Österreichische Bundesregierung soll Farbe bekennen!

Bild Parlament: Thoodor (talk) via wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 at, Link 

Am 24. Februar 2021 reichten der FPÖ-Südtirolsprecher Peter Wurm und weitere FPÖ-Nationalratsabgeordnete drei parlamentarische Anträge an die österreichische Bundesregierung ein, deren Inhalt in Wien für Kopfschmerzen sorgen wird:

I) Amnestie für die letzten Südtiroler Freiheitskämpfer

Zur Erläuterung:

Die nach Bayern und Österreich geflüchteten Südtiroler Freiheitskämpfer Heinrich Oberleiter, Sepp Forer und Siegfried Steger können bis heute nicht in ihre Heimat zurück. Sie sind gemäß der in Italien immer noch in Geltung befindlichen faschistischen Strafprozessordnung in menschenrechtswidrigen Abwesenheitsverfahren zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Von links nach rechts: Heinrich Oberleiter - Sepp Forer - Siegfried Steger
Von links nach rechts: Heinrich Oberleiter – Sepp Forer – Siegfried Steger

Auch der ehemalige Freiheitskämpfer und österreichische Staatsbürger Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung erlitt das gleiche Schicksal und kann bis heute Südtirol, das Land seiner Vorfahren, nicht betreten, will er nicht in einem düsteren süditalienischen Kerker enden. In Österreich wurde er in einem ordentlichen Gerichtsverfahren in Anwesenheit von den gegen ihn erhobenen italienischen Vorwürfen freigesprochen.

Der Historiker und Militärfachmann Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner von der österreichischen Landesverteidigungsakademie hat 2013, lange Zeit nach der Verurteilung in Italien, anhand der bislang unter Verschluss gestandenen österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten und aufgrund eigener fachlicher Untersuchungen akribisch nachgewiesen, dass Dr. Hartung sowie seine damaligen Mitangeklagten mit einem ihm von italienischer Seite vorgeworfenen angeblichen Sprengstoffanschlag auf der Porzescharte 1967 nichts zu tun gehabt haben konnten.

Der österreichische Historiker und Militärfachmann Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner
Der österreichische Historiker und Militärfachmann Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner

Er hat dies in einer Dokumentation in deutscher Sprache (2013) und in italienischer Sprache (2015) publiziert, die in Österreich in allen wichtigen Tageszeitungen besprochen und gewürdigt wurde und die auch in Südtirol großes Aufsehen erregt hat. Unter anderem hat die Tageszeitung „Dolomiten“ ausführlich und eindeutig berichtet.

Speckners Werk trägt den Hauptitel „Von der Feuernacht zur Porzescharte“ und den Untertitel „Das ‚Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“. Die italienische Ausgabe erschien unter dem Titel „La Strage del Passo di Cima Vallona“.
Speckners Werk trägt den Hauptitel „Von der Feuernacht zur Porzescharte“ und den Untertitel „Das ‚Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten“. Die italienische Ausgabe erschien unter dem Titel „La Strage del Passo di Cima Vallona“.

Titel eines Berichtes in den „Dolomiten“ vom 2. August 2013.
Titel eines Berichtes in den „Dolomiten“ vom 2. August 2013.

Weiters liegen neueste Erkenntnisse und Gutachten gerichtlich beeideter und zertifizierter Sprengstoff-Sachverständiger wie Dr. Ing. Melzer, Mag. Ruspeckhofer und Ing. Hasler vor, welche die Erkenntnisse von Mag. Dr. Speckner ebenfalls nachweisen, dass Dr. Hartung in Italien zu Unrecht in Abwesenheit gerichtlich verfolgt und verurteilt worden ist.

Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung (rechts im Bild) zusammen mit dem österreichischen Justizminister Univ.-Prof. Dr. Hans Klecatsky
Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung (rechts im Bild) zusammen mit dem österreichischen Justizminister Univ.-Prof. Dr. Hans Klecatsky

Es war bereits lange zuvor bei dem Außenministertreffen vom Aldo Moro und Kurt Waldheim in Kopenhagen 1969 vereinbart worden, dass in jedem Einzelfall die Berechtigung der Strafverfolgung seitens Italiens überprüft werden sollte. Das ist in der Folge jedoch weder bei Oberleiter, Forer, Steger, noch bei Dr. Hartung erfolgt. Es blieb auf italienischer Seite bei den schönen Worten und auch die österreichischen Politiker engagierten sich leider nicht mehr.

