Andreas-Hofer-Feier in Südtirol – Ehrung des um Südtirol verdienten Österreichers Werner Neubauer
Die von dem „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) veranstaltete große Andreas-Hofer-Landesgedenkfeier fand am 23. Februar 2025 bei dem Sandwirt, dem Geburtshaus von Andreas Hofer in St. Leonhard in Passeier, statt.
1.500 Schützen und Marketenderinnen folgten den zahlrechen Ehrengästen, die zum Gedenken an den 215. Todestag ihres Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer in das Passeier gekommen waren. (Bild SSB)
Gedenkgottesdienst durch den Großmeister des Deutschen Ritterordens und den Schildhofbauern des Passeiertales. (Bild SSB)
Erzherzog Georg von Habsburg-Lothringen hielt die Festrede vor dem Geburtshaus des Andreas Hofer, neben ihm der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes Roland Seppi. (Bild SSB)
Im Anschluss daran wurden verdiente Marketenderinnen und Schützen geehrt. Unter ihnen befand sich auch der ehemalige österreichische Nationalratsabgeordnete Werner Neubauer, dem Südtirol zur zweiten Heimat wurde und der Leutnant in der Schützenkompanie Gries ist. Ihm wurde die Silberne Verdienstmedaille des Schützenbunde verliehen.
Werner Neubauer wird die Verdienstmedaille angesteckt. (Bild SSB)
Links: Die Ehrenurkunde. Rechts: Erzherzog Georg von Habsburg-Lothringen und Werner Neubauer, Zugleutnant der Schützenkompanie Gries/Bozen. (Bild: Archiv Neubauer)
Dokumentation:
Werner Neubauers herausragende Leistungen für Südtirol
Die Liebe zu Südtirol ist in Werner Neubauer früh erwacht. Bereits im Alter von 16 Jahren hatte er vielfachen Kontakt zu Tiroler Freiheitskämpfern, die über Südtirol und ihre persönlichen Erfahrungen im Kampf um die Selbstbestimmung bzw. um ein Autonomiestatut bei ihren Auftritten erzählten.
Dies ermunterte ihn bereits mit 18 Jahren einen Verein der Südtirolfreunde zu gründen.
Als Neubauer im Jahr 2006 für die Freiheitliche Partei in den Nationalrat entsendet wurde, wurde er aufgrund seines großen Wissens zur Südtirol-Frage schnell zum Südtirolsprecher der FPÖ im Parlament ernannt.
Der 1956 in Linz geborene Werner Neubauer BA, MA, war in der Folge von 2006 bis 2019 Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat und forderte als Südtirol-Sprecher das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol, die Verankerung der Schutzmachtrolle Österreichs in der Bundesverfassung, die Abschaffung der künstlichen faschistischen Ortsnamen in Südtirol und die Beseitigung faschistischer Denkmäler und Relikte. Für diese Ziele ging er bei Kundgebungen des Südtiroler Schützenbundes auch mit Transparenten auf die Straßen in Bozen, Meran und Bruneck.
Immer wieder trat er als österreichischer Parlamentarier dafür ein, dass den deutschen und ladinischen Südtirolern auch die österreichische Staatsbürgerschaft zuerkannt werden solle. Mit diesem Vorstoß öffnete er der österreichischen Südtirol-Politik neue Wege.
Immer wieder forderte Neubauer, dass den deutschen und ladinischen Südtirolern auch die österreichische Staatsbürgerschaft zuerkannt werden solle. Ein von ihm am 12. März 2009 eingebrachter parlamentarischer Entschließungsantrag – von einigen Südtiroler SVP-Abgeordneten begrüßt – wurde von der ÖVP beerdigt. (Bild STF)
Werner Neubauer (4. von rechts) im Gedenkjahr 2009 auf einer Demonstration des „Südtiroler Schützenbundes“ (SSB) in Bruneck. (Bild SSB)
Werner Neubauer 2009 auf der Gedenkfeier in Salurn für den von den Faschisten auf eine einsame Insel verbannten und frühzeitig zu Tode gekommenen Salurner Rechtsanwalt Dr. Josef Noldin, der sich für den geheimen Deutschunterricht eingesetzt hatte. (Bild SSB)
Auf dem „Freiheitsmarsch“ des „Südtiroler Schützenbundes“ (SSB) am 14. April 2012 in Bozen trug der parlamentarische FPÖ-Südtirol Sprecher Werner Neubauer ein Transparent, auf welchem die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler gefordert und Südtirol zur österreichischen Herzensangelegenheit erklärt wurde. (Bild SSB)
2009 veröffentlichte Werner Neubauer dieses Buch, in welchem auch über alle seine bisherigen parlamentarischen Initiativen der FPÖ zur Südtirol-Frage berichtet wird
2014 erschien diese Gedenkschrift aus seiner Feder im Südtiroler EFFEKT-Verlag.
Im Jahr 2023 veröffentlichte Werner Neubauer die Publikation „600 Jahre Grieser Wehrhaftigkeit als Teil der Tiroler Landesverteidigung“.
Ein Jahr später erschien aus seiner Feder die Darstellung „Mut zur Treue – Die Geschichte der Schützen Villanders“.
Zukünftige Aufgabenstellungen
Obwohl sich Werner Neubauer im Jahr 2019 aus der aktiven Politik verabschiedet hat, schlägt sein Herz nach wie vor für seine zweite Heimat Südtirol.
Er arbeitet in Österreich in Südtirol Angelegenheiten als Berater, bereitet in diesen Monaten eine weitere Publikation mit Südtirol Bezug vor und hält Vorträge über die aktuelle Situation und die Zukunft des Landes südlich des Brenners. Ein besonderes Anliegen ist Neubauer der jugendliche Nachwuchs. Es ist ihm wichtig, den jungen Menschen die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Autonomie und die Wichtigkeit einer deutschen Schule immer wieder näher zu bringen. Darüber hinaus pflegt er das Tiroler Schützenwesen aus voller Überzeugung.
Wir sind davon überzeugt, dass Werner Neubauer nicht schweigen wird, wenn der Autonomie Gefahr droht oder Italien die Rechte der deutschen und ladinischen Minderheit bedrohen sollte.
Am 8. Dezember 2024 hatten mehr als 2.000 Teilnehmer in St. Pauls in Kirche und auf dem Friedhof des von den Carabinieri 1961 schwer gefolterten und dann 1964 in der Gefangenschaft umgekommenen legendären Freiheitskämpfers Sepp Kerschbaumer gedacht.
Auf dieser Feier war über Lautsprecher eine über Mobiltelefon übertragene berührende Gedenkrede des im Exil lebenden Freiheitskämpfers Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung zu hören gewesen.
Auf dem Friedhof hatten Pater Reinald Romaner OFM und Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ SHB (links im Bild), gesprochen. (Bild SSB)
Darauf hin hatten die Landtagsabgeordneten Anna Scarafoni und Marco Galateo von der neofaschistischen – pardon: postfaschistischen – Partei „Fratelli d’Italia“ – „Brüder Italiens“ in einer Landtagsanfrage eine Distanzierung von jeglicher Ehrung der Südtiroler Freiheitskämpfer der Sechzigerjahre gefordert und von „unmoralischen Feierlichkeiten“ gesprochen.
Der an den Folgen von Folter und Inhaftierung im Gefängnis von Verona verstorbene Freiheitskämpfer Sepp Kerschbaumer aus Frangart – Gedenkkarte des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)
In ihrer Anfrage behaupteten Scarafoni und Galateo: „Die Autonomie in Südtirol wurde trotz des Terrorismus und nicht wegen des Terrorismus erreicht.“ Sie bezeichnen die Freiheitskämpfer des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS) als „Terroristen“ und verwiesen auf die Opfer auf der Porzescharte im Jahre 1967. Sie ignorierten, dass die Freiheitskämpfer nachweislich nicht die Urheber eines Anschlags auf der Porzescharte gewesen waren.
Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung war in Österreich aufgrund der Anhörung von Zeugen und der Vorlage sprengtechnischer Gutachten gerichtlich von dem Vorwurf einer „Täterschaft“ ausdrücklich freigesprochen worden.
In Italien wurde er jedoch trotz Anforderung ohne Vorladung und ohne Übermittlung einer Anklageschrift in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt – nach Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien war dies menschenrechtswidrig. Von dieser Verurteilung hatte er lediglich aus der Zeitung erfahren.
Anna Scarafoni und Marco Galateo von den „Fratelli d’Italia“ (Wahlkampf-Bild)
Marco Galateo, den Südtirols Landeshauptmann Kompatscher (SVP) zu seinem Stellvertreter gemacht hat, fühlte sich im Kreise Neofaschisten wohl, die ungeniert mit dem faschistischen „Saluto Romano“ grüßten.
Veröffentlichung auf dem Internet-Portal „Unser Tirol 24“ vom 24. Jänner 2024
„Kompatscher bestätigt Südtiroler Freiheitskampf“
Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)
Unter dem Titel „Kompatscher bestätigt Südtiroler Freiheitskampf“ sandte Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB) am 4. Jänner 2024 nachstehende Pressemitteilung aus:
„Landeshauptmann Kompatscher ist sicher kein Patriot, aber auch er bestätigte nun in Antwort auf einer Anfrage der Landtagsabgeordneten Anna Scarafoni klar, dass Sepp Kerschbaumer und seine Mitstreiter Freiheitskämpfer waren. So wie Magnago und Durnwalder bestätigt damit auch der amtierende Landeshauptmann, dass die Unterdrückung der Südtiroler die Feuernacht notwendig gemacht hatte und Italien an den Verhandlungstisch gezwungen hat.
Bereits Magnago hatte mehrmals bestätigt, so SHB-Obmann Roland Lang, dass die Anschläge Italien zu ernsthaften Verhandlungen gezwungen hat. „Die Anschläge von damals und die darauffolgenden Prozesse gehören, genau wie vieles andere, zur Nachkriegsgeschichte Südtirols und stellen einen bedeutenden Beitrag zu dieser Geschichte und zur Erreichung einer besseren Autonomie für Südtirol dar“ so Magnago im SVP-Parteiorgan Volksbote vom 8. April 1976.
Der ehemalige Landeshauptmann Durnwalder hat am 30. November 2024 in seiner Rede in Frangart zur Eröffnung der Ausstellung über den Freiheitskämpfer Kerschbaumer erklärt: „Sepp Kerschbaumer ist nicht tot – er lebt in seinem Vermächtnis weiter. Er hat uns Werte hinterlassen, die wir bewahren und leben sollten.“
In Beantwortung der Landtagsanfrage der Fratelli d`Italia vom 23.12. 2024 erklärte Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher:
„Sepp Kerschbaumer verdient sich den Namen Freiheitskämpfer vollauf. Er hat sich für die Rechte der Südtiroler und Südtirolerinnen eingesetzt, er war immer darauf bedacht, keine Menschen zu verletzen. Es ging um ein Signal und einen Aufschrei in einer Zeit der großen Unterdrückung.“
Der Südtiroler Heimatbund erklärt erneut seine Solidarität mit Univ. Prof. Dr. Erhard Hartung. Die Beweise seiner Unschuld im Fall Porzescharte sind längst bekannt und seine Rede bei der Gedenkveranstaltung in St. Pauls war ausgeglichen und ein Bekenntnis zur Gewaltfreiheit.
Der österreichische Militärhistoriker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner ist anhand von Sachverständigengutachten und sicherheitsdienstlicher sowie persönlicher „Tatort“-Begehungen zu dem Schluss gekommen, dass auf der Porzescharte ein vermutliches italienisches Verminungs-Unglück geheimdienstlich zu einem künstlichen „Tatort“ umfunktioniert worden sei, um Freiheitskämpfer zu belasten.
Der Landtagsabgeordneten Frau Anna Scarafoni möchte ich noch das Buch „Feuernacht- Die Notwehr eines Volkes“ des Südtiroler Heimatbundes empfehlen. Selbstverständlich ist es auch in italienischer Sprache erhältlich. Es ist erfreulich, wie zahlreich die positiven Rückmeldungen sind. Viele Italiener haben den Lügenmärchen der nationalistischen Politiker und der sensationshungrigen Presse über jene Zeit in Südtirol blind geglaubt. Erst jetzt verstehen viele die wahren Gründe der Anschläge, die Notwehr eines Volkes, so der SHB-Obmann.“
Das von dem „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) herausgegebene Buch „Feuernacht“ ist auch in einer italienischen Ausgabe erschienen und könnte somit problemlos von Scarafoni und Galateo gelesen werden.
Zum Jahresende – Rückblick – Ausblick
Bild: Dr. Franz Pahl ist Vorsitzender des SVP-Clubs der Altmandatare. Er tritt öffentlich für die Wiedervereinigung Südtirols mit dem Vaterland Österreich ein.
Wie steht es um Südtirol? Was wird die Zukunft bringen? Ein Rückblick und Ausblick, verfasst von dem ehemaligen SVP-Landtagsabgeordneten und Regionalratspräsidenten Dr. Franz Pahl.
(Bildtexte durch die Redaktion beigestellt.)
Drei Kernthemen der Südtirolpolitik
Die Bemühungen des Landeshauptmannes um die Wiederherstellung von Autonomie-Kompetenzen, die bedrohliche Abschwächung des Proporzes und die Auseinandersetzung um den Deutschunterricht beherrschen die Südtirolpolitik. Nichts davon ist neu, doch in diesem Jahr traten sie besonders hervor.
Südtirolpaket dank ‚Feuernacht‘
In der „Herz-Jesu-Nacht“ („Feuernacht“) vom 12. Auf den 13. Juni 1961 waren 37 Hochspannungsmasten gesprengt und einige weitere schwer beschädigt worden. (Bild: Archiv)
Als das neue Autonomiestatut 1972 in Kraft trat, war die „Feuernacht“ von 1961 noch lebendige Erinnerung. Erst unter dem politischen Druck der Attentate der Südtirolaktivisten begannen die aufeinanderfolgenden italienischen Regierungen mit Österreich über eine echte Autonomie zu verhandeln.
Während die Attentate dank der Verhandlungen abflauten und das formaldemokratische Italien die Südtirolaktivisten unter schweren Missachtungen der Menschenrechte verfolgte, kam das „Südtirolpaket“ voran und wurde 1969 von der Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei angenommen. Die Südtirolaktivisten erhielten erst 1976 in einer Erklärung des damaligen Parteiobmannes Silvius Magnago eine späte moralische Würdigung ihrer Beweggründe.
Der SVP-Parteiobmann und Landeshauptmann Dr. Silvius Magnago erklärte im SVP-Organ „Volksbote“ vom 8. April 1976: „Die Anschlage von damals und die darauffolgenden Prozesse gehören, genau, wie vieles andere, zur Nachkriegsgeschichte Südtirols und stellen einen bedeutenden Beitrag zu dieser Geschichte und zur Erreichung einer besseren Autonomie für Südtirol dar.“ (Bild aus einer Fernsehdiskussion)
Paketabschluss
1992 wurde das Südtirolpaket unter SVP-Obmann Roland Riz mit der österreichischen Streitbeendigungserklärung formell abgeschlossen. Der zähe Kampf um die Wahrung der autonomen Kompetenzen setzte sich fort. In der Regel verließ man sich auf die direkten Verhandlungen zwischen der SVP und Rom. In einigen Fällen wurde die österreichische „Schutzmacht“ eingeschaltet.
