Uli, unterstützt vom Netzwerk Tirol und vom Mobilen Hospizteam, den Alltag genießen konnte. Zu Weihnachten schmückte er noch wie gewohnt den großen Christbaum, stellte die Krippe auf und las das Weihnachtsevangelium vor.
Das neue Jahr brachte leider wieder eine Verschlechterung seines Zustandes und die wiedergewonnene Kraft schwand erschreckend schnell. In seiner letzten Woche hatte man den Eindruck, dass sein Geist bereit war zu gehen, in seinem Körper aber noch zu viel Leben steckte.
Am 16. Februar konnte er dann friedlich im Beisein seiner Frau eingeschlafen.
Winfried konnte das Leben genießen. Er haderte nicht mit Dingen, die ihm nicht mehr möglich waren, sondern er freute sich über alles, was er wieder schaffte. Die Krankheit hat auch nie seinen Geist gebrochen, er war bis zum Schluss klar und bei vollem Verstand und behielt allen Problemen zum Trotz seinen Humor.
Seine Fürsorge, Hilfsbereitschaft und Tatkraft, seine Geselligkeit und Menschlichkeit, sein Patriotismus und sein geschichtliches Wissen, seine bemerkenswerte Rhetorik und sein kluges Taktieren bleiben unvergesslich.
Jeder von uns hat seine eigene Erinnerung an unseren lieben Verstorbenen.
Betet für ihn und bewahrt ihn in euren Herzen!
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Schließen wir dieses Gedenken mit einigen Worten, die Winfried Matuella am 22. November 2014 auf der Jahreshauptversammlung der „Europa-Union Tirol“ in Brixen sprach:
„Keine Macht der Erde kann einem Volk das Menschenrecht der Selbstbestimmung, darüber wohin es gehören möchte, auf die Dauer vorenthalten, auch Italien und schon gar nicht die SVP den Südtirolern, aber wollen und verlangen muss man dieses Recht.
Zugegeben, einiges mag wie ein Traum bzw. wie eine Vision erscheinen. Aber Träume und Visionen kann man, wenn man den nötigen Willen und die nötige Kraft dazu besitzt, verwirklichen.“
Unter diesem Titel veröffentlichte das Internet-Nachrichtenportal „unser Tirol 24“ am 12. Februar 2020 einen Bericht über die Buchvorstellung des Historikers Dr. Helmut Golowitsch über sein neues zeitgeschichtliches Werk „SÜDTIROL – OPFER POLITISCHER ERPRESSUNG“.
Mit einem Vorwort von SVP-Landesrat a.D. Dr. Bruno Hosp!
Die Präsentation hatte am 8. Februar 2020 auf Einladung des Andreas-Hofer-Bundes Tirol und des Südtiroler Heimatbundes unter der Schirmherrschaft von AHBT-Ehrenobmann Ing. Winfried Matuella im Hotel Sailer in Innsbruck stattgefunden.
Nachstehend nun der Bericht von „unser Tirol 24“:
„Man muss die italienische Mentalität kennen, wenn man mit Italien verhandeln will! Gibt man zu schnell nach, glauben die italienischen Verhandlungspartner, sie wären übers Ohr gehauen worden und fordern weitere Zugeständnisse.“ Dr. Helmut Golowitsch ließ bei der Vorstellung seines jüngsten Werkes „Südtirol – Opfer politischer Erpressung“ im Hotel Sailer in Innsbruck keinen Zweifel: Österreich ließ sich in Sachen Südtirol oft über den Tisch ziehen. Und im Angesicht der unverbrüchlichen Freundschaft zwischen der ÖVP und der einstigen Democrazia Cristiana (DC) nahm man dies viel zu oft sogar gerne in Kauf.
Eine besondere Rolle in den unrühmlichen Südtirol-Verhandlungen nach dem Zweiten Weltkrieg spielte der aus Wien stammende Kartonagenfabrikant Rudolf Moser. Ansässig im kärntnerischen Sachsenburg, war der einstige Gauführer der Ostmärkischen Sturmscharen zum Vertrauensmann der ÖVP avanciert. Er war es, der unter anderem dem italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi bereits frühzeitig signalisierte: Die österreichische Forderung nach Rückgabe Südtirols sei nicht ernst zu nehmen – mit einer wie auch immer gearteten Autonomie könne man die Verhandlungspartner zufriedenstellen. Golowitsch beweist mit seinem Buch unter anderem, dass die die Übergabe der 155.000 Südtiroler Unterschriften für die Rückkehr Südtirols zu Österreich an Bundeskanzler Leopold Figl lediglich eine gut inszenierte PR-Aktion war.
Dass die Würfel diesbezüglich bereits gefallen waren, belegt Golowitsch anhand der Auswertung einer Reihe von hochbrisanten Unterlagen, die dem Autor durch Zufall in die Hände gefallen waren. Sie stammen aus dem direkten privaten Nachlass des damaligen Unterhändlers Rudolph Moser und geben einen tiefen Einblick in die diplomatischen Vorgänge der damaligen Zeit.
Golowitsch betonte, dass nicht alle ÖVP-Politiker Südtirol verraten hätten. Aber auch die nachmalige Regierung Josef Klaus spielte in Sachen Südtirol eine denkbar unrühmliche Rolle. Das Südtirol-Problem sollte so schnell als möglich vom Tisch. Italien hatte spätestens 1969 von Österreich nachhaltige Maßnahmen gegen die Südtiroler Freiheitskämpfer gefordert – unter anderem eine Änderung der österreichischen Rechtsordnung, Vorbeugehaft gegen Südtirolaktivisten und das Verbot weiterer Pro-Südtirol-Kundgebungen.
Da dies alles eng mit der italienischen Zustimmung für einen österreichischen Beitritt zur EWG verknüpft war, waren im Besonderen die Regierung Klaus und darin Staatssekretär Franz Hetzenauer (ÖVP) bemüht, diesen Forderungen uneingeschränkt und auf Kosten Südtirols nachzukommen. Wie sehr man vor einer Aufdeckung dieser schmutzigen Vorgangsweise auf österreichischer Seite und dem damit aufkommenden Druck aus der Bevölkerung Angst hatte, legt Golowitsch in seinem Werk ebenso dar.
Die Zeitzeugen am Podium bestätigten mit ihren persönlichen Erfahrungen die Erkenntnisse Golowitschs. Unter anderen bereicherten Oberst Dr. Hubert Speckner und der Südtirolaktivist Egon Kufner mit ihren Ausführungen zum Fall Porzescharte den Abend. Langjährigen Protagonisten spannten den Bogen indes bis in die heutige Zeit, darunter Eva Klotz, Bruno Hosp und Franz Pahl. Letzterer meinte abschließend: Die SVP hat in entscheidenden Phasen der Südtiroler Geschichte nicht nur, aber doch auch versagt.
Dr. Golowitschs Werk „Südtirol – Opfer politischer Erpressung“ wurde durch den ehemaligen Österreich-Korrespondenten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) und heutigen Historiker und Publizisten Prof. Dr. Reinhard Olt rezensiert.
Soweit der Bericht von „Unser Tirol“.
Die Einführungsrede von Prof. Dr. Reinhard Olt
Die Einführungsrede hatte Prof. Dr. Reinhard Olt, ehemaliger Österreich-Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und heutiger Historiker und Publizist, gehalten. Er sagte unter anderem:
„Ob unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich die Chance für das in vielfachen eindrücklichen Willensbekundungen der Bevölkerung zum Ausdruck gebrachte Verlangen nach Wiedervereinigung des 1918/19 geteilten Tirols bestand, ist umstritten. Allem Anschein nach fügte sich der österreichische Außenminister Karl Gruber 1946 in Paris (Abkommen vom 5. September) ebenso seinem italienischen Gegenüber Alcide De Gasperi wie den drängenden Siegermächten. Es waren jedoch nicht allein die damaligen Unzulänglichkeiten, die schließlich ein anderes als das von den (Süd-)Tirolern erhoffte Ergebnis zeitigten. Die abgeschlossene, aus drei voluminösen Bänden bestehende Dokumentation Helmut Golowitschs zeigt, dass auch hinter den Kulissen Akteure emsig und weitgehend inkognito am Geschehen beteiligt waren.
So übte der Kärntner Unternehmer Rudolf Moser, enger Freund Kanzler Leopold Figls, einen fatalen Einfluss aus. Der absolut diskret agierende Moser eignete sich mit seinen vielfältigen Italien-Beziehungen nach 1945 geradezu ideal für die Aufnahme, Pflege und Aufrechterhaltung einer trotz Südtirol-Unbill dennoch äußerst belastbaren Verbindung zwischen ÖVP und Democrazia Cristiana (DC), die sich weltanschaulich ohnedies nahestanden. Dazu passte, dass er sich der Rolle des (partei)politischen Postillons und verdeckt arbeitenden Unterhändlers mit geradezu missionarischem Eifer hingab. Während nämlich die österreichische Bundesregierung offiziell – besonders Kanzler Figl – die Selbstbestimmungslösung mittels Volksabstimmung verlangte, was Außenminister Gruber gegenüber den Siegermächten und dem Vertreter Italiens in Paris bis dahin einigermaßen aufrecht erhalten hatte, wurde Rom auf der Ebene parteipolitischer Beziehungen via Moser vertraulich darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich Wien gegebenenfalls auch mit einer Autonomielösung anstelle eines Plebiszits einverstanden erklären könne.
Dieses widersprüchliche politische Gebaren sollte sich, wie Golowitsch zeigt, bis in die für das österreichisch-italienische Verhältnis äußerst schwierigen 1960er Jahre fortsetzen, unter der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus ihren Kulminationspunkt erreichen und darüber hinaus gleichsam eine politische Konstante bilden, der in aller Regel die beanspruchte Schutz(macht)funktion Österreichs für Südtirol untergeordnet worden ist. Allen damals führenden ÖVP-Granden stand Moser als emsig bemühtes, lautlos wirkendes Faktotum zur Seite. Sein Engagement ging so weit, dass er sich nicht scheute, daran mitzuwirken, hinter dem Rücken des damaligen Außenministers Bruno Kreisky (SPÖ) sozusagen „christdemokratische Geheimdiplomatie“ zu betreiben. Während des gesamten Zeitraums, für die Golowitschs Dokumentation steht, agierten ÖVP-Kanzler und ÖVP-Parteiführung unter gänzlichem Umgehen der dem südlichen Landesteil naturgemäß zugetanen Tiroler ÖVP. Der legendäre Landeshauptmann Eduard Wallnöfer zog deshalb ernsthaft eine „Unabhängige Tiroler Volkspartei“ nach CSU-Muster in Bayern in Erwägung.
Ging es Golowitsch in Band 1 („Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“) darum, aufzuzeigen wie es Rom gewissermaßen unter Mithilfe aus Wien ermöglicht wurde, die betrügerische Scheinautonomie von 1948 zu verfügen und wie das „demokratische Italien“ unter Führung der DC skrupellos die faschistische Politik der Entnationalisierung der Südtiroler fortsetzte, so steht in den Bänden 2 ( „Südtirol – Opfer geheimer Parteipolitik“) und 3 („Südtirol – Opfer politischer Erpressung“ ) das geheime Zusammenspiel zwischen ÖVP und DC sozusagen en Detail im Mittelpunkt. Dies insbesondere während der für den hauptsächlich vom „Befreiungsausschuß Südtirol“ (BAS) mit anderen als „nur“ politischen Mitteln von Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre und gelegentlich darüber hinaus getragenen Freiheitskampf. Hierin zeigt Golowitsch Punkt für Punkt die – ja, man muss es in aller Deutlichkeit vermerken – Ergebenheitspolitik der ÖVP(-geführten respektive Allein-)Regierung(en) gegenüber Italien anhand getroffener geheimer Absprachen zwischen ÖVP- und DC-Politikern auf.
Dies zeigte sich insbesondere zufolge des sogenannten „Porzescharten-Attentats“, bei dem angeblich vier italienische Militärs zu Tode gekommen sein sollen. Aufgrund überzeugender Archivstudien und Analysen des (Militär-)Historikers Hubert Speckner sowie dreier Gutachten öffentlich bestellter und vereidigter Spreng(mittel)sachverständiger besteht indes heute kein ernstzunehmender Zweifel mehr daran, dass die offizielle Geschehensdarstellung für dieses „Attentat, das keines war“, wie ich es stets nenne, als Konstrukt italienischer Dienste gelten muss. Golowitsch breitet Speckners Erkenntnisse in seiner eingängigen Dokumentation noch einmal minutiös und detailreich vor uns aus.
Was folgt aus all dem? Der BAS hat 1967 auf der Porzescharte kein Attentat verübt. Die dafür verantwortlich gemachten Personen (Prof. Dr. med. Erhard Hartung, Egon Kufner sowie der bereits verstorbene Peter Kienesberger) sind in dieser Sache zu Unrecht verfolgt und von Italien zu gewissenlosen Terroristen gestempelt worden. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Geschehen, das sich offenkundig anders denn offiziell dargestellt abspielte, wäre es an der Zeit, das florentinische Schandurteil aus der Welt zu schaffen, mit denen sie gänzlich wahrheits- und rechtswidrig für eine offenkundig nicht begangene Tat verurteilt und damit zu blutrünstigen Mördern gestempelt worden sind. Es versteht sich daher eigentlich von selbst, dass die trotz Freispruchs (in Österreich) nach wie vor mit dem Makel der Täterschaft behafteten und in ihrer persönlichen (Reise-)Freiheit eingeschränkten Personen endlich offiziell und überdies öffentlich vernehmlich zu rehabilitieren sind.
Doch mehrere aus der FPÖ-Nationalratsfraktion heraus an den damaligen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sowie den vormaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer gerichtete Versuche erwiesen sich als ergebnislos. Fischer verwies die „Betroffenen“, deren Taten – seien sie bewiesen oder unbewiesen; seien sie begangen oder nichtbegangen; seien sie von BAS-Aktivisten verübt oder diesen durch italienische Manipulationen unterschoben worden – bereits ein halbes Jahrhundert und länger zurückliegen, darauf, sie sollten doch bitteschön Gnadengesuche einreichen. Mit Verlaub – das ist Chuzpe, wie mein jüdischer Freund, der Hitoriker Michael Wolffsohn sagen würde. Die zu Unrecht beschuldigten und zudem menschenrechtswidrig – wie österreichische und deutsche Höchstgerichte feststellten – in Florenz Verurteilten der „Causa Porzescharte“ wären doch von allen guten Geistern verlassen, so sie um Gnade bettelten für eine Tat, die sie nicht begangen haben. Dass indes maßgebliche Organe der Republik Österreich, die sich damals schon hasenfüßig und Italien gegenüber unterwürfig verhielten, auch mehr als 50 Jahre danach noch ihrer Fürsorgepflicht für zwei ihrer jahrelang politisch und justitiell verfolgten Staatsbürger (offenkundig) nicht nachkommen (wollen), darf man mit Fug und Recht eine Schande nennen.
Unschöne Vorgehensweisen stehen im Zentrum von Helmut Golowitschs Dokumentation zur Südtiroler Zeitgeschichte, welche den Maximen von Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtet ist. Seine Tatsachenschilderung und Beschreibung der Zusammenhänge in einer quellengesättigten, dreibändigen historisch-politischen Darstellung führt zu einer notwendigen vertieften, korrigierenden Sicht auf die österreichische Südtirolpolitik, der weite Verbreitung zu wünschen ist.“
Die Podiumsdiskussion
Dr. Franz Pahl
In der Podiumsdiskussion erklärte der Zeitzeuge, ehemalige SVP-Landesjugendsekretär, Landtags- und Regionalratsabgeordneter und Präsident des Regionalrats Trentino-Südtirol, Dr. Franz Pahl, Folgendes:
„Der Autor Dr. Helmut Golowitsch hat mit seinem Werk „Südtirol, Opfer politischer Erpressung“ erneut ein außerordentlich tiefschürfendes Werk wissenschaftlicher Unbestechlichkeit vorgelegt. Wieder ist es sein großes Verdienst, für die Erforschung der Südtirolpolitik in ihrem Zusammenhang mit der österreichischen Staatspolitik, viele bisher in der Forschung nicht bekannte Dokumente auszuwerten, die andere Historiker, oft aus ideologischen Vorbehalten oder akademischer Ängstlichkeit, außer Acht ließen oder gar nicht sehen wollten, obwohl sehr viele davon im Tiroler Landesarchiv und im österreichischen Staatsarchiv zur Verfügung stünden.
Der Autor zeichnet detailliert nach, wie sich der nationalistisch-faschistische Geist in der italienischen Nachkriegspolitik gegenüber Südtirol weiter austobte und in einer Repression ohnegleichen fortsetzte. Mit gutem Grund macht er deutlich, wie fatal sich die österreichische Haltung der unterwürfigen Nachgiebigkeit zu Lasten der Südtiroler auswirkte.
Auf der italienischen Seite blieb die Grundlage des faschistischen Denkens trotz offizieller Ablehnung des Faschismus lebendig. Das „Manifesto della Razza“, das Rassemanifest des Faschismus, das namhafte italienische Wissenschaftler unterzeichneten, blieb als Denkvorstellung erhalten. Im Manifest war die „razza italiana“, die „italienische Rasse“ als eigenständige Rasse mit „edlen Merkmalen“ innerhalb der „europäischen Rassen“ hervorgehoben worden. Auf dem „Boden des heiligen Vaterlandes“ Italien duldete dieses Denken keine Minderheit, die nicht bereit war, sich an die „italienische Rasse“ anzupassen. Darum wurden die Südtiroler bekämpft und sollten durch Überfremdung in die Ecke gedrängt und langfristig als Minderheit assimiliert werden.
Dieses Staatsziel ist in allen politischen Handlungen sichtbar. Polizeigewalt, administrative Zwangsmaßnahmen, volle Refaschstisierung in der Verwaltung durch die Wiedereinsetzung der faschistischen Beamten war nur die konsequente Folge. Wer sich dagegen offen wehrte, in den Sechzigerjahren ab der „Feuernacht“ – vereinzelt gab es Aktionen schon vorher -war als „Terrorist“ ein Staatsfeind, den man nach Belieben foltern und nach den Gepflogenheiten des „Codice Rocco“ (faschistisches Strafgesetzbuch) in Schauprozessen aburteilen konnte.
Von vorneherein war der „Pariser Vertrag“ mit seiner Autonomieverpflichtung nur ein lästiges Hindernis, dessen man sich 1948 mit einer Scheinautonomie in der Großregion „Trentino-Tiroler Etschland“ bei wenigen Kompetenzen für den Südtiroler Landtag zu entledigen versuchte.
Das alles wäre nicht so leicht möglich gewesen, wenn nicht der Staat Österreich dieser Politik durch Nachgeben, Verzicht und Anbiederung entgegengekommen wäre.
In der österreichischen Politik ragt nur die Person des Sozialisten Bruno Kreisky hervor, der als Außenminister in der Regierung Klaus eine entschiedene Haltung einnahm und das Südtirolproblem gegen den Willen von Klaus vor die Vereinten Nationen brachte.
In der ÖVP wurde von allem Anfang eine grundlegend andere Politik vertreten. Der anfänglichen Forderung nach Rückkehr Südtirols zu Österreich folgte schon unter Bundeskanzler Figl der heimliche Verzicht auf Südtirol, und Klaus setzte diese Politik noch dezidierter fort. Mit Hilfe seines Vertrauten Moser, der sich mit der DC gemein machte, wurde Südtirol und die Tiroler Landesregierung hintergangen, ausgespielt und betrogen.
Diese Haltung der Bundes-ÖVP beschränkte sich nicht auf eine einzelne kurze Epoche, sie ist vielmehr ein bedenkliches Charakteristikum, eine Denklinie, die die ÖVP ab 1946 beherrschte. Diese Linie wurde nie selbstkritisch durchleuchtet und setzt sich bis heute fort.
Das erfuhren die Südtiroler, als nach dem kurzen Intermezzo der ÖVP-FPÖ-Koalition 2017-19 die Bereitschaft zur Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Südtiroler sofort von der politischen Agenda verschwand, als die Koalition mit den Grünen geschlossen wurde. Die ÖVP ließ den Punkt einfach fallen, obwohl es ja leicht gewesen wäre, diese Frage nicht an die Koalition zu binden, sondern sie als koalitionsfreies Anliegen weiterzuverfolgen. Doch Kanzler Kurz hatte bereits auf die erste Kritik des nationalistischen Präsidenten des Europaparlaments, des Italieners Antonio Tajani, bei einem beschwichtigenden Besuch versichert, Österreich werde dieses Anliegen natürlich nur in Absprache mit Italien Gesetz werden lassen. Tajani war kein Vertreter der italienischen Regierung und hatte darum ohnehin kein Recht, sich in die österreichische Souveränität einzumischen. Was Kurz einräumte, war im Klartext ein Bruch der Vereinbarung im Koalitionsprogramm. Innenminister Kickl hätte das Anliegen trotzdem durchgesetzt, wenn nicht andere Ereignisse die Koalition 2019 beendet hätten. Doch auch die gegenwärtige SVP-Führung unternahm und unternimmt nur wenig, um das Anliegen, das sie 2012 auf dem Landesparteitag reklamierte, offensiv zu vertreten.
Das angebliche „Herzensanliegen Südtirol“, das so oft im Munde geführt wird, war in der Geschichte der ÖVP-Staatspolitik, wenn es darauf ankam, meist eine politische Lebenslüge.
Doch auch die SVP war unter dem ersten Obmann Erich Amonn von gleichem Geist des Nachgebens, der Anpassung und feigen Aufgabe der Grundziele der Südtirolpolitik gekennzeichnet. Amonn unterzeichnete eine Vereinbarung mit dem Präfekten De Angelis, worin er sich für die SVP zur Kooperation mit dem CLN, dem „Comitato de Liberazione Nazionale“, gefügig bereiterklärte. Das führte zum Verzicht auf eine ernsthafte Forderungspolitik. Der damalige SVP-Obmann Erich Amonn und noch mehr sein Generalsekretär Raffeiner kritisierten sogar rückhaltlos jeden Protest gegen die italienische Südtirolpolitik, verhinderten Protestkundgebungen und suchten alle Kräfte, die eine offensive Südtirolpolitik wollten, zu sabotieren. Das gelang nicht durchgehend. Parteisekretär Toni Ebner und der aus Dachau heimgekehrte Organisationsleiter der SVP, Friedl Volgger, widersetzten sich, konnten sich aber aufgrund ihrer untergeordneten Ämter nicht durchsetzen.
Als sich unter den Augen der amerikanischen Besatzungsmacht die Nachkriegspartisanen, die es zuvor in Südtirols unter der deutschen Besatzung gar nicht gegeben hatte, als blindwütige Rächer auf Südtirol stürzten (Brigade Val Cordevole), in über fünfzig Südtiroler Dörfer raubend, gewalttägig und sogar mordend einbrachen, blieb der Protest der SVP aus. Sogar als der Wolkensteiner Bürgermeister Adols Senoner und weitere vier Grödner, der Lehrer Engelbert Ploner, Gabriel Rifesser, Kosman Demetz und Josef Pitscheider, verschleppt, gefoltert und im Walde von Pescul auf bellunesischer Seite ermordet wurden, gab es ebenso wenig einen harten, offenen Protest. Bis heute wird, wohl aus einem unterschwellig schlechten Gewissen heraus, nirgendwo in Südtirol jener unschuldigen Opfer der postfaschistischen Terrors gedacht, obwohl die SVP jährlich Andreas Hofers gedenkt, des Tiroler Helden, der den Italienern nicht wehtut und längst Geschichte ist.
Es gab zuvor auch schon Opfer des Nationalsozialismus, an die wiederum nur sehr selektiv erinnert wird. Josef Noldin und Angela Nicoletti und das Opfer des nationalsozialistischen Terrors, Josef Mayr-Nusser, sind in der Erinnerung geblieben, andere Opfer, wie die Südtiroler Wehrmachtssoldaten Markus Dapunt und Alois Alfreider (beide Ladiner), die standrechtlich erschossen wurden, werden als Opfer ausgeblendet. Die bedenklichen Lücken in der politischen Erinnerungskultur zeigen eine Linie der politisch-moralischen Schwäche auf, die nie bewusst gemacht und darum auch nie korrigiert wurde. Die Opfer jener Ereignisse haben keine Denkmäler, nicht einmal Erinnerungstafeln, und keinen Platz im südtirolhistorischen Gedenken der SVP und damit auch nicht in der Bevölkerung.
Doch der SVP-Obmann Amonn war Bozner Kaufmann mit geschäftlichen Interessen, und angesichts der italienischen Praxis willkürlicher Schließungen deutscher Unternehmen setzte er seine Familieninteressen über seine politischen Grundverpflichtungen. Die eigenen Interessen hätte er ruhig verfolgen dürfen, sie aber nicht mit dem Amt des Obmannes der SVP verquicken und das Amt damit auszuhöhlen. Die jüngste Biografie der Historiker Hans Heiss und Stefan Lechner über Amonn lassen seine Haltung zwar durchaus erkennbar werden, verteidigen sie aber indirekt. Die politische Haltung Amonns wird nicht hinreichend kritisch durchleuchtet. Amonn trat, wie auch Heiss anführt, sogar ganz vehement gegen jede Politik der Lostrennung Südtirols von Italien auf. Wer dies wolle, habe „keinen Platz“ in der SVP. Besser konnte man die nationalistischen Interessen Italiens gar nicht vertreten.
Auch in der SVP-Politik herrschte weitgehend eine Denklinie vor, die nicht annähernd ihre demokratischen Protestmittel ausschöpfte. Verständlicherweise konnte sich die SVP nur legaler Mittel bedienen und musste angesichts italienischer Drohungen auch den „Terrorismus“, der ein Freiheitskampf war, verurteilen. Als aber die Nachrichten von den Folterungen der Häftlinge nicht nur durchsickerten, sondern der Parteiführung unter Magnago auch offiziell durch Häftlingsbriefe bekanntgemacht wurden, gab es kein zweites Sigmundskron, keine einzige öffentliche Protestkundgebung, keinen Versuch, mit allen legalen Mitteln zu protestieren. Das war ein großes moralisches und politisches Versagen der SVP.
Nicht anders in Österreich unter der Alleinregierung Klaus. Deren Konsulate nahmen ihre Schutzpflicht nicht wahr und verhielten sich anbiedernd. Menschenrechte waren Nebensache, wenn sie durch Italien verletzt wurden.
Bis heute sind diese verhängnisvollen Denkstrukturen nie beim Namen genannt, in den betroffenen Parteien selbst nie offen durchleuchtet, und, seltsamerweise, auch nicht von der sonst so moralisch-eifrigen veröffentlichten Meinung durchleuchtet worden. Es gibt einzelne Historiker, die Teile der politischen Nachkriegsgeschichte Südtirols, die immer SVP- und österreichische Staatsgeschichte ist, durchleuchtet haben. Stellvertretend sei der Name des Historikers Michael Gehler genannt.
Doch der Autor Helmut Golowitsch erweist sich erneut als unerschrockener Erforscher der unbequemen historischen Wahrheit, ungeachtet des sich zu oft anpassenden akademischen Meinungsbildes. Sein großes Verdienst, auch die bittersten Vorkommnisse der Südtirolgeschichte zu beleuchten, die immer wirksamen, anbiedernden Denkstrukturen in Parteien zu erhellen, ist Merkmal seiner Forschungen. Dafür mögen ihm unsere und die kommenden Generationen dankbar sein.“
Georg Dattenböck
Der Herausgeber des „Südtirol Informationsdienstes“ (SID), Georg Dattenböck, berichtete im Anschluss an den Vortrag des Buchautors, wie er vergeblich versucht hatte, bezahlte Werbung für das Buch in bedeutenden österreichischen Tageszeitungen unterzubringen.
