Aufgedeckt: ORF verbreitete Fake News über „Pusterer Buam“

„Pusterer Buam“: Unkritische Ermittlungen von ORF-Redakteuren – Protest aus Österreich und Südtirol – Geschwafel-Antwort des ORF erst nach 10 Monaten

 Von Georg Dattenböck

Unwahre Behauptungen und ein Protestbrief

In diesem Beitrag soll über eine ORF-„Berichterstattung“ in „ORF-Online“ vom 8. Juni 2021 unter dem Titel: „Van der Bellen bei Amnestie für ‚Pusterer Buam‘ optimistisch“ und den darauf folgenden, schriftlichen Protest von bekannten Persönlichkeiten gegen die darin erkennbaren, unwahren Behauptungen berichtet werden.

Italienisches Fahndungsplakat aus den 1960er Jahren gegen die „Pusterer Buam“, deren Vornamen in drei Fällen in italianisierter Form genannt wurden.

Diese manipulative ORF-Berichterstattung, nicht das erste Mal in Bezug auf Südtirol-Themen, der Protestbrief und auch eine unglaublich späte Antwort des ORF sind es wert, hier im Wesentlichen zitiert und kommentiert zu werden. Im Anhang muss auch aus diesem Anlass auch kurz auf die Geschichte des ORF eingegangen werden.

Hier folgt nun der ungekürzte Protestbrief:

Peter Wurm. Abgeordneter zum Nationalrat, Südtirol-Sprecher der FPÖ,
1010 Wien, Parlamentsklub

Werner Neubauer, BA
Abgeordneter zum Nationalrat a.D., A-4020 Linz, Grabnerstr. 4

An den Vorsitzenden des Publikumsrates

Mag. Walter Matschitz, BA                                                        9. Juni 2021

unter publikumsrat@orf.atwalter.marschitz@orf.at

Artikel des ORF „Van der Bellen bei Amnestie für „Puster Buam“ optimistisch, vom 8. Juni 2021, Online seit 8.53 Uhr

Beschwerdegrund: Falsche, ungeprüfte Angaben bzw. Anschuldigungen im o.a. Artikel

Sehr geehrter Herr Mag. Walter Maschitz, BA!

Im Rahmen einer Berichterstattung des ORF-online vom 8.6.2021 unter dem Titel „Van der Bellen bei Amnestie für „Pusterer Buam“ optimistisch, online ab 8.53 Uhr, kam es zu zahlreichen Beschwerden über den Redakteur des angeführten Beitrags.

Vorerst schildert der Autor die Reise des Herrn Bundespräsidenten Van der Bellen nach Italien und den damit verbundenen Besuch bei seinem italienischen Amtskollegen Bundespräsidenten Sergio Mattarella, bei dem er auch Südtiroler Abgeordnete begrüßen wollte.

Gegenstand der Gespräche sollten demnach die Fragen der Europäischen Union und die Möglichkeit einer generellen Amnestie der noch lebenden Südtiroler Aktivisten, der drei „Pusterer Buam“, sein.

In Fragen äußerte sich Van der Bellen optimistisch, ein gutes Ergebnis erzielen zu können.

Im Kapitel „Langjährige Haftstrafen“ versuchte sich der Autor als Historiker und verstieg sich in folgende Aussage:

„In Südtirol wurden vom 20. September 1956 bis zum 30. Oktober 1968 361 Anschläge verübt, die insgesamt 21 Menschenleben, davon 15 Angehörige der Ordnungskräfte, und 57 Verletzte zur Folge hatten.

Wegen der Anschläge in der „Feuernacht 1961“, bei der rund 40 Strommasten gesprengt worden waren, und weitere Attentate, erhielten der 1941 geborene Heinrich Oberleiter und die anderen „Pusterer Buam“ langjährige Haftstrafen. Oberleiter wurde auch ein Mord an einem Carabinieri vorgeworfen. Deswegen konnte der nach Österreich und dann nach Deutschland geflohene Oberleiter nicht mehr nach Südtirol einreisen.“

Durch den Aufbau dieser Berichterstattung wird nun der Eindruck vermittelt, die Freiheitskämpfer, vor allem die sogenannten „Pusterer Buam“, wären für diese Toten bzw Todesfälle verantwortlich. Die Angaben sind unwissenschaftlich und entbehren jeglicher sachlichen, fachlichen und historischen Wahrheit.

