Des Sandwirts letzte Heimkehr

Die Zitadelle in Mantua war der Endpunkt im Lebensweg des Passeier Sandwirts Andreas Hofer: er wurde dort am Montag, 20.2.1810 erschossen und im Friedhof von St. Michael begraben. Die Vorgänge nach der Exhumierung seiner Gebeine und deren Überführung nach Innsbruck, sind bekannt, doch heute weitgehend vergessen – zu Unrecht! Erstaunen löst heute noch die Behandlung jener fünf patriotischen österreichischen Kaiserjägeroffiziere durch den „Wiener Hof“ aus, die aus uneigennützigen, edlen Motiven Hofers Gebeine in die Heimat zurückbringen wollten. Der Kaiser selbst besuchte bereits 1816 das Grab des Sandwirts.

Von Georg Dattenböck

Das Schicksal für Andreas Hofer und Tirol hat einen Namen: Napoleon! Bereits General, wurde Napoleon am 9.11.1799 erster Konsul der Französischen Republik. In Gegenwart von Papst Pius VII. krönte er sich selbst am 2.12.1804 in der Kathedrale Notre Dame de Paris zum Kaiser der Franzosen und errichtete ein brutales Regime, welches in den unterworfenen Völkern Europas verhasst war. Sein Größenwahn forderte „etwa 4,7 Millionen Kriegstote und mehr als eine Million zivile Opfer“ (Bernhard Mertelseder/Brigitte Mazohl/Johannes Weber: „1809 – und danach? Über die Allgegenwart der Vergangenheit in Tirol“; S. 9, Bozen 2009). Jedoch noch heute wird der mit diesem Blut von Unschuldigen befleckte Mann von vielen unkritisch und tief verehrt.

Einige Verzweifelte wollten den Tyrannen persönlich beseitigen: Am 2.5.1809, als Napoleon in das Kloster Lambach (Oberösterreich) mit seinem Gefolge in bester Stimmung einreiten wollte, verhinderte der Priester Koloman Fellner in letzter Sekunde ein Attentat durch den Scharfschützen und Büchsenmacher Scherhauf, der vom Torturm des Stiftes aus Napoleon erschießen wollte. (Friedrich Ilk: „Stift und Markt Lambach während der französischen Einfälle 1800-1809; in: „Euro-Journal“, S. 31ff, Puchenau 1996).

Während einer Siegesparade der Franzosen in Schönbrunn versuchte am 12.10.1809 der junge Friedrich Gottlieb Staps aus Naumburg/Saale den Korsen mit einem Messer zu töten. Sein Plan mißlang, Staps wurde festgenommen und, nach einem persönlichen Verhör durch Napoleon, in Wien erschossen. Er starb angeblich mit dem Ruf: „Es lebe die Freiheit! Es lebe Deutschland! Tod seinem Tyrannen!“ (Wikipedia > Friedrich Gottlieb Staps).

Die Hinrichtung von Johann Philipp Palm in Braunau/I. in einer zeitgenössischen Darstellung.

Johann Philipp Palm war Buchhändler in Nürnberg. Er veröffentlichte eine gegen Napoleon gerichtete 144-seitige Schrift „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ und wurde dafür durch ein französisches Militärgericht zum Tode verurteilt. Palm verschwieg bis zu seinem Ende den wahren Verfasser der Schrift. Bei seiner Erschießung am 26.8.1806 in Braunau/Inn wurde er zweimal durch Schüsse nur verwundet, erst im dritten Versuch wurde er durch einen „Gnadenschuss“ getötet. Sein Tod löste in Deutschland große Erschütterung aus.

Die nötigen Geldmittel zum Führen seiner Kriege beschaffte sich Napoleon u.a. im Frühjahr 1798 durch den Überfall auf die Schweizer Eidgenossenschaft mit deren Unterwerfung und Ausplünderung. In all seinen folgenden Angriffskriegen in Europa ging er mit gleicher Brutalität gegen die jeweiligen Länder und Völker vor – siehe dazu z.B. das erste Auftreten der raubenden und mordenden Scharen Napoleons bei deren Angriff auf Welschtirol 1796 (Meinrad Pizzini: „Andreas Hofer“, S. 43ff, Wien 1984).

Nach seinem „Blitzkrieg“ gegen Frankreich stand am Sonntag, 23. Juni 1940, ein geistesverwandter Diktator an Napoleons Sarkophag in Paris und erwies ihm die Ehre. Sowohl Napoleon, als auch Hitler, scheiterten in ihrer grenzenlosen Hybris vor bzw. in Moskau. Beiden war auch gemeinsam, daß sie das Land Tirol vernichten wollten: Napoleon durch mehrere brutale Angriffskriege und die erstmals erfolgte territoriale Zerstückelung, Hitler durch den mit Mussolini abgeschlossenen Vertrag über die Aussiedelung der Südtiroler und mit der Anerkennung der Teilung Tirols. Beide Verbrechen scheiterten und jeweils unter schwersten Opfern der Tiroler.

Der Hass Napoleons auf die Tiroler wegen deren zähen Widerstandes war groß: nach der Niederlage des österreichischen Heeres bei Wagram wurde am 12.7.1809 ein Waffenstillstand vereinbart, wo im Punkt vier bestimmt wurde, Tirol von österr. Truppen zu räumen. Karl Paulin schrieb dazu („Das Leben Andreas Hofers“ S. 70ff, 2. Aufl., Innsbruck 1952):

„In der Härte dieses Vertragspunktes spiegelte sich der Haß Napoleons gegen Tirol (…). Wie tief den Stolz des sieggewohnten Schlachtenlenkers das zweimalige erfolgreiche Aufbäumen des kleinen Bergvolkes gegen die Große Armee und ihre Verbündeten getroffen hatte, bewies sein von brutalem Vernichtungswillen diktierter Befehl an den Ende Juli wieder in Tirol einrückenden Marschall Lefebvre: ‚Meine Absicht ist, daß Sie (…) in den tirolischen Bezirken 150 Geiseln fordern und wenigstens sechs große Dörfer sowie Häuser der Führer plündern und niederbrennen lassen und daß Sie erklären, das Land würde in Blut und Eisen aufgehen, wenn nicht alle Gewehre, wenigstens 18.000, abgeliefert würden. Sie haben die Macht in Händen, seien Sie schrecklich und handeln Sie so, daß man einen Teil der Truppen aus dem Land ziehen kann, ohne fürchten zu müssen, daß die Tiroler wieder anfangen‘ (…) Nach diesem Blutbefehl muß man es geradezu als ein Glück betrachten, daß die ausführenden Persönlichkeiten menschlicher dachten und handelten als ihr Gebieter (…)“.

Der berühmte spanische Maler Francisco de Goya malte 1814 aus seiner Erinnerung das Bild „Erschießung der Aufständischen“. Es wurde zu einem Symbolbild für Napoleons Terrorherrschaft. Man sieht bereits Erschossene in ihrem Blut liegen, der Mann im weißen Hemd streckt verzweifelt und flehentlich die Arme aus, er wird in der nächsten Sekunde ebenfalls tot sein.

Kurzdarstellung von Hofers Lebensweg im Rahmen der Geschichte

 Napoleon schien unbesiegbar zu sein: immer wieder schlugen seine mit hervorragender Taktik, überlegener Militärstrategie und großem Elan geführten Armeen die Österreicher ab 1792 in den sogenannten „Koalitionskriegen“.

Die ebenfalls unterworfenen deutschen Fürsten wurden willige Vasallen, deren Territorien umfassten den größten Teil der heutigen BRD. Sie stellten Napoleon auch die unfreiwilligen Massen an deutschen Soldaten zur Verfügung. Besonders schicksalshaft für Tirol war die Herrschaft Napoleons über die unterworfenen Bayern.

1796 rückte Napoleon von Italien aus gegen Tirol vor. Andreas Hofer „stand als Korporal in einer Meraner Kompanie“ im Mai 1796 am Tonalepaß, um den Angriff abzuwehren (Andreas Oberhofer: „Der ‚Andere‘ Hofer. Der Mensch hinter dem Mythos“; S. 253, Innsbruck 2009).

1797 führte Hofer als Hauptmann 129 Passeirer Schützen in General Laudons Lager bei Meran, die Franzosen wurden zur Räumung Bozens gezwungen, setzten jedoch ihren Angriff auf Österreich mit dem Vormarsch bis in die Steiermark fort. Der folgende „Frieden von Campoformio“ beendete für kurze Zeit den Krieg.

Im „2. Koalitionskrieg“ (1799-1802) stürmten Napoleons Truppen bis nach Niederösterreich: der Fluß Erlauf wurde Demarkationslinie, der „Friede von Lunéville“ beendete diesen Kampf.

Im „3. Koalitionskrieg“ (1805) kapitulierten Österreichs Armeen bei Ulm, Napoleon zog weiter nach Wien und besetzte die Hauptstadt.

Erneut siegte Napoleon am 2.12.1805 in der „Dreikaiserschlacht“ bei Austerlitz in Böhmen. Mit dem für Österreich folgenden katastrophalen „Frieden von Preßburg“, wo drei Millionen Staatsbürger, sowie Venetien an Italien, Tirol und Vorarlberg an Bayern verloren gingen, wurde dieser Krieg beendet. Kaiser Franz I. schrieb, durchwegs glaubwürdig, an Tirols Landesgouverneur Graf v. Brandis (Paulin, w.o., S. 22):

„Gebieterische Umstände machten es mir zur Notwendigkeit, der Beherrschung des Landes Tirol zu entsagen. Wie schwer dieses Opfer meinem Herzen gefallen ist, wissen die biederen Tiroler ohnehin. Ich verliere keine Worte darüber, sie würden die Wunden nur aufreißen, welche die durch eine Reihe unglücklicher Ereignisse mir abgenötigte Trennung so wertgeschätzten Untertanen mir und ihnen schlug.“

Als Napoleon versuchte, Spanien und Portugal seiner Herrschaft zu unterwerfen, brachen in Katalonien, Navarra, dem Baskenland und in Kastilien Volksaufstände und ein Guerillakrieg aus, dem er militärisch vorerst kaum gewachsen war. Man sah diese Entwicklung in Österreich mit Rachegefühlen und mit großer Hoffnung und begann, wieder zu rüsten.

Auf starkes Betreiben von Erzherzog Johann wurde eine Landwehr aufgestellt. Erzherzog Karl wollte, nach französischem Vorbild, eine neue Armeeorganisation schaffen. Seine Generäle vermochten nicht, innerhalb kurzer Zeit umzudenken, ihren Kadavergehorsam abzulegen und selbständig zu handeln. Auch durch das Fehlen von Übungen war das Ergebnis, noch zusätzlich gelähmt durch Kompetenzstreitigkeiten, daß die österr. Armee, anstatt beweglicher zu werden, in eine Starrheit glitt, die ein Disponieren kaum ermöglichte (Militärhistoriker Prof. Rudolf W. Litschel: „Der Feldzug in Süddeutschland im April 1809“ in: „DSJ“1979, S. 374ff).

Der Kriegspartei am „Wiener Hof“ gehörte u.a. Graf Klemens Wenzel Lothar v. Metternich an, der als österr. Gesandter in Paris auch beim Kaiser in Wien immer einflussreicher wurde. Den Krieg gegen Napoleon finanzierten für Österreich die Bankiers Nathan Adam v. Arnstein, Bernhard Eskeles d. Jüngere, Moritz Fries, Johann Jakob Geymüller und das Bankhaus Rothschild, u.a. mit Lieferungen von Weizen, Pferden und Ausrüstungen.

Als der Krieg 1809 ausbrach, kam Metternich als 36-jähriger von Paris nach Wien zurück und löste den leitenden Minister Johann v. Stadion ab. Nur aus taktischen Motiven spielte Metternich mit den durch Napoleons Aggressionen ausgelösten nationalen Gedanken und Gefühlen in den europäischen Völkern. Nicht die kaiserliche Familie selbst, sondern Metternich und sein Gefolge am „Wiener Hof“ waren die Meister der Doppelzüngigkeit gegenüber den Tirolern mit sehr fatalen Folgen, vor allem für den Sandwirt. Die naiv-kindliche, absolute Treue Hofers zum Kaiserhaus schildert Paulin (w.o., s. 18):

„Wenn in seiner Gegenwart ein Wort über Kaiser Franz oder dessen Bruder, den hochverehrten Erzherzog Johann fiel, konnte Hofer bis zu Tränen gerührt werden. Aus dieser unbedingten Treue erwuchs auch das unerschütterliche Vertrauen des Sandwirts auf den Kaiser und sein Wort, das, als es getäuscht wurde, das Verhängnis des Landes und seines Oberkommandanten mit verursachte“.

Was der treue Hofer nicht wissen konnte und später auch nie wissen wollte war, daß der Kaiser als unpolitischer Mann fest von Metternich abhängig war, ihm das politische Agieren überließ. Der Kaiser war von Natur aus an der Pflanzenzucht und Planzenkunde und nicht an der Politik interessiert. Auch von Militär, Strategie und Taktik verstand er wenig, dies überließ er seinen Brüdern Johann und Karl. Der Kaiser war jedoch vom „Gottesgnadentum“ seiner alten Familie zutiefst überzeugt und wie Metternich lehnte er den Gedanken an Volksrechte entschieden ab. Nicht geheuchelt war jedoch seine tiefe Zuneigung zu den Tirolern, die sich in seinen Briefen niederschlug, wie z.B. der Brief v. 18.4.1809:

„Unter den Opfern, welche die widrigen Ereignisse im Jahre 1805 Mir abgenötiget haben, war, wie Ich es auch laut verkündiget habe, jenes, Mich von euch zu trennen, Meinem Herzen das empfindlichste; denn stets habe Ich an Euch gute, biedere, Meinem Hause innigst ergebene Kinder, sowie Ihr an Mir einen euch liebenden und Euch Wohl wünschenden Vater erkannt. (…) Ich zähle auf Euch, Ihr könnt auf mich zählen, und mit göttlichem Beistande soll Österreich und Tirol immer so vereinigt bleiben, wie es eine lange Reihe von Jahren hindurch vereiniget war“.

Der Vertraute Erzherzogs Johann, der junge Josef Freiherr v. Hormayr, ein gebürtiger Tiroler, organisierte von Wien aus den Tiroler Aufstand. Erzherzog Johann unterschrieb in Villach in Kärnten, wo er 1809 mit der Armee vor dem Einfall nach Tirol stand, ein von Hormayr verfertigtes Dokument, in dem er Tirol wieder zum österreichischen Territorium erklärte und jeden bewaffneten Tiroler als einen Angehörigen des österr. Aufgebotes und nicht als Rebell bezeichnete. Das hatte seine tiefere Ursache in der uralten Wehrverfassung Tirols:

 „Die Eigenart der Tiroler Wehrverfassung bestand bekanntlich darin, daß, während anderswo die altgermanische Landwehrpflicht nach dem Ende des 17. Jahrhunderts kaum mehr in Erscheinung trat, sie sich in Tirol ebenso wie in Vorarlberg bis ins 19. Jahrhundert hinein erhalten hat. Wenn dem Lande Tirol Feindesgefahr drohte, dann waren alle wehrfähigen männlichen Einwohner zum ‚Auszug‘ verpflichtet. Damit hing zusammen ihr Recht, Waffen zu tragen, in deren Gebrauch sie sich in Friedenszeiten auf den Schießständen übten. Dieses Aufgebot der Landstände, die Landmiliz, wie sie seit 1632 genannt wurde, durfte aber nicht außerhalb des Landes verwendet werden“ (Oswald v. Gschließer: „Zur Geschichte des stehenden Heeres in Tirol bis zur bayrischen Besetzung (1805)“; S. 1, Innsbruck).

In ganz Tirol erhoben sich 1809 die Schützen und verjagten die bayerischen Beamten und Militäreinheiten unter schweren Kämpfen und mit wechselndem Erfolg, wieder tat sich Andreas Hofer mit der Eroberung von Sterzing hervor. Napoleon holte zum Gegenschlag aus: er schickte Marschall Lefebvre mit zehntausend Mann nach Tirol. Es folgte am 25.5.1809 die zweite Berg-Isel-Schlacht, die Franzosen mussten Tirol wieder räumen. Ein mit schweren Opfern errungener Sieg der Tiroler Freiwilligenarmee!

Napoleon selbst stieß mit großer Heeresmacht nach Wien vor, wurde jedoch am 21./22.Mai 1809 bei Aspern, nördlich von Wien, von Erzherzog Karl besiegt. Der Kaiser schrieb begeistert nach diesem Sieg u.a. an die Tiroler:

 „Im Vertrauen auf Gott und Meine gerechte Sache, erkläre ich hiermit Meiner treuen Grafschaft Tyrol, mit Einschluß des Vorarlbergs, daß sie nie mehr von dem Körper des Österreichischen Kaiserstaates getrennt werden und daß Ich keinen anderen Frieden unterzeichnen werde als den, der dieses Land an Meine Monarchie unauslöslich knüpft (…)“

Anton Ritter v. Perger (1845): Napoleons Flucht über die Donau nach seiner Niederlage bei Aspern.

Dieses, mit Metternich nicht abgesprochene, briefliche und feierliche Versprechen des Kaisers, das er aufrichtig meinte, hatte psychologisch bei Hofer und seinen Tirolern weitreichende Folgen: Zweifel waren zukünftig ausgeräumt, denn ein Kaiser lügt nicht!