Er war auf eine Mauer des Schweigens und Verschweigens gestoßen, die offenbar von oben her von politischer Seite verordnet worden war. Eine bedeutende österreichische Tageszeitung hatte bereits das Inserat akzeptiert, dann jedoch die Annahme auf direkte Weisung des Chefredakteurs widerrufen. Andere Zeitungen hatten einfach nicht geantwortet. In der Folge sei es jedoch gelungen in „alternativen Medien“ im Internet diese Schweigespirale zu durchbrechen. Hier dankte Dattenböck vor allem dem Historiker und Publizisten Prof. Dr. Reinhard Olt.
Dr. Bruno Hosp
Der ehemalige Abgeordnete zum Südtiroler Landtag und Regionalratsabgeordnete, Landeskommandant des „Südtiroler Schützenbundes“, Bürgermeister von Ritten, SVP-Landessekretär, Landesrat und Vizepräsident der „Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen“, Dr. Bruno Hosp, berichtet in einem Vorwort zu dem vorliegenden Dokumentarwerk unter anderem, wie er als junger Student die nach Österreich geflüchteten Freiheitskämpfer Luis Amplatz und Georg Klotz unterstützte und deren Behandlung durch die österreichischen Behörden kennenlernen musste. In der Diskussion stellte die Bedeutung des vorliegenden beweiskräftigen Originalmaterials heraus und verwies auch auf seinen eigenen zeitgeschichtlichen Beitrag in dem Buch.
Dr. Eva Klotz
Die Tochter des legendären Freiheitskämpfers Georg Klotz und ehemalige Gemeinderätin in Bozen sowie Südtiroler Landtagsabgeordnete Dr. Eva Klotz, berichtete als Zeitzeugin, wie sie bei Besuchen in Österreich das Elend ihres Vaters im Exil und dessen Behandlung durch die Behörden hatte sehen müssen.
Roland Lang
Der Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB), Roland Lang, stellte als Mitveranstalter der Buchpräsentation die Bedeutung dieser Dokumentation heraus. Die künftige Geschichtsschreibung werde an diesen dokumentarisch untermauerten Forschungsergebnissen nicht vorbei gehen können. Daher sei diese Arbeit so wertvoll und er müsse als Südtiroler dem Autor hierfür danken.
Egon Kufner
Der ehemalige Freiheitskämpfer und betroffene Zeitzeuge Egon Kufner berichtete über die menschenrechtswidrigen Haftbedingungen, denen er als Untersuchungshäftling im „Porzescharte“-Prozess in Österreich hilflos ausgeliefert war. Er schilderte dann die Unterschlagung von Beweismitteln in dem durch das Innenministerium und andere Rechtsverletzungen. Letztendlich wurden er und seine Mitangeklagten in einem wiederholten Verfahren dann endgültig freigesprochen, weil Sachverständigengutachten bewiesen hatten, dass sie nicht als „Täter“ in Frage kamen.
Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung
Im Publikum saß Universitätsprofessor Dr. Erhard Hartung, der von zahlreichen Besuchern auf seine Erlebnisse angesprochen wurde. Er war ebenso wie Egon Kufner im „Porzescharte“-Prozess in Österreich den geschilderten Rechtsverletzungen ausgeliefert gewesen. Auch er wurde im wiederholten Prozess in Österreich dann rechtsgültig freigesprochen und durch die späteren Untersuchungen des Historikers Oberst. Mag. Dr. Speckner und die Gutachten der Sprengsachverständigen nochmals vollständig rehabilitiert, weil auch er aufgrund der materiellen Sachlage als „Täter“ auszuschließen war.
Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner
Bereits am 2013 hatte der österreichische Historiker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner einem interessierten Fachpublikum in Wien ein neues Buch brisanten Inhalts vorgestellt.
In der Dokumentation „Zwischen Porze und Roßkarspitz …“ hatte Speckner anhand bislang verborgener sicherheitsdienstlicher österreichischer Archivalien und mithilfe persönlicher „Tatort“-Begehungen und der Beiziehung von Sprengsachverständigen und anhand von deren Gutachten nachweisen können, dass ein angeblicher Anschlag österreichischer Täter auf der Porzescharte mit vier italienischen Opfern am 25. Juni 1967 nicht so stattgefunden haben konnte, wie es die offiziellen italienischen Darstellungen behaupteten.
Zudem konnten die von Italien beschuldigten und in der Folge in Italien in Abwesenheit verurteilten Österreicher Speckners Untersuchungen zufolge auf keinen Fall die „Täter“ gewesen sein. Alles sprach vielmehr für ein Konstrukt italienischer Geheimdienste.
Speckners mittlerweile durch Sprengsachverständige bestätigten Erkenntnisse bilden eine wesentliche Grundlage für die Dokumentation des Autors Dr. Golowitsch und werden in dessen Werk nochmals akribisch dem Leser unterbreitet.
In der Podiumsdiskussion nahm Dr. Speckner nur bescheiden und sehr kurz zu seinen eigenen Verdiensten Stellung. Andere Diskussionsteilnehmer und auch der Buchautor Dr. Golowitsch unterstrichen jedoch die Bedeutung seiner Forschungsergebnisse und dankten ihm dafür.
Bestellung des Buches
Das Helmut Golowitschs Werk „Südtirol – Opfer politischer Erpressung“ kann im gutem Buchhandel und über den Stocker-Verlag bezogen werden.
Des Sandwirts letzte Heimkehr
Die Zitadelle in Mantua war der Endpunkt im Lebensweg des Passeier Sandwirts Andreas Hofer: er wurde dort am Montag, 20.2.1810 erschossen und im Friedhof von St. Michael begraben. Die Vorgänge nach der Exhumierung seiner Gebeine und deren Überführung nach Innsbruck, sind bekannt, doch heute weitgehend vergessen – zu Unrecht! Erstaunen löst heute noch die Behandlung jener fünf patriotischen österreichischen Kaiserjägeroffiziere durch den „Wiener Hof“ aus, die aus uneigennützigen, edlen Motiven Hofers Gebeine in die Heimat zurückbringen wollten. Der Kaiser selbst besuchte bereits 1816 das Grab des Sandwirts.
Von Georg Dattenböck
Das Schicksal für Andreas Hofer und Tirol hat einen Namen: Napoleon! Bereits General, wurde Napoleon am 9.11.1799 erster Konsul der Französischen Republik. In Gegenwart von Papst Pius VII. krönte er sich selbst am 2.12.1804 in der Kathedrale Notre Dame de Paris zum Kaiser der Franzosen und errichtete ein brutales Regime, welches in den unterworfenen Völkern Europas verhasst war. Sein Größenwahn forderte „etwa 4,7 Millionen Kriegstote und mehr als eine Million zivile Opfer“ (Bernhard Mertelseder/Brigitte Mazohl/Johannes Weber: „1809 – und danach? Über die Allgegenwart der Vergangenheit in Tirol“; S. 9, Bozen 2009). Jedoch noch heute wird der mit diesem Blut von Unschuldigen befleckte Mann von vielen unkritisch und tief verehrt.
Einige Verzweifelte wollten den Tyrannen persönlich beseitigen: Am 2.5.1809, als Napoleon in das Kloster Lambach (Oberösterreich) mit seinem Gefolge in bester Stimmung einreiten wollte, verhinderte der Priester Koloman Fellner in letzter Sekunde ein Attentat durch den Scharfschützen und Büchsenmacher Scherhauf, der vom Torturm des Stiftes aus Napoleon erschießen wollte. (Friedrich Ilk: „Stift und Markt Lambach während der französischen Einfälle 1800-1809; in: „Euro-Journal“, S. 31ff, Puchenau 1996).
Während einer Siegesparade der Franzosen in Schönbrunn versuchte am 12.10.1809 der junge Friedrich Gottlieb Staps aus Naumburg/Saale den Korsen mit einem Messer zu töten. Sein Plan mißlang, Staps wurde festgenommen und, nach einem persönlichen Verhör durch Napoleon, in Wien erschossen. Er starb angeblich mit dem Ruf: „Es lebe die Freiheit! Es lebe Deutschland! Tod seinem Tyrannen!“ (Wikipedia > Friedrich Gottlieb Staps).
Johann Philipp Palm war Buchhändler in Nürnberg. Er veröffentlichte eine gegen Napoleon gerichtete 144-seitige Schrift „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ und wurde dafür durch ein französisches Militärgericht zum Tode verurteilt. Palm verschwieg bis zu seinem Ende den wahren Verfasser der Schrift. Bei seiner Erschießung am 26.8.1806 in Braunau/Inn wurde er zweimal durch Schüsse nur verwundet, erst im dritten Versuch wurde er durch einen „Gnadenschuss“ getötet. Sein Tod löste in Deutschland große Erschütterung aus.
Die nötigen Geldmittel zum Führen seiner Kriege beschaffte sich Napoleon u.a. im Frühjahr 1798 durch den Überfall auf die Schweizer Eidgenossenschaft mit deren Unterwerfung und Ausplünderung. In all seinen folgenden Angriffskriegen in Europa ging er mit gleicher Brutalität gegen die jeweiligen Länder und Völker vor – siehe dazu z.B. das erste Auftreten der raubenden und mordenden Scharen Napoleons bei deren Angriff auf Welschtirol 1796 (Meinrad Pizzini: „Andreas Hofer“, S. 43ff, Wien 1984).
Nach seinem „Blitzkrieg“ gegen Frankreich stand am Sonntag, 23. Juni 1940, ein geistesverwandter Diktator an Napoleons Sarkophag in Paris und erwies ihm die Ehre. Sowohl Napoleon, als auch Hitler, scheiterten in ihrer grenzenlosen Hybris vor bzw. in Moskau. Beiden war auch gemeinsam, daß sie das Land Tirol vernichten wollten: Napoleon durch mehrere brutale Angriffskriege und die erstmals erfolgte territoriale Zerstückelung, Hitler durch den mit Mussolini abgeschlossenen Vertrag über die Aussiedelung der Südtiroler und mit der Anerkennung der Teilung Tirols. Beide Verbrechen scheiterten und jeweils unter schwersten Opfern der Tiroler.
Der Hass Napoleons auf die Tiroler wegen deren zähen Widerstandes war groß: nach der Niederlage des österreichischen Heeres bei Wagram wurde am 12.7.1809 ein Waffenstillstand vereinbart, wo im Punkt vier bestimmt wurde, Tirol von österr. Truppen zu räumen. Karl Paulin schrieb dazu („Das Leben Andreas Hofers“ S. 70ff, 2. Aufl., Innsbruck 1952):
„In der Härte dieses Vertragspunktes spiegelte sich der Haß Napoleons gegen Tirol (…). Wie tief den Stolz des sieggewohnten Schlachtenlenkers das zweimalige erfolgreiche Aufbäumen des kleinen Bergvolkes gegen die Große Armee und ihre Verbündeten getroffen hatte, bewies sein von brutalem Vernichtungswillen diktierter Befehl an den Ende Juli wieder in Tirol einrückenden Marschall Lefebvre: ‚Meine Absicht ist, daß Sie (…) in den tirolischen Bezirken 150 Geiseln fordern und wenigstens sechs große Dörfer sowie Häuser der Führer plündern und niederbrennen lassen und daß Sie erklären, das Land würde in Blut und Eisen aufgehen, wenn nicht alle Gewehre, wenigstens 18.000, abgeliefert würden. Sie haben die Macht in Händen, seien Sie schrecklich und handeln Sie so, daß man einen Teil der Truppen aus dem Land ziehen kann, ohne fürchten zu müssen, daß die Tiroler wieder anfangen‘ (…) Nach diesem Blutbefehl muß man es geradezu als ein Glück betrachten, daß die ausführenden Persönlichkeiten menschlicher dachten und handelten als ihr Gebieter (…)“.
Der berühmte spanische Maler Francisco de Goya malte 1814 aus seiner Erinnerung das Bild „Erschießung der Aufständischen“. Es wurde zu einem Symbolbild für Napoleons Terrorherrschaft. Man sieht bereits Erschossene in ihrem Blut liegen, der Mann im weißen Hemd streckt verzweifelt und flehentlich die Arme aus, er wird in der nächsten Sekunde ebenfalls tot sein.
Kurzdarstellung von Hofers Lebensweg im Rahmen der Geschichte
Napoleon schien unbesiegbar zu sein: immer wieder schlugen seine mit hervorragender Taktik, überlegener Militärstrategie und großem Elan geführten Armeen die Österreicher ab 1792 in den sogenannten „Koalitionskriegen“.
Die ebenfalls unterworfenen deutschen Fürsten wurden willige Vasallen, deren Territorien umfassten den größten Teil der heutigen BRD. Sie stellten Napoleon auch die unfreiwilligen Massen an deutschen Soldaten zur Verfügung. Besonders schicksalshaft für Tirol war die Herrschaft Napoleons über die unterworfenen Bayern.
1796 rückte Napoleon von Italien aus gegen Tirol vor. Andreas Hofer „stand als Korporal in einer Meraner Kompanie“ im Mai 1796 am Tonalepaß, um den Angriff abzuwehren (Andreas Oberhofer: „Der ‚Andere‘ Hofer. Der Mensch hinter dem Mythos“; S. 253, Innsbruck 2009).
1797 führte Hofer als Hauptmann 129 Passeirer Schützen in General Laudons Lager bei Meran, die Franzosen wurden zur Räumung Bozens gezwungen, setzten jedoch ihren Angriff auf Österreich mit dem Vormarsch bis in die Steiermark fort. Der folgende „Frieden von Campoformio“ beendete für kurze Zeit den Krieg.
Im „2. Koalitionskrieg“ (1799-1802) stürmten Napoleons Truppen bis nach Niederösterreich: der Fluß Erlauf wurde Demarkationslinie, der „Friede von Lunéville“ beendete diesen Kampf.
Im „3. Koalitionskrieg“ (1805) kapitulierten Österreichs Armeen bei Ulm, Napoleon zog weiter nach Wien und besetzte die Hauptstadt.
Erneut siegte Napoleon am 2.12.1805 in der „Dreikaiserschlacht“ bei Austerlitz in Böhmen. Mit dem für Österreich folgenden katastrophalen „Frieden von Preßburg“, wo drei Millionen Staatsbürger, sowie Venetien an Italien, Tirol und Vorarlberg an Bayern verloren gingen, wurde dieser Krieg beendet. Kaiser Franz I. schrieb, durchwegs glaubwürdig, an Tirols Landesgouverneur Graf v. Brandis (Paulin, w.o., S. 22):
„Gebieterische Umstände machten es mir zur Notwendigkeit, der Beherrschung des Landes Tirol zu entsagen. Wie schwer dieses Opfer meinem Herzen gefallen ist, wissen die biederen Tiroler ohnehin. Ich verliere keine Worte darüber, sie würden die Wunden nur aufreißen, welche die durch eine Reihe unglücklicher Ereignisse mir abgenötigte Trennung so wertgeschätzten Untertanen mir und ihnen schlug.“
Als Napoleon versuchte, Spanien und Portugal seiner Herrschaft zu unterwerfen, brachen in Katalonien, Navarra, dem Baskenland und in Kastilien Volksaufstände und ein Guerillakrieg aus, dem er militärisch vorerst kaum gewachsen war. Man sah diese Entwicklung in Österreich mit Rachegefühlen und mit großer Hoffnung und begann, wieder zu rüsten.
Auf starkes Betreiben von Erzherzog Johann wurde eine Landwehr aufgestellt. Erzherzog Karl wollte, nach französischem Vorbild, eine neue Armeeorganisation schaffen. Seine Generäle vermochten nicht, innerhalb kurzer Zeit umzudenken, ihren Kadavergehorsam abzulegen und selbständig zu handeln. Auch durch das Fehlen von Übungen war das Ergebnis, noch zusätzlich gelähmt durch Kompetenzstreitigkeiten, daß die österr. Armee, anstatt beweglicher zu werden, in eine Starrheit glitt, die ein Disponieren kaum ermöglichte (Militärhistoriker Prof. Rudolf W. Litschel: „Der Feldzug in Süddeutschland im April 1809“ in: „DSJ“1979, S. 374ff).
Der Kriegspartei am „Wiener Hof“ gehörte u.a. Graf Klemens Wenzel Lothar v. Metternich an, der als österr. Gesandter in Paris auch beim Kaiser in Wien immer einflussreicher wurde. Den Krieg gegen Napoleon finanzierten für Österreich die Bankiers Nathan Adam v. Arnstein, Bernhard Eskeles d. Jüngere, Moritz Fries, Johann Jakob Geymüller und das Bankhaus Rothschild, u.a. mit Lieferungen von Weizen, Pferden und Ausrüstungen.
Als der Krieg 1809 ausbrach, kam Metternich als 36-jähriger von Paris nach Wien zurück und löste den leitenden Minister Johann v. Stadion ab. Nur aus taktischen Motiven spielte Metternich mit den durch Napoleons Aggressionen ausgelösten nationalen Gedanken und Gefühlen in den europäischen Völkern. Nicht die kaiserliche Familie selbst, sondern Metternich und sein Gefolge am „Wiener Hof“ waren die Meister der Doppelzüngigkeit gegenüber den Tirolern mit sehr fatalen Folgen, vor allem für den Sandwirt. Die naiv-kindliche, absolute Treue Hofers zum Kaiserhaus schildert Paulin (w.o., s. 18):
„Wenn in seiner Gegenwart ein Wort über Kaiser Franz oder dessen Bruder, den hochverehrten Erzherzog Johann fiel, konnte Hofer bis zu Tränen gerührt werden. Aus dieser unbedingten Treue erwuchs auch das unerschütterliche Vertrauen des Sandwirts auf den Kaiser und sein Wort, das, als es getäuscht wurde, das Verhängnis des Landes und seines Oberkommandanten mit verursachte“.
Was der treue Hofer nicht wissen konnte und später auch nie wissen wollte war, daß der Kaiser als unpolitischer Mann fest von Metternich abhängig war, ihm das politische Agieren überließ. Der Kaiser war von Natur aus an der Pflanzenzucht und Planzenkunde und nicht an der Politik interessiert. Auch von Militär, Strategie und Taktik verstand er wenig, dies überließ er seinen Brüdern Johann und Karl. Der Kaiser war jedoch vom „Gottesgnadentum“ seiner alten Familie zutiefst überzeugt und wie Metternich lehnte er den Gedanken an Volksrechte entschieden ab. Nicht geheuchelt war jedoch seine tiefe Zuneigung zu den Tirolern, die sich in seinen Briefen niederschlug, wie z.B. der Brief v. 18.4.1809:
„Unter den Opfern, welche die widrigen Ereignisse im Jahre 1805 Mir abgenötiget haben, war, wie Ich es auch laut verkündiget habe, jenes, Mich von euch zu trennen, Meinem Herzen das empfindlichste; denn stets habe Ich an Euch gute, biedere, Meinem Hause innigst ergebene Kinder, sowie Ihr an Mir einen euch liebenden und Euch Wohl wünschenden Vater erkannt. (…) Ich zähle auf Euch, Ihr könnt auf mich zählen, und mit göttlichem Beistande soll Österreich und Tirol immer so vereinigt bleiben, wie es eine lange Reihe von Jahren hindurch vereiniget war“.
Der Vertraute Erzherzogs Johann, der junge Josef Freiherr v. Hormayr, ein gebürtiger Tiroler, organisierte von Wien aus den Tiroler Aufstand. Erzherzog Johann unterschrieb in Villach in Kärnten, wo er 1809 mit der Armee vor dem Einfall nach Tirol stand, ein von Hormayr verfertigtes Dokument, in dem er Tirol wieder zum österreichischen Territorium erklärte und jeden bewaffneten Tiroler als einen Angehörigen des österr. Aufgebotes und nicht als Rebell bezeichnete. Das hatte seine tiefere Ursache in der uralten Wehrverfassung Tirols:
„Die Eigenart der Tiroler Wehrverfassung bestand bekanntlich darin, daß, während anderswo die altgermanische Landwehrpflicht nach dem Ende des 17. Jahrhunderts kaum mehr in Erscheinung trat, sie sich in Tirol ebenso wie in Vorarlberg bis ins 19. Jahrhundert hinein erhalten hat. Wenn dem Lande Tirol Feindesgefahr drohte, dann waren alle wehrfähigen männlichen Einwohner zum ‚Auszug‘ verpflichtet. Damit hing zusammen ihr Recht, Waffen zu tragen, in deren Gebrauch sie sich in Friedenszeiten auf den Schießständen übten. Dieses Aufgebot der Landstände, die Landmiliz, wie sie seit 1632 genannt wurde, durfte aber nicht außerhalb des Landes verwendet werden“ (Oswald v. Gschließer: „Zur Geschichte des stehenden Heeres in Tirol bis zur bayrischen Besetzung (1805)“; S. 1, Innsbruck).
In ganz Tirol erhoben sich 1809 die Schützen und verjagten die bayerischen Beamten und Militäreinheiten unter schweren Kämpfen und mit wechselndem Erfolg, wieder tat sich Andreas Hofer mit der Eroberung von Sterzing hervor. Napoleon holte zum Gegenschlag aus: er schickte Marschall Lefebvre mit zehntausend Mann nach Tirol. Es folgte am 25.5.1809 die zweite Berg-Isel-Schlacht, die Franzosen mussten Tirol wieder räumen. Ein mit schweren Opfern errungener Sieg der Tiroler Freiwilligenarmee!
Napoleon selbst stieß mit großer Heeresmacht nach Wien vor, wurde jedoch am 21./22.Mai 1809 bei Aspern, nördlich von Wien, von Erzherzog Karl besiegt. Der Kaiser schrieb begeistert nach diesem Sieg u.a. an die Tiroler:
„Im Vertrauen auf Gott und Meine gerechte Sache, erkläre ich hiermit Meiner treuen Grafschaft Tyrol, mit Einschluß des Vorarlbergs, daß sie nie mehr von dem Körper des Österreichischen Kaiserstaates getrenntwerden und daß Ichkeinen anderen Frieden unterzeichnen werde als den, der dieses Land an Meine Monarchie unauslöslich knüpft (…)“
Dieses, mit Metternich nicht abgesprochene, briefliche und feierliche Versprechen des Kaisers, das er aufrichtig meinte, hatte psychologisch bei Hofer und seinen Tirolern weitreichende Folgen: Zweifel waren zukünftig ausgeräumt, denn ein Kaiser lügt nicht!
Doch Metternich dachte und handelte eiskalt: nach der von Erzherzog Karl wieder verlorenen Schlacht am 5./6. Juli 1809 bei Deutsch-Wagram (im Marchfeld bei Wien) und noch vor dem mit Napoleon vereinbarten „Frieden v. Schönbrunn“ (14.10.1809), schrieb er:
„Welches immer die Bedingungen des Friedens sein werden, das Resultat wird immer darauf hinauslaufen, daß wir unsere Sicherheit nur in unserer Anschmiegung an das triumphierende französische System suchen können. Wir müssen also vom Tage des Friedens an unser System auf ausschließliches Lavieren, auf Ausweichen, auf Schmeicheln beschränken“.
Mit dieser Strategie Metternichs wurden Andreas Hofer mit seinen ahnungslosen Tirolern an die Wand gedrückt. Hofer konnte sich dieses Verhalten des „Wiener Hofes“ nie erklären und er akzeptierte auch nie die Wahrheit, daß das Land Tirol wieder aufgegeben wurde.
Noch im August 1809 fielen 20.000 Soldaten unter Lefebvre nach Tirol ein und besetzten wiederum Tirol. Nur noch in Südtirol kämpfte der Sandwirt tapfer weiter. Napoleon sandte Marschall Lefebvre mit starken Einheiten zu Hofers Vernichtung über den Reschen- und Brennerpaß, wo sie sich mit Truppen aus Italien und dem Pustertal vereinigen wollten.
An der Lienzer und Ehrenberger Klause, in der Schlucht des Eisacktales, an der Pontlatzer Brücke und in der dritten Schlacht am Berg Isel (12./13.8.1809) wurden die Truppen Napoleons nochmals geschlagen. Es war der letzte große Sieg der Tiroler Volksarmee über ein reguläres, sehr gut gedrilltes und viel besser bewaffnetes Militär.
Bereits am Tag des Friedensschlusses in Schönbrunn, am 14.10.1809, wurde von dem mit Hass erfüllten Napoleon der Befehl erteilt, die Tiroler endgültig zu unterwerfen – s. oben sein Brief an Lefebvre. Vorwiegend bayerische Söldnertruppen marschierten für Napoleon wieder nach Tirol: am 24.10.1809 standen sie bereits vor Innsbruck und am 1.11.1809 fand die vierte und letzte Berg-Isel-Schlacht, nur zwei Stunden lang, gegen das letzte Tiroler Aufgebot statt, dann waren Kampf und Freiheit verloren.
„Der Kaiser richtete mehrere Handschreiben an seinen Bruder, den Generalissimus, worin er die tiefe Enttäuschung des Monarchen, der sich seiner moralischen Verpflichtung gegen Tirol sehr wohl bewußt war, deutlichen Ausdruck fand. So schriebt der Kaiser in seibnem Brief v. 19. Juli betreffend Tirol an Karl: ‚Das Schmerzlichste dabei ist die Kompromittierung meiner Ehre, da ich die wackeren Tiroler und Vorarlberger, die alles aufgeopfert haben, fast im nämlichen Augenblick ihrem Schicksal hingebe, als ich ihnen kaum die Zusicherung meiner kräftigsten Unterstützung gab.“
Auch der größte Teil des österreichischen Hochadels empfand die Preisgabe von Tirol „schmachvoll und erniedrigend für Österreichs Ehre. (…) Damit begann gegen Tirol eine in solchen Zeiten doppelt gefährliche Zauderpolitik, ein verstecktes Spiel von Andeutungen, Ableugnungen und Verschleierungen, durch das man das Land lange Zeit über den vollen Umfang der Tatsaschen im ungewissen ließ. (…) Hofer konnte es nicht glauben, daß Tirol von Österreich verlassen sei; wohl unter dem Einfluß des fanatischen Kolb erließ der Sandwirt am 22. Juli einen leidenschaftlichen Aufruf, worin er die Nachricht vom Waffenstillstand als feindliche List erklärte… (Paulin, w.o., S. 72ff)
„Da kommen sie schon angefahren im Sturmschritt, die alten Racker und Lotter mit den krummen Rücken, Knien und Ellebögen, mit den weißen Haarstränen und den Stoppelbärten, auf den Achseln die Spieße und Sensen und Morgensterne und Stallgabeln und Hacken, gezähnte Messer auch und rostige Lanzen und Flinten. Alle in mausgrauen, abgenützten Lederhosen, alten Joppen und breiten Filzhüten. Voran marschiert der stolze Bauer, das Brennscheit umgekehrt auf der Schulter tragend und unterwegs die Weisung schnaufend – wohin und wie anpacken, zu seiner rechten trabt der Zimmermann mit einem eisenzähnigen, stahlbespitzten Schlagprügel, der vor Zeiten schon auf die Türkenschädel niedergesaust sein soll. Ihm daneben der Richter von Villanders, dem das Recht in diesen Tagen zum Messer geworden ist. Links vom Bauer der weißbärtige Feldkaplan Gruber, in seinem mächtigen Joppensack nicht die geringste der Waffen, schleppend einen wuchtigen Brotlaib und einen Rosenkranz. Und hinter alle anderen, Wäldler und Bergler, Hirten und Holzerer, Handwerker, Knechte und Bauern, Zündler und Bergknappen. Sogar der alte Vogelhändler aus Kollman und ein Herrgöttler aus Barbian reihen sich in den Villanderer Sturmhaufen ein; jetzt brauchen die Leute keine Kanarienvögel, jetzt pfeifen die Kugeln, und keine Christusle, jetzt bluten die Tiroler. Zuschlagen heist`s jetzt. Im finsteren Ernst schreiten sie fürbaß, ihren Söhnen und Enkeln nach, die zweimal schon das Tiroler Land befreit haben, das dritte Mal aber der Übermacht und List der Feinde zu unterliegen drohen.“ (Text von der Internetseite der Schützenkompanie ‚Anton v. Gasteiger‘, Villanders).