Abschied der Erlebnisgenerationen
Unverkennbar nagte die politische Vergesslichkeit der nachwachsenden Generationen am politischen Kampfbewusstsein. Je mehr die „alte Garde“ aus Altersgründen aus dem Amt schied und schließlich – im letzten Jahrzehnt – auch die jüngere Generation der 80er Jahre, die noch die lange Schlussphase der Paketdurchführung erlebt hatte, die politische Bühne verließ, desto mehr verschwand auch das Wissen um die Notwendigkeit der politischen Kampfbereitschaft.
Der SVP-Obmann Richard Theiner beklagte das mangelnde Wissen der Politiker. (Bild aus einem Fernsehbericht)
Nachfolgende Politiker meinten, dass die Autonomie gesichert sei. Wie SVP-Obmann Richard Theiner (Obmann 2009-14) einmal meinte, bestehe in der Mehrheit der politischen Vertreter kein ausreichendes politisches Hintergrundwissen mehr, das ständig Anlass zu einem realpolitischen Misstrauen gegen den Zentralstatt bietet. Die Zahl der Ausnahmen, die eine Phalanx gegen den Staat zu bilden willens sind, ist zu gering geworden.
Verfassungsreform
2001 gab es nach den föderalistischen Reformdiskussionen noch einmal einen Anlass zur Hoffnung für die Zukunft. Die Volksabstimmung bestätigte positive Änderungen der Verfassung, die zum ersten Mal das Bemühen um eine bessere Kompetenzaufteilung zwischen dem Staat und den Regionen zeigte, aber auch einige neue Einschränkungen vorsah. Bald nach 2001 begann das Verfassungsgericht mit restriktiven Auslegungen der Autonomie. Das hatte Folgen.
Das Verfassungsgericht urteilt einschränkend
Der „corte costituzionale“ – der Verfassungsgerichtshof in Rom – schränkte wiederholt die Autonomie Südtirols ein. (Bild: Wikipedia)
Die Ämterordnung und das Personal sind durch Urteile des Verfassungsgerichts den staatlichen Grundregeln unterworfen. Die öffentlichen Finanzen sind durch die grundlegenden Koordinierungsprinzipien eingeschränkt. Im Bereich Ämterordnung und Personal (Art. 8 Nr. 1 ASt) steht die Regelung – nach der 2001 erfolgten Privatisierung der Dienstverhältnisse – nunmehr beinahe zur Gänze dem Staat zu. Hinzu kommen die Einschränkungen durch die grundlegenden Prinzipien zur Koordinierung der öffentlichen Finanzen. (Laut Bericht des Landeshauptmannes Arno Kompatscher zur Autonomiereform vom 19.3.2024)
Das staatliche Zivilrecht setzt dem Vergaberecht der öffentlichen Arbeiten enge Grenzen. Die Raumordnung ist der früheren Landeskontrolle beraubt. Das Gleiche gilt für den Zivilschutz, Bergbau, Pflanzen- und Tierschutz und die Jagd. Ortspolizei und Öffentliche Dienste sind durch restriktive Interpretationen und das Unionsrecht eingeschränkt. Der Umweltschutz ist zwar nicht als eigene Kompetenz im Autonomiestatut angeführt, jedoch vom Land aufgrund seiner Kompetenzen im Gesundheitswesen, der Raumordnung und dem Landschaftsschutz umfassend geregelt. (Laut Bericht des Landeshauptmannes Arno Kompatscher zur Autonomiereform vom 19.3.2024)
Neue Durchführungsbestimmungen nicht erfolgreich
Die Verfassungsreform von 2001 hatte aber nicht nur Vorteile für die Autonomie gebracht, sondern auch Einschränkungen vorgesehen, die zuvor nicht bestanden. Mit neuen Durchführungsverordnungen versuchte man, gegenzusteuern. Zu einem Erfolg führte das nicht, denn die antiautonomistische Rechtsprechung des Verfassungsgerichts konsolidierte sich. Das im Zweifel meist zentralistische Verfassungsgericht entschied ein ums andere Mal gegen die föderalistischen Absichten und höhlte regionale Kompetenzen durch rigide Urteile wieder aus. Das Gericht beschränkte sich dabei nicht nur auf eine zentralistische Auslegung, sondern griff sogar in die Verwaltungsregelungen der unteren Ebene ein.
Kein rechtzeitiger Widerstand
Überraschenderweise wurde diese Tendenz des Verfassungsgerichts selten öffentlich politisch diskutiert und noch weniger kampfbereit angeprangert. Die politische Wachsamkeit, in den Achtziger und Neunzigerjahren noch allgemeine Haltung, schwächte sich ab und blieb nur in wenigen politischen Einzelvertretern im Parlament (wie Zeller, Brugger, Peterlini, Durnwalder) lebendig.
Der ehemalige Landeshauptmann und SVP-Politiker Luis Durnwalder, Ehrenoffizier der Schützenkompanie Pfalzen, war noch wachsam gegen Aushöhlungen der Autonomie gewesen. (Bild SSB)
Der Südtirolkonvent hatte in seinen Beschlüssen eine Reform der Autonomie angeregt. Konsequenzen hatte dies nicht. Landeshauptmann Arno Kompatscher entschied sich aber, mit einem eigenen Konzept die rechtliche Aushöhlung der Autonomie durch das Verfassungsgericht zu thematisieren und legte dem Landtag einen Bericht vor. Darin sind die verlorenen Kompetenzen angeführt. Der Ministerpräsident der italienischen Rechtsregierung, Giorgia Meloni, sicherte dem Landeshauptmann zu, die früheren Kompetenzen in einem Verfassungsgesetz wiederherzustellen. Darüber hinausgehende Forderungen beschied sie abschlägig.
Römisches Hinhalten und rechter Übereifer
Rom schlug den üblichen Weg der Verzögerungen ein. Die bei den Landtagswahlen vom Oktober 2003 erneut geschwächte SVP ging mit der italienischen Rechten eine Koalition ein, um es Meloni politisch zu erleichtern, den Weg der Herstellung von früheren Kompetenzen entschlossen einzuschlagen. Zu einer typischen Rechtspolitik kam es in Südtirol trotz der Beteiligung von italienischen Rechtspolitikern nicht . Sie ließen zwar keine Gelegenheit aus, stramm nationalistische Töne anzuschlagen. In ihrem Sinne verändern konnten sie nichts. Auf Staatsebene zögerte Meloni hingegen nicht, überwunden geglaubte Denkweisen und Meinungsstereotypen wieder hoffähig zu machen. Sie decken sich – keineswegs auffallender Weise – mit Teilen der Moraldoktrin der katholischen Kirche. Darauf wagt selbst die linke Opposition nicht zu verweisen.
Urzí – ‚Trojanisches Pferd‘ in der Sechserkommission
Für Südtirol nahm die Regierung auf einem Umweg Einfluss, indem sie dafür sorgte, dass der langjährige Vertreter der Forza Italia, Alessandro Urzí, Präsident der Sechserkommission wurde. Sie behandelt Durchführungsverordnungen zur Südtirolautonomie. (Anmerkung: Die Sechserkommission ist ein gemeinsames Gremium von Staat und Provinz für die Umsetzung der Südtiroler Autonomie)
Auf Versammlungen des MSI („Movimento Sociale Italiano“ – „Italienische Sozialbewegung“) war es durchaus üblich, mit dem faschistischen „Saluto Romano“ zu grüßen. (Bild: Archiv)
Urzi, der aus dem alten nationalistischen MSI („Movimento Sociale Italiano“) , der Nachfolgeorganisation der nach dem 2. Weltkrieg verbotenen Faschistischen Partei, herkommt und seine rückwärtsgewandte Haltung im Unterschied zu seinen früheren Kollegen im Landtag nie geändert hat, nützt sein Amt entsprechend aus. Die gegenwärtige Autonomiediskussion um das Projekt zur Wiederherstellung früherer Kompetenzen verbindet er nun mit der Gegenforderung, die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Teilnahme an Gemeinde- und Landtagswahlen radikal abzuschwächen. Die Zahl der Italiener in Südtirol ist stetig im Rückgang und hat zu Verlusten bei der Wahl der italienischen Vertreter geführt. Darum fordert Urzí, die vierjährige Ansässigkeit für das Wahlrecht auf ein Jahr zu begrenzen. Das könnte leichter zur Wahl von mehr italienischen Vertretern führen. Damit gibt sich Urzí aber nicht zufrieden. In jedem Gemeinderat, der auch nur einen einzigen italienischen Vertreter aufweise, solle dieser auf jeden Fall einen Sitz im Gemeindeausschuss einnehmen.
Geschlossene Gegenwehr fehlt
Alessandro Urzi gehört der MSI-Nachfolgepartei „Fratelli d’Italia“ („Brüder Italiens“) an und ist in den Medien sehr präsent. (Bild: VIVI Italia Tv))
Urzís Forderungen sind hoch politisch und werden sich sehr zu Ungunsten der deutschen Volksgruppe auswirken, wenn ihnen nachgegeben würde. Aber gerade in diese Richtung gehen einzelne Wortmeldungen auch der deutschen Seite. Im Normalfall müsste eine Stellungnahme der SVP für Klarheit sorgen und die Forderungen abweisen. Der Parteiausschuss der SVP müsste sich seinerseits mit der Frage befassen und die Vorstellungen des Kommissionspräsidenten Urzí ablehnen. Es ist schon an sich eine Zumutung, dass ein italienischer Vertreter und noch dazu ein rechtsnationalistischer Politiker Präsident einer bedeutenden Kommission ist, die südtirolpolitische Beschlüsse fasst. Zwar ist die Regierung daran nicht gebunden. Die Kommission legt ihre Haltung in der Regel einvernehmlich fest und die Regierung nimmt die Durchführungsbestimmungen an. Würde die deutsche Vertretung den nationalistischen Forderungen zustimmen, wäre das eine Kniebeuge vor dem Nationalismus. Noch ist nichts entschieden. Es scheint aber, dass in der römischen Regierung mit ihrer offensichtlichen Verzögerungstaktik manche Ministerien nur darauf warten, Gründe für eine völlig unbefriedigende Behandlung der Südtiroler Forderungen zu finden. Die heimliche Abwehrhaltung wird deutlich. Derzeit sind es ausbleibende Gutachten einzelner Ministerien, die zum Zeitverlust führen.
Landeshauptmann droht mit Ende der Mitte-Rechts-Koalition
Landeshauptmann Arno Kompatscher hat seinen Unmut über die zögernde Haltung der römischen Regierung mehr als einmal geäußert und mit dem Ende der Mitte-Rechts-Koalition in Bozen gedroht. Auf die Koalition legt Meloni Wert, weil ihre Partner hierzulande auf die Fortdauer der Machtbeteiligung erpicht sind. Dennoch geben italienische Rechtspolitiker in Südtirol freimütig zu erkennen, dass sie in dem Nationalisten Urzí einen Verbündeten sehen und bekräftigen seine Argumente. Käme es zu keiner Einigung über die Sicherung früherer Kompetenzen, ist die Machtbeteiligung der Rechten in Bozen ernstlich in Gefahr. Würde die Koalition aufgelöst, wäre das einzige Machtmittel aus der Hand gegeben. Erst recht wäre dann kein römisches Entgegenkommen mehr zu erwarten. Man kann sich in diesem Fall das scheinheilige römische Bedauern ausmalen: Man hätte ja gerne eine strategische Partnerschaft gezeigt und die Südtiroler Forderungen im Prinzip erfüllt. Die SVP habe das aber durch den Koalitionsbruch unerwartet zerschlagen.
Die Alternative hieße, links-grüne Kräfte in Südtirol in die Landesregierung aufzunehmen, denen die Wiederherstellung der Kompetenzen aber nie ein echtes Anliegen war. Proporz und Zweisprachigkeit sind für sie relativ. Es wäre also nichts zu gewinnen. Die SVP macht weiter in ihren Bemühungen.
Es tröstet nur relativ, dass das Verfassungsgericht die Grundprinzipien des Minderheitenschutzes nie in Frage gestellt hat. Sie waren von den negativen Urteilen immer ausgenommen.
Aufweichung von innen
Die Bedrohung kommt auch von anderer Seite. Es ist die langsame und kaum kaschierte Aufweichung von Prinzipien der Autonomie durch die deutsche Seite selbst.
Mehrfach wurde der Proporz nicht mehr kämpferisch verteidigt. Es fehlt ein günstiges Arbeitsumfeld für deutsche Stelleninhaber. In staatlichen Bereichen dominiert das italienische Element und betrachtet Proporz und Zweisprachigkeit als widerwillig geduldeten Grundsatz. Im Sanitätsbereich wurde er längst freiwillig aufgeweicht. Die Zweisprachigkeit wird nicht mehr aktiv verteidigt.
Proporz relativiert
In einer genauen Aufstellung auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Andreas Leiter-Reber listete der Landeshauptmann selbst die ernüchternden Zahlen auf. Besonders auf der entscheidenden Führungsebene bleibt der deutsche Anteil weit unter einem Drittel statt der notwendigen Zweidrittel. (Schriftliche Antwort des Landeshauptmannes Arno Kompatscher auf die Anfrage des Ltg. Abg. Andreas Leiter Reber zum Proporz, Südtiroler Landtag, 13.11.2024)
Auch der „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) warnte im September 2024 auf seiner Internetseite, dass der Proporz „in ernster Gefahr“ sei.
Die Folgen sprechen für sich: Je höher die Führungs- und Gehaltsebenen beim Fürsorgeinstitut NISF/INPS oder bei der Post sind, desto mehr Italiener und umso weniger deutsche Mitarbeiter. Während gut ausgebildete Südtiroler abwandern, bleiben Führungspositionen und gut dotierte Stellen im öffentlichen Dienst unbesetzt oder gehen an Beamte aus anderen Provinzen. (Leiter-Reber, Andreas, Presseaussendung vom 1. 12. 2024)
Laut dem ethnischen Proporz sind aufgrund der Volkszählungsergebnisse 69 Prozent für die deutsche, 26 Prozent für die italienische und 5 Prozent für die ladinische Sprachgruppe vorgesehen. Die Wirklichkeit ist ernüchternd: In den unteren Ebenen wird der Proporz noch leidlich eingehalten. Das Gegenteil ist bei den höheren Funktionsebenen der Fall, auf denen das Betriebsklima geprägt und die Entscheidungen gefällt werden. Allein bei der Agentur der Einnahmen zeigt es sich symptomatisch. Die Ebene der höheren Beamten ist zu 53 % italienisch, zu 45% deutsch und zu 2 % ladinisch besetzt. (Leiter-Reber, Andreas, Presseaussendung vom 1. 12. 2024)
Deutsche Schule in städtischen Zentren
Das Verfassungsgericht hat die Rechte der deutschen Schule nie angetastet. Dort gibt es wie in vielen Ländern der EU große Probleme mit der schulischen Integration von Einwandererkindern aus vorwiegend moslemischen Staaten. In städtischen Brennpunkten finden sich viel weniger deutsche als ausländische Schüler. Der Grund ist offensichtlich. Die unterschiedlichen Kulturen von Einwandererkindern aus nicht europäischen Staaten, die Lebensauffassung der Schülereltern und die völlig fehlende Kenntnis der Schulsprache Deutsch, sei es auch nur in der Form des Dialekts oder der weniger ausgeprägten umgangssprachlichen Varianten, machen den deutschen Schulunterricht in der normalen Form unmöglich. Das geht zu Lasten der deutschen Schüler. Immer mehr Eltern haben sich entschieden, ihre Kinder in Schulen der außerstädtischen Umgebung mit mehrheitlich deutschen Schülern einzuschreiben, um sie in einer günstigeren Lernumgebung bilden zu lassen.