Doch Metternich dachte und handelte eiskalt: nach der von Erzherzog Karl wieder verlorenen Schlacht am 5./6. Juli 1809 bei Deutsch-Wagram (im Marchfeld bei Wien) und noch vor dem mit Napoleon vereinbarten „Frieden v. Schönbrunn“ (14.10.1809), schrieb er:

  „Welches immer die Bedingungen des Friedens sein werden, das Resultat wird immer darauf hinauslaufen, daß wir unsere Sicherheit nur in unserer Anschmiegung an das triumphierende französische System suchen können. Wir müssen also vom Tage des Friedens an unser System auf ausschließliches Lavieren, auf Ausweichen, auf Schmeicheln beschränken“.

Mit dieser Strategie Metternichs wurden Andreas Hofer mit seinen ahnungslosen Tirolern an die Wand gedrückt. Hofer konnte sich dieses Verhalten des „Wiener Hofes“ nie erklären und er akzeptierte auch nie die Wahrheit, daß das Land Tirol wieder aufgegeben wurde.

Noch im August 1809 fielen 20.000 Soldaten unter Lefebvre nach Tirol ein und besetzten wiederum Tirol. Nur noch in Südtirol kämpfte der Sandwirt tapfer weiter. Napoleon sandte Marschall Lefebvre mit starken Einheiten zu Hofers Vernichtung über den Reschen- und Brennerpaß, wo sie sich mit Truppen aus Italien und dem Pustertal vereinigen wollten.

An der Lienzer und Ehrenberger Klause, in der Schlucht des Eisacktales, an der Pontlatzer Brücke und in der dritten Schlacht am Berg Isel (12./13.8.1809) wurden die Truppen Napoleons nochmals geschlagen. Es war der letzte große Sieg der Tiroler Volksarmee über ein reguläres, sehr gut gedrilltes und viel besser bewaffnetes Militär.

Steinlawinen als Waffe der Tiroler

Bereits am Tag des Friedensschlusses in Schönbrunn, am 14.10.1809, wurde von dem mit Hass erfüllten Napoleon der Befehl erteilt, die Tiroler endgültig zu unterwerfen – s. oben sein Brief an Lefebvre. Vorwiegend bayerische Söldnertruppen marschierten für Napoleon wieder nach Tirol: am 24.10.1809 standen sie bereits vor Innsbruck und am 1.11.1809 fand die vierte und letzte Berg-Isel-Schlacht, nur zwei Stunden lang, gegen das letzte Tiroler Aufgebot statt, dann waren Kampf und Freiheit verloren.

 „Der Kaiser richtete mehrere Handschreiben an seinen Bruder, den Generalissimus, worin er die tiefe Enttäuschung des Monarchen, der sich seiner moralischen Verpflichtung gegen Tirol sehr wohl bewußt war, deutlichen Ausdruck fand. So schriebt der Kaiser in seibnem Brief v. 19. Juli betreffend Tirol an Karl: ‚Das Schmerzlichste dabei ist die Kompromittierung meiner Ehre, da ich die wackeren Tiroler und Vorarlberger, die alles aufgeopfert haben, fast im nämlichen Augenblick ihrem Schicksal hingebe, als ich ihnen kaum die Zusicherung meiner kräftigsten Unterstützung gab.“

Auch der größte Teil des österreichischen Hochadels empfand die Preisgabe von Tirol „schmachvoll und erniedrigend für Österreichs Ehre. (…) Damit begann gegen Tirol eine in solchen Zeiten doppelt gefährliche Zauderpolitik, ein verstecktes Spiel von Andeutungen, Ableugnungen und Verschleierungen, durch das man das Land lange Zeit über den vollen Umfang der Tatsaschen im ungewissen ließ. (…) Hofer konnte es nicht glauben, daß Tirol von Österreich verlassen sei; wohl unter dem Einfluß des fanatischen Kolb erließ der Sandwirt am 22. Juli einen leidenschaftlichen Aufruf, worin er die Nachricht vom Waffenstillstand als feindliche List erklärte… (Paulin, w.o., S. 72ff)

„Das letzte Aufgebot“. Gemälde von Franz v. Defregger.

 „Da kommen sie schon angefahren im Sturmschritt, die alten Racker und Lotter mit den krummen Rücken, Knien und Ellebögen, mit den weißen Haarstränen und den Stoppelbärten, auf den Achseln die Spieße und Sensen und Morgensterne und Stallgabeln und Hacken, gezähnte Messer auch und rostige Lanzen und Flinten. Alle in mausgrauen, abgenützten Lederhosen, alten Joppen und breiten Filzhüten. Voran marschiert der stolze Bauer, das Brennscheit umgekehrt auf der Schulter tragend und unterwegs die Weisung schnaufend – wohin und wie anpacken, zu seiner rechten trabt der Zimmermann mit einem eisenzähnigen, stahlbespitzten Schlagprügel, der vor Zeiten schon auf die Türkenschädel niedergesaust sein soll. Ihm daneben der Richter von Villanders, dem das Recht in diesen Tagen zum Messer geworden ist. Links vom Bauer der weißbärtige Feldkaplan Gruber, in seinem mächtigen Joppensack nicht die geringste der Waffen, schleppend einen wuchtigen Brotlaib und einen Rosenkranz. Und hinter alle anderen, Wäldler und Bergler, Hirten und Holzerer, Handwerker, Knechte und Bauern, Zündler und Bergknappen. Sogar der alte Vogelhändler aus Kollman und ein Herrgöttler aus Barbian reihen sich in den Villanderer Sturmhaufen ein; jetzt brauchen die Leute keine Kanarienvögel, jetzt pfeifen die Kugeln, und keine Christusle, jetzt bluten die Tiroler. Zuschlagen heist`s jetzt. Im finsteren Ernst schreiten sie fürbaß, ihren Söhnen und Enkeln nach, die zweimal schon das Tiroler Land befreit haben, das dritte Mal aber der Übermacht und List der Feinde zu unterliegen drohen.“ (Text von der Internetseite der Schützenkompanie ‚Anton v. Gasteiger‘, Villanders).

(Karte aus: Andreas Raffeiner, Sven Knoll, Martin Sendor: „Andreas Hofer. Sein Erbe – 200 Jahre später“. Eckartschrift 194).

Unter Napoleon wurde das Land Tirol erstmals geteilt und auch der Begriff „Alto Adige“ erstmals verwendet, Ettore Tolomei und die italienischen Faschisten griffen darauf zurück.

Napoleon ließ sich am 26. Mai 1805 im Mailänder Dom mit der Eisernen Krone der Langobarden (!!!) zum König von Italien krönen, seine Hybris kannte keine Grenzen mehr.

Über 200.000 Italiener wurden in seine Armeen gepresst, 80.000 mussten ihm nach Russland folgen, die meisten starben dort.

Andreas Hofer wird von Kaiser Franz geehrt

Die Ehrungen Hofers waren von Seite des Kaisers und seiner Brüder Johann und Karl ehrlich und ohne Hintergedanken gemeint. Metternichs „große Politik“ hingegen verfolgte andere Ziele und war durch diese offiziellen kaiserlichen Ehren für Hofer nicht gefährdet und: Hofer und das Tiroler Volk waren zunächst ruhiggestellt.

„Einen Höhepunkt während der ‚Interimsregierung‘ von Andreas Hofer in der Innsbrucker Hofburg bildete wohl die Botschaft Kaiser Franz‘, die am 29. September 1809 eintraf: Neben der Zusicherung, die Tiroler zu unterstützen, schickte der Kaiser auch 3.000 Golddukaten und eine große goldene Medaille mit seinem Brustbild an einer Kette als Ehrengeschenk für Hofer und erhob ihn in den Adelsstand. Daraufhin wurde der Namenstag des Kaisers (4. Oktober) zum ‚Nationalfeiertag‘ erklärt und ein großes Fest gefeiert: Nachdem alle Honoratioren mit Andreas Hofer an der Spitze in die Hofkirche eingezogen waren, fand eine Messe statt. Am Schluß trat Hofer vor den Hochaltar und Abt Markus von Wilten legte ihm die geweihte Ehrenkette um (Pizzinini, 160f) (Text und Bilder: „Sammelllust, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum“, Claudia Sporer-Heis)

Die Beschreibung des an Andreas Edler v.  Hofer verliehenen Wappens lautet:

„Wappen viergeteilt;  1: in Gold ein roter Adler einwärts; 2: in Rot ein unten golden gebundener grüner Kranz;  3: in Rot auf grünem Boden ein schroffer Felsen, davor  ein Tiroler  Schütze mit schwarzem Hut, schwarzen  Hosen und Schuhen, braunem Rock, rotem Hosenträger und weißen Strümpfen, seine Büchse links auf den Boden  stützend; 4: in Gold auf grünem Boden ein natürlicher, runder  Zinnenturm mit geschlossenem Tor und zwei Fensteröffnungen nebeneinander und beiderseits anschließend Zinnenmauern. Helm: ein wachsender, schwarzer Doppeladler“.

Andreas Hofer erhält am 4. Oktober 1809 die Ehrenkette des Kaisers. Medaille von Johann Nepomuk Wirt. Vorderseite: Porträt Kaiser Franz‘ I. von rechts, Umschrift: FRANZISCVS AVSTRIAE IMPERATOR; unter der Büste sign.: I. N. Wirt. F. Rückseite: Fassade eines antiken Tempels mit Kaiserthron; am Architrav über dem Thron Inschrift: AVSTRIA AD IMPERII DIGNITATEM EVECTA; Mi. u.: MDCCCIV (Gold, Dm 50 mm, Wert: 40 Dukaten).

Des Sandwirts Verhaftung auf der Pfandleralm

Nach einigen letzten, verzweifelten Scharmützel in Südtirol, flüchtete Hofer mit Adjudant Kajetan Sweth am 11.12. auf den Pfandlerhof in Oberprantach und dann weiter in die Mähderhütte auf der Pfandleralm, die für Viehunterstand und Futterlagerung gebaut war. Zu Weihnachten kam Hofers Frau Anna und Sohn Hans dazu. Im eisigen Bergwinter verbrachte hier Hofer, ständig die kaiserliche Ehrenkette tragend, die letzten Wochen seines Lebens.

Zu Hofer drangen „Nachrichten von den letzten Zuckungen des Freiheitskampfes und ihren Folgen für das unglückliche Land. Die Burggräfler hatten sich in der letzten Novemberwoche auf dem Salten noch einmal den Franzosen, freilich vergebens, entgegengestellt. In Brixens Umgebung hatte der unbelehrbare Kolb mit dem Mahrwirt Ende November den Landsturm aufgeboten; der französische General Severoli erstickte am 6. Dezember diesen Aufstand in einem Flammenmeer von 200 Gehöften und 28 Edelsitzen. Das Pustertal büßte seinen letzten Heldenkampf am schwersten. Der Bauernsturm auf Bruneck am 2. Dezember zerstob im Geschützfeuer der Franzosen, und das trotzige Aufbegehren des Iseltales forderte eine Reihe von Blutzeugen, die der unerbitterlichen Strenge des Generals Broussier zum Opfer fielen. Am 9. Dezember, neun Monate nach dem ersten hellen Aufflammen, erlosch der letzte Funke des Tiroler Freiheitskampfes in Blut und Tränen. (…) Nun lastete die ungeheure Verantwortung für alles Elend, für das vergossene Blut und den Niederbruch der letzten Kämpfe auf der Seele des Sandwirts“ (Paulin, w.o., S. 141/42).

Am 26. Jänner 1810, kurz vor seiner Verhaftung,  schrieb Hofer den verzweifelten, letzten Brief an seinen Freund, Erzherzog Johann, worin er ihn bat, „uns eine kleine Hilfe an Truppen zu senden, und ich werde nach Kräften meine gutgesinnten Mitbrüder in Waffen haben, und vereint mit Österreichs Heer zu streiten, den Feind zu schlagen…  (Paulin, w.o., S. 146)

Postkarte mit der Mähderhütte auf der Pfandleralm.

 Ein heruntergekommener Mann namens Franz Raffl (*1775), Sohn des Mesners in Schenna bei Meran, der oberhalb der Pfandleralm einen eigenen Heuschupfen besaß und durch den Rauch auf das Versteck Hofers aufmerksam wurde, verriet  dem Ortsaufseher von St. Martin, Peter Illmer, den Aufenthaltsort des gesuchten Oberkommandanten. Illmer weigerte sich jedoch, Hofer zu verraten, ging zum Richter Andreas Auer nach St. Leonhard und erzählte diesem von Raffls Absichten. Raffl kam ebenfalls zum Richter und dieser war gezwungen, um nicht selbst verstrickt zu werden, ein Protokoll zu schreiben, das Raffl persönlich dem Platzkommandanten von Meran, General Huard übergab. Aufgrund dieses Verrates kündigten die Bürgen Raffls ihre Bürgschaften für dessen Anwesen, wodurch Raffls Familie in Not geriet. Er war gezwungen, seinen Gruebhof zu verkaufen und das Tal zu verlassen, weil er auch seines Lebens nicht mehr sicher war. 1811 wurde er mit königlichem Dekret Hallknecht in München, 1820 wurde er pensioniert und starb 1830 in Ingolstadt, er hinterließ seine Frau und sieben Kinder.

General Léonard Huard de St-Aubin wurde der Platzkommandant der französisch-italienischen Truppen in Meran und im Burggrafenamt (er starb 1812 beim Angriffskrieg Napoleons in Rußland). Nach Raffls Verrat sandte Huard sofort 600 Mann unter dem Befehl des Kapitäns Renouard in das Passeiertal.

Andreas Hofer. Porträt durch Johann Georg Schedler, Heeresgeschichtliches Museum Wien.

Die Truppe kam um 23 Uhr nach St. Martin in Passeier und eine Abteilung von 70 französischen Soldaten und 30 italienischen Gendarmen stiegen, unter Führung des Raffl, zur Pfandleralm auf. In den frühen Morgenstunden des Sonntags, 28.1.1810, wurden dort Hofer und alle anderen Anwesenden verhaftet. Kajetan Sweth berichtete darüber u.a. (Paulin, w.o. S. 150/51):

„Während man mich band wurde ich mit derben Stößen, Schlägen und unzähligen Ohrfeigen grob mißhandelt und sodann führte man mich und den Sohn vor die Hüttentüre (…) Hofer trat freimütig heraus und fragte, ob jemand unter den Herren deutsch verstehe, und als ein Adjudant des Generals  Baraguay d’Hillers hervortrat und ihm sagte, daß er deutsch verstehe, so sprach Hofer: ‚Sie sind gekommen, um mich gefangen zu nehmen; mit mir tun Sie, was sie wollen, denn ich bin schuldig, für mein Weib und mein Kind und diesen jungen Menschen bitte ich aber um Gnade, denn sie sind wahrhaft ganz schuldlos!‘ Wie mir, banden sie auch dem Hofer die Hände auf dem Rücken, um den Hals einen Riemen und um die Lenden einen Strick“.

Sweth berichtete weiter, daß der nun wehrlose Hofer von vielen Soldaten schwer mißhandelt wurde, indem sie ihm Bart- und Kopfhaare ausrissen, um diese als Siegesbeute mit nach Hause zu nehmen. Hofers Gesicht war dadurch voll von Blut, der Bart blutvereist. Hofers Sohn und Gattin wurde um die Lenden ein Strick gelegt.

Sweth: „Hofer und ich gingen voraus, Gattin und Sohn hintendrein, und so führte man uns über das mit Schnee und Eis bedeckte steile Gebirge unweit St. Martin der Ebene zu. Kaum eine Viertelstunde von der Hütte entfernt, ließen wir, der Sohn Hofers und ich, schon den blutigen Pfad hinter uns, denn man ließ uns keine Stiefel oder Schuhe oder sonstige Kleidungsstücke anziehen.

Von St. Martin im Passeier brachte man die Gefangenen nach Meran, wo die französische Generalität, sowie alle Stabs- und Oberoffiziere, unter triumphierender türkischer Musik (!), auf sie warteten, jedoch unter vielen Tränen der Bürger Merans.

Im Gasthof „Zum Grafen von Meran“ wurde Hofer von Huard verhört. Er bekannte offen seine Führerschaft in der Tiroler Volkserhebung. Huard missbilligte die brutale Behandlung Hofers, ließ die Gefangenen verköstigen und „ordnete für Sweth, dem die Schuhe von den wunden Füßen geschnitten werden mußten, und den jungen Hofer ärztliche Hilfe an.“

Am nächsten Tag wurden die Gefangenen auf einem Leiterwagen in Begleitung von 450 Mann nach Bozen gebracht, wo sie um 9 Uhr ankamen und im Gefängnis landeten.

Anna Hofer (*1765 als Anna Ladurner, aus Algund bei Meran stammend, † St. Leonhard in Passeier 1836) und Sohn Hans wurden, auf Fürsprache der deutschen Gattin des Generals Baraguay, in Bozen  frei gelassen.