Unter Napoleon wurde das Land Tirol erstmals geteilt und auch der Begriff „Alto Adige“ erstmals verwendet, Ettore Tolomei und die italienischen Faschisten griffen darauf zurück.
Napoleon ließ sich am 26. Mai 1805 im Mailänder Dom mit der Eisernen Krone der Langobarden (!!!) zum König von Italien krönen, seine Hybris kannte keine Grenzen mehr.
Über 200.000 Italiener wurden in seine Armeen gepresst, 80.000 mussten ihm nach Russland folgen, die meisten starben dort.
Andreas Hofer wird von Kaiser Franz geehrt
Die Ehrungen Hofers waren von Seite des Kaisers und seiner Brüder Johann und Karl ehrlich und ohne Hintergedanken gemeint. Metternichs „große Politik“ hingegen verfolgte andere Ziele und war durch diese offiziellen kaiserlichen Ehren für Hofer nicht gefährdet und: Hofer und das Tiroler Volk waren zunächst ruhiggestellt.
„Einen Höhepunkt während der ‚Interimsregierung‘ von Andreas Hofer in der Innsbrucker Hofburg bildete wohl die Botschaft Kaiser Franz‘, die am 29. September 1809 eintraf: Neben der Zusicherung, die Tiroler zu unterstützen, schickte der Kaiser auch 3.000 Golddukaten und eine große goldene Medaille mit seinem Brustbild an einer Kette als Ehrengeschenk für Hofer und erhob ihn in den Adelsstand. Daraufhin wurde der Namenstag des Kaisers (4. Oktober) zum ‚Nationalfeiertag‘ erklärt und ein großes Fest gefeiert: Nachdem alle Honoratioren mit Andreas Hofer an der Spitze in die Hofkirche eingezogen waren, fand eine Messe statt. Am Schluß trat Hofer vor den Hochaltar und Abt Markus von Wilten legte ihm die geweihte Ehrenkette um (Pizzinini, 160f) (Text und Bilder: „Sammelllust, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum“, Claudia Sporer-Heis)
Die Beschreibung des an Andreas Edler v. Hofer verliehenen Wappens lautet:
„Wappen viergeteilt; 1: in Gold ein roter Adler einwärts; 2: in Rot ein unten golden gebundener grüner Kranz; 3: in Rot auf grünem Boden ein schroffer Felsen, davor ein Tiroler Schütze mit schwarzem Hut, schwarzen Hosen und Schuhen, braunem Rock, rotem Hosenträger und weißen Strümpfen, seine Büchse links auf den Boden stützend; 4: in Gold auf grünem Boden ein natürlicher, runder Zinnenturm mit geschlossenem Tor und zwei Fensteröffnungen nebeneinander und beiderseits anschließend Zinnenmauern. Helm: ein wachsender, schwarzer Doppeladler“.
Andreas Hofer erhält am 4. Oktober 1809 die Ehrenkette des Kaisers. Medaille von Johann Nepomuk Wirt. Vorderseite: Porträt Kaiser Franz‘ I. von rechts, Umschrift: FRANZISCVS AVSTRIAE IMPERATOR; unter der Büste sign.: I. N. Wirt. F. Rückseite: Fassade eines antiken Tempels mit Kaiserthron; am Architrav über dem Thron Inschrift: AVSTRIA AD IMPERII DIGNITATEM EVECTA; Mi. u.: MDCCCIV (Gold, Dm 50 mm, Wert: 40 Dukaten).
Des Sandwirts Verhaftung auf der Pfandleralm
Nach einigen letzten, verzweifelten Scharmützel in Südtirol, flüchtete Hofer mit Adjudant Kajetan Sweth am 11.12. auf den Pfandlerhof in Oberprantach und dann weiter in die Mähderhütte auf der Pfandleralm, die für Viehunterstand und Futterlagerung gebaut war. Zu Weihnachten kam Hofers Frau Anna und Sohn Hans dazu. Im eisigen Bergwinter verbrachte hier Hofer, ständig die kaiserliche Ehrenkette tragend, die letzten Wochen seines Lebens.
Zu Hofer drangen „Nachrichten von den letzten Zuckungen des Freiheitskampfes und ihren Folgen für das unglückliche Land. Die Burggräfler hatten sich in der letzten Novemberwoche auf dem Salten noch einmal den Franzosen, freilich vergebens, entgegengestellt. In Brixens Umgebung hatte der unbelehrbare Kolb mit dem Mahrwirt Ende November den Landsturm aufgeboten; der französische General Severoli erstickte am 6. Dezember diesen Aufstand in einem Flammenmeer von 200 Gehöften und 28 Edelsitzen. Das Pustertal büßte seinen letzten Heldenkampf am schwersten. Der Bauernsturm auf Bruneck am 2. Dezember zerstob im Geschützfeuer der Franzosen, und das trotzige Aufbegehren des Iseltales forderte eine Reihe von Blutzeugen, die der unerbitterlichen Strenge des Generals Broussier zum Opfer fielen. Am 9. Dezember, neun Monate nach dem ersten hellen Aufflammen, erlosch der letzte Funke des Tiroler Freiheitskampfes in Blut und Tränen. (…) Nun lastete die ungeheure Verantwortung für alles Elend, für das vergossene Blut und den Niederbruch der letzten Kämpfe auf der Seele des Sandwirts“ (Paulin, w.o., S. 141/42).
Am 26. Jänner 1810, kurz vor seiner Verhaftung, schrieb Hofer den verzweifelten, letzten Brief an seinen Freund, Erzherzog Johann, worin er ihn bat, „uns eine kleine Hilfe an Truppen zu senden, und ich werde nach Kräften meine gutgesinnten Mitbrüder in Waffen haben, und vereint mit Österreichs Heer zu streiten, den Feind zu schlagen… (Paulin, w.o., S. 146)
Ein heruntergekommener Mann namens Franz Raffl (*1775), Sohn des Mesners in Schenna bei Meran, der oberhalb der Pfandleralm einen eigenen Heuschupfen besaß und durch den Rauch auf das Versteck Hofers aufmerksam wurde, verriet dem Ortsaufseher von St. Martin, Peter Illmer, den Aufenthaltsort des gesuchten Oberkommandanten. Illmer weigerte sich jedoch, Hofer zu verraten, ging zum Richter Andreas Auer nach St. Leonhard und erzählte diesem von Raffls Absichten. Raffl kam ebenfalls zum Richter und dieser war gezwungen, um nicht selbst verstrickt zu werden, ein Protokoll zu schreiben, das Raffl persönlich dem Platzkommandanten von Meran, General Huard übergab. Aufgrund dieses Verrates kündigten die Bürgen Raffls ihre Bürgschaften für dessen Anwesen, wodurch Raffls Familie in Not geriet. Er war gezwungen, seinen Gruebhof zu verkaufen und das Tal zu verlassen, weil er auch seines Lebens nicht mehr sicher war. 1811 wurde er mit königlichem Dekret Hallknecht in München, 1820 wurde er pensioniert und starb 1830 in Ingolstadt, er hinterließ seine Frau und sieben Kinder.
General Léonard Huard de St-Aubin wurde der Platzkommandant der französisch-italienischen Truppen in Meran und im Burggrafenamt (er starb 1812 beim Angriffskrieg Napoleons in Rußland). Nach Raffls Verrat sandte Huard sofort 600 Mann unter dem Befehl des Kapitäns Renouard in das Passeiertal.
Die Truppe kam um 23 Uhr nach St. Martin in Passeier und eine Abteilung von 70 französischen Soldaten und 30 italienischen Gendarmen stiegen, unter Führung des Raffl, zur Pfandleralm auf. In den frühen Morgenstunden des Sonntags, 28.1.1810, wurden dort Hofer und alle anderen Anwesenden verhaftet. Kajetan Sweth berichtete darüber u.a. (Paulin, w.o. S. 150/51):
„Während man mich band wurde ich mit derben Stößen, Schlägen und unzähligen Ohrfeigen grob mißhandelt und sodann führte man mich und den Sohn vor die Hüttentüre (…) Hofer trat freimütig heraus und fragte, ob jemand unter den Herren deutsch verstehe, und als ein Adjudant des Generals Baraguay d’Hillers hervortrat und ihm sagte, daß er deutsch verstehe, so sprach Hofer: ‚Sie sind gekommen, um mich gefangen zu nehmen; mit mir tun Sie, was sie wollen, denn ich bin schuldig, für mein Weib und mein Kind und diesen jungen Menschen bitte ich aber um Gnade, denn sie sind wahrhaft ganz schuldlos!‘ Wie mir, banden sie auch dem Hofer die Hände auf dem Rücken, um den Hals einen Riemen und um die Lenden einen Strick“.
Sweth berichtete weiter, daß der nun wehrlose Hofer von vielen Soldaten schwer mißhandelt wurde, indem sie ihm Bart- und Kopfhaare ausrissen, um diese als Siegesbeute mit nach Hause zu nehmen. Hofers Gesicht war dadurch voll von Blut, der Bart blutvereist. Hofers Sohn und Gattin wurde um die Lenden ein Strick gelegt.
Sweth: „Hofer und ich gingen voraus, Gattin und Sohn hintendrein, und so führte man uns über das mit Schnee und Eis bedeckte steile Gebirge unweit St. Martin der Ebene zu. Kaum eine Viertelstunde von der Hütte entfernt, ließen wir, der Sohn Hofers und ich, schon den blutigen Pfad hinter uns, denn man ließ uns keine Stiefel oder Schuhe oder sonstige Kleidungsstücke anziehen.
Von St. Martin im Passeier brachte man die Gefangenen nach Meran, wo die französische Generalität, sowie alle Stabs- und Oberoffiziere, unter triumphierender türkischer Musik (!), auf sie warteten, jedoch unter vielen Tränen der Bürger Merans.
Im Gasthof „Zum Grafen von Meran“ wurde Hofer von Huard verhört. Er bekannte offen seine Führerschaft in der Tiroler Volkserhebung. Huard missbilligte die brutale Behandlung Hofers, ließ die Gefangenen verköstigen und „ordnete für Sweth,dem die Schuhe von den wunden Füßen geschnitten werden mußten, und den jungen Hofer ärztliche Hilfe an.“
Am nächsten Tag wurden die Gefangenen auf einem Leiterwagen in Begleitung von 450 Mann nach Bozen gebracht, wo sie um 9 Uhr ankamen und im Gefängnis landeten.
Anna Hofer (*1765 als Anna Ladurner, aus Algund bei Meran stammend, † St. Leonhard in Passeier 1836) und Sohn Hans wurden, auf Fürsprache der deutschen Gattin des Generals Baraguay, in Bozen frei gelassen.
Anna gelang es nicht mehr, die Geschäfte ihres Gatten weiterzuführen, sie meldete Konkurs an. Sie fuhr nach Wien, um beim Kaiser die von ihm zugesicherte Jahrespension einzuklagen. Der Kaiser gewährte ihr zunächst nur eine einmalige finanzielle Unterstützung. Sie wurde in Wien außerdem der freundlichen Betreuung und Aufsicht des Vizepräsidenten der obersten k.k. Polizei- und Censur-Hofstelle, in Person des Kämmerers Sr. Majestät und wirklichen Hofrat, Franz Freiherr v. Hager unterstellt, der früher auch für die Erziehung von Erzherzog Johann und dessen vier jüngeren Brüdern die Verantwortung trug. „Bereits“ 8 Jahre später, 1818, erhielt Anna Hofer und ihre vier noch lebenden Töchter eine Jahrespension zugesprochen. Hofers Sohn Hans, „geboren 1794, litt noch als Erwachsener an gefrorenen Zehen. (…) 1819 heiratete er Clara Weickmann, und sie hatten 14 Kinder. (…) Hans starb 1855 an einer Lungenkrankheit“ (Winfried Hofinger: Andreas Hofer – Nachkommen wie Sand am Meer“, in: „Tiroler Bauernzeitung“, 20. Februar 2009).
Hofer und Sweth wurden am 30.1.1810 nach Neumarkt gebracht, nächsten Tag nach Trient, wo er im Gefängnis von einem Offizier mit 24 Mann bewacht wurde. Die nächsten Aufenthaltsorte der beiden Gefangenen waren Rovereto und folgend der Grenzort Ala.
Die Stadt und Zitadelle von Mantua, am 75 km langen Fluß Mincio gelegen. Napoleon konnte Mantua Anfang 1797 nach einer monatelangen Belagerung erstmals erobern, 1799 kam die Stadt wieder an die Österreicher, war jedoch von 1805 bis 1814 erneut unter französischer Herrschaft.
Am 5.2. kamen sie in Mantua an und wurden in der Zitadelle, im Al Vaso-Turm, eingesperrt, wo sich bereits viele andere Mitkämpfer Hofers befanden. Vizekönig Eugene Beauharnais meldete dies alles Napoleon und trat gleichzeitig für das Leben des sehr religiösen Sandwirts ein, weil dieser, seiner Ansicht nach, ein Menschenfreund sei und viel Unglück verhindert habe. Napoleon teilte daraufhin am 11.2. dem Vizekönig folgendes mit:
„An den Vizekönig von Italien! Mein Sohn, ich habe Ihnen befohlen, Hofer nach Paris kommen zu lassen. Aber da er in Mantua ist, geben Sie Befehl, sofort eine Militärkommission zu bilden, um über Hofer zu richten und ihn erschießen zu lassen, und zwar an dem Ort, wo Ihr Befehl hinkommt. Und alles dies hat eine Sache von 24 Stunden zu sein!“
Dieser Befehl war in sich widersprüchlich und eine Verhöhnung des Rechtes! Napoleon war in großer Eile: er war im Begriff, die von Metternich miteingefädelte Hochzeit mit der Tochter von Kaiser Franz I., Erzherzogin Marie Louise, einzugehen und die Vorbereitungen dazu liefen bereits. Vor dieser Hochzeit sollte, nach Napoleons Willen, der Sandwirt bereits tot sein, noch bevor der Kaiser zu Gunsten Hofers reagieren konnte. Metternichs Plan, mit dieser Hochzeit Napoleon zu zügeln, war, wie viele andere seiner Ideen, ein krasser Fehlschlag. Die junge Erzherzogin Marie-Louise hasste Napoleon und besaß „sogar eine nach Napoleon benannte Puppe, an der sie ihren Zorn über den Antichrist, wie sie ihn nannte, abreagierte“ (Wikipedia > Erzherzogin Marie-Louise).
Aus dieser angeblich trotzdem glücklichen Ehe entstand Napoleon II., der spätere Herzog von Reichstadt: geboren am 20.3.1811 in Paris, gestorben an Tuberkulose am 22.7.1832 im Schloss Schönbrunn in Wien. Wegen seiner tiefen Verehrung für Napoleon ließ Hitler den Leichnam des Herzogs, in einer Nacht- und Nebel-Aktion, aus Wien an die Seite seines Vaters nach Paris überführen, völlig ignoriert von den Franzosen.
Vizepolizeipräsident Freiherr Franz v. Hager meldete Hofers Gefangennahme am 9.2.1810 dem Kaiser. Dieser gab an Staatskanzler Metternich folgende Weisung:
„Der bekannte Sandwirt Andreas Hofer ist dem sicheren Vernehmen nach von den Franzosen gefangengenommen und abgeführt worden. Sie werden zu seiner Befreiung und Rettung vom Tode alle tunliche Verwendung eintreten lassen und solche als ein Merkmal der freundlichen Verhältnisse mit Frankreich ansprechen und geltend zu machen suchen“ (Paulin, w.o., S. 161).
Metternich schrieb daher am 14.2. dem österreichischen Botschafter in Paris, Fürst Schwarzenberg, der am 22.2., viel zu spät, den Brief erhielt: Hofer war seit zwei Tagen tot.
Andreas Oberhofer (w.o., S. 356) berichtete über den militärischen Scheinprozess: der Festungskommandant Mantuas, Divisionsgeneral Bisson, fungierte als Vorsitzender, er gehörte einer Freimaurerloge an. Hofers Verteidiger war der Mantuaner Anwalt Dr. Joachim Basevi („Handbuch österr. Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jhdt“; S. 72, München 2002). Dr. Basevi gehörte, wie General Bisson, der gleichen Loge an. Die Verhandlung wurde in Französisch mit Übersetzung geführt und dauerte zweieinhalb Stunden. Hofer erklärte sich als nicht schuldig, Zeugen wurden nicht vorgeladen. Hofer wurde zum Tode verurteilt und am Montag, dem 20.2.1810 gegen 11 Uhr, von zwölf Soldaten, unter dem Befehl des aus Luxemburg stammenden Feldwebels Michael Eiffes, alle Angehörige des 2. Bataillons des 13e régiment d’infanterie de ligne, erschossen. Anwalt Dr. Basevi sah aus der Distanz der Erschießung zu und erlebte eine echte Erregung und tiefe Entrüstung der anwesenden Italiener gegen das Urteil und die Franzosen. Am gleichen Tag wurde Hofers Waffenbruder, Peter Mayr, Wirt an der Mahr, in Bozen erschossen. Kajetan Sweth wurde ebenfalls zum Tod verurteilt, dann begnadigt, jedoch zwangsweise zur französischen Fremdenlegion in Korsika eingezogen, wo ihm nach drei Jahren die Flucht zurück in die Heimat gelang.
Frühe Forderungen nach einem heimatlichen Grab für Hofer
Der als Aufstandsplaner 1809 bekannte Franz Freiherr v. Hormayr forderte in seinem 1816 erschienen Buch „Geschichte Andre Hofer“, dem Sandwirt eine würdige Ruhestätte in Innsbruck zu bereiten, auch die Tiroler Landstände äußerten diesen Wunsch. Das Fenner-Jägerkorps hatte bereits 1814, auf Anregung von Hofers Mitstreiter Josef Gänsbacher, während eines Aufenthaltes in Mantua im Dienstweg um Erlaubnis für eine Exhumierung angesucht, die Antwort verwies jedoch auf etwaige günstigere Zeiten. Das absolute System Metternichs ließ solche Bitten allein aus politischem Opportunismus nicht zu, im Gegenteil: Metternich verbot sogar das Singen von Liedern, die zu Hofer in einem Bezug standen, auch die Oper „Andreas Hofer“ von Gustav Albert Lortzing fiel seiner Zensur zum Opfer.
„Alle Bitten um Rückführung der Gebeine Hofers nach Tirol, in die Hauptstadt Innsbruck, in den Jahren 1814 und 1816, anläßlich der Erbhuldigung für Kaiser Franz I., blieben ungehört berichtete Ilse Wolfram (in: „200 Jahre Volksheld Andreas Hofer auf der Bühne und im Film“ S. 42; Hg. Prof. Dr. Michael Gissenwehrer und Prof. Dr. Jürgen Schläder, Theaterwissenschaft Band 16, München 2009).
Weiter schrieb Frau Wolfram: „Der Kaiser und sein Kanzler Klemens Wenzel Fürst Metternich wollten wohl das Tirol gegebene Versprechen totschweigen. Der Sandwirt wurde als ‚gefährlicher Rebell‘ bezeichnet. Nach Rückkehr Tirols zu Österreich wurde alle Literaturüber den Aufstand und Andreas Hofervon der Zensur verboten. Die Landstände in Tirol erhielten keine legislativen oder exekutiven Rechte mehr, die sie sich vom Haus Habsburg erhofft hatten. Unter Metternich durften sie nur Petitionen einreichen, die gehört wurden. Viele Teilnehmer des Aufstands gingen ins Exil, hatten oftmals ihren gesamten Besitz verloren oder standen unter Beobachtung des Metternichschen Spitzelsystems.“
1816: Kaiser Franz I. besucht Andreas Hofers Grab. (Zeitgenössischer Kupferstich, entnommen aus Meinrad Pizzini: „Andreas Hofer. Seine Zeit. Sein Leben. Sein Mythos“, Wien 1984). Die fünf Kaiserjäger nahmen 1823 ernsthaft an, daß dem Kaiser und Wiener Hofstaat die Heimbringung des Sandwirts nach Tirol ein Anliegen war.
Mertelseder/Mazohl/Weber (w.o., S. 121) schrieben über die generelle Haltung des „Wiener Hofes“ zum Gedenken an Hofer und den Aufstand:
„Der Aufstand von 1809, der gegen die damals rechtmäßige politische Autorität gerichtet gewesen war, und die Person Andreas Hofers paßten nicht in das geforderte Bild von Ordnung und Staatstreue. (…) Jeden Ruf nach ‚Freiheit‘, ‚Mitspracherecht‘ und Ähnlichem versuchte man staatlicherseits bereits präventiv zu verhindern. Aber nicht nur Andreas Hofer sollte aus dem Gedächtnis der Bevölkerung gelöscht werden, auch eine Förderung des Andenkens an den Aufstand bedeutete in den Augen der politischen Führung eine mögliche Keimzelle für neuerliche Revolten. Es wurde daher verhindert, daß sich ‚revolutionäre Energie‘ bei entsprechenden Gelegenheiten sammeln konnte, dies betraf Veteranenfeiern ebenso wie die mögliche Schaffung von Denkmälern“.
1860 wurde am Ort der Hinrichtung ein Denkmal errichtet. 1984 wurde dieses durch einen Monolithen aus Pontiveser Porphyr ersetzt. Gleichzeitig errichtete die Stadtverwaltung einen Andreas-Hofer-Park und ein Andreas-Hofer-Museum. Jedes Jahr wird am Todestag von einer Tiroler Schützenabordnung an der Porta Nuova das Gedenken an den Sandwirt feierlich abgehalten.
Die Aufstellung der Tiroler Kaiserjäger
Als der in mörderischen Kämpfen zunächst besiegte Napoleon sehr rasch von seiner Verbannungsinsel Elba am 1. März 1815 nach Frankreich zurückgekehrt war, befahl Kaiser Franz am 17. Mai 1815 die rasche Aufstellung eines Jägerregimentes von 5.000 Mann in Tirol.
„Zum zweiten Inhaber des Tiroler Kaiserjägerregimentes ernannte der Kaiser, der ja dessen erster Inhaber war, mit Dekret vom 8. November 1815 den Feldmarschallleutnant Franz Philipp Freiherrn Fenner v. Fenneberg (der wegen seines lauteren Charakters und seiner Fähigkeiten auch an die Spitze des Militärkommandos in Innsbruck gestellt wurde) und zum Regimentskommandanten den Kommandanten des Fenner-Jägerkorps Obersten Karl Schneider Freiherrn v. Arno. (…) Als Ende Mai 1816 Kaiser Franz I. die Erbhuldigung Tirols in Innsbruck entgegennahm, defilierte die neue Truppe zum ersten Mal vor ihrem obersten kaiserlichen Regimentsinhaber“. (Oswald Gschließer: „Zur Geschichte des stehenden Heeres in Tirol. II. Die Zeit von 1813 bis 1848“ in: „Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum“, Innsbruck. Foto: Tiroler Kaiserjägermuseum, Berg Isel. Siehe dazu auch: L. Potschka: „Geschichte des Tiroler Jägerregiments Kaiser Franz Joseph“, S. 318, Innsbruck 1885).
Nach Ende des Feldzuges lag das 1. Bataillon im Piemont. Der Kaiser verfügte am 18.12.1822, daß die Kaiserjägerbataillone in die Heimat zurückzukehren haben. Anfang 1823 trat das 1. Bataillon von Cremona aus den Rückzug nach Tirol an und rastete in Mantua“. (Oswald Gschließer, w.o. S. 139).
Die Exhumierung des Sandwirts durch patriotische Kaiserjägeroffiziere und die Folgen
Den nachfolgenden Darstellungen über die Exhumierung der Gebeine Hofers auf Grund von Paulins Bericht, steht eine andere Version in Form eines Briefes eines Pfarrers entgegen, der auf Aussagen des angeblichen Tiroler Totengräbers basiert und auf die der Korrektheit wegen verwiesen werden muß:Die Familie Andreas Hofers
Paulin berichtete ausführlich, was weiter geschah (S. 172ff): „Im Jahre 1821 wollten Offiziere des 1816 errichteten Tiroler Kaiserjägerregimentes auf dem Durchmarsch nach dem Süden in Mantua die längst geplante Absicht durchführen. Der Tag der Ausführung kam aber erst auf dem Rückmarsch des 1. Kaiserjägerbataillons (…). Am Abend des 9. Jänner, den die Kaiserjäger als Rasttag in Mantua verbracht hatten, wollte Leutnant Georg Hauger, der tagsüber den Kasern-Inspektionsdienst versehen, das Grab Andreas Hofers besuchen.
Leutnant Georg Hauger, (*23.1.1792 in Freiburg im Breisgau; †13.1.1859 in Wien;er wurde auf dem Sankt Marxer Friedhof in Wien beigesetzt, seine Gebeine wurden 1935 in die Innsbrucker Hofkirche überführt und neben dem Grab Andreas Hofers bestattet). Bild aus: Wikipedia > ‚Georg Hauger (Militärperson)‘.
Eine Verspätung des ablösenden Inspektionsoffiziers schien Hauger aber diese Möglichkeit zu nehmen. Der Enttäuschte besprach sich mit mehreren Kameraden, den Hauptleuten Eduard Freiherrn von Sternbach, Johann v. Rumpelmayer, Alexander Chevalier de Rocqueville und Oberleutnant Josef Schön, die gerade im Begriff waren, nach dem Abendessen im Gasthaus ‚Igel‘ die Vorstellung in der Oper zu besuchen. Der Zufall führte an diesem Abend die rechten Männer zusammen. Georg Hauger hatte als junger Freiburger Student den Tiroler Freiheitskrieg mitgemacht und sich am 8.8. 1809 unter Anton Steger beim Kampf um die Lienzer Klause rühmlich hervorgetan.
Hauptmann v. Sternbach, ein gebürtiger Sterzinger, erstritt sich in der Leipziger Völkerschlacht 1813 durch eine Reitertat das Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens, Rumpelmayer und der Innsbrucker Schön dienten schon längere Zeit im Fenner-Jägerkorps und seit 1816 als Kaiserjäger. Alle diese Offiziere waren teilnehmende Zeitgenossen des Jahres 1809“.