Die Initiative der Bozner Goethe-Schule
Die Goethe-Schule in Bozen. (Bild: Wikipedia)
Dem trug die Direktorin der Bozner Goetheschule, Christine Holzer, Rechnung und sah für das Schuljahr 2024/25 eine Zuteilung von Schülern nach ihren Sprachkenntnissen vor. Ein Sturm linker Entrüstung folgte, weil die „Inklusion“ gefährdet sei.
Die Direktorin der Bozner Goetheschule, Christine Holzer, sprach ein offenes Wort. („Dolomiten“ vom 3. Oktober 2924)
Der Landeshauptmann und der Kulturlandesrat äußerten sich sachlich, beschränkten sich jedoch auf den Leitsatz der „Inklusion“ und gingen auf die realen didaktischen Probleme nicht ein. Schulamtsleiterin Sigrun Falkensteiner reagierte aggressiv mit Verwaltungsverfahren und scheute sich nicht, auch Schuldirektoren, die die Goetheschule verteidigten, zum Rapport zu zitieren. Der Grundauftrag der deutschen Schule, einen gedeihlichen Deutschunterricht zu garantieren und diesen didaktisch zu ermöglichen, wird außer Acht gelassen. Die Schulamtsleiterin war offensichtlich uninteressiert an praktischen Lösungen.
Sogar sechs Bozner SVP-Ortsgruppen forderten den Rücktritt der Schulamtsleiterin Sigrun Falkensteiner. („Dolomiten“ vom 27. September 2024)
Aus der Bevölkerung gab es eine ungeheure Fülle von Solidaritätsbekundungen für die Goetheschule. Die realen Schulsituationen interessierten die moralisierenden Kämpfer für den weltethisch verstandenen Vorrang der „Inklusion“ gegen didaktische Vernunft nicht.
Keine staatliche Stelle und kein Verfassungsgericht mischten sich ein, aber manche linken oder nationalistischen Vertreter mögen sich insgeheim die Hände gerieben haben, als sie sahen, wie leicht es war, die Lehrvernunft zur Strecke zu bringen und die Interessen der deutschen Schüler – und damit die deutsche Volksgruppe an sich – zu schädigen. Der ehemalige Berufsschuldirektor Josef Haspinger stellte nüchtern fest, dass er an seiner Schule Jahre lang ungestört und bei didaktischer Zusammenarbeit mit Fachleuten das gleiche Modell wie die Goetheschule erfolgreich praktiziert hatte.
SVP-CLUB nimmt Stellung
In einer Presseaussendung wandte sich der SVP-CLUB der ehemaligen Mandatare gegen die ideologische Verirrung des Schulamtes: Die Disziplinarmaßnahme gegen die Direktorin der Bozner Goetheschule, Christine Holzer, sei eine ideologische „Strafaktion“ und „politisch, rechtlich und didaktisch ein bestürzender Fehlgriff.“ Die Schulamtsleiterin Sigrun Falkensteiner bediene sich eines “administrativen Macht- und Abschreckungsmittels“ gegen Direktorin Christine Holzer, die didaktisch richtig gehandelt hatte. (…)
Die deutschen Grundschüler haben das unverzichtbare Recht auf einen didaktischen Rahmen , der den muttersprachlichen Lernerfolg garantiert. Darauf müssen sich die Schülereltern, die Oberschulen und die Wirtschaft verlassen können. Es geht um eine hochpolitische Frage. (SVP-CLUB, Offener Brief vom 26. September 2024)
Die deutschen Schulkinder haben das Recht auf einen guten Deutschunterricht. (Symbolbild)
Die SVP richtete eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Landessekretärs Harald Stauder ein, um Vorschläge für einen erfolgreichen deutschen Sprachunterricht zu machen.
Die italienische Schule leidet an den gleichen Problemen wie die deutsche Schule. In Bayern geht man die Sache praktischer an. Ausländische Schüler mit keinen oder nur geringen Deutschkenntnissen werden für ein bis zwei Jahre in getrennten Klassen unterrichtet, bis sie im Stande sind, dem deutschen Normalunterricht zu folgen.
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Wir wünschen all unseren Lesern frohe Weihnachten und alles Gute für das Jahr 2025!
Sepp Kerschbaumer DANKE für Deinen Einsatz!
Der legendäre Freiheitskämpfer Sepp Kerschbaumer aus Frangart, der Begründer des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS), starb vor 60 Jahren am 7. Dezember 1964 im Alter von 51 Jahren im Gefängnis von Verona den Herztod, für den wohl die vorher erlittene Folter mit ursächlich gewesen war.
Der „Südtiroler Schützenbund“ (SSB) und der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) erinnerten dieser Tage mit einer gemeinsamen Plakataktion an dieses traurige Geschehen.
Große Gedenkfeier – Bericht des „Südtiroler Schützenbundes“ (SSB):
Sepp-Kerschbaumer-Gedenkfeier: „Vergeben, aber nicht vergessen!“
ST. PAULS – Am Sonntag, den 8. Dezember 2024, versammelten sich über 2.000 Teilnehmer in St. Pauls, um anlässlich des 60. Todestages von Sepp Kerschbaumer dessen herausragende Verdienste sowie die der verstorbenen und lebenden Tiroler Freiheitskämpfer der 1960er Jahre zu würdigen. Im Mittelpunkt der Feier standen der unermüdliche Einsatz für die Freiheit und Selbstbestimmung Südtirols sowie die Erinnerung an eine entscheidende Epoche in der Geschichte der Südtiroler.
Frontabschreitung, Einmarsch und heilige Messfeier
Frontabschreitung durch Bürgermeister Wilfried Trettl, die Landeskommandanten Roland Seppi und Enzo Cestari, Landeskommandant-Stellvertreter Gerhard Biller sowie den Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang. (Bild SSB) (Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher war zu dieser Feier nicht erschienen. Einige andere SVP-Politiker wie beispielsweise die ehemalige Landesrätin Martha Stocker, die SVP-Landesrätin Rosmarie Pamer und die SVP-Landtagsabgeordneten Waltraud Deeg und Franz Locher, waren hingegen gekommen.)
Die Feierlichkeiten begannen mit der Meldung der angetretenen Formationen und der anschließenden Frontabschreitung durch Bürgermeister Wilfried Trettl, die Landeskommandanten Roland Seppi und Enzo Cestari, Landeskommandant-Stellvertreter Gerhard Biller sowie den Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang.
(Bild SSB)
Im Anschluss führte die Musikkapelle Girlan die Schützen und Teilnehmer zum Kirchgang in den sogenannten „Dom am Lande“. Pater Reinald Romaner OFM zelebrierte die Heilige Messe und hob dabei besonders die Vorbildwirkung Sepp Kerschbaumers für die Tiroler Bevölkerung hervor.
Gedenkfeier im Friedhof
Auf dem Friedhof sprachen Pater Reinald Romaner OFM und Roland Lang, Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ SHB (links im Bild). (Bild SSB)
Nach dem Kirchgang marschierten die Teilnehmer zum Friedhof, wo Roland Lang die Anwesenden begrüßte und kurz auf die aktuelle politische Lage einging: „55 Jahre nach dem Südtirol-Paket, versucht die Landespolitik, verlorene Kompetenzen der Autonomie zurückzuerlangen. Die Verhandlungen sind jedoch schwach. Zudem hat Landeshauptmann Arno Kompatscher Vertreter der Fratelli d‘Italia in die Landesregierung aufgenommen, was die Verhandlungen weiter erschwert. Die Entscheidung von Ministerpräsidentin Meloni, Alessandro Urzí in die Verhandlungen einzubinden, ist eine Watschn für Südtirol. Urzí fordert eine Herabsetzung des Wahlrechts für zugewanderte Italiener, eine Aufweichung des Proporzes und die automatische Anerkennung des Zweisprachigkeitsnachweises. Er ist bekannt für seinen Einsatz gegen die Tiroler Identität. Es ist Fünf vor Zwölf: Wir müssen uns für die Ziele des Südtirol-Autonomiekonvents entscheiden oder den bequemen Weg der Assimilation wählen.“
„Vergeben, aber nicht vergessen!“
Hier im Bild: Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung (rechts) zusammen mit dem ehemaligen Freiheitskämpfer Siegfried Steger, einem der legendären „Pusterer Buam“. (Bild Hartung)
Der im Exil lebende Freiheitskämpfer Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung (81) hielt via Mobiltelefon die Gedenkrede. Er betonte die Bedeutung von Sepp Kerschbaumers entschlossenem Einsatz für die Heimat und den Schutz der Menschenwürde.
„Es ist mir eine große Ehre, hier zur Erinnerung an Sepp Kerschbaumer und sein Wirken für unsere Heimat zu sprechen“, so Hartung. Er erinnerte daran, dass Kerschbaumer und seine Mitstreiter in einer Zeit kämpften, in der die Rechte der Südtiroler massiv unterdrückt wurden. „Die Südtiroler Freiheitskämpfer haben einen entscheidenden Beitrag für eine bessere Autonomie geleistet!“, zitierte Hartung den ehemaligen Landesrat Dr. Bruno Hosp.
Besondere Beachtung fand die Erwähnung der „Feuernacht“ vom 11. auf den 12. Juni 1961, an der Kerschbaumer maßgeblich beteiligt war. „Diese weltweit für Aufsehen erregende Aktion erfolgte mit Wissen lokaler und österreichischer Politiker mit dem Ziel der Freiheit und Loslösung Südtirols von Italien durch Selbstbestimmung“, erklärte Hartung. Er schilderte die politische Lage jener Zeit und die provokativen Maßnahmen der italienischen Regierung, die die Südtiroler zur Verzweiflung trieben.
Hartung stellte klar, dass die Freiheitskämpfer keine Terroristen waren, sondern Menschen, die für ihre Rechte eintraten. „Wir waren selbstlose, das Recht und die Freiheit liebende Personen“, betonte er. Dabei erinnerte er an die gewaltsamen Repressionen, die die Freiheitskämpfer erlebten, und forderte die heutige Politik auf, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und Lösungen für die noch offenen Fragen zu finden.
„Wir ehemaligen Freiheitskämpfer waren selbst Opfer und haben den seinerzeitigen Tätern längst vergeben, unsere Hand zur Versöhnung ausgestreckt aber können und dürfen nicht vergessen.“, schloss Erhard Hartung seine bewegende Rede.
Ehrensalve und Kranzniederlegung
(Bild SSB)
Im Anschluss an die Gedenkrede spielte die Bürgerkapelle Girlan am ehemaligen Grab von Sepp Kerschbaumer das Lied vom „Guten Kameraden“. Die Ehrensalve wurde von der Schützenkompanie „Sepp Kerschbaumer“ Eppan unter Hauptmann Maximilian Schmid abgefeuert. Abgeschlossen wurde die sehr würdige Gedenkfeier mit der Tiroler Landeshymne und der Österreichischen Bundeshymne.
Kerschbaumer, leuchtendes Beispiel für die Jugend
Der Landeskommandant des „Südtiroler Schützenbundes“, Roland Seppi, bei seiner Ansprache. (Bild SSB)
Landeskommandant Roland Seppi würdigte Kerschbaumer als einen Mann, der die politische Apathie in Südtirol aufbrach und die Südtiroler Volkspartei zum Handeln aufrief. Dennoch bleibt die Wahrheit schmerzlich: Auch 60 Jahre später hat Südtirol noch nicht vollständige Freiheit erlangt. Die politische Landschaft ist nach wie vor von Kompromissen und dem Einfluss Italiens geprägt.
„Wir sind immer noch unfreiwillige Untertanen des italienischen Staates, aber unter gänzlich anderen Vorzeichen! Der Stiefelstaat ist nicht mehr der widerwillige Geber, sondern der geduldige Zurücknehmer“, so Seppi, der dabei auch die heutige politische Führung kritisiert: „Sie verlieren zunehmend den Kontakt zum kulturellen und politischen „Hinterland“ und dabei die wahren Herausforderungen der Tiroler Identität aus den Augen“.
Seppi schloss seine Rede mit einem Appell an die Verantwortungsträger, den Tirolern eine Zukunft zu bieten, die auf echten Werten basiert – auf dem Rückgrat der Identität und einer unabhängigen, selbstbewussten Haltung.
„Für unsere Tiroler Identität braucht es Zukunftsdenker, keine Paragraphenreiter“, betonte Seppi und erinnerte an den großen Mut von Sepp Kerschbaumer, der auch heute noch als leuchtendes Beispiel für die Jugend gilt.
Freiheit und Selbstbestimmung
Die Gedenkfeier wurde von Vertretern der Kirche, der Schützen sowie der Politik begleitet und fand in einem würdigen Rahmen statt. Sie unterstrich die Bedeutung, das Andenken an Sepp Kerschbaumer und seine Mitstreiter zu bewahren. Die Teilnehmer verließen die Veranstaltung mit einem starken Gefühl der Verbundenheit und dem festen Vorsatz, die Werte der Freiheit und Selbstbestimmung auch in Zukunft zu verteidigen.
Dokumentation:
Video des Südtiroler Schützenbundes:
Gedenkrede von Prof. Dr. Erhard Hartung:
Der Wortlaut:
Sehr geschätzter Kamerad Sepp, sehr verehrte Vertreter von Kirche, Schützen und Politik sowie sämtliche Teilnehmer, die zur Ehrung von Dir, anlässlich Deines 60. Todestags, anwesend sind!
Es ist mir eine große Ehre vom Südtiroler Schützenbund ausgewählt und aufgefordert zu sein hier zur Erinnerung an Dich und Dein Wirken für unsere Heimat zu sprechen. Ursächlich dafür dürften neben Deinem vorbildlichen Eintreten für die Heimat von uns Tirolern auch unsere Beiden ähnlichen Schicksale sein. Auf Grund unseres Erkennens des sehr stark gefährdeten Volkstums, unseres christlichen Glaubens, an unsere verbrieften Rechte und unsere ehrliche Liebe zur Heimat hatten wir den dafür erforderlichen Mut und die notwendige Kraft uns in mannigfaltiger Weise zu äußern und gegen die eindeutige Verletzung uns zugesagter, beschlossener Verträge und vielfach schwerer Verletzungen der Menschenrechte und Menschenwürde einzutreten. Dafür wurden wir Freiheitskämpfer von der Justiz, der Politik, den Medien strafrechtlich verfolgt, inhaftiert, schwer gefoltert sowie über viele Jahre gedemütigt und verleumdet.
Lieber Sepp, um Dich und Dein damaliges Handeln überhaupt heute verstehen zu können, möchte ich in Erinnerung rufen, dass in den späten 1950er Jahren in Europa auf Zypern ein Freiheitskampf unter Führung von General Grivas und Erzbischof Makarios stattfand und nur dadurch die Insel von England unabhängig wurde. Im Baskenland, Nord-Irland und Algerien waren Freiheitskämpfer aktiv und das von uns bekämpfte Italien hat noch im Jahre 1963 Ansprüche auf das Hinterland von Triest gestellt, wobei es zeitgleich die uns und Österreich 1946 im sogenannten Pariser-Abkommen zugesicherten autonomen Grundrechte und die Selbstverwaltung, bewusst verweigerte.
Gott sei gedankt, denn die schwierige Situation der Nachkriegsjahre hat sich im Vergleich zu heute, wesentlich verbessert. Es sei erlaubt die Worte, des mit uns Beiden befreundeten, ehemaligen Landesrat Dr. Bruno Hosp zu zitieren: „Die Südtiroler Freiheitskämpfer haben einen entscheidenden Beitrag für eine bessere Autonomie geleistet!“.