Anna gelang es nicht mehr, die Geschäfte ihres Gatten weiterzuführen, sie meldete Konkurs an. Sie fuhr nach Wien, um beim Kaiser die von ihm zugesicherte Jahrespension einzuklagen. Der Kaiser gewährte ihr zunächst nur eine einmalige finanzielle Unterstützung.  Sie wurde in Wien außerdem der freundlichen Betreuung und Aufsicht des Vizepräsidenten der obersten k.k. Polizei- und Censur-Hofstelle, in Person des Kämmerers Sr. Majestät und wirklichen Hofrat, Franz Freiherr v. Hager unterstellt, der früher auch für die Erziehung von Erzherzog Johann und dessen vier jüngeren Brüdern die Verantwortung trug. „Bereits“ 8 Jahre später, 1818, erhielt Anna Hofer und ihre vier noch lebenden Töchter eine Jahrespension zugesprochen. Hofers Sohn Hans, „geboren 1794, litt noch als Erwachsener an gefrorenen Zehen. (…) 1819 heiratete er Clara Weickmann, und sie hatten 14 Kinder. (…) Hans starb 1855 an einer Lungenkrankheit“ (Winfried Hofinger: Andreas Hofer – Nachkommen wie Sand am Meer“, in: „Tiroler Bauernzeitung“, 20. Februar 2009).

Hofer und Sweth wurden am 30.1.1810 nach Neumarkt gebracht, nächsten Tag nach Trient, wo er im Gefängnis von einem Offizier mit 24 Mann bewacht wurde. Die nächsten Aufenthaltsorte der beiden Gefangenen waren Rovereto und folgend der Grenzort Ala.

Die Stadt und Zitadelle von Mantua, am 75 km langen Fluß Mincio gelegen. Napoleon konnte Mantua Anfang 1797 nach einer monatelangen Belagerung erstmals erobern, 1799 kam die Stadt wieder an die Österreicher, war jedoch von 1805 bis 1814 erneut unter französischer Herrschaft.

Am 5.2. kamen sie in Mantua an und wurden in der Zitadelle, im Al Vaso-Turm, eingesperrt, wo sich bereits viele andere Mitkämpfer Hofers befanden. Vizekönig Eugene Beauharnais meldete dies alles Napoleon und trat gleichzeitig für das Leben des sehr religiösen Sandwirts ein, weil dieser, seiner Ansicht nach, ein Menschenfreund sei und viel Unglück verhindert habe. Napoleon teilte daraufhin am 11.2. dem Vizekönig folgendes mit:

„An den Vizekönig von Italien! Mein Sohn, ich habe Ihnen befohlen, Hofer nach Paris kommen zu lassen. Aber da er in Mantua ist, geben Sie Befehl, sofort eine Militärkommission zu bilden, um über Hofer zu richten und ihn erschießen zu lassen, und zwar an dem Ort, wo Ihr Befehl hinkommt. Und alles dies hat eine Sache von 24 Stunden zu sein!“

Dieser Befehl war in sich widersprüchlich und eine Verhöhnung des Rechtes! Napoleon war in großer Eile: er war im Begriff, die von Metternich miteingefädelte Hochzeit mit der Tochter von Kaiser Franz I., Erzherzogin Marie Louise, einzugehen und die Vorbereitungen dazu liefen bereits. Vor dieser Hochzeit sollte, nach Napoleons Willen, der Sandwirt bereits tot sein, noch bevor der Kaiser zu Gunsten Hofers reagieren konnte. Metternichs Plan, mit dieser Hochzeit Napoleon zu zügeln, war, wie viele andere seiner Ideen, ein krasser Fehlschlag. Die junge Erzherzogin Marie-Louise hasste Napoleon und besaß „sogar eine nach Napoleon benannte Puppe, an der sie ihren Zorn über den Antichrist, wie sie ihn nannte, abreagierte“ (Wikipedia > Erzherzogin Marie-Louise).

Aus dieser angeblich trotzdem glücklichen Ehe entstand Napoleon II., der spätere Herzog von Reichstadt: geboren am 20.3.1811 in Paris, gestorben an Tuberkulose am 22.7.1832 im Schloss Schönbrunn in Wien. Wegen seiner tiefen Verehrung für Napoleon ließ Hitler den Leichnam des Herzogs, in einer Nacht- und Nebel-Aktion, aus Wien an die Seite seines Vaters nach Paris überführen, völlig ignoriert von den Franzosen.

Vizepolizeipräsident Freiherr Franz v. Hager meldete Hofers Gefangennahme am 9.2.1810 dem Kaiser. Dieser gab an Staatskanzler Metternich folgende Weisung:

„Der bekannte Sandwirt Andreas Hofer ist dem sicheren Vernehmen nach von den Franzosen gefangengenommen und abgeführt worden. Sie werden zu seiner Befreiung und Rettung vom Tode alle tunliche Verwendung eintreten lassen und solche als ein Merkmal der freundlichen Verhältnisse mit Frankreich ansprechen und geltend zu machen suchen“ (Paulin, w.o., S. 161).

Metternich schrieb daher am 14.2. dem österreichischen Botschafter in Paris, Fürst Schwarzenberg, der am 22.2., viel zu spät, den Brief erhielt: Hofer war seit zwei Tagen tot.

Andreas Oberhofer (w.o., S. 356) berichtete über den militärischen Scheinprozess: der Festungskommandant Mantuas, Divisionsgeneral Bisson, fungierte als Vorsitzender, er gehörte einer Freimaurerloge an. Hofers Verteidiger war der Mantuaner Anwalt Dr. Joachim Basevi („Handbuch österr. Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jhdt“; S. 72, München 2002). Dr. Basevi gehörte, wie General Bisson, der gleichen Loge an. Die Verhandlung wurde in Französisch mit Übersetzung geführt und dauerte zweieinhalb Stunden. Hofer erklärte sich als nicht schuldig, Zeugen wurden nicht vorgeladen. Hofer wurde zum Tode verurteilt und am Montag, dem 20.2.1810 gegen 11 Uhr, von zwölf Soldaten, unter dem Befehl des aus Luxemburg stammenden Feldwebels Michael Eiffes, alle Angehörige des 2. Bataillons des 13e régiment d’infanterie de ligne, erschossen. Anwalt Dr. Basevi sah aus der Distanz der Erschießung zu und erlebte eine echte Erregung und tiefe Entrüstung der anwesenden Italiener gegen das Urteil und die Franzosen. Am gleichen Tag wurde Hofers Waffenbruder, Peter Mayr, Wirt an der Mahr, in Bozen erschossen. Kajetan Sweth wurde ebenfalls zum Tod verurteilt, dann begnadigt, jedoch zwangsweise zur französischen Fremdenlegion in Korsika eingezogen, wo ihm nach drei Jahren die Flucht zurück in die Heimat gelang.

Frühe Forderungen nach einem heimatlichen Grab für Hofer

Der als Aufstandsplaner 1809 bekannte Franz Freiherr v. Hormayr forderte in seinem 1816 erschienen Buch „Geschichte Andre Hofer“, dem Sandwirt eine würdige Ruhestätte in Innsbruck zu bereiten, auch die Tiroler Landstände äußerten diesen Wunsch. Das Fenner-Jägerkorps hatte bereits 1814, auf Anregung von Hofers Mitstreiter Josef Gänsbacher, während eines Aufenthaltes in Mantua im Dienstweg um Erlaubnis für eine Exhumierung angesucht, die Antwort verwies jedoch auf etwaige günstigere Zeiten. Das absolute System Metternichs ließ solche Bitten allein aus politischem Opportunismus nicht zu, im Gegenteil: Metternich verbot sogar das Singen von Liedern, die zu Hofer in einem Bezug standen, auch die Oper „Andreas Hofer“ von Gustav Albert Lortzing fiel seiner Zensur zum Opfer.

 „Alle Bitten um Rückführung der Gebeine Hofers nach Tirol, in die Hauptstadt Innsbruck, in den Jahren 1814 und 1816, anläßlich der Erbhuldigung für Kaiser Franz I., blieben ungehört berichtete Ilse Wolfram (in: „200 Jahre Volksheld Andreas Hofer auf der Bühne und im Film“ S. 42; Hg. Prof. Dr. Michael Gissenwehrer und Prof. Dr. Jürgen Schläder, Theaterwissenschaft Band 16, München 2009).

Weiter schrieb Frau Wolfram: „Der Kaiser und sein Kanzler Klemens Wenzel Fürst Metternich wollten wohl das Tirol gegebene Versprechen totschweigen. Der Sandwirt wurde als ‚gefährlicher Rebell‘ bezeichnet. Nach Rückkehr Tirols zu Österreich wurde alle Literatur über den Aufstand und Andreas Hofer von der Zensur verboten. Die Landstände in Tirol erhielten keine legislativen oder exekutiven Rechte mehr, die sie sich vom Haus Habsburg erhofft hatten. Unter Metternich durften sie nur Petitionen einreichen, die gehört wurden. Viele Teilnehmer des Aufstands gingen ins Exil, hatten oftmals ihren gesamten Besitz verloren oder standen unter Beobachtung des Metternichschen Spitzelsystems.“

 

1816: Kaiser Franz I. besucht Andreas Hofers Grab. (Zeitgenössischer Kupferstich, entnommen aus Meinrad Pizzini: „Andreas Hofer. Seine Zeit. Sein Leben. Sein Mythos“, Wien 1984). Die fünf Kaiserjäger nahmen 1823 ernsthaft an, daß dem Kaiser und Wiener Hofstaat die Heimbringung des Sandwirts nach Tirol ein Anliegen war.

 Mertelseder/Mazohl/Weber (w.o., S. 121) schrieben über die generelle Haltung des „Wiener Hofes“ zum Gedenken an Hofer und den Aufstand:

„Der Aufstand von 1809, der gegen die damals rechtmäßige politische Autorität gerichtet gewesen war, und die Person Andreas Hofers paßten nicht in das geforderte Bild von Ordnung und Staatstreue. (…) Jeden Ruf nach ‚Freiheit‘, ‚Mitspracherecht‘ und Ähnlichem versuchte man staatlicherseits bereits präventiv zu verhindern. Aber nicht nur Andreas Hofer sollte aus dem Gedächtnis der Bevölkerung gelöscht werden, auch eine Förderung des Andenkens an den Aufstand bedeutete in den Augen der politischen Führung eine mögliche Keimzelle für neuerliche Revolten. Es wurde daher verhindert, daß sich ‚revolutionäre Energie‘ bei entsprechenden Gelegenheiten sammeln konnte, dies betraf Veteranenfeiern ebenso wie die mögliche Schaffung von Denkmälern“.

 

1860 wurde am Ort der Hinrichtung ein Denkmal errichtet. 1984 wurde dieses durch einen Monolithen aus Pontiveser Porphyr ersetzt. Gleichzeitig errichtete die Stadtverwaltung einen Andreas-Hofer-Park und ein Andreas-Hofer-Museum. Jedes Jahr wird am Todestag von einer Tiroler Schützenabordnung an der Porta Nuova das Gedenken an den Sandwirt feierlich abgehalten.

Die Aufstellung der Tiroler Kaiserjäger

Als der in mörderischen Kämpfen zunächst besiegte Napoleon sehr rasch von seiner Verbannungsinsel Elba am 1. März 1815 nach Frankreich zurückgekehrt war, befahl Kaiser Franz am 17. Mai 1815 die rasche Aufstellung eines Jägerregimentes von 5.000 Mann in Tirol.

„Zum zweiten Inhaber des Tiroler Kaiserjägerregimentes ernannte der Kaiser, der ja dessen erster Inhaber war, mit Dekret vom 8. November 1815 den Feldmarschallleutnant Franz Philipp Freiherrn Fenner v. Fenneberg (der wegen seines lauteren Charakters und seiner Fähigkeiten auch an die Spitze des Militärkommandos in Innsbruck gestellt wurde) und zum Regimentskommandanten den Kommandanten des Fenner-Jägerkorps Obersten Karl Schneider Freiherrn v. Arno. (…)  Als Ende Mai 1816 Kaiser Franz I. die Erbhuldigung Tirols in Innsbruck entgegennahm, defilierte die neue Truppe zum ersten Mal vor ihrem obersten kaiserlichen Regimentsinhaber“. (Oswald Gschließer: „Zur Geschichte des stehenden Heeres in Tirol. II. Die Zeit von 1813 bis 1848“ in: „Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum“, Innsbruck. Foto: Tiroler Kaiserjägermuseum, Berg Isel. Siehe dazu auch: L. Potschka: „Geschichte des Tiroler Jägerregiments Kaiser Franz Joseph“, S. 318, Innsbruck 1885).

Nach Ende des Feldzuges lag das 1. Bataillon im Piemont. Der Kaiser verfügte am 18.12.1822, daß die Kaiserjägerbataillone in die Heimat zurückzukehren haben. Anfang 1823 trat das 1. Bataillon von Cremona aus den Rückzug nach Tirol an und rastete in Mantua“. (Oswald Gschließer, w.o. S. 139).

Die Exhumierung des Sandwirts durch patriotische Kaiserjägeroffiziere und die Folgen

Den nachfolgenden Darstellungen über die Exhumierung der Gebeine Hofers auf Grund von Paulins Bericht, steht eine andere Version in Form eines Briefes eines Pfarrers entgegen, der auf Aussagen des angeblichen Tiroler Totengräbers basiert und auf die der Korrektheit wegen verwiesen werden muß: Die Familie Andreas Hofers

Paulin berichtete ausführlich, was weiter geschah (S. 172ff): „Im Jahre 1821 wollten Offiziere des 1816 errichteten Tiroler Kaiserjägerregimentes auf dem Durchmarsch nach dem Süden in Mantua die längst geplante Absicht durchführen. Der Tag der Ausführung kam aber erst auf dem Rückmarsch des 1. Kaiserjägerbataillons (…). Am Abend des 9. Jänner, den die Kaiserjäger als Rasttag in Mantua verbracht hatten, wollte Leutnant Georg Hauger, der tagsüber den Kasern-Inspektionsdienst versehen, das Grab Andreas Hofers besuchen.

Leutnant Georg Hauger, (*23.1.1792 in Freiburg im Breisgau; †13.1.1859 in Wien; er wurde auf dem Sankt Marxer Friedhof in Wien beigesetzt, seine Gebeine wurden 1935 in die Innsbrucker Hofkirche überführt und neben dem Grab Andreas Hofers bestattet). Bild aus: Wikipedia > ‚Georg Hauger (Militärperson)‘.

Eine Verspätung des ablösenden Inspektionsoffiziers schien Hauger aber diese Möglichkeit zu nehmen. Der Enttäuschte besprach sich mit mehreren Kameraden, den Hauptleuten Eduard Freiherrn von Sternbach, Johann v. Rumpelmayer, Alexander Chevalier de Rocqueville und Oberleutnant Josef Schön, die gerade im Begriff waren, nach dem Abendessen im Gasthaus ‚Igel‘ die Vorstellung in der Oper zu besuchen. Der Zufall führte an diesem Abend die rechten Männer zusammen. Georg Hauger hatte als junger Freiburger Student den Tiroler Freiheitskrieg mitgemacht und sich am 8.8. 1809 unter Anton Steger beim Kampf um die Lienzer Klause rühmlich hervorgetan.

Hauptmann v. Sternbach, ein gebürtiger Sterzinger, erstritt sich in der Leipziger Völkerschlacht 1813 durch eine Reitertat das Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens, Rumpelmayer und der Innsbrucker Schön dienten schon längere Zeit im Fenner-Jägerkorps und seit 1816 als Kaiserjäger. Alle diese Offiziere waren teilnehmende Zeitgenossen des Jahres 1809“.

Für nächsten Morgen 6.00 Uhr, war der Abmarsch aus Mantua befohlen. Die fünf Offiziere berieten sich kurz und schritten zur Tat, indem sie um 21.30 Uhr den Pfarrer Anton Bianchi aufsuchten und mit diesem dann Hofers Grab im Garten des Pfarrhofes bei Fackelschein besuchten. Ein einfacher Stein bedeckte das Grab. Die Darstellungen Haugers und jene von Rumpelmayer, wie sie des Pfarrers Einwilligung zur Exhumierung erlangten, unterscheiden sich, jedenfalls war Bianchi am Schluß dazu bereit. Mit Hilfe von Soldaten und dem Knecht, der Hofer begraben hatte, versehen mit Fackeln Schaufeln und Spitzhacken, wurde in der sternenhellen Winternacht die hartgefrorene Erde mühsam durchbrochen.

Die Ausgrabung von Andreas Hofers Gebeinen in der Nacht auf den 10.1.1823 in Mantua. Im Grabe stehend: Leutnant Georg Hauger (Originalzeichnung im Berg-Isel-Museum Innsbruck).

 Auf Hinweise des Totengräbers stieß der grabende Jäger endlich auf die Knochen des Sandwirts. Leutnant Georg Hauger, welcher anatomische Kenntnisse besaß, stieg in die Grube und in kurzer Zeit war das gesamte Skelett freigelegt. In tiefer Ergriffenheit sahen die Offiziere, daß das Haupt und die Rippen Hofers Spuren der tödlichen Kugeln aufwiesen. Hauger stellte die Gebeine sachkundig zusammen und dann wurde alles in einem Sack und dieser in einer Truhe verwahrt. Um 01.30 verließen Offiziere und Soldaten den Garten.

Vor dem Abmarsch des Regiments stellte der Pfarrer den Offizieren ein Zeugnis über die Echtheit der Gebeine aus. Auf dem Marsch und auch in Trient blieb das Skelett unter Obhut Rumpelmayers, der vom Bataillonstischler einen Sarg anfertigen ließ. Regimentsoberarzt Dr. Murko setzte in Trient das Gerippe mit Draht zusammen. Bereits in Verona meldeten die 5 Offiziere zuerst mündlich und dann schriftlich ihre Tat an den Bataillonskommandanten, von dort gelangte die Meldung an das Regimentskommando, an das Landespräsidium und weiter an den Hofkriegsrat und an Kaiser Franz in Wien.