Für nächsten Morgen 6.00 Uhr, war der Abmarsch aus Mantua befohlen. Die fünf Offiziere berieten sich kurz und schritten zur Tat, indem sie um 21.30 Uhr den Pfarrer Anton Bianchi aufsuchten und mit diesem dann Hofers Grab im Garten des Pfarrhofes bei Fackelschein besuchten. Ein einfacher Stein bedeckte das Grab. Die Darstellungen Haugers und jene von Rumpelmayer, wie sie des Pfarrers Einwilligung zur Exhumierung erlangten, unterscheiden sich, jedenfalls war Bianchi am Schluß dazu bereit. Mit Hilfe von Soldaten und dem Knecht, der Hofer begraben hatte, versehen mit Fackeln Schaufeln und Spitzhacken, wurde in der sternenhellen Winternacht die hartgefrorene Erde mühsam durchbrochen.
Die Ausgrabung von Andreas Hofers Gebeinen in der Nacht auf den 10.1.1823 in Mantua. Im Grabe stehend: Leutnant Georg Hauger (Originalzeichnung im Berg-Isel-Museum Innsbruck).
Auf Hinweise des Totengräbers stieß der grabende Jäger endlich auf die Knochen des Sandwirts. Leutnant Georg Hauger, welcher anatomische Kenntnisse besaß, stieg in die Grube und in kurzer Zeit war das gesamte Skelett freigelegt. In tiefer Ergriffenheit sahen die Offiziere, daß das Haupt und die Rippen Hofers Spuren der tödlichen Kugeln aufwiesen. Hauger stellte die Gebeine sachkundig zusammen und dann wurde alles in einem Sack und dieser in einer Truhe verwahrt. Um 01.30 verließen Offiziere und Soldaten den Garten.
Vor dem Abmarsch des Regiments stellte der Pfarrer den Offizieren ein Zeugnis über die Echtheit der Gebeine aus. Auf dem Marsch und auch in Trient blieb das Skelett unter Obhut Rumpelmayers, der vom Bataillonstischler einen Sarg anfertigen ließ. Regimentsoberarzt Dr. Murko setzte in Trient das Gerippe mit Draht zusammen. Bereits in Verona meldeten die 5 Offiziere zuerst mündlich und dann schriftlich ihre Tat an den Bataillonskommandanten, von dort gelangte die Meldung an das Regimentskommando, an das Landespräsidium und weiter an den Hofkriegsrat und an Kaiser Franz in Wien.
„Am 31.1.1823 erließ Kaiser Franz ein Handbillet an den Präsidenten des Hofkriegsrates, Feldmarschall Graf Bellegarde, in dem er ‚das eigenmächtige und ohne allen Befehl und höherem Vorwissen‘ erfolgte Vorgehen der fünf Offiziere ausdrücklich mißbilligte und den Befehl beifügte, gegen diese Offiziere, ‚um auch künftig allen Willkürlichkeiten kräftig vorzubeugen‘, nach den Gesetzen vorzugehen. Der Hofkriegsrat führte eine langwierige strenge Untersuchung gegen die ‚Sandwirtsgräber‘, die zur persönlichen Einvernahme nach Innsbruck zitiert wurden. Das Ergebnis der Untersuchung wurde dem Kaiser in einer ausführlichen Denkschrift vorgelegt, die auch die Rechtfertigung der Offizier enthielt. Der zweite Regimentsinhaber, Feldmarschallleutnant Baron Fenner, begleitete den Untersuchungsakt mit der schriftlichen Bitte um Rücksichtnahme auf die edlen patriotischen Beweggründe der Beschuldigten.
Nach dem Schiedsspruch der Gerichtskommission, deren Vorstand für die Hauptleute dreimonatigen, für den Oberleutnant zweimonatigen und für den Leutnant einmonatigen Profosenarrest (Militärarrest) beantragt hatte, stellte der Appellationsreferent mit Rücksicht auf verschiedene ‚lindernde Umstände‘ den Antrag, im Wege der Gnade die drei Hauptleute mit sechstägigem, Schön und Hauger mit dreitägigem Hausarrest unter strenger Verweisung ihrer Eigenmächtigkeit zu bestrafen. Diesem Antrag trat das Obergericht bei, der Hofkriegsrat empfahl in seinem Vortrag an den Kaiser mit Rücksicht auf die besten Gesinnungen und den Patriotismus der Angeklagten, denen eine eigentliche Subordinationsverletzung nicht nachzuweisen sei, daß den Offizieren ‚die ihnen zur Last fallende Unterlassung nachdrücklich verhoben und die Unzufriedenheit ihrer Vorgesetzten zu erkennen gegeben würde‘. Nach diesem Antrag überließ Erzherzog Ludwig am 2.9.1823 auf kaiserlichen Befehl dem Hofkriegsrat ‚die angemessene Zurechtweisung dieser Offiziere‘. (Paulin, w.o., S. 175/76).
1831, acht Jahre später, fand sich von den fünf Offizieren keiner mehr im Armeedienst, der Geist des „Wiener Hofes“ wird deren, nun aussichtlose, Karriere rasch beendet haben!
Kein Wort der Anerkennung, kein, wenigstens geheimer, Dank des Kaisers an die Offiziere. Dieser bürokratisch-eiskalte Geist, das diktatorische Denken, speziell in der Ära Metternich, das den österr. Völkern nicht den geringsten Freiraum ließ, verbunden mit der seelischen Versteinerung durch das „spanische Hofzeremoniell“, sehr krass erkennbar u.v.a. auch im Verhalten des „Wiener Hofes“ bei der Beisetzung des in Sarajevo 1914 erschossenen Thronfolgerpaares, feierte wieder einmal einen unsäglichen Einstand! Diese menschliche Negativhaltung der Führungsebene, welche die natürlichen Rechte und Wünsche der Völker der Monarchie nicht beachtete, war eine der maßgeblichen Ursachen für den inneren Zusammenbruch der Monarchie 1918, als die Völker diese Monarchie beerdigten.
Der Sarg des Sandwirts blieb in Bozens Probsteikapelle vom 1. bis 16.2.1823 aufgebahrt.
Der Kaiser ordnete am 28.1. an, daß „für die Bestattung der Überreste des Edlen v. Hofer in der Hofkirche zu Innsbruck auf eine anständige Art zu sorgen, jedoch dabei mit der nötigen Klugheit vorzugehen sei. Die näheren Bestimmungen waren dem Ermessen des Grafen Chotek anheimgestelt“.
Karl Graf Chotek v. Chotkow und Wognin, eine äußerst starke, patriotische und freimütige Persönlichkeit, erkannte die Bedeutung der Heimkehr Hofers und übernahm persönlich die Verantwortung für ein großes, feierliches Begräbnis. In einem ‚sehr dringenden Bericht‘ an den Minister des Innern, Graf Sarau, betonte Chotek, daß Hofers Überführung nach Tirol ‚allgemeine freudige Teilnahme“ erregt habe und es von den Tirolern ‚sicher übel aufgenommen würde, wenn aus diesem Anlaß nichts geschehe oder man diesfalls Hindernisse in den Weg legen wolle‘.
Choteks Bericht schloß mit der Anregung, ein Denkmal zu Ehren des Sandwirts zu errichten. Am 6.2. wurde Befehl erteilt, Hofer nach Innsbruck zu überführen.
„Der Transport durfte allerdings nicht vor der ersten Fastenwoche in der Landeshauptstadt eintreffen und mußte ‚zur Wahrung des Stillen Ernstes‘ heimlich erfolgen“ (Paulin, w.o., S. 177)
Der „Wiener Hof“ wollte, wohl aus systembedingtem politischem Argwohn, aus Vorsichts- und Rücksichtsgründen, jeden Auflauf und die massenhafte Begleitung von Hofers Sarg durch das Volk verhindern. Man war im „Wiener Hof“ über diese ungewollte Heimkehr des Sandwirts äußerst peinlich berührt, doch die Realität der gegebenen Lage konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Aber man wollte Hofer unbedingt unter „Decke und Stroh halten“:
„In der Nacht des 17. Februar, 2 Uhr früh, wurde der Sarg aus der Bozner Probsteikapelle erhoben, unter Stroh und einer Decke versteckt, auf einem Leiterwagen verladen und durch den Bozner Müllermeister Malfertheiner in Begleitung eines Kreisamtsdieners nach Innsbruck überführt“. (Paulin, w.o., S.178).
Innsbruck wurde am 19.2. zwischen 5 und 6 Uhr früh erreicht, der Sarg von einer Einheit der Innsbrucker Polizei übernommen und in das Servitenkloster verbracht.
„Es war dank der vorsichtigen behördlichen Überwachung gelungen, den Transport der Gebeine Hofers von Bozen nach Innsbruck ‚vorschriftsmäßig und ohne jedes Aufsehen‘ durchzuführen“ (Paulin, w.o., S.178).
„Erst am 24. Februar wurde bekannt gegeben, daß sich die sterblichen Überreste Hofers in Innsbruck befänden, ein Bericht über die Bestattung des Tiroler ‚Hauptmanns‘ erschien erst einen Monat später“. (Alexander Erhard: „Das ‚Andreas Hofer Grabmal‘ in der Innsbrucker Hofkirche. Die Rolle des österr. Kaisers bei Planung und Rückführung der Gebeine“ Innsbruck 2011).
Trotz alledem: Des Sandwirts feierliches Begräbnis in Innsbruck
Karl Paulin berichtete (S. 178ff): „In Innsbruck hatte inzwischen Graf Chotek mit der ihm eigenen Energie doch alles Vorbereitet, um wenigstens die Bestattung Andreas Hofers, trotz der von der Regierung anbefohlenen Vorsicht, zu einer Landes-Trauerfeier zu gestalten. Graf Chotek berichtete noch am 19. Februar das Eintreffen der Leiche nach Wien und betonte bezeichnenderweise, ‚daß über diese Ereignisse auch in der Zeitung – dem damaligen ‚Bote für Tirol und Vorarlberg‘ – berichtet werden müsse‘. Der fürsorgliche Landesgouverneur legte gleichzeitig einen Artikelentwurf zur Genehmigung bei. Um aber die Beteiligung am Leichenbegängnis trotz der noch immer ‚gebotenen Vorsicht‘ zu einer großartigen zu gestalten, sandte Graf Chotek persönliche Einladungsschreiben an alle Behörden und Honoratioren der Landeshauptstadt.
Am 21. Februar erklangen um 2 Uhr nachmittags von Wilten herab die Trauerglocken. Gegen 3 Uhr wurde der Sarg mit den Gebeinen Hofers aus der Zelle Nr. 14 des Servitenklosters in die Innsbrucker Hofkirche übertragen. Verdienstvolle Landesverteidiger von 1809 – Matthias Hell und Josef Nagele von Völs, Josef Mayr von Mutters, Josef Abenthung von Götzens, Josef Patsch von Wilten, der Bärenwirt Josef Natterer von Hötting und Johann Etschmann von Mutters – trugen den Sarg, auf dem Hofers Hut und Säbel, sowie die goldenen Ehrenkette des Kaisers und sein Wappenschild lag. Dicht hinter dem Sarg schritten Hofers Waffengefährten, der Landesschützenmajor Josef Ignaz Straub, Kronenwirt von Hall und Kajetan Sweth. (…)
Den feierlichen Trauerzug eröffnete die Wiltener Schützenkompanie mit umflorter Fahne, es folgten Zünfte, die Vertreter der Landes- und Stadtbehörden, die Gymnasialjugend und die Lyzealstudenten. In Vertretung der Regierung nahm Landesgouverneur Graf Chotek mit seinen Beamten teil, dann der Stadtklerus unter Führung des Abtes von Wilten, Alois Röggl. Weiters beteiligten sich der Stadtkommandant General Lussem, das Offizierskorps der Tiroler Kaiserjäger und eine Abteilung Jäger ‚ohne Armatur‘. Erst gegen 4 Uhr erreichte der Trauerzug die Hofkirche, wo die Leiche Andreas Hofers an der Stelle des ersten Seitenaltars links neben dem Eingang in die bereitgehaltene Grabstätte versenkt wurde (…)“.
Weder Anna Hofer, noch Hofers Kinder nahmen an der Beisetzung in Innsbruck teil. Ob hier wiederum „höhere Rücksichten“ des „Wiener Hofes“ wirksam wurden oder persönliche Gründe für das Fernbleiben der Familie vorlagen, bleibt unbekannt. Bis an ihr Lebensende lebte Anna Hofer zurückgezogen im Passeiertal.
„Über die ‚Gründe zur Wahl der Hofkirche als Bestattungsort kann nur spekuliert werden. Aus den Akten ist diesbezüglich nichts zu entnehmen. Allerdings liegt der Schluß nahe, daß nicht zu Unrecht befürchtet wurde, an der Grabstätte könnte ein Wallfahrtsort für revolutionäres Gedankengut entstehen. Da die Hofkirche im Eigentum des Staates stand, hatte dieser als Eigentümer volle Durchgriffsrechte und hätte sie im Notfall auch leicht sperren lassen können. (…) Die Wahl der Hofkirche als Bestattungsort war für den Staat sicherlich ein Zugeständnis, das aber aus Sicht der höchsten politischen Führungsebene notwendig schien, um weiterhin die Kontrolle über alle Ereignisse und Eventualitäten behalten zu können“ (Mertelseder/Mazohl/Weber, w.o. S.152).
Die Gestaltung von Hofers Grab wollte ebenfalls der „Wiener Hof“ allein bestimmen, man wollte, sich selbst immer treu, ein Standbild eines ‚demütigen Hofer‘ haben.
Unter vielen Einreichungen wurde der Entwurf des Malers Johann Martin Schärmer genehmigt, es zeigt jedoch einen durchaus selbstbewußten Hofer. Am 5. Mai 1834 wurde das Denkmal enthüllt. Es besteht aus Laaser Marmor und wurde von den Professoren der Wiener Akademie Johann Schaller und Josef Klieber angefertigt.
An der Seite des Sandwirts ruhen seine später beigesetzten Waffengefährten: Josef Speckbacher und Pater Joachim Haspinger, sowie seit 1935 auch der aus Wien überführte Ausgräber des Sandwirts, Leutnant Georg Hauger.
Ein Bergfeuer in Virgen (Bezirk Lienz) zum 200. Todestag von Andreas Hofer im Jahre 2010. Eine Mahnung an die Wiener und Bozener Politik, die sich betreff der Politik zur Landeseinheit Tirols bis zum heutigen Tag kaum änderte: schamlose Doppelzüngigkeit und politischer Betrug heißen die jahrzehntelangen, systemimmanenten Wesensmerkmale (s. dazu die mit hunderten Original-Dokumenten belegten Bücher von Dr. Helmut Golowitsch: „Für die Heimat kein Opfer zu schwer. Folter, Tod, Erniedrigung: Südtirol 1961-1969“, 2009; ders.: „Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“; Graz 2017; ders.: „Südtirol – Opfer geheimer Parteipolitik. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“, Graz 2019.)
Hofers Heimkehr in damaliger offizieller Berichterstattung
„Der Kaiserlich Königlich privilegierte Bothe von und für Tirol und Vorarlberg“ berichtete am 24. Februar 1823 in lediglich 15 Zeilen kurz darüber, dass die Gebeine Andreas Hofers in Innsbruck „feierlich zur Erde bestattet“ worden seien. Angekündigt worden war diese Bestattung in dieser Wochenzeitung vorher nicht.
Erst am 13. März 1823 veröffentlichte die dem Hofe in Wien nahestehende Zeitung auf Betreiben des Landesgouverneurs Graf Chotek dann doch einen umfangreicheren Bericht über das Begräbnis Hofers, welches zu einem Großereignis geworden war.
In dem Bericht hieß es:
„Schon um 2 Uhr mahnten dumpfe Glockenschläge vom Kloster Wiltau herab die nahe Stunde der Feier. Die Vorstadt füllte sich mit Menschen von allen Ständen, und um 3 Uhr waren bereits sämmtliche Behörden in der Klosterhalle der P. P. Cerviten um Hofers Sarg versammelt.
Ein schwarzsammtenes Tuch, Hut und Säbel, Hofers Verdienstmedaille mit der goldenen Kette, und – als die bedeutendste Insignie – vier Wappenschilder zierten den Sarg. Nach 3 Uhr hoben sechs seiner Kampfgefährten den Sarg auf ihre Schultern, und der Zug begann in folgender Ordnung: Die Wiltauer Landes-Schützen-Kompagnie mit dem Trauerflor auf der Fahne. Die Zünfte. Die Gymnasial-Jugend. Die Lyceal-Schüler. Die P. P. Kapuziner und Serviten. Der gesammte Lehrkörper, dann die Behörden. Der Stadtklerus, geführt vom hochwürdigen Herrn Prälaten von Wiltau und k. k. Hofkaplan Aloys Nöggl. Die Bahre. Unmittelbar hinter ihr der Herr Schützenmajor Straub von Hall, und Hofers bis zur Todesangst unzertrennlich treue Adjutant Sweth.
Die Stände, in ihrer Spitze der Herr Landeshauptmann, Herr Graf von Chotek, an seiner Seite der kommandierende General v. Luxem. Das Offizierskorps des k . k. hier garnisonnierenden Jäger-Regiments und der städtischen Scharfschützen-Kompagnie. Eine Abteilung Jäger ohne Armatur. Hinter ihnen das übrige Volk.
Alle Fenster waren geöffnet, und so lang auch der Zug war, so konnte er doch die andächtige Menge nicht fassen.
Durch gedrängte Volksreihen, in feierlicher Stille, nur durch ferne Pöllerschüsse, durch dumpfe Posaunentöne und halblaute Gebethe unterbrochen, bewegte sich der Zug.
Gegen 4 Uhr langte die Bahre in der k. k. Hofkapelle an. In derselben Kirche, in welcher Se. Excell. der vorige Prälat, Markus Egle, dem Oberkommandanten Hofer die ihm von Sr. Majestät verliehene goldene Kette umhing, in derselben Kirche begleiteten die frommen Gebethe des nunmehrigen Herrn Prälaten Hofers Gebeine unmittelbar nach dem Jahrestag seines Todes in das Grab, das ihm der beste Fürst mitten unter den Denkmälern seiner Ahnen mauern ließ.“
Der Wiener Hof „ehrte“ Hofers Mitstreiter Kajetan Sweth
Auf welche Weise der Wiener Hof den treuen Adjutanten Hofers, Kajatan Sweth, damals „ehrte“, berichtete „Der Kaiserlich Königlich privilegierte Bothe von und für Tirol und Vorarlberg“ in seiner Ausgabe vom 6. März 1823.
Sweth erhielt „die kleine goldene Civil-Ehren-Medaille“. Der „Bothe“ durfte darüber in 7 Zeilen berichten. Das muss nicht weiter kommentiert werden.
Die Langobarden im Süden Tirols
Bild: Siedlungen der Langobarden in Norditalien
von Georg Dattenböck
Der römische Historiker Tacitus verfasste eine ethnographische Beschreibung von Germanien in der Zeit des zweiten Konsulats des Kaisers Trajan, am Höhepunkt römischer Macht.
Unter den vielen nördlich lebenden Stämmen erwähnte Tacitus auch kurz die Langobarden:
„Dagegen macht die Langobarden die geringe Zahl berühmt: inmitten zahlreicher, sehr starker Stämme sind sie nicht durch Gefügigkeit, sondern durch Kampf und Wagemut geschützt“ [„Germania“, 40. Kap.; Stuttgart 1971].
Ein langobardischer Adeliger und Mönch aus dem Kloster Monte Cassino namens Paulus Diakonus schrieb, nach Verfasseransicht im 10. Jahrhundert, mit großer persönlicher Anteilnahme, einen Teil der Geschichte seines Volkes, bricht jedoch mitten in der Erzählung ab, weil er möglicherweise starb.
[Paulus Diakonus: „Historia Langobardorum“, übersetzt von Otto Abel, Essen/Stuttgart 1986.
Zur Geschichte der Langobarden empfehlenswerte Literatur: Wolfgang Haubrich: „Langobardisch-fränkische Ortsnamen in Oberitalien: Zu den toponymischen Typen Stuttgart, Gamundio und Herstall / Wardstall“ in: „Namenkundliche Informationen NI“ 109/110, S. 269-290, 2017;
Walter Pohl/Peter Erhart: „Die Langobarden. Herrschaft und Identität. Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse“ Bd. 329 – Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, Wien 2005; „Die Langobarden“: Katalog zur Ausstellung im Rheinischen Landes-Museum Bonn 2008-2009; Winfried Menghin: „Die Langobarden – Archäologie und Geschichte; Stuttgart 1985; ders.: „Gotische und langobardische Funde aus Italien“; Nürnberg 1993;
Jörg Jarnut: „Geschichte der Langobarden“; Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1982].
Über die nebelhaft-mythischen Ursprünge berichtete P. Diaconus: „Es gibt nämlich eine Insel, die Skadan [Skandinavien] genannt wird, das heißt im Norden, und da wohnen viele Völker. Unter diesen war ein kleines Volk, das man Winniler nannte (…). Es erhoben sich nun gegen sie die Herzöge der Wandalen, nämlich Ambri und Assi mit ihrem Volk und sprachen zu den Winnilern: ‚Entweder zahlt uns Zins oder rüstet euch zum Streit und streitet mit uns. (…)“
Die Winniler siegten und „seit der Zeit wurden die Winniler Langobarden genannt. Und danach brachen die Langobarden auf und kamen nach Golaida und hierauf besaßen sie Aldonus, Anthaib und Bainaib und Burgundaib“ [Literatur dazu: Birger Nerman: „Die Herkunft und die frühesten Auswanderungen der Germanen“, Stockholm 1924; Horst Kelling: „Parum, Kreis Hagenow. Ein Langobardenfriedhof des 1. Jahrhunderts. Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburgs“, Bd. 5, Schwerin 1986; Dr. Gerhard Körner: „Die südelbischen Langobarden zur Völkerwanderungszeit; Bd. 4, Hildesheim/Leipzig 1938; Ralf Bosch: „Die Langobarden. Von der Unterelbe nach Italien“. Katalog zur Ausstellung 1988, Neumünster 1988].
Im Kontext mit archäologischen Erkenntnissen ist anzunehmen, daß die Langobarden von der unteren Elbe (Bardengau?) durch die Siedlungsgebiete der im Osten zurückgebliebenen Reste der Burgunder und dann weiter nach Böhmen/Mähren zogen (im südmährischen Kyjov – deutsch Gaya -, südöstl. von Brünn, wurden über 240 langobardische Gräber gefunden).
Von dort aus besetzten sie 489 unter Führung ihres Königs Godeoc das Rugierland (heutiges Wald- und Weinviertel nördlich der Donau), nachdem zuvor (487) der römisch-germanische Heermeister Odoaker die Rugier unter ihrem König Fewa geschlagen hatte.
Unter Führung von König Tato, dem Enkel von Godeoc, zogen sie in das Marchfeld östlich von Wien und besiegten 510 in Pannonien die Heruler unter deren König Rodulf:
„Und es stritt Tato mit Rodulf, dem König der Heruler, und tötete ihn und trug seinen Banner und seinen Helm davon. Nach ihm hatten die Heruler keinen König mehr“ [P. Diaconus, w.o.].
Mit der Unterstützung des byzantinischen Kaisers Justinian I. siedelten die Langobarden nach diesem erfolgreichen Kampf unter ihren Königen Wacho und dem auf diesen folgenden König Audoin, in ganz Westpannonien, einschließlich des heutigen Burgenlandes. [Literatur dazu: Eduard Beninger/Herbert Mitscha-Märheim: „Das langobardische Gräberfeld von Nikitsch, Burgenland.Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland“, Heft 43, Eisenstadt 1970; Peter Stadler: „Das langobardische Gräberfeld von Mödling, Niederösterreich“ in: „Archaelogia Austriaca“ 63, Wien 1979].
Die Grabfunde in Pannonien zeigen, daß damals die Langobarden auffallend groß (ø 1,8 m) und muskulös waren, ihre Frauen waren ebenfalls sehr groß (ø 1,7 m).
Ihre nunmehr östlichen Nachbarn, die gotischen Gepiden, konnten die Langobarden 567, im Bündnis mit den Awaren, ebenfalls noch besiegen, die übermächtigen Awaren, deren Herkunft und Sprache heute immer noch umstritten ist, jedoch nicht mehr.
[Einen fundierten Überblick über die damalige Lage gibt der Althistoriker Roland Steinacher: „Rom und die Barbaren. Völker im Alpen- und Donauraum 300-600“; Stuttgart 2017; siehe dazu auch Walter Pohl: „Die Gepiden und die Gentes an der mittleren Donau nach dem Zerfall des Attilareiches“ in: Herwig Wolfram/Falo Daim (Hrsg.): „Die Völker an der mittleren und unteren Donau im fünften und sechsten Jahrhundert.“ Hg. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse. Denkschriften. Band 145, Veröffentlichungen der Kommission für Frühmittelalterforschung, Band 4, Wien 1980; Walter Pohl: „Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567–822 n. Chr.“, München 2002].
Daher sah Langobardenkönig Alboin für die Zukunft seines (geschätzten) 100 bis 150.000 Köpfe zählenden Volkes nur mehr den Einmarsch in das geschwächte Italien als einzigen Ausweg an. Man kann diesen folgenschweren Entschluss Alboins auch als eine ziemlich überstürzte Flucht vor den Awaren beurteilen.
Von Trient aus beherrschte der im Dienst des byzantinischen Feldherrn Narses stehende herulische Heermeister Sinduald mit 3000 Reitern die Heerstraße via claudia augusta und die Brennerstraße. Sinduald empörte sich gegen Narses, wurde von diesem jedoch am Fluß Brenta, der südöstlich von Trient entspringt, geschlagen und zur Abschreckung sogleich gehängt. Diese militärische Schwäche der Römer/Byzantiner nutzte den Langobarden:
„Am Tage nach dem heiligen Osterfest, dem zweiten des Monats April im Jahre der Menschwerdung des Herrn 568“ [Paulus D., w.o.], zogen die Langobarden, als letztes Germanenvolk in einer langen Vorgängerreihe, mit großen Viehherden, mit all ihrem Hab und Gut, mit vielen Sklaven, im Gefolge auch kleinere Gruppen, darunter an die 20.000 Sachsen, über die Pässe der Julischen Alpen, in Friaul/Venetien ein. 2000 Gespanne umfaßte der Treck und war an die 50 Kilometer lang, berichtet Jürgen Misch [„Die Langobarden. Das große Finale der Völkerwanderung“, S. 154, Pfaffenhofen/Ilm 1977].
„Als nun König Alboin mit seinem ganzen Heer und einem großen Haufen allerlei Volks an die äußerste Mark Italiens kamen, bestieg er einen Berg, der sich dort erhebt, und beschaute Italien, soweit als er hineinsehen konnte“ [Paulus D., w.o.].
Es kann der Monte Matajur (1642 m) gewesen sein, von dem aus ein sehr weiter Rundumblick gegeben ist. Die römischen Sperrwerke der „Claustra Alpium Iuliarum“ im Birnbaumerwald leisteten keinen Widerstand, Cividale wurde kampflos besetzt und wurde in der Folgezeit ein kulturell berühmtes langobardisches Zentrum. Im durch die Pest, Kriege und Hunger entvölkerten Land regte sich nirgends ein Widerstand, Ausnahme waren die befestigten Städte: Mailand, Padua, Mantua und Pavia, das erst nach drei Jahren fiel.