Auch einige weitere Freiheitskämpfer mit österreichischer oder bundesdeutscher Staatsbürgerschaft wurden in Abwesenheit von italienischen Gerichten verurteilt und erfuhren zum Teil erst aus der Presse von ihren Prozessen und Verurteilungen.

Alle diese Betroffenen sind bis heute nicht bereit, Gnadengesuche mit Schuldbekenntnissen an den italienischen Staatspräsidenten zu richten, da sie der Auffassung sind, dass sie angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen durch Italien damals berechtigten Widerstand gegen Unrecht geleistet hatten. Ihrer Auffassung nach, die sie mehrfach öffentlich geäußert haben, sollte Italiens Staatsoberhaupt von sich aus mit einer Annullierung der menschenrechtswidrigen Abwesenheitsverurteilungen den gebotenen Schlussstrich ziehen.

Im Jahre 2019 hatte der österreichische Bundespräsident Van der Bellen versprochen, sich dafür einzusetzen. Seitdem hat man nichts mehr darüber gehört.

Man darf gespannt sein, wie sich die österreichische Bundesregierung nun zu dieser Frage stellen wird.

Ein aktueller Beitrag über das damalige Unrecht:

Am 4. März 2021 erschien in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ein Bericht, in dem es hieß:

„… Der französische Präsident Emmanuel Macron hat am Dienstagabend (2.03.2021) vier Enkel des 1957 gestorbenen algerischen Unabhängigkeitskämpfer Ali Boumendjel im Elysée-Palast empfangen und ihnen eingestanden, was seine Vorgänger im Namen der Republik nicht auszusprechen wagten: Ihr Großvater beging nicht Selbstmord, wie offiziell behauptet worden war, sondern wurde auf Anweisung des französischen Generals Paul Aussaresses in Algier gefoltert und starb an den Folgen der Verletzungen. In einem am späten Abend versandten Kommuniqué betont Macron, dass er das Eingeständnis als „Geste der Anerkennung“ verstanden wissen wolle, die „kein Einzelfall“ bleiben solle. In der Verlautbarung fehlt indessen der Hinweis darauf, dass der Präsident die Enkel um Vergebung für das Verbrechen gebeten habe.“

Daraufhin schrieb Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung einen Leserbrief, der am 10. März 2021 in der FAZ veröffentlich wurde:

II) Selbstbestimmung

Zur Erläuterung: Selbstverwaltung ist nicht Selbstbestimmung!

Die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes ist ein plebiszitärer Vorgang. Das Volk stimmt ab. Eine Volksabstimmung über die künftige staatliche Zugehörigkeit oder Eigenständigkeit ist nicht gleichzusetzen mit eingeschränkten gesetzgeberischen und verwaltungsmäßigen Befugnissen eines Landtages und einer Landesregierung im Rahmen von oben her auferlegten Bestimmungen.

Univ.-Prof. Dr. Franz Gschnitzer: „Selbstverwaltung ist nicht Selbstbestimmung!“
Univ.-Prof. Dr. Franz Gschnitzer: „Selbstverwaltung ist nicht Selbstbestimmung!“

Bereits am 9. September 1946 hatte der Innsbrucker Nationalratsabgeordnete, Universitätsprofessor, Richter und spätere Staatssekretär Dr. Franz Gschnitzer (ÖVP) in dem ÖVP-Organ „Tiroler Nachrichten“ in einem Artikel unter dem Titel „Selbstbestimmung nicht Selbstverwaltung“ klargestellt, dass „Selbstbestimmung zu den Grundrechten der Selbstherrschaft (Demokratie)“ gehört. Auf dieses Recht könne kein Volk verzichten. „Selbstverwaltung ist nicht Selbstbestimmung! So wenig ein Verwalter, der nicht verfügen kann, Eigentümer ist.“

III) Ortsnamen

Man darf gespannt sein, wie die österreichische Bundesregierung und die ihr parteipolitisch verbundenen Volksvertreter mit diesen Anträgen verfahren werden.

Es ist zu hoffen, dass nicht eine Politik des Auf-die-lange-Bank-Schiebens verfolgt werden wird.

Man wird sehen und der SID wird wieder berichten.