„Am 31.1.1823 erließ Kaiser Franz ein Handbillet an den Präsidenten des Hofkriegsrates, Feldmarschall Graf Bellegarde, in dem er ‚das eigenmächtige und ohne allen Befehl und höherem Vorwissen‘ erfolgte Vorgehen der fünf Offiziere ausdrücklich mißbilligte und den Befehl beifügte, gegen diese Offiziere, ‚um auch künftig allen Willkürlichkeiten kräftig vorzubeugen‘, nach den Gesetzen vorzugehen. Der Hofkriegsrat führte eine langwierige strenge Untersuchung gegen die ‚Sandwirtsgräber‘, die zur persönlichen Einvernahme nach Innsbruck zitiert wurden. Das Ergebnis der Untersuchung wurde dem Kaiser in einer ausführlichen Denkschrift vorgelegt, die auch die Rechtfertigung der Offizier enthielt. Der zweite Regimentsinhaber, Feldmarschallleutnant  Baron Fenner, begleitete den Untersuchungsakt mit der schriftlichen Bitte um Rücksichtnahme auf die edlen patriotischen Beweggründe der Beschuldigten.

Nach dem Schiedsspruch der Gerichtskommission, deren Vorstand für die Hauptleute dreimonatigen, für den Oberleutnant zweimonatigen und für den Leutnant einmonatigen Profosenarrest (Militärarrest) beantragt hatte, stellte der Appellationsreferent mit Rücksicht auf verschiedene ‚lindernde Umstände‘ den Antrag, im Wege der Gnade die drei Hauptleute mit sechstägigem, Schön und Hauger mit dreitägigem Hausarrest unter strenger Verweisung ihrer Eigenmächtigkeit zu bestrafen. Diesem Antrag trat das Obergericht bei, der Hofkriegsrat empfahl in seinem Vortrag an den Kaiser mit Rücksicht auf die besten Gesinnungen und den Patriotismus der Angeklagten, denen eine eigentliche Subordinationsverletzung nicht nachzuweisen sei, daß den Offizieren ‚die ihnen zur Last fallende Unterlassung nachdrücklich verhoben und die Unzufriedenheit ihrer Vorgesetzten zu erkennen gegeben würde‘. Nach diesem Antrag überließ Erzherzog Ludwig am 2.9.1823 auf kaiserlichen Befehl dem Hofkriegsrat ‚die angemessene Zurechtweisung dieser Offiziere‘. (Paulin, w.o., S. 175/76).

1831, acht Jahre später, fand sich von den fünf Offizieren keiner mehr im Armeedienst, der Geist des „Wiener Hofes“ wird deren, nun aussichtlose, Karriere rasch beendet haben!

Kein Wort der Anerkennung, kein, wenigstens geheimer, Dank des Kaisers an die Offiziere. Dieser bürokratisch-eiskalte Geist, das diktatorische Denken, speziell in der Ära Metternich, das den österr. Völkern nicht den geringsten Freiraum ließ, verbunden mit der seelischen Versteinerung durch das „spanische Hofzeremoniell“, sehr krass erkennbar u.v.a. auch im Verhalten des „Wiener Hofes“ bei der Beisetzung des in Sarajevo 1914 erschossenen Thronfolgerpaares, feierte wieder einmal einen unsäglichen Einstand! Diese menschliche Negativhaltung der Führungsebene, welche die natürlichen Rechte und Wünsche der Völker der Monarchie nicht beachtete, war eine der maßgeblichen Ursachen für den inneren Zusammenbruch der Monarchie 1918, als die Völker diese Monarchie beerdigten.

Der Sarg des Sandwirts blieb in Bozens Probsteikapelle vom 1. bis 16.2.1823 aufgebahrt.

Der Kaiser ordnete am 28.1. an, daß „für die Bestattung der Überreste des Edlen v. Hofer in der Hofkirche zu Innsbruck auf eine anständige Art zu sorgen, jedoch dabei mit der nötigen Klugheit vorzugehen sei. Die näheren Bestimmungen waren dem Ermessen des Grafen Chotek anheimgestelt“.

Karl Graf Chotek v. Chotkow und Wognin, eine äußerst starke, patriotische und freimütige Persönlichkeit, erkannte die Bedeutung der Heimkehr Hofers und übernahm persönlich die Verantwortung für ein großes, feierliches Begräbnis. In einem ‚sehr dringenden Bericht‘ an den Minister des Innern, Graf Sarau, betonte Chotek, daß Hofers Überführung nach Tirol ‚allgemeine freudige Teilnahme“ erregt habe und es von den Tirolern ‚sicher übel aufgenommen würde, wenn aus diesem Anlaß nichts geschehe oder man diesfalls Hindernisse in den Weg legen wolle‘.

Choteks Bericht schloß mit der Anregung, ein Denkmal zu Ehren des Sandwirts zu errichten. Am 6.2. wurde Befehl erteilt, Hofer nach Innsbruck zu überführen.

Der Transport durfte allerdings nicht vor der ersten Fastenwoche in der Landeshauptstadt eintreffen und mußte ‚zur Wahrung des Stillen Ernstes‘ heimlich erfolgen“ (Paulin, w.o., S. 177)

Der „Wiener Hof“ wollte, wohl aus systembedingtem politischem Argwohn, aus Vorsichts- und Rücksichtsgründen, jeden Auflauf und die massenhafte Begleitung von Hofers Sarg durch das Volk verhindern. Man war im „Wiener Hof“ über diese ungewollte Heimkehr des Sandwirts äußerst peinlich berührt, doch die Realität der gegebenen Lage konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Aber man wollte Hofer unbedingt unter „Decke und Stroh halten“:

„In der Nacht des 17. Februar, 2 Uhr früh, wurde der Sarg aus der Bozner Probsteikapelle erhoben, unter Stroh und einer Decke versteckt, auf einem Leiterwagen verladen und durch den Bozner Müllermeister Malfertheiner in Begleitung eines Kreisamtsdieners nach Innsbruck überführt“. (Paulin, w.o., S.178).

Innsbruck wurde am 19.2. zwischen 5 und 6 Uhr früh erreicht, der Sarg von einer Einheit der Innsbrucker Polizei übernommen und in das Servitenkloster verbracht.

„Es war dank der vorsichtigen behördlichen Überwachung gelungen, den Transport der Gebeine Hofers von Bozen nach Innsbruck ‚vorschriftsmäßig und ohne jedes Aufsehen‘ durchzuführen“ (Paulin, w.o., S.178).

 „Erst am 24. Februar wurde bekannt gegeben, daß sich die sterblichen Überreste Hofers in Innsbruck befänden, ein Bericht über die Bestattung des Tiroler ‚Hauptmanns‘ erschien erst einen Monat später“. (Alexander Erhard: „Das ‚Andreas Hofer Grabmal‘ in der Innsbrucker Hofkirche. Die Rolle des österr. Kaisers bei Planung und Rückführung der Gebeine“ Innsbruck 2011).

Trotz alledem: Des Sandwirts feierliches Begräbnis in Innsbruck

Karl Paulin berichtete (S. 178ff): „In Innsbruck hatte inzwischen Graf Chotek mit der ihm eigenen Energie doch alles Vorbereitet, um wenigstens die Bestattung Andreas Hofers, trotz der von der Regierung anbefohlenen Vorsicht, zu einer Landes-Trauerfeier zu gestalten. Graf Chotek berichtete noch am 19. Februar das Eintreffen der Leiche nach Wien und betonte bezeichnenderweise, ‚daß über diese Ereignisse auch in der Zeitung – dem damaligen ‚Bote für Tirol und Vorarlberg‘ – berichtet werden müsse‘. Der fürsorgliche Landesgouverneur legte gleichzeitig einen Artikelentwurf zur Genehmigung bei. Um aber die Beteiligung am Leichenbegängnis trotz der noch immer ‚gebotenen Vorsicht‘ zu einer großartigen zu gestalten, sandte Graf Chotek persönliche Einladungsschreiben an alle Behörden und Honoratioren der Landeshauptstadt.

Am 21. Februar erklangen um 2 Uhr nachmittags von Wilten herab die Trauerglocken. Gegen 3 Uhr wurde der Sarg mit den Gebeinen Hofers aus der Zelle Nr. 14 des Servitenklosters in die Innsbrucker Hofkirche übertragen. Verdienstvolle Landesverteidiger von 1809 – Matthias Hell und Josef Nagele von Völs, Josef Mayr von Mutters, Josef Abenthung von Götzens, Josef Patsch von Wilten, der Bärenwirt Josef Natterer von Hötting und Johann Etschmann von Mutters – trugen den Sarg, auf dem Hofers Hut und Säbel, sowie die goldenen Ehrenkette des Kaisers und sein Wappenschild lag. Dicht hinter dem Sarg schritten Hofers Waffengefährten, der Landesschützenmajor Josef Ignaz Straub, Kronenwirt von Hall und Kajetan Sweth. (…)

Hofers Begräbnis in Innsbruck. Zeichnung in: Tiroler Landesmuseen Innsbruck.

Den feierlichen Trauerzug eröffnete die Wiltener Schützenkompanie mit umflorter Fahne, es folgten Zünfte, die Vertreter der Landes- und Stadtbehörden, die Gymnasialjugend und die Lyzealstudenten. In Vertretung der Regierung nahm Landesgouverneur Graf Chotek mit seinen Beamten teil, dann der Stadtklerus unter Führung des Abtes von Wilten, Alois Röggl. Weiters beteiligten sich der Stadtkommandant General Lussem, das Offizierskorps der Tiroler Kaiserjäger und eine Abteilung Jäger ‚ohne Armatur‘. Erst gegen 4 Uhr erreichte der Trauerzug die Hofkirche, wo die Leiche Andreas Hofers an der Stelle des ersten Seitenaltars links neben dem Eingang in die bereitgehaltene Grabstätte versenkt wurde (…)“.

Weder Anna Hofer, noch Hofers Kinder nahmen an der Beisetzung in Innsbruck teil. Ob hier wiederum „höhere Rücksichten“ des „Wiener Hofes“ wirksam wurden oder persönliche Gründe für das Fernbleiben der Familie vorlagen, bleibt unbekannt. Bis an ihr Lebensende lebte Anna Hofer zurückgezogen im Passeiertal.

Andreas Hofers Grab in der Hofkirche in Innsbruck. Seit der Losreißung Südtirols nach dem 1. WK ist sein Denkmal mit einem Trauerflor versehen.

„Über die ‚Gründe zur Wahl der Hofkirche als Bestattungsort kann nur spekuliert werden. Aus den Akten ist diesbezüglich nichts zu entnehmen. Allerdings liegt der Schluß nahe, daß nicht zu Unrecht befürchtet wurde, an der Grabstätte könnte ein Wallfahrtsort für revolutionäres Gedankengut entstehen. Da die Hofkirche im Eigentum des Staates stand, hatte dieser als Eigentümer volle Durchgriffsrechte und hätte sie im Notfall auch leicht sperren lassen können.  (…) Die Wahl der Hofkirche als Bestattungsort war für den Staat sicherlich ein Zugeständnis, das aber aus Sicht der höchsten politischen Führungsebene notwendig schien, um weiterhin die Kontrolle über alle Ereignisse und Eventualitäten behalten zu können“ (Mertelseder/Mazohl/Weber, w.o. S.152).

Die Gestaltung von Hofers Grab wollte ebenfalls der „Wiener Hof“ allein bestimmen, man wollte, sich selbst immer treu, ein Standbild eines ‚demütigen Hofer‘ haben.

Unter vielen Einreichungen wurde der Entwurf des Malers Johann Martin Schärmer genehmigt, es zeigt jedoch einen durchaus selbstbewußten Hofer. Am 5. Mai 1834 wurde das Denkmal enthüllt. Es besteht aus Laaser Marmor und wurde von den Professoren der Wiener Akademie Johann Schaller und Josef Klieber angefertigt.

An der Seite des Sandwirts ruhen seine später beigesetzten Waffengefährten: Josef Speckbacher und Pater Joachim Haspinger, sowie seit 1935 auch der aus Wien überführte Ausgräber des Sandwirts, Leutnant Georg Hauger.

 

Ein Bergfeuer in Virgen (Bezirk Lienz) zum 200. Todestag von Andreas Hofer im Jahre 2010. Eine Mahnung an die Wiener und Bozener Politik, die sich betreff der Politik zur Landeseinheit Tirols bis zum heutigen Tag kaum änderte: schamlose Doppelzüngigkeit und politischer Betrug heißen die jahrzehntelangen, systemimmanenten Wesensmerkmale (s. dazu die mit hunderten Original-Dokumenten belegten Bücher von Dr. Helmut Golowitsch: „Für die Heimat kein Opfer zu schwer. Folter, Tod, Erniedrigung: Südtirol 1961-1969“, 2009; ders.: „Südtirol – Opfer für das westliche Bündnis. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“; Graz 2017; ders.: „Südtirol – Opfer geheimer Parteipolitik. Wie sich die österreichische Politik ein unliebsames Problem vom Hals schaffte“, Graz 2019.)

Hofers Heimkehr in damaliger offizieller Berichterstattung

„Der Kaiserlich Königlich privilegierte Bothe von und für Tirol und Vorarlberg“ berichtete am 24. Februar 1823 in lediglich 15 Zeilen kurz darüber, dass die Gebeine Andreas Hofers in Innsbruck „feierlich zur Erde bestattet“ worden seien. Angekündigt worden war diese Bestattung in dieser Wochenzeitung vorher nicht.

 

Erst am 13. März 1823 veröffentlichte die dem Hofe in Wien nahestehende Zeitung auf Betreiben des Landesgouverneurs Graf Chotek dann doch einen umfangreicheren Bericht über das Begräbnis Hofers, welches zu einem Großereignis geworden war.

In dem Bericht hieß es:

„Schon um 2 Uhr mahnten dumpfe Glockenschläge vom Kloster Wiltau herab die nahe Stunde der Feier. Die Vorstadt füllte sich mit Menschen von allen Ständen, und um 3 Uhr waren bereits sämmtliche Behörden in der Klosterhalle  der P. P. Cerviten um Hofers Sarg versammelt.

Ein schwarzsammtenes Tuch, Hut und Säbel, Hofers Verdienstmedaille mit der goldenen Kette, und – als die bedeutendste Insignie – vier Wappenschilder zierten den Sarg. Nach 3 Uhr hoben sechs seiner Kampfgefährten den Sarg auf ihre Schultern, und der Zug begann in folgender Ordnung: Die Wiltauer Landes-Schützen-Kompagnie mit dem Trauerflor auf der Fahne. Die Zünfte. Die Gymnasial-Jugend. Die Lyceal-Schüler. Die P. P. Kapuziner und Serviten. Der gesammte Lehrkörper, dann die Behörden. Der Stadtklerus, geführt vom hochwürdigen Herrn Prälaten von Wiltau und k. k. Hofkaplan Aloys Nöggl. Die Bahre. Unmittelbar hinter ihr der Herr Schützenmajor Straub von Hall, und Hofers bis zur Todesangst unzertrennlich treue Adjutant Sweth.

Die Stände, in ihrer Spitze der Herr Landeshauptmann, Herr Graf von Chotek, an seiner Seite der kommandierende General v. Luxem. Das Offizierskorps des k . k. hier garnisonnierenden Jäger-Regiments und der städtischen Scharfschützen-Kompagnie. Eine Abteilung Jäger ohne Armatur. Hinter ihnen das übrige Volk.

Alle Fenster waren geöffnet, und so lang auch der Zug war, so konnte er doch die andächtige Menge nicht fassen.

Durch gedrängte Volksreihen, in feierlicher Stille, nur durch ferne Pöllerschüsse, durch dumpfe Posaunentöne und halblaute Gebethe unterbrochen, bewegte sich der Zug.

Gegen 4 Uhr langte die Bahre in der k. k. Hofkapelle an. In derselben Kirche, in welcher Se. Excell. der vorige Prälat, Markus Egle, dem Oberkommandanten Hofer die ihm von Sr. Majestät verliehene goldene Kette umhing, in derselben Kirche begleiteten die frommen Gebethe des nunmehrigen Herrn Prälaten Hofers Gebeine unmittelbar nach dem Jahrestag seines Todes in das Grab, das ihm der beste Fürst mitten unter den Denkmälern seiner Ahnen mauern ließ.“

Der Wiener Hof „ehrte“ Hofers Mitstreiter Kajetan Sweth

Auf welche Weise der Wiener Hof den treuen Adjutanten Hofers, Kajatan Sweth, damals „ehrte“, berichtete „Der Kaiserlich Königlich privilegierte Bothe von und für Tirol und Vorarlberg“ in seiner Ausgabe vom 6. März 1823.

 

Sweth erhielt „die kleine goldene Civil-Ehren-Medaille“. Der „Bothe“ durfte darüber in 7 Zeilen berichten. Das muss nicht weiter kommentiert werden.




Andreas Hofers alte Garde (3. Teil)

Alljährlich wird in Tirol am 20. Februar, dem Todestag Andreas Hofers, feierlich des Freiheitshelden von 1809 gedacht. (Bild von der Feier in Meran 2023 – SSB)

Dieses Gedenken soll Anlass sein, auch an die Frauen ehrend zu erinnern, welche damals Andreas Hofer treu und aufopfernd zur Seite standen.