Die später nach den Langobarden benannte Lombardei wurde 569 bis zur Region Piemont im Westen, vom Lago Maggiore und Gardasee im Norden, bis zunächst zum Po im Süden, langsam und dünn besetzt. Es kam zu ständigem Wechsel des Königssitzes zwischen Verona und Mailand, am Ende wurde jedoch Pavia bevorzugt, wo von 647 bis 1050 zweiunddreißig katholische Bischöfe bekannt sind, davon werden 22 ausdrücklich als „Ultramontani“, also als Deutsche bezeichnet. Noch 200 Jahre nach dem langobardischen Einmarsch gab es geschlossene gepidische, sarmatische, suebische und norische Dörfer, berichtet Paulus Diaconus. Nur die große Gruppe der Sachsen wurde immer unzufriedener mit ihrer Lage und sie zogen schließlich in einem abenteuerlichen Marsch nach Norden, zurück in die Heimat.
Carl Freiherr v. Czoernig berichtete 1885 über zentrale Siedlungsplätze der Langobarden [„Die alten Völker Oberitaliens – Italiker (Umbrer), Raeto-Etrusker, Raeto-Ladiner, Veneter, Kelto-Romanen. Eine ethnographische Skizze“; Wien 1885]: „Der Mittelpunkt der langobardischen Ansiedlung in der Lombardei war die Brianza.“
Vom Comer See im Norden bis zum Gebiet von Monza im Süden, von Seveso im Westen bis nach Bergamo im Osten, läßt sich dieses Zentrum definieren. Czoernig schrieb weiter, daß die Vasallen der langobardischen Fürsten ‚durch die große Glocke auf dem Brianzaberge gerufen wurden, und dort zeigen sich noch dem forschenden Blick die leisen Spuren des alten Langobarden-Volkes. Namentlich im südöstlichen Theile dieses Landstriches gewahrt man die Leute mit heller Gesichtsfarbe, blonden Haaren und blauen Augen, welche sich von der Umgebung durch ihren stillen und ruhigen Charakter und durch ihren ungewöhnlichen Fleiß in der Bebauung ihrer Scholle unterscheiden. Der Verfasser sah dort in der späten Nacht einen Bauer, welcher bei einer an den Pflug befestigten Laterne seinen Acker bestellte. Diese Gegend war auch der österreichischen Regierung besonders anhänglich, und es erhoben sich im Jahre 1799 vor der Ankunft der österreichischen Truppen die dortigen Bewohner zu einem Aufstande gegen die Republikaner.“
Die Langobarden waren berühmte Reiterkrieger und ihr Heer hatte, verteilt über das Land, deshalb auch größere Gehege für die Pferdeherden. Haubrich schrieb [w.o. S. 270], daß ausschließlich nördlich des Po, im Piemont, bei Bergamo, Brescia und Verona diese Gehege, mhd. „stuot-garte aus voralthochdeutsch *stôda-gardôn“ gelegen sind und dokumentiert dies mit vielen urkundlichen Hinweisen, wie z.B. aus dem Jahr 989: „Stodegarda“ bei Brescia, im 11. Jhdt.: „Stoerda“ im Piemont, 1006 und 1095: mit „vicus Stodegarda“ bei Poirino (Turin), 1221: „Scoegarda“ bei Olive (Verona), ebenso gleich bei Longare (Vicenza), 1263 und 1493: „Stuthigarda“ bei Bergamo, ein Hofname „Stolegarda“ bei Varese und ein Ortsname „Stulengarius“ aus Sirmione am Gardasee.
Langobardischer Reiter – Beschlag vom Prunkschild aus Stabio Kanton Tessin/Ticino, Schweiz. Im um 1837 unsachgemäß geborgenen Grab 1 von Stabio befanden sich die Beschläge eines Schildes, ein Goldblattkreuz, eine Spatha und eine Lanze, sowie ein Bronzegefäß zu Füßen des Verstorbenen. (…) Die Beschläge waren ursprünglich auf einem gewölbten Schild aus Holz angebracht, der möglicherweise mit Leder überzogen war und einen Durchmesser von 60 bis 70 cm gehabt haben dürfte. Sie bestehen aus feuervergoldetem Bronzeblech und weisen eine Reihe erhaltener Nieten auf, mit denen sie am hölzernen Schild befestigt waren. Dieser Reiter war im äußeren Kreis des Schildes montiert. Exponate in der Ausstellung „Die Langobarden. Das Ende der Völkerwanderung“ vom 22.08.2008-11.01.2009 im Rheinischen LandesMuseum Bonn. Leihgaben aus dem Historischen Museum Bern.
Das mit dem Reichsadler gebesserte Wappen der Visconti mit der Herzogswürde von Mailand (aus: „Wernigeroder (Schaffhausensches) Wappenbuch“, 15. Jh.; Bayerische Staatsbibliothek München, Cod.icon. 308 n). Die Visconti leiteten ihren Ursprung aus den Grafen v. Angloria her, die angeblich Nachkommen langobardischer Könige waren.
Das Wappen der Visconti (lat. Vicecomites) geht auf eine langobardische Überlieferung zurück: Sinnbild ist die langobardische Snake oder Unk, was sich auch aus der Verwendung der Schlange in der Symbolik der skandinavischen Runengrabsteine ergibt: die Schlange ist die Bringerin des neuen Lebens, des Kindes.
In der „Vita Sancti Barbati“ wird berichtet, daß die zwar getauften Langobarden trotzdem noch immer an ihren alten Vorstellungen und Bräuchen hingen. Sie verehrten eine goldene Schlange und den heiligen Baum (Irminsul), an dem eine Tierhaut aufgehängt war, durch welche Reiter rückwärts den Speer schleudern mußten: ein nordischer Kultbrauch zur Zeit der Wintersonnwende.
Das „Ökumenische Heiligenlexikon“ berichtet: „Vom heiligen Barbatianus (= der aus der Fremde stammende) berichtet Petrus Damiani in einer kurzen Notiz über die Akten des Barbianus, eine romanhafte Heiligenlegende, die wohl im 9., sicher vor dem 11. Jahrhundert verfaßt wurde. Unzweifelhaft ist also nur, daß Barbatianus Priester am Johannes dem Täufer geweihten Kloster in Ravenna war. Seine Gebeine werden in einem Sarkophag aus dem 6. Jahrhundert in der Kathedrale in Ravenna verwahrt.“
Eine langobardische goldene Schlage – archäologisches Fundstück. (Aus Katalog „Die Langobarden – von der Unterelbe nach Italien“. Veröffentlichung des Hamburger Museums für Archäologie und die Geschichte Harburgs. Neumünster 1988, S. 41)
Starke Bindungen der Langobarden zu den Baiern
Nicht nur die sehr engen verwandtschaftlichen Bindungen zwischen den frühen Führungsgeschlechtern der Baiern und Langobarden sind historisch evident, sondern auch die Ansiedelung vieler langobardischer Sippen im bairischen Stammesgebiet werden laufend archäologisch erschlossen, so z.B. in Waging a. See [s. dazu: Ronald Knöchlein: „Das Reihengräberfeld von Waging am See“, Hg.: Verein für Heimatpflege und Kultur Waginger See e.V.].
Knöchlein schrieb (S. 42): „Schon lange vor dem Eckdatum 568 war spätestens um 540 eine mehr als Dutzend Individuen umfassende Personengruppe aus den (…) Wohnsitzen der Langobarden donauaufwärts nach Westen gelangt und hatte die Gründergeneration in Waging maßgeblich geprägt. Waging steht unter diesem Gesichtspunkt keineswegs allein. Noch weiter westlich, wie z.B. in der Münchner Schotterebene, läßt sich zur gleichen Zeit wie in Waging, eine Präsenz langobardischer Gruppen feststellen.“ [s. dazu auch: Stephanie Keim: „Kontakte zwischen dem alamannisch-bajuwarischen Raum und dem langobardenzeitlichen Italien“, Dissertation, München 2003].
Langobardenkönig Audoin (*῀515; †῀560) war in 1. Ehe mit der bairischen Herzogstochter Rodelinde verheiratet, aus dieser Ehe stammte König Alboin. Von daher erklären sich die vielen langobardischen Siedlungen in Baiern.
Agilulf war Herzog der Stadt Turin, als er am 15. Mai 589 an der Hochzeit von König Authari mit Theodolinde (*῀570, †627, Grab im Dom zu Monza) teilnahm. Theodolinde war die Tochter des bairischen Herzogs Garibald I. und der Walderada, eine Tochter des Langobardenkönigs Wacho. Theodelinde und ihr Vater waren mit dem Papst Gregor I. befreundet.
Nachdem König Authari am 5. September 590 gestorben war, wurde Herzog Agilulf Anfang November 590, durch Heirat der Witwe Theodelinde, Nachfolger des Authari. Im Mai 591 wurde Agilulf durch die Mehrheit der langobardischen Herzöge anerkannt und gekrönt.
Doch nicht alle waren mit ihm als König einverstanden, aber er setzte sich mit sehr harten Maßnahmen durch: Zangrolf v. Verona und Mimulf, der eine Insel namens Isola San Giulio im Ortasee im Piemont beherrschte, ließ er 593 als Gegner hinrichten.
„Die Agilulf-Platte zeigt die älteste bekannte Darstellung eines germanischen Herrschers auf dem Thron und bezeugt die Übernahme der römischen Tradition des triumphierenden Fürsten. (…) Zu beiden Seiten des Throns stehen Leibgardisten. Der König trägt das lange Haar und den langen Bart der Langobarden, jedoch keine Krone. In der rechten Hand hält er das Schwert als Zeichen seiner militärischen und richterlichen Gewalt [Text von Herwig Wolfram in: „Das Römerreich und seine Germanen.“ Weimar/Köln 2018].
Auch der Herzog Gaidulf v. Bergamo rebellierte und verschanzte sich auf der einzigen Insel des großen Comer See, wurde von Agilulf begnadigt, nach erneuter Rebellion 593 jedoch ebenfalls hingerichtet. Herzog Ulfari von Treviso, wie ebenso auch die Herzöge Gaidoald v. Trient und Gisulf v. Friaul, rebellierten. Agilulf schlug diese Aufstände 602 nieder und begnadigte die Rebellen.
König Agilulf (†615) war, wie ursprünglich die Langobarden seit 565, arianisch-christlichen Glaubens, jedoch waren sie damals noch stark ihrer alten, nordischen Glaubenswelt verhaftet. Als christliche Schutzpatrone wählte sich dieses Kriegervolk zielstrebig zwei streitbare Heilige: die beiden Drachentöter St. Michael und St. Georg.
Agilulfs Gattin Theodolinde war jedoch katholisch und war eine sehr starke Persönlichkeit. Auf ihren großen Einfluß und Betreiben hin wurden die Langobarden langsam Katholiken, darunter auch ihr Sohn, Adaloald (auch Adalwald, *602 Monza, †626, von 615 an König), der vom Bischof v. Trient katholisch getauft wurde und eine Tochter des Frankenkönigs Theudebert II. ehelichte.
Seine religiöse Toleranz zeigte Agilulf, als er dem irischen Missionar Columban im Jahr 612 für die Gründung des später berühmten Klosters San Colombano in Bobbio bei Piacenza viel Land schenkte. Bobbio wurde religiöses Zentrum gegen den Arianismus (!) und besaß eine der größten Bibliotheken des Mittelalters. Unter der Herrschaft Napoleons wurde das Kloster Bobbio 1803 aufgelöst. Napoleon scheute auch nicht davor zurück, sich mit der Eisernen Krone der Langobarden am 26. Mai 1805 im Mailänder Dom zum König von Italien krönen zu lassen.
Die sogenannte ‚Eiserne Krone‘ der Langobarden wird im Altartabernakel in der Kapelle der Theudelinde (Cappella di Teodolinda) des Doms von Monza aufbewahrt. Im Wappen des Königreichs Italien war sie als Helmzier abgebildet. Die Krone besteht aus einem sechsteiligen, grün-emaillierten und mit 22 Edelsteinen besetzten Goldreif. Er wird im Inneren von einem Metallring zusammengehalten, der der Legende nach aus einem Nagel vom Kreuz Christi hergestellt wurde. Es erscheint jedoch nach neueren Forschungen fraglich, daß die Krone von ihrer heutigen, inneren Befestigung ihren Namen hat, die weder aus Eisen besteht, noch in die Entstehungszeit zurückreicht. Vielmehr könnte sie zu früheren Zeiten einen weiteren, inzwischen verlorenen, tatsächlich eisernen Bügel gehabt haben. Eine nähere Untersuchung ergab, daß Wachsbestandteile aus dem Zeitraum um 500, also dem Übergang von der Antike zum Mittelalter, stammen könnten (…) Die chemische Analyse von 1993 ergab zwei aufeinander folgende, noch frühere Entstehungsperioden einzelner Bestandteile um 450/500 und um 800 Das würde eine Anfertigung in der Völkerwanderungszeit, also zur Herrschaft der Langobarden bestätigen. (s. dazu: Wikipedia > Eiserne Krone).
Die langobardischen Arimannen im südlichen Tirol
Die Langobarden hatten historisch zweifellos auch einen starken Bezug zum südlichen Tirol (dem späteren Welsch-Tirol), vor allem durch jene die Grenzen sichernden bäuerlichen Kriegersippen, Arimannen genannt. Dieser Name wird vom germanischen Hariman = Heermann, altnordisch hermaðr, abgeleitet.
Noch am Ende des 10. Jhdts. werden urkundlich hunderte dieser Arimannen in Italien erwähnt, darunter z.B. ein Rainer v. Ravenna, dessen Vater Teudegrimm und dessen Mutter Ingelrada hießen. Allein im Umkreis von Ravenna an der Adria bestanden im 10. Jhdt. noch drei arimannische Siedlungen: Consandolo, Ficarolo und Trento [Regesta Imperii, II. Sächsische Zeit, 5. Abt. Papstregesten 911-1024].
Um das Jahr 575 erreichten die Langobarden den Raum bis kurz südlich vor Bozen. Damit hatten sie die militärstrategisch wichtige Talgabelung mit dem wohl dort stehenden Castrum Pons Drusi (in der deutschen Sage nach Ansicht des Verfassers ‚Brictan‘), in ihrer Hand. Es könnte sich um das heutige Sigmundskron handeln, das in dieser Talgabelung und hoch über Etsch und Eisack steht und erstmals urkundlich 945 als Formigar erwähnt und von Kaiser Konrad II. 1027 dem Bischof Udalrich II. v. Trient übergeben wurde. Die Beherrschung dieser Stelle war folgend für die Auseinandersetzungen mit den Franken von Vorteil: Herzog Ewin v. Trient konnte ein angreifendes fränkisches Heer bei Salurn schlagen.
Prof. Dr. Richard Heuberger schrieb ausführlich über diese Siedlungen der Arimannen im Süden Tirols [in: „Limes Tridentinus. Ein Beitrag zur Geschichte des spätrömisch-ostgotischen und byzantinisch-langobardischen Grenzschutzes“; in: „Voltelini-Festschrift, Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum“, Heft 12, Jg. 1932, Innsbruck].
Er berichtete, daß „der von Trient verwaltete Teil des Etschtales samt den zugehörigen Seitentälern durch Arimannen gesichert wurde, die an Stelle der römischen ‚milites limitanei‘ getreten waren (…). Auch die Langobarden werden sich (…) zunächst darauf beschränkt haben, die von ihnen im alpinen Flußgebiet der Etsch, im Sacratal und in der Valsugana vorgefundenen Kastelle und Talsperren für die Zwecke der Landesverteidigung zu nützen.“
Heuberger schrieb jedoch auch einschränkend (S. 50), daß sich im Einzelnen nicht feststellen läßt, in welcher Weise mit der Ansiedlung langobardischer Krieger im Herzogtum Trient und in dessen Nachbarschaft verfahren worden ist: ‚Denn die Arimannien dieser Gegenden werden (…) erst in den Urkunden des 12. Jahrhunderts und der Folgezeit genannt und sie erscheinen in diesen Quellen nur mehr als Landgüter, deren persönlich freie Inhaber bestimmte Abgaben, nicht aber Waffendienste zu leisten hatten.“
Der Toponomastik-Experte und Sprachforscher Dr. Egon Kühebacher bemerkte zu den Langobarden in Tirol [„Zur Geschichte der Sprachbewegungen in der deutsch-italienischen Grenzzone des Etschgebietes“ S. 273; in: „Das Südtiroler Unterland. Jahrbuch des Südtiroler Kulturinstitutes“, Bozen 1980]:
„Nach den Erkenntnissen der Geschichtsforschung entstand im Herzogtum Trient wie überall im Langobardenreich Siedlungen von Arimannen, das sind Krieger mit ihren Sippen, und zwar an politisch und wirtschaftlich wichtigen Orten. Arimannensiedlungen konnten bisher im Fleims- und Cembratal, am Nonsberg und bei Sopramonte nordwestlich von Trient, bei Civezzano und Arco gefunden werden; in jenem Teil des Trienter Herzogtums, der später für den deutschen Sprachraum gewonnen worden ist, also im Unterland und im Gebiet rechts der Etsch, sind solche Siedlungen bisher nur in Montan und Auer nachgewiesen. Wahrscheinlich kam es aber sowohl nördlich als auch südlich von Salurn zu weit mehr Niederlassungen langobardischer Leute. Man findet nämlich auch in diesem nördlichsten Teil des Herzogtums Trient viele Ausdrücke der Rechts-, Verwaltungs- und Militärsprache, die aus dem Langobardischen ins Romanische übernommen worden sind, urkundlich immer wieder belegt, ja sie drangen auch in die Amtssprache der Grafschaft Bozen ein, die ja mit Trient eng verbunden war.
Es erhebt sich nun die Frage, wie lange diese Langobarden ihre germanische Muttersprache bewahrt haben. Während eine gegen Ende des 10. Jahrhunderts in Salerno verfaßte Aufzeichnung meldet, daß die Langobarden die germanische Sprache bereits abgelegt hätten, äußert hundert Jahre früher Bischof Luitprand von Cremona im Namen der Langobarden ein starkes langobardisches Volksgefühl gegenüber den Romanen und einige Jahrzehnte vorher zeigte Paulus Diaconus Warnefried noch eine lebendige Kenntnis der langobardischen Muttersprache. Sicher ist das Absterben dieser Sprache nicht in allen Teilen Italiens gleichzeitig erfolgt, der letzte Beleg für ein langobardisches Sprachleben stammt aus dem Jahre 1000.“
Die Sprachenfrage war immer eine Machtfrage
„Die ‚gens Langobadorum‘ waren sprachlich mit Alemannen und Baiern eng verwandt“ [W. Haubrich, w.o.]
Dr. Egon Kühebacher stellte zu den Namen und der Sprache in Tirol fest: „Bei ihrer Siedlungstätigkeit haben die Bajuwaren in Tirol zunächst das von der rätoromanischen Bevölkerung gebrauchte geographische Namensgut übernommen und nur für die Neurodungen und Neugründungen deutsche Namen geprägt. Die Namen romanischer Herkunft wurden natürlich im Munde der neuen Siedler nach sprachimmanenten Lautgesetzen umgeformt. Sie verteilen sich wiederum ganz gleichmäßig in Nord- und Südtirol, tragen gleichsam das Signum zweier Sprachen auf der Stirn und spiegeln das Entstehen des heutigen Tiroler Volkes aus der vorromanischen und romanischen Grundschicht und der bairisch-alemannischen Volksschicht wider.“
[Dr. Egon Kühebacher: „Sprache und Namen im Dolomitenland- Beiträge zur Ortsnamenkunde Südtirols“, In: Eckartschrft 188, Wien 2007; siehe dazu auch: Dr. Otto Stolz: „Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden“; 3. Band, München und Berlin 1932; derselbe 1955: „Geschichte des Landes Tirol“, Innsbruck].
Die Kirchenführung war in der Gegenreformation stark bemüht, die deutsche Sprache zu verdrängen, da diese als gefährliche Sprache durch Luthers Reformation galt. Ein Kampfmittel dazu war, daß seit dem 17. Jahrhundert sich die deutschen Gemeinden ihre Pfarrer nicht mehr selbst wählen konnten, die bisher stets deutscher Herkunft waren. Immer öfter wurden italienische Geistliche eingesetzt, die verpflichtet waren, nur in Italienisch zu predigen, auch wenn sie die deutsche Sprache beherrschten.
Die Liste der Bischöfe von Trient legt jedoch nahe, daß es seit der Langobardenzeit auch im Herzogtum Trient bzw. der späteren Grafschaft Tirol eine Kontinuität des hier ansässigen Volkes gab. Die Namen der Bischöfe von Trient sind, bis auf wenige biblische Namen, durchwegs germanischen Ursprungs: Heimpert, Udalschalk, Adelgis, Fridebert, Gisulf, Bertald, Konrad I., Bernhard I., Lantram, Arnold, Rainoard, Udalrich I., Udalrich II., Hatto, Heinrich I., Bernward, Adalbero, Gebhard, Adelpret, Altmann, Arnold, Eberhard, Adalbert II., Albrecht I., Konrad II., Friedrich v. Wangen, Adalbert III., Gerhard I., Alderich, Egno v. Eppan, Heinrich II. usw. Auch das älteste Statut der Stadt Trient ist in Deutsch abgefaßt! Ebenso aufschlussreich ist die Bischofsliste von Verona, wo zunächst 28 Bischöfe mit römischen Namen aufscheinen und ab 802 bis 1200 werden fast ausschließlich Bischöfe mit deutschen Namen genannt, von 1070 bis 1118 sogar sieben Bischöfe in ununterbrochener Reihenfolge.
Das als Reaktion auf Luther zeitlich viel zu spät angesetzte „Konzil von Trient“ welches von 1545 bis 1563 mit Unterbrechungen tagte, wollte in drei Sitzungen die Frage klären, wie die Amtskirche mit der Reformation verfahren sollte. Erklärtes Ziel war, die „Mißstände innerhalb der Kirche“ zu beseitigen. Als Ergebnis wurde u.a. ein „Index der verbotenen
Bücher“ erstellt, es erfolgten viele Neugründungen von katholischen Schulen und
Priesterseminaren, die Anzahl der Kardinäle wurde von 24 auf 70 erhöht und die Bischöfe wurden zur regelmäßigen, persönlichen Berichterstattung nach Rom zitiert.
Als Folgeerscheinung des Konzils wurden die Ladiner und Deutschen im Bistum Trient weitgehend sprachlich italianisiert: In Tirol „kam es zu den letzten Änderungen der Bevölkerungsstruktur bis 1919 (…). In dieser Zeit verstärkte sich der italienische Einfluß im Trentino, was zum einen durch die Besetzung der Pfarreien mit italienischen Priestern und zum anderen durch die Zuwanderungen aus der Poebene verursacht wurde. Durch diese Entwicklung entstand die noch heute bestehende deutsch-italienische Sprachgrenze, südlich derer nur die deutschen Sprachinseln der Zimbern verblieben“ [Wikipedia > Risorgimento].
Dieser voranschreitenden Italianisierung wurde u.a. der Weg geebnet durch die Vornamensgebung bei der Taufe, der Änderung von Familiennamen (z.B.: von Nikolaus in Nicolussi), der in Italienisch gehaltenen Predigten, der ausgestellten Dokumente, bis hin zu den Aufschriften auf den Grabsteinen.
Wolf Schmid bemerkte zum Priesteraustausch [in: „Deutsche Sprachwelt“, Ausgabe 50, 2012/2013]: „Mit zunehmender Ausbreitung der Reformation hörten der ständige Zuzug und die Berufung deutschsprachiger Seelsorger aus dem Norden fast vollständig auf. Diese wurden durch Geistliche ohne deutsche Sprachkenntnisse aus dem Süden ersetzt, was auf die schulische Erziehung großen Einfluß hatte.“
Ein bemerkenswertes Buch schrieb Josef Bacher [„Die deutsche Sprachinsel Lusern“; Innsbruck 1905; in: „Quellen und Forschungen zur Geschichte, Litteratur und Sprache Österreichs und seiner Kronländer“].
Nach seinen umfassenden Darstellungen hatte das deutsche Sprachgebiet eine weitaus größere Ausbreitung in ganz Norditalien, als allgemein heute angenommen wird.