Trotzdem könnt Ihr, hier Anwesenden, mich nur dank technischer Hilfsmittel hören, die meine physische Anwesenheit nicht zwingend erforderlich machen. Ursächlich dafür ist ein noch immer bestehender italienischer Haftbefehl zur Verbüßung einer lebenslangen Strafe, welche vor über einem halben Jahrhundert über mich in Abwesenheit verhängt wurde. Nach Erkenntnis des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes widerspricht dieses Urteil der Europäischen Menschenrechtskonvention, da ich weder Ladung, Anklageschrift noch Urteil, trotz Anforderung und bekannten Aufenthalts, nicht zugestellt erhielt.
Nun, zurück zu Dir, lieber Sepp: es ist Dein großer Verdienst, dass Du die schweren Verbrechen der italienischen Politik und ihrer, seit der Besetzung Südtirols fortlaufenden, kolonialen Verwaltung, noch rechtzeitig erkannt hast und gestärkt durch Deinen Glauben die notwendige Kraft hattest Ende der 1950er Jahre mit Gleichgesinnten den „Befreiungs-Ausschuss-Südtirol“, kurz BAS genannt, zu gründen sowie aktiv, maßgeblich an der Vorbereitung und Ausführung der sogenannten „Feuernacht“ vom 11. auf 12. Juni 1961 beteiligt warst. Diese, weltweit Aufsehen erregende Aktion erfolgte mit Wissen lokaler und österreichischer Politiker mit dem Ziel der Freiheit und Loslösung Südtirols von Italien durch Selbstbestimmung.
Um deutlich zu machen, dass wir Freiheitskämpfer keine Terroristen, Neonazi oder Faschisten sind, wurde von einem gemeinsamen Team aus Nord- und Südtirolern, welche mir später in Kameradschaft verbunden waren, am 31. Jänner 1961 das Mussolini huldigende Reiterdenkmal in Waidbruck gesprengt und verhindert, dass es wiedererrichtet wurde. Seine Reste befinden sich heute in einem italienischen Depot wo andere, noch sichtbare Relikte des Faschismus, wie z.B.: das Siegesdenkmal in Bozen, das Mussolini-Relief am Bozner Finanzamt oder die Ossarien in Grenznähe, welche öffentlich Ärger erregen, besser aufgehoben wären. Italien möge sich an Österreich und Deutschland, wo keine Denkmäler in Erinnerung an ehemalige Kriegsverbrecher bestehen, ein Beispiel nehmen und den damals Verfolgten bzw. deren Nachkommen ein Ausgleich gewährt wird.
Ursächlich für den gewaltigen Aufstand von uns Tirolern waren primär die Nichteinhaltung von Verträgen, die Jahrzehnte lange italienische Ausbeutung sowie das auch bei uns eingeführte Kolonialsystem Italiens, welches an die schlimmsten Kolonialmethoden in Afrika erinnerte, sodass von uns ein LOS VON ROM gefordert wurde. Nach Beurteilung von Kanonikus Michael Gamper befanden wir uns auf einem Todesmarsch da Lebensgrundlagen entzogen, der Zugang zur Arbeit erschwert und der Bezug von günstigen Sozialwohnungen fast unmöglich gemacht wurde.
Dem folgte eine massive Abwanderung ins Ausland, welche durch staatlich geförderte, angesiedelte Zuwanderer aus Italien ausgeglichen wurde. So war mit mathematischer Sicherheit vorauszusehen, dass wir Tiroler binnen kurzer Zeit, in der eigenen Heimat zu einer rechtlosen Minderheit werden.
Auch wenn es Dir, lieber Sepp, und allen Freiheitskämpfern oberstes Ziel war bei unserem Kampf, Menschenleben zu schonen, eskalierte die Auseinandersetzung wegen der Folterungen von politischen Südtiroler Häftlingen durch Carabinieri, unfairen Gerichtsverfahren mit Verurteilung von 157 Personen zu mehreren Jahrhunderten Haft, der Stationierung von bis zu 40.000 Uniformierten sowie durch gezielte, geheimdienstliche Provokationen wie den bis heute ungesühnten Mord an Luis Amplatz und dem völkerrechtswidrigen Vorfall in Tesselberg.
Lieber Sepp, Du musst wissen, dass Du und andere Freiheitskämpfer durch korrekte Forschung heute anders beurteilt werden und wir keine Terroristen, sondern selbstlose, das Recht und die Freiheit liebende Personen waren. So hat die Landeshauptstadt Innsbruck eine Straße im olympischen Dorf nach Dir benannt. Auch ist bewiesen, dass die angeblichen Anschläge auf dem Pfitscherjoch, der Steinalm und der Porzescharte, welche acht italienische Soldaten getötet hätten, nicht uns Südtiroler Freiheitskämpfern anzulasten sind.
Gleich wie Dir in schwerster Zeit der Liebe Gott beigestanden ist, so hilft heute die moderne Technik mir: Gutachter haben herausgefunden, dass Mast 119 auf der Porzescharte im Juni 1967 gleich zweimal am gleichen Tag gesprengt wurde. Das beweist zweifelsfrei, dass u.a. ich nicht Täter sein kann und der österreichische Bundespräsident bereits 1975 zu Recht jede Verfolgung einstellte. Heute ist es Aufgabe der Politik auch hier eine Lösung zu finden.
Wir ehemaligen Freiheitskämpfer waren selbst Opfer und haben den seinerzeitigen Tätern längst vergeben, unsere Hand zur Versöhnung ausgestreckt aber können und dürfen nicht vergessen.
In diesem Sinn erlaube ich mir auf die permanente Ausstellung im „Haus der Tiroler Geschichte“ im Zentrum von Bozen hinzuweisen. Denn nur wer sein Land kennt und liebt, kann wachsam und wehrhaft für freiheitliche und demokratische Werte eintreten.
Auf Wiedersehen allen Teilnehmern, hoffentlich dann „in persona“ im kommenden Jahr,
mit Tiroler Grüßen
Erhard Hartung
Dankesworte des Landeskommandanten des „Südtiroler Schützenbundes“, Roland Seppi
Geschätzter Sepp Kerschbaumer,
heute 60 Jahre nach deinem Tod im Gefängnis, kann ich dir berichten, die Zeiten nach dir waren weiterhin schwierig. Doch der italienische Riese musste einlenken, tröpfchenweise gab er uns Verwaltungsbefugnisse. Die absolute Freiheit, die war da leider nicht dabei, leider bis heute nicht!
Einige deiner späteren Nachfolger, also die Macher von heute, haben zur Freude Italiens ihren Radius Richtung Norden eingeengt. Doch trotz der freiwilligen Einschränkung ihres Weitblickes auf ungefähr 45 Autominuten, Innsbruck ist für sie bereits Ausland, preisen sie sich als große Förderer der europäischen Einigung.
Eine Schuldirektorin, die sich um die eigene deutsche Sprache in Bozen bemüht, bekommt für Ihren Einsatz ein Disziplinarverfahren angehängt. Sogar diese Schmutzarbeit nehmen unsere neuen Visionäre den Faschisten ab.
Geschätzter Sepp Kerschbaumer, es sind lustlose Heimatpfleger, deine politischen Nachfolger!
Zurück in die 1960er Jahre. Ja, die erkämpften italienischen Zugeständnisse ergaben kleine Freiräume. Die politische und wirtschaftliche Aufbau-Generation wurde dadurch gefestigt und diente der ladinischen und deutschen Minderheit, die beide immer selbstbewusster wurden. Gewisse Volksvertreter wurden jedoch übermütig. Wirtschaft und Politik gab sich viel Eigenlob, und immer wieder die Botschaft an die UNO, zeigt uns Südtiroler doch her in aller Welt! Wir haben den besten Schutz, den sich eine Minderheit nur vorstellen kann. Niemand warnte die Südtiroler Volkspartei vor dieser naiven Botschaft, auch nicht Österreich. Liebe Schutzmacht, das war unverantwortlich und fahrlässig!
Geschätzter Sepp, um den Kreis der vergangenen 60 Jahre in voller Wahrheit abzuschließen, darf auch Folgendes nicht fehlen. Wir sind immer noch unfreiwillige Untertanen des italienischen Staates, aber unter anderen Vorzeichen! Der Stiefelstaat ist nicht mehr der widerwillige Geber, sondern der zielstrebige Zurückforderer!
Und Südtirolerseits kann man mit dem neuen, engen Schmalspurdenken, der Schlitzohrigkeit italienischer Diplomatie, auch nicht ansatzweise die Stirn bieten. Vor allem in Bozen lachen sich die rot oder schwarz gefärbten italienischen Nationalisten neuerdings ins Fäustchen, „piano piano ci baciano la mano“. „Nun warten die von der SVP wachgeküssten, auf das was da kommen mag“!
Geschätzter Sepp Kerschbaumer, das ist die Wahrheit 60 Jahre nach deinem Tod. Es tut mir leid, denn gerade Du hättest dir eine andere, eine bessere Wahrheit verdient!
Schützen Heil
Mjr. Roland Seppi
Landeskommandant
Zur Erinnerung:
Das Leben Sepp Kerschbaumers
Sepp Kerschbaumer. Gemälde von Rudolf Comploier.
Sepp Kerschbaumer wurde am 9. November 1913 in Frangart bei Bozen geboren. Am 10. September 1934 wurde der 22 Jahre alte Kaufmannsohn, wie damalige Zeitungsberichte belegen, mit weiteren 9 Burschen und zwei Mädchen von Geheimagenten und Carabinieri verhaftet und in Ketten in das Bozner Gefängnis eingeliefert. Die Jugendlichen wurden beschuldigt, am Tag vorher, am Sonntag, den 9. September, beim Wiesenfest der Musikkapelle St. Pauls verbotene deutsche Lieder gesungen zu haben.
Mitte Oktober 1934 wurden die Burschen und Mädchen ohne Verteidigung von der faschistischen Verbannungskommission einvernommen und verurteilt. Die beiden Mädchen wurden für fünf Jahre unter Polizeiaufsicht gestellt. Die zehn Burschen wurden zu mehreren Jahren Verbannung nach Süditalien verurteilt. Sepp Kerschbaumer war zu zwei Jahren Verbannung nach Lagonegro in Süditalien verurteilt worden.
Sepp Kerschbaumer (Bildmitte) zusammen mit Freunden auf einer Radtour im Jahre 1934
Aus einem Bericht der Innsbruck erscheinenden Zeitung „Der Südtiroler“ vom 1. Dezember 1934.
Ab 1957 protestierte Kerschbaumer mit Flugzetteln gegen die fortgesetzte faschistische Politik der Unterdrückung und geförderten Massenzuwanderung aus dem Süden. Er hisste die verbotene Tiroler Fahne auf dem Kirchturm in Frangart und letztendlich gründete er zusammen mit verzweifelten Landsleuten, die keinen anderen Ausweg mehr sahen, den „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS).
Es kam zu den Verzweiflungsanschlägen der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961, die letztlich auf lange Sicht eine gewaltige Wende in der Politik einleiten sollten, zunächst aber zu Massenverhaftungen und schweren Folterungen führten.
Die verbotene Tiroler Fahne auf dem Kirchturm in Frangart. Für das öffentliche Zeigen der Tiroler Farben wurde Sepp Kerschbaumer nach Paragraph 654 des immer noch Geltung befindlichen faschistischen Strafgesetzbuches (Codice Penale“ von 1930) wegen „aufhetzender Kundgebung“ zu 10 Tagen Haft verurteilt. Der Staatsanwalt hatte in der Verhandlung die Tiroler Fahnen als „stracci“ – als „Fetzen“ – bezeichnet. (Bild Archiv)
Verhaftung und Folterung Sepp Kerschbaumers
Am 15. Juli 1961 wurde der Gründer und Kopf des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS), der Frangarter Gemischtwarenhändler und Kleinbauer Sepp Kerschbaumer, verhaftet, in die Carabinieri-Kaserne von Eppan gebracht und schwerstens misshandelt.
Der ebenfalls verhaftete Josef Fontana aus Neumarkt im Unterland wurde Sepp Kerschbaumer am 17. Juli 1961 um 17 Uhr abends gegenübergestellt. Der Eindruck, den Kerschbaumer auf ihn machte, konnte er kaum in Worte fassen. Was er sah, war „ein Mensch in seiner tiefsten Erniedrigung.“ (Josef Fontana / Hans Mayr: „Sepp Kerschbaumer“, Bozen 2000, S. 146)
Sepp Kerschbaumer wurde aus dem Kreis seiner Familie gerissen. Vor ihm lagen Folter, Haft und Tod. (Bild Archiv)
Martin Koch aus Bozen und Sepp Kerschbaumer (rechts) sind verhaftet worden und werden nun in die Carabinieri-Kaserne eingeliefert. (Bild Archiv)
Sepp Kerschbaumer hat das, was mit ihm geschehen war, am 4. September 1961 in einem Schreiben geschildert, welches keinen Adressaten trug und aus dem Gefängnis hinaus geschmuggelt und der Südtiroler Volkspartei übergeben wurde.
Der Brief liegt heute im Südtiroler Landesarchiv in Bozen unter den Archivalien der Südtiroler Volkspartei.
Der Briefanfang
Der Brief lautet:
„Gefängnis Bozen, 4. September 1961
Schildere hier die Mißhandlungen, die ich beim Verhör durch die Karabinieri von Eppan und dort selbst erleiden mußte. Sofort nach der Verhaftung am 15. Juli 1961 als ich in der Frühe um 6-7 Uhr in die Kaserne eingeliefert wurde, wurden an mich verschiedene Fragen gestellt die ich verneinte.
Daraufhin wurde ich in ein anderes Lokal geführt, wo ich sofort mit Hände hoch stehen mußte, in dieser Position mußte ich von 7 Uhr früh bis 2 Uhr Nachmittag, um welche Zeit ich dann bis 6 Uhr abends in die Zelle gesperrt wurde. Dann ging es wieder von 6 Uhr abends bis 3 Uhr in der Früh gleich wie zuvor.
So mußte ich im ganzen 16 Stunden mit erhobenen Händen stehen. Als ich die Arme nicht mehr ganz in die Höhe halten konnte, riß man sie mir wieder empor, zu alldem wurde ich in dieser Zeit immer wieder im Gesicht in der Brust und am Rücken mit der flachen Hand oder den Fäusten geschlagen, zudem wurde ich immer wieder auf das gemeinste verspottet, nicht nur ich, sondern besonders auch unser ganzes Volk samt Führung, in der letzten Zeit der Mißhandlung war ich so mit meinen Kräften darnieder, daß ich mich nur mehr mit der größten Mühe aufrecht erhalten konnte.
Ich schwitzte und zitterte am ganzen Leibe und war so erschöpft, daß ich nur mehr einen Wunsch hatte, nämlich zu sterben. Als ich den Karabinieri sagte, sie sollen mich frisch umbringen, wurden sie erst recht prutal.
Beim späteren Verhör wurde mir immer wieder mit der Streckbank gedroht.
Dies entspricht alles der reinen Wahrheit und ich kann es gar nicht so schrecklich schildern, wie es in Wirklichkeit sich alles zugetragen hat.
Sepp Kerschbaumer, geb. am 9. 11. 1913 in Frangart“
(Wörtliche Wiedergabe des Originalbriefes. SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen)
Das Ende des Briefes
Mit ihm sein Land Tirol
Im Ersten Mailänder Südtirolprozeß im Jahre 1964 wuchs Sepp Kerschbaumer als Hauptangeklagter über sich hinaus.