Teil III: Kämpfende und leidende Frauen an der Seite von Andreas Hofer

Ein Beitrag zur Geschichte – zusammengestellt von Georg Dattenböck

Im Rückblick auf den Todestag von Andreas Hofer am 20. Februar 1810 soll auch all jener vielen und unbekannten Tiroler Frauen gedacht werden, die den Kampf gegen Napoleon und seine Vasallen bis zum Ende mit all ihrer Kraft mittrugen und von denen einige sogar aktiv mitgekämpft hatten. Das Andenken an sie sollte nicht in der Vergessenheit versinken.

Das schwere Schicksal der Anna Gertraud Hofer, geborene Ladurner

Andreas Hofer ehelichte am 27. Juli 1789 Anna Gertraud Ladurner aus Algund bei Meran und zeugte mit ihr sechs Mädchen und einen Sohn. Dieser tapferen Frau wurde bereits in mehreren Ausgaben des SID gedacht (u.a. in: „Des Sandwirts letzte Heimkehr“).

Anna Gertraud Hofer in einer zeitgenössischen Darstellung.
Anna Gertraud Hofer in einer zeitgenössischen Darstellung.

Nach der von Napoleon befohlenen Erschießung des Sandwirts befand sich dessen Frau Anna, wie dutzende anderer Frauen von Gefallenen, nicht nur in einer psychischen, sondern auch in einer wirtschaftlichen Ausnahmelage: es gelang ihr nicht mehr, die Geschäfte ihres Mannes weiterzuführen, sie meldete Konkurs an.

Nur acht Monate nach Hofers Erschießung, besuchte der bairische Kronprinz Ludwig I. von Wittelsbach (seit 1825 König) Anna Hofer. Er war der Sohn des unter Napoleon regierenden Königs Maximilian I. Für die Rolle, die Maximilian I. als williger Vasall Napoleons bei der brutalen Niederwerfung Tirols spielte, war sein Sohn nicht verantwortlich. Im Hinblick auf Ludwigs Wesen darf man wohl von einer tiefen Einsicht über das Tirol zugefügte Unrecht ausgehen. Ludwig und hochrangige Touristen, die Anna Hofer am Sandwirtshof im Passeier besuchten und befragten, halfen ihr jedoch finanziell auch nicht aus ihrem Elend.

Sie fuhr 1810 nach Wien, um von Kaiser Franz eine von ihm zugesicherte Jahrespension einzufordern. Der Kaiser gewährte ihr zunächst eine einmalige finanzielle Unterstützung.

Kaiser Franz und Anna Ladurner. (Bild aus: Rudolf v. Granichstaedten-Czerva: „Andreas Hofers alte Garde“, Innsbruck 1932)
Kaiser Franz und Anna Ladurner. (Bild aus: Rudolf v. Granichstaedten-Czerva: „Andreas Hofers alte Garde“, Innsbruck 1932)

Erst acht Jahre nach ihrem Wien-Besuch, im Jahre 1818, erhielten Anna Hofer und ihre vier noch lebenden Töchter Maria Kreszenz, Rosa Anna, Anna Gertraud und Gertraud Juliana eine Jahrespension zugesprochen. Die vier Töchter starben jedoch bereits vor Anna Hofers eigenem Tod am 6. Dezember 1836 in St. Leonhard im Passeier.

Die traurige Lage vieler Frauen und Kinder

Die Lage des Landes war so verzweifelt, dass auch Frauen zu den Waffen griffen. Sehr traurig war dann das Schicksal der durch den Krieg verwitweten Tirolerinnen, die keinen Besitz hatten, sondern sich als Mägde und Dienstboten verdingen mussten, um ihren Kindern und sich selbst das Überleben zu ermöglichen.

Birgit Treffner berichtet darüber in einer wissenschaftlichen Abhandlung:

„Am allerschlimmsten traf es jene Frauen, deren Männer während der Kämpfe verstarben. Allerdings betont Schennach (Anm.: Historiker), dass es zum Thema Trauer nur sehr wenig Quellenmaterial gibt und erwähnt dabei eine der wenigen überlieferten Schilderungen eines Mannes, der Tirol im Jahre 1811 bereiste. Marcel de Serres (Anm.: französischer Geologe) berichtet, dass ihm der Bürgermeister von St. Johann unter anderem die Gräber der Gefallenen von 1809 zeigte. Dabei konnte de Serres emotional ergriffene Frauen und Kinder vor den Grabsteinen auf Knien beten sehen.

Er verspürte die tiefe Trauer der Angehörigen, die sich erst langsam mit der neuen Situation abfinden konnten. Doch erging es nicht nur den Tiroler Frauen so, auch die Frauen der bayerischen Soldaten trauerten um ihre gefallenen Männer und Söhne.

Das letzte Aufgebot zog ins Feld. Zurück blieben die Frauen und Kinder, die ein schweres Schicksal erwartete, wenn die Männer nicht mehr nach Hause kamen. (Historische Postkarten)
Das letzte Aufgebot zog ins Feld. Zurück blieben die Frauen und Kinder, die ein schweres Schicksal erwartete, wenn die Männer nicht mehr nach Hause kamen. (Historische Postkarten)

 Natürlich waren Frauen auch direkt von den Kampfhandlungen betroffen. 23 Tiroler Frauen sind laut Hans Kramer infolge der Gefechte in Tirol verstorben, was rund zwei Prozent der Tiroler Todesopfer entspricht. Der Großteil der weiblichen Opfer war während der bayerischen Übergriffe im Mai zu beklagen, da es in diesen Tagen besonders häufig zu Gewalttaten kam. (…)

Es wird aber auch berichtet, dass Frauen in den Kampfhandlungen eine Rolle zufiel, sei es im Bereich der leiblichen Versorgung der Kämpfenden oder der Pflege von Verletzten. So etwa erwähnt Joachim Haspinger in seinem Tagebuch, dass in den Pausen des Gefechts die Männer mit Wasser und Wein versorgt wurden, ‚welches ihnen die tapferen Weiber der herumliegenden Gegenden bis auf die obersten Posten trugen.‘ Georg Mühlberger schreibt den Tiroler Sieg am Bergisel im August der Versorgung durch die Frauen aus der Umgebung zu, die dafür verantwortlich waren, dass die Männer sich in den Pausen erholen konnten. (…) Im Freiheitskampf von 1809 verpflegten meist ortsansässige Bäuerinnen die Landesverteidiger mit Brot, Wasser oder so manchen Selbstgebrannten während der Kämpfe.“ (Birgit Treffner: „Der Tiroler Freiheitskampf 1809 mit besonderer Berücksichtigung der Frauen zu dieser Zeit“; Diplomarbeit, Wien 2012, S. 48, 51, 52)

Theresia von Sternbach

Die bürgerliche Maria Theresia Obholzer (*20.5.1775 in Bruneck, †5.4.1829 in Mühlau) ehelichte, trotz des Standesunterschiedes, am 17.6.1799 den Reichsfreiherrn Franz Andreas von Sternbach, der bereits am 10.2.1808 starb.

Theresia von Sternbach, Porträt um 1808.
Theresia von Sternbach, Porträt um 1808.

Als 1809 der Freiheitskampf begann, unterstützte Marie Theresia v. Sternbach vor allem Josef Speckbacher und Martin Teimer, kaufte Waffen und Munition und nahm auch angeblich selbst zu Pferd an Kämpfen teil. (Antonius Lux, Hrsg.: „Große Frauen der Weltgeschichte. Tausend Biographien in Wort und Bild“, München 1963, S. 450).

Vor der dritten Bergisel-Schlacht wurde sie am 3. August 1809 von bayerischen Truppen verhaftet, da ihr Schloss als Waffenlager verraten worden war. Es folgte zwangsweise Einquartierung von Truppen und nach der Niederlage wurde sie von den Bayern als Geisel nach München mitgenommen. Ihren minderjährigen Sohn musste sie im Schloss Rizol bei Innsbruck zurücklassen. Ihr wurde in der Gefangenschaft das Hängen angedroht. Trotzig bat sie, so die Überlieferung, mit dem Gesicht nach Österreich und dem Rücken nach Frankreich gehängt zu werden. Sie wurde in die Zitadelle von Straßburg verlegt, wo sie bis zum 14. Februar 1810 in einer locker geführten Haft verblieb. Am 20.2.1810 wurde sie freigelassen.

Ihre Besitzungen im Pustertal fand sie bei ihrer Heimkehr geplündert vor, doch gelang ihr ein wirtschaftlicher Wiederaufstieg. Der von ihr beim Kaiser in Wien vorgebrachten Bitte um finanzielle Hilfe wurde nicht entsprochen, jedoch erhielt sie die „Große Goldene Civil-Ehrenmedaille“ verliehen.

Maria Anna Jäger

Birgit Treffner berichtet in ihrer Diplomarbeit: „Eine weitere Schilderung von aktiv beteiligten Frauen stammt aus der Region um Schwaz. Dort soll, laut Gianangelo Ducati, ein hübsches tapferes Mädchen aufgetreten sein, das sich aktiv an den Kämpfen beteiligte und ‚auf die Idee kam, Wägen mit Heu zu beladen, sie anzuzünden und auf den Feind zurollen zu lassen.‘

Die Vermutung liegt nahe, dass diese zeitgenössische Beschreibung Anna Jäger aus Schwaz beschreibt.“ (Birgit Treffner, a.a.O., S. 63)

Bild aus Schloss Freundsberg. Von links nach rechts wurden folgende Personen handschriftlich genannt: Josef Hell, Bildhauer v. Vomp, Anna Jäger, Heldin von 1809, Andreas Hofer aus Passeyer, Josef Speckbacher 1809.
Bild aus Schloss Freundsberg. Von links nach rechts wurden folgende Personen handschriftlich genannt: Josef Hell, Bildhauer v. Vomp, Anna Jäger, Heldin von 1809, Andreas Hofer aus Passeyer, Josef Speckbacher 1809.

In einer Gedenkschrift der Gemeinde Schwaz über das Jahr 1809 heißt es:

Maria Anna Jäger – das Lebzelter Mariandl

Über ein weibliches Schwazer Original von 1809, der ‚Lebzelter-Mariandl‘ – es war dies die Geschirrhändlerin Maria Anna Jäger – wird folgendes berichtet: ‚Ein rüstiges Weib aus Schwaz von 28 bis 29 Jahren, mit einem Stutzen bewaffnet, diente während des Feldzuges unter Speckbacher‘ (Auszug aus J.L. Batholy’s Werk: Der Krieg der Tiroler Landsleute im Jahre1809“).

Ein Zeitzeuge, 26 Jahre Bürgermeister und Ehrenbürger von Schwaz, Josef Spornberger, beschrieb sie wie folgt:

‚A Riesenweib isch sie gwösn, gressa als a groassa Mannas, dick und stark a. An Ratz hat sie ghabt wia a Mannas und a Stimm wia a Bär‘. Maria Anna Jäger starb laut Totenbuch am 26. Mai 1850 in Schwaz, Haus Nr. 12, auf der Einöde, im 71. Lebensjahr.“

(Wiedergegeben in: Gedenkschrift der Gemeinde Schwaz: „Schwaz Schicksalsjahr 1809“ (Studie von OAR Hans Sternad), Schwaz 2009, S. 15)

Guiseppina Negrelli

Über dieses Welschtiroler Mädchen wird von der Schützenkompanie „Giuseppina Negrelli“ in Primör berichtet: „Auch Primör hat seine Heldin, ihr wurde aber kein Denkmal errichtet; viel zu sehr damit beschäftigt, den Bruder Alois zu ehren und seine Erinnerung zu pflegen, hat es sie vergessen.

Das Geburtshaus von Giuseppina Negrelli (Bild von der Internetseite der Schützenkompanie „Giuseppina Negrelli“)
Das Geburtshaus von Giuseppina Negrelli (Bild von der Internetseite der Schützenkompanie „Giuseppina Negrelli“)

Giuseppina wurde als Tochter des Angelo Michele und der Elisabetta Würtempergher am 27. Mai 1790 um 14 Uhr geboren. Am 18. Dezember 1842 starb Giuseppina Negrelli an einer Venenentzündung.

Ihre dokumentierte Teilnahme im Kampf von 1809 wird auf der Internetseite der Schützenkompanie „Giuseppina Negrelli“ in Primör so beschrieben:

„Während der einzelnen Befreiungsversuche kämpften an der Seite der Tiroler auch die Landesverteidiger des Trentino und sie zeichneten sich ebenso durch Tapferkeit aus. Besondere Berühmtheit erlangte während der Kämpfe im Trentino ein Welschtiroler Mädchen, Josefine Negrelli, welche in die Geschichte als das ‚welschtirolische Mädchen von Spinges‘ eingegangen ist. Als am 6. Juni 1809 die französische Brigade d‘Azmar Miene machte, über Trient vorzubrechen, wurden die Welschtiroler Schützen des Suganatales von Andreas Hofer zu den Fahnen gerufen. Josefines Vater, Angelo Negrelli, Gutsbesitzer in Primoer, trat in die Reihen der Kämpfer; an dem Gefecht bei Feltre nahm Josefine an der Seite ihres Vaters teil und die Legende erzählt, dass sie durch ihren Heldenmut das Gefecht entschieden habe. Als Lohn für ihren Mut soll sie den Titel eines ‚Hauptmannes‘ erhalten haben. Sie war eine Schwester des berühmten Alois von Negrelli-Moldelbe, der den Bau des Suez-Kanals entworfen hat…“ http://www.skgiuseppinanegrelli.com/deutsch/pagine/giuseppina.htm

In einem Bericht vom 15. Juni 1809 an den k.k. Intendanten Baron Hormayr heißt es über die Beteiligung der „Josephine Negrelli“ und anderer Frauen an den Kämpfen: „Eine gewisse Josephine Negrelli, 18 Jahr alt, ist in Mannskleidern mit dem Schützen ausgezogen, und die Weiber nahmen selbst eine Position, um Steine auf den Feind herabzurollen.“

Bericht an Baron Hormayr. (Archiv muratori – Cavalese)
Bericht an Baron Hormayr. (Archiv muratori – Cavalese)

Historische Postkarte. (Internetseite der Schützenkompanie „Giuseppina Negrelli“ Primör)
Historische Postkarte. (Internetseite der Schützenkompanie „Giuseppina Negrelli“ Primör)

Katharina Lanz und weitere Kämpferinnen

Das kleine Dorf Spinges mit heute 280 Bewohnern liegt auf einer Geländeterrasse am Übergang vom Pustertal in das Eisacktal in einer Höhe von 1105 m.

Bekannt wurde Spinges durch einen schweren Kampf im Jahre 1797, als es galt, die ins Land eingedrungenen Franzosen zurückzuschlagen. Auf Grund des „Tiroler Landlibells“ von 1511 waren die Tiroler Schützen zur Landesverteidigung verpflichtet. Am 24. März 1797 wurde nun das ganze waffenfähige Volk im nördlichen Tirol, im Vinschgau und im Pustertal aufgeboten. Andreas Hofer nahm als Hauptmann einer Kompanie von 129 Passeirern an den Kämpfen bei Meran und Bozen teil. (Karl Paulin: „Andreas Hofer und der Tiroler Freiheitskampf 1809“, Innsbruck 1996, S. 13)

In Spinges standen die Verteidiger unter dem Kommando des Schützenhauptmannes und Landsturmkommandanten Dr. Philipp von Wörndle. Als die französischen Soldaten unter General Joubert das Dorf Spinges erreichten, stießen sie auf dieses Tiroler „Letzte Aufgebot“. Es galt, die französischen Truppen aufzuhalten und ein weiteres Vorrücken nach Österreich zu verhindern. So kam es am 2. April 1997 zu dem berühmten und erbitterten Gefecht von Spinges.

Bei den Schützen herrschte Mangel an Munition, die Franzosen gingen zu einem Bajonettangriff über. Die Tiroler kämpften nun mit umgekehrten Stutzen. Im Ringen Mann gegen Mann gelang es, dem Gegner große Verluste zuzufügen und ihn zurückzudrängen.

Wörndle hatte 103 Opfer zu beklagen, die Franzosen nach verschiedenen Schätzungen zwischen 600 und 1.800 Tote. General Joubert zog sich zurück und benützte das Pustertal als Fluchtweg. (Meinrad Pizzinini: „Andreas Hofer“, Wien 1984, S. 55)

Gedenktafel an die im Kampf um Spinges gefallenen Landesverteidiger. (Bild: Verfasser).
Gedenktafel an die im Kampf um Spinges gefallenen Landesverteidiger. (Bild: Verfasser).

In die Geschichte eingegangen ist das Mädchen Katharina Lanz, die zeitgenössischen Berichten zufolge auf der Friedhofsmauer von Spinges stehend den Feind heldenhaft abgewehrt hatte.