Karte von Bernhard Wurzer in: ‚Die deutschen Sprachinseln in Oberitalien“, Bozen 1983. Wurzer: „Aus allen historischen Berichten ist zu entnehmen, daß ein großer Teil des Trentinos erst innerhalb der letzten 400 Jahre italienischsprachig geworden ist. Ein engmaschiges Netz bilden z.B. alle jene Orte, in denen der ehemalige Gebrauch der deutschen Sprache in Kirche und Amt nachgewiesen werden kann.“
Folgende Aufstellung des Verfassers über Ortsnamen in Welschtirol erhebt keinen Anspruch auf eine Vollständigkeit, da viele Weiler, Berg- und Flurnamen hier nicht berücksichtigt sind. Es ist auch nicht gewiß, wie viele der Namen bereits aus der langobardischen Zeit stammen.
deutsch
Italienisch
001
Ahl am Etsch, auch Halla
Ala
080
Metzlan
Mezzana
002
Albian
Albiano
081
Moor
Mori
003
Aldein im Lagertal
Aldeno
082
Munglassich
Monclassio
004
Altspaur
Spormaggiore
083
Munig
Nomi
005
Andel
Andalo
084
Naag-Turbel
Nago-Torbole
006
Ardey
Daré
085
Nain
Nanno
007
Atzenach
Tenna
086
Neuenhaus
Castelnuovo
008
Aue
Avio
087
Neuspaur
Spornminore
009
Baume/Pfleif
Pieve di Bono
088
Nogareit
Nogaredo
010
Bedull
Bedollo
089
Nombel
Dambel
011
Bersaun
Bersone
090
Nußdorf
Volano
012
Bisein/Pysein, Kastell
Besenello
091
Oberpfeid
Fai della Paganella
013
Blein
Bieno
092
Oberpless
Belggio Superiore
014
Butschenach
Bocenago
093
Obertelf
Telve di Sopra
015
Brandtal
Vallarsa
094
Paluch
Pelugo
016
Bulben
Bolbeno
095
Pardatsch
Predazzo
017
Bund
Bondo
096
Paternion
Padergnone
018
Bunden in Tirol
Bondone
097
Pfaid
Faedo
019
Burg im Suganertal
Borgo Valsugana
098
Pfund
Fondo
020
Bregutz
Breguzzo
099
Pinzol
Pinzolo
021
Brissen
Bresimo
100
Plaiff
Calceranica al Lago
022
Bretz / Britsch
Brez
101
Pflaumb
Flavon
023
Breon
Brione
102
Pletzen
Pellizzano
024
Campden / St. Michael
Campodenno
103
Polai im Fersental
Palu del Fersina
025
Deyen
Daiano
104
Pommarül
Pomarolo
026
Diemmer/Dietmarsdorf
Dimaro
105
Porfür
Preore
027
Daun/Thann
Don
106
Potzach im Fassatal
Pozza di Fassa
028
Drau
Dro
107
Prax
Praso
029
Dursin
Dorsino
108
Primör
Fiera de Primiero
030
Eichberg
S. Orsola Therme
109
Ragel/Ragais
Ragoli
031
Eichholz
Rovere della Luna
110
Ramöl
Romall
032
Fafer
Faver
111
Randendorf
Villa Rendena
033
Fersen im Suganatal
Pergine Valsugana
112
Rautberg
Ronchio Valsugana
034
Florutz
Fierezzo
113
Rofereit
Rovereto
035
Fornas
Fornace
114
Romen
Romeno
036
Frenten
Brentonico
115
Ronz-Klens
Ronzo-Chienis
037
Gallnötsch
Caldonazzo
116
Roßbach
Calliano
038
Gaßlöss
Cavalese
117
Ruffreit-Mendel
Ruffre
039
Garnich
Garniga Terme
118
Rumes
Romo
040
Gereut
Frassilengo
119
Rundscheinberg
Roncegno Terme
041
Glöß
Cles
120
Rungaun
Roncone
042
Gofidach
Cavadago
121
Sagraun
Sagron Mis
043
Graun
Grauno
122
Sankt Lorenz
S. Lorenzo Banale
044
Grumeis
Grumes
123
St. Michael a. d. Etsch
S. Michele l’Adige
045
Imor
Imes
124
Sanzinnen
Sanzeno
046
Kaferlan
Capriana
125
Sarmunich
Sarnonico
047
Kaldrein
Carano
126
Schöffbrück
Nave San Rocco
048
Kalfein
Calavino
127
Sfrutz
Sfruz
049
Kalteis/Kalds
Caldes
128
Siraur
Siror
050
Kampdiel im Fassatal
Campitello di Fassa
129
Smarein
Samarano
051
Kanal St. Buf
Canal San Bovo
130
Spittal bei Yfän
Ospedaletto
052
Kanau
Cagno
131
Steineck
Stenico
053
Kastelpfund
Castelfondo
132
Stremben
Strembo
054
Kavedein
Cavedine
133
Tassol
Tassulo
055
Kavitzan
Cavizzana
134
Terzels
Terzolas
056
Klotz
Cloz
135
Teser im Fleimstal
Tesero
057
Komaun
Comano Terme
136
Thaul
Taio
058
Kommedür
Commezzadura
137
Thenn
Tenno
059
Koreth
Coredo
138
Thun
Ton
060
Korfelan
Croviana
139
Tonadik
Tonadico
061
Kronmetz
Mezzocorona
140
Trient
Trento
062
Kuen
Cunevo
141
Trumelberg
Trambileno
063
Kunden
Condino
142
Tscheiss
Cis
064
Lafraun
Lavarone
143
Tschimon
Cimone
065
Lagertaldorf
Villa Lagarina
144
Türtchen
Torcegno
066
Laifs
Lavis
145
Überwasser
Soraga
067
Larder
Lardaro
146
Vielgereuth/Folgraith
Folgaria
068
Lassen
Lasino
147
Vigg im Fasstal
Vignola Falesina
069
Leimtal
Terragnolo
148
Wald im Fassatal
Valda
070
Lifers
Livo
149
Walzburg
Vigolo Vattaro
071
Lissenach
Lisignano
150
Warren
Varena
072
Lohne-Lazes
Lone-Lases
151
Weißbach
Panchia
073
Löweneck
Levico Terme
152
Wermel
Vermiglio
074
Lusern
Luserna
153
Wulsan
Ossana
075
Maleit
Male
154
Zalban
Zambana
076
Malfein
Molveno
155
Zenten
Centa San Nicolo
077
Malusch
Maosco
156
Zimeck
Cimego
078
Matzin
Mazzin
157
Zimmers/Zimber
Cembra
079
Matzan im Taufers
Mezzano
158
Zivernach
Civezzano
159
Zustin
Giustino
Die Zimbern, ihre Herkunft und ihre Sprache
Die Wissenschaft sagt heute über die Zimbern in den „Sieben und Dreizehn Gemeinden“, daß diese ursprünglich aus Baiern stammten, jedoch zunächst in der Ebene nördlich von Viacenza, am Fuß der Alpen siedelten. Die Mutterkirchen der Sieben Gemeinden waren: Arsie, Campese (Ganwiese), Marostica, Breganze und Caltrano, von dort aus wurden sie als Rodungsbauern nach Norden verpflanzt. Diese „Sieben Gemeinden“, die am Auslauf des Gebirgsstockes zwischen den Flüssen Brenta und dem Astico auf einer weiten Hochebene liegen, sind:
Asiago (deutsch: Sleghe = Waldschläge, daher die „Schlägler“);
Roane (deutsch: Roban);
Rozzo (deutsch: Rotz);
Gallio (deutsch: Ghel);
Fozza (deutsch: Vüsche);
Enego (deutsch Genebe = gegen Eben);
Lusiana (deutsch Lusan).
Nach der Volkszählung von 1854 hatten diese Gemeinden 22.742 Bewohner.
Auch die zimbrische Besiedelung auf der 900-1000 m hohen Hochebene von Folgrait (zimbrisch; hochdeutsch: Vielgereuth, ital. Folgaria), östlich von Rovereto (Rofreit), wird im 12. Jahrhundert von Sleghe aus erfolgt sein. Folgrait war bis in das 20. Jhdt. mit Lavròu, (zimbrisch; hochdeutsch Lafraun, ital. Lavarone) ebenfalls eine zimbrische Sprachinsel.
Durch Mussolini, Tolomei und deren faschistischer Terrorherrschaft wurde das Zimbrische insgesamt unterdrückt, verboten und durch das Italienische völlig verdrängt. Heute sprechen noch etwa 200 Menschen in Lusern ihre alte zimbrische Muttersprache.
Alter zimbrischer Mann. Foto aus dem 19. Jhdt., Archiv d. Verf.
Dr. Werner Robl schrieb, daß die „Kimbern, Juthungen und Bajuwaren in einer direkten Abstammungs- und Traditionslinie stehen“ [in: „Schlüssel zum Verständnis Bayerns. Kimbern, Juthungen, Bajuwaren, Zimbern: 4 Namen, 1 Volk, 2140 Jahre referierte Geschichte“ www.robl.de ]
Dr. Egon Kühebacher bemerkte zu den Zimbern [„Die deutsche Sprache in Oberitalien“, Seite 3 in: „Südtirol in Wort und Bild“ 2/1995], daß „sich in diesem deutschen Siedlungsraum ein eigenes Kulturleben entfalten konnte. Das Zimbrische, wie die dort einst verbreitete und heute nur mehr in Lusern lebende Form der deutschen Sprache seit dem 16. Jahrhundert genannt wird, war früher viel gepflegter und ausdrucksfähiger. Um 1840 war es noch eine richtige Hochsprache. Ihre ausgebildeten grammatischen und lautlichen Gesetzmäßigkeiten erforderten einen wesentlich höheren Grad von Redebeherrschung als das heute dominierende Venezianische. Es gab auch eine zimbrische Literatur in Form von Predigten, Gedichten, Totenklagen und mündlich überlieferten Sagen, ebenso eine Inkunabel in Form des berühmten Katechismus von 1604, eines der seltenen Bücher der Weltliteratur. Eine Neubearbeitung davon erschien in den Jahren 1813 und 1843, ein Zeichen, daß damals noch der Religionsunterricht in zimbrischer Sprache erteilt wurde. ‚Dar kloane Catechismo vor z’Beloseland vortraghet in z’Geprecht von Siben Kamün‘, wie diese Bearbeitung heißt, bringt in seinem Anhang vier „Malghe Gasang“, die in Lusern heute noch gesungen werden.“
Der zimbrische Wortschatz ist überwiegend bairisch mit typischen Ausdrücken, wie z.B.: erta (Dienstag), finzta (Donnerstag), foat (Hemd) und khrånebitt (bairisch Kranewitt = Wacholder). Es gibt einige altertümliche Wörter, die in anderen Gegenden schon sehr lange ausgestorben sind, so z.B. lüsnen (zuhören) und khödan (sagen, althochdeutsch quëdan).
Im „Zimbrischen Katechismus“ von 1602 lautete das zimbrische Vaterunser:
„Vater unzer derdo pist in die himele, gheaileget ber dain namo, zukem dain raik. Dain bil der ghesceghe also bia ime himele also in der erden. Ghibuz heute unzer teghelek proat. Unt vorghibe zu unzere sunte also bia bier vorgheben unzer soleghern. Sonder erluosuz von ubel.“ [Literatur über die Zimbern: Karin Heller/Luis Prader/Christian Prezzi: „Lebendige Sprachinseln. Beiträge aus den historischen deutschen Minderheiten in Italien“, 2004; M. v. Prielmayer: „Deutsche Sprachinseln“; in: „Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpen-Vereines“, S89ff, München 1905; Univ.-Prof. Dr. M. Mayr: „Welschtirol in seiner geschichtlichen Entwicklung“; in: „Jahrbuch des deutschen und österreichischen Alpen-Vereines“, München 1907; Julius Pock: „Deutsche Sprachinseln in Wälschtirol und Italien mit besonderer Berücksichtigung der Enclaven Tischelwang, Sautris und Bladen“, Innsbruck 1892].
„Salt bouken kan Ljetzan – Seid willkommen in Lietzan“
Es gab zur Herkunft der Zimbern auch andere Thesen, u.a. vom Sprachforscher Bruno Schweitzer, der durch seine „Grammatik der zimbrischen Sprache“ und durch eine 1948 veröffentlichte Abhandlung über „Die Herkunft der Zimbern“ bekannt wurde. Seine These war, daß die Zimbern die letzten Reste der Langobarden waren. Nach Ansicht des Verfassers muß diese These grundsätzlich nicht im Gegensatz zur Erkenntnis von heute stehen, sondern es kann sehr wohl sein, daß auch Reste von um Verona und Vicenza siedelnden Langobarden mit diesen Baiern mitgezogen sind. Dafür spricht, daß noch im Jahr 1166 (!!!) die Bewohner von Fersen im Suganertal verlangten, nach langobardischen Gesetzen behandelt zu werden [Quelle: Rudolf Kink: „Codex Wangianus. Urkundenbuch des Hochstiftes Trient“; S. 15, Wien 1852].
In der Zeitschrift „Cimberland“ (13/1987), wurde Bruno Schweitzers Arbeit von 1948 zitiert. Demnach wurde Verona in der zimbrischen Sprache als „Beorn (Bern)“ und Trient wurde als „Trin“ benannt, 1314 wurde erstmals Vicenza als „Cymbria“ genannt und Schweitzer verwies auf den Vicentiner Historiker Ferretti, der 1330 in seinem Werk „Historiae“ schrieb, daß „die Alten Cymbria jene Stadt nannten, die jetzt Vicenza heißt.“
Schweitzer bemerkte [S. 491-93], daß „das Langobardische in Italien nach der Gründung des langobardischen Reiches eine große Sprachinsel bildete, deren Schwergewicht nach den Forschungen Gamillschegs im Norden lag: ‚Es ergibt sich, daß im eigentlich venetianischen Gebiet Vicenza (…) ein Hauptstrahlungszentrum langobardischer Namen ist. (…) Besonders ausgeprägt und dicht liegen die Arimannensiedlungen im Gebiet von Verona zum Schutze der wichtigen ‚Berner Klause‘. (…)
Es ist also von vornherein wahrscheinlich, daß in den von Arimannenkolonien durchsetzten Gegenden sich am ehesten Reste der langobardischen Kultur und Sprache bis heute erhielten. (…) Von G. Baesecke und H. Brinkmann wurde in erschöpfender Weise der überragende Einfluß des Langobardischen auf das Althochdeutsche dargetan (…)“.
Schweitzer schrieb weiter [S. 497]: „Vielmehr wimmelte das ganze Land von Restlangobarden, die sich ‚teutisci‘ (so im Placitum von Trient 845) nannte, wenn sie ihre alte Sprache noch nicht aufgegeben hatten, wo es bei den langobardischen adeligen Familien, die heute noch in zahlreichen italienischen Adelsfamilien fortleben, wohl rasch der Fall war. Es erscheint mir sogar sehr wahrscheinlich, daß unser Wort ‚Deutsch‘ den Ursprung seiner heutigen Bedeutung im Langobardenreich zu suchen hat. Um 350 erfand der Gote Ulfilas die Bezeichnung ‚thiudisko‘ als Übersetzung zu Griechisch ‚ethnikos‘ = nichtchristlich, heidnisch. Mit der gotischen Bibel brachten dann die Goten des Theoderich 489 das Wort nach Italien.
Dort überlebte es, wie wahrscheinlich viele andere Begriffe und Einrichtungen (so der Name ‚Lagertal‘, der schon in der gotischen Form ‚Ligeris‘ überliefert wird), die kurze Zeit zwischen dem Untergang der Goten 555 und dem Einmarsch der Langobarden 568. Bei diesen bekam nun das Wort ein ganz neues Bedeutungsschwergewicht durch das starke Selbstbewußtsein des Volkes, wie es besonders aus dem Edikt Rotharis spricht. (…) Paulus Diaconus übersetzt es offenbar mit ‚quoedam patria verba‘. Es wurde Modewort und gelangte im Fluge zu den Nachbarstämmen der Baiern, Alemannen und Franken und über Rom zu den Angelsachsen und schränkte schließlich seinen Bedeutungsumfang auf das den verschiedenen Stämmen Gemeinsame, die Sprache, ein. In diesem älteren, rein sprachlichen Sinne wird das Wort auch heute noch von den Veroneser Zimbern gebraucht, wenn sie sagen ‚bar reidan tautsch‘ [wir reden deutsch].
Archäologische Artefakte der Langobarden in Tirol
In Zivernach (Civezzano), nordöstlich von Trient, wurde ein wohl einzigartiges langobardisches Fürstengrab gefunden. Dieses reich ausgestattete Grab könnte mit dem langobardischen Herzog Ewin († Januar 595) im Zusammenhang stehen. 568 nahm Ewin am Einmarsch der Langobarden nach Italien teil, wurde von König Alboin 569 zum Herzog von Tridentum ernannt, welcher er von 569 bis 595 war. Nach Paulus Diaconus ehelichte Ewin 575 die ältere, jedoch namentlich nicht bekannte Tochter von Baiernherzog Garibald I.
Am Sarg, der nach den fast vollständig erhaltenen Eisenbeschlägen rekonstruiert wurde, ist nach Verfasseransicht eine Vermengung christlicher und heidnischer Tierornament-Symbole feststellbar: auf dem Deckel, langgestreckt, ist die heilige gehörnte Schlange, wie ebenso auch an den vier Ecken, zu sehen. In der Mitte das christlich-heidnisch gehörnte Kreuz, es erinnert symbolisch an den Lebensbaum/Irminsäule [Abbildungen aus: Franz v. Wieser: „Das langobardische Fürstengrab und Reihengräberfeld von Civezzano bei Trient“ in: „Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg“, 3. F., 30 (1886) 281-320, Taf. 1-5. Neuere Untersuchungen von Christian Terzer: „Das langobardische Fürstengrab von Civezzano. Eine Neubewertung“; NEARCHOS Beiheft 6, Innsbruck 2001].
Im Fürstengrab wurde gefunden: ein Schildbuckel aus Eisen mit vergoldeten Bronze-Beschlägen (1a);
1b: Kreuzbeschläge des Schildbuckels; 1c: Zier-Köpfe des Schildbuckels und der Schildwand (Ansicht von oben und von der Seite); 1d: Fragmente der Schild-Spange; 2: Skramasax aus Eisen (eine einschneidige Hiebwaffe); 3: Mundstück der Langschwert-Schneide aus Bronze; 4: Langschwert (Spatha) aus Eisen; 5: Niet-Blättchen vom Griff des Langschwertes aus Bronze; 6 und 7: Pfeilspitzen aus Eisen; 8: Lanzenspitze aus Eisen.
Weitere Funde im Fürstengrab: 1: Goldblatt-Kreuz; 2 und 3: Eiserne Riemen-Zungen mit Tauschierarbeit; 4: Armring aus Eisen; 5a und b: Riemenbeschläge aus Bronze, verzinnt.
Am rechten Trienter Etschufer, am Fuß des Burgfelsens Verruca, lag wohl ein langobardischer Friedhof, wie ein dort gefundenes Kreuz aus glattem Goldblech dokumentiert, welches aus feinstem Gold gefertigt wurde und 8,6 Gramm wiegt. Diese Goldblechkreuze wurden auf Leichentücher angebracht und waren eine Besonderheit langobardischer Grabbeigaben, wie die nebenstehenden Abbildungen aus langobardischen Gräbern in Bergamo dokumentieren (Fotos: Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg).
Ein Spaziergänger entdeckte im Spätsommer 1991 im unwegsamen Gelände bei Aldrans in Tirol den aus 86 Goldmünzen bestehenden Münzschatz. Bestehend aus 7 Solidi und 79 Tremisses, dürfte dieser Fund aufgrund der umgerechneten runden Summe von 100 Tremisses vollständig sein. Darunter befinden sich Prägungen der Kaiser Justin II. (566–578), Tiberios I. (578–582) und Maurikios (582–602). 40 Goldmünzen stammen aus den kaiserlich-byzantinischen Münzstätten Konstantinopel, Thessaloniki, Rom und Ravenna.
46 Goldmünzen sind langobardische Imitativprägungen. Nach byzantinischen Vorbildern wurden diese germanischen Imitativmünzen in langobardischen Städten geprägt und waren in numismatischen Fachkreisen bis zu diesem Fund unbekannt.
Es werden drei Münzen einer bekannten Münzgruppe zugeschrieben, die in die Königsstadt Ticinum/Pavia weisen. Man vermutet, daß dieser Fund im Zusammenhang mit den Kämpfen der Langobarden gegen die Franken und deren Hilfsvölker steht. Nach dem großen Frankeneinfall von 590 mußte eine größere Lösegeldsumme von den Langobarden aufgebracht werden. Foto: Tiroler Landesmuseum [Zum Münzschatz siehe auch: W. Hahn/A. Luegmeyer: „Der langobardische Münzschatzfund von Aldrans in Tirol; Wien 1992].
Ein frohes Weihnachten, Frieden, Gesundheit und Glück im Neuen Jahr
wünschen wir allen Lesern und Freunden in aller Welt, vor allem unseren Landsleuten im Süden von Tirol!
In den stillen Tagen vor Weihnachten gedenken wir all jener Frauen und Männer, die uns in diesem Jahr verlassen haben und ihr Leben lang selbstlos und treu für die Freiheit und Selbstbestimmung Südtirols eintraten.
Stellvertretend für all diese, soll der am 20. November 2019 gestorbene Luis Schönauer aus Tiers zitiert werden.
Er hatte die Zeit der faschistischen Unterdrückung als Jugendlicher erlebt und in den 1950er Jahren setzte er sich immer wieder für die Rechte Südtirols ein und half als Gründungsmitglied sowie Leutnant der Kompanie Bozen tatkräftig bei der Wiedererrichtung des Südtiroler Schützenwesens mit.
Im April 1964 wurde Luis Schönauer von den Carabinieri auf offener Straße verhaftet, weil er Flugzettel in Umlauf gebracht hatte, auf denen „Gerechtigkeit für Südtirol“ gefordert wurde.
Der mit faschistischer Vergangenheit behaftete Staatsanwalt Dott. Mario Martin sah in der Verbreitung der Flugzettel ein Staatsverbrechen. Er klagte Schönauer wegen „Antinationaler Propaganda“ (Artikel 272 des immer noch zum Teil in Kraft befindlichen faschistischen codice penale) an und forderte im 2. Mailänder Südtirol-Prozess 2 Jahre und 6 Monate Haft für ihn.
Als Schönauer vor Gericht stand, fragte ihn der Richter, ob ihm nicht bewusst sei, dass er etwas Gesetzwidriges begangen habe.
Luis Schönauer antwortete:
„Ich glaube nicht, daß das Verlangen nach Gerechtigkeit für Südtirol gegen das Gesetz ist.“
***
Nun laßt es stille werden in den Herzen! Die Erde ruht von ihrem Alltag aus. Der bunte Kranz der weihnachtlichen Kerzen Erfüllt mit seinem Glanz das fernste Haus.
Die Nacht will Flügel über alles breiten, da wandert unsre Sehnsucht endlos weit. Und Kindesträume werden wach und gleiten Durch stumme winterliche Einsamkeit.
Die lauten Stunden scheinen stillzustehen, wir spüren ihren schnellen Herzschlag kaum. Und alte langvertraute Lieder wehen Auf hellen Schwingen klingend durch den Raum.
Millionen unsichtbare Hände tragen Der Freude wunderbaren Feuerschein, Und überall, wo treue Herzen schlagen, will fromme Einkehr in den Menschen sein.
Südtiroler Landtag holt faschistische Bezeichnung „Alto Adige“ in ein Landesgesetz zurück
Ein weiterer Schritt zur Refaschistisierung Südtirols
Am 17. Oktober 2019 beschloss der Südtiroler Landtag ein Landesgesetz mit „Bestimmungen zur Erfüllung der Verpflichtungen der Autonomen Provinz Bozen, die sich aus der Zugehörigkeit Italiens zur Europäischen Union ergeben“
Dieses sogenannte „Europagesetz des Landes 2019“ wurde in der Folge von den italienischen Politikern in Rom und Bozen heftig kritisiert. Es gab eine italienweite Polemik, weil die deutsche Bezeichnung „Südtirol“ in der italienischen Übersetzung mit „provincia di Bolzano“ wiedergegeben und nicht der von dem Faschisten Tolomei eingeführte Name „Alto Adige“ verwendet worden war.
Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher ging sofort in die Knie und vergatterte seine Mannschaft im Landtag dazu, am 29. November 2019 in einer neuerlichen Abstimmung folgende Änderung am Text vorzunehmen:
Es gab aus der SVP-Fraktion keinen Widerspruch gegen die eilfertige Erfüllung der Wünsche Roms. Friedlich wie die Lämmer folgten die wohldotierten Abgeordneten ihrem italophilen Hirten und holten zusammen mit den Abgeordneten der italienischen Parteien und des „Team K“ und der Grünen den faschistischen Begriff des „Alto Adige“ als offizielle italienische Bezeichnung für Südtirol in ein Landesgesetz zurück.
Die negative Langzeit-Auswirkung
Man könnte nun meinen, es handle sich hier um keine allzu bedeutende Angelegenheit. Dem ist leider nicht so. Bislang hatten die deutschen und ladinischen Repräsentanten Südtirols stets öffentlich den von den Faschisten aufgezwungenen Namen „Alto Adige“ abgelehnt, weil dieser vor allem dazu dient, das Tirol-Bewusstsein zu verleugnen und zu verdrängen.
Mit der Zustimmung der Aufnahme dieses faschistischen Kampfbegriffes in den offiziellen Text eines Landesgesetzes untergräbt die SVP unter ihrem derzeitigen Rom-hörigen Landeshauptmann Kompatscher diese Linie.
Wann immer in Zukunft Südtiroler sich gegen den Namen „Alto Adige“ und die damit repräsentierte „altoatesinische“ Geisteshaltung aussprechen, wird ihnen von italienisch-nationalistischer Seite höhnisch entgegnet werden, dass ihr eigener Landtag diesen Begriff akzeptiert hat.
Widerspruch und Minderheitenbericht
Heftigen Widerspruch und 2 Gegenstimmen gab es nur von den beiden Abgeordneten der „Süd-Tiroler Freiheit“, Myriam Atz Tammerle und Sven Knoll.
In ihrem Minderheitenbericht hielten die Abgeordneten der „Süd-Tiroler Freiheit“ fest:
„Es geht … nicht darum, den italienischen Landesnamen zu streichen, sondern nur darum, den rechtlich korrekten italienischen Landesnamen für Süd-Tirol in Gesetzestexten zu verwenden. Dieser lautet nicht „Alto Adige“, sondern „Provincia di Bolzano“. Der Begriff Alto Adige existiert rechtlich nur für die Institution der Region „Trentino-Alto Adige“ nicht aber für das Land Süd-Tirol, das in italienischer Sprache offiziell nur „Provincia di Bolzano“ heißt. Ein Blick auf die Fassade des Landtages genügt, um dies zu beweisen, denn auch der Landtag heißt auf Italienisch nicht „Consiglio dell‘Alto Adige“, sondern „Consiglio provinciale di Bolzano“.
Doch Landeshauptmann Kompatscher entschied sich, sich auf die Seite der italienischen Neofaschisten und Nationalisten zu stellen und führt auf Provinzebene für Süd-Tirol flächendeckend „Alto Adige“ ein.“
Nicht erklärliche Haltung der Südtiroler Freiheitlichen
Es gab zwei Stimmenthaltungen, wahrscheinlich von den Freiheitlichen Abgeordneten.
Eine Nachfrage des SID bei den Südtiroler Freiheitlichen, weshalb sie sich nicht gegen diese Gesetzesänderung gestemmt hätten, blieb leider unbeantwortet.
Geschichtliche Dokumentation:
Die nachstehende noch vor der Beschlussfassung durch den Landtag verfasste historische Abhandlung hat dankenswerter Weise ein Sprachwissenschaftler und ehemaliger Toponomast des Landes Südtirol zur Verfügung gestellt.
(Zwischentitel, Bilder und Bildtexte durch die Red. des SID beigestellt)
„Südtirol“ – „Alto Adige“ – „Sudtirolo“.
von Dr. Cristian Kollmann
Historische, linguistische und namenpolitische Überlegungen
Mit dem Frieden von Pressburg im Jahr 1805 wurde die Gefürstete Grafschaft Tirol, die seit 1363 zu Österreich gehört hatte, an das neu gegründete Königreich Bayern abgetreten. Kurze Zeit später, im Jahr 1810, wurde das Gebiet des ehemaligen Tirols dreigeteilt: Ein nördlicher Teil verblieb bei Bayern, ein südlicher Teil kam zu Italien und ein östlicher Teil kam zu den Illyrischen Provinzen. Die Grenzlinie zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil verlief auf der Höhe nördlich von Gargazon und südlich von Kollmann. Der südliche Teil hieß auf Französisch „Département Haut-Adige“, auf Italienisch „Dipartimento dell’Alto Adige“ und auf Deutsch „Oberetsch-Department“ und umfasste große Teile Welschtirols und den Süden Deutschsüdtirols. Verwaltungseinheiten nach Flüssen zu benennen, entsprach dabei der napoleonischen Gepflogenheit. Der nördliche Abschnitt des geteilten Gebiets hieß dagegen „Südbayern“. Tirol existierte nicht mehr, allerdings nur vorübergehend.
Ettore Tolomei und das Argument der „natürlichen Grenze“
Mit dem Wiener Kongress im Jahr 1814 wurde Tirol als Ganzes wiederhergestellt und kehrte zurück zu Österreich. Doch bereits ab den 1840er Jahren kamen die italienischen Irredentisten ins Spiel. Immer lautstarker forderten sie eine neue Grenzziehung zwischen Italien und Österreich, und zwar entlang des Alpenhauptkammes. Bei diesem handelte es sich gemäß der irredentistischen Naturgrenztheorie um eine natürliche Grenze, die daher ebenso zu einer Völkergrenze, zu einer Staatsgrenze erhoben werden sollte. Mit diesem Ziel gründete im Jahr 1890 der italienische Nationalist und spätere Faschist Ettore Tolomei die irredentistische Zeitschrift „La nazione italiana“. De facto handelte es sich dabei um eine Propagandazeitschrift, in der Tolomei die Forderung der Irredentisten nach der Brennergrenze offensiver als alle seine Vorgänger anging. Was sich für Tolomeis Gebietsansprüche besonders eignete, waren italienisch klingende geografische Namen, von denen nichts an Tirol erinnern durfte. So prägte Tolomei im Jahr 1890 für den im Einzugsgebiet der Etsch befindlichen deutschen und ladinischen Teil Tirols den Begriff „Alto Trentino“. Diesen propagierte er einige Jahre, doch 1906 ersetzte er ihn durch „Alto Adige“, als er in Florenz das „Istituto di studi per l’Alto Adige“ und die gleichnamige propagandistische Zeitschrift „Archivio per l’Alto Adige“ gründete. Bemerkung am Rande: Sowohl das Institut als auch die Zeitschrift existieren bis heute und betätigen sich als Sprachrohr der geistigen Erben Tolomeis – darunter finden sich zahlreiche Mitglieder der „Accademia della Crusca“ – die die faschistische Toponomastik Südtirols, angefangen bei „Alto Adige“, bis heute mit pseudowissenschaftlichen Argumenten verharmlosen und verteidigen. Doch kehren wir zurück ins Jahr 1906: Mit dem Begriff „Alto Adige“ machte sich Tolomei den ursprünglich napoleonischen Begriff zu Eigen, der über 90 Jahre davor nur vier Jahre lang existiert und ein ganz anderes Gebiet bezeichnet hatte. Für Tolomei war „Alto Adige“ nicht nur ein Name, sondern auch Programm.