Der Autor hat sich augenscheinlich der Quelle

https://de.wikipedia.org/wiki/Befreiungsausschuss_Südtirol,“Befreiungsausschuss Südtirol“ bzw. direkt der Online-Plattform https://www.suedtirolnews.it/politik/kompatscher-kein-druck-fuer-begnadigung-suedtiroler-attentaeter bedient.

Diese Seite hat keine wissenschaftliche Grundlage, in seriösen wissenschaftlichen Arbeiten ist das Zitieren von solchen Seiten sogar zwingend verboten!

Gerade auf der zitierten Seite sind ominöse Zahlen ohne eigentliche Quellenangabe zu finden. Seriös arbeitende Journalisten müssten solche Begleitumstände sofort erkennen und die Verarbeitung dieser Angaben tunlichst meiden.

Es fällt auf, dass völlig undifferenziert die ersten Anschläge auf Rohbauten und faschistische Denkmäler der „Stieler-Gruppe“ dem „Befreiungsausschuß Südtirol“ (BAS) und damit den Pusterern zugeordnet wurden, obwohl längst bewiesen werden konnte, dass die vier Ahrntaler absolut nichts mit diesen Anschlägen zu tun hatten.

Weiters wurden auch die Anschläge der überaus skurrilen Gruppe „Ein Tirol“ augenscheinlich dem BAS zugeschrieben, die gleichfalls außer einer einzigen personellen Überschneidung nichts mit dem BAS zu tun hatten. Vielmehr wiesen deren Aktivitäten eine starke Verflechtung mit italienischen Geheimdiensten auf – abgesehen von Anschlägen italienischer neofaschistischer Gruppierungen (s.: Peterlini, Hans Karl: Bomben aus Zweiter Hand. Zwischen Gladio und Stasi: Südtirols missbrauchter Terrorismus. Bozen 1992).

Tatsächlich kann man real nur Anschläge der Jahre 1960 bis 1967 dem BAS zuordnen und auch in diesem Zeitraum sind die wahren Ursachen bzw. Urheber vieler Anschläge nach wie vor ungeklärt (s.: Speckner Hubert: Von der „Feuernacht“ zur Porzerscharte … Das Südtirol-Problem in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten. Wien 2016).

Die weiters zitierte Zahl von 21 Todesopfern und 57 Verletzten entbehrt ebenfalls einer seriösen wissenschaftlichen Grundlage.

Italien selbst geht „offiziell“ von 15 Todesopfern unter italienischen Sicherheitskräften aus. Davon gehen acht Todesopfer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf Anschläge des BAS zurück. Bis heute werden  die beiden Gasunfälle in Kasernen der Guardia di Finanza im Mai und September 1966 (Pfitscher Joch und Stein-Alm) mit insgesamt vier Todesopfern von Italien dem BAS zugeordnet, wenngleich vorliegende sicherheitsdienstliche Akten eindeutig auf Gasexplosionen hinweisen (s.: Speckner Hubert: Von der „Feuernacht“ zur Porzescharte … Das Südtirol-Problem in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten. Wien 2016).

In akribischer Forschungsarbeit hat der Historiker Oberst, Mag., Dr. Hubert Speckner anhand österreichischer sicherheitsdienstlicher Akten dokumentieren können, dass bei einer ganzen Reihe von angeblichen „BAS-Anschlägen“, welche gezielt auch Zivilbevölkerung in Gefahr gebracht hatten oder hätten bringen können, offenbar italienische „Dienste“ ihre Hand mit im Spiel gehabt hatten. Hier war es darum gegangen, die „terroristi altoatesini“ als gewissenlose und verruchte Täter darzustellen, welche auf die Vernichtung von Menschenleben abzielten. Tragische Unfälle, denen Menschenleben zum Opfer gefallen waren, wurden nachträglich in „Terroranschläge“ umgewandelt.

Weiters sind die vier Todesopfer und der Schwerverletzte der Porzescharte vom Juni 1967 aufgrund von vorliegenden Gutachten und ermittelten Begleitumstände mit Sicherheit nicht den in Italien deswegen verurteilten österreichischen BAS-Aktivisten Peter Kienesberger, Dr. Erhard Hartung und Egon Kufner zuzuordnen, was dementsprechend in Österreich auch zum Freispruch der drei Aktivisten geführt hat. (s.: Speckner Hubert: Von der „Feuernacht“ zur Porzescharte … Das Südtirol-Problem in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten. Wien 2016).