Der Tiroler Landsturmkommandant Philipp von Wörndle hat selbst in seinen Erinnerungen berichtet: „Man sah hier unter anderem eine Bauersmagd aus Spinges, welche mit zusammengegürteten Unterkleide und fliegenden Haaren auf der Freithofsmauer stund, und die stürmenden Feinde mit einer Gabel hinunter stieß.“ (Meinrad Pizzinini: „Andreas Hofer“, Wien 1984, S. 55)

Über die Herkunft des „Mädchens von Spinges“ gab es eine Zeitlang Diskussionen unter Historikern. Es ist heute jedoch unumstritten, dass es sich um Katharina Lanz aus St. Vigil im ladinischen Enneberg handelte. Sie hat selbst zu Lebzeiten anderen Zeitzeugen über ihre Teilnahme an dem Kampf berichtet. Das belegen auch andere historische Quellen. (Meinrad Pizzinini: „Andreas Hofer“, Wien 1984, S. 55 und 255)

Gedenktafel für Katharina Lanz an der Außenwand der Kirche. - Glasfenster für Katharina Lanz in der Kirche Spinges mit folgender Inschrift: „Keines frechen Fremdlings Fußtritt soll das Heiligtum beflecken. Will Altar und Tabernakel noch mit meiner Leiche decken!“ (Bilder: Verfasser)
Gedenktafel für Katharina Lanz an der Außenwand der Kirche. – Glasfenster für Katharina Lanz in der Kirche Spinges mit folgender Inschrift: „Keines frechen Fremdlings Fußtritt soll das Heiligtum beflecken. Will Altar und Tabernakel noch mit meiner Leiche decken!“ (Bilder: Verfasser)

Auch an Hauswänden lebt die Erinnerung fort. (Bild: Verfasser)
Auch an Hauswänden lebt die Erinnerung fort. (Bild: Verfasser)

Wenige hundert Meter außerhalb von Spinges wurde im Jahr 1882 auf einem Hügel ein großes Denkmal für die im Kampf gefallenen Schützen errichtet, welches von den heutigen Schützen weiter betreut wird. (Bild: Verfasser)
Wenige hundert Meter außerhalb von Spinges wurde im Jahr 1882 auf einem Hügel ein großes Denkmal für die im Kampf gefallenen Schützen errichtet, welches von den heutigen Schützen weiter betreut wird. (Bild: Verfasser)

Dieses Denkmal der Katharina Lanz wurde 1912 vor der Kirche von Pieve (La Plie' de Fodom) im ladinischen Buchenstein-Tal errichtet und 1915 im Zuge der Räumung nach Corvara (Abtei) übertragen. Von dort wurde es durch die Faschisten in den Graben des Schlosses von Rovereto verschleppt. Erst 1964 wurde die Statue wieder an ihrem ursprünglichen Standort aufgestellt.
Dieses Denkmal der Katharina Lanz wurde 1912 vor der Kirche von Pieve (La Plie‘ de Fodom) im ladinischen Buchenstein-Tal errichtet und 1915 im Zuge der Räumung nach Corvara (Abtei) übertragen. Von dort wurde es durch die Faschisten in den Graben des Schlosses von Rovereto verschleppt. Erst 1964 wurde die Statue wieder an ihrem ursprünglichen Standort aufgestellt.

Radierung von C. Robert Schindelmayer: „Das Mädchen von Spinges, 2. April 1797“, um 1800. (Bild aus: „Tiroler Almanach auf das Jahr 1802“, Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum)
Radierung von C. Robert Schindelmayer: „Das Mädchen von Spinges, 2. April 1797“, um 1800. (Bild aus: „Tiroler Almanach auf das Jahr 1802“, Innsbruck, Landesmuseum Ferdinandeum)

Außer Katharina Lanz gab es noch weitere mutige Frauen, welche ihren Männern und Söhnen im Kampf zur Seite standen.

Der Historiker Meinrad Pizzinini berichtet darüber: „Im Eisacktal erlebten die Franzosen ebenfalls kühne Überraschungen. Von General Laudon aufgefordert, alles zu wagen, stritten besonders die Männer und Frauen (!) aus Latzfons unweit des Klosters Säben unerbittlich gegen den Feind. Als französische Scharfschützen am 3. April um fünf Uhr morgens über den Weg nach Latzfons heranrückten, um die Höhen zu gewinnen, kam es unweit der Häusergruppe Pardell zu heißen Kämpfen, wobei es immer wieder gelang, die Franzosen mit Stutzenfeuer und Steinhagel zurückzutreiben.

Hart umkämpft wurde das hoch am Berg gelegene Dorf Latzfons bei Klausen. (Historische Postkarte)
Hart umkämpft wurde das hoch am Berg gelegene Dorf Latzfons bei Klausen. (Historische Postkarte)

Ein besonderes Schauspiel leisteten sich die Frauen und Mädchen, die unter der Führung des ‚Thinner-Gretele‘, einer recht robusten bäuerlichen Frauengestalt, auf dem Verdingser Bühel oberhalb Pardell mit einer Mohnstampfe und Böllern erfolgreich ein Geschütz vortäuschten. Auf ein Alarmzeichen hin erhielten die Latzfonser Hilfe aus dem benachbarten Villanders, was den Franzosen nicht verborgen blieb. Sie wagten daher auch einen Angriff gegen das Dorf Villanders. Da sprangen die Frauen und Mädchen in die Bresche und gingen kompromisslos hart mit ihren Gegnern um, die nur kurze Zeit über die ‚Weiberwacht‘ zu Villanders lachten. Die ‚Weiber‘ schossen mit Büchsen und warfen mit Steinen, bis sich die Franzosen mit drei Toten und zwei Verwundeten zurückzogen. Ein kaiserliches Belobigungsdekret des Jahres 1800 gab ‚den Weibern und Mädchen der Gemeinde Villanders über diesen ebenso seltenen als ruhmreichen Beweis ihres Muthes und ihrer treuen Anhänglichkeit an Religion, Fürst und Vaterland das Allerhöchste landesfürstliche Wohlwollen zu erkennen.‘“ (Meinrad Pizzinini: „Andreas Hofer“, Wien 1984, S. 56)

Der kämpfenden Frauen wurde später auf historischen Postkarten ehrend gedacht.
Der kämpfenden Frauen wurde später auf historischen Postkarten ehrend gedacht.

Hier die bisher erschienen Artikel dieser Serie:




Gedenken an Peter Mayr

Jedes Jahr gedenken wir am 20. Februar des Todestages von Andreas Hofer im Jahr 1810. Am gleichen Tag und fast zur gleichen Stunde wurde, unweit der Talferbrücke in Bozen, Andreas Hofers enger Kampfgefährte Peter Mayr, der „Wirth an der Mahr“, ebenfalls erschossen. Diesem redlichen und unbeugsamen Mann, der zu Unrecht weitgehend in Vergessenheit geraten ist, ist die nachstehende Dokumentation gewidmet.

„Ich will mein Leben durch keine Lüge erkaufen!“

Ein historischer Bericht von Georg Dattenböck

„Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht, // Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, // Wenn unerträglich wird die Last – greift er // Hinauf getrosten Muthes in den Himmel, // Und hohlt herunter seine ewgen Rechte, // Die droben hangen unveräusserlich // Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst …“ (Friedrich Schiller, Drama Wilhelm Tell)

Peter Mayr und seinen Mitstreiter war es im Freiheitskampf von 1809 vor allem um Folgendes gegangen:

  • um die Bewahrung der verbrieften Freiheiten, niedergelegt im „Tiroler Freiheitsbrief“;
  • um den Erhalt der Wehrhoheit, niedergelegt im Landlibell von 1511;
  • um den Erhalt der kulturellen und damit auch religiösen Identität des Volkes;
  • um den Erhalt des von Napoleon erstmals 1808 abgeschafften Landesnamens Tirol.

Der „Tiroler Freiheitsbrief“ vom 28. Jänner 1342 ist ein einzigartiges historisches Dokument der frühen, demokratisch-fortschrittlichen Landesentwicklung unter Einbeziehung eines freien Bauernstandes.
Der „Tiroler Freiheitsbrief“ vom 28. Jänner 1342 ist ein einzigartiges historisches Dokument der frühen, demokratisch-fortschrittlichen Landesentwicklung unter Einbeziehung eines freien Bauernstandes.

Peter Mayrs Familiengeschichte wurde erforscht

Peter Mayr wurde am 15. August 1767 am Köhlhof in Siffian am Ritten (nördlich Bozens) als Sohn des Peter Mayr (1741–1806) und seiner Frau Maria Unterhofer (1743–1815) die vom Hof Doppelbauer in Oberbozen stammte, geboren.

In der von Königin Maria Theresia 1774 im Land eingeführten Grundschule lernte Peter das Lesen und Schreiben und erhielt eine religiöse Bildung.

Stammbaum der Mayr von Sulz (Staffler) am Ritten
Stammbaum der Mayr von Sulz (Staffler) am Ritten

Peter Mayr, „Wirth an der Mahr“
Peter Mayr, „Wirth an der Mahr“

Wie der Stammbaum der Familie zeigt, stammte Peter Mayr aus einem alten Tiroler Bauerngeschlecht. Das Wappen erhielt die Familie von Kaiser Karl V. im Jahre 1555 verliehen, als Dank für geleistete Dienste. Die Familie brachte immer wieder Männer hervor, die das Richteramt ausübten, so auch Peters Vater, der als letzter Blutbannrichter am Ritten wirkte.

 

Das Wirtshaus an der Mahr

Der von der rätischen Sprachwurzel „la’mara“ hergeleitete Name Mahr, in der Bedeutung „Erdrutsch, Überschwemmungsgebiet“, ist über ein mittelhochdeutsches „Mette“ in der tirolerischen Mundart zu „Mahr“ geworden. Das Gebiet um und das Wirtshaus an der Mahr weist eine lange Geschichte auf:

1173 schenkte Frau Gisela von Latzfons „in der Merre“ dem Kloster Neustift Leibeigene;

1212 wird eine Kirche zum hl. Jakob an der Mahr genannt;

1225 fand ein Ritterturnier in „ein velt din merre“ zwischen dem Minnesänger Ulrich von Lichtenstein und Udalschalk von Potzen statt; der Bozner verlor dabei einen Finger;

1396 wird ein Weingut des Niderchoflacher an der Maerre genannt;

1656 war Ulrich Rändl der „Wirt an der Märe“;

1780 war Claudia Peer Besitzerin des Mahrerwirt;

1803 waren Johann und Maria Öler die Wirtsleute an der Mahr;

1804 am 8. November, erwarb Peter Mayr, Kölensohn in Siffian Am Ritten, das Wirtshaus, nachdem er vorher das Wirtshaus „Zum Weißen Kreuz“ (genannt „beim Schober“) südlich von Klausen gelegen, besessen hatte.

Alte Ansicht vom Gasthaus Wirth an der Mahr
Alte Ansicht vom Gasthaus Wirth an der Mahr

Das uralte Wirtshaus an der Mahr wurde ein Treffpunkt all jener Tiroler, die sich über die französische Besatzung und deren maßlose Übergriffe: die zwangsweise Aushebung von Rekruten, über Diebstähle, Raub, Vergewaltigungen und Morde, über die verhasste Abschaffung alter Rechte, über die vielen neuen Steuern, über die Verbote religiösen Brauchtums und über das provokant-anmaßende Verhalten der neuen Obrigkeiten empörten.

Geheime Zusammenkünfte fanden im „Schmiedhäusl“ neben dem Mahrwirt statt, an denen auch Andreas Hofer teilnahm: so beim „Bauernkonvent“ am 25. November 1807, auf dem beschlossen wurde, Anordnungen der Besatzer betreffend kirchlicher Angelegenheiten nicht zu befolgen und „die Schänder der Gotteshäuser“ zum Schutze des Glaubens aus dem Lande zu vertreiben. Eine zunächst friedlich an den bayerischen König Max I. gerichtete Bittschrift wurde von den Behörden beschlagnahmt und die Unterzeichner wurden verwarnt.

Das blutige Drama des Tiroler Aufstandes war somit von den Franzosen selbst und deren willigen, bayerischen Vasallen vorprogrammiert.

Die historischen Grundlagen des Tiroler Schützenwesens

Die Adler-Fahne des Tiroler Aufgebotes von 1499 (Aus: „Deutsches Soldaten-Jahrbuch“, München 1987)
Die Adler-Fahne des Tiroler Aufgebotes von 1499 (Aus: „Deutsches Soldaten-Jahrbuch“, München 1987)

In einer Urkunde Kaiser Maximilians I. vom 23. Juni 1511 wurde, mit der Zustimmung der Tiroler Landstände bestimmt, daß die Tiroler, jedoch nur zur Verteidigung ihres Landes, Kriegsdienst zu leisten hatten. Dieses sogenannte Landlibell regelte die Aufstellung eines Schützenaufgebots und eines Landsturms und war bis zum Jahr 1918, im Lauf der Zeit mit einigen Änderungen, immer ein Teil der Tiroler Landesverfassung.

Die Schützenkompanie Ritten mit der Adler-Fahne im Jahr 1913. (Aus: „Deutsches Soldaten-Jahrbuch“, München 1987)
Die Schützenkompanie Ritten mit der Adler-Fahne im Jahr 1913. (Aus: „Deutsches Soldaten-Jahrbuch“, München 1987)

Erstmals trat Peter Mayr in das Licht der Öffentlichkeit, als er sich als Kommandant der Schützen am Ritten bewährte. Das Schützenaufgebot vom Ritten unter seinem Kommando wehrte bereits am 3. April 1797 die versuchte Besetzung des Ritten durch eine französische Einheit ab, die Franzosen mussten sich nach Bozen zurückziehen. Die damals entstandenen Kampflieder der Schützen sind provokant und mobilisierend, wie z. B. das „Lied im Franzosen-Rummel 1796“, dessen Text (hier folgend die ersten drei von acht Strophen) lautet:

Den Stutzen hear, beym Soggara.
Was wöll’n denn d’Franzosen?
Hö! moanen sie mit ihrem Gschroa,
Mier haben ’s Hearz in d’Hosen!
An schwanzigen Tyrolar Bua
Darfst du nit dreymal fragn;
Weard er dir wirsch, aft schau nur zue,
Er nimpt di glei bam Kragen.

Die Walschen! ja, daß Gott erbarm,
seyn freila pure Heiter,
Sihst afa den Tyrolar Arm?
Huj! nur koan Schritt mea weiter.
Ja, sproz nur einer Tuifelsboan,
Mier wöll’n dirs schon drahnen,
Was ’s Stutzl nit derthuet: der
thoan die Stoaner-Krafellahnen.

Für üns ists krad a Kirchtatanz.
Denn mier – mier halten zsamen,
und lieben Gott und Kaiser Franz
Und ünser Landl Amen.
A hab’n mier ünsrer Alten Lehr
Bey weiten nit vergessen,
Die haben sich mit Ruam und Ehr,
Mit zwean auf oamal gmessen.

(Aus: Sandra Hupfauf/Silvia Maria Ebner: „Liedgeschichten. Musik und Lied in Tiroler Politik und Gesellschaft 1796-1848“, Innsbruck 2013)

Der Aufstand 1809

Über die Erhebung der Tiroler im Jahre 1809 berichtete die „Innsbrucker Zeitung“ ausführlich.

Faksimile der „Innsbrucker Zeitung“ vom Freitag, 21. April 1809
Faksimile der „Innsbrucker Zeitung“ vom Freitag, 21. April 1809

Damals wurden 380 Schützenkompanien in den Standeslisten des Jahres 1809 aufgeführt. Das waren an die 36.000 Schützen mit Gewehren und rund 40.000 Stürmer, die jedoch nur mit Hacken, Sensen, Morgensternen und Picken sehr mangelhaft bewaffnet waren.

Die 1809 erfolgte Aufhebung des Landlibells durch die Franzosen bzw. deren bayrische Vasallen, sowie die Zwangsaushebung von Tiroler Rekruten in Axams für den Dienst in der französischen Armee, führte geradewegs in den Aufstand.

In der „Festschrift zur Wiedererrichtung des Peter Mayr Denkmals in Bozen 21. Februar 2010“ (Herausgeber: Schützenkompanie Bozen), die hier vom Verfasser zu den folgenden Zitierungen herangezogen wird, ist über das Schicksal von Peter Mayr u.a. zu lesen:

„Als dann Anfang April 1809 der Aufstand losbrach, war Peter Mayr an den beiden ersten Befreiungen des Landes im April und im Mai beteiligt. In den beiden Bergiselschlachten am 25. und 29. Mai befehligte er die Pfeffersberger. Ebenso bedeutend wie seine militärische Rolle war in dieser Zeit seine politische als gewählter Vertrauensmann der Stadt und Umgebung von Brixen.

Bei der dritten Befreiung Tirols, der eigentlichen Ruhmestat von 1809, wurde Peter Mayr dann zu einer entscheidenden Führerpersönlichkeit. Nach der Niederlage von Wagram hatte Erzherzog Karl im Waffenstillstand von Znaim (11. Juli 1809) Napoleon die militärische Räumung Tirols zusagen müssen. Nach dem Abzug der regulären österreichischen Truppen waren die Tiroler auf sich allein gestellt, viele verzagten und wollten den Kampf aufgeben. Nichts schien die französischen und bayerischen Truppen aufhalten zu können, die beinahe kampflos in Innsbruck einrückten und sich anschickten, auch den Süden des Landes zu besetzen. In dieser aussichtslosen Lage trafen sich am 2. August 1809 der Mahrwirt Peter Mayr und der Sternwirt Peter Kemenater von Schabs beim Kreuzwirt Martin Schenk in Brixen. In ihrem als „Schwur der Drei“ bekannten Treffen gelobten sie sich Treue im Kampf um die Freiheit Tirols und bereiteten den Widerstand in der Sachsenklemme vor, der die entscheidende Wende brachte.“

Bild von Albin Egger-Lienz: Der Schwur der Drei. In Hemdärmeln sieht man Peter Mayr, rechts Peter Kemenater, im Hintergrund, die Rechte zum Schwur erhoben, Martin Schenk. Auf dem Tisch liegt ein Säbel, die rechten Hände der Männer sind über der Waffe ineinandergelegt.
Bild von Albin Egger-Lienz: Der Schwur der Drei. In Hemdärmeln sieht man Peter Mayr, rechts Peter Kemenater, im Hintergrund, die Rechte zum Schwur erhoben, Martin Schenk. Auf dem Tisch liegt ein Säbel, die rechten Hände der Männer sind über der Waffe ineinandergelegt.