Der Faschismus führt den Namen “Alto Adige” ein und verbietet den Namen “Tirol”
Die Annexion Tirols südlich des Brenners und westlich von Arnbach durch Italien nach dem Ersten Weltkrieg sowie das Aufkommen des Faschismus markierte eine Sternstunde für Tolomeis „Alto Adige“. Der Begriff passte bestens ins Konzept der faschistischen Politik der Entnationalisierung der Südtiroler, zumal er nach Süden weist und jeden Bezug zu Tirol leugnet.
Am 12. März 1923 beschloss der Großrat des Faschismus „Maßnahmen für das Hochetsch zum Zwecke einer geordneten, schnellen und wirksamen Assimilierung und Italianisierung“. In Durchführung dieser Maßnahmen wurden mit einem Dekret aus dem Jahr 1923 die Namen „Süd-Tirol“, „Deutschsüdtirol“, „Tirol“ und Ableitungen verboten. Für einzig zulässig erklärt wurden im Italienischen die Bezeichnungen „Alto Adige“ und die Ableitung „Atesino“ sowie im Deutschen die Rückübersetzungen „Oberetsch“ und die Ableitung „Etschländer“.
Die Festschreibung des faschistischen Diktats nach 1945 in der Bezeichnung für die aufgezwungene gemeinsame Region mit dem Trentino
Mit dem ersten Autonomiestatut von 1948 entstand die Region „Trentino-Alto Adige“, zu Deutsch „Trentino-Tiroler Etschland“. Diese wurde mit dem zweiten Autonomiestatut von 1972 auf Deutsch in „Trentino-Südtirol“ umbenannt, auf Italienisch hieß sie weiterhin „Trentino-Alto Adige“. Seit der italienischen Verfassungsreform von 2001 heißt die Region im Italienischen „Trentino-Alto Adige/Südtirol“. Der genaue Wortlaut: „La Regione Trentino-Alto Adige/Südtirol è costituita dalle Province autonome di Trento e di Bolzano.“ „Alto Adige/Südtirol“ gilt also nur im Zusammenhang mit der Region, nicht mit der Provinz!
Nun könnte man argumentieren, dass sich die Kurzbezeichnungen der Provinzen automatisch aus der Teilbezeichnung „Alto Adige/Südtirol“ der Region ergeben und dass „Alto Adige“ und „Südtirol“ sich gegenseitig entsprechen. Dass dies nicht zwangsläufig so ist, zeigt die offizielle Bezeichnung „Trentino-Tiroler Etschland“, die zwischen 1948 und 1972 für die Region galt. Der deutsche Begriff „Südtirol“ fand, trotz dessen Unzulässigkeit auf institutioneller Ebene selbst mit dem Inkrafttreten des 1. Autonomiestatuts, als Bezeichnung für die Provinz immer wieder Verwendung von offizieller politischer Seite.
1958: Bemühungen der Südtiroler Volkspartei um völlige Abschaffung der Bezeichnung „Alto Adige“
Den besten Beweis dafür liefert der „Südtiroler Entwurf eines Autonomiestatuts für die Region Südtirol-Tirolo del Sud“, der von den drei Südtiroler SVP-Parlamentariern Toni Ebner, Otto von Guggenberg und Karl Tinzl am 4. Februar 1958 im italienischen Parlament eingebracht wurde.
Von dem aus insgesamt 13 Kapiteln bestehenden Gesetzentwurf hervorzuheben ist der diesbezügliche Bericht. Punkt a) lautet nämlich: „Die Provinz Bozen wird zur autonomen Region mit Sonderstatut erhoben – das heißt natürlich jenes Gebiet, das heute die Provinz Bozen umfasst –, und zwar mit dem historischen und der Sprache der Mehrheit der Bevölkerung dieses Gebietes entsprechenden Namen unter Abschaffung der Bezeichnung ‚Alto Adige‘ napoleonischer Erfindung, womit endlich die Erinnerung an das faschistische Verbot, den Namen ‚Südtirol‘ zu gebrauchen, ausgemerzt wird.“
Aus dem Gesetzentwurf und insbesondere aus dem Bericht geht klar hervor, dass sich die Südtiroler Volkspartei für die Abschaffung des Begriffs „Alto Adige“ und die offizielle Einführung von „Südtirol“ – „Tirolo del Sud“ aussprach. Es sei an dieser Stelle erneut daran erinnert, dass der deutsche Name „Südtirol“ im Jahr 1958 in der Tat noch verboten war – von „Tirolo del Sud“ oder „Sudtirolo“ ganz zu schweigen. Erst zugelassen war „Südtirol“ mit dem Inkrafttreten des 2. Autonomiestatuts im Jahr 1972, und zwar als Teilbezeichnung für die Region, die bis dahin auf Deutsch „Trentino-Tiroler Etschland“ hieß – zu sehr hätte das Element „Süd“ an die Teilung Tirols erinnert.
Damaliges Eintreten der SVP und des österreichischen Außenminister Dr. Bruno Kreisky für die Bezeichnung „Südtirol“ – Italiener propagierten „Alto Adige“
Dennoch: Trotz des Verbots von „Südtirol“ ließen sich ranghohe Vertreter der Südtiroler Volkspartei nicht davon abbringen, den deutschen Namen „Südtirol“ bereits vor 1972 zu gebrauchen und für dessen amtliche Einführung zu kämpfen, ebenso für die Abschaffung von „Alto Adige“. All dies erinnert sehr stark an die nun wieder aufgeflammte „Alto Adige-Sudtirolo“-Diskussion. Was dabei jedoch verwundert: Früher waren es die Väter der Südtirol-Autonomie, die sich gegen die faschistische Toponomastik stark machte. Heute ist es die Süd-Tiroler Freiheit. Die SVP will die Süd-Tiroler Freiheit heute deswegen als Provokateure diskreditieren, also als etwas, was sie früher offensichtlich selbst einmal war.
Der heutigen Logik der Südtiroler Volkspartei zufolge müsste es dann auch eine Provokation gewesen sein, wenn der einstige österreichische Außenminister Bruno Kreisky – trotz des offiziellen Verbots des Namens „Südtirol“ – im Jahr 1960, als das Südtirolproblem vor die UNO kam, durchwegs von „Südtirol“, im Englischen von „South Tirol“, und nicht von „Tiroler Etschland“, sprach.
Auch der Titel des Südtirolpakets, das im Jahr 1969 zwischen dem italienischen Außenminister Aldo Moro und dem österreichischen Außenminister Kurt Waldheim geschnürt wurde, führt in der deutschen Version den Begriff „Südtirol“. Der Titel lautet nämlich „Maßnahmen zugunsten der Bevölkerung Südtirols“. Als unglücklich zu bewerten ist dagegen die italienische Version des Titels, der da lautete: „Misure a favore delle popolazioni altoatesine“ – unglücklich deswegen, weil mit „Bevölkerung Südtirols“ und mit „popolazioni altoatesine“ nicht dieselben Inhalte transferiert werden, denn der Begriff für „Bevölkerung“ erscheint im Deutschen im Singular und im Italienischen im Plural, und mit „altoatesine“ wird der Minderheitenschutz offensichtlich konterkariert. Dass es zwar der Name „Südtirol“ in den Titel des Südtirolpakets schaffte, ist zweifellos als große Errungenschaft zu werten – dass jedoch aus der italienischen Sprachperspektive „Tirolo del Sud“ oder „Sudtirolo“ nach wie vor nicht gewünscht war, zeigt, dass Italien immer noch nicht bereit war, vom Standpunkt der Entnationalisierung Südtirols und der Südtiroler gänzlich abzurücken. Nur so und nicht anders lässt sich erklären, warum auch die Delegierten der italienischen Regierung vor der UNO durchwegs den Begriff „Alto Adige“ verwendeten bzw. regelrecht propagierten.
Autonomiestatut von 1972: Nur „Südtirol“ und „Provincia di Bolzano“ in Zusammenhang mit der Provinz
Das Ergebnis des Südtirolpakets ist bekannt: Das 2. Autonomiestatut für Südtirol, das 1972 in Kraft trat. Es ist zweifellos das Verdienst der Südtiroler Volkspartei, denn diese vermochte es immerhin zu erreichen, dass der Begriff „Alto Adige“ und die Ableitung „altoatesino“ im Zusammenhang mit der Provinz an keiner Stelle Erwähnung finden. Sehr wohl dagegen indes ist von „Südtirol“ und der Ableitung „Südtiroler“ die Rede. So heißt es in der deutschen Version „Landeshauptmann von Südtirol“, „Landesausschuss von Südtirol“ und „Südtiroler Landtag“, in der italienischen dagegen „Presidente della Provincia di Bolzano“, „Giunta provinciale di Bolzano“ und „Consiglio provinciale di Bolzano“. Die italienische Bezeichnung „Sudtirolo“ und die Ableitung „sudtirolese“ ist hingegen in keiner italienischen Rechtsquelle festgeschrieben. Genau dies gilt es, endlich in Angriff zu nehmen!
Schlussfolgerung
Fakt war und ist: „Alto Adige“ ist im Grunde nur eine Etikette und kein angemessener Begriff für Südtirol. Bis heute erfüllt „Alto Adige“ den Zweck, aus italienischer Sicht einen Tiroler Landesteil auf italienischem Staatsgebiet in Abrede zu stellen. Das inhaltlich korrekte Äquivalent zu „Südtirol“ kann im Italienischen daher nur „Tirolo Meridionale“, „Tirolo del Sud“ oder „Sudtirolo“ sein.
Werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte. Was hat es mit „Tirolo Meridionale“, „Tirolo del Sud“ und „Sudtirolo“ aus historischer Sicht auf sich? Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass der Begriff „Südtirol“ oder „Süd-Tirol“ vor der Teilung Tirols kaum eine politisch-administrative Komponente hatte, sondern allgemein das südliche Tirol beschrieb. Die Merkmale für das südliche Tirol waren dabei entweder die Italianität (demnach deckungsgleich mit „Welschtirol“ / „Tirolo Italiano“), klimatische oder geografische Besonderheiten (meist das Gebiet von Franzensfeste abwärts) oder, seltener, die Südseite des Alpenhauptkammes, wobei in diesem Fall meist auch der im Einzugsgebiet der Drau befindliche Teil Tirols (politischer Bezirk Lienz) dazu gehörte. Entsprechend lautete das italienische Äquivalent für „Südtirol“ ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts überwiegend „Tirolo Meridionale“, beispielsweise 1722 in einer Reisebeschreibung „Viaggi per Europa“.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts begegnen die chronologisch jüngeren Bildungen mit „Sud“. Beispielsweise 1843 „Tirolo del sud“ in der „Gazzetta di Firenze“,
1874 „Sud-Tirolo“ im „Annuario della Società Alpina del Trentino“,
1894 „Sud Tirolo“ in „La Civiltà Cattolica“,
1898 „Sudtirolo“ in der „Gazzetta Ufficiale del Regno d’Italia“, also in einem Dokument, das offizieller nicht sein könnte.
Die zusammengeschriebene Variante „Sudtirolo“ hat sich im italienischen Sprachgebrauch indes als inhaltlich korrektes Äquivalent zu „Südtirol“ durchgesetzt – entsprechend gilt auch die Ableitung „sudtirolese“. Im maßgeblichen zweisprachig deutsch-italienischen / italienisch-deutschen Wörterbuch von Sansoni ist „Sud-Tirolo“ bzw. „Sudtirolo“ seit den 1970er Jahren verzeichnet.
Eine fundierte Forderung
Die Forderung, die Namen „Südtirol“ und „Sudtirolo“ als Kurzbezeichnung für die Provinz Bozen offiziell einzuführen, ist somit nicht neu und lässt sich auf eine solide historische Basis stellen, ebenso die Forderung nach der Meidung und somit Nicht-Einführung des irredentistischen und manipulativen Begriffes „Alto Adige“.
Warnung
Vor einer gesetzlich festgelegten Gleichsetzung von „Südtirol“ und „Alto Adige“ muss eindringlich gewarnt werden, denn die bis heute der Entnationalisierung und Manipulation der Südtiroler dienende Etikette „Alto Adige“ würde dadurch von offizieller Südtiroler Seite ideologisch relativiert – eine Maßnahme, bei der die Väter der Südtirol-Autonomie sofort alarmiert gewesen wären. Zudem – und dies ist nicht minder bedenklich – würde die offizielle Einführung von „Alto Adige“ und der Ableitung „altoatesini“ auf Landesebene nicht nur de iure, sondern auch de facto einem Verbot von „Sudtirolo“ und „sudtirolesi“ gleichkommen. Dies ist insofern besonders gefährlich, als von den Gesetzestexten immer nur die italienische Version maßgeblich ist, und dann aus italienischer Sicht die „sudtirolesi“ definitiv verschwunden wären. Italien könnte langfristig argumentieren, dass das, was es im Italienischen nicht gibt, auch keines Schutzes bedarf! Hinzukommt letztlich die historische Dimension: Wenn in Gesetzestexten von „Südtirol“ und den „Südtirolern“ beispielsweise aus der Zeit der Habsburger Monarchie, des Faschismus oder im Zusammenhang mit dem Ringen um die Autonomie die Rede ist, wären die Übersetzungen „Alto Adige“ und „altoatesini“ schier gänzlich unpässlich, da nicht nur gegenwarts-, sondern auch geschichtsverzerrend und somit insgesamt sinnentstellend!
Nachstehend zur Veranschaulichung drei Beispiele:
Die Südtiroler Orts- und Familiennamen, die aus wissenschaftlicher Sicht die tolomeisch-faschistischen, also „altoatesinischen“ Orts- und Familiennamen keineswegs inkludieren, können im Italienischen nur die „toponimi sudtirolesi“ oder „cognomi sudtirolesi“ sein.
Die „Südtiroler Optanten“ oder die „Südtiroler Dableiber“, welche es zu entnationalisieren galt, können ins Italienische in beiden Fällen nur mit „sudtirolesi“ übersetzt werden, denn besonders in diesem Zusammenhang ist der Begriff „Alto Adige“, „altoatesini“ eindeutig faschistisch und nationalsozialistisch konnotiert; Letzteres deswegen, weil es auch für das nationalsozialistische Regime – im Sinne der Staatsräson mit dem faschistischen Schwesterregime – nur ein „Alto Adige“ und kein „Südtirol“ gab.
Mit den Südtiroler Studenten, die in Österreich mit den österreichischen Studenten gleichgestellt sind, können im Italienischen unmöglich di „studenti altoatesini“ gemeint sein, da mit diesem Begriff der Bezug zu Österreich nicht gegeben ist.
Weitere Beispiele für Fehlübersetzungen ließen sich beliebig beibringen. Allesamt legen sie dar, dass „Südtirol“, „sudtirolese“ und „Alto Adige“, „altoatesino“ geschichts- und ideologiebedingt inhaltlich keine Äquivalente sein können. Dies zeigt zuletzt auch der Name der Südtiroler Volkspartei. Oder will sich die Südtiroler Volkspartei in letzter Konsequenz im Italienischen künftig tatsächlich als die Vertretung der „altoatesini“ präsentieren?
Forderung nach einer einenden Landesbezeichnung
Was Südtirol braucht, ist eine Landesbezeichnung, die nicht für unterschiedliche Konzepte steht, nicht spaltet, sondern eint. Es gibt nur ein Südtirol, ein Sudtirolo, ein South Tyrol, und es gilt, dieses Konzept als inklusiv und nicht ausgrenzend aufzufassen und zu vermitteln. Wenn Südtirol für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen als Landesteil Tirols repräsentieren will, muss es seinen authentischen Landesnamen verteidigen und Bemühungen unternehmen, dass er respektiert wird und dass sich tatsächlich auch alle Bevölkerungsgruppen mit diesem Namen identifizieren können – auch jene, die bis heute im „Alto Adige“ verharren.
Anmerkung der Redaktion des SID: Das Verhalten des Landeshauptmannes Kompatscher und der SVP-Fraktion im Landtag waren in dieser Frage ein leider bedeutender Schritt in die falsche Richtung!
Der Buchautor Helmut Golowitsch legt Österreichs bisweilen heuchlerisch betriebene Südtirolpolitik offen. Nachstehend eine wissenschaftliche Rezension durch Prof. Dr. Reinhard Olt, Historiker und Publizist.
Konspirative politische Händel
Ob unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich die Chance für die in eindrücklichen Willensbekundungen der Bevölkerung sowie in politischen und kirchlichen Petitionen zum Ausdruck gebrachte Forderung nach Wiedervereinigung des 1918/19 schandfriedensvertraglich geteilten Tirols bestand, ist unter Historikern umstritten. Unumstritten ist, dass sich das Gruber-De Gasperi-Abkommen vom 5. September 1946, Grundlage für die (weit später erst errungene) Autonomie der „Provincia autonoma di Bolzano“, dem die regierenden Parteien sowie der zeitgeistfromme Teil der Opposition in Wien, Innsbruck und Bozen heute den Rang einer „Magna Charta für Südtirol“ zubilligen, laut Diktum des früheren Bundeskanzlers Bruno Kreisky (SPÖ) für Österreichs Politik mitunter als „furchtbare Hypothek“ erwies.
Gruber und De Gasperi
Denn allem Anschein nach fügte sich der österreichische Außenminister Karl Gruber seinerzeit in Paris ebenso seinem italienischen Gegenüber Alcide De Gasperi wie den drängenden Siegermächten, um überhaupt etwas mit nach Hause bringen zu können. Es waren jedoch nicht allein die aus der (geo)politischen Lage herrührenden Umstände und die Unzulänglichkeiten des damals zur Friedenskonferenz entsandten österreichischen Personals sowie das mitunter selbstherrliche Gebaren Grubers respektive der Druck, den die (west)alliierten Siegermächte auf die Beteiligten ausübten und schließlich ein anderes als das von den (Süd-)Tirolern erhoffte Ergebnis zeitigten. Eine soeben abschließend im Grazer
Stocker-Verlag erschienene, aus drei voluminösen Bänden bestehende Dokumentation des Linzer Zeithistorikers und Publizisten Helmut Golowitsch zeigt, dass vor und hinter den Kulissen Akteure am Geschehen beteiligt waren.
Manche, wie insbesondere Rudolf Moser, Leiter der in Sachsenburg (Kärnten) situierten „A. Moser & Sohn, Holzstoff- und Pappenfabrik“, übten demnach einen bisher weithin unbekannten und im Blick auf das von der weit überwiegenden Bevölkerungsmehrheit in beiden Tirol sowie in ganz Österreich erhoffte Ende der Teilung des Landes fatalen Einfluss aus. Mosers lautloses Mitwirken inkognito erstreckte sich nahezu auf den gesamten für den Südtirol-Konflikt zwischen Österreich und Italien bedeutsamen Geschehensablauf vom Kriegsende bis zur sogenannten „Paket“-Lösung Ende der 1960er Jahre, bisweilen lenkte er ihn in bestimmte Bahnen.
Ein Emissär
Der 1901 in Wien geborene und in der christlich-sozialen Bewegung politisch sozialisierte Moser gehörte als Industrieller der vornehmlich auf die regierende Österreichische Volkspartei (ÖVP) stark einwirkenden Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft an. Mit dem ersten Bundeskanzler Leopold Figl, den er als seinen „engsten Jugendfreund“ bezeichnete, verband ihn, wie er vermerkte, „in allen Belangen …. stets gegenseitige und vollständige Übereinstimmung und Treue“. In Italien, wohin seine Firma gute Geschäftskontakte unterhielt, hielt sich Moser häufig für länger auf und kam mit namhaften Persönlichkeiten des Staates ebenso wie mit katholischen Kreisen und dem Klerus in engen Kontakt. Moser, den auch Papst Pius XII. mehrmals in Rom persönlich empfing, wirkte zudem als Vertrauensmann des Vatikans. Insofern nimmt es nicht wunder, dass sich der die italienische Sprache mündlich wie schriftlich nahezu perfekt Beherrschende und absolut diskret Agierende nach 1945 geradezu ideal für die Aufnahme, Pflege und Aufrechterhaltung einer trotz Südtirol-Unbill dennoch äußerst belastbaren Verbindung zwischen ÖVP und Democrazia Cristiana (DC) eignete, die sich weltanschaulich ohnedies nahestanden. Dazu passte, dass er sich der Rolle des (partei)politischen Postillons und verdeckt arbeitenden Unterhändlers mit geradezu missionarischem Eifer hingab.
Die verkaufte „Herzensangelegenheit“
Das erste für das Nachkriegsschicksal der Südtiroler bedeutende und in seiner Wirkung fatale Wirken Mosers ergab sich im Frühjahr 1946. Während nämlich die österreichische Bundesregierung offiziell – besonders Kanzler Figl, der in seiner Regierungserklärung am 21. Dezember 1945 vor dem Nationalrat gesagt hatte: „Eines aber ist für uns kein Politikum, sondern eine Herzenssache, das ist Südtirol. Die Rückkehr Südtirols nach Österreich ist ein Gebet jedes Österreichers“ – die Selbstbestimmungslösung mittels Volksabstimmung verlangte, die Außenminister Gruber gegenüber den Siegermächten und dem Vertreter Italiens in Paris bis dahin einigermaßen aufrecht erhalten hatte, wurde Rom auf der Ebene parteipolitischer Beziehungen vertraulich darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich Wien gegebenenfalls auch mit einer Autonomielösung anstelle eines Plebiszits einverstanden erklären könne. Das Signal dazu gab Figl via Moser, der über Vermittlung eines Priesters aus Welschtirol (Trentino) den gebürtigen Trientiner De Gasperi am 3. April 1946 im Palazzo del Viminale, dem Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten, zu einer ausgiebigen Unterredung traf.
Dass es dem Kanzler primär um gutnachbarschaftliche politische (und wirtschaftliche) Beziehungen Wiens zu Rom sowie vielleicht mehr noch um freundschaftliche Verbindungen zwischen seiner ÖVP mit De Gasperis DC zu tun war und dass er damit der alldem entgegenstehenden Sache Südtirols – wider alle öffentlichen Bekundungen und Verlautbarungen – schadete, spricht Bände.
Widersprüchliches Gebaren
Dieses widersprüchliche politische Gebaren sollte sich, wie Golowitsch in Band 1 seiner Dokumentation – Titel „Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“; Graz (Stocker) 2017, 607 Seiten; 34,80 € – zeigt, unter allen auf Figl folgenden ÖVP-Kanzlern bis in die für das österreichisch-italienische Verhältnis äußerst schwierigen 1960er Jahre fortsetzen, unter der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus ihren Kulminationspunkt erreichen und darüber hinaus – wie man als Beobachter späterer Phasen hinzufügen muss – gleichsam eine politische Konstante bilden, der in aller Regel die beanspruchte Schutz(macht)funktion Österreichs für Südtirol untergeordnet worden ist. Allen damals führenden ÖVP-Granden stand Rudolf Moser als emsig bemühtes, lautlos werkendes und wirkendes Faktotum zur Seite: Sei es als Organisator konspirativ eingefädelter Spitzentreffen inkognito – mehrmals in seinem Haus in Sachsenburg – , sei es als Emissär, mal als besänftigender Schlichter, mal als anspornender Impulsgeber. Mitunter war er verdeckt als Capo einer geheimen ÖVP-Sondierungsgruppe unterwegs oder auch gänzlich unverdeckt als Mitglied einer offiziellen ÖVP-Delegation auf DC-Parteitagen zugegen. Und nicht selten nahm er die Rolle eines Beschwichtigers von ÖVP-Politikern und -Funktionären wahr.
Geheime Treffen
So regte er eine geheime Begegnungen Figls mit De Gasperi im August 1951 im Hinterzimmer eines Gasthauses am Karerpass in Südtirol an, wohin der in Matrei (Osttirol) sommerfrischende österreichische und der in Borgo (Valsugana) urlaubende italienische Regierungschef reisten, um sich „auf halbem Wege“ und „nach außen hin zufällig“ zu treffen. Über Inhalt und Ergebnis, worüber es keine Aufzeichnungen gibt – und weiterer konspirativer Begegnungen mit anderen Persönlichkeiten – wurden weder Süd- noch Nordtiroler Politiker informiert. Während des gesamten Zeitraums, für die Golowitschs Dokumentation steht, agierten ÖVP-Kanzler und ÖVP-Parteiführung unter gänzlichem Umgehen der dem südlichen Landesteil naturgemäß zugetanen Tiroler ÖVP. Das ging sogar so weit, dass der legendäre Landeshauptmann Eduard Wallnöfer wegen „wachsender Unstimmigkeiten mit der Wiener Parteizentrale“ – insbesondere während der Kanzlerschaft des Josef Klaus, zu dem er ein „unterkühltes Verhältnis“ hatte – ernsthaft eine „Unabhängige Tiroler Volkspartei“ (nach Muster der bayerischen CSU) in Erwägung zog. Indes war der aus dem Vinschgau stammende Wallnöfer – nicht allein wegen der Südtirol-Frage, aber vor allem in dieser Angelegenheit – dem Außenminister und nachmaligen Kanzler Bruno Kreisky (SPÖ) ausgesprochen freundschaftlich verbunden.
Beim zweiten Geheimtreffen Figls mit De Gasperi am 18. und 19. August 1952 sorgte Moser, der es arrangiert hatte, eigens dafür, den italienischen Regierungschef inkognito über den Grenzübergang Winnebach nach Osttirol zu schleusen und von dort aus auf sein Anwesen in Sachsenburg (Bezirk Spittal/Drau) zu geleiten. Während zweier Tage unterhielten sich De Gasperi und Figl bei ausgedehnten Spaziergängen unter vier Augen; niemand sonst war zugegen.