Er verwandelte das Gerichtsverfahren in ein Tribunal über die römische Politik in Südtirol und er beeindruckte damit nicht nur die deutschen und österreichischen Medien, sondern auch die Weltpresse.
Sepp Kerschbaumer wurde in Mailand am 16. Juli 1964 zu 15 Jahren und 11 Monaten Haft verurteilt und nach dem Prozess in das Gefängnis von Verona verlegt. Dort starb er am 7. Dezember 1964 im Alter von 51 Jahren – viel zu früh – der Herztod, für den wohl auch die erlittene Folter mit ursächlich gewesen war.
Bericht Sender Bozen der RAI am 13. Mai 2011 „50 Jahre Feuernacht“
Schönes Südtirol: Ein Besuch in der zweiten Heimat
Bild: freepik
Südtirol ist seit Jahrhunderten die Heimat der bodenständigen deutschen und ladinischen Bevölkerung. Für viele Landsleute nördlich des Brenner ist Südtirol zur zweiten Heimat geworden. Auch für Georg Dattenböck, den Herausgeber des SID. In nachstehendem Beitrag mit von ihm beigestellten Bildern berichtet er darüber.
Von Georg Dattenböck
In 1.430 m Höhe im Ultental stehen Urlärchen am Rand eines Bannwaldes zum Schutz der Außerlahnhöfe. Mit „Lahn“ sind Lawinen gemeint. Diese Lärchen, Symbol des unbesiegbaren Lebens, sind an die 70 Generationen alt, erlebten bereits das Römische Imperium und das erste Deutsche Kaiserreich und könnten uns sehr viel erzählen. Lärchen, die ältesten Nadelbäume Europas, sind äußerst widerstandsfähig und prägen das Erscheinungsbild der Bauernhöfe. Sie sind Zeugen der ersten Besiedelung, als das hintere Ultental noch das Gebiet von Bären, Wölfen und Luchsen war. Bei einer 1930 umgestürzten Lärche wurden über 2000 Jahresringe gezählt. (Fotos Verfasser).
Die Höfe kleben wie Schwalbennester hoch am Berg. (Foto Verfasser).
Bereits der berühmte schwedische Prähistoriker Gustav Montelius (*9.9.1843) vertrat die Ansicht, dass der Handel mit dem kostbaren Bernstein der Ostsee über Tirol und die Saumpfade des Brenners nach dem Süden gegangen ist.
Auf 1800 m Höhe oberhalb von St. Gertraud im Ultental: Eine schöne Begrüßung in tiefem Blau. (Foto Verfasser).
Der Faktor Zeit war zu prähistorischen Zeiten kein Thema und sollte für den heute Reisenden ebenfalls keine Rolle spielen, wenn er zur Erholung nach Südtirol reist. Eine Autobahn lässt dem Reisenden jedoch keine Zeit, den endlosen Zauber, die Schönheit und Geschichte Südtirols in sich aufzunehmen. Deshalb sei geraten, ohne Hast und sehr gelassen der uralten, sich schlängelnden Heerstraße an der Eisack zu folgen, die Geschichte erzählen kann.
Die Wissenschaft sagt, dass bereits vor 5000 Jahren in den Alpentälern mit dem Anbau von Getreide begonnen wurde: Einkorn, Emmer und Gerste wurden zur Selbstversorgung angebaut. Nur zu festlichen Anlässen wurde Weizenbrot gegessen. Bereits im Mittelalter werden Obstanger in Südtirol urkundlich erwähnt: Beinahe jeder Tiroler Hof im Etschtal besaß im 17. Jahrhundert eine Streuobstwiese mit vielen verschiedenen Apfel- und Birnensorten.
Im westlichen Südtirol musste stets für eine Bewässerung der Gemüse- und Obstkulturen gesorgt werden. Ab dem 13. Jhdt. wurden, hoch oben auf den Berghängen, die technisch genial konstruierten Waale, Bewässerungskanäle, in die Felsen oder Waldböden gegraben, die das dringend benötigte Wasser auch heute noch aus Bergbächen, viele Kilometer weit, zu den Höfen leiten. Zur Instandhaltung wurden kundige Männer: Waaler genannt, eingesetzt.
(Foto Verfasser).
Europaweit bekannt sind die stark begangenen Waal-Wanderwege im Etschtal und oberhalb von Schenna bei Meran. In einer Waaler-Hütte am Waalweg erhält man heimische Köstlichkeiten vorgesetzt.
Wenn man von Südtirol erzählt, muss man ebenfalls auf die über das Land verstreuten vorchristlichen Kultplätze, auf mystische Orte, auf Weihe- und Opferstätten hinweisen.
Bei unseren Besuchen führt uns der erste Weg immer nach St. Hippolit in Tissens, einer uralten, vorchristlichen Kultstätte, einsam auf einem weithin sichtbaren Hügel hoch über dem Tal der Etsch gelegen. Es ist ein Ort der Beruhigung und Ruhe, ein wahrer Kraftplatz.
St. Hippolit am Gampenpaß mit einem wunderbaren Fernblick in das Etschtal. (Fotos Verfasser).
Mystische Heiligtümer und Kultplätze dieser Art sind für den Wanderer zu finden in:
St. Hippolit in Glaiten im Passeiertal. Archäologische Funde erzählen, daß hier vor Jahrtausenden ein Feuer- und Opferplatz mit einem Sonnentempel lag.
Der höchstgelegene Wallfahrtsort: Latzfons in Klausen, auf 2.300 m Höhe steht wohl an der Stelle eines älteren Bergheiligtums. Hier findet man ein unter Leitung von Ex-Schützenhauptmann Sepp Kaser (†) errichtetes großartiges Denkmal, welches den ausgemessenen, geographischen Mittelpunkt der uralten Grafschaft Tirol anzeigt.
Ein Heiligtum und Kraftplatz ist die kleine Kirche St. Andreas in Antlas am Ritten.
Ein eingegrenzter Kultplatz liegt am Pfitscher Jöchl auf 2.130 m in der Texelgruppe.
Bergspitzen dienten als prähistorische Sonnenuhren: z.B. zwischen dem Santner und Euringer in Kastelruth und Seis, dort der Kultplatz „Roarer Windspiel“ in Wolfsgruben am Ritten.
Im Moor bei der Schöllberg-Göge-Alm in Weißenbach wurden schon vor 3.000 Jahren ca. 150 geheimnisvolle Holzkellen rituell abgelegt.
Das Schwarzhorn im Südtiroler Unterland ist ein eisenzeitlicher Brandopferplatz.
Der Pinatzbühel bei Elvas nordöstlich von Brixen im Eisacktal wird als mystischer, alter Kultplatz beschrieben.
(Siehe.: Astrid Amico und Martin Ruepp: „Von der Mystik alter Kultorte“. In: „In Memento. Bleibende Kulturphänomene.“ Herausgeber Tiroler und Südtiroler Kulturabteilungen, Abteilung Deutsche Kultur 2022).
Jedes Mal, wenn wir den Brennerpass überqueren, steht der bis zur Jetztzeit wirkende und unglaubliches Verderben bringende Verrat von Hitler an Südtirol stets vor unseren Augen.
Mit großem Pomp: Der kleinwüchsige italienische König (Bildmitte) bei der Einweihung des Grenzsteins am Brenner am 21. Oktober 1921.
Als Hitlers treuer Gefolgsmann Kurt Lüdecke in dessen Auftrag im September 1922 bei Mussolini vorsprach und dabei sehr vorsichtig Südtirol ansprach, schnitt ihm Mussolini mit heftigen Gesten die Rede ab:
„Darüber kann es keine Diskussion geben – niemals! Südtirol gehört zu Italien und muss es bleiben.“
Als Hitler vom Gespräch und Mussolinis Haltung zu Südtirol erfuhr, stimmte Hitler dem Opfer Südtirol zu, wenn man damit Mussolinis Freundschaft gewinnen könne. Mitte Oktober 1923 schlug dann Hitler in einer Erklärung in der römischen Zeitung „Corriere Italiano“ noch schärfere Töne an, ohne dass dies allerdings die Anhänger im eigenen Lande erfuhren.
Tatsächlich schrieb er damals Südtirol ab. „Warum sollen wir uns um jene 180.000 Deutsche kümmern“, fragte er, „die derzeit unter italienischer Herrschaft stehen?“ Hitler gab selbst die Antwort: „Wenn ich mich (…) in die italienischen Anschauungen versetze, so finde ich den italienischen Anspruch auf strategische Grenzen vollauf berechtigt.“ (Walter Werner Pese: „Hitler und Italien 1920-1926.“ In. „Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte“, 3. Jg. 1955, 2. Heft/April, S. 118, u. S. 121/22).
Hitlers tieferen Grund zum Verrat an einer Viertelmillion Tiroler, die gedemütigt, verfolgt und verzweifelt um ihre Identität, Sprache und Kultur kämpften, schildert Günther Rauch in einem historischen Werk.
Rauch dokumentierte penibel: „Das mit italienischen Banknoten bezahlte Terrornetzwerk lief in München zusammen … 18 Millionen Mark aus Italien für Hitlers Südtirol-Verrat … Südtirol verrecke: für viele Millionen Lire … Werner Abel enthüllt Hitlers italienische Geldquellen … OVRA-Agenten: Duce finanzierte Hitlers Aufstieg … Italiens Diplomaten gaben unverblümt die NSDAP-Finanzierungen zu.“ (Günther Rauch: „Der Marsch auf Bozen. Wie der Fall Südtirol Mussolini und Hitler Lust auf mehr machte“, Neumarkt/Südtirol)
Hitler bezeichnete, massiv ideologisch verblendet, bereits im 2. Buch seines Werkes „Mein Kampf“ den „Duce“ Mussolini als „einen Großen dieser Erde“. Bedingt durch Mussolinis geheimer Finanzierung der NSDAP erklärte Hitler 1934 bei seinem Erstbesuch dem „Duce“ in Venedig untertänig: „Beim Flug über den Brenner ist mir so recht klar geworden, dass die Brenner-Grenze die richtige Grenze zu Italien ist.“ (Vortrag BH-Oberst Adam, zitiert in „Tiroler Anzeiger“ v. 22.5.1935, S. 3)
Wie Mussolini real dachte, enthüllt ein Zitat aus seiner Kammerrede in Rom vom 6.2.1926: „Die Deutschen im ‚Alto Adige‘ sind keine nationale Minderheit, sondern eine ethnische Reliquie [!!!]. Es sind ihrer 180.000; von diesen behaupte ich, dass 80.000 verdeutschte Italiener seien, die wir wieder einen wollen, indem wir ihnen ihre alten italienischen Familiennamen wiedergeben. Die anderen sind Überbleibsel barbarischer Invasionen …“ (Felix Ermacora: „Südtirol und das Vaterland Österreich“. Wien 1984).
Der Burgstall Eschenlohe am Eingang in das Ultental war zunächst im Besitz der schwäbischen Welfen. 1266 stellte das Konstanzer Domkapitel eine Urkunde über die Vergabungen der älteren Welfen in Südtirol aus: es werden der Burgstall Eschenlohe im Ultental, die alte Kapelle und der große Maierhof in Lana, der Forsthof und die St. Pankratz-Kirche in Ulten, sowie die Mayerhöfe zu Tisens, Schenna, Kortsch, Laas und Valrein genannt. (Foto Verfasser).
In Matrei, vor dem Brenner, stand die Burg Vogelbühel (auch: vordere Veste Matrei), sie war die älteste von drei Burgen, die anderen zwei Burgen waren Raspenbühl und Trautson. Conrad v. Trautson ehelichte eine Tochter des Burgherrn von Reifenstein bei Sterzing. Auffällig ist, daß in den Urkunden neben den Herren v. Reifenstein und v. Trautson auch die Herren v. Wangen (oberhalb Bozens) auftauchen: diese waren die Erbauer der Burg Runkelstein, hoch über der wild rauschenden Talfer, nördlich Bozens gelegen.
Die weltweit berühmten Fresken in der Burg Runkelstein zeigen Parzival, Gawein, Iwein, Tristan, Isolde, die Nibelungen, Dietrich von Bern, Siegfried und Dietleib u. a. mehr sind zu bewundern.
Kulturgeschichtlich einmalig sind die „Iwein-Fresken“ in der Trinkstube der Wehrburg Rodeneck, die erst 1972 wieder entdeckt wurden. Dieser Freskenzyklus zum Epos des Hartmann v. Aue ist die älteste Wandmalerei im deutschen Kulturraum und entstand um das Jahr 1200. (Foto gemeinfrei aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Rodenegg).
Das Ministerialengeschlecht der Herren v. Rodeneck hatte die Burg bis 1300 im Besitz, dann war sie annähernd 200 Jahre im landesfürstlichen Besitz und ging 1491 an die Grafen v. Wolkenstein über. Im 16. Jhdt. wurde die Burg von der Sippe des Minnesängers Oswald v. Wolkenstein zu einem prächtigen Ansitz umgebaut.
„Es ist kein Zufall, dass die Entstehung einer eigenständigen deutschen Literatur aufs Engste mit dem Südtiroler Raum verbunden ist“, schrieb Eugen Thurnher über die enorme Bedeutung Südtirols für die deutsche Literatur und Kultur. („Südtirols deutsche Dichtung“, S. 68. In: „Südtirol – Eine Frage des europäischen Gewissens.“ München 1965. Siehe ebenfalls: Luis Thomas Prader: „Die deutschen Sprachinseln. Die zimbrischen Gemeinschaften in den Dreizehn Gemeinden in der Provinz Verona.“ In: „Südtirol in Wort und Bild“ 3/2014)
Der Entdecker der Nibelungenhandschrift „I“ in Burg Obermontan: Beda Weber. (Lithographie von Adolf Dauthage 1853).
Nibelungenhandschrift „I“, jetzt in der Berliner Staatsbibliothek. Sie wurde durch den Benediktinerpriester Johann Chrysanth Weber, (*1798 in Lienz; †1859 Frankfurt/M.) in der Burg Obermontani im Vinschgau gefunden, im Frühjahr 2024 wurde die Handschrift in einer Ausstellung in Meran den Südtirolern präsentiert. 1828 wurde Weber Lehrer im Meraner Gymnasium, 1848 wurde er Abgeordneter in der Fraktion des Freiherrn Heinrich v. Gagern in der Frankfurter Nationalversammlung und bis 1849 war er Pfarrer von Frankfurt/M., er ist dort begraben. Weber schrieb u.v.a.: „Die Gedichte Oswalds v. Wolkenstein“ (Innsbruck 1847).
Die Burgen Ober- und Untermontani am Eingang in das Martell-Tal. (Fotos Verfasser).
Durch den vermutlich ersten welfischen Ministerialen auf Obermontani, Swiker I., werden wir auf seine Gattin: Gertrud aus dem Schwangau aufmerksam. Ihre Ahnen sind ein welfisches Rittergeschlecht, welches auf Burg Hohenschwangau unweit von Füssen, beheimatet war. Hiltebolt von Swanegou (*῀1221; †῀n. 1254, urk. von 1221 bis 1254), war ein Minnesänger Er wird mehrfach im Zusammenhang mit Graf Albrecht III. v. Tirol erwähnt, somit ist eine Stellung an dessen Hofe anzunehmen. Ein sogenanntes Kreuzlied macht seine Teilnahme am 5. Kreuzzug von 1217-1221 an der Seite des Grafen von Tirol wahrscheinlich. (Hans Pörnbacher: „Hiltbold v. Schwangau“. S. 13. 1957).