In der Festschrift heißt es weiter: „Die Tiroler konnten am 4. und 5. August unter der Führung von Peter Mayr, Pater Joachim Haspinger und Josef Speckbacher die vor allem aus Sachsen und Thüringern bestehende Division Rouyer, die von Innsbruck nach Süden durchstoßen wollte, nördlich von Franzensfeste zurückwerfen und ihr schwere Verluste zufügen. Von 2000 Soldaten waren 1000 gefallen oder, zumeist verwundet, in Gefangenschaft geraten. Die Tiroler hatten kaum 100 Mann verloren. Dieser beachtliche Erfolg (wie auch der ähnlich verlaufene Kampf bei der Pontlatzer Brücke im Oberinntal) rüttelte das ganze Land auf und ließ die Zahl der Kampfeswilligen rasch wieder ansteigen. Auch Marschall Lefebvre, der mit 7000 Mann den Durchbruch nach Süden doch noch erzwingen wollte, scheiterte nach erbitterten Kämpfen in der Gegend von Sterzing und zog sich schließlich nach Innsbruck zurück.

Der tagelang anhaltende Widerstand der Tiroler wäre nicht möglich gewesen, wenn Peter Mayr nicht den Nachschub bestens organisiert hätte. Der verfolgte Lefebvre musste sich am 13. August bei Innsbruck zum Kampf stellen. Diese dritte Bergiselschlacht, in der Peter Mayr mit Pater Haspinger das Zentrum kommandierte, endete mit einem Aufsehen erregenden Erfolg der zahlenmäßig unterlegenen Tiroler gegen die erfolgsgewohnten Franzosen und Bayern. Marschall Lefebvre mußte abziehen, Tirol war wieder frei.“

Gemälde von Defregger: Heimkehr der Sieger
Gemälde von Defregger: Heimkehr der Sieger

 In der Festschrift heißt es weiter: „Der zum Unterkommandanten ernannte Peter Mayr widmete sich in der folgenden Zeit der Regentschaft Hofers der Hilfe für die vom Krieg schwer getroffene Bevölkerung vor allem im Unterinntal. In Brixen betrieb er die Wiedererrichtung des Priesterseminars. Mit dem am 14. Oktober 1809 in Wien geschlossenen Frieden, der die Abtretung Tirols bestätigte, hatte Napoleon aber die Hände frei, um Tirol mit einem gewaltigen Truppenaufgebot endgültig zu unterwerfen.

Die vierte Bergisel-Schlacht am 1. November 1809 war angesichts der Übermacht der Feinde rasch verloren. Viele Landesverteidiger sahen die Sinnlosigkeit weiteren Widerstandes ein und gaben auf. Andreas Hofer selbst schwankte zwischen Aufgabe und Fortsetzung des Kampfes.“

Das dramatische Ende des Aufstandes

Nur mehr tief Verzweifelte konnten nach der letzten, verlorenen Bergisel-Schlacht noch ernsthaft an einen Sieg gegen eine übermächtige französische Armee denken. Ein Mann namens Johann Nepomuk Maria von Kolb (*1757 in Innsbruck, †Petra 1813), war einer Jener, die Andreas Hofer sogar unter Gewaltandrohung drängten, den bereits aussichtslosen Kampf fortzusetzen. Der Zeitzeuge, Freiherr von Hormayr, charakterisierte Kolb u.a. so:

„… Commandant von Lienz, Nepomuk von Kolb, aus einer guten Familie, ehehin ständischer Steuereinnehmer, aber um unordentlicher Verwaltung willen von diesem Amt entfernt, ein hirnverbrannter Anarchist von den tollsten Einfällen…“ (Joseph von Hormayr: „Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyroler im Kriege 1809; 2. Theil, 2. Auflage Brockhaus Leipzig 1845, S. 361)

Hormayr berichtete schonungslos über die damalige Lage, wonach Hofer, auch auf Grund der Einwirkungen von Fanatikern, den Überblick verlor:

„Alle die nachfolgenden schwankenden und widersprechenden Schritte Hofer’s tragen das Gepräge seiner eigenthümlichen Unentschlossenheit, Leichtgläubigkeit und Kurzsichtigkeit, des heftigen Widerstreites der verschiedenen Parteien und Persönlichkeiten, die ihn hin und her rissen… Einige Verworfene, des Tyroler Namens unwürdig, wollten fortgesetzten Widerstand, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen und ihre Flucht zu decken…

Der Vicekönig (Eugen Napoleon) sendete den General Rusca ins Pusterthal. Am 3. November rücken diese in Sillian ein. Den Oberbefehl führt Baraguey d’Hilliers, der die Unruhen in Krain gestillt hatte. Kolb predigte noch immer und zwar unter Androhung der Todesstrafe den hartnäckigsten Widerstand gegen diese ‚letzte Anstrengung der ohnmächtigen Feinde‘. Die Mutter Gottes sei ihm erschienen, sie werde helfen. Der Commandant Stöger, der zur Niederlegung der Waffen ermahnt hatte, sei ein vom Feinde mit 20,000 Fl. erkaufter Verräther und vogelfrei. Wirklich mußte sich Stöger zu den Franzosen flüchten. Seine warnenden Briefe an Hofer fing Kolb auf und belog den guten Sandwirth: der Erzherzog Johann rücke schon gegen Sachsenburg heran, man höre schon im Pusterthale den Donner seines Geschützes. – Die Bauern zogen sich in die Mühlbacher Klause zurück und dieselben befehligte Peter Mayr, Wirth in der Mahr; Kolb tobte und brüllte… An Lebhaftigkeit, Gewandtheit und Keckheit, an volksthümlicher Beredsamkeit gebrach es ihm gar nicht, eben so wenig an einer ledernen Stirn, wenn er auf der Lüge ertappt war.“ (Joseph von Hormayr: „Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyroler im Kriege 1809; 2. Theil, 2. Auflage Brockhaus Leipzig 1845, S. 495ff)

Andreas Hofer, aber auch Peter Mayr, durch lokale Siege in einigen Gefechten und durch Kolb und Andere ermutigt, erhofften sich ein nochmaliges Eingreifen der österreichischen Armee. Mayr wollte das Eisack- und Pustertal halten und die Aufrufe zum Widerstand fanden wieder Gehör. General Moreau wurde mit 2000 Mann in Brixen eingeschlossen und Peter Mayr versuchte, noch am 25. November, Brixen zu stürmen: es war vergeblich, Mayr gab den Kampf schließlich auf.

Kolb, der fanatisch noch weiterkämpfte, flüchtete, nachdem er die Aussichtslosigkeit begriff, nach Wien. Dort wurde er als politisch Unwillkommener von den Wiener Behörden nach Brünn abgeschoben und unter Polizeiaufsicht gestellt. Er ließ sich schließlich in Petra bei Konstantinopel nieder, wo er 1813 an der Cholera starb.

Die grausame Rache der Franzosen

Die Bozner Schützen berichten in ihrer Festschrift: „Die Rache von General Severoli war schrecklich. Er ließ rings um Brixen 150 Höfe und Ansitze in Brand stecken, die Bewohner mußten sämtliche Habseligkeiten in den Häusern lassen und zusehen wie sie verbrannten. In Vahrn wurde dabei das junge Besitzerehepaar des Gallhofes erschossen. Nun richtete sich die Verfolgung gegen alle, die in der zweiten Novemberhälfte und Anfang Dezember noch gekämpft hatten. Vizekönig Eugene Beauharnais hatte am 12. November verkündet, daß jeder, der fünf Tage nach dieser Kundmachung noch mit der Waffe in der Hand angetroffen werde, erschossen werde.

Mehrere Aufständische, die bei den letzten Gefechten um Brixen in Gefangenschaft geraten waren, wurden in Bozen erschossen, 30 von ihnen wurden zu lebenslänglicher Festungshaft verurteilt und starben meist in den Gefängnissen. Drei Führer der Aufständischen, Johann Kircher von St. Leonhard, Bartlmä Pichler von Milland und Ignaz Haller von Neustift wurden am Brixner Domplatz erschossen, auf Kolb und Mayr wurde ein Kopfgeld ausgesetzt.“

Auch Peter Mayr fiel, wie Andreas Hofer, dem Verrat zum Opfer

Der von den Franzosen gesuchte Mayr verbarg sich im Leitererhäusl in Feldthurns, nur ein wenig oberhalb seines Wirtshauses. Jedermann wußte in Feldthurns vom Versteck, es dauerte trotzdem Wochen, bis ein Verräter namens Johann Pichler ihn an die Franzosen um 50 Gulden Judaslohn verriet. Am 8. Februar 1810 wurde Mayr festgenommen und am nächsten Tag in die Fronfeste St. Afra nach Bozen verbracht, wo schon Hofer kurz inhaftiert war. Ein Kriegsgericht verurteilte Peter Mayr am 14. Februar zum Tod.

Seine schwangere Frau Maria, die mit den Kindern nach Bozen kam um Peter beizustehen, richtete an den kommandierenden General Louis Baraguey d’Hilliers ein Gnadengesuch.

General Louis Baraguey d’Hilliers wollte Peter Mayr retten

Als Randnotiz muss hier vom Verfasser auf die Rolle des General Baragueys, als damaliger Oberbefehlshaber der französischen Truppen in Südtirol, bei der erstmals durchgeführten Erhebung der Sprachen, Sprachgrenzen und Sprecherzahlen in Südtirol und im Norden Italiens, durch das „Büro für Statistik“ im französischen Innenministerium hingewiesen werden. Von diesem Pariser Ministerium aus wurde von 1806 bis 1812 an „einer umfassenden Erhebung von Daten über alle im Kaiserreich gesprochenen Sprachen und Dialekte“ gearbeitet. (siehe dazu: Sven Koedel „Die napoleonische Sprachenerhebung in Tirol und Oberitalien in den Jahren 1809 und 1810“, in der vom Ladinischen Institut „Micurá de Rü“ herausgegebenen Zeitschrift „Ladinia 2010“, S. 11-49)

Als Ziel wurde für Tirol die die Beschaffung von Informationen über die Sprachgrenzen und die deutschen Sprachinseln angegeben. „So berichtet Baraguey d’Hilliers in einem Brief v. 4. April 1810, in der Administration des Etschkreises einen lebhaften Eifer für die Nachforschungen über die Dialekte der Valsugana entfacht zu haben“. (Koedel, a. a. O., S. 30)

Jedenfalls gibt diese sehr wertvolle Arbeit von Koedel einen tiefen Einblick in die damaligen Verhältnisse!

General Louis Baraguey d’Hilliers
General Louis Baraguey d’Hilliers

General Louis Baraguey d’Hilliers (1764-1813) legte im Gegensatz zu anderen französischen Generälen den aufständischen Tirolern gegenüber ein anständiges Verhalten an den Tag. Im Dezember 1809 verzichtete er auf einen Einmarsch in den Vinschgau, nachdem eine Ergebenheitserklärung abgegeben wurde. Der Ehefrau und dem Sohn von Andreas Hofer schenkte er nach deren Festnahme bald wieder die Freiheit und er besuchte Andreas Hofer in der Haft in Bozen. 1810 wurde der General von Napoleon nach Katalonien versetzt, anschließend kämpfte er in Napoleons Angriffskrieg gegen Russland, er starb 1812 in Ungnade als Gouverneur in Berlin.

Die Gattin des Generals wollte helfen

Die Gattin des Generals Baraguey, eine deutsche Frau aus Mainz, befreundete sich mit Anna von Giovanelli aus Bozen. Anna war die Tochter des Johann von Vintler zu Platsch und Runkelstein und Gattin des Ritters Josef von Giovanelli zu Gerstburg und Hörtenberg, welcher dem Herren- und Ritterstand angehörte. Die lombardische Familie Giovanelli stammte ursprünglich aus Bergamo.

Während der Kriegsjahre von 1796 bis 1801 und 1805 hatte sich Josef von Giovanelli um die Landesverteidigung von Tirol verdient gemacht. Als der Aufstandsplaner Josef von Hormayr, dessen Großmutter eine Elise von Giovanelli war, mit den Spitzen der österreichischen Armee Bozen erreichte, nahm ihn Josef von Giovanelli in seinem Haus auf. Von dort aus koordinierte Hormayr den Aufstand und das Haus Giovanelli wurde eines der Zentren der Tiroler Patrioten um Andreas Hofer. (Joseph von Hormayr: „Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyroler im Kriege 1809; 2. Theil, 2. Auflage Brockhaus Leipzig 1845)

Baragueys Frau wirkte auf Grund des Drängens ihrer Freundin Anna von Giovanelli stark auf ihren Gatten zu Gunsten von Peter Mayr ein. Dies zeigte Wirkung, denn der General selbst war bereits zweimal von französischen Revolutionären verhaftet worden und immer nur knapp Hinrichtungen entgangen. Er hatte wohl auch deshalb Verständnis für Mayrs triste Lage. Durch die Feldzüge und seine Ehefrau hatte er aber auch das redlich-offene Wesen der Mehrheit aller Deutschen sehr zu schätzen gelernt.

Die „Staats- und Gelehrtenzeitung des Hamburgischen unparteyischen Korrespondenten“ gehörte damals zu den größten und einflussreichsten Zeitungen (erschienen 1712 bis 1934). Sie vertrat Glaubhaftigkeit, Sachlichkeit und, soweit unter der Besatzung möglich, auch eine Unparteilichkeit. In Nr. 41 v. 13.3.1810 schrieb diese Zeitung über General Baragueys Gattin:

„Die edle Gemahlin von Baraguey d’Hilliers genießt hier allgemeine Liebe und Achtung. Diese durch Kopf und Herz vortreffliche Dame hilft, wo sie kann, tröstet und unterstützt die Unglücklichen – jedermann hat zu ihr freien Zutritt.“

Der General hob das Urteil auf – Peter Mayr wollte keine Lüge sagen

General Baraguey und seinen Offizieren war auch die meist sehr gute Behandlung französischer Verwundeter und Gefangener durch die Tiroler bestens bekannt.

Deshalb hob er unter dem Vorwand eines Formfehlers das bereits ergangene Urteil gegen Peter Mayr auf. Baraguey wollte damit auch die Tiroler Bevölkerung für sich gewinnen und die angespannte Lage beruhigen.

Mayr wurde über seinen Anwalt eine Erklärung nahegelegt, daß er vom Erlass des Vizekönigs Eugen Napoleon vom 12. November keine Kenntnis gehabt habe. Mayr, so der Gedanke von General Baraguey, sollte durch diese Notlüge vor Gericht sein Leben retten.

Das war der Originalbefehl des Vizekönigs von Italien an die Tiroler vom 12. November 1809, wonach das Tragen von Waffen bei Todesstrafe verboten ist.
Das war der Originalbefehl des Vizekönigs von Italien an die Tiroler vom 12. November 1809, wonach das Tragen von Waffen bei Todesstrafe verboten ist.

Wie auch andere Männer in der Geschichte in ähnlicher Lage, lehnte Peter Mayr dieses Ansinnen jedoch ab:

„Die Erfüllung der für meine Rettung gestellten Bedingung ist unmöglich. Ich habe von den Friedensbestimmungen gewußt und eben deshalb zu den Waffen gegriffen, um einen Verzweiflungskampf zu wagen; ich bin der Wahrheit und den Geboten Gottes treu geblieben mein Leben lang und werde nie durch eine Lüge mein Leben erkaufen…“. (Zitiert nach Johann Staffler: „Das deutsche Tirol und Vorarlberg, topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen“ Bd.II, S. 104, Innsbruck 1847)

(Dazu eine Anmerkung des Verfassers: Der griechische Staatsmann Perikles (490 – 429 v. Chr.) sagte in einer Rede auf die Gefallenen: „Ich rede nicht dem Wahn das Wort, daß der Tod vor dem Feind köstlich sei. Ich rede einer Wahrheit das Wort, daß es zu allen Zeiten unentrinnbarer Zwang ist, das, was man liebt, verteidigen zu müssen. Auch mit dem Leben.“)

Peter Mayrs religiöser Glaube, der ihm vor dem Tod die Angst nahm, seine tiefe Liebe zum freien Land der Väter und – trotz aller erlebten bitteren Enttäuschungen – seine Treue zum Kaiserhaus in Wien sowie sein Beharren auf dem moralischen Recht zum Widerstand gegen die Vergewaltigung seines Landes, zwangen ihn wohl, im Angesicht des nahen Todes nicht zu lügen.