Alle übrigen sieben der „offiziellen“ Todesopfer unter italienischen Soldaten und Polizisten sind bis heute allesamt nicht eindeutig geklärt und können in keinem einzigen Fall mit Sicherheit den „Pusterern“ zugesprochen werden (s.: Speckner Hubert: Von der „Feuernacht“ zur Porzescharte … Das Südtirol-Problem in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten. Wien 2016).

Zum vom ORF-Redakteur zitierten Mord an einem Carabinieri – gemeint dürfte der Tod des Vittorio Tiralongo sein – liegen inzwischen massive Entlastungsindizien und -aussagen vor, die allerdings von Italien nicht weiterverfolgt wurden, sondern im Gegenteil überaus rasch zu einer Einstellung eines neuen Ehrhebungsverfahrens führten (https://tirv1.orf.at/stories/388207 ).

Die Begnadigung bzw. zutreffender „Amnestierung“ der BAS-Aktivisten wurde im Jahr 1969 zwischen den beiden damaligen Außenministern Kurt Waldheim und Aldo Moro vereinbart, von Italien aber bis heute nicht in allen Fällen durchgeführt (Vgl. dazu die zahlreichen schriftlichen Anfragen und deren Beantwortung im österreichischen Nationalrat zu dieser Thematik. Beispielsweise die Anfrage 84/J XIII. GP vom 9. Dezember 1971, die schriftliche Anfrage 1005/J XX. GP vom 10. Juli 1996 und deren Beantwortung 882/AB XX. GP vom 26. August 1996 durch den Außenminister. https://www.parlament.gv.at/PAKT/JMAB/).

Sehr geehrter Herr Vorsitzendern Mag. Walter Marschitz, BA!

Sie werden verstehen, dass eine derartige Berichterstattung mit solch fragwürdiger Herangehensweise, Vorwürfen zahlreicher strafrechtlich relevanter Tatbestände gegenüber Menschen, bei denen hinsichtlich der getätigten Vorwürfe die journalistische Sorgfaltspflicht in Form der Recherche nicht eingehalten wurde, nicht zu akzeptieren ist.

Sie werden deshalb in Ihrer Funktion ersucht, diesen Fall zum Gegenstand einer internen Abklärung zu machen.

Es ist diese Vorgangsweise auch als ein Akt der besonderen Respektlosigkeit gegenüber unseren Herrn Bundespräsidenten anzusehen, der sich just zum Zeitpunkt seines Einsatzes einer Begnadigung bzw. Amnestierung der ehemaligen Südtirol Aktivisten aus humanitären Gründen, mit dem Text konfrontiert sehen musste.

Es wäre demnach nur ein Akt der Fairness, dass sich der Autor/Autorin für diesen Artikel auf jener ORF-Plattform entschuldigt, auf der dieser veröffentlicht wurde.

Freundliche Grüße

Peter Wurm
Werner Neubauer, BA
Hubert Speckner Kurator, Historiker
Andreas Leiter-Reber Abgeordneter zum Südtiroler Landtag
Sven Knoll Abgeordneter zum Südtiroler Landtag
Eva Klotz Landtagsabgeordnete a.D., Historikerin

Erst nach 10 Monaten eine Antwort voll Geschwafel

Sehr bemerkenswert ist, dass erst 10 Monate später (!), am 11. März 2022, eine Antwort von Herrn Dr. Christoph Eder, Vorsitzender des Beschwerdeausschusses des Publikumsrates, erfolgte. Die Redaktion des SID hat diesen Schriftverkehr von einem der Unterzeichner des Protestschreibens zugesandt erhalten.

Dem mit Fakten belegten Beschwerdebrief konnte sachlich vom ORF nichts entgegengesetzt werden. Deshalb wurde in unübertreffbarer, spitzfindig-verklausulierter Weise versucht, jede Schuld des ORF-Redakteurs an einer mangelhaften Recherche und Falschdarstellung zu verneinen.

Aber man konnte doch nicht umhin, einzugestehen, dass die Redaktion zukünftig Agenturmeldungen „kritisch zu überprüfen hat“ und auch „einen Re-Check der Informationen durchzuführen“. Außerdem wurde etwas beschämt von Herrn Dr. Eder zugegeben, dass es bei heiklen Themen hilfreich sei, die Quellen der wiedergegebenen Informationen anzuführen“ und auch zukünftig „sensibel“ zu sein.