Der Verfasser teilt die These des Gelehrten und Priester J. Ladurner der bereits 1869 bemerkenswerte Gedanken über einen Südtirol-Aufenthalt des vermutlichen Verfassers des Nibelungenliedes, Heinrich v. Ofterdingen, zu Papier brachte. („Albert III. und letzte der ursprünglichen Grafen v. Tirol“. In: „Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. 3. Folge. 14. Heft. S. 121. Innsbruck 1869)
Ab April 1226 zog ein starkes Heer Königs Heinrich VII. gegen die Lombarden, auch des Königs Schwiegervater, der Babenberger Herzog Leopold VI. war dabei. Sechs Wochen, bis Anfang Juni 1226, musste das deutsche Heer vor Trient ausharren: die rebellischen Veroneser sperrten die Veroneser-Klause, 20 km nördlich von Verona im Etschtal, und König Heinrich wurde gezwungen „unverrichteter Sache nach Deutschland zurückzukehren.“ Den Herzog Leopold begleitete wahrscheinlich auch Heinrich v. Ofterdingen, der während des unfreiwilligen Aufenthaltes vor Trient die Muße fand, das Land näher kennen zu lernen. Das Ergebnis des Aufenthaltes schlug sich wohl im Epos von König Laurin nieder.
Zingerle dokumentierte das Vorkommen sehr vieler nibelungischer Vor- und Familiennamen in Tirol (Ignaz v. Zingerle: „Die Personennamen Tirols in Beziehung auf deutsche Sage und Litteraturgeschichte.“ S. 290ff. In: „Germania. Vierteljahresschrift für Deutsche Alterthumskunde.“ Stuttgart 1856.)
Allein in Matrei fanden sich: Hagen v. Matrei (ident mit Hagen v. Fragenstein in Zirl), Wittich, Rüdiger und Uta. Der Vorname Dietrich war sehr beliebt ebenso der Name Hildebrand: Hildebrand v. Weineck; Hildebrand de Firmian; Hildebrand de Helbling; Hildebrand de Krakofel; Hildebrand v. Latsch; Hildebrand v. Liechtenberg; Hildebrand de Caldes; Hildebrand v. Fuchs; Hildebrand Rasp; Hildebrand de Greifenstein; Hildebrand de Niderthor; Hildebrand v. Perchtingen.
Zingerle schrieb: „In der Familie der Grafen v. Brandis allein sind mir sechs Hildebrande be-kannt!“ Ein Hildebrand v. Lana, sowie die nibelungischen Namen: Herbrand, Alebrand, Wolf-hart, Sigfried, Gunther, Eckart, Volker, Horand, Hildeburg, Herwig, Walter, Tristan, Isolde, Ga-wein, Parzival, Artus, Lanzelot, Freidank, Wolfram, Ortwein sind in Südtirol ebenfalls bekannt.
Tausende althochdeutscher Vornamen finden sich ebenfalls im „Urkundenbuch des Hochstiftes Trient“, angelegt vom Trienter Bischof Friedrich v. Wangen (Hg. Rudolf Kink, Wien 1852).
Mussolinis bösartige Behauptung von „verdeutschten Italienern“ ist pure Propaganda.
Die alte Handelsstadt Sterzing im Wipptal lädt zum Verweilen und Entdecken ein. Von Sterzing aus kann man entweder über das Penser Joch das Sarntal oder über den Jaufenpaß das Passeiertal erreichen: die Heimat des Andreas Hofer. Der Name von Sterzing ist seit 1182 erstmals urkundlich nachgewiesen und geht auf einen bairischen Gründer (ing-Name) zurück. 1280 wurde Sterzing durch Graf Meinhard II. zur Stadt erhoben. In prähistorischer Zeit war das Becken von Sterzing von einem großen Moor (Moos) überzogen, welches nur saures Heu für Pferde lieferte und erst 1877 ausgetrocknet wurde.
In dieses Sterzinger Moos verbannte der Tiroler Volkswitz zur Faschingszeit all jene Jungfrauen, welche sich frei- oder unfreiwillig der Ehe entzogen. Dort bereuten sie es bitter, dass sie die Heirat nicht gewagt hatten. Und noch heute, so sagt es das Volk, hört man ihr Jammern: „hätt‘ is gwaggt, hätt‘ is gwaggt…“, und nur ein uninformierter Fremder meint, dies sei ein Ruf von Fröschen, in Wirklichkeit sind es die trauernden Jungfern. (Siehe: Ins Moos fahren: https://www.sagen.at/doku/volksleben/moos_fahren.html )
Burg Reifenstein steht nahe Sterzings in Freienfeld, im Sterzinger Moos, und zählt zu den bestens erhaltenen Burgen Südtirols. Die Burg war ein wichtiger Sitz des Deutschen Ordens.
Ein Originalschild eines Deutschordensritters in Burg Reifenstein (Aus: Oswald Graf von Trapp: „Die Deutschordensschilde aus der Burg Reifenstein.“ In: Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum Innsbruck“. S. 52. Tafel IV. Bd. 20/25. Jg. 1940-45. Innsbruck 1948).
Der „Deutsche Orden“ steht heute noch immer im starken Bezug zu Südtirol, wo er bereits ab dem Jahr 1202 präsent war. Seine Stützpunkte waren bzw. sind: Lana, St. Leonhard, Völlan, Gargazon, Siebeneich, Sarnthein, Lengmoos, Unterinn, Oberinn und Wangen. Im Jahr 1305 wurde die Deutschordenskommende Schlanders im Vinschgau gegründet. (Quelle: Tumler, Marian: „Der Deutsche Orden im Werden, Wachsen und Wirken bis 1400.“ Montreal 1955).
Am 24.7.1251 urkundete König Konrad IV. für den Deutschorden und für Hugo v. Obermontani im Vinschgau. Zeugen waren u.a.: Herzog Otto II. von Bayern als der Vertreter des Deutschen Ordens. (Quelle: „Regesta Imperii“ 5/1 Nr. 4547b-4549; 5/4 Nr. 55. Am 24.6.1251 gab König Konrad IV. dem Hugo und dessen Söhnen und Töchtern seine zum Amt Augsburg gehörigen Güter in Scharnitz zu rechtem Lehen (Hormayr Beitr. 2,398).
Ober- und Untermontani im Vinschgau, am Eingang in das Martelltal, war bis 1299 der Burggrafensitz der Herren v. Obermontani, die im 11. Jhdt. in Tirol als Gefolgsmänner der mächtigen Sippe der schwäbischen Welfen hier bekannt sind. Der welfische Besitz an Burgen in Südtirol umfaßte: Obermontani, Kastelbell, Schlandersberg, Galsaun, Schnals und Juval, letztere gehört heute dem weltbekannten Bergsteiger Reinhold Messner und ist dessen Museum.
Ausschnitt aus der Karte des Matthias Burglechner: „Die F(i)r(stliche) Grafschaft Tirol.“ Schlanders, Tschars, Naturns und die Burgen Obermontani, Annenberg, Castelbell und Juval sind zu sehen (Nachdruck des Holzschnittes von Hans Rogel, Augsburg 1611: Die F(i)r(stliche) Grafschaft Tirol von Matthias Burgklehner. https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/kunst-kultur/landesarchiv/downloads/Burglechner.pdf )
Die Grafen von Haslach (von Schloß Tirol) wurden nach ihrem Leitnamen Adalbert/Albert, als „Albertiner“ benannt. Der Name „Haslach“ verweist auf frühen Salzhandel. Graf Albert III. (*~1180, †22.7.1253) war Sohn von Heinrich I. v. Tirol (†1190) und der Agnes v. Wangen.
Albert III. war der letzte Graf v. Tirol, er war auch Vogt v. Trient und ab 1210 Vogt von Brixen.
1248 erwarb er den Tiroler Besitz der Andechser und jenen der Grafen v. Hocheppan und setzte die Vereinigung der „Grafschaften im Gebirge“ zum Land Tirol fort: 1254 wurde das Land als „Grafschaft Tyrolis“ bezeichnet. Albert III. starb ohne männlicher Erben, er hatte zwei Töchter: Elisabeth wurde Gattin des Herzog Otto II. v. Andechs und Adelheid war die Gattin von Graf Meinhard v. Görz.
Urkunde von 1271 mit der Nennung der Grafschaft Tirol. (Foto des Verfassers, aufgenommen in Schloss Tirol)
Bereits vor dem 5. Jhdt. war unterhalb des heutigen Schlosses Tirol eine Kirche. Diese und die Burg wurden seit den 1980er Jahren von Bau- und Kunsthistorikern und Archäologen penibel ergraben und erforscht. Es gelang, die Bauzeit, die Herkunft der Baumaterialien und vieles mehr zu enträtseln.
Die Krypta der Kirche unterhalb des Schlosses Tirol. Man fand bei den Ausgrabungsarbeiten entlang der Außenmauer der Kirche sehr viele Kinderskelette. (Foto Verfasser).
Im 12. Jahrhundert erlebte das Land im Gebirge eine Blütezeit, der Handel und Verkehr nahmen zu und der Bau von Burgen wurde vorangetrieben. Die Brüder Albert und Berthold v. Tirol, erstmals 1141 urkundlich erwähnt, führten den Bau ihrer Väter, der Burg Tirol, von dem das Land seinen Namen hat, weiter fort. Sie wurde zur Stammburg der Grafen v. Tirol und war immer das Sinnbild für die Landeseinheit. Noch heute ist die Bedeutung des Schlosses für das Tirol-Bewusstsein im Lande ungebrochen. Als Albert III. starb, residierten hier fortan die Grafen von Tirol-Görz, die Burg wurde zum Zentrum des Nachfolgers und Enkels von Albert: von Meinhard II.
Schloss Tirol steht auf einem hohen Hügel und bewacht zentral das Etschtal nach Osten und den Eingang in den westlich gelegenen Vinschgau und in das Passeiertal. (Foto Verfasser).
Unter Meinhard II. erhielt Tirol 1287 zum ersten Mal ein schriftliches Landrecht, davon erhalten ist jedoch nur ein Fragment. Von großer Bedeutung bei der Landesbildung war das Münzwesen. Die unter Meinhard II. in Meran geprägten Münzen waren wegen ihres hohen Gehaltes an Silber sehr beliebt. 1363 ging das Land in die Herrschaft der Habsburger über, 1420 wurde der Regierungssitz nach Innsbruck verlegt.
In Meran wurde die Landesfürstliche Burg um 1470 von Erzherzog Sigmund, genannt „der Münzreiche“, Graf v. Tirol (1439-1490) errichtet. Sigmund war mit Prinzessin Eleonora v. Schottland verehelicht. (Fotos Verfasser).
Die von der Größe her kleine Burg grenzte an die Stadtmauer Merans und war der Aufenthaltsort von Erzherzog Sigmund und Gattin, wenn sie von der Hauptstadt Innsbruck nach Meran kamen. Auch Kaiser Maximilian I. (1459-1519), sowie Kaiser Ferdinand I. mit seiner Familie, die der in Innsbruck ausgebrochenen Pest zu entrinnen versuchten, wohnten hier.
Mit dem ältesten und einzigartig erhaltenen Kachelofen Europas wurde die „Kaiserstube“ der Burg beheizt. Vielleicht handelt es sich um einen der drei Öfen, die der Erzherzog 1466 dem Meister Ulrich v. Regensburg in Auftrag gab. Die „Kaiserstube“ wurde als Empfangs- und Speiseraum benutzt. (Foto Verfasser).
Das auf Holz gemalte österreichische rot-weiß-rot-Wappen von Erzherzog Sigmund.
Schloss Tirol: Ausblick vom Burgtor nach Osten in das Tal der Etsch. (Foto Verfasser).
Der Ausblick in die Zukunft: Manche besuchten Freunde im Land sind über die derzeitige Lage unglücklich und zutiefst besorgt: das Zusammengehen des Landeshauptmannes mit dem Todfeind Tirols, dem Faschismus und das für die politisch Sensiblen und Sehenden erkennbare tägliche Zurückweichen vor einer nach wie vor erkennbaren Strategie des Ethnozids in kleinen Schritten: sei es in der nicht mehr verkraftbaren Wohnungsvergabe an junge Tiroler Ehepaare, sei es im stetigen Abbau der verbrieften Autonomierechte, im Sprech- und Sprachverhalten, das in einem Linienbus mit einer höflichen deutschen Frage und Bitte nach einer Fahrkarte nach Bruneck beginnt und mit der unwirschen Antwort des Busfahrers, man solle gefälligst italienisch sprechen, denn „man sei hier in Italien“ endet, oder in der Behandlung eines im Spital liegenden Tirolers, der seinen ärztlichen Befund in deutscher Sprache erklärt haben will, und endlos weiter und so fort: die italienische Politik will keinerlei Minderheiten tolerieren: „Attenzione: siamo qui in Italia” und „Per favore parla italiano” zeugen nicht von einer Gesinnung des Miteinander und einander Ertragens.
Der international anerkannte, große österreichische Menschen- und Völkerrechtsexperte, Prof. Dr. Felix Ermacora, schrieb folgendes:
„Nur ein unbeugsamer Wille zur Erhaltung der Eigenarten des Südtiroler Volkes mit der Bereitschaft, auch in einer Wohlstandsgesellschaft Opfer auf sich zu nehmen, die selbst Akte des bürgerlichen Ungehorsams miteinschließen, ließe eine Selbstbestimmungsbewegung unabdingbar werden. Nur eine von einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung beschlossene Anrufung des Selbstbestimmungsrechtes ließe sie so rechtsstaatlich und demokratisch sein, dass weder Italien noch die Schutzmacht Österreich noch die organisierte Staatenwelt ihr auf Dauer widerstehen könnten.” (Univ.-Prof. Dr. Felix Ermacora: “Südtirol und das Vaterland Österreich”. S. 389. Wien 1984).
Nachtrag:
Der Laurinsbrunnen auf der Bozner Wassermauerpromenade wurde in der Nacht zum 5. Juli 1933 zerstört. Der faschistische Vordenker Ettore Tolomei jubelte. Im „Archivio per l’Alto Adige“ (XXVI-II/1933, Seite 542) schreibt er von einer Tat „großmütiger Ungeduld von jungen Burschen, die von vornehmer Absicht beseelt waren, weil damit in Bozen ein Objekt fremdartiger Beleidigung ausgelöscht war, das entweder nie gekannt oder schon zu lange geduldet wurde.“ (Quelle: Dolomiten, 5.Juli 2024) Der Laurin-Brunnen zeigt eine Szene aus der Sage König Laurins Rosengarten, in der Dietrich von Bern den Zwergenkönig Laurin niederringt. Der Brunnen ist ein Werk der Bildhauer Andreas Kompatscher und Arthur Winder und wurde im Mai 1907 auf der Bozner Wassermauer, im Sichtfeld des Rosengartens, aufgestellt. Nach der Annexion Südtirols durch Italien wurde der Brunnen in der Nacht vom 4. auf den 5. Juni 1933 von Faschisten demoliert. Anschließend überführte man ihn in das Stadtmuseum Bozen, später in das Kriegsmuseum Rovereto. Erst 60 Jahre später, im Jahr 1993 wurde er – nach langjährigem Bemühen der Südtiroler Kulturlandesräte Anton Zelger und Bruno Hosp – wieder nach Bozen zurückgebracht und 1996 zentral auf dem heutigen Silvius-Magnago-Platz vor dem Landtagsgebäude und dem Palais Widmann aufgestellt. Nach der Neugestaltung des Platzes im Sommer 2018 befindet sich der Laurin-Brunnen nun leicht versetzt vor dem Eingang des Palais Widmann. Durch seine gewalttätige Entfernung durch Faschisten wurde das Kunstwerk zu einem von Faschisten angezettelten Konfliktthema in Südtirol. Man lernt daraus: die Sprache, Überlieferung und Kultur „der Anderen“ wird als „ein Objekt fremdartiger Beleidigung“ empfunden.