In einem späteren Rückblick, angefertigt zu Weihnachten 1973, vermerkte Moser: „Seit 1949 gab es in meinem Kärntner Landhaus gar viele Zusammenkünfte, Besprechungen, Beratungen und Konferenzen, aber nicht selten wurden auch in fröhlichem Zusammensein weitreichende Beschlüsse gefaßt. Im Gästebuch dieses ,Hauses der Begegnung‘, wie es vielfach genannt wurde, gibt es von den delikaten Besuchen fast keinerlei Eintragungen, weil ja jedwede Dokumentation vermieden werden sollte.“
Nach De Gasperi, mit dem sich Moser bis zu dessen Tod 1954 noch oft freund(schaft)lich austauschte, wechselten in Italien die Regierungschefs beinahe jährlich; bis 1981 war das Amt des „Presidente del Consiglio dei Ministri“ sozusagen ein „Erbhof“ der DC. Bis zum Abschluss des Südtirol-Pakets 1969 unter Mario Rumor, der zwischen 1968 und 1970 drei wechselnden, DC-geführten und dominierten (Koalitions-)Regierungen vorstand, hatten sieben DC-Regierungschefs 14 Kabinetten vorgestanden. Mit allen pflegte(n) Moser (und die ÖVP) mehr oder weniger enge Kontakte. Zu Mario Scelba, der später traurige Berühmtheit erlangte, weil unter seiner Billigung 1961 in Carabinieri-Kasernen politische Häftlinge aus den Reihen des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) gefoltert worden waren und er als damaliger Innenminister den Folterknechten dazu „freie Hand“ („mani libere“) gelassen hatte, waren sie ebenso intensiv wie zu Fernando Tambroni, Antonio Segni, Amintore Fanfani und Aldo Moro. 1962 hatte Moser ein geheimes Treffen zwischen dem stellvertretenden DC-Generalsekretär Giovanni Battista Scaglia sowie der DC-Fraktionsvizechefin Elisabetta Conci und ÖVP-Generalsekretär Hermann Withalm sowie Außenamtsstaatssekretär Ludwig Steiner eingefädelt, das in seinem Beisein am 12. Mai in der am Comer See gelegenen „Villa Bellini“ der mit ihm befreundeten Papierfabrikantin Anna Erker-Hocevar stattfand. Einmütiger Tenor des Treffens: Südtiroler „Friedensstörer“ seien „gemeinsame Feinde“ und als solche „unschädlich zu machen“.
Mosers Engagement ging so weit, dass er sich nicht scheute, daran mitzuwirken, hinter dem Rücken des damaligen Außenminister Kreisky (SPÖ) sozusagen „christdemokratische Geheimdiplomatie“ zu betreiben und dessen mit Giuseppe Saragat ausgehandeltes „Autonomie-Maßnahmenpaket“ zu desavouieren, welches die Südtiroler Volkspartei (SVP) dann auch am 8. Januar 1965 für „zu mager“ befand und infolgedessen verlangte, es müsse nachverhandelt werden. Schon am 6. Januar 1962 hatte er in einer an zahlreiche ÖVP-Politiker und -Funktionäre verschickten „Südtirol-Denkschrift“ bemerkt, Kreisky betreibe „eine dilettantisch geführte Außenpolitik.“ Das bezog sich just auf den seit den verheerenden Auswirkungen des Gruber-De Gasperi-Abkommens ersten erfolgreichen Schritt der Wiener Südtirol-Politik, nämlich der Gang Kreiskys 1960 vor die Vereinten Nationen. Die Weltorganisation zwang mittels zweier Resolutionen Italien zu „substantiellen Verhandlungen zur Lösung des Streitfalls“ mit Österreich, womit der Konflikt zudem internationalisiert und der römischen Behauptung, es handele sich um eine „rein inneritalienische Angelegenheit“, die Grundlage entzogen worden war.
Josef Klaus beugt sich römischem Druck
Der italophile Moser ist nicht selten als politischer Stichwortgeber auszumachen, wenn es um den Versuch der in Wien Regierenden – insbesondere der von der ÖVP gestellten Bundeskanzler der ersten 25 Nachkriegsjahre – ging, sich des mehr und mehr als lästig empfunden Südtirol-Problems zu entledigen. Dies trifft in Sonderheit auf die „Ära Klaus“ zu. Rudolf Moser fungierte just in der Südtirol-Causa als dessen enger Berater und wirkte, wie stets zuvor, als graue Eminenz. Die Regierung Klaus ließ sich – von Rom in der von Wien angestrebten EWG-Assoziierung massiv unter Druck gesetzt – auf (verfassungs)rechtlich äußerst fragwürdige (bis unerlaubte) Händel ein, so beispielsweise auf die auf sicherheitsdienstlicher Ebene mit italienischen Diensten insgeheim verabredete Weitergabe polizeilicher Informationen über Südtiroler, obwohl dies für politische Fälle unzulässig war. Das Wiener Justizministerium und die für Rechtshilfe zuständigen Institutionen wurden dabei kurzerhand übergangen. Für all dies und einiges mehr gab Klaus, der hinsichtlich der Südtirol-Frage offensichtlich ähnlich dachte wie sein deklarierter Freund Rudolf Moser, Forderungen der italienischen Seite bereitwillig nach. Moser hatte alles getan, um sowohl 1965 in Taormina, wo ein UECD-Kongress stattfand, als auch im Sommer 1966 ein geheimes Treffen in Predazzo, wohin Klaus im Anschluss an seinen üblichen Urlaub (in Bonassola an der Ligurischen Küste) reiste, mit Aldo Moro zustande zu bringen.
Aus dem Dunkel ans Licht
Mosers konspiratives Wirken endete 1969/70. Bevor er sich als Pensionist aufs Altenteil in seine Geburtsstadt Wien zurückzog, hinterließ er seine gesamten Aufzeichnungen, Dokumente und Photographien einem Kärntner Nachbarn. Begünstigt von einem glücklichen Zufall war es Helmut Golowitsch gelungen, an den zeitgeschichtlich wertvollen Fundus zu gelangen, in den zuvor noch nie ein Historiker ein Auge geworfen hatte.
Ergänzt durch Material aus dem im niederösterreichischen Landesarchiv verwahrten Nachlass Figls sowie durch einige Dokumente aus dem Österreichischen Staatsarchiv und dem Tiroler Landesarchiv hat er ihn umsichtig aufbereitet, ausgewertet und im 1. Band seiner voluminösen Dokumentation publiziert, worin er die für die Geschehenserhellung brisantesten Notizen Mosers erfreulicherweise faksimiliert wiedergibt. Alle Moser’schen Dokumente hat Golowitsch zudem zu jedermanns Einblick und Nutzung dem Österreichischen Staatsarchiv (ÖStA) übergeben. Aufgrund des zutage Geförderten scheint dem Rezensenten indes der Gedanke nicht ganz abwegig zu sein, dass es sich in Moser um einen italienischen Einflussagenten gehandelt haben könnte. Anhand womöglich vorhandener einschlägiger sicherheitsdienstlicher Befunde ad personam wäre es
interessant zu überprüfen, ob und wie ihn etwa die österreichische Staatspolizei (StaPo) einschätzte.
Ging es Golowitsch in Band 1 darum aufzuzeigen, wie es Rom gewissermaßen unter Mithilfe aus Wien ermöglicht wurde, die betrügerische Scheinautonomie von 1948 zu verfügen und wie das „demokratische Italien“ unter Führung der Christdemokraten (DC) skrupellos die faschistische Politik der Entnationalisierung der Südtiroler fortsetzte, so steht in den Bänden 2 – Titel „Südtirol – Opfer geheimer Parteipolitik“; 462 Seiten, 29,90 € – und 3 – Titel „Südtirol – Opfer politischer Erpressung“; 528 Seiten, 29,90 € – (beide ebenfalls erschienen im Stocker-Verlag Graz 2019) – das geheime politische Zusammenspiel zwischen ÖVP und DC sozusagen en Detail im Mittelpunkt. Dies samt und sonders während der für den hauptsächlich vom „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) mit anderen als „nur“ politischen Mitteln von Mitte der 1950er bis Ende der 1960er Jahre und gelegentlich darüber hinaus getragenen Freiheitskampf. Hierin zeigt Golowitsch Punkt für Punkt die – ja, man muss es in aller Deutlichkeit vermerken – Ergebenheitspolitik der ÖVP(-geführten respektive Allein-)Regierung(en) gegenüber Italien anhand getroffener geheimer Absprachen zwischen ÖVP- und DC-Politikern und unter gezielter Umgehung staatlicher Institutionen sowie insbesondere Außenminister Kreiskys (SPÖ) auf.
Die römische Politik stand damals unter wachsendem Druck des BAS, dessen in Kleingruppen operierende Aktivisten Anschläge auf italienische Einrichtungen in Südtirol, vornehmlich Hochspannungsmasten, verübten. Trotz Massenverhaftungen und Folterungen von gefangenen BAS-Kämpfern in den Carabinieri-Kasernen wurden die italienischen Behörden dieser Bewegung nicht Herr. Innenminister Mario Scelba (DC), Gebieter über die Folterer, sah sich unter dem Druck der Ereignisse zur Einsetzung einer mehr oder minder paritätisch besetzten Studiengruppe zur Erarbeitung einer verbesserten Autonomie für den 1948 absichtlich in die vom italienischen Ethnicum majorisierte Region Trentino-Alto Adige gezwängten südlichen Teil Tirols gezwungen . Die mit der Kommissionstätigkeit verbundene römische Absicht, deren Tätigkeit allmählich einschlafen zu lassen, war angesichts der trotz vieler nach der „Feuernacht“ 1961 verhafteten und verurteilten Freiheitskämpfer fortgesetzten Tätigkeit von aus Österreich operierenden BAS-Aktivisten indes zum Scheitern verurteilt gewesen.
Rom erpresste infolgedessen Wien mit dem Einlegen seines Vetos gegen die anstehende EWG-Assoziierung Österreichs, indem es verlangte, in enger Zusammenarbeit mit den italienischen Sicherheitsdiensten den Südtiroler Widerstand zu brechen und gänzlich zu eliminieren. Dem diente ein angeblicher BAS-Anschlag am 25. Juni 1967 auf der Porzescharte, einem Gebirgsgrenzübergang zwischen Osttirol und der Provinz Belluno, der laut offizieller Darstellung Roms vier Italienern den Tod gebracht haben sollte. Am 29. Juni erklärte die italienische Regierung, Rom werde sich dem Beginn von EWG-Verhandlungen mit Wien so lange widersetzen, wie das Hoheitsgebiet Österreichs als „Zufluchtsstätte für Terroristen“ diene. Woraufhin die ÖVP-Alleinregierung unter Kanzler Klaus in Südtirol-Fragen zunehmend auf italienischen Vorstellungen einschwenkte.
Konstruierter „Tatort“ und fragwürdige Justizverfahren
Aufgrund überzeugender Archivstudien und Analysen des (Militär-)Historikers Hubert Speckner sowie dreier Gutachten öffentlich bestellter und vereidigter
Spreng(mittel)sachverständige besteht heute kein ernstzunehmender Zweifel mehr daran, dass die offizielle Geschehensdarstellung für das „Porze-Attentat, das keines war“, als Konstrukt italienischer Dienste gelten muss. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit mussten aufgrund eines von einem bei einer Verminungsübung des italienischen Militärs auf dem nicht weit entfernten Kreuzbergsattel hervorgerufenen Unfalls die dortigen Toten dazu herhalten, Opfer eines vorgetäuschten BAS-Anschlages an einem eigens konstruierten und präparierten Tatort zu sein. Golowitsch breitet Speckners Erkenntnisse in einer eingängigen Dokumentation noch einmal minutiös und detailreichen vor uns aus. Und schildert vor allem die folgenreiche Entwicklung. für die aufgrund von erfolterten „Geständnissen“ zweier in Bozen inhaftierter österreichischer Verbindungsstudenten des „mörderischen Anschlags auf der Porzescharte“ von Italien beschuldigten und daher in Österreich inhaftierten BAS-Leute der „Gruppe Kienesberger“. Fatal war für Dr. Erhard Hartung, Peter Kienesberger und Egon Kufner), dass sich am 5. Juli 1967 die österreichische Bundesregierung dem italienischen Druck beugte und – wider den parteilosen Justizminister, Univ.-Prof. Dr. Hans Klecatsky, der stets von einer „italienischen Manipultion“ überzeugt war – die italienische Version des Geschehens als zutreffend akzeptierte.
Den Beschuldigten wurde im Dezember 1968 der Prozess gemacht. Das österreichische Innenministerium, ja die Republik selbst, spielte dabei eine mehr als fragwürdige
Rolle. Dem Gericht wurden wesentliche Beweismittel vorenthalten. Es lagen ihm weder Blutgruppenbestimmungen noch Obduktionsbefunde respektive Todesscheine vor, aus
denen Näheres über die genaue Todesursache und deren Zustandekommen hätte festgestellt werden können. Anwaltliche Beweisanträge wurden abgelehnt. Ein hoher Sicherheitsbeamter machte darüber hinaus auch noch eine Falschaussage und verschwieg dem Gericht die dem Innenministerium vorliegenden gegenteiligen Augenzeugenberichte zum „Tatort“ auf der Porzescharte. Es kam zu einer erstinstanzlichen Verurteilung. Der Oberste Gerichtshof hob dieses Urteil jedoch auf, und in zweiter Instanz konnte die Verteidigung anhand von Sachverständigengutachten nachweisen, dass die Tat in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum von den Angeklagten nicht hatte begangen werden können. Im Mai 1971 kam es zum endgültigen Freispruch in Österreich.
Nicht hingegen in Italien, wo in Florenz ein Gericht Hartung und Kienesberger zu lebenslänglicher, sowie Kufner zu 24 Jahren Haft verurteilte. Verfahren und Urteil, die von deutschen und österreichischen Höchstgerichten als wider die Menschenrechtskonvention verstoßend erklärte, da die Angeklagten weder anwesend, noch durch Anwälte vertreten waren, sind noch immer inkraft und würden die sofortige Inhaftierung für Hartung und Kufner – Kienesberger ist 2015 verstorben – bedeuten, sofern sie die Grenze zu Italien überschritten.
Von Italien Abhilfe zu erwarten, scheint ausgeschlossen; seit Antonio Salandra (Regierungschef von März 1914 bis Juni 1916) folgen alle römischen Polit-Onorevoli, ob links oder rechts, dessen Maxime des „Sacro egoismo“ („Heiliger Eigennutz“). Seine Geheimdienst-Archive öffnet es – secreto die stato – nicht, es könnten ja viele manipulierte „Wahrheiten“ ans Licht kommen, die man lieber im Dunkeln belässt. Peppino Zangrando, als Präsident der Belluneser Anwaltskammer von hoher Reputation, stellte schon 1994 in der „Causa Porzescharte“, in der er jahrelang recherchiert hatte, ein Attentat des BAS in Abrede. Er wollte damals schon den Fall neu aufrollen, sein Wiederaufnahmeantrag scheiterte indes an der Staatsanwaltschaft.
Erlittenes Unrecht
Was folgt aus all dem, was Golowitsch in drei ansprechend komponierten Dokumentations- und Dokumentenbänden eindringlich vor uns ausbreitet? Der BAS hat 1967 auf der Porzescharte kein Attentat verübt. Die dafür verantwortlich gemachten Personen (Prof. Dr. med. Erhard Hartung, Egon Kufner sowie der bereits verstorbene Peter Kienesberger) sind zu Unrecht verfolgt und von Italien zu gewissenlosen Terroristen gestempelt worden. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Geschehen, das sich offenkundig anders denn offiziell dargestellt abspielte, wäre es an der Zeit, das florentinische Schandurteil aus der Welt zu schaffen, mit denen sie gänzlich wahrheits- und rechtswidrig für eine offenkundig nicht begangene Tat verurteilt und damit zu blutrünstigen Mördern gestempelt worden sind. Es versteht sich daher eigentlich von selbst, dass die trotz Freispruchs (in Österreich) nach wie vor mit dem Makel der Täterschaft behafteten und in ihrer persönlichen (Reise-)Freiheit eingeschränkten Personen endlich offiziell und überdies öffentlich vernehmlich zu rehabilitieren sind.
Leisetreter am Ballhausplatz
Ein aus dem Österreichischen Nationalrat (Parlament) heraus an den damaligen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gerichteter dahingehender Versuch des FPÖ-Abgeordneten Werner Neubauer vom 17.12.2013 erwies sich als ergebnislos. Faymann gab sich in seiner schriftlichen Antwort vom 17.02.2014 (GZ: BKA-353.110/0008-I/4/2014) auf Neubauers umfangreichen Fragenkatalog ahnungslos – sowohl gegenüber den Erkenntnissen aus Speckners Forschungsergebnissen, als auch gegenüber Fragen nach eventuell vorliegenden Unterlagen zur „Intervention des Kanzlers Klaus bezüglich der Prozessführung durch den Richter Dr. Kubernat im Dezember 1968 beim Landesgerichtspräsidenten“. Und in allen anderen Fragen erklärte Faymann das Kanzleramt für unzuständig.
Auch an das österreichische Staatsoberhaupt gerichtete Anfragen erwiesen sich letztlich als nicht zielführend. Der damalige Bundespräsident Dr. Heinz Fischer hatte zwar, „Auftrag gegeben, dieses Buch eingehend zu studieren. Erst nachher wird die Beurteilung der Frage möglich sein, ob sich über den bisher schon bekannten Sachverhalt hinaus neue Gesichtspunkte in dieser Angelegenheit ergeben“, wie er am 28. August 2013 an den „sehr geehrten Herrn Klubobmann des Freiheitlichen Parlamentsclubs, Abg. z. NR Heinz-Christian Strache, FPÖ Bundesparteiobmann“ schrieb. Doch am 7. Februar 2014 teilte er diesem mit: „Wie ich in meinem Schreiben vom 28. August 2013 in Aussicht gestellt habe, wurde dieses Buch von Mitarbeitern der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei durchgelesen. Ein Beweis dahingehend, dass die vom italienischen Geschworenengericht verurteilten Personen nicht ,die Täter gewesen sein konnten‘, ist aus dem Buch nach Ansicht meiner Mitarbeiter nicht eindeutig abzuleiten. Was mögliche Begnadigungen anlangt, darf ich auf die Ihnen bekannten, bisher schon gesetzten Schritte hinweisen. Ich werde dieses Thema bei geeigneten Gelegenheiten auch in Zukunft im Auge behalten.“
Auf neuerliches Nachsetzen des Abgeordneten Neubauer (Schreiben vom 1. 12. 2014) ließ Fischer am 12.12. 2014 seinen „Berater für europäische und internationale Angelegenheiten“, Botschafter Dr. Helmut Freudenschuss, antworten (GZ S130040/221-IA/2014). Darin hieß es, es gehe „nicht um die Bewertung des Buches, sondern ausschließlich darum, ob die darin enthaltenen Ausführungen über die bereits gesetzten Schritte hinaus eine weitere Intervention gegenüber den italienischen Organen nahelegt. Sie wissen sicher, dass der Herr Bundespräsident das Thema der Begnadigungen immer wieder – zuletzt am 11. November 2014 – im Gespräch mit dem italienischen Staatspräsidenten zur Sprache gebracht hat. Die italienischen Vorbedingung – nämlich Gnadengesuche der Betroffenen – ist aber offenbar nicht erfüllbar.“
Unziemliche Empfehlungen und Schande für Österreich
Seit Jahren raten und/oder empfehlen regierende österreichische Bundes- und Landespolitiker (vornehmlich jene Tirols und zuvorderst jene von ÖVP und SPÖ), aber auch Politiker des 1919 von Italien annektierten südlichen Teils Tirols, vorzugsweise jene der Südtiroler Volkspartei (SVP), „Betroffenen“, deren Taten – seien sie bewiesen oder unbewiesen; seien sie begangen oder nichtbegangen; seien sie von BAS-Aktivisten verübt oder diesen durch italienische Manipulationen untergeschoben worden – bereits ein halbes Jahrhundert und länger zurückliegen, mögen doch bitteschön Gnadengesuche einreichen. Mit Verlaub – das ist Chuzpe.
Abgesehen davon, dass italienische Staatsoberhäupter längst Terroristen aus den Reihen der „Roten Brigaden“ respektive aus dem rechtsextremistischen Milieu begnadigten, sich bisher aber stets ablehnend gegenüber den letzten verbliebenen Südtirolern, setzt der Gnadenakt für Südtirol deren Gnadengesuch voraus. Alle unrechtmäßig Beschuldigten und zudem menschenrechtswidrig Verurteilten – und um solche handelt es sich bei den Dreien der „Causa Porzescharte –, wären doch von allen guten Geistern verlassen, so sie um Gnade bettelten für eine Tat, die sie nicht begangen haben. Dass indes maßgebliche Organe der Republik Österreich, die sich damals schon hasenfüßig und Italien gegenüber unterwürfig verhielten, auch 50 Jahre danach noch ihrer Fürsorgepflicht für zwei ihrer jahrelang politisch und justitiell verfolgten Staatsbürger (offenkundig) nicht nachkommen (wollen), darf man mit Fug und Recht eine Schande nennen.
Eine Schande für die österreichische Politik war es auch, die von Rom unter ständigen Hinweisen auf das EWG-Veto verlangte „Präventivhaft“ – wie sie in Italien auf der Grundlage fortbestehender faschistischer Rechtsnormen möglich war – über geflüchtete Südtiroler zu verhängen und sogar deren Auslieferung zu verlangen, füglich zu umgehen. Weil sich besagter parteifreier Justizminister Klecatsky unter Hinweis auf die österreichische Rechtsordnung dem im Ministerrat allen Ernstes vorgetragenen Ansinnen anderer entschieden entgegentrat, womit die Sache formell erledigt war, hatte man jedoch im Wiener Innenministerium einen Rom entgegenkommenden Ausweg erdacht: Die von den italienischen Stellen namhaft gemachten Südtiroler wurden kurzerhand in Schubhaft genommen. Gelang es diesen Schubhäftlingen trotz enormer Schwierigkeiten, eine gerichtlich verfügte Aufhebung ihrer Inhaftierung zu erreichen, sperrte man sie unter einem neuen Schuldvorwurf wieder ein.
Derartige und andere unschöne Vorgehensweisen stehen in Golowitschs drittem Band im Zentrum. Dazu gehört samt und sonders die politische Preisgabe einer fundamentalen, auf internationalem Recht fußenden Absicherung des Südtiroler Autonomie- „Pakets“. Und dazu gehört nicht zuletzt die dokumentarisch belegte Schilderung von Winkelzügen, die im diplomatischen Hintergrund, somit im Geheimen (also der Öffentlichkeit und den Südtirolern als Betroffenen verborgen bleibend) abliefen und politische Händel ermöglichten.
Dr. Bruno Hosp war als junger Student mit führenden BAS-Kämpfern wie beispielsweise Jörg Klotz und Luis Amplatz befreundet. Hosps Wort ist auch aufgrund langjähriger Mitwirkung an der politischen Gestaltung Südtirols in der „Paket- und Nachpaket-Ära“ – als SVP-Landesparteisekretär unter Silvius Magnago; sodann viele Jahre Landesrat für deutsche und ladinische Kultur sowie Denkmalpflege; sohin auch als Zeitzeuge aus der Erlebnisgeneration – von Gewicht. In seinem von persönlichen Erfahrungen geprägten und von den jüngeren zeitgeschichtlichen Forschungsergebnissen beeinflussten Geleitwort „Südtirolpolitik mit Makeln“ zu Golowitschs drittem Band stellt er sich und allen Betroffenen sowie Interessierten die Frage: „Wie sah die österreichische Südtirolpolitik jener Jahre wirklich aus?“ Räsonierend beantwortet er sie: „Generell vermisst man das österreichische Selbstbewusstsein gegenüber dem italienischen Staat, der seinerseits ,Freundschaft‘ gegenüber Österreich im Falle Südtirols meist vermissen ließ. Es ist eine weiterwirkende politische Konstante. Die österreichische Konstante dagegen ist die Grundtendenz, lieber Wohlverhalten zu zeigen als strategisch-entschlossene Politik im Landesinteresse, zu dem auch Südtirol zählt, zu betreiben.“
Ernüchternd fährt der ernüchterte Hosp fort: „Der unvoreingenommene Leser der Darstellung von Helmut Golowitsch kommt nicht umhin festzustellen, dass die Südtirolpolitik der ÖVP und der Regierung Dr. Josef Klaus in ihrer Grundorientierung zwar Südtirol helfen wollte, doch der Wunsch Österreichs nach dem Beitritt zur EWG zu oft sehr peinlichen Unterwerfungsgesten gegenüber der italienischen Staatsmacht im Allgemeinen und der Democrazia Cristiana (DC) mit ihrer zentralistisch-nationalistischen Ausrichtung im Besonderen führte. Dies wurde Südtirol natürlich verheimlicht. Eingestanden hat man es bis heute nicht. Das viel beschworene ,Herzensanliegen Südtirol‘ blieb in seiner politischen Ausrichtung oft halbherzig. Man wollte alles für Südtirol tun, aber zugleich nichts, was die italienische Staatsmacht störte. Die Regierung in Wien umging auch oft genug das Bundesland Tirol, dessen Landeshauptmann Eduard Wallnöfer (ÖVP), sein Stellvertreter Dr. Hans Gamper (ÖVP), Landesrat Rupert Zechtl (SPÖ) und einige andere herausragende politische Persönlichkeiten stets strategisch- konsequent Südtiroler Lebensinteressen vertraten. Die Regierung Dr. Josef Klaus umging aber auch ihren SPÖ-Außenminister Dr. Bruno Kreisky, der diplomatisch-weitsichtig und kämpferisch-unbeugsam für Südtirol eintrat, die Südtirolfrage vor die UNO brachte und in seiner Zeit als Bundeskanzler wohlbedacht keine Anstalten machte, den zweifelhaften IGH-Vertrag zu ratifizieren.“
Diesen Feststellungen Hosps ist uneingeschränkt zuzustimmen, weshalb der Rezensent zu seiner Schlussfolgerung gelangt: Historische Forschung ist stets ein Ringen um Wahrheitssuche, und Geschichtsschreibung ist ausschließlich der Wahrheit verpflichtet, nicht einer Ideologie, einem sogenannten „erkenntnisleitenden Interesse“, welches direkt zu einer mitunter staatlichen Interessen entsprechenden Geschichtspolitik führt: Wie sie heutzutage nicht selten unter der Vorgabe, allein „dem Humanen verpflichtet“ zu sein, die Regel statt die Ausnahme ist. Und worunter das unbestechliche Urteil leidet. Geschichtsforschung und -schreibung hat jedweder Versuchung zu widerstehen, aus berufspolitischem oder akademischem Opportunismus oder beidem, bisweilen gepaart mit Sendungsbewusstsein und/oder Eiferertum, (politisches, wirtschaftliches, soziales, gesellschaftliches) Geschehen anders zu schildern als es wirklich war und zu bewerten, wie es politischer Korrektheit Zeitgeist und Mainstream frommt.
Helmut Golowitschs dreibändige historisch-politische Dokumentation zur Südtiroler Zeitgeschichte folgt den Maximen von Wahrheit und Gerechtigkeit, zeigt auf, was andere ignorier(t)en und/oder (un)bewusst ausblende(te)n. „Jeder wahrheitsbewusste und weltoffene österreichische Patriot und jeder Südtiroler, der sich aus guten Gründen als Österreicher fühlt, wird das Vaterland Österreich nicht weniger lieben, wenn er
unverfälscht die ganze Wahrheit erfährt, wie die österreichischen Regierungen jener Jahre es mit Südtirol wirklich hielten. Vaterlandsliebe, die die Wahrheit nicht ausblendet, wird sich vielmehr mit einem sehr nüchternen Sinn verbinden, der zur politischen Klarsicht befähigt“, schreibt Hosp zurecht. Golowitschs quellengesättigte Tatsachenschilderung und seine Beschreibung der Zusammenhänge in drei ins sich geschlossenen und mit unzähligen Originaldokumenten angereicherten Bänden führen zu einer notwendigen vertieften, korrigierenden Sicht auf die österreichischen Südtirolpolitik, der weite Verbreitung zu wünschen ist.
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