Zum Ende kam der Beschwerdeausschuss jedoch zum Schluss, dass es „keinen Sorgfaltsverstoß der Redaktion“ gegeben hatte und daher die „Beschwerde abgewiesen“ wird.

Der Leser möge sich folgend seine eigenen Gedanken zum Antwortbrief machen, der im Wesentlichen wiedergegeben wird (unterstrichene Zeilen von Redaktion SID):

„In Ihrem Schreiben bemängeln Sie, dass vier Personen, die sogenannten „Pusterer Buam“, mit Verbrechen im Rahmen der Autonomiebewegung Südtirols in Verbindung gebracht werden, deren Zuordnung längst widerlegt worden sei.

Der Beschwerdeausschuss hat die Beschwerde in seiner Sitzung am 22.9.2021 ausführlich mit dem Chefredakteur von orf.at diskutiert und in der Plenarsitzung am 23.9.2021 darüber berichtet.

Laut Angabe der Redaktion sei der beanstandete Text einer Agenturmeldung entnommen worden, die zu den Attentaten in Südtirol die Hintergründe von Opfern und Daten in einem Absatz präsentiert hat. Die genannten Personen seien in der gewählten Textierung nach Ansicht der Redaktion nicht konkret für diese Taten verantwortlich gemacht worden, was der Grund für Ihre Beschwerde war.

Die Mitglieder des Beschwerdeausschusses waren der Einschätzung, dass der von Ihnen dargelegte inkriminierte Eindruck, die Freiheitskämpfer, vor allem die sogenannten „Pusterer Buam“ wären für diese Toten bzw. Todesfälle verantwortlich, in dem beanstandeten Onlinebeitrag nicht erweckt worden ist.

Sehr wohl hat Ihre Eingabe aber im Beschwerdeausschuss sowie auch in der Redaktion dazu beigetragen neuerlich eine Diskussion zu starten, in welchem Ausmaß die Redaktion Agenturmeldungen, die sie übernimmt, zu prüfen hat.

Nach Ansicht des Ausschusses müsse man Agenturmeldungen gegenüber immer kritisch sein. Je sensibler ein Thema ist, desto wichtiger ist es, einen Re-Check der Informationen durchzuführen.

Außerdem wäre es bei heiklen Themen hilfreich, die Quellen der wiedergegebenen Informationen anzuführen.

Der Beschwerdeausschuss hat daher keinen Sorgfaltsverstoß der Redaktion gesehen und ihre Beschwerde abgewiesen, allerdings gegenüber der Redaktion angemerkt, dass Agenturmeldungen umso kritischer hinterfragt werden müssen, je sensibler ein Thema ist, zu dem berichtet wird.

Dies wird von Letzterer auch geteilt. Insofern hat Ihre Beschwerde dazu beige-tragen, die Redaktion grundsätzlich und bei diesem Thema im Besonderen erneut zu sensibilisieren.“

Anhang: Das parteipolitisch gebundene System des ORF

Zum Verständnis des Lesers muss zum bemerkenswerten Vorgang dieses Schriftverkehrs über diese „ORF-Berichterstattung“, das gesamte „System ORF“, seit dessen Gründung, analysiert werden:

Der ORF wurde unter parteipolitische Kuratel gestellt

1955 wurde das Fernsehen in Österreich eingeführt und dessen große Macht von den politischen Parteien rasch erkannt. 1963 wurde bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Dr. Alfons Gorbach (ÖVP) und Dr. Bruno Pittermann (SPÖ) ein Geheimabkommen geschlossen, dessen Kern lautete: jede Stelle im ORF muss von Parteigängern der ÖVP und SPÖ gleichermaßen besetzt werden.

Der Text des geheimen Papiers wurde Dr. Hugo Portisch zugespielt, er war Chefredakteur des „Kurier“. Von Portisch wurde im Oktober 1964 das „Rundfunk-Volksbegehren“, das erste dieser Art in Österreich, initiiert. Mit völlig unerwarteten 832.353 Unterschriften wurde es zu einer „Revolution“ gegen die unerträgliche parteipolitische Aufteilung des ORF und der Republik.

Der Nationalrat musste sich folgend mit dem Volksbegehren auseinandersetzen, doch auf Grund der Machtverhältnisse im Nationalrat: 81 ÖVP, 76 SPÖ (von insgesamt 165 Sitzen), blieb bereits der Entwurf des Gesetzes liegen, denn ÖVP und SPÖ bangten um ihre mediale Macht.