Die Hinrichtung des unbeugsam Wahrheitsliebenden

Der 43jährige Wirt an der Mahr wurde um die Mittagszeit des 20. Februar 1810, unweit der Talferbrücke in Bozen und fast zur gleichen Zeit wie Andreas Hofer in Mantua, von einem Exekutionskommando der Franzosen erschossen. Den überlieferten Berichten nach nahm Peter Mayr, wie auch sein Oberkommandant Hofer, das über ihn verhängte Todesurteil sehr gefasst entgegen. Gelassen ging Mayr auf den Richtplatz, mit einem Kreuz in der Hand und seinem Hut unter dem Arm. Der Tiroler Aufstandsplaner und Zeitzeuge Josef von Hormayr schrieb über diese Haltung in Bezug auf Hofers Ende:

„So wenig Hofer das Todeswort des Kriegsgerichts erwartet hatte, vernahm er dieses Urtheil doch ohne die Miene zu verändern mit erhebender, alle Anwesenden sichtbar überraschender Gelassenheit und religiöser Resignation“ (Joseph von Hormayr: „Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyroler im Kriege 1809; 2. Auflage Brockhaus Leipzig 1845, S. 514)

Eine feindliche Zeitung berichtete über das Ende von Peter Mayr

Die dem bayrischen Königshaus und damit dem Bündnis mit Frankreich verpflichtete „Münchner politische Zeitung“ vom 5. März 1810 berichtete über die Exekution von Peter Mayr und das Schicksal von Tiroler Aufständischen:

„Der reiche Wirth von der Mahr unweit Brixen, bey der Talferbrücke, Namens Peter Mayer, welcher am 20. d. dieß nach dem Urtheilspruch eines Kriegsgerichts vor hiesiger Stadt erschossen wurde, war ein Vater von 5 lebendigen Kindern, und das 6te trägt sein trostloses Weib noch unter dem Herzen. Aus seinen Verhören ergab sich, daß er ein Gespann des verruchten Kolb war, der in der Gegend von Brixen so viel angerichtet hat. Peter Mayer gestand in den Verhören immer mehr, als man von ihm zu wissen verlangt, und erklärte wiederholt, daß er den Tod nicht fürchte. Wirklich ging er sehr entschlossen, mit einem Kruzifix in der Hand, und mit dem Hut unter dem Arm, von einer großen Menge Volks begleitet, auf den Richtplatz. Nachmittags wurde er auf dem Gottesacker begraben. Seinem Beichtvater gab er den Auftrag, die Gemeinden um Brixen herum wegen Allem, was er ihnen Leid gethan, um Verzeihung zu bitten: Sein Weib erhielt die Erlaubniß, mit ihren Kindern wieder auf die Wirthschaft zu ziehen; diese ist aber rein ausgeplündert. – Der Sohn des Sandwirths Hofer, der bisher als Gefangener im hiesigen Spital lag, und zu seinem Vater nach Mantua abgeführt werden sollte hat nunmehr auf vielseitige Fürbitte die Erlaubniß erhalten, zu seiner Mutter nach der Heimath zurückzukehren. – Die Insurgenten von Bozen und Gries, die im verflossenen September als Kriegsgefangene nach Mantua abgeführt wurden, sitzen noch daselbst. Mehrere derselben sind inzwischen bereits gestorben.“ 

Faksimile aus „Münchener Politische Zeitung“ vom Montag, 5. März 1810.
Faksimile aus „Münchener Politische Zeitung“ vom Montag, 5. März 1810.

Anmerkungen sind zu dieser Meldung nötig: Abgesehen von geographischer Unkenntnis des Schreibers über die Lage des Gasthofs Wirth an der Mahr ist der psychologisch ausgefeilte und suggestive Versuch bemerkenswert, dem Leser nahezubringen, daß Mayr der „reiche Wirth“ war, der seine in tiefe Not geratene Familie ganz offensichtlich ohne einen Funken von Gewissen kaltblütig im Stich gelassen hatte.

Die Schuld an dem Unheil, welches über das Land gekommen war, wurde in diesem Bericht den Aufständischen zugewiesen und es wurde auch verschwiegen, wer das Wirtshaus an der Mahr ausplünderte.

Es wurde auch verschwiegen, daß es die deutsche Gattin des Generals Baraguey war, die sich bei ihrem Gemahl für die Heimkehr von Hofers Sohn zu seiner Mutter stark gemacht hatte.

Die Benennung der Aufständischen als „Kriegsgefangene“ hingegen liest man sonst sehr selten und auch der letzte Satz berichtet eine Wahrheit: kerngesunde Männer, die noch kurz zuvor die Kraft hatten, die ungeheuren Strapazen der schweren Kämpfe durchzustehen, starben im Kerker wie die Fliegen. Der Hunger, die Kälte des Steinbodens auf dem sie schlafen mussten, die generell sehr harte Behandlung und die bangen Gedanken der Eingekerkerten an die ungewisse, düstere Zukunft ihrer Höfe und Familien, hatte sie schnell dahin gerafft. Hunderte waren eingekerkert, dutzende wurden erschossen und viele Tausende starben in den Kämpfen oder an den Folgen von schweren Verwundungen und Krankheiten.

Die Gedenkstätten für Peter Mayr

Gedenkstein vor dem Wirtshaus an der Mahr

Nach seinem Tod wurde Peter Mayr vom Tiroler Volk und den Patrioten des übrigen Österreich keinen Tag vergessen. An historischer Stelle, vor seinem Wirtshaus an der Mahr wurde, 100 Jahre nach seinem Tod, ein Gedenkstein für ihn errichtet, am Wirtshaus selbst und in Mayrs Geburthaus in Siffian am Ritten wurden Gedenktafeln enthüllt.

Historische Postkarte vom Gasthaus an der Mahr und dem davor stehenden Denkmal für Peter Mayr, welches am 25. September 1910 eingeweiht wurde.
Historische Postkarte vom Gasthaus an der Mahr und dem davor stehenden Denkmal für Peter Mayr, welches am 25. September 1910 eingeweiht wurde.

Blinder Hass: Ein Gedenk-Kranz muss in Stücke gehackt werden

Daß die Südtiroler Bevölkerung auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht bereit war, sich willenlos mit der Landesteilung abzufinden, wurde am Abend des 20. Februar 1946 sichtbar, als einem Bericht des SVP-Organs „Volksbote“ zufolge anlässlich des Gedenkens an den Tod Andreas Hofers im Lande „überall die Feuer zum Himmel“ loderten. Es „schien am 20. Februar abends das ganze Land in Brand gesteckt zu sein. Durch das Etschtal zwischen Bozen und Meran brannten zahllose Feuer im Tal herunten und an den Hängen. … Von Meran aus gesehen war es so, als wenn die Berge rings um die Stammburg Tirol zu brennen und zu lohen begännen …

Raketen und Feuer rund um Brixen. (Bild aus der Festschrift: Michael Gamper: „Südtirol im Jubeljahr seines Bundes 1976-1946“, Brixen 1946)
Raketen und Feuer rund um Brixen. (Bild aus der Festschrift: Michael Gamper: „Südtirol im Jubeljahr seines Bundes 1976-1946“, Brixen 1946)

Im Talkessel von Brixen brannten hunderte von Feuern in allen Berghöhen … Tausende von Raketen stiegen zum Himmel, da und dort Inschriften und Sinnbilder mit Feuer gezeichnet.

Das gleiche Schauspiel durch das ganze Pustertal. Von Mühlbach angefangen überall stiegen Raketen auf, vielfach sah man die tirolischen Symbole, ein flimmerndes Herz Jesu oder dergl. … Von St. Lorenzen her wetterleuchtete es förmlich und die Gegend von Bruneck war ein Feuerbecken. Auf einer Höhe über Bruneck standen in Flammenschrift der Landesnamen und darüber wiederum das Zeichen des Herzens Jesu. Im Hochpustertal war es nicht anders … Wiederum hat das Volk wie so oft in seiner Geschichte mit Feuerzeichen in den Himmel geschrieben was seine Seele zu tiefst bewegt.“ („Volksbote“ vom 28. Februar 1946)

Gegen diese landesweiten, feurigen Bekundungen hatten die italienischen Behörden nichts unternehmen können, denn diese Äußerungen des Volkswillens waren zu mächtig. Bei einer kleineren, lokalen Aktion wurden sie jedoch umgehend tätig. In der Nacht vom 20. auf den 21. Februar 1946 war von Unbekannten ein Kranz aus Nadelzweigen – auf Tirolerisch „Taxenkranz“ genannt – am Denkmal von Mayr niedergelegt worden.

Der Kranz trug eine Schleife in den Tiroler Farben und auf einem Stück Karton die Inschrift:

„Des Helden Vermächtnis an unser Geschlecht:
‚Für Glaube und Heimat, für Sitte und Recht!‘‘“

Wie das SVP-Organ „Volksbote“ am 28.2.1946 berichtete, erschienen am 21. Februar 1946 die Carabinieri und zwangen die Wirtsleute des Gasthauses an der Mahr, den Kranz in Stücke zu hacken.

Dies war einer der vielen täglichen Nadelstiche, Gemeinheiten und Tiefschläge, die damals von den Südtirolern zu ertragen waren und die dazu beitrugen, den überhitzten Dampfkessel Südtirol in der „Feuernacht“ des Jahres 1961 platzen zu lassen, mit einem Donnerschlag, welcher die internationale Öffentlichkeit auf die unerträglichen Verhältnisse in Südtirol aufmerksam machte.

Ein Denkmal in Bozen

Bereits am 30. September 1900 wurde, nach einem Entwurf des Architekten Ritter Georg von Hauberisser, am Pfarrplatz in Bozen, wo Peter Mayr bestattet worden war, ein Denkmal enthüllt, das unter einem neugotischen, mit einem Kruzifix geschmückten Oberbau ein Relief trug, das die Gefangennahme Mayrs durch die Franzosen darstellte. Die Einweihung des Denkmals am 30.9.1900 wurde, trotz Regens, zu einem großen patriotischen Fest, wobei besonders die Rede des Historikers Hirn beeindruckte.

Das 1900 errichtete und später restaurierte Peter Mayr-Denkmal in Bozen sowie Bericht aus der „Bozner Zeitung“ vom 1. Oktober 1900.
Das 1900 errichtete und später restaurierte Peter Mayr-Denkmal in Bozen sowie Bericht aus der „Bozner Zeitung“ vom 1. Oktober 1900.

Unter dem Relief war folgender Text angebracht:

„Hier ruht Peter Mayr, Wirth an der Mahr. Im Jahr 1809 Landsturm-Commandant, geboren zu Siffian am 15. August 1767. Von den Franzosen am 20. Februar 1810 auf der Holzreife zu Bozen standrechtlich erschossen, nachdem er es verschmäht hatte, Leben und Freiheit durch eine Lüge zu erkaufen. R.I.P.“

An den Seiten des Denkmals sind Weggefährten und Kampfgenossen Peter Mayrs angeführt, die ebenfalls in Bozen erschossen wurden: Am 17.12.1809 waren am Johannesplatz (heute Waltherplatz) die Anführer Georg Ganeider, Zellenwirt in Villnöß, und Simon Rieder, Plankelbauer in Feldthurns, hingerichtet worden.

Am 21.12.1809 hatten hier Franz Burger aus Österreich, Matthias Frener, Schmied aus Pardell, Heinrich Koch aus Württenberg und Josef Markreich aus Ungarn ihr Leben gelassen.

Diese ehemaligen Soldaten hatten als „Sandwirts-Dragoner“ vor allem berittene Kurierdienste für Andreas Hofer geleistet und hatten mit Peter Mayr am 8.11.1810 in der Mühlbacher Klause gekämpft und dort die Kanonen der Tiroler bedient und waren beim Gefecht am 5.12.1810 in Klausen den Franzosen in die Hände gefallen.

Verbot der Einweihungsfeier für das restaurierte Denkmal und eine Prügelorgie

Bei der Bombardierung Bozens im Zweiten Weltkrieg war 1943 der helmförmige Aufsatz zerstört und das Denkmal schwer beschädigt worden. Es wurde wieder restauriert. Die für Samstag, 20.2.1960 geplante Einweihungsfeier zum Abschluss des Gedenkjahres „150 Jahre Freiheitskrieg“ wurde vom Regierungskommissar im Auftrag Roms kurzfristig verboten!

Nicht verbieten konnte er den Gedenkgottesdienst am Sonntag, 21. Februar 1960, der mit über 2000 Teilnehmern gefeiert wurde. Als die Besucher aus der Kirche strömten, legten die Grieser Schützen, sowie Fahnenträger der Katholischen Jugend und Nachkommen von Peter Mayr am Denkmal einen Kranz nieder.

Siegfried Steger auf dem Landesfestzug 1984 in Innsbruck
Siegfried Steger auf dem Landesfestzug 1984 in Innsbruck

Über das, was dann geschah, berichtet der Südtiroler Freiheitskämpfer der 1960er Jahre Siegfried Steger in seinem Buch: „Die Puschtra Buibm“:

„Es folgte Provokation auf Provokation. Vereinzelte Anschläge sorgten nicht für ein Nachdenken der italienischen Politik, sondern ließ diese noch härter vorgehen. Nach einem Anschlag im Vinschgau im Februar 1960 wurden sämtliche Veranstaltungen im ganzen Land verboten, das war gezielt gegen die Andreas-Hofer-Feiern gerichtet. Für Bozen war dies besonders schlimm, weil für den Sonntag, 21. Februar, die Einweihung des neuen Peter-Mayr-Denkmals bei der Pfarrkirche vorgesehen war. Der Bozner Dom war an diesem Tag zum Bersten voll, auch ich hatte es mir nicht nehmen lassen, zu diesem Ereignis nach Bozen zu fahren. Als wir – an die 2000 Kirchgänger – nach der Messe aus dem Dom strömten, stimmten wir das Andreas-Hofer-Lied an, beim Peter-Mayr-Denkmal wurde ein Kranz niedergelegt.

Die Prügel-Carabinieri treten in Aktion
Die Prügel-Carabinieri treten in Aktion

Das genügte, um die Polizei zum Zuschlagen zu bewegen. Von allen Seiten kamen die ‚Celere‘, die schnellen Einsatzautos der Polizei, mit Sirenengeheul angefahren, die Polizisten sprangen herab und schlugen mit Gummiknüppeln auf die Leute ein. Fotoapparate wurden abgenommen, mehrere Kirchgänger verhaftet. Im darauffolgenden Strafverfahren wollte der Staatsanwalt die Verteidigung nicht einmal zu Wort kommen lassen, diese setzte sich aber durch. Drei der Festgenommenen wurden zu bedingten Strafen verurteilt, die anderen freigesprochen. Gegen das Fehlverhalten der Polizei wurde aber nie ermittelt.

Der als ‚Knüppelsonntag‘ in die Südtiroler Geschichte eingegangene Übergriff der Polizei hatte mich tief erschüttert. Mir selbst war nichts passiert, aber unmittelbar in meiner Nähe lag ein junger Bursch in Tracht auf dem Boden, während auf ihn eingeschlagen wurde. Diese Hilflosigkeit gegenüber der staatlichen Macht konnte ich fast nicht ertragen. Am Abend erzählte ich Heinrich Oberlechner davon, spontan rief er aus: ‚Diese Besatzer machen mit uns, was sie wollen!‘ Jetzt weihte ich ihn in alle meine Pläne ein: ‚Da mache ich gerne und sofort mit‘, antwortete er ohne Zögern. Heinrich war bei uns fast wie zu Hause, er war zu dieser Zeit mit meiner Schwester Anna befreundet.“ (Siegfried Steger: „Die Puschtra Buibm“, 2. Aufl., Bozen 2014, S. 56f)

Heinrich Oberlechner beteiligte sich in der Folge in sehr entschlossener Weise an dem Südtiroler Freiheitskampf der 1960er Jahre.

Auch die Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete ausführlich über die Prügelorgie, welche als „Knüppelsonntag“ in die Geschichte eingegangen ist.
Auch die Tageszeitung „Dolomiten“ berichtete ausführlich über die Prügelorgie, welche als „Knüppelsonntag“ in die Geschichte eingegangen ist.

Aus Anlass der 200jährigen Wiederkehr des Todestages von Peter Mayr und seiner Mitstreiter im Jahre 2009 ließ die Schützenkompanie Bozen das Peter Mayr-Denkmal wiederum restaurieren und in seinen ursprünglichen Zustand versetzen.

Weitere Denkmäler

1909 wurde in Brixen eine „Jahrtausendsäule“ eingeweiht, an der ein Bronzerelief die Szene mit Mayrs Frau zeigt, die ihn im Kerker vergeblich zur Notlüge überreden will. 1959 wurde in Brixen, als Ersatz für eine von den Faschisten entfernte Gedenktafel für drei am Domplatz erschossene Anführer von 1809, eine neue Tafel enthüllt, die auch an Peter Mayr erinnert.

Im Gedenkjahr 1984 brachte die Brixner Schützenkompanie „Peter Mayr“ beim Loaterer, wo Mayr gefangen genommen wurde, eine Gedenktafel an.

Im Bozner Stadtteil Gries, im Meraner Stadtteil Untermais sowie im Innsbrucker Stadtteil Wilten wurden Straßen nach Peter Mayr benannt.

Gedenken und Mahnung

Das Gedenken an die Freiheitskämpfer von 1809 schärft auch den kritischen Blick auf die heutigen Verhältnisse und lässt den Gedanken an Selbstbestimmung und Freiheit nicht untergehen. Über die eigene Zukunft entscheiden letztendlich doch die Menschen, die in dem Lande leben.

Für alle Zeiten, auch für uns Heutige und unsere Nachkommen, ist nach wie vor gültig, was Indiens erfolgreicher Freiheitsheld Mahatma Gandhi aussprach:

„Kein Volk kann auf Dauer unterworfen werden, wenn es nicht irgendwann an seiner Unterjochung mitwirkt.“

Diese Schützenfahne sagt, worum es geht!
Diese Schützenfahne sagt, worum es geht!