Sensationelle Filmdokumentation über den Auftragsmord an Luis Amplatz
300 begeisterte Gäste bei der Filmpremiere „Luis Amplatz-Im Labyrinth von Leben und Tod“ in Gries.
Am 7. September 2024 lud die Schützenkompanie „Major Josef Eisenstecken“ Gries in das Kulturheim Gries, um anlässlich des 60. Todestages eines Mannes zu gedenken, der einerseits die Kompanie mitbegründete, andererseits auch Gründungsmitglied des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS) und als Aktivist für das Selbstbestimmungsrecht Südtirols eintrat.
Am 7. September 2024 fand eine außerordentliche Filmvorführung vor 300 Zusehern statt. Der Saal des Kulturheimes Gries in Bozen konnte die Besucher kaum fassen. (Bild UT24)
Für diesen Einsatz um seine geliebte Heimat und deren Menschen musste Luis Amplatz mit seinem Leben büßen. Er wurde am 7. September 1964 auf der Brunner Mahder oberhalb von Saltaus im Auftrag Italiens ermordet.
Als die Grieser Kommandantschaft die Idee vor 18 Monaten aufgriff, einen kleinen Film über den Freiheitskämpfer Luis Amplatz zum 60. Todestag zu gestalten, mussten die Akteure rasch erkennen, dass sie über sein kurzes Leben eigentlich nur ganz wenig wussten.Viele ungeklärte Fragen tauchten auf. Fragen, denen sie nachgehen mussten.
Wer nämlich heute in Südtirol oft mit verständnislosem Kopfschütteln die Vehemenz der Minderheitenkonflikte in weiten Teilen Europas verfolgt, der vergisst allzu leicht, wie gespannt die Atmosphäre noch vor wenigen Jahrzehnten auch in Südtirol war: 25.000 Soldaten beherrschten Mitte der 1960er Jahre das Bild. Anschläge, Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und menschenrechtswidrige Folterungen waren an der Tagesordnung.
Dargestellt wurden die Attentate jener Jahre oft als Verzweiflungstat einer kleinen Gruppe deutschtümelnder Patrioten und Rechtsextremisten, die versuchten, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Kaum jemand bemühte sich um eine differenziertere Sichtweise.
Werner Neubauer, Mitglied der Schützenkompanie Gries, bei seiner Ansprache. (Bild UT24)
Es war dem Regisseur und Drehbuchautor Werner Neubauer deshalb ein besonderes Anliegen – mit einem Abstand von rund 60 Jahren seit dem gewaltsamen Tod des Luis Amplatz – der heutigen Jugend zu vermitteln, welchen nachhaltigen Eindruck die damaligen Ereignisse in Südtirol auf die europäische Öffentlichkeit damals machten und welche Beunruhigung sie zur Zeit des ‘Kalten Krieges‘ in der Nato auslösten.
Die Schützenkompanie Gries will mit der präsentierten Film-Dokumentation Diskussionen auszulösen und bietet deshalb allen Schützenbezirken die Präsentation des Filmbeitrages mit anschließender Diskussion an.
Die Dokumentation über das Leben des Luis Amplatz, welche in Zusammenarbeit mit dem „Filmwerk Kaltern“ gestaltet wurde, soll deutlich die Ursachen und die Entstehung gewaltsamer Minderheitenkonflikte und den Zündstoff, den diese Probleme in sich bergen, aufzeigen. Damit greift sie ein Thema auf, dessen Aktualität gerade heute wieder weit über die Grenzen Südtirols hinausreicht.
Bereits vor 10 Jahren hatte die Schützenkompanie Gries eine Gedenkschrift für Luis Amplatz herausgegeben, deren Verfasser ihr Mitglied Werner Neubauer war, der ehemalige österreichische Nationalratsabgeordnete und FPÖ-Südtirolsprecher.
Die filmische Dokumentation wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Besonders bislang unveröffentlichte Filmaufnahmen, die erstmals gezeigt wurden, boten einen seltenen Einblick in die private Seite von Luis Amplatz. Aber genauso spannend waren die vielen Zeitzeugenberichte, die den Menschen Luis Amplatz nachzeichneten.
Landeshauptmann a.D. Luis Durnwalder brachte es in seiner Ansprache in Gries auf den Punkt, wenn er sagte:
„Die Autonomie ist für die Menschen wichtig, sie wurde aber nicht geschaffen, damit es uns gut geht, sondern, damit wir als Minderheit in einem fremden Staat überleben.“
Eine Autonomie ist keine Selbstverständlichkeit, vielmehr muss dieses Recht immer wieder aufs Neue verteidigt werden, damit dereinst wie Luis auch wir sagen können:
„Freund, grüß‘ mir die Heimat, die ich mehr als mein Leben geliebt!“
Dokumentation: Lebenslauf von Luis Amplatz
1926 wurde Luis Amplatz als Sohn eines armen Wein- und Obstbauern in Gries bei Bozen geboren. In der faschistisch ausgerichteten Schule weigerte sich der junge Bub, die Uniform der faschistischen Jugendorganisation Balilla anzuziehen. Er wurde deshalb mehrfach verprügelt.
Luis Amplatz im Alter von 15 Jahren. (Bild: Archiv Neubauer)
In der Faschistenzeit hisste der junge Amplatz mehrfach Tiroler Fahnen an den waghalsigsten Orten wie Hochstromleitungen und Felsen.
Nach dem Krieg machte er sich verdient um den Wiederaufbau des Südtiroler Schützenwesens und wurde 1959 Gründungsmitglied der Schützenkompanie Gries und bekleidet die Charge eines Fahnenleutnants.
Luis Amplatz mit Marketenderinnen bei der neu gegründeten Schützenkompanie Gries im Jahre 1959. (Bild: Archiv Neubauer)
1952 heiratete er Anna Valtingoier und wurde Vater von drei Kindern. Als Kleinbauer bearbeitete er in der Kaiserau sein kleines Obstgut.
1957 nahm er an der Großkundgebung in Sigmundskron teil, auf der Silvius Magnago die Autonomie für Südtirol forderte und zahlreiche Teilnehmer auf Transparenten und Tafeln für die Selbstbestimmung eintraten.
Luis Amplatz hisste unter dem Jubel der 35 000 Teilnehmer die verbotene weiß rote Tiroler Landesfahne. Diese wurde damals von den Carabinieri als Zeichen des „Aufruhrs“ verfolgt und nach Möglichkeit beschlagnahmt.
Bild links: Luis Amplatz entrollt die Tiroler Fahne Bild rechts: Selbstbestimmungsförderung.
1959 hängte er an seinem Haus in Moritzing bei Gries eine große rot-weiße Fahne an dem Dachgiebel auf und darunter ein Bild mit einem roten Tiroler Adler und der Aufschrift „Hoch Tirol!“ Er wurde angezeigt und zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt,
1961 wurde Luis Amplatz in der Schützenkompanie Gries zum Oberjäger gewählt.
Luis Amplatz (vorne im Bild) mit seiner Schützenkompanie.
Er schloss sich dem Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) an und nahm noch vor der „Feuernacht“ an zahlreichen Anschlägen teil, die sich gegen Einrichtungen des italienischen Staates und faschistische Denkmäler richteten. Er war von den Carabinieri mehrmals verdächtigt, verhaftet, vielfach verhört und mangels jeglicher Beweise wieder freigelassen worden. Im Mai 1961 musste er dann doch nach Österreich fliehen.
Luis Amplatz im Exil in Österreich.
In der Folge ging er immer wieder zusammen mit Kameraden wie Georg Klotz und Peter Kienesberger heimlich über die Grenze, um Anschläge gegen Strommasten und andere Sachwerte des Staates zu verüben.
Luis Amplatz im Einsatz.
Es gelang dem italienischen Geheimdienst, einen in Österreich angeheuerten Agenten in seinen Kreis einzuschleusen, welcher Luis Amplatz am 7. September 1964 in einer Almhütte auf der Brunner Mahder oberhalb von Saltaus heimtückisch durch mehrere Schüsse im Schlaf ermordete.
In dieser Almhütte wurde Luis Amplatz ermordet.
Luis Amplatz wurde am 10. September 1964 auf dem Oberauer Friedhof in Bozen begraben. Mehr als 20 000 Menschen gaben ihm das letzte Geleit. Das war ein öffentliches Bekenntnis.
Letzter Abschied von Luis Amplatz.
Gedenken auf der Brunner Mahder
Einladung des Südtiroler Heimatbundes (SHB)
Am 8. September 2024 fand auf den Brunner Mahdern oberhalb von Saltaus im Passeiertal eine Gedenkfeier für Luis Amplatz statt.
„Die Gedenkfeier, zu der alle Teilnehmer einen eineinhalb Stunden langen steilen Bergpfad bezwingen mussten, war vom Südtiroler Heimatbund, Bezirk Meran-Burggrafenamt und den Schützenkompanien St. Martin in Passeier und der Schützenkompanie Riffian organisiert worden. Die Veranstaltung fand neben der Almhütte statt, in der der Grieser Schützenleutnant und Freiheitskämpfer Amplatz am 7. September vor 60 Jahren ermordet wurde, berichtet der Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang, in einer Aussendung.
Gottesdienst und Grußworte
Das Gedenken wurde durch einen Feldgottesdienst, zelebriert von Pater Christoph Waldner, begonnen. Musikalisch wurde die Messfeier von der Musikkapelle Saltaus begleitet. Nach der Begrüßung der Teilnehmer durch den Bezirksobmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB) Sepp Mitterhofer folgten die Grußworte von SHB-Landesobmann Roland Lang.“
Die Gedenkrede hielt Gudrun Kofler, Abgeordnete zum Tiroler Landtag und Enkelin des Freiheitskämpfers Jörg Klotz. Die Heldenehrung nahm Elmar Thaler vor, ehemaliger Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes. Die Ehrenformation der Schützenkompanie St. Martin in Passeier und Riffian feuerte eine Ehrensalve ab.
Vor dem Gedenkmarterl (v. l. n. r.): Gudrun Kofler, Sepp Mitterhofer, Elmar Thaler. (Bild SHB)
Eine Zeitreise durch die Geschichte: „Als Tirol geteilt wurde“
Am Freitag, den 19. Juli 2024 wurde die Volksschule von Ehrenburg zum Schauplatz einer außergewöhnlichen Buchpräsentation durch die Schützenkompanie Ehrenburg.
Der Saal war bis zum Bersten gefüllt, und unter den zahlreichen Interessierten befanden sich auch die ehemaligen BAS-Aktivisten Klaudius und Herlinde Molling.
Das im EFFEKT-Verlag in Neumarkt in Südtirol erschienene und von Efrem Oberlechner herausgegebene Buch „Als Tirol geteilt wurde“ nimmt uns mit auf eine packende Reise in eine der dramatischsten Phasen der lokalen Geschichte: die Grenzziehung zwischen Österreich und Italien nach dem Ersten Weltkrieg. Mehrere Historiker haben an der Gestaltung dieses Werkes mitgewirkt, dessen textliche Gestaltung Katharina Brenner vorgenommen hat.
Das Internet-Portal „Unser Tirol 24“ berichtete ausführlich darüber.
Efrem Oberlechner erläuterte das Thema der Veranstaltung, bevor Stephan Gostner, der erste Redner des Abends, das Wort ergriff. Gostner berichtete von einem bemerkenswerten Fund auf einem Antiquitätenmarkt in Bologna: das Fotoalbum „Confine Italo-austriaco“.
Stephan Gostner schilderte eindrucksvoll, wie ihm das Fotoalbum in einem Antiquitätengeschäft ins Auge fiel. Das Album enthielt zahlreiche bisher unveröffentlichte Fotos, die die Grenzziehung zwischen Italien und Österreich nach dem Ersten Weltkrieg dokumentieren. Die Fotos waren in einem erstaunlich guten Zustand und boten eine detaillierte visuelle Chronik der Ereignisse und der Menschen, die an der Grenzziehung beteiligt waren.
Gostner erkannte sofort den historischen Wert dieses Fundes. Die Fotos illustrierten nicht nur die physischen Veränderungen der Landschaft, sondern auch die sozialen und politischen Auswirkungen der neuen Grenze. Jede Seite des Albums erzählte eine Geschichte von mühseliger Arbeit, diplomatischen Verhandlungen und persönlichen Schicksalen, die durch die neue Grenzziehung geprägt wurden.
Die Grenzsteinsetzung am Brenner (Quelle: „Als Tirol geteilt wurde“)
Die dünne Linie, die Leben veränderte
Diese Grenzziehung war mehr als nur eine geografische Trennlinie – sie war ein einschneidendes Ereignis, das das Leben unzähliger Menschen für immer veränderte. Das von Gostner kürzlich entdeckte Fotoalbum hält Schlüsselmomente dieser Zeit fest und dokumentiert die physischen Manifestationen dieser politischen Entscheidungen. Die exklusiven Fotografien und historischen Dokumente im Buch bieten einen tiefen Einblick in die Herausforderungen und Dramen, die sich entlang dieser neuen Grenze abspielten.
Vermessungsarbeiten am Klockerkarkopf, den Ettore Tolomei „Vetta d’Italia“ („Gipfel Italiens“ als nördlichsten Punkt Italiens) taufte (Quelle: „Als Tirol geteilt wurde“)
Eine fesselnde Dokumentation
„Als Tirol geteilt wurde“ zeigt nicht nur die historischen Fakten und Entwicklungen auf, sondern fängt auch die menschlichen Aspekte ein, die mit der Grenzziehung verbunden sind. Das Werk wurde mit vielschichtigen Quellen wie Publikationen, Zeitungsartikeln und unveröffentlichten Dokumenten aus dem Tiroler Landesarchiv geschaffen. Diese sorgfältige Zusammenstellung ermöglicht es, ein umfassendes und lebendiges Bild der damaligen Ereignisse zu zeichnen.
Sonderausstellung „Katakombenschule – Erinnerung und Vermächtnis“
Elmar Thaler in der Ausstellung
Bis zum 17. August 2024 ist in der Engelsburg des Klosters Neustift in Vahrn in Südtirol die vom Schützenbezirk Brixen in Zusammenarbeit mit dem „Südtiroler Schützenbund“ gestaltete einzigartige Sonderausstellung „Katakombenschule – Erinnerung und Vermächtnis“ zu sehen. Wesentliche Beiträge hat der ehemaligen Landeskommandant und heutige Ehrenkommandant der Südtiroler Schützen, Elmar Thaler, dazu geliefert.
Diese Ausstellung, die zuvor schon in Montan zu sehen gewesen war, würdigt jene Männer und Frauen, die in der Zeit des Faschismus, als der Unterricht in deutscher Sprache verboten war, insgeheim auf Bauernhöfen, in Kellern und sogar im Wald heimlich den Kindern das Lesen und Schreiben in ihrer deutschen Mutterspreche beigebracht hatten. Sie waren damals von Verfolgung, Misshandlung, Einkerkerung und Verbannung bedroht gewesen.