Der ÖVP-Kanzler-Kandidat bei der Nationalratswahl 1966, Dr. Josef Klaus, warb für ein neues ORF-Gesetz. Er erlangte die absolute Mehrheit und bildete eine Alleinregierung. Für Südtirol wurde die Regierung Klaus eine politische Katastrophe: Dr. Klaus war der Beitritt zur EWG oder ein Assoziierungs-Abkommen ganz entschieden wichtiger, diesem Ziel ordnete er alles unter. Italien machte seine Zustimmung von dem Wohlverhalten Österreichs in der Südtirolfrage abhängig und Dr. Klaus war willfährig.

Im Wahlkampf gegen seinen Rivalen Dr. Bruno Kreisky (SPÖ) präsentierte sich Dr. Klaus als „echter Österreicher“. Damit wurde unterschwellig vermittelt, dass Dr. Kreisky offenbar ein „unechter Österreicher“ sei. Die Wahrheit war: Dr. Kreisky vertrat als österreichischer Außenminister die Anliegen Südtirols mit Anteilnahme und Loyalität. Ganz im Gegensatz zum „echten Österreicher“ Dr. Klaus.

In Tirol sahen einige Leute den „echten Österreicher“ Dr. Klaus in einer fatalen Tradition stehend. Dieses Bild über eine Demonstration am Brenner war in dem Internetportal „unser tirol24“ am 7. 12. 2018 veröffentlicht worden. Zur Verfügung gestellt hatte es der leider mittlerweile verstorbene ÖVP-Journalist Walter Raming, der ein großer Unterstützer der Südtiroler Anliegen und kein Freund des Bundeskanzlers Dr. Klaus gewesen war.

Das angebliche „Herzensanliegen Südtirol“, das von Dr. Klaus bis herauf zu Sebastian Kurz von ÖVP-Führenden bei öffentlichen Reden stets hinausposaunt wurde, war in der politischen Realität eine glatte Lebenslüge.

Gerd Bacher drängte den parteipolitischen Einfluss zurück

Ein neues „Rundfunkgesetz“ wurde von ÖVP und SPÖ mit Wirkung ab 1. 1. 1967 beschlossen.

An die Spitze des ORF wurde Gerd Bacher bestellt. Bacher war, zusammen mit dem Publizisten Fritz Molden, einer der Gründer des „Befreiungs-Ausschusses Südtirol“ (BAS) und bekannte sich bis zu seinem Tod im Jahre 2015 stolz dazu.

ORF-Generalintendant Gerd Bacher

Zwischen 1967 und 1975, von 1978 bis 1986 und von 1990 bis 1994 war Gerd Bacher ORF-Generalintendant. Unter seiner Leitung wurde der parteipolitische Einfluss nicht ausgeschaltet, jedoch nach Kräften zurückgedrängt.

Nach Bachers Ausscheiden: Rückkehr der ungebremsten Parteienherrschaft

 

Nach Bachers Ausscheiden wüteten betreff des ORF die Machtspiele der Parteien, ungezügelt und ungehemmt weiter. Bacher urteilte darüber:

„Der Republik wird hier aus niederer Gesinnung schwerster Schaden zugefügt. Wie lange lässt sich Österreich die Willkür der Kleingeister noch gefallen?“ („Der Standard“, 9.6. 2011).

Diese „Willkür der Kleingeister“ feierte nach Bachers Abgang Triumphe. Die Proteste von ORF-Gebührenzahlern, auch gegen die einseitige Berichterstattung, wurden immer lauter.

63 Prozent der Politikjournalisten rechneten sich bereits 2010 eher dem linken Lager zu, 28 Prozent fühlten sich den Grünen am nächsten. („Der Standard“, 21. Juli 2010)

Mangel an Objektivität

Politische Einstellungen von Redakteuren sind in eine Demokratie an sich belanglos, wenn sie sich allein der möglichst objektiven Berichterstattung verpflichtet fühlen. Dass dem leider nicht so war und ist, wird folgend kurz erläutert.

Eine opportunistische oder eifernde politische Einstellung einiger ORF-Journalisten schlug sich auch in der Berichterstattung über friedliche, normale Staatsbürger bei Corona-Demonstrationen gegen die Regierung nieder.