Dokumentation in der Ausstellung über Katakombenlehrerinnen und Katakombenschulen
Ein Beispiel für die Verfolgung von Katakombenlehrerinnen ist die aus Margreid stammende Lehrerin Angela Nikoletti, die als „Katakombenlehrerin“ von den Behörden immer wieder schikaniert, verbannt und eingesperrt wurde, sodass ihre labile Gesundheit zusammenbrach und sie am 30. Oktober 1930 im Alter von nur 25 Jahren verstarb.
Die Gemeinde Margreid und der „Südtiroler Heimatbund (SHB)“ ehrten Angela Nikoletti im Jahr 2002 mit einer Gedenktafel, die an ihrem Geburtshaus angebracht wurde.
In der Ausstellung wird ebenfalls der Märtyrerin Angela Nikoletti gedacht
Bei der Eröffnung der Ausstellung in Neustift am 24. Juli 2024, zu der zahlreiche Ehrengäste erschienen waren, dankte der Landeskommandant des „Südtiroler Schützenbundes“, Roland Seppi, in seiner Ansprache zuerst allen 400 Frauen und Männern jener Zeit, die mit ihrem jahrelangen selbstlosen Einsatz unsere deutsche Sprache vor dem Untergang gerettet haben. Anschließend forderte der Landeskommandant eine Entschuldigung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. „Man sagt Ihnen nach, Sie vertreten aufrechte Werte, zu denen auch das Eingestehen von Fehlern gehört. Sie sprechen für die Republik Italien, die sich laut Grundgesetz auch von Diktatur und deren Fehlern distanziert. Hier bei uns in Südtirol hätten Sie auch die Möglichkeit, sich von dieser Zeit zu distanzieren, um somit die drei Volksgruppen endgültig vom Faschismus und seinen Gerüchen zu befreien. Ein kurzer Satz würde genügen, es wäre ein kleiner Schritt für eine Ministerpräsidentin und ein großer für die Republik Italien.“
Landeskommandant Roland Seppi bei seiner Ansprache
Eine Ehrenformation des Schützenbezirks Brixen schoss eine Ehrensalve zum Andenken an die verstorbenen Katakombenlehrerinnen und Katakombenlehrer
Zu der Eröffnung der Ausstellung waren zahlreiche Ehrengäste gekommen, darunter der Südtiroler Altlandeshauptmann Dr. Luis Durnwalder
Die Ausstellung in der Engelsburg des Klosters Neustift in Vahrn ist bis zum 17. August 2024 von Montag bis Samstag jeweils von 10:30 bis 18:00 Uhr geöffnet. Sonntags bleibt die Ausstellung geschlossen. Der Eintritt ist frei. Für Gruppen ab 10 Personen werden kostenlose Führungen angeboten.
Eine Schande:
Wie die österreichische Bundesregierung mit der letzten noch lebenden Katakombenlehrerin verfährt
In Schenna wohnt die letzte noch lebende Südtiroler Katakombenlehrerin Hermine Orian, geborene Mayr. Sie ist mittlerweile 105 Jahre alt und ihr sehnlichster Wunsch ist die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Sie möchte als Österreicherin sterben.
1978 hat die Südtiroler Landesregierung Hermine Mayr-Orian geehrt
Jahre lang hat sich der Leiter des „Andreas Hofer-Bundes (AHB“) in Innsbruck, Alois Wechselberger, vergeblich für die Erfüllung dieses Herzenswunsches eingesetzt. Die österreichische Bundesregierung hat ihn mit Ausreden im Kreis geschickt, von einem Amt zum anderen.
Wie aus Wien vertraulich verlautet, wünscht Rom nicht, dass Frau Orian die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wird. Dies könnte nach Ansicht italienischer Politiker eine Welle weiterer Ansuchen auslösen und als Absage an den italienischen Staat gewertet werden. Die österreichische Bundesregierung ist wie immer den Wünschen Roms ergeben.
Alois Wechselberger hat jedoch bis heute nicht nachgegeben und wird bis zu dem letzten Lebenstag von Hermine Orian den politisch so unsagbar Handelnden in Wien immer wieder fordernd entgegen treten.
Alois Wechselberger mit Hermine Orian
Mittlerweile hat das Land Tirol Hermine Orian das „Verdienstkreuz des Landes Tirol“ verliehen, welches ihr am 15. August 2024 feierlich überreicht werden soll.
Den bisherigen Erfahrungen zufolge wird auch das in Wien kein Umdenken herbeiführen.
Nachruf für den ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer Luis Larch
Bild: Südtiroler Schützenbund.
Am 9. Juli verstarb in Graz der ehemalige Südtiroler Freiheitskämpfer Alois Larch.
Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen Südtiroler politischen Häftlingen gegründete Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung eintritt, widmete ihm nachstehenden ehrenden Nachruf:
Todesanzeige in den „Dolomiten“ vom 13. Juli 2024.
Ein treuer Sohn seiner Heimat hat uns verlassen
Der aus Dorf Tirol stammende und in Lana aufgewachsene ehemalige Freiheitskämpfer Luis Larch ist nun im Alter von 91 Jahren in Graz verstorben. Er war im Südtiroler Freiheitskampf der 1960er Jahre ein persönlicher Freund und Mitkämpfer des Landeskommandant-Stellvertreters des Südtiroler Schützenbundes, Jörg Pircher, gewesen. Wie Luis Larch später in einem Interview erklärte, hatten ihn die schrecklichen Folterungen Südtiroler Häftlinge in den Carabinieri-Kasernen nach der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961 dazu bewogen, sich aktiv dem Widerstand anzuschließen.
Er hatte 1964 unter abenteuerlichen Umständen aus Südtirol nach Österreich flüchten müssen, um der drohenden Verhaftung zu entgehen. Luis Larch wurde auch in Österreich gerichtlich verfolgt. Er wurde 1965 zusammen mit seinen Südtiroler Mitstreitern Adolf Obexer und Karl Ausserer festgenommen, Medienberichten zufolge von der Polizei misshandelt und Monate lang ohne Anklageerhebung in Haft gehalten.
Links: Bericht über die Misshandlung von Luis Larch in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 21. März 1966. Rechts: Der Rechtsanwalt Dr. Eberhard Molling aus Innsbruck protestierte gegen die Misshandlung.
1967 kam es dann wegen vorgeworfenen geheimen Waffentransportes nach Südtirol zu einer Verurteilung zu mehreren Monaten Haft, die durch die Untersuchungshaft bereits verbüßt waren. Die Angeklagten hatten sich offen zum aktiven Widerstand gegen die italienische Unterdrückung Südtirols bekannt. Nach dem Urteil sangen die Zuhörer des Prozesses demonstrativ das Andreas-Hofer-Lied.
Von links nach rechts: Ausserer, Obexer und Larch im November 1967 vor dem österreichischen Schöffengericht in Graz.
1982 ernannte die Südtiroler Schützenkompanie Lana Luis Larch zu ihrem Ehrenmitglied, der bei gegebenen Anlässen stolz in der Tracht der Lanaer Schützen auftrat. So auch bei der jährlichen Tiroler Schützenwallfahrt in Absam und bei dem Landesfestumzug des Jahres 1984 in Innsbruck. Dort trug er zusammen mit seinen Schützenkameraden die große metallene Dornenkrone, welche das Leid Südtirols symbolisierte.
Luis Larch war 1984 bei dem großen Landesfestumzug in Innsbruck einer der Träger der metallenen Dornenkrone.
Als im Jahre 2009 die nunmehr mit Rosen geschmückte Dornenkrone wieder durch Innsbruck getragen wurde, begleitete sie wieder Luis Larch (rechts vorne im Bild).
Der bis zu seinem Tode im Exil in Graz lebende Luis Larch war 1969 in Abwesenheit von dem Mailänder Schwurgericht zu 24 Jahren Kerker verurteilt worden. Im Jahre 2008 begnadigte ihn der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano kurz vor der ohnehin bevorstehenden Verjährung seiner Strafe, so dass Larch seine alte Heimat wieder besuchen konnte.
Der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Roland Seppi, würdigte nun den Verstorbenen mit folgenden Worten: „Der Herr vergelte ihm seinen unermüdlichen Einsatz und seine Opferbereitschaft für unsere Heimat Tirol und das Schützenwesen. Möge er ruhen in Frieden.“
Wir schließen uns diesen Worten an und werden Luis Larch stets in ehrendem Andenken behalten.
Roland Lang Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)
Bis zu seinem Tod hielt Luis Larch engen Kontakt zu ehemaligen Mitstreitern. Hier im Bild ist er zu sehen mit Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung, dem Obmann der Kameradschaft ehemaliger Südtiroler Freiheitskämpfer.
Letzter Abschied von Adolf Pomella
Der am 27. März 1935 geborene und am 29. Juni 2024 verstorbene Adolf Pomella aus Kurtatsch.
Am 29. Juni 2024 verstarb in seinem Heimatort Kurtatsch ein ehemaliger Südtiroler Freiheitskämpfer und schwer gefolterter politischer Häftling. Der Kurtatscher Bauer Josef Pomella war nach den Anschlägen der „Herz-Jesu-Nacht“ aufgrund einer Denunziation eines Spitzels der Carabinieri zusammen mit anderen Kurtatscher Mitgliedern des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS), wie Luis Hauser, Josef Anegg, Hermann Anrather und Josef Orian, verhaftet worden. Sie alle wurden nach der Verhaftung von den Carabinieri schwer gefoltert.
Es gelang den Carabinieri trotz Anwendung unsäglicher Gewalt jedoch nicht, von Pomella und Orian ein Schuldgeständnis zu erpressen.
Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB), eine von ehemaligen Südtiroler politischen Häftlingen gegründete Vereinigung, welche für die Selbstbestimmung eintritt, widmete am 1. Juli 2024 dem Verstorbenen nachstehenden Nachruf:
Nachruf für Adolf Pomella
Es erreicht uns die traurige Nachricht, dass der ehemalige politische Häftling Adolf Pomella aus Kurtatsch verstorben ist.
Der 1935 in Kurtatsch geborene Bauer war nach den Anschlägen der Herz-Jesu-Nacht am 17. Juli 1961 von den Carabinieri verhaftet und anschließend schwer gefoltert worden. In den SVP-Archivalien im Landesarchiv in Bozen liegt ein Brief, in welchem Pomella der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) die erlittene Folter beschrieb: Er war mit Zündhölzern, einem Feuerzeug und Zigaretten am Geschlechtsteil, an der Nase und am Arm verbrannt worden. Er wurde mit kochend heißem Öl angeschüttet. Er wurde auch mit einer Zange, einem eisernen Schürhaken und einem Besenstil misshandelt. Dazu kamen schwere Schläge, wobei ein Knie und ein Schienbein verletzt und eine Zehe gebrochen wurden.
Die Folterkaserne in Kurtatsch im Jahre 1961 (Aus: BILD-Zeitung).
Ein Ausschnitt aus dem Brief von Adolf Pomella.
Sein ebenfalls schwer gefolterter Mitgefangener Josef Orian berichtete in einem Brief an die SVP, dass die Carabinieri den verhafteten Adolf Pomella eine Nacht lang gefesselt an ein Treppengeländer gehängt hatten. In anderen Berichten seiner Mitgefangenen wurden die sichtbaren schweren Verletzungen des Gefolterten beschrieben.
Über seine Folterung berichtete Pomella am 6. Oktober 1961 auch an die Staatsanwaltschaft in Trient. Eine Abschrift dieses Schreibens wurde auch dem österreichischen Außenministerium übermittelt. Die hohe Politik in Österreich und in Südtirol unternahm jedoch nichts.
Nach beinahe eineinhalb Jahren Untersuchungshaft musste die italienische Justiz Josef Orian und Adolf Pomella „mangels an Beweisen“ wieder frei lassen. Eine Entschädigung für Folter und Haft haben sie nie erhalten.
Seine Angehörigen hätten keinen sinnigeren Spruch für das Leben des Verstorbenen finden können:
„Der ist in tiefster Seele treu Wer die Heimat liebt wie du“.
(Douglas Archibald und Theodor Fontane)
Josef Orian (links) und Adolf Pomella nach ihrer Freilassung am 26. Dezember 1962.
Wir gedenken unseres verstorbenen Landsmannes, der so Schweres hatte erdulden müssen, in Ehrfurcht und Trauer. In Gedanken sind wir bei seinen Angehörigen.
Roland Lang Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)
Am 1. Juli 2024 wurde der Verstorbene auf dem Friedhof in Kurtatsch zur ewigen Ruhe gebettet.
Dokumentation
Der durch einen Geistlichen aus dem Gefängnis von Trient herausgeschmuggelte Folterbericht von Adolf Pomella:
„Adolf Pomella, geb. 27.3.1935 in Kurtatsch, Bauer in Kurtatsch. Am 17. Juli um 22.30 h wurde ich verhaftet und bis um 12.30 des nächsten Tages von den carab mißhandelt. Die carab von Kurtatsch machten mich Schuhe, Strümpfe, Hose und Unterhose ausziehen, dann hieb man mir mit einem Pistolenmagazin auf den Kopf. Ebenso schlug man mich mit der Faust, mit einem Besenstiel und einer großen Suppenkelle ins Gesicht an Hals und Nase.
Immer und immerwieder schlugen drei oder vier carabinieri mit der Faust, auch einer Pistolentasche und mit anderen Gegenständen, – ich kann mich nicht mehr an alles erinnern ich war teilweise ganz benommen – ins Gesicht und am ganzen Körper. Die carab. schütteten mir Kochöl über den Kopf und übers Gesicht und dann rieben sie mich mit einer rußigen Pfanne ein.
Ins Gesicht gespuckt, dann zwang man mich auf die Knie, man schlug mir so auf das Genick, bis ich sehr starke Kopfschmerzen bekam. Mit brennenden Zigaretten berührte man das Geschlechtsglied, die Nase und den Innenarm. Ich hatte Brandblasen. Zuletzt bemühte man dazu brennende Zündhölzer und ein brennendes Feuerzeug. Man drohte mir, mit Spagatt das Geschlechtsglied abzuklemmen. Durch die Schläge an Kopf, Magen usw. lag eine 20 cm große Blutlache am Boden, Orion, Anegg und Anrather haben sie gesehen. Ich wurde dann von zwei carab. durch einen quer gehaltenen Besenstiel am Hals an die Mauer gedrückt – heute 29. 8. schmerzt mir noch der Hals und der hiesige Gefängnisarzt nimmt das nicht zur Kenntnis.
Viele Fußtritte in den Bauch u. auf das Geschlechtsteil, das linke Knie schmerzt mir noch, ebenso eine Zehe – sie muß gebrochen sein – am linken Fuß.
Die rechte Zehe aber ist noch entzündet, auch eine große Wundnarbe am Schienbein. Der Mittelfinger der rechten Hand ist noch geschwollen, man hat ihn mit einer Kombinationszange (Flachzange) gequetscht und nach hinten gebogen. Mit der Zange stieß man mich in Brust u. Achselhöhlen, später riß man mir damit die Haare vom Hintern aus. Einen ca 60 cm langen, fingerdicken Schürhaken, den krummen, spitzen Haken im Mund haltend, mußte ich Kniebeugen machen, auch den Besenstiel bohrte man mir in den Mund, ich war verletzt u. konnte kaum noch den Mund öffnen.
Auch einen Teppichklopfer benützte man zum Schlagen. Meine Schürze rissen die car. In Stücke und sagten dann den Angehörigen, ich hätte keine Schürze angehabt.
Mit der Masch. Pistole wurde ich oft und oft bedroht. Kein Name der carab. ist mir bekannt.
Adolf Pomella.“
(Wörtliche Wiedergabe des Originalbriefes. SVP-Archivalien, Landesarchiv Bozen)