Ein sehr bekannter ORF-Journalist, Reinhard Jesionek, postete ernüchtert am 21.12 2012:

„Ich bin traurig, verwundert + geniere mich mittlerweile für meine ehemalige berufliche Heimat den ORF … Heute am 15.12. demonstrierten 650 Ärzte + Pflegerinnen vor der Ärztekammer in Wien … und DAS ist die Berichterstattung darüber –  

„wien.orf.at ‚Hunderte bei illegaler Demo in Wien. In der Wiener Innenstadt haben sich heute Vormittag Hunderte Menschen zu einer nicht angemeldeten Demonstration versammelt. Es waren offenbar CoV-Leugner und -Leugnerinnen sowie Maßnahmengegner und -gegnerinnen.“ 

KEIN Wort darüber, dass das ausschließlich Ärzte + Pflegerinnen waren ! … das würde die Geschichte nämlich anders darstellen. WAR KEINER vom ORF dort ? …. oder hat DAS andere Gründe ? ICH GENIERE MICH FÜR 37 Jahre ORF Zugehörigkeit !!!“

Protest des Redakteursrates

Die Empörung über die Einflussnahme der Parteien auf den ORF gipfelte 2022 in einem Protestschreiben des ORF-Redakteursrates, weil ein Geheimabkommen, genannt „Sideletter“, zwischen Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler („Grüne“) öffentlich wurde. Folgend zitiert nach der Fachpublikation „Horizont“ v. 31.1.2022:

„Wir sind empört, mit welcher Dreistigkeit es bei Regierungsverhandlungen zum Thema ORF ausschließlich um die Interessen der politischen Parteien und Postenschacherei geht. Und wie Führungsfunktionen im ORF mit großer Selbstverständlichkeit unter den Regierungsparteien aufgeteilt werden“, schrieb der Rat der Redakteure und weiter heißt es:

„Aus unserer Sicht ist es hingegen ein klarer Bruch der Verfassung und des ORF-Gesetzes: Dort ist in §1 die ‚Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit … sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Österreichischen Rundfunks‘ festgeschrieben. Über parteipolitisch paktierte Besetzung von Führungsfunktionen ist weder in der Verfassung noch im ORF-Gesetz etwas zu finden.“

Peinliche Entgleisung

In einer Demonstration in Wien gegen die überbordenden Corona-Maßnahmen der Regierung wurden Tiroler mit Österreich Fahnen vom ORF in einem Satz mit Neo-Nazis genannt:

Für Aufregung sorgten angereiste Tiroler und Fotos, die den verurteilten Neonazi Gottfried Küssel im Gespräch mit der Polizei zeigen sollen.“

Auf einen Protestbrief hin entschuldigte sich der ORF erstmals: In dem von Ihnen kritisierten Artikel war die Formulierung missverständlich – keinesfalls sollten Tiroler*innen mit Neonazis gleichgestellt werden. Wir bedauern diese Formulierung, die von Ihnen zu Recht beanstandete Passage wurde bereits geändert.“

Hier fanden die Wiener ORF-Verantwortlichen seltene Worte der Entschuldigung.

Es wäre schön, wenn es wahr wäre

Und weiter hieß es in diesem ORF-Schreiben, das auch für die Analyse über die „Berichterstattung“ zu den „Pusterer-Buam“ aufschlussreich ist:

„Als öffentlich-rechtliches Medium ist sich der ORF seiner gesellschaftlichen Verantwortung und des von der österreichischen Bevölkerung in ihn gesetzten Vertrauens bewusst. Der ORF handelt unabhängig von politischen Parteien und anderen Interessengruppen und ist ausschließlich seinem Publikum und der Gesellschaft verpflichtet. Er hat einen klaren gesetzlichen Auftrag, wesentliche Grundlage ist objektive, unmittelbare und kompetente Berichterstattung und Verlässlichkeit durch geprüfte Quellen. Wir bemühen uns stets, dem Vertrauen unseres Publikums zu entsprechen und dem Bedürfnis unserer Zuseherinnen und Zuseher nachzukommen.“

Hoffen wir!

Mit Schönreden ist es jedoch nicht getan. Der Bürger, welcher die Gehälter der im ORF Tätigen bezahlt, der darf auch erwarten, dass den schönen Worten in Zukunft ein entsprechendes Verhalten folgt.

Das bereits zitierte Protestschreiben des ORF-Redakteursrates hat gezeigt, dass es auch im ORF Widerspruch gegen ausufernde parteipolitische Gängelung gibt. Vielleicht gibt es in Zukunft noch positive Überraschungen. Hoffen